Vorläufige Fassung
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
MACIEJ SZPUNAR
vom 2. Oktober 2025(1 )
Rechtssache C ‑496/24
Stichting Onderhandelingen Thuiskopievergoeding,
Stichting de Thuiskopie
gegen
HP Nederland BV,
Dell BV,
Stichting Overlegorgaan Blanco Informatiedragers
(Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden [Oberster Gerichtshof der Niederlande])
„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Geistiges Eigentum – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Richtlinie 2001/29/EG – Art. 2 – Vervielfältigungsrecht von Werken – Art. 3 – Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken – Art. 5 Abs. 2 Buchst. b und Art. 5 Abs. 5 – Ausnahmen und Beschränkungen – Vervielfältigung zum privaten Gebrauch – Gerechter Ausgleich – Öffentliche Wiedergabe von Werken im Internet – Entgeltlicher Streamingdienst – Kopie zur Nutzung ohne Netzzugang “
Einführung
1. Das Urheberrecht der Union sieht unter den zahlreichen Ausnahmen von den ausschließlichen Rechten der Urheber u. a. eine Ausnahme vor, die es natürlichen Personen erlaubt, Werke zum privaten Gebrauch ohne Genehmigung zu vervielfältigen. Um die Verluste auszugleichen, die sich für die Urheber aus dieser Ausnahme ergeben und die durch die Befreiung der Nutzer von der Verpflichtung, mehrere Vervielfältigungsstücke der Werke zu erwerben, verursacht werden, sieht das Unionsrecht die Zahlung eines Ausgleichs vor. In der Praxis der Mitgliedstaaten wird dieser Ausgleich meist durch die sogenannte Privatkopievergütung finanziert, die von Herstellern oder Importeuren von Speichermedien und Geräten, die von natürlichen Personen zur Vervielfältigung geschützter Werke genutzt werden können, erhoben wird. Diese Vergütung wird dann über den Preis dieser Geräte und Medien an ihre Käufer weitergegeben, so dass die finanzielle Belastung des Ausgleichs für die fragliche Ausnahme letztlich im Prinzip von denjenigen getragen wird, denen sie zugutekommt. Der Gerichtshof befand, dass ein solches System mit dem Unionsrecht vereinbar ist(2 ).
2. Die Privatkopievergütung, deren Erhebung und Zahlung als Ausgleich in die Verantwortung der von den Mitgliedstaaten bezeichneten Einrichtungen fällt, stellt für die Urheber eine wesentliche und ständige Einnahmequelle dar. Es besteht daher die Versuchung, den Anwendungsbereich der fraglichen Ausnahme und damit die Einnahmequelle der Privatkopievergütung über den von den einschlägigen Rechtsvorschriften und den Zielen und Motiven für ihre Einführung vorgegebenen Rahmen hinaus auszudehnen, ganz im Sinne des beliebten Sprichworts, dass, wenn man einen Hammer in der Hand hat, alles wie ein Nagel aussieht. Dieser Illusion scheinen die für die Erhebung der Privatkopievergütung in den Niederlanden zuständigen Einrichtungen erlegen zu sein, indem sie die Dienstleistung der Wiedergabe von Kopien von Werken für die Nutzung ohne Netzzugang, die von Anbietern von Streaming-Diensten auf Abruf erbracht wird, als abgabepflichtig und damit als von der fraglichen Ausnahmeregelung erfasst angesehen haben(3 ).
3. Es ist jedoch zu beachten, dass der Ausgleich für die Ausnahme für Privatkopien kein Selbstzweck ist. Er dient dazu, Verluste in Situationen auszugleichen, in denen die Anwendung dieser Ausnahme zulässig und gerechtfertigt und manchmal sogar notwendig ist. Dagegen soll er nicht an die Stelle der gewöhnlichen vertraglichen Mechanismen treten, wenn die Urheber in der Lage sind, ihre ausschließlichen Rechte geltend zu machen und auf diese Weise Einnahmen aus der Verwertung der Werke zu erzielen, auch wenn diese Einnahmen ihrer Ansicht nach nicht hoch genug sind. In der vorliegenden Rechtssache wird der Gerichtshof Gelegenheit haben, die Grenzen der Anwendung dieser Ausnahme im Licht seiner früheren Rechtsprechung zu ähnlichen Situationen zu präzisieren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
4. Die Art. 2, 3, 5 und 6 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft(4 ) (im Folgenden: Urheberrechtsrichtlinie) sehen insbesondere vor:
„Art. 2
Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten:
a) für die Urheber in Bezug auf ihre Werke,
…
Art. 3
(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.
