C-703/23 P – Timchenko/ Rat

C-703/23 P – Timchenko/ Rat

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:C:2025:274

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

LAILA MEDINA

vom 10. April 2025(1)

Rechtssache C703/23 P

Elena Petrovna Timchenko

gegen

Rat der Europäischen Union

„ Rechtsmittel – Restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in der Ukraine – Beschluss 2014/145/GASP – Verbot der Einreise in oder der Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten – Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen – Aufnahme des Namens der Rechtsmittelführerin – Art. 1 Abs. 1 a. E. und Art. 2 Abs. 1 a. E. des Beschlusses 2014/145/GASP – Begriff ‚Verbundenheit‘ im Fall von zwei Personen, die in einer familiären Beziehung zueinander stehen “

I.      Einleitung

1.        Die vorliegenden Schlussanträge betreffen ein von Elena Petrovna Timchenko, der Rechtsmittelführerin in dieser Rechtssache, eingelegtes Rechtsmittel, das auf Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 6. September 2023, Timchenko/Rat (T‑361/22, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2023:502), gerichtet ist.

2.        Mit seinem Urteil wies das Gericht die von der Rechtsmittelführerin nach Art. 263 AEUV erhobene Klage ab, mit der beantragt wurde,

–        zum einen den Beschluss (GASP) 2022/582 des Rates vom 8. April 2022 zur Änderung des Beschlusses 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2022, L 110, S. 55) und die Durchführungsverordnung (EU) 2022/581 des Rates vom 8. April 2022 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2022, L 110, S. 3)(2) und

–        zum anderen den Beschluss (GASP) 2022/1530 des Rates vom 14. September 2022 zur Änderung des Beschlusses 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2022, L 239, S. 149) und die Durchführungsverordnung (EU) 2022/1529 des Rates vom 14. September 2022 zur Durchführung der Verordnung Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2022, L 239, S. 1)(3)

für nichtig zu erklären, soweit diese Rechtsakte(4) die Rechtsmittelführerin betreffen. Durch diese Rechtsakte belegte der Rat der Europäischen Union die Rechtsmittelführerin u. a. mit einem Verbot der Einreise in oder der Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und fror alle Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der Rechtsmittelführerin in diesem Gebiet ein. Das Gericht wies die Klage auch insoweit ab, als sie auf der Grundlage von Art. 268 AEUV auf Ersatz des immateriellen Schadens gerichtet war, den die Rechtsmittelführerin aufgrund des Erlasses dieser Rechtsakte erlitten haben soll.

3.        Insbesondere legte das Gericht den Begriff „Verbundenheit“ in Art. 1 Abs. 1 a. E. und Art. 2 Abs. 1 a. E. des Beschlusses 2014/145 in der geänderten Fassung(5) dahin aus, dass er sich auf natürliche oder juristische Personen beziehe, die allgemein durch gemeinsame Interessen verbunden seien, ohne dass eine Verbindung aufgrund einer wirtschaftlichen Tätigkeit erforderlich sei. In Bezug auf Mitglieder ein und derselben Familie erklärte das Gericht im Wesentlichen, dass die Verbindung über die familiäre Beziehung hinausgehen und durch das objektive Vorliegen einer Verflechtung gemeinsamer Interessen gekennzeichnet sein müsse. Auf dieser Grundlage entschied das Gericht, dass der Rat keinen Beurteilungsfehler begangen habe, als er festgestellt habe, dass die Rechtsmittelführerin als Mitglied des Verwaltungsrats der Elena-und-Gennady-Timchenko-Stiftung(6) mit ihrem Ehemann verbunden sei, der seinerseits, wie sich aus dem Urteil vom 6. September 2023, Timchenko/Rat (T‑252/22, EU:T:2023:496), ergebe, zwei der im geänderten Beschluss 2014/145 vorgesehenen Kriterien für die Aufnahme in die Liste erfülle.

4.        Die Rechtsmittelführerin kritisiert die Argumentation des Gerichts und wirft ihm vor, bei der Auslegung des Begriffs „Verbundenheit“ einen Rechtsfehler begangen zu haben. Die Auslegung des Gerichts führe dazu, dass das in Art. 1 Abs. 1 a. E. und Art. 2 Abs. 1 a. E. des geänderten Beschlusses 2014/145 vorgesehene Kriterium auf natürliche Personen allein aufgrund der zwischen ihnen bestehenden familiären Verbindung angewendet werde, was gegen die Rechtsprechung des Gerichtshofs verstoße. Darüber hinaus ist die Rechtsmittelführerin der Ansicht, dass das Gericht im vorliegenden Fall nicht die gemeinsamen Interessen dargelegt habe, die sie mit ihrem Ehemann teile und die über die bloße Interessengemeinschaft, die jeder familiären Beziehung immanent sei, hinausgingen.

5.        Die vorliegende Rechtssache betrifft eines der ersten beim Gerichtshof eingelegten Rechtsmittel in Bezug auf die vom Rat im Jahr 2022 nach der Invasion der Ukraine durch die Streitkräfte der Russischen Föderation erlassenen restriktiven Maßnahmen(7). Sie bietet dem Gerichtshof die Gelegenheit, sich mit der Auslegung von Art. 1 Abs. 1 a. E. und Art. 2 Abs. 1 a. E. des geänderten Beschlusses 2014/145 zu befassen, die sich auf mit natürlichen oder juristischen Personen verbundene natürliche und/oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen beziehen, die mindestens eines der in den genannten Artikeln vorgesehenen Aufnahmekriterien erfüllen.

