URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)
15. Mai 2025(* )
„ Rechtsmittel – Umwelt – Verordnung (EU) 2023/851 – Kohlendioxid-Emissionsnormen – Neue Personenkraftwagen – Berücksichtigung von Emissionen außerhalb der Fahrzeugnutzung – Kohlendioxid-neutrale synthetische Kraftstoffe – Nichtigkeitsklage – Voraussetzung, wonach der Kläger von der angefochtenen Handlung individuell betroffen sein muss – Fehlen – Vollständiges System von Rechtsbehelfen – Grundrecht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz “
In der Rechtssache C‑487/24 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 10. Juli 2024,
Lorenz Kiene, wohnhaft in Hoya (Deutschland),
Classic Tankstellen GmbH & Co. KG, mit Sitz in Hoya,
eFuel GmbH, mit Sitz in Hoya,
eFuel Projektentwicklung GmbH, mit Sitz in Hoya,
vertreten durch Rechtsanwälte A. Dlouhy, E. Macher und M. Soppe,
Rechtsmittelführer,
andere Verfahrensbeteiligte:
Europäisches Parlament , vertreten durch W. D. Kuzmienko und L. Taïeb als Bevollmächtigte,
Rat der Europäischen Union , vertreten durch N. Brzezinski und L. Hamtcheva als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten S. Rodin, sowie der Richter N. Piçarra und N. Fenger (Berichterstatter),
Generalanwältin: T. Ćapeta,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund der nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Entscheidung, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Mit ihrem Rechtsmittel beantragen Herr Lorenz Kiene, die Classic Tankstellen GmbH & Co. KG, die eFuel GmbH und die eFuel Projektentwicklung GmbH die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts der Europäischen Union vom 2. Mai 2024, Kiene u. a/Parlament und Rat (T‑419/23, im Folgenden: angefochtener Beschluss, EU:T:2024:283), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 1 der Verordnung (EU) 2023/851 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. April 2023 zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/631 im Hinblick auf eine Verschärfung der CO2-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge im Einklang mit den ehrgeizigeren Klimazielen der Union (ABl. 2023, L 110, S. 5, im Folgenden: streitige Verordnung) als unzulässig abgewiesen hat.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 2 bis 5 des angefochtenen Beschlusses wie folgt dargestellt:
„2 Die [streitige] Verordnung ist Teil des Legislativpakets ‚Fit für 55‘, das darauf abzielt, die Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu überarbeiten und zu aktualisieren sowie neue Initiativen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Unionspolitik mit den vom Europäischen Parlament und vom Rat der Europäischen Union beschlossenen Klimazielen im Einklang steht. Nach dem sechsten Erwägungsgrund der [streitigen] Verordnung ‚[sollen a]lle Bereiche der Wirtschaft einschließlich des Straßenverkehrssektors … einen Beitrag zur Erreichung dieser Emissionsminderung leisten. Der Verkehrssektor ist der einzige Sektor, in dem die Emissionen seit 1990 gestiegen sind. Das umfasst auch den Straßenverkehr mit Personenkraftwagen, leichten und schweren Nutzfahrzeugen, die zusammen über 70 % der gesamten Verkehrsemissionen ausmachen. Um Klimaneutralität zu erreichen, müssen die verkehrsbedingten Emissionen bis 2050 um 90 % gesenkt werden.‘
3 Zu diesem Zweck hielt es der Unionsgesetzgeber für erforderlich, die Anforderungen der Verordnung (EU) 2019/631 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Festsetzung von CO2-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 443/2009 und (EU) Nr. 510/2011 (ABl. 2019, L 111, S. 13) zu verschärfen. Mit dieser Verordnung werden unionsweite Emissionsziele für Kohlendioxid (CO2) festgelegt und die erforderlichen Anstrengungen zur Emissionsminderung auf die Automobilhersteller verteilt. So muss jeder Hersteller sicherstellen, dass die durchschnittlichen CO2-Emissionen seiner Flotte von in einem bestimmten Jahr neu zugelassenen Fahrzeugen die für die Flotte festgelegte Jahreszielvorgabe für die spezifischen Emissionen nicht überschreiten.
4 Mit der [streitigen] Verordnung wird die Verordnung 2019/631 insbesondere dahin gehend geändert, dass ehrgeizigere Ziele für die schrittweise Minderung der Emissionen von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen auf Unionsebene bis 2030 und darüber hinaus festgelegt werden, einschließlich des Ziels, die Emissionen neuer Personenkraftwagen und neuer leichter Nutzfahrzeuge bis 2035 um 100 % zu senken. Diese neuen Ziele sind in Art. 1 der [streitigen] Verordnung festgelegt … Der beanstandete Teil dieses Artikels lautet:
‚Die Verordnung (EU) 2019/631 wird wie folgt geändert:
1. Artikel 1 wird wie folgt geändert:
a) Absatz 5 wird wie folgt geändert:
i) Unter Buchstabe a wird der Wert ’37,5 %’ durch den Wert ’55 %’ ersetzt.