…
Art. 5
…
(2) Die Mitgliedstaaten können in den folgenden Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das in Artikel 2 vorgesehene Vervielfältigungsrecht vorsehen:
…
b) in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke unter der Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten, wobei berücksichtigt wird, ob technische Maßnahmen gemäß Artikel 6 auf das betreffende Werk oder den betreffenden Schutzgegenstand angewendet wurden;
…
(5) Die in den Absätzen 1, 2, 3 und 4 genannten Ausnahmen und Beschränkungen dürfen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.
Art. 6
…
(3) Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck ‚technische Maßnahmen“ alle Technologien, Vorrichtungen oder Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, Werke oder sonstige Schutzgegenstände betreffende Handlungen zu verhindern oder einzuschränken, die nicht von der Person genehmigt worden sind, die Inhaber der Urheberrechte oder der dem Urheberrecht verwandten gesetzlich geschützten Schutzrechte … ist. Technische Maßnahmen sind als ‚wirksam‘ anzusehen, soweit die Nutzung eines geschützten Werks oder eines sonstigen Schutzgegenstands von den Rechtsinhabern durch eine Zugangskontrolle oder einen Schutzmechanismus wie Verschlüsselung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung des Werks oder sonstigen Schutzgegenstands oder einen Mechanismus zur Kontrolle der Vervielfältigung, die die Erreichung des Schutzziels sicherstellen, unter Kontrolle gehalten wird.“
Niederländisches Recht
5. Die Urheberrechtsrichtlinie wurde durch die Auteurswet 1912 (Urheberrechtsgesetz von 1912, im Folgenden: Urheberrechtsgesetz) in niederländisches Recht umgesetzt. Die Ausnahme für die Vervielfältigung zu privaten Zwecken ist in Art. 16c dieses Gesetzes vorgesehen. Abs. 2 dieses Artikels sieht die Zahlung eines gerechten Ausgleichs an die Rechtsinhaber vor, der durch die von Importeuren und Herstellern von Geräten und Speichermedien, die zur Vervielfältigung zum privaten Gebrauch verwendet werden können, erhobene Privatkopievergütung finanziert wird. Nach den Art. 16d und 16e dieses Gesetzes obliegt es der Stichting de Thuiskopie (im Folgenden: Thuiskopie), diese Abgabe zu erheben, während ihre Bemessungsgrundlage und ihre Höhe von der Stichting Onderhandelingen thuiskopievergoeding, Stiftung niederländischen Rechts (im Folgenden: SONT), festgelegt werden. In dieser Stiftung sind Organisationen, die Urheberrechtsinhaber vertreten, sowie die zur Zahlung dieser Vergütung verpflichteten Unternehmen vertreten. Der von der SONT für die betreffende Abgabe festgelegte Gebührentarif für die Jahre 2018 bis 2020 umfasste als „zu berücksichtigende Quelle“ u. a. „entgeltpflichtige Streamingdienste“.
Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen
6. HP Nederland B.V. und Dell B.V. sind zur Zahlung der Privatkopievergütung verpflichtet. Die Stichting Overlegorgaan Blanco Informatiedragers vertritt alle Schuldner dieser Vergütung. Diese Rechtsträger erhoben bei der Rechtbank Den Haag (Bezirksgericht Den Haag, Niederlande) Klage gegen Thuiskopie und SONT auf Feststellung, dass die Privatkopievergütung nicht die Dienstleistung der Zurverfügungstellung von Kopien zur Nutzung ohne Netzzugang (offline streaming copies) erfasse, die im Zusammenhang mit einem Streamingdienst auf Abruf musikalischer oder audiovisueller Werke über das Internet erbracht werde.
7. Nach den Tatsachenfeststellungen des vorlegenden Gerichts besteht ein solcher Dienst darin, dass ein Abonnent eines Streamingdiensts aus dem Katalog der verfügbaren Werke einige von ihnen wählen kann, um sie ohne Zugang zum Netz (im sogenannten „Offline“-Modus) zu nutzen. Der Diensteanbieter stellt dann Kopien ausgewählter Werke in einem bestimmten Teil des Speichers des Geräts oder der Geräte des Abonnenten her, der dem Anbieter zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt wird. Diese Kopie ist so verschlüsselt, dass der Abonnent das Werk in der Regel nur über die Anwendung des Diensteanbieters nutzen kann, aber nicht in der Lage ist, über diese Kopie zu verfügen, d. h. weitere Kopien zu erstellen, ihren Speicherort zu ändern oder sie beliebig auf ein anderes Gerät oder Medium zu übertragen. Nach Ablauf der Frist, für die die Kopie zur Verfügung gestellt wurde, in jedem Fall aber nach Beendigung des Hauptdiensts (Streaming), wird die Kopie vom Gerät gelöscht. Darüber hinaus kann der Diensteanbieter sie in den in den Nutzungsbedingungen genannten Fällen löschen.