6.        Es ist hinzuzufügen, dass diese Rechtssache einen Zusammenhang mit der Rechtssache C‑702/23 P aufweist, die auf dem Rechtsmittel von Herrn Gennady Nikolayevich Timchenko, dem Ehemann der Rechtsmittelführerin, beruht. Mit diesem Rechtsmittel beantragt Herr Timchenko die Aufhebung des Urteils vom 6. September 2023, Timchenko/Rat (T‑252/22, EU:T:2023:496), mit dem das Gericht seine Aufnahme in die Listen der restriktiven Maßnahmen u. a. aufgrund der Anwendung der in Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b des geänderten Beschlusses 2014/145 vorgesehenen Kriterien bestätigte. Die Schlussanträge in dieser letztgenannten Rechtssache werden ebenfalls am heutigen Tag verkündet.

II.    Ausgangssachverhalt, Verfahren und Anträge der Parteien

A.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

7.        Die Vorgeschichte des Rechtsstreits wird in den Rn. 2 bis 16 des angefochtenen Urteils dargelegt und kann für die vorliegenden Schlussanträge wie folgt zusammengefasst werden.

8.        Am 17. März 2014 nahm der Rat der Europäischen Union auf der Grundlage von Art. 29 EUV den Beschluss 2014/145/GASP(8) an. Am selben Tag erließ der Rat auf der Grundlage von Art. 215 AEUV die Verordnung (EU) Nr. 269/2014(9).

9.        Nach der Invasion der Ukraine durch die Streitkräfte der Russischen Föderation erließ der Rat am 25. Februar 2022 den Beschluss (GASP) 2022/329 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2022, L 50, S. 1) sowie die Verordnung (EU) 2022/330 zur Änderung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2022, L 51, S. 1), um insbesondere die Kriterien anzupassen, nach denen natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen von den betreffenden restriktiven Maßnahmen erfasst werden können.

10.      In Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2014/145 in der durch den Beschluss 2022/329 geänderten Fassung(10) heißt es:

„(1)      Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um folgenden Personen die Einreise in oder die Durchreise durch ihr Hoheitsgebiet zu verweigern:

a)      natürlichen Personen, die für Handlungen oder politische Maßnahmen, die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine oder die Stabilität oder die Sicherheit in der Ukraine untergraben oder bedrohen, verantwortlich sind oder solche Handlungen oder politischen Maßnahmen unterstützen oder umsetzen oder die die Arbeit von internationalen Organisationen in der Ukraine behindern;

b)      natürlichen Personen, die russische Entscheidungsträger, die für die Annexion der Krim oder die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sind, materiell oder finanziell unterstützen oder von diesen profitieren;

und den mit ihnen verbundenen natürlichen Personen, die im Anhang aufgeführt sind.“

11.      Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und d des geänderten Beschlusses 2014/145 sieht das Einfrieren von Geldern vor, die im Besitz oder im Eigentum stehen oder gehalten oder kontrolliert werden von natürlichen Personen, die im Wesentlichen die gleichen Kriterien erfüllen wie die in Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b dieses Beschlusses genannten. Die Verordnung Nr. 269/2014 in der durch die Verordnung 2022/330 geänderten Fassung(11) enthält ebenfalls dieselben Kriterien.

12.      Am 8. April 2022 erließ der Rat angesichts der ernsten Lage in der Ukraine die ursprünglichen streitigen Rechtsakte. Mit diesen Rechtsakten wurde der Name der Rechtsmittelführerin unter der Nr. 903 in die Liste im Anhang des geänderten Beschlusses 2014/145 und unter derselben Nummer in die Liste in Anhang I der geänderten Verordnung Nr. 269/2014 aufgenommen, und zwar aus folgenden Gründen:

„[Frau] Elena Timchenko ist die Ehefrau des Milliardärs Gennady Timchenko, der in der Liste des Beschlusses [2014/145] aufgeführt ist. Sie nimmt über die Timchenko-Stiftung an seinen öffentlichen Angelegenheiten teil. Daher profitiert sie von [Herrn] Gennady Timchenko, einem führenden Geschäftsmann, der für die Unterstützung von Handlungen oder politischen Maßnahmen verantwortlich ist, die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine untergraben, und der von russischen Entscheidungsträgern profitiert, die für die rechtswidrige Annexion der Halbinsel Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sind.“

13.      Am 11. April 2022 wurde im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2022, C 157, S. 11) eine Mitteilung für die Personen und Organisationen, die den restriktiven Maßnahmen nach dem geänderten Beschluss 2014/145 und der geänderten Verordnung Nr. 269/2014 unterliegen, veröffentlicht.

14.      Mit E‑Mail vom 14. April 2022 beantragte die Rechtsmittelführerin beim Rat Einsicht in die gesamte sie betreffende Akte, die ihr am 28. April 2022 gewährt wurde.

15.      Mit Schreiben vom 31. Mai 2022 richtete die Rechtsmittelführerin einen Antrag auf Überprüfung an den Rat.

16.      Am 14. September 2022 erließ der Rat die streitigen Fortsetzungsrechtsakte, mit denen die Aufnahme des Namens der Rechtsmittelführerin in die betreffenden Listen auf der Grundlage einer Begründung beibehalten wurde, die mit der angefochtenen Begründung in den ursprünglichen streitigen Rechtsakten identisch war.

17.      Am 15. September 2022 teilte der Rat der Rechtsmittelführerin die streitigen Fortsetzungsrechtsakte mit und erklärte ihr im Wesentlichen, dass er keinen Beurteilungsfehler begangen habe, da die gegen sie verhängten restriktiven Maßnahmen auf der Anwendung des in Art. 1 Abs. 1 a. E. des geänderten Beschlusses 2014/145 vorgesehenen Begriffs „Verbundenheit“ beruhten. Diesbezüglich stellte der Rat klar, dass sich die Verbundenheit der Rechtsmittelführerin mit ihrem Ehemann nicht nur aus ihrer familiären Verbindung ergebe, sondern auch aus ihrer Rolle und ihrer Tätigkeit in der Timchenko-Stiftung, wodurch sie an den öffentlichen Angelegenheiten ihres Ehemanns teilnehme und davon profitieren könne, insbesondere in Bezug auf ihre soziale Stellung.

