C-6/24 – Abanca Corporación Bancaria (Clause de déchéance du terme)

C-6/24 – Abanca Corporación Bancaria (Clause de déchéance du terme)

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:C:2025:333

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

8. Mai 2025(*)

„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Verbraucherkreditverträge – Richtlinie 93/13/EWG – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Art. 3 Abs. 1 – Klausel über die vorzeitige Fälligstellung – Gerichtliche Nachprüfung – Keine nationale Rechtsvorschrift, die die Klausel über die vorzeitige Fälligstellung regelt – Kriterien für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit “

In den verbundenen Rechtssachen C‑6/24 und C‑231/24

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de Primera Instancia no°8 de La Coruña (Gericht erster Instanz Nr. 8 von La Coruña, Spanien), mit Entscheidungen vom 19. Dezember 2023 und vom 26. Februar 2024, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Januar 2024 und 26. März 2024, in den Verfahren

Abanca Corporación Bancaria SA

gegen

WE (C‑6/24),

VX (C‑231/24)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten S. Rodin (Berichterstatter) sowie der Richter N. Piçarra und N. Fenger,

Generalanwalt: D. Spielmann,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Abanca Corporación Bancaria SA, vertreten durch M. Á. Cepero Aránguez, J. M. Martínez Gimeno und M. C. Vendrell Cervantes, Abogados,

–        der spanischen Regierung, vertreten durch P. Pérez Zapico als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch I. Galindo Martín und P. Kienapfel als Bevollmächtigte,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, ohne Schlussanträge über die Rechtssachen zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 7 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).

2        Sie ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Abanca Corporación Bancaria SA, einem Kreditinstitut nach spanischem Recht, und den Verbrauchern WE (Rechtssache C‑6/24) und VX (Rechtssache C‑231/24) wegen der behaupteten Missbräuchlichkeit einer in zwischen den Parteien geschlossenen persönlichen Darlehensverträgen enthaltenen Klausel über die vorzeitige Fälligstellung.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 lautet:

„Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.“

4        Art. 4 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)      Die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel wird unbeschadet des Artikels 7 unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, von dem die Klausel abhängt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt.

(2)      Die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klauseln betrifft weder den Hauptgegenstand des Vertrages noch die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind.“

5        Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.“

 Spanisches Recht

6        Art. 693 Abs. 2 der Ley 1/2000 de Enjuiciamiento Civil (Gesetz 1/2000 über den Zivilprozess) vom 7. Januar 2000 (BOE Nr. 7 vom 8. Januar 2000, S. 575) in der durch die Ley 42/2015 de reforma de la Ley 1/2000 (Gesetz 42/2015 zur Reform des Gesetzes 1/2000) vom 5. Oktober 2015 (BOE Nr. 239 vom 6. Oktober 2015) geänderten Fassung, der die vorzeitige Fälligkeit von ratenweise zu tilgenden Schulden betrifft, bestimmt:

„Der gesamte als Kapital und Zinsen geschuldete Betrag kann gemäß den in der Urkunde über die Gewährung des Darlehens vereinbarten und im entsprechenden Register eingetragenen Bedingungen verlangt werden. Handelt es sich um einen Darlehens- oder Kreditvertrag, der von einer natürlichen Person geschlossen und durch eine Hypothek an Wohneigentum besichert oder für den Erwerb einer zu Wohnzwecken bestimmten Immobilie abgeschlossen wurde, finden die Bestimmungen von Art. 24 des Gesetzes 5/2019 und gegebenenfalls von Art. 129bis des Hypothekengesetzes Anwendung.“

7        Art. 24 der Ley 5/2019 de 15 de marzo reguladora de los contratos de crédito inmobiliario (Gesetz 5/2019 vom 15. März 2019 über Immobilienkreditverträge) (BOE Nr. 65 vom 16. März 2019) lautet:

„(1)      In Darlehensverträgen, in denen der Darlehensnehmer, der Sicherheitsleistende oder der Bürge eine natürliche Person ist und die durch eine Hypothek oder eine andere dingliche Sicherheit an zu Wohnzwecken genutzten unbeweglichen Sachen besichert oder für den Erwerb oder die Erhaltung von Eigentumsrechten an einem Grundstück oder einem bestehenden oder geplanten zu Wohnzwecken genutzten Gebäude bestimmt sind, verliert der Darlehensnehmer die Rechtsvorteile der vereinbarten Frist und die vorzeitige Fälligstellung des Vertrags erfolgt, wenn die folgenden kumulativen Voraussetzungen erfüllt sind:

a)      Der Darlehensnehmer ist mit der Zahlung auf einen Teil des Darlehenskapitals oder der Zinsen in Verzug.

b)      Der Betrag der monatlich fälligen und nicht gezahlten Raten beläuft sich auf mindestens

i.      3 % des gewährten Darlehenskapitals, wenn der Verzug während der ersten Hälfte der Laufzeit des Darlehens eintritt. Diese Voraussetzung gilt als erfüllt, wenn der Zahlungsausfall der fälligen und nicht gezahlten Monatsraten sich auf zwölf Monatsraten oder eine andere Anzahl von Raten beläuft, deren Betrag einer Nichterfüllung der Zahlungspflicht des Schuldners für einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten entspricht.

ii.      7 % des gewährten Darlehenskapitals, wenn der Verzug während der zweiten Hälfte der Laufzeit des Darlehens eintritt. Diese Voraussetzung gilt als erfüllt, wenn der Zahlungsausfall der fälligen und nicht gezahlten Monatsraten sich auf 15 Monatsraten oder eine andere Anzahl von Raten beläuft, deren Betrag einer Nichterfüllung der Zahlungspflicht des Schuldners für einen Zeitraum von mindestens 15 Monaten entspricht.

c)      Der Darlehensgeber hat den Darlehensnehmer zur Zahlung aufgefordert, ihm hierfür eine Frist von mindestens einem Monat gesetzt und angedroht, dass er andernfalls die Zahlung des vollständigen gemäß dem Darlehen geschuldeten Betrags fordern wird.

(2)      Von den Regelungen dieses Artikels kann nicht durch gegenteilige Vereinbarungen abgewichen werden.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

8        Am 5. Juli und 15. September 2022 schloss die Abanca Corporación Bancaria persönliche Darlehensverträge mit WE in Höhe von 10 600 Euro, zu tilgen über einen Zeitraum von fünf Jahren, und mit VX in Höhe von 6 000 Euro, zu tilgen über einen Zeitraum von acht Jahren.

9        Gemäß Klausel Nr. 13 der allgemeinen Bedingungen dieser Darlehensverträge (im Folgenden: streitige Klausel) ist das Kreditinstitut im Fall des Zahlungsverzugs zur vorzeitigen Fälligstellung des Darlehensvertrags berechtigt, wodurch die geschuldeten Beträge sofort fällig werden.

10      Diese Klausel präzisiert, dass für den Zahlungsverzug drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Erstens schuldet der Darlehensnehmer einen Teil des Darlehenskapitals oder der Zinsen. Zweitens belaufen sich die fälligen und nicht gezahlten Monatsraten auf mindestens 3 % des Darlehenskapitals, wenn der Zahlungsverzug während der ersten Hälfte der Laufzeit des Darlehensvertrags eintritt, oder auf mindestens 7 % des Darlehenskapitals, wenn der Verzug während der zweiten Hälfte der Laufzeit eintritt. Drittens muss der Darlehensnehmer vom Kreditinstitut aufgefordert worden sein, die geschuldeten Beträge binnen einer Frist von einem Monat zu zahlen.