8. Die Rechtbank Den Haag (Bezirksgericht Den Haag) wies die Klage mit Urteil vom 18. September 2019 ab. Diese Entscheidung wurde jedoch mit Urteil des Gerechtshof Den Haag (Berufungsgericht Den Haag, Niederlande) vom 22. März 2022 aufgehoben. Dieses Gericht stellte nämlich fest, dass im Fall einer Dienstleistung der Zurverfügungstellung von Kopien zur Nutzung ohne Netzzugang, wie der oben in Nr. 7 beschriebenen, keine Vervielfältigung zum privaten Gebrauch im Sinne von Art. 16c des Urheberrechtsgesetzes und Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Urheberrechtsrichtlinie vorliege. Thuiskopie und SONT legten gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde beim vorlegenden Gericht ein.
9. Unter diesen Umständen hat der Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Kann eine Vervielfältigung mit den in Nr. 7 der vorliegenden Schlussanträge beschriebenen Merkmalen (Offline-Streaming-Kopie), auch unter Berücksichtigung des Dreistufentests (Art. 5 Abs. 5 der Urheberrechtsrichtlinie), als eine Vervielfältigung „durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Urheberrechtsrichtlinie angesehen werden?
2. Stehen die Ziele der Urheberrechtsrichtlinie, einschließlich der Ziele eines hohen Niveaus des Urheberschutzes, eines angemessenen Ausgleichs zwischen den Interessen des Rechtsinhabers und den Interessen des Nutzers sowie einer kohärenten und technisch neutralen Anwendung der Ausnahmen und Beschränkungen durch die Mitgliedstaaten, einer nationalen Regelung entgegen, wonach sich die Ausnahme für Privatkopien nicht auch auf Offline-Streaming-Kopien erstreckt?
3. Ist es für die Beantwortung einer oder beider vorstehenden Fragen von Bedeutung, ob die Rechtsinhaber eine Vergütung je angefertigter Offline-Streaming-Kopie erhalten oder ob sie eine Vergütung erhalten, die darauf beruht, wie oft der Nutzer des Streamingdiensts eine Offline-Streaming-Kopie abspielt?
10. Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 17. Juli 2024 beim Gerichtshof eingegangen. Die Parteien des Ausgangsverfahrens, die französische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Dieselben Beteiligten waren in der mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2025 vertreten.
Würdigung
11. Das vorlegende Gericht hat zwar drei Vorlagefragen formuliert. Sie betreffen jedoch dieselbe Problematik, und ich schlage daher vor, sie zusammen zu behandeln. Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Urheberrechtsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein Abonnent eines Dienstes, der urheberrechtlich geschützte Werke auf Abruf im Internet per Streaming zugänglich macht, diese Werke für den privaten Gebrauch im Sinne dieser Bestimmung vervielfältigt, wenn er einen zusätzlichen Dienst zur Nutzung der Werke ohne Netzzugang in Anspruch nimmt, bei dem diese Werke im Speicher des Geräts des Abonnenten gespeichert werden, wobei der Diensteanbieter mit Hilfe technischer Maßnahmen im Sinne von Art. 6 dieser Richtlinie die vollständige Kontrolle über die Speicherung, Vervielfältigung und Löschung dieser Werke behält, während der Abonnent sie nur auf dem betreffenden Gerät während der Dauer der Bereitstellung nutzen (anhören oder ansehen) kann. Ich werde vorschlagen, für die Antwort auf diese Frage auch Art. 3 der genannten Richtlinie auszulegen.
12. Bei meiner Analyse gehe ich davon aus, dass zwei Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Urheberrechtsrichtlinie, die im Ausgangsverfahren nicht streitig zu sein scheinen, erfüllt sind, nämlich dass es sich bei dem betreffenden Abonnenten um eine natürliche Person handelt und dass er den fraglichen Dienst zu privaten Zwecken nutzt.
13. Unstreitig ist auch, dass der Abonnent die Vervielfältigung des Werks nicht selbst vornimmt, sondern dass diese Vervielfältigung auf Wunsch des Abonnenten vom Diensteanbieter vorgenommen wird. Der Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass die in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Urheberrechtsrichtlinie enthaltene Ausnahme auch in einer solchen Situation zur Anwendung kommt, und festgestellt, dass der in dieser Bestimmung enthaltene Ausdruck „Vervielfältigungen … durch eine natürliche Person“ auch die Inanspruchnahme der Dienstleistung eines Dritten durch diese natürliche Person umfasst(5 ).