B.      Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

18.      Mit Klageschrift vom 17. Juni 2022 beantragte die Rechtsmittelführerin, die ursprünglichen streitigen Rechtsakte für nichtig zu erklären, soweit sie ihren Namen in die Liste der Personen aufnähmen, die restriktiven Maßnahmen unterlägen. Außerdem beantragte sie beim Gericht, ihr Ersatz für den immateriellen Schaden zu gewähren, den sie angeblich durch den Erlass dieser Rechtsakte erlitten hat. Darüber hinaus reichte die Rechtsmittelführerin am 25. November 2022 einen Anpassungsschriftsatz ein, um ihren Klageantrag zu ändern und einen Antrag auf Nichtigerklärung der streitigen Fortsetzungsrechtsakte aufzunehmen.

19.      Im Rahmen ihrer Nichtigkeitsklage machte die Rechtsmittelführerin erstens geltend, dass der Rat ihr Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz sowie die Begründungspflicht, die diesem Organ obliege, verletzt habe. Zweitens warf die Rechtsmittelführerin dem Rat vor, einen Beurteilungsfehler begangen zu haben, als er festgestellt habe, dass sie über die Timchenko-Stiftung mit ihrem Ehemann, Herrn Timchenko, im Sinne von Art. 1 Abs. 1 a. E. des geänderten Beschlusses 2014/145 verbunden sei. Drittens machte die Rechtsmittelführerin geltend, dass der Rat ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe.

20.      Am 6. September 2023 wies das Gericht, nachdem es alle Anträge der Rechtsmittelführerin zurückgewiesen hatte, die Klage in vollem Umfang ab.

21.      Was insbesondere den von der Rechtsmittelführerin behaupteten Beurteilungsfehler betrifft(12), stellte das Gericht fest, dass der Begriff „Verbundenheit“ zwar häufig in Rechtsakten des Rates über restriktive Maßnahmen verwendet werde, als solcher jedoch nicht definiert sei und seine Bedeutung von den jeweiligen Zusammenhängen und Umständen abhänge. Das Gericht vertrat jedoch mit Blick auf das Urteil vom 8. März 2023, Prigozhina/Rat (T‑212/22, im Folgenden: Urteil Prigozhina, EU:T:2023:104), die Auffassung, dass sich dieser Begriff auf natürliche oder juristische Personen beziehe, die allgemein durch gemeinsame Interessen verbunden seien, ohne dass eine Verbindung über eine wirtschaftliche Tätigkeit erforderlich sei.

22.      Unter diesen Umständen konnte der Begriff „Verbundenheit“ in den einschlägigen Bestimmungen des geänderten Beschlusses 2014/145 nach Ansicht des Gerichts dahin ausgelegt werden, dass er sich auf jede natürliche oder juristische Person oder Einrichtung erstrecke, die eine über eine familiäre Beziehung hinausgehende Verbindung zu einer Person aufweise, die restriktiven Maßnahmen unterliege, weil sie, wie im vorliegenden Fall, russische Entscheidungsträger, die für die Invasion der Ukraine verantwortlich seien, finanziell unterstütze oder von ihnen profitiere oder weil sie Handlungen oder politische Maßnahmen unterstütze, die die Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergrüben oder bedrohten(13). Diese Auslegung könne auch nicht durch den siebten Erwägungsgrund jedes der ursprünglichen streitigen Rechtsakte, auf den sich die Rechtsmittelführerin berufe, in Frage gestellt werden(14).

23.      Im vorliegenden Fall stellte das Gericht fest, dass die Rechtsmittelführerin und ihr Ehemann die Gründer der Timchenko-Stiftung seien und eine aktive Rolle spielten, da sie direkt in deren operative Tätigkeiten involviert seien und über wesentliche Befugnisse bei der Verwaltung dieser Stiftung verfügten. Im Fall der Rechtsmittelführerin sei diese Beteiligung umso ausgeprägter, als sie auch Mitglied des Verwaltungsrats der Timchenko-Stiftung sei(15). Das Gericht kam daher zu dem Schluss, dass der Rat ohne Beurteilungsfehler davon habe ausgehen können, dass die Rechtsmittelführerin in der Timchenko-Stiftung mit ihrem Ehemann verbunden sei, der seinerseits, wie sich aus dem Urteil vom 6. September 2023, Timchenko/Rat (T‑252/22, EU:T:2023:496), ergebe, die in Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b des geänderten Beschlusses 2014/145 vorgesehenen Kriterien erfülle, und dementsprechend restriktive Maßnahmen gegen sie habe erlassen können(16).

24.      Schließlich wies das Gericht das Argument der Rechtsmittelführerin zurück, dass ihre Aktivitäten in der Timchenko-Stiftung kein Risiko einer Umgehung der restriktiven Maßnahmen gegen ihren Ehemann darstellten und nicht mit der Invasion der Ukraine in Verbindung stünden, da weder die Kriterien in Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b des geänderten Beschlusses 2014/145 noch die Rechtsprechung den Nachweis dieser beiden Elemente verlangten(17).

C.      Anträge der Parteien

25.      Mit ihrem am 16. November 2023 eingelegten Rechtsmittel beantragt die Rechtsmittelführerin,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben,

–        den Rechtsstreit in der Sache zu entscheiden und die streitigen Rechtsakte für nichtig zu erklären, soweit sie sie betreffen, und

–        dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

26.      Der Rat, unterstützt durch die Kommission, beantragt,

–        das Rechtsmittel zurückzuweisen,

–        der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

27.      Die Rechtsmittelführerin stützt ihr Rechtsmittel auf drei Gründe, mit denen sie erstens einen Rechtsfehler bei der Auslegung des durch den geänderten Beschluss 2014/145 aufgestellten Kriteriums der Verbundenheit in Verbindung mit dem Begriff „gemeinsame Interessen“, zweitens einen Rechtsfehler bei der Auslegung der Wendung „in unangemessener Weise“ im siebten Erwägungsgrund des Beschlusses 2022/582 und drittens einen Rechtsfehler bei der Auslegung des Kriteriums der Verbundenheit im Zusammenhang mit dem Ziel der restriktiven Maßnahmen und der Verletzung der Begründungspflicht rügt.