ii) Unter Buchstabe b wird der Wert ’31 %’ durch den Wert ’50 %’ ersetzt.
b) Folgender Absatz wird eingefügt:
’(5a) Ab dem 1. Januar 2035 gelten die folgenden EU-weiten Flottenziele:
a) für die durchschnittlichen Emissionen der Flotte neuer Personenkraftwagen, ein EU-weiter Flottenzielwert, der einer Verringerung des Ziels für das Jahr 2021 um 100 % entspricht und gemäß Anhang I Teil A Nummer 6.1.3 ermittelt wird;
b) für die durchschnittlichen Emissionen der Flotte neuer leichter Nutzfahrzeuge, ein EU-weiter Flottenzielwert, der einer Verringerung des Ziels für das Jahr 2021 um 100 % gegenüber dem Jahr 2021 entspricht und gemäß Anhang I Teil B Nummer 6.1.3 ermittelt wird.’
c) Absatz 6 erhält folgende Fassung:
’(6) Vom 1. Januar 2025 bis zum 31. Dezember 2029 gilt für den Anteil emissionsfreier und emissionsarmer Fahrzeuge gemäß Anhang I Teil A Nummer 6.3 und Teil B Nummer 6.3 ein Schwellenwert, der einem Anteil von 25 % an der Flotte neuer Personenkraftwagen bzw. 17 % an der Flotte neuer leichter Nutzfahrzeuge entspricht.’
d) Absatz 7 wird gestrichen.‘
5 Die Kläger sind mit Ausnahme von Herrn Kiene Gesellschaften, die im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von regenerativen synthetischen Kraftstoffen (auch als ‚CO2-neutrale Kraftstoffe‘ bezeichnet) tätig sind. Herr Kiene ist eine natürliche Person, die an Classic Tankstellen und mittelbar an eFuel und eFuel Projektentwicklung beteiligt ist.“
Klage vor dem Gericht und angefochtener Beschluss
3 Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragten Herr Kiene, Classic Tankstellen, eFuel und eFuel Projektentwicklung die Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 1 der streitigen Verordnung.
4 Das Parlament und der Rat machten die Unzulässigkeit dieser Klage u. a. mit der Begründung geltend, dass die Rechtsmittelführer die Voraussetzung der individuellen Betroffenheit von der streitigen Verordnung im Sinne von Art. 263 AEUV nicht erfüllten.
5 Da das Gericht der Auffassung gewesen ist, dass diese Voraussetzung im vorliegenden Fall nicht erfüllt sei, hat es die Klage mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig abgewiesen.
Anträge der Verfahrensbeteiligten vor dem Gerichtshof
6 Mit ihrem Rechtsmittel beantragen Herr Kiene, Classic Tankstellen, eFuel und eFuel Projektentwicklung,
– den angefochtenen Beschluss aufzuheben;
– Art. 1 Nr. 1 Buchst. a bis d der streitigen Verordnung für nichtig zu erklären;
– hilfsweise zum zweiten Antrag, die Rechtssache im Hinblick auf jede erforderliche Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen;
– den Beklagten im ersten Rechtszug die Kosten aufzuerlegen.
7 Das Parlament und der Rat beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen und den Rechtsmittelführern die Kosten aufzuerlegen.
Zum Rechtsmittel
8 Die Rechtsmittelführer stützen ihr Rechtsmittel auf zwei Gründe. Erstens machen sie einen Rechtsfehler bei der Auslegung der Voraussetzung, wonach sie individuell von der streitigen Verordnung betroffen sein müssten, der sich insbesondere aus einer fehlerhaften Erfassung und Subsumtion des Sachverhalts ergebe, und zweitens eine Verletzung ihres Rechts auf rechtliches Gehör geltend.
Zum ersten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
9 Die Rechtsmittelführer machen im Wesentlichen geltend, das Gericht habe den von ihnen vorgetragenen Sachverhalt, aus dem ihre besondere Marktstellung hervorgehe, durch eine unvollständige und folglich fehlerhafte Analyse entsprechend fehlerhaft subsumiert.
10 So habe das Gericht in Bezug auf Herrn Kiene in Rn. 21 des angefochtenen Beschlusses zwar wiedergegeben, dass dieser als „Pionier“ und Experte auf dem Gebiet der CO2-neutralen Kraftstoffe besonders von der streitigen Verordnung betroffen sei, jedoch habe es die Tätigkeiten und Initiativen dieses Rechtsmittelführers in Zusammenhang mit CO2-neutralen Kraftstoffen außer Acht gelassen, die rechtfertigten, dass er als „Pionier“ und besonders betroffener Experte anzusehen sei.