14. Eine natürliche Person kann jedoch nur dann in den Genuss der fraglichen Ausnahme kommen, wenn sie zuvor Zugang zu dem Werk in der Form erhalten hat, die die Quelle der Vervielfältigung darstellt(6 ), und dieser Zugang muss rechtmäßig sein, d. h. mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber erlangt worden sein(7 ). Erhält eine natürliche Person dagegen erst nach dessen Vervielfältigung Zugang zu dem Werk, kann diese Vervielfältigung nicht als von dieser natürlichen Person im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Urheberrechtsrichtlinie angefertigt angesehen werden. Sie wird nämlich von der Person vorgenommen, die Zugang zu dem Werk verschafft, und stellt, wenn sie aus der Ferne, in entmaterialisierter Form und außerhalb des privaten Kreises des Zugangsgebers erfolgt, eine öffentliche Zugänglichmachung des Werks im Sinne von Art. 3 dieser Richtlinie dar(8 ).
15. Genau dies ist bei dem in Nr. 7 der vorliegenden Schlussanträge beschriebenen Dienst der Fall, da der Abonnent Zugang zur Kopie zur Nutzung ohne Netzzugang (Offline-Streaming-Kopie) nach Erstellung dieser Kopie erhält. Insoweit ist es unerheblich, dass er darüber hinaus über Streaming Zugang zu denselben Werken haben kann, da Streaming keine Vervielfältigungsquelle ist und der tatsächliche Zugriff auf bestimmte Werke über Streaming keine Voraussetzung für den Erhalt einer Kopie zur Nutzung ohne Netzzugang ist(9 ).
16. Das Vorbringen von Thuiskopie und SONT, wonach der Zugang der Abonnenten zu Werken durch Streaming ausreicht, um davon auszugehen, dass die Bereitstellung von Kopien zur Nutzung ohne Netzzugang unter die Ausnahme von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Urheberrechtsrichtlinie fällt, überzeugt mich daher nicht. Es trifft zu, dass die Dienstleistung der Zurverfügungstellung von Kopien zur Nutzung ohne Netzzugang in geschäftlicher Hinsicht eine Nebenleistung des Hauptstreamingdiensts ist, da nur dessen Abonnenten den erstgenannten Dienst in Anspruch nehmen können und sich beide auf denselben Katalog von Werken erstrecken. Es handelt sich jedoch technisch um eine eigenständige und unabhängige Dienstleistung(10 ). Mit anderen Worten: Es handelt sich um zwei Wege des potenziellen Zugangs zu denselben Werken, aber sie sind voneinander unabhängig und der eine ist keine Vervielfältigung des anderen. Aus urheberrechtlicher Sicht stellen diese beiden Dienstleistungen unterschiedliche Verwertungshandlungen der Werke dar, zumal sich die Bedingungen für die Nutzung dieser Werke in beiden Fällen wesentlich unterscheiden. Ein Streaming-Dienst erfordert nämlich einen dauerhaften Zugang zu einer hinreichend schnellen Internetverbindung und unterliegt häufig auch geografischen Beschränkungen (geoblocking). Dagegen ergeben sich diese beiden Nachteile nicht, wenn es sich um eine Kopie zur Nutzung ohne Netzzugang handelt.
17. Die Situation entspricht somit derjenigen, um die es in der Rechtssache ging, in der das Urteil VCAST ergangen ist. Die im Rahmen dieses Dienstes erfolgende Vervielfältigung wird nicht von natürlichen Personen (Abonnenten) im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Urheberrechtsrichtlinie vorgenommen, sondern ist dem Diensteanbieter zuzurechnen, der auf diese Weise seinen Abonnenten die Werke zugänglich macht. Diese Vervielfältigung ist somit Teil der öffentlichen Zugänglichmachung dieser Werke in einer Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, im Sinne von Art. 3 dieser Richtlinie, und diese Handlung wird vom Diensteanbieter vorgenommen.
18. Das von Thuiskopie und SONT sowie von der französischen Regierung vorgebrachte Argument, wonach eine Kopie zur Nutzung ohne Netzzugang eine Vervielfältigung durch eine natürliche Person im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Urheberrechtsrichtlinie darstellt, da der Abonnent die Erstellung dieser Kopie veranlasst, ist insoweit unzutreffend. Die in Art. 3 dieser Richtlinie genannte öffentliche Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, erfolgt auf Wunsch des Nutzers. Letzterer muss daher den Prozess der Freigabe einleiten, indem er diesen Wunsch äußert, in diesem Fall den Wunsch, eine Kopie für die Nutzung ohne Netzzugang zu erstellen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass jede Bereitstellung einer Kopie eines Werks auf Wunsch eines Nutzers automatisch eine Vervielfältigung durch eine natürliche Person für ihren privaten Gebrauch im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der genannten Richtlinie darstellt. Eine solche Auslegung würde nämlich einen großen Teil der in Art. 3 dieser Richtlinie enthaltenen Regelung ihres Sinnes entleeren.