28.      Entsprechend der expliziten Aufforderung des Gerichtshofs werde ich mich bei meiner Prüfung auf die von der Rechtsmittelführerin im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes vorgebrachten Argumente beschränken.

29.      Mit diesem Rechtsmittelgrund wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, das in Art. 1 Abs. 1 a. E. des geänderten Beschlusses 2014/145 vorgesehene Kriterium der Verbundenheit falsch ausgelegt und angewandt zu haben(18). Er besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen.

30.      Im ersten Teil macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass die Auslegung des Gerichts dazu führe, dass dieses Kriterium auf natürliche Personen allein aufgrund ihrer familiären Beziehung zu einer Person, die restriktiven Maßnahmen unterliege, angewandt werde. Mit den im angefochtenen Urteil verwendeten vagen Begriffen habe das Gericht versucht, eine Vielzahl von Situationen zu erfassen, ohne zum einen die gemeinsamen Interessen, die über die bloße familiäre Beziehung hinausgingen, und zum anderen die Bedeutung des ebenfalls dem angefochtenen Urteil zu entnehmenden Ausdrucks „Verflechtung gemeinsamer Interessen“ anzugeben. Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin ist eine solche Auslegung geeignet, gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit zu verstoßen, da sie hinsichtlich der Fälle, in denen sie Anwendung finden könne, unpräzise und unvorhersehbar sei.

31.      Im zweiten Teil führt die Rechtsmittelführerin – die anerkennt, dass der Zusammenhang und die Umstände jedes Einzelfalls zu berücksichtigen sind – aus, dass das Gericht hätte erklären müssen, wie es dies beispielsweise im Urteil Prigozhina getan habe, inwiefern die in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden gemeinsamen Interessen aufgrund ihrer Natur, Qualität und Quantität über die bloße Interessengemeinschaft, die jeder familiären Beziehung immanent sei, hinausgingen, um das objektive Vorliegen einer „Verflechtung gemeinsamer Interessen“ kennzeichnen zu können. In dem angefochtenen Urteil habe das Gericht jedoch nur festgestellt, dass die Rechtsmittelführerin mit ihrem Ehemann verbunden sei, ohne bestimmte geschäftliche, wirtschaftliche, finanzielle oder sonstige Verbindungen zu identifizieren, die die beiden Eheleute über eine einfache familiäre Beziehung hinaus verbänden. Die Rechtsmittelführerin führt weiter aus, dass sich das Gericht in dem angefochtenen Urteil darauf beschränkt habe, eine Verbundenheit zwischen ihr und ihrem Ehemann aus den üblichen Aufgaben und Befugnissen abzuleiten, die mit dem Status des Gründers einer Wohltätigkeitsorganisation verbunden seien, obwohl sich das gemeinsame Interesse der Eheleute an einer karitativen Tätigkeit in den Rahmen ihrer familiären Beziehung einfüge.

32.      Der Rat argumentiert zum einen, dass der vorliegende Rechtsmittelgrund teilweise für unzulässig zu erklären sei, da er in Teilen darauf abziele, die Tatsachenwürdigung des Gerichts in Frage zu stellen, und tritt zum anderen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen, indem er sich im Wesentlichen auf die Argumentation des angefochtenen Urteils stützt.

33.      Zunächst möchte ich feststellen, dass das Vorbringen des Rates, soweit er geltend macht, dass der erste Rechtsmittelgrund unzulässig sei, da die Rechtsmittelführerin eigentlich versuche, die Würdigung des Gerichts hinsichtlich der ihm zur Prüfung vorgelegten Beweismittel sowie die vom Gericht im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen in Frage zu stellen, zurückzuweisen ist.

34.      Mit Blick auf die in dem Rechtsmittel vorgebrachten spezifischen Argumente ist nämlich festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin nicht darauf abzielt, die Tatsachenfeststellungen in Frage zu stellen, die nach Ansicht des Gerichts ihre Verbundenheit mit ihrem Ehemann im Sinne von Art. 1 Abs. 1 a. E. des geänderten Beschlusses 2014/145 begründen. Vielmehr rügt die Rechtsmittelführerin, dass das Gericht das Vorliegen einer solchen Verbundenheit bejaht habe, ohne gemäß den Kriterien, die das Gericht selbst zuvor in seinem Urteil aufgestellt habe, gemeinsame Interessen zu identifizieren, die die beiden Ehegatten über eine bloße familiäre Beziehung hinaus verbänden.

35.      Es ist somit davon auszugehen, dass die von der Rechtsmittelführerin im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittelgrundes vorgebrachten Argumente nicht die Tatsachen betreffen, die das Gericht zuvor mit Blick auf die vom Rat vorgelegten Beweismittel als ordnungsgemäß nachgewiesen angesehen hat, sondern die rechtliche Einordnung dieser Tatsachen und die daraus zu ziehenden rechtlichen Konsequenzen, was in die Zuständigkeit des Gerichtshofs in Bezug auf Rechtsmittel fällt.

36.      Insoweit genügt der Hinweis, dass nach ständiger Rechtsprechung die Würdigung von Tatsachen und Beweismitteln zwar – sofern diese nicht verfälscht werden – keine Rechtsfrage darstellt, die als solche im Rahmen eines Rechtsmittels der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt, dass dieser aber gemäß Art. 256 AEUV zur Kontrolle der rechtlichen Qualifizierung dieser Tatsachen und der Rechtsfolgen, die das Gericht aus ihnen gezogen hat, befugt ist(19).