11 Indem das Gericht diese Aspekte außer Acht gelassen habe, sei es zu einer fehlerhaften Beurteilung des Sachverhalts gelangt, als es in Rn. 35 des angefochtenen Beschlusses festgestellt habe, dass die Einordnung von Herrn Kiene als „Pionier“ im Sektor der CO2-neutralen Kraftstoffe kein tatsächliches Element darstelle, das geeignet sei, seine individuelle Betroffenheit von der streitigen Verordnung zu belegen. Das Gericht habe nämlich objektiv prüfbare Tatsachen außer Acht gelassen, aus denen sich ergebe, dass dieser Rechtsmittelführer sich aus dem Kreis der anderen Marktteilnehmer heraushebe und in ähnlicher Weise wie die Adressaten einer Entscheidung individuell von den einschlägigen Bestimmungen der streitigen Verordnung betroffen sei.
12 In Bezug auf Classic Tankstellen habe das Gericht das Vorbringen der Rechtsmittelführer sinnentstellend und verkürzt dergestalt dargestellt, dass die wirtschaftliche Tätigkeit dieser Rechtsmittelführerin als Tankstellenbetreiberin vom zunehmenden Rückgang von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor besonders betroffen sei, da die Tankstellen gerade für diese Fahrzeuge den herkömmlichen oder CO2-neutralen flüssigen Kraftstoff lieferten. Dadurch habe das Gericht das übrige Vorbringen der Rechtsmittelführer zu der Geschäftstätigkeit und den bereits von Classic Tankstellen getätigten Ausgaben und Investitionen außer Acht gelassen und folglich einen Rechtsfehler begangen, als es zu dem Ergebnis gelangt sei, dass diese Rechtsmittelführerin durch die einschlägigen Bestimmungen der streitigen Verordnung nicht stärker betroffen sei als andere Wirtschaftsteilnehmer auf dem betreffenden Markt.
13 In Bezug auf eFuel und eFuel Projektentwicklung habe das Gericht in Rn. 23 des angefochtenen Beschlusses lediglich ausgeführt, dass deren wirtschaftliche Tätigkeit auf die Entwicklung, Herstellung oder Förderung CO2-neutraler Kraftstoffe ausgerichtet sei und vom zukünftigen Bestehen eines Absatzmarkts für CO2-neutrale Kraftstoffe abhänge. Das Gericht habe das übrige Vorbringen der Rechtsmittelführer zu der Geschäftstätigkeit, den konkreten Projekten und den bereits getätigten Ausgaben und Investitionen von eFuel und eFuel Projektentwicklung völlig außer Acht gelassen und somit einen Rechtsfehler begangen, als es entschieden habe, dass diese durch die einschlägigen Bestimmungen der streitigen Verordnung nicht stärker betroffen seien als andere Wirtschaftsteilnehmer auf dem betreffenden Markt.
14 Auch nach dem durch das Gericht festgestellten Sachverhalt gehörten die Rechtsmittelführer zu einem abgrenzbaren, beschränkten Kreis von Wirtschaftsteilnehmern und seien deshalb individuell von der streitigen Verordnung betroffen.
15 Insoweit habe das Gericht die Tatsache nicht gewürdigt, dass die Rechtsmittelführerinnen auf dem klar abgrenzbaren Markt für die Herstellung und den Vertrieb CO2-neutraler flüssiger Kraftstoffe tätig seien, obwohl sie dies in ihren Schriftsätzen gebührend hervorgehoben hätten. Als es in Rn. 36 des angefochtenen Beschlusses entschieden habe, dass, selbst wenn die Tätigkeit der Rechtsmittelführer durch die einschlägigen Bestimmungen der streitigen Verordnung beeinträchtigt würde, dies jedenfalls in einer Weise geschehe, die mit der Beeinträchtigung anderer Wirtschaftsteilnehmer vergleichbar sei, deren Tätigkeit einen Bezug zum Automobilmarkt aufweise, habe das Gericht nicht berücksichtigt, dass auf dem Markt für flüssige Kraftstoffe tätige Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit aufgrund der streitigen Verordnung nicht mehr ausüben könnten, während im Gegensatz dazu die meisten dieser anderen Wirtschaftsteilnehmer von diesen Bestimmungen nicht berührt würden oder ihr Geschäftsmodell ohne Weiteres umstellen könnten.
16 Sofern man die Rechtsmittelführer mit anderen Wirtschaftsteilnehmern auf dem betreffenden Markt vergleichen müsse, seien sie gleichzubehandeln mit Unternehmen, die die von CO2-Emissionen freien Fahrzeugverkehr ermöglichten, z. B. mit den Produzenten von CO2-neutralem Grünstrom. Unter allen anderen Unternehmen dieser Kategorie würden die Rechtsmittelführer jedoch als einzige von den einschlägigen Bestimmungen der streitigen Verordnung getroffen.
17 Selbst wenn anzunehmen wäre, dass die Rechtsmittelführer grundsätzlich mit anderen Marktteilnehmern des Automobilmarkts vergleichbar seien, habe das Gericht zu Unrecht entschieden, dass die Rechtsmittelführerinnen von den einschlägigen Bestimmungen der streitigen Verordnung „in einer Weise, die mit der Beeinträchtigung anderer Wirtschaftsteilnehmer vergleichbar ist“, betroffen seien, deren Tätigkeit mit dem Bau, dem Verkauf, der Reparatur