11      Nach der Fälligstellung gemäß der streitigen Klausel beantragte die Abanca Corporación Bancaria beim Juzgado de Primera Instancia no°8 de La Coruña (Gericht erster Instanz Nr. 8 von La Coruña, Spanien), dem vorlegenden Gericht, den Erlass von Mahnbescheiden gegen WE und VX.

12      Im Hinblick auf die Urteile vom 14. März 2013, Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 73) und vom 26. Januar 2017, Banco Primus (C‑421/14, EU:C:2017:60, Rn. 66 und 67), in denen der Gerichtshof entschieden hat, dass zu den Aspekten, die bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer solchen Klausel berücksichtigt werden können, auch Mittel im nationalen Recht gehören, die es dem Verbraucher ermöglichen, die vorzeitige Fälligstellung des Darlehens zu verhindern oder deren Wirkungen wieder zu beseitigen, was im spanischen Recht für persönliche Darlehensverträge wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht der Fall sei, hegt das vorlegende Gericht Zweifel in Bezug auf die Vereinbarkeit der streitigen Klausel mit der Richtlinie 93/13. Die in diesen Verträgen enthaltene streitige Klausel sehe diese Möglichkeit für den Darlehensnehmer jedoch im Einklang mit den für Hypothekendarlehensverträge geltenden Vorschriften des nationalen Rechts vor. Darüber hinaus möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine Frist von einem Monat zur Begleichung der ausstehenden Beträge, wie sie in dieser Klausel vorgesehen ist, ausreicht, um dem Verbraucher tatsächlich zu ermöglichen, die vorzeitige Fälligstellung des Darlehens zu verhindern oder deren Wirkungen wieder zu beseitigen.

13      Vor diesem Hintergrund hat der Juzgado de Primera Instancia no°8 de Coruña (Gericht erster Instanz Nr. 8 von La Coruña) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist eine Klausel über die vorzeitige Fälligstellung, in der die Möglichkeit vorgesehen ist, sie innerhalb einer bestimmten Frist zu neutralisieren oder zu verhindern, mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 7 der Richtlinie 93/13 vereinbar oder muss diese Möglichkeit durch eine bestimmte nationale Rechtsvorschrift anerkannt werden?

2.      Falls die vorstehende Frage bejaht wird, welche Frist wäre angemessen?

14      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 26. April 2024 sind die Rechtssachen C‑6/24 und C‑231/24 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

 Zur Beantwortung der Fragen

 Zur ersten Frage

15      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Verfahrens sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren (Urteil vom 7. November 2024, ERB New Europe Funding II, C‑178/23, EU:C:2024:943, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

16      Insoweit ist zu präzisieren, dass das vorlegende Gericht im Rahmen der Ausgangsverfahren von Amts wegen geprüft hat, ob die streitige Klausel, auf die die bei ihm gestellten Anträge auf Erlass der Mahnbescheide gestützt wurden, missbräuchlich sein könnten. Dem vorlegenden Gericht stellt sich nicht die Frage, ob es gerichtliche Möglichkeiten gibt, um der Anwendung von im Hinblick auf Art. 7 der Richtlinie 93/13 missbräuchlichen Klauseln ein Ende zu setzen, sondern es möchte wissen, ob diese Klauseln als missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie einzustufen sind.

17      Daher ist, um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, davon auszugehen, dass es mit seiner ersten Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass für die Beurteilung einer etwaigen Missbräuchlichkeit einer in einem persönlichen Darlehensvertrag enthaltenen Klausel über die vorzeitige Fälligstellung berücksichtigt werden kann, dass diese Klausel dem Verbraucher ermöglicht, die vorzeitige Fälligstellung des Darlehens zu verhindern oder deren Wirkungen wieder zu beseitigen, oder ob diese Möglichkeit in einer speziell auf persönliche Darlehensverträge anwendbaren Regelung des nationalen Rechts vorgesehen sein muss.