19. Es gibt jedoch zwei wichtige Unterschiede zwischen der vorliegenden Rechtssache und der Rechtssache, in der das Urteil VCAST ergangen ist. Erstens wurde die in jener Rechtssache in Rede stehende Tätigkeit ohne Zustimmung der Urheberrechtsinhaber ausgeübt, wohingegen im vorliegenden Fall nichts darauf hindeutet, dass die Dienstleistung der Zurverfügungstellung von Kopien zur Nutzung ohne Netzzugang rechtswidrig wäre. Zweitens handelt es sich im Unterschied zu der Rechtssache, in der das Urteil VCAST ergangen ist, im vorliegenden Fall nicht um eine primäre und sekundäre Wiedergabe durch zwei verschiedene Einrichtungen. Sowohl die Wiedergabe der Werke in Form von Streaming als auch ihre Zugänglichmachung in Form von Kopien zur Nutzung ohne Netzzugang werden von derselben Einrichtung vorgenommen und haben primären Charakter – die Werke in digitaler Form werden direkt vom Server des Diensteanbieters auf das Gerät des Abonnenten übertragen. Daher ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach die Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke als an die Öffentlichkeit gerichtet gilt, wenn sie sich an ein neues Publikum richtet oder wenn sie in einer bestimmten technischen Form erfolgt, hier auch nicht anwendbar(11 ). Dieser Grundsatz gilt nämlich nur im Fall einer sekundären Wiedergabe von Werken, die bereits von einem Dritten öffentlich zugänglich gemacht worden sind(12 ).
20. Ich teile daher die Auffassung der Kommission, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Situation nicht anhand von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Urheberrechtsrichtlinie, sondern im Licht von Art. 3 dieser Richtlinie zu betrachten ist.
21. Eine Reihe weiterer Argumente spricht für eine solche Auslegung.
22. Erstens ist der von Thuiskopie und SONT in der mündlichen Verhandlung geäußerte Standpunkt, wonach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Urheberrechtsrichtlinie für seine Anwendung nicht den Verlust der Kontrolle der Rechtsinhaber über die Nutzung der Werke voraussetzt, nicht richtig. Der Verlust der Kontrolle ist ein immanentes Merkmal der Ausnahme vom Urheberrecht, da die Ausnahme darin besteht, dass die Nutzer Handlungen vornehmen können, die normalerweise in den Anwendungsbereich des Urheberrechtsmonopols fallen, ohne dass die Rechtsinhaber zustimmen, und die sich somit ihrer Kontrolle entziehen. Die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahme erlaubt natürlichen Personen, Werke zum privaten Gebrauch zu vervielfältigen. Zum einen ist die Vervielfältigung im Rahmen dieser Ausnahme daher definitionsgemäß der Kontrolle durch die Urheberrechtsinhaber entzogen. Zum anderen müssen die Nutzer technisch in der Lage sein, diese Vervielfältigung vorzunehmen, d. h., sie müssen (rechtmäßig, wie der Gerichtshof hervorgehoben hat) Zugang zum Werk in einer Form haben, die es ermöglicht, es zu kopieren.
23. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Dank der angewandten technischen Maßnahmen behalten die Anbieter von Streamingdiensten, die im Namen der Urheberrechtsinhaber als deren Lizenznehmer handeln, die Kontrolle über die Vervielfältigung der Werke, die in Form von Kopien zur Nutzung ohne Netzzugang zugänglich gemacht werden. Diese Kopien werden nämlich vom Diensteanbieter erstellt und auf dem Gerät des Nutzers unter streng definierten und wirksam kontrollierten Bedingungen gespeichert. Die technischen Maßnahmen dienen also nicht, wie Thuiskopie und SONT sowie die französische Regierung behaupten, dem Schutz vor einer Überschreitung der für die in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Urheberrechtsrichtlinie vorgesehene Ausnahme geltenden Grenzen durch die Nutzer, sondern sollen es ihnen von vornherein unmöglich machen, diese Ausnahme in Anspruch zu nehmen, indem sie Werke ohne Zustimmung der Urheberrechtsinhaber vervielfältigen. Es geht also nicht um die Anwendung der Ausnahme von den Urheberrechten, sondern um die normale Verwertung dieser Rechte.
24. Völlig unzutreffend ist auch die von Thuiskopie und SONT vertretene Auffassung, dass die Zustimmung der Urheberrechtsinhaber zur Anfertigung von Kopien zur Nutzung ohne Netzzugang rechtlich nicht bindend sei und diese Rechtsinhaber dafür keine Gebühren erheben könnten, da die Anfertigung dieser Kopien unter die Ausnahme gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchstabe b der Urheberrechtsrichtlinie falle und die Rechtsinhaber daher Anspruch auf den in dieser Bestimmung vorgesehenen gerechten Ausgleich hätten.