37.      Daraus folgt, dass entgegen dem Vorbringen des Rates der erste Rechtsmittelgrund als zulässig angesehen werden sollte.

38.      In der Sache macht die Rechtsmittelführerin im ersten Teil des vorliegenden Rechtsmittelgrundes im Wesentlichen geltend, dass das Gericht bei der Definition des in Art. 1 Abs. 1 a. E. des geänderten Beschlusses 2014/145 verwendeten Begriffs „Verbundenheit“ einen Auslegungsfehler begangen und gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen habe.

39.      Zunächst ist festzustellen, dass nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b des geänderten Beschlusses 2014/145 die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um zum einen natürlichen Personen, die für Handlungen oder politische Maßnahmen, die die territoriale Unversehrtheit untergraben oder bedrohen, verantwortlich sind, sowie zum anderen Personen, die russische Entscheidungsträger, die für die Annexion der Krim oder die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sind, materiell und finanziell unterstützen, die Einreise in oder die Durchreise durch ihr Hoheitsgebiet zu verweigern. Dieses Verbot gilt gemäß dem letzten Satz dieses Artikels auch für die „mit ihnen verbundenen natürlichen Personen“.

40.      Da ich außerdem in den heute in der Rechtssache C‑702/23 P, Timchenko/Rat, vorgelegten Schlussanträgen vorschlage, das Rechtsmittel von Herrn Timchenko mangels Vorliegens eines Fehlers des Gerichts bei der Anwendung der im Wesentlichen in Art. 1 Abs. 1 Buchst. b und a der geänderten Verordnung 2014/145 vorgesehenen Kriterien zurückzuweisen(20), ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin in den Anwendungsbereich von Art. 1 Abs. 1 a. E. dieses Beschlusses fiele, wenn man zu dem Schluss käme, dass das dort vorgesehene Kriterium der Verbundenheit vom Gericht richtig ausgelegt und angewandt worden ist.

41.      Insoweit geht aus den Rn. 74 und 76 des angefochtenen Urteils hervor, dass das Gericht festgestellt hat, dass der Begriff „Verbundenheit“ natürliche oder juristische Personen umfasse, die eine über eine familiäre Beziehung hinausgehende Verbindung aufwiesen, deren Interessen in einer gemeinsamen rechtlichen Struktur verbunden sein könnten oder die allgemein durch gemeinsame Interessen verbunden seien, ohne dass eine Verbindung durch eine wirtschaftliche Tätigkeit erforderlich sei. Das Gericht hat ebenso klargestellt, dass, wenn diese Personen durch eine familiäre Beziehung verbunden seien, das objektive Vorliegen einer Verflechtung gemeinsamer Interessen, welche nicht notwendigerweise in einer zu diesem Zweck geschaffenen rechtlichen Struktur formalisiert sein müsse, nachgewiesen werden müsse.

42.      Nach ständiger Rechtsprechung sind die Bestimmungen des Unionsrechts anhand ihres Wortlauts sowie ihres Zusammenhangs und der Ziele, die mit dem Rechtsakt, zu denen sie gehören, verfolgt werden, auszulegen(21).

43.      Im Hinblick auf die wörtliche Auslegung des Begriffs „Verbundenheit“ ist festzustellen, dass dieser Begriff gemeinhin eine Gesamtheit von mehreren durch eine Verbindung zusammengeschlossenen Einheiten bezeichnet. Handelt es sich um eine „Association“ (dem in der französischen Sprachfassung von Art. 1 Abs. 1 a. E. des geänderten Beschlusses 2014/145 verwendeten Begriff) von Personen, bezieht sich der Begriff auf eine Gruppe von mindestens zwei Individuen, die sich zu einem gemeinsamen Zweck zusammenschließen(22). Das Gericht hat folglich keinen Fehler begangen, als es in Rn. 74 des angefochtenen Urteils zunächst festgestellt hat, dass der Begriff „Verbundenheit“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 a. E. des geänderten Beschlusses 2014/145 so zu verstehen sei, dass er sich auf „natürliche oder juristische Personen, die allgemein durch gemeinsame Interessen verbunden sind“, oder auf „jede natürliche oder juristische Person oder Einrichtung, die eine Beziehung … zu einer Person aufweist, die Gegenstand der restriktiven Maßnahmen [aufgrund der in diesem Artikel vorgesehenen Kriterien] ist“, beziehe.

44.      Sodann ist festzustellen, dass der Begriff „Verbundenheit“ in Art. 1 Abs. 1 a. E. des geänderten Beschlusses 2014/145 nicht durch andere Elemente, die den Umfang seiner Bedeutung eingrenzen, in spezifischer Weise gekennzeichnet ist. Dies wäre der Fall, wenn er von einem qualifizierenden Adjektiv oder einer Adjektivphrase begleitet wäre, wie z. B. den Begriffen „rechtlich“ oder „wirtschaftlicher Natur“. Er ist auch nicht durch andere grammatikalische Ergänzungen eingegrenzt, die seine Bedeutung näher erläutern. Insoweit hat das Gericht auch keinen Fehler begangen, als es im Wesentlichen festgestellt hat, dass die gemeinsamen Interessen zwischen verbundenen Personen gemäß Art. 1 Abs. 1 a. E. des geänderten Beschlusses 2014/145 nicht unbedingt eine Verbindung „durch eine wirtschaftliche Tätigkeit“ erforderten oder „in einer zu diesem Zweck geschaffenen rechtlichen Struktur“ formalisiert sein müssten.

45.      Die vorstehenden Erwägungen scheinen mir auch durch den normativen Rahmen, in den das in Art. 1 Abs. 1 a. E. des geänderten Beschlusses 2014/145 festgelegte Kriterium der Verbundenheit eingebettet ist, sowie durch die Ziele, die mit diesem Kriterium und den anderen begleitenden Vorschriften verfolgt werden, gestützt zu werden.