18      Für die Beantwortung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs das mit der Richtlinie 93/13 geschaffene Schutzsystem auf dem Gedanken beruht, dass sich ein Verbraucher gegenüber einem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt (Urteil vom 18. Januar 2024, Getin Noble Bank u. a. [Prüfung der Missbräuchlichkeit von Klauseln von Amts wegen], C‑531/22, EU:C:2024:58, Rn. 63).

19      Nach Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie ist eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des betreffenden Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht, während gemäß Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie solch eine missbräuchliche Klausel für diesen Verbraucher unverbindlich ist.

20      In diesem Zusammenhang muss das nationale Gericht zur Gewährleistung des in Art. 38 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union genannten hohen Verbraucherschutzniveaus die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 fällt, auch von Amts wegen prüfen und damit dem Ungleichgewicht zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden abhelfen, sobald es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt. Insoweit legen Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in ihrer Gesamtheit die allgemeinen Kriterien fest, anhand deren das nationale Gericht die Missbräuchlichkeit der unter die Bestimmungen der Richtlinie fallenden Vertragsklauseln beurteilen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. November 2023, Všeobecná úverová banka, C‑598/21, EU:C:2023:845, Rn. 74 und 75).

21      Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 definiert unter Bezugnahme auf die Begriffe „Treu und Glauben“ und „erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis“ der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner zum Nachteil des Verbrauchers nur abstrakt die Faktoren, die einer nicht im Einzelnen ausgehandelten Vertragsklausel missbräuchlichen Charakter verleihen (Urteil vom 9. November 2023, Všeobecná úverová banka, C‑598/21, EU:C:2023:845, Rn. 76).

22      Hinsichtlich der Frage, unter welchen Umständen ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis „entgegen dem Gebot von Treu und Glauben“ verursacht wird, muss das nationale Gericht unter Berücksichtigung des 16. Erwägungsgrundes der Richtlinie 93/13 zu diesem Zweck prüfen, ob der Gewerbetreibende bei loyalem und billigem Verhalten gegenüber dem Verbraucher vernünftigerweise erwarten durfte, dass der Verbraucher sich nach individuellen Verhandlungen auf eine solche Klausel einlässt (Urteil vom 9. November 2023, Všeobecná úverová banka, C‑598/21, EU:C:2023:845, Rn. 78).

23      Ferner ist nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrags sind, aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrags oder eines anderen Vertrags, von dem die Klausel abhängt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu beurteilen (Urteil vom 9. November 2023, Všeobecná úverová banka, C‑598/21, EU:C:2023:845, Rn. 79).

24      In Rn. 66 des Urteils vom 26. Januar 2017, Banco Primus (C‑421/14, EU:C:2017:60), das keinen persönlichen Darlehensvertrag, sondern einen langfristigen Hypothekendarlehensvertrag betraf, hat der Gerichtshof im Wesentlichen festgestellt, dass das nationale Gericht zur Beurteilung, ob eine Vertragsklausel im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zum Nachteil des Verbrauchers schafft, insbesondere prüfen muss, ob die dem Gewerbetreibenden eingeräumte Möglichkeit, das gesamte Darlehen fällig zu stellen, davon abhängt, dass der Verbraucher eine Verpflichtung nicht erfüllt hat, die im Rahmen der fraglichen vertraglichen Beziehungen wesentlich ist, ob diese Möglichkeit für Konstellationen vorgesehen ist, in denen eine solche Nichterfüllung im Verhältnis zur Laufzeit und zur Höhe des Darlehens hinreichend schwerwiegend ist, ob die genannte Möglichkeit von den auf diesem Gebiet in Ermangelung spezifischer vertraglicher Bestimmungen anwendbaren allgemeinen Vorschriften abweicht und ob das nationale Recht dem Verbraucher angemessene und wirksame Mittel gibt, die es ihm, wenn ihm gegenüber eine derartige Klausel zur Anwendung kommt, ermöglichen, die Wirkungen der Fälligstellung des Darlehens wieder zu beseitigen.