25. Diese Parteien setzen nämlich von vornherein voraus, dass die Herstellung von Kopien zur Nutzung ohne Netzzugang unter diese Ausnahme fällt, und leiten aus dieser Prämisse ab, dass die Handlungsmöglichkeiten der Urheberrechtsinhaber durch diese Ausnahme eingeschränkt werden. In Wirklichkeit ist jedoch genau das Gegenteil der Fall: Die Quelle, aus der eine Kopie zur Nutzung ohne Netzzugang erstellt wird, befindet sich nicht im Besitz der Nutzer, sondern beim Lizenznehmer der Urheberrechtsinhaber, sodass die Nutzer keine Vervielfältigung auf der Grundlage der genannten Ausnahme vornehmen können und sich an diesen Lizenznehmer wenden müssen, um eine Kopie zu erhalten, wofür dieser eine Gebühr verlangen kann.
26. Die von Thuiskopie und SONT angeführten Urteile(13 ) betreffen hingegen nicht die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Ausnahme von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Urheberrechtsrichtlinie, sondern die Berechnungsweise des dort vorgesehenen gerechten Ausgleichs. Sie beruhen somit implizit auf der Prämisse, dass die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Ausnahme erfüllt sind, und in diesem Zusammenhang ist der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass eine etwaige Genehmigung der Urheberrechtsinhaber keine Auswirkungen auf den Anspruch auf einen gerechten Ausgleich hat. Wie der Gerichtshof nämlich festgestellt hat, rechtfertigt, „wenn ein Rechtsinhaber einer natürlichen Person die Verwendung [einer Datei, die geschützte Werke enthält] gestattet, indem er sie ihr zur Verfügung stellt , die bloße Möglichkeit , sie zur Vervielfältigung der geschützten Werke zu nutzen, die Anwendung der Privatkopievergütung“(14 ). Dagegen handelt es sich in der vorliegenden Rechtssache um eine Situation, in der der Urheberrechtsinhaber oder sein Lizenznehmer natürlichen Personen Dateien mit geschützten Werken zur Verfügung stellt, diese Personen aber nicht die Möglichkeit haben, diese Dateien für die Vervielfältigung dieser Werke zu nutzen, so dass die Anwendung der Privatkopievergütung nicht gerechtfertigt ist.
27. Am Rande füge ich hinzu, dass die Urheberrechtsrichtlinie es den Mitgliedstaaten ausdrücklich nicht erlaubt, Bestimmungen zu erlassen, die die Rechtsinhaber in einer Situation wie der vorliegenden verpflichten, auf technische Schutzmaßnahmen zu verzichten. Während nämlich Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 dieser Richtlinie in Verbindung mit Unterabs. 1 dieses Absatzes es den Mitgliedstaaten gestattet, Vorschriften zu erlassen, die das Recht der Nutzer auf Inanspruchnahme der in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahme schützen, schließt Unterabs. 4 dieses Absatzes diese Möglichkeit in Bezug auf Werke aus, die der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich gemacht werden, dass Mitglieder der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl Zugang zu ihnen haben, wie es hier der Fall ist. Die Einführung einer Ausnahme durch einen Mitgliedstaat, deren Anwendungsbereich dem von Thuiskopie und SONT vorgeschlagenen entspricht, stünde daher im Widerspruch zu der Verpflichtung zum Schutz technischer Schutzmaßnahmen gemäß Art. 6 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie.
28. Zweitens verlangt Art. 5 Abs. 5 der Urheberrechtsrichtlinie, dass die in dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen von den ausschließlichen Rechten 1) nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, 2) die normale Verwertung der Werke nicht beeinträchtigen und 3) die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzen. Es handelt sich um einen so genannten Dreistufentest, der auf für die Union verbindliches Völkerrecht zurückgeht(15 ).
29. Die Einbeziehung der Bereitstellung von Kopien zur Nutzung ohne Netzzugang in die Ausnahme nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie widerspräche meiner Meinung nach dem zweiten Punkt des genannten Tests. Eine solche Dienstleistung stellt nämlich eine normale Verwertung der Werke dar, aus der die Inhaber der Urheberrechte einen finanziellen Vorteil ziehen können, wobei diese Verwertung unabhängig von der Zugänglichmachung der Werke durch Streaming ist. Die Einbeziehung einer solchen Kopie in diese Ausnahme würde diese Nutzung stören, da sie bei den Nutzern Verwirrung stiften und Zweifel daran wecken könnte, ob die Erhebung zusätzlicher Vergütungen für die Zurverfügungstellung dieser Kopien durch die Rechtsinhaber oder ihre Lizenznehmer gerechtfertigt ist. Art. 5 Abs. 5 der Urheberrechtsrichtlinie schließt daher aus, dass die hier in Rede stehende Dienstleistung von der fraglichen Ausnahme erfasst wird.