46.      In Bezug auf den Kontext ist nämlich festzustellen, dass zwar für jedes der Kriterien in Art. 1 Abs. 1 des geänderten Beschlusses 2014/145 genau und ausführlich festgelegt ist, welche Umstände vorliegen müssen, damit sie auf natürliche oder juristische Personen angewendet werden können, der Begriff „mit ihnen [verbundene] natürliche Personen“ jedoch nicht weiter präzisiert wird, was wiederum Anlass gibt, wie bei der oben dargelegten wörtlichen Auslegung anzunehmen, dass ihre Auslegung keinen spezifischen Zwängen unterliegt und insbesondere nicht, wie das Gericht zu Recht festgestellt hat, so verstanden werden muss, dass die Verbindung zwischen den betreffenden Personen wirtschaftlicher Natur ist oder in eine spezifische rechtliche Struktur eingebettet ist.

47.      Die einzige Einschränkung in diesem Punkt ergibt sich meiner Meinung nach aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu anderen Regelungen restriktiver Maßnahmen, die vom Rat erlassen wurden. Insoweit sei darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof bei der Auslegung eines ähnlichen Kriteriums der Verbundenheit wie im vorliegenden Fall hinsichtlich der Regelung über restriktive Maßnahmen gegen Birma festgestellt hat, dass eine natürliche Person nicht allein aufgrund ihrer familiären Verbindung zu Personen, die selbst Gegenstand von restriktiven Maßnahmen sind, und unabhängig von ihrem persönlichen Verhalten solchen Maßnahmen unterworfen werden darf(23).

48.      Im vorliegenden Fall ist jedoch festzustellen, dass das Gericht bei seiner Auslegung von Art. 1 Abs. 1 a. E. des geänderten Beschlusses 2014/145 die aus dieser Rechtsprechung zu ziehenden Lehren berücksichtigt hat, indem es in den Rn. 74 und 76 des angefochtenen Urteils unmissverständlich erklärt hat, dass die von diesem Artikel betroffenen natürlichen Personen, um als „verbunden“ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden zu können, „eine Verbindung aufweisen [müssen], die über eine einfache familiäre Beziehung hinausgeht“, so dass, wenn zwei Personen durch eine solche Beziehung verbunden seien, „das objektive Bestehen einer Verflechtung gemeinsamer Interessen“ nachgewiesen werden müsse.

49.      Daraus folgt, dass die Definition des Gerichts entgegen der Behauptung der Rechtsmittelführerin den Begriff „Verbundenheit“ nicht auf die gemeinsamen Aktivitäten beschränkt, die zwei Mitglieder derselben Familie, wie etwa Ehegatten, im Rahmen ihrer familiären Beziehung ausüben. Denn die Auslegung des Gerichts impliziert, dass der Rat als die Behörde, die für den Nachweis der Begründetheit der Aufnahme einer natürlichen Person in die Listen der restriktiven Maßnahmen – aufgrund ihrer Eigenschaft als einer mit einer anderen eingetragenen Person „verbundene“ Person – zuständig ist, das Vorhandensein gemeinsamer Interessen nachweisen muss, die über die Interessen hinausgehen, die Mitglieder derselben Familie im Rahmen ihrer Beziehung teilen.

50.      Was das Ziel des in Art. 1 Abs. 1 a. E. des geänderten Beschlusses 2014/145 genannten Kriteriums „Verbundenheit“ anbelangt, so ist es im Licht der Ziele auszulegen, die mit den in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen, zu denen auch dieser Beschluss gehört, verfolgt werden. Im Wesentlichen geht es darum, den Druck auf die Russische Föderation und die Wirtschaft der Russischen Föderation zu maximieren, um ihre Fähigkeit zur Destabilisierung im Hoheitsgebiet der Ukraine und die von der Ukraine erlittene militärische Aggression in finanzieller Hinsicht zu schwächen(24).

51.      Meiner Ansicht nach besteht ein klarer Zusammenhang zwischen der Ausrichtung auf Personen, die mit anderen Personen verbunden sind, welche nach den in Art.1 Abs. 1 des geänderten Beschlusses 2014/145 festgelegten Kriterien restriktiven Maßnahmen unterliegen, einerseits und dem Zweck der restriktiven Maßnahmen im vorliegenden Fall andererseits. Denn mit der Ausweitung des Personenkreises, der von den restriktiven Maßnahmen betroffen ist, wollte der Rat den Druck auf die Russische Föderation erhöhen, insbesondere in Anbetracht der wesentlichen Veränderung in Bezug auf die Bedrohung der Souveränität und der territorialen Unversehrtheit der Ukraine, die durch die Invasion des ukrainischen Hoheitsgebiets eingetreten ist. Daher ist es, wie das Gericht im angefochtenen Urteil ausgelegt hat, nicht erforderlich, dass der Begriff „Verbundenheit“ Bedingungen unterworfen wird, die über das bloße Vorhandensein gemeinsamer Interessen zwischen den miteinander Verbundenen hinausgehen, außer bei Mitgliedern derselben Familie, wie bereits dargelegt.

52.      In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen bin ich nicht der Auffassung, dass das Gericht einen Fehler bei der Auslegung von Art. 1 Abs. 1 a. E. des geänderten Beschlusses 2014/145 begangen hat. Die Behauptungen der Rechtsmittelführerin, mit denen sie einen solchen Fehler in den Rn. 74 bis 76 des angefochtenen Urteils nachweisen will, sollten daher zurückgewiesen werden.

53.      Darüber hinaus hat das Gericht nicht gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen, wie die Rechtsmittelführerin geltend macht, indem es den Begriff „Verbundenheit“ in dem in den vorstehenden Nummern beschriebenen Sinn ausgelegt hat.