25      Im Übrigen hat der Gerichtshof in Rn. 35 des Urteils vom 8. Dezember 2022, Caisse régionale de Crédit mutuel de Loire-Atlantique et du Centre Ouest (C‑600/21, EU:C:2022:970), ausgeführt, dass diese Kriterien nicht so zu betrachten sind, dass sie kumulativ oder alternativ erfüllt sein müssen, sondern vielmehr als Teil der Gesamtheit der den Abschluss des betreffenden Vertrags begleitenden Umstände zu verstehen sind, die vom nationalen Gericht zu prüfen sind, um festzustellen, ob eine Vertragsklausel im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 missbräuchlich ist.

26      Wie das vorlegende Gericht ausführt, enthalten die spanischen Rechtsvorschriften für persönliche Darlehensverträge – anders als für Hypothekendarlehensverträge – keine Regelungen zu Klauseln über die vorzeitige Fälligstellung. Zudem sieht die streitige Klausel in den Darlehensverträgen, um die es in den Ausgangsverfahren geht, für den Verbraucher insoweit eine Möglichkeit vor, die vorzeitige Fälligstellung des Darlehens zu verhindern oder deren Wirkungen wieder zu beseitigen, als er binnen einer Frist von einem Monat nach der Mahnung durch das Kreditinstitut die gemäß dem Darlehensvertrag noch geschuldeten Beträge begleichen kann, wie dies in der Regelung betreffend Hypothekendarlehensverträge vorgesehen ist.

27      Gemäß der in den Rn. 24 und 25 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung bestimmt das nationale Gericht anhand verschiedener Kriterien, etwa der Frage, ob es für den Verbraucher angemessene und wirksame Mittel gibt, die es ihm ermöglichen, die vorzeitige Fälligstellung des Darlehens zu verhindern oder deren Wirkungen wieder zu beseitigen, ob eine Klausel über die vorzeitige Fälligstellung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zum Nachteil des Verbrauchers schafft. Die Tatsache, dass die Mittel, mit denen ein solches Ergebnis erreicht werden kann, in der vertraglichen Klausel über die vorzeitige Fälligstellung selbst und nicht in einer Bestimmung des nationalen Rechts vorgesehen sind, die speziell auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträge anwendbar ist, wirkt sich nicht aus und ist jedenfalls nicht geeignet, diese Vertragsklausel im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 missbräuchlich zu machen.

28      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass für die Beurteilung einer etwaigen Missbräuchlichkeit einer in einem persönlichen Darlehensvertrag enthaltenen Klausel über die vorzeitige Fälligstellung berücksichtigt werden kann, dass diese Klausel dem Verbraucher ermöglicht, die vorzeitige Fälligstellung des Darlehens zu verhindern oder deren Wirkungen wieder zu beseitigen, ohne dass diese Möglichkeit in einer speziell auf persönliche Darlehensverträge anwendbaren Regelung des nationalen Rechts vorgesehen sein muss.

 Zur zweiten Frage

29      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass die dem Verbraucher angebotene vertragliche Möglichkeit, gemäß dem Darlehen geschuldete Restbeträge binnen einer Frist von einem Monat ab der vom Kreditinstitut ausgesprochenen Mahnung zu begleichen, ein angemessenes und wirksames Mittel darstellt, das diesem Verbraucher ermöglicht, die vorzeitige Fälligstellung des Darlehens zu verhindern oder deren Wirkungen wieder zu beseitigen.