30. Drittens schließlich scheint der Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Urheberrechtsrichtlinie selbst der Erhebung einer Privatkopievergütung auf Streaming-Dienste wegen der Bereitstellung von Kopien zur Nutzung ohne Netzzugang entgegenzustehen. Diese Bestimmung besagt nämlich, dass der darin vorgesehene gerechte Ausgleich, der durch die Privatkopievergütung finanziert wird, den Einsatz der in Art. 6 dieser Richtlinie genannten technischen Maßnahmen berücksichtigen muss. Bei Dienstleistungen zur Bereitstellung von Werken unter den in Nr. 7 dieser Schlussanträge beschriebenen Bedingungen ermöglichen die eingesetzten technischen Maßnahmen den Urheberrechtsinhabern oder ihren Lizenznehmern zugleich, die vollständige Kontrolle über die Vervielfältigung der Werke zu behalten und somit keine Verluste aufgrund der Anfertigung von Kopien für den privaten Gebrauch durch die Nutzer zu erleiden. Es gibt also auch in diesem Fall keine Rechtfertigung für einen gerechten Ausgleich.
31. Auch die in der zweiten Vorlagefrage genannten Ziele der Urheberrechtsrichtlinie, wie ein hohes Niveau des Urheberrechtsschutzes, ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen der Rechtsinhaber und der Nutzer und eine kohärente und technologieneutrale Anwendung der Ausnahmen durch die Mitgliedstaaten, stehen der von mir vorgeschlagenen Auslegung nicht entgegen.
32. Wie oben ausgeführt, üben die Urheberrechtsinhaber oder ihre Lizenznehmer durch die Anwendung technischer Maßnahmen die vollständige Kontrolle über die Zugänglichmachung und Verwendung der Kopien zur Nutzung ohne Netzzugang aus und sind in der Lage, Einnahmen aus dieser Form der Verwertung der Werke zu erzielen. Die Einbeziehung dieser Form der Zugänglichmachung in die Ausnahme gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Urheberrechtsrichtlinie liefe daher ihren Interessen und damit dem hohen Schutzniveau für Urheberrechte, das mit dieser Richtlinie erreicht werden soll, direkt zuwider.
33. Es geht hier auch nicht um eine Beeinträchtigung der berechtigten Interessen der Nutzer oder um einen gerechten Ausgleich zwischen ihren Interessen und denen der Urheberrechtsinhaber. Die in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Urheberrechtsrichtlinie vorgesehene Ausnahmeregelung dient der Legalisierung von Handlungen, die die Nutzer im privaten Bereich außerhalb ihrer Kontrolle vornehmen. Die Zurverfügungstellung einer Kopie zur Nutzung ohne Zugang zum Netz durch den Anbieter des Streamingdiensts erfolgt jedoch im Rahmen der Beziehung zwischen diesem Anbieter und dem Nutzer, d. h. außerhalb der Privatsphäre des Nutzers und unter der Kontrolle der Urheberrechtsinhaber. Die Nutzer haben daher kein berechtigtes Interesse daran, eine solche Kopie im Rahmen einer Ausnahme vom Urheberrecht zu erhalten.
34. Was hingegen die Technologieneutralität angeht, so unterscheidet sich die Situation des Streaming-Diensts entgegen den Behauptungen von Thuiskopie und SONT in technologischer Hinsicht völlig von den Technologien, auf die sich diese Verfahrensbeteiligten berufen, wie CDs und DVDs oder Radio- und Fernsehsendungen.
35. Bei Tonträgern zahlt der Nutzer einen einmaligen Preis, für den er eine begrenzte Anzahl von Werken (in der Regel mehrere oder einige Musikstücke oder ein audiovisuelles Werk) zusammen mit dem physischen Träger erhält. Er darf diese Werke in seinem privaten Bereich beliebig nutzen und sie auf der Grundlage der Ausnahme gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Urheberrechtsrichtlinie auch vervielfältigen. Radio- oder Fernsehübertragungen sind hingegen lineare Dienste, bei denen der Sender bestimmt, welche Werke zu welcher Zeit ausgestrahlt werden, und die Radiohörer oder Fernsehzuschauer diese Werke gegebenenfalls zu dieser Zeit hören oder sehen können. Sie können auch eine Aufzeichnung zum privaten Gebrauch vornehmen, aber nur für Werke, die gesendet werden, und nur zum Zeitpunkt ihrer Ausstrahlung und unter der Voraussetzung, dass dies technisch möglich ist.