54.      Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet, dass Rechtsvorschriften – vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen haben können – klar und bestimmt sowie in ihrer Anwendung für den Einzelnen vorhersehbar sind. Diese Erfordernisse sind jedoch weder dahin zu verstehen, dass die in Rede stehende Vorschrift des Unionsrechts einen abstrakten Rechtsbegriff nicht verwenden darf, noch dahin, dass sie gebieten, dass in einer solchen Vorschrift die verschiedenen konkreten Fälle genannt werden, auf die sie angewandt werden kann, sofern nicht alle diese Fälle im Voraus bestimmt werden können(25).

55.      Meiner Ansicht nach erfüllt die Auslegung des Gerichts, wie sie sich aus den Rn. 74 bis 76 des angefochtenen Urteils ergibt, diese Anforderungen. Auch wenn natürlich nicht alle Fälle, in denen Art. 1 Abs. 1 a. E. des geänderten Beschlusses 2014/145 zur Anwendung kommt, im Voraus vorhergesehen werden können, sieht die Auslegung des Gerichts hinreichend konkrete Kriterien vor, anhand derer die Fälle erkannt werden können, in denen der Begriff „Verbundenheit“ Anwendung finden kann. Konkret ist eine Verbundenheit im Sinne dieses Artikels festzustellen, wenn mindestens zwei Personen durch gemeinsame Interessen verbunden sind, ohne dass diese Interessen wirtschaftlicher Natur sind oder ihre Verbindung rechtlich formalisiert ist. Wenn es sich um Mitglieder derselben Familie handelt, wie es bei den beiden in diesem Fall betroffenen Eheleuten der Fall ist, ist zusätzlich erforderlich, dass die gemeinsamen Interessen über ihre bloße familiäre Beziehung hinausgehen und dass diese Interessen objektiv miteinander verflochten sind.

56.      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass dem Gericht nicht vorgeworfen werden kann, einen Auslegungsfehler oder gar einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit im Hinblick auf das in Art. 1 Abs. 1 a. E. des geänderten Beschlusses 2014/145 enthaltene Kriterium der Verbundenheit begangen zu haben, wie die Rechtsmittelführerin geltend macht.

57.      Der erste Teil des vorliegenden Rechtsmittelgrundes sollte daher zurückgewiesen werden.

58.      Zum zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes trägt die Rechtsmittelführerin im Wesentlichen vor, dass das Gericht, selbst wenn man davon ausgehe, dass die Auslegung des in Art. 1 Abs. 1 a. E. des geänderten Beschlusses 2014/145 vorgesehenen Kriteriums der Verbundenheit durch das Gericht richtig sei, bei der rechtlichen Würdigung des vorliegenden Sachverhalts einen Fehler begangen habe, insbesondere indem es zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die bloße Beteiligung der Rechtsmittelführerin an der Timchenko-Stiftung dieses Kriterium erfülle.

59.      Die Begründung für die Anwendung von Art. 1 Abs. 1 a. E. des geänderten Beschlusses 2014/145 auf die Rechtsmittelführerin ist in den Rn. 77 bis 79 des angefochtenen Urteils enthalten.

60.      Zunächst hat das Gericht festgestellt, dass die Eheleute Timchenko die Gründer der Timchenko-Stiftung seien, deren Verwaltungsrat die Rechtsmittelführerin angehöre. Sodann hat das Gericht festgestellt, dass die beiden Eheleute direkt und aktiv in die operativen Tätigkeiten dieser Stiftung involviert seien. Insbesondere könnten sie Informationen über die Aktivitäten der Stiftung und Zugang zu ihren Unterlagen erhalten sowie die Mitglieder des Aufsichtsrats, der laut der Satzung der Stiftung das „höchste kollegiale Organ“ der Stiftung sei, ernennen und abberufen. Schließlich hat das Gericht aus diesen Umständen gefolgert, dass der Rat ohne Beurteilungsfehler davon habe ausgehen können, dass die Rechtsmittelführerin in der Timchenko-Stiftung mit ihrem Ehemann verbunden sei.

61.      Im vorliegenden Fall stellt sich daher die Frage, ob die vorstehenden Erwägungen ausreichen, um das Kriterium der Verbundenheit in Art. 1 Abs. 1 des geänderten Beschlusses 2014/145, wie in den Rn. 74 bis 76 des angefochtenen Urteils ausgelegt, zu erfüllen, oder ob das Gericht, wie die Rechtsmittelführerin geltend macht, die gemeinsamen Interessen, die die beiden Ehegatten über ihre eheliche Beziehung hinaus teilen müssten, nicht nachgewiesen hat.

62.      Insoweit bin ich der Ansicht, dass, auch wenn das Gericht keine detaillierten Erläuterungen zu den gemeinsamen Interessen der Eheleute Timchenko liefert, die bloße Tatsache, dass sie die Gründer einer Stiftung sind, die übrigens „Elena-und-Gennady-Timchenko-Stiftung“ heißt, für sich genommen den Schluss zulässt, dass die beiden Eheleute gemeinsame Interessen hatten, die über den Rahmen ihrer familiären Beziehung hinausgingen, und daher miteinander verbunden waren. Ich halte es für schwierig, anzunehmen, dass die Gründung und Verwaltung einer Stiftung – unabhängig davon, ob sie, wie die Rechtsmittelführerin betont, einen wohltätigen Zweck verfolgt – als gewöhnliche Tätigkeit eines verheirateten Paares oder als eine Verbindung verstanden werden kann, die nicht über die bloße Zugehörigkeit zu ein und derselben Familie hinausgeht. Darüber hinaus ist hervorzuheben, dass die im Rahmen der Stiftung ausgeübten Tätigkeiten in die öffentliche Sphäre ihrer beiden Gründer fallen und somit über die eheliche Sphäre der Eheleute Timchenko hinausgehen, die nach meinem Verständnis der in Nr. 47 der vorliegenden Schlussanträge erörterten Rechtsprechung die einzige Beziehung ist, die mangels weiterer zusätzlicher Anhaltspunkte vom Anwendungsbereich des Begriffs „Verbundenheit“ in Art. 1 Abs. 1 des geänderten Beschlusses 2014/145 ausgeschlossen ist.