30      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich die Zuständigkeit des Gerichtshofs in diesem Bereich nach seiner ständigen Rechtsprechung auf die Auslegung des Begriffs „missbräuchliche Klausel“ in Art. 3 Abs. 1 und im Anhang der Richtlinie 93/13 sowie auf die Kriterien erstreckt, die das nationale Gericht bei der Prüfung einer Vertragsklausel im Hinblick auf die Bestimmungen der Richtlinie anwenden darf oder muss, wobei es Sache des nationalen Gerichts ist, unter Berücksichtigung dieser Kriterien über die konkrete Bewertung einer bestimmten Vertragsklausel anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (Urteil vom 8. Dezember 2022, Caisse régionale de Crédit mutuel de Loire-Atlantique et du Centre Ouest, C‑600/21, EU:C:2022:970, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      In Bezug auf die streitige Klausel über die vorzeitige Fälligstellung des persönlichen Darlehensvertrags bei Zahlungsausfall muss das vorlegende Gericht insbesondere prüfen, ob die dem Gewerbetreibenden eingeräumte Möglichkeit, das gesamte Darlehen fällig zu stellen, davon abhängt, dass der Verbraucher eine Verpflichtung nicht erfüllt hat, die im Rahmen der fraglichen vertraglichen Beziehungen wesentlich ist, ob diese Möglichkeit für Konstellationen vorgesehen ist, in denen eine solche Nichterfüllung im Verhältnis zur Laufzeit und zur Höhe des Darlehens hinreichend schwerwiegend ist, ob die genannte Möglichkeit von den auf diesem Gebiet anwendbaren allgemeinen Vorschriften abweicht und ob das nationale Recht oder eine Vertragsklausel dem Verbraucher angemessene und wirksame Mittel gibt, die es ihm ermöglichen, die Anwendung einer Klausel über die vorzeitige Fälligstellung des Darlehens zu verhindern oder die Wirkungen dieser Fälligstellung wieder zu beseitigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Januar 2017, Banco Primus, C‑421/14, EU:C:2017:60, Rn. 66).

32      In den Rn. 47 und 48 des Urteils vom 25. Januar 2024, Caixabank (Verjährung der Erstattung von Hypothekenkosten) (C‑810/21 bis C‑813/21, EU:C:2024:81), hat der Gerichtshof in Bezug auf eine Verjährungsfrist im Wesentlichen entschieden, dass diese, um dem Effektivitätsgrundsatz zu genügen, faktisch ausreichend sein muss, um dem Verbraucher zu ermöglichen, zur Geltendmachung seiner Rechte aus der Richtlinie 93/13 einen wirksamen Rechtsbehelf vorzubereiten und einzureichen, und dass der Verbraucher die Möglichkeit gehabt haben muss, von seinen Rechten Kenntnis zu nehmen, bevor diese Frist zu laufen beginnt oder abgelaufen ist.

33      Im vorliegenden Fall ist den Vorabentscheidungsersuchen zu entnehmen, dass die Nichterfüllung der Verpflichtung der betroffenen Verbraucher, d. h. der Rückzahlung des Darlehens in monatlichen Raten, im Rahmen der fraglichen Vertragsbeziehung wesentlich und im Verhältnis zur Laufzeit und zur Höhe des Darlehens hinreichend schwerwiegend ist. Die Fragen des vorlegenden Gerichts sind auf die Beurteilung der Angemessenheit und Wirksamkeit der Frist von einem Monat beschränkt, die diesen Verbrauchern zur Verfügung steht, um der Anwendung der Klausel der sofortigen Fälligstellung der gemäß diesem Darlehensvertrag geschuldeten Beträge zu entgehen oder die Wirkungen dieser Fälligstellung wieder zu beseitigen.

34      Gemäß den Ausführungen des vorlegenden Gerichts entspricht diese Klausel einer Bestimmung des nationalen Rechts, die auf Darlehensverträge anwendbar ist, die durch eine Hypothek an einer zur Wohnzwecken bestimmten Immobilie besichert oder für den Erwerb einer solchen Immobilie abgeschlossen wurden. Dadurch soll also ein Gleichgewicht zwischen den Rechten und den Pflichten der Parteien derartiger Verträge hergestellt werden. Diese Bestimmung, also Art. 24 Abs. 1 des Gesetzes 5/2019, sieht vor, dass die Fälligstellung nur erfolgen darf, wenn der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine Frist von mindestens einem Monat eingeräumt hat, um dem festgestellten Zahlungsverzug abzuhelfen.

35      Folglich darf das vorlegende Gericht für die Beurteilung, ob die dem Verbraucher eingeräumte Möglichkeit, die vorzeitige Fälligstellung des Darlehens zu verhindern oder deren Wirkungen wieder zu beseitigen, angemessen und wirksam ist, im Rahmen seiner umfassenden Beurteilung des Vorliegens eines erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses zum Nachteil des Verbrauchers bei den möglichen Auswirkungen einer Klausel über die vorzeitige Fälligstellung u. a. den Umstand berücksichtigen, dass die Frist für die Begleichung faktisch ausreichend ist, um dem Verbraucher die geforderte Zahlung zu ermöglichen. Insoweit ist insbesondere relevant, dass das nationale Recht Bestimmungen enthält, die im Rahmen vergleichbarer Vertragsverhältnisse eine solche Frist zugunsten des Darlehensnehmers vorsehen.

36      Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen kommt es in Betracht, dass ein nationales Gericht zu der Auffassung gelangt, eine Frist von einem Monat, die dem Verbraucher durch eine Klausel über die vorzeitige Fälligstellung für die Begleichung seiner Darlehensschuld ab der Mahnung durch den Darlehensgeber eingeräumt wird, stelle ein angemessenes und wirksames Mittel dar, das dem Verbraucher ermöglicht, die Anwendung dieser Klausel zu verhindern oder deren Wirkungen zu beseitigen.

37      Folglich ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass das nationale Gericht für die Beurteilung der etwaigen Missbräuchlichkeit einer im Darlehensvertrag enthaltenen Klausel über die vorzeitige Fälligstellung prüfen muss, ob die Mittel, die dem Verbraucher ermöglichen, die vorzeitige Fälligstellung des Darlehens zu verhindern oder deren Wirkungen zu beseitigen, angemessen und wirksam sind; dabei hat es u. a. zu berücksichtigen, ob die dem Verbraucher zur Verfügung stehende Frist faktisch ausreichend ist, um gemäß dem Darlehen geschuldete Restbeträge zu begleichen. Ein besonders relevanter Aspekt ist insoweit, dass das nationale Recht Bestimmungen enthält, die im Rahmen vergleichbarer Vertragsverhältnisse eine solche Frist zugunsten des Darlehensnehmers vorsehen.

 Kosten

38      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen

ist dahin auszulegen, dass

für die Beurteilung einer etwaigen Missbräuchlichkeit einer in einem persönlichen Darlehensvertrag enthaltenen Klausel über die vorzeitige Fälligstellung berücksichtigt werden kann, dass diese Klausel dem Verbraucher ermöglicht, die vorzeitige Fälligstellung des Darlehens zu verhindern oder deren Wirkungen wieder zu beseitigen, ohne dass diese Möglichkeit in einer speziell auf persönliche Darlehensverträge anwendbaren Regelung des nationalen Rechts vorgesehen sein muss.

2.      Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13

ist dahin auszulegen, dass

das nationale Gericht für die Beurteilung der etwaigen Missbräuchlichkeit einer Klausel über die vorzeitige Fälligstellung prüfen muss, ob die Mittel, die dem Verbraucher ermöglichen, die vorzeitige Fälligstellung des Darlehens zu verhindern oder deren Wirkungen zu beseitigen, angemessen und wirksam sind; dabei hat es u. a. zu berücksichtigen, ob die dem Verbraucher zur Verfügung stehende Frist faktisch ausreichend ist, um gemäß dem Darlehen geschuldete Restbeträge zu begleichen. Ein besonders relevanter Aspekt ist insoweit, dass das nationale Recht Bestimmungen enthält, die im Rahmen vergleichbarer Vertragsverhältnisse eine solche Frist zugunsten des Darlehensnehmers vorsehen.

Unterschriften



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