36. Dagegen handelt es sich bei dem in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Streaming-Dienst um einen im Internet erbrachten Abrufdienst, in dessen Rahmen die Nutzer zu einem relativ niedrigen Pauschalpreis(16 ) jederzeit Zugang zu einer sehr großen Zahl von Werken haben können. Im Rahmen dieses Dienstes ist es jedoch nicht möglich, die per Streaming bereitgestellten Inhalte aufzuzeichnen, da dies das gesamte Projekt wirtschaftlich unrentabel machen würde – die Nutzer könnten in kurzer Zeit die für sie interessanten Werke kopieren und ihr Abonnement kündigen. Der Streamingdienst auf Abruf ist daher funktional nicht mit CDs oder DVDs oder mit Rundfunk- oder Fernsehprogrammen vergleichbar. Auch aus urheberrechtlicher Sicht handelt es sich um völlig unterschiedliche Nutzungsfelder. Der Grundsatz der Technologieneutralität verlangt daher nicht, den Streamingdienst und die beiden anderen Technologien gleichzubehandeln.
37. Auch das von Thuiskopie und SONT angesprochene Problem der angeblich unzureichenden Vergütung, die die Lizenznehmer den Rechtsinhabern für diese Zurverfügungstellung oder allgemeiner für die Verwertung von Werken in Form von Streaming auf Abruf zahlen, rechtfertigt nicht die Einbeziehung des Dienstes der Zurverfügungstellung von Kopien für die Nutzung ohne Netzzugang in die Ausnahmeregelung von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Urheberrechtsrichtlinie und den darin vorgesehenen gerechten Ausgleich. Wie ich in der Einleitung zu den vorliegenden Schlussanträgen ausgeführt habe, soll mit diesem Ausgleich der Schaden ersetzt werden, der den Rechtsinhabern durch die Legalisierung der Handlungen der Nutzer in ihrer Privatsphäre entsteht, über die sie keine Kontrolle haben. Dagegen zielt sie nicht darauf ab, die üblichen Mechanismen der Verwertung von Werken zu ersetzen und die Rechtsinhaber hierfür zu vergüten. Ist diese Vergütung unzureichend, sollten die Mitgliedstaaten im Einklang mit den Art. 18 ff. der Richtlinie (EU) 2019/790(17 ) geeignete Maßnahmen ergreifen, um das Problem zu beheben.
38. Nach alledem schlage ich vor, auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Urheberrechtsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein Abonnent eines Dienstes, mit dem urheberrechtlich geschützte Werke auf Abruf per Streaming im Internet zur Verfügung gestellt werden, diese Werke nicht für den eigenen Gebrauch im Sinne dieser Bestimmung vervielfältigt, wenn er einen zusätzlichen Dienst in Anspruch nimmt, mit dem Werke zur Nutzung ohne Netzzugang zur Verfügung gestellt werden, indem diese Werke im Speicher des Geräts des Abonnenten gespeichert werden, wobei der Diensteanbieter mittels technischer Maßnahmen im Sinne von Art. 6 der genannten Richtlinie die vollständige Kontrolle über die Speicherung, das Kopieren und das Löschen dieser Werke behält, wohingegen der Abonnent diese Werke während der Dauer der Bereitstellung lediglich auf dem betreffenden Gerät nutzen (anhören oder ansehen) kann. Art. 3 dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass diese Wiedergabe der Werke eine öffentliche Zugänglichmachung der Werke durch den Diensteanbieter in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, im Sinne dieser Bestimmung darstellt.
Ergebnis
39. Nach alledem schlage ich vor, die Vorlagefragen des Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) wie folgt zu beantworten:
1. Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft
ist dahin auszulegen, dass
ein Abonnent eines Dienstes, mit dem urheberrechtlich geschützte Werke auf Abruf per Streaming im Internet zur Verfügung gestellt werden, diese Werke nicht für den eigenen Gebrauch im Sinne dieser Bestimmung vervielfältigt, wenn er einen zusätzlichen Dienst in Anspruch nimmt, mit dem Werke zur Nutzung ohne Netzzugang zur Verfügung gestellt werden, indem diese Werke im Speicher des Geräts des Abonnenten gespeichert werden, wobei der Diensteanbieter mittels technischer Maßnahmen im Sinne von Art. 6 der genannten Richtlinie die vollständige Kontrolle über die Speicherung, das Kopieren und das Löschen dieser Werke behält, wohingegen der Abonnent diese Werke während der Dauer der Bereitstellung lediglich auf dem betreffenden Gerät nutzen (anhören oder ansehen) kann.
2. Art. 3 dieser Richtlinie
ist dahin auszulegen, dass
die in Nr. 1 genannte Zurverfügungstellung der Werke zur Nutzung ohne Netzzugang eine öffentliche Zugänglichmachung der Werke durch den Diensteanbieter in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, im Sinne dieser Bestimmung darstellt.