63.      Davon abgesehen, dass der Gerichtshof, da kein Rechtsmittel eingelegt wurde, keine Gelegenheit hatte, sich zu dem Ansatz des Gerichts im Urteil Prigozhina zu äußern, bin ich im Übrigen nicht der Ansicht, dass er sich auf dieses Urteil als Präzedenzfall in der vorliegenden Rechtssache stützen sollte, wie die Rechtsmittelführerin geltend macht. Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass das Gericht im Urteil Prigozhina festgestellt hat, dass die Verbundenheit zwischen Frau Prigozhina und ihrem Sohn, dessen Name in der Liste der in dieser Rechtssache angefochtenen Rechtsakte aufgeführt war, allein auf ihrem Verwandtschaftsverhältnis beruhe, da sie zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Rechtsakte nicht mehr in die Leitung der mit ihrem Sohn verbundenen Unternehmen involviert gewesen sei(26). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, da die Existenz gemeinsamer Interessen von Herrn Timchenko und der Rechtsmittelführerin aufgrund ihrer Stiftung zum Zeitpunkt des Erlasses der mit dem vorliegenden Rechtsmittel angefochtenen Rechtsakte fortbestand.

64.      Daraus folgt, dass, auch wenn das Gericht die gemeinsamen Interessen, die in der vorliegenden Rechtssache über die bloße Interessengemeinschaft, die jeder familiären Beziehung innewohnt, hinausgehen müssen, nicht genauer erläutert hat, die in den Rn. 77 bis 79 des angefochtenen Urteils getroffenen Feststellungen in Bezug auf die Timchenko-Stiftung und die Rolle der Eheleute Timchenko innerhalb dieser Stiftung meiner Ansicht nach ausreichen, um das Vorliegen eines Rechtsfehlers des Gerichts in dem von der Rechtsmittelführerin geltend gemachten Sinne zu verneinen.

65.      Jedenfalls möchte ich die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf den Umstand lenken, dass das Gericht in den Rn. 44 bis 47 des angefochtenen Urteils dargelegt hat, dass die Rechtsmittelführerin gemäß der Begründung der streitigen Rechtsakte über die Timchenko-Stiftung an den öffentlichen Angelegenheiten ihres Ehemanns teilnehme und von ihrem Ehemann profitiere. Insbesondere hat das Gericht festgestellt, dass die Rolle, die die Rechtsmittelführerin innerhalb der Timchenko-Stiftung ausübe, sie an den öffentlichen Aktivitäten ihres Ehemanns teilhaben lasse und es ihr ermögliche, davon zu profitieren, vor allem im Hinblick auf ihre soziale Stellung. Ausgehend von den dem Gericht vorliegenden Akten war es die Tätigkeit der Rechtsmittelführerin in dieser Stiftung, wie sie später in den Rn. 77 und 78 des angefochtenen Urteils beschrieben worden ist, die vom Rat als konstitutives Element dieser Teilnahme und damit der Verbundenheit der Rechtsmittelführerin mit ihrem Ehemann angesehen worden ist.

66.      Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Aktivitäten der Eheleute Timchenko über die Interessengemeinschaft einer gewöhnlichen Beziehung zwischen Eheleuten hinausgehen, da die Rechtsmittelführerin über die Stiftung an den öffentlichen Angelegenheiten ihres Ehemanns beteiligt ist. Darüber hinaus ist es wichtig, in Übereinstimmung mit den Argumenten des Rates und der Kommission darauf hinzuweisen, dass das Gericht bei seinen Feststellungen berufliche Kriterien berücksichtigt hat, zum einen aufgrund der Teilnahme der Rechtsmittelführerin an den öffentlichen karitativen Aktivitäten ihres Ehemanns über die Timchenko-Stiftung und zum anderen aufgrund der engen vermögensrechtlichen Verbindungen, die sie unterhielten, was den Schluss zulässt, dass die beiden Ehegatten durch gemeinsame, wenn auch nicht wirtschaftliche Interessen miteinander verbunden waren, die über eine einfache familiäre Beziehung hinausgehen.

67.      Sollte der Gerichtshof aufgrund der vorstehenden Erwägungen nicht zu dem Schluss kommen, dass die in den Rn. 77 bis 79 des angefochtenen Urteils getroffenen Feststellungen für sich genommen ausreichen, um die Anwendung des in Art. 1 Abs. 1 des geänderten Beschlusses 2014/145 vorgesehenen Kriteriums der Verbundenheit auf die Rechtsmittelführerin zu rechtfertigen, würde ich ihn ersuchen, festzustellen, dass das Gericht bei der rechtlichen Würdigung der Tatsachen im Licht der Rn. 44 bis 47 des angefochtenen Urteils, die letztlich Teil des Inhalts der mit dem vorliegenden Rechtsmittel angegriffenen Entscheidung des Gerichts sind, keinen Fehler begangen hat.

68.      Der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes der Rechtsmittelführerin sollte daher zurückgewiesen werden.

69.      Da keiner der Teile des ersten Rechtsmittelgrundes Erfolg hat, sollte dieser Rechtsmittelgrund insgesamt zurückgewiesen werden.

IV.    Ergebnis

70.      In Anbetracht der in den vorliegenden Schlussanträgen dargelegten Prüfung schlage ich dem Gerichtshof vor, das Rechtsmittel in Bezug auf den ersten Rechtsmittelgrund zurückzuweisen. Ich werde mich zu der Frage, ob das Rechtsmittel in Bezug auf die weiteren von der Rechtsmittelführerin vorgebrachten Rechtmittelgründe zurückzuweisen ist, oder zu der Frage, welcher Partei gemäß Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs die Kosten aufzuerlegen sind, nicht äußern.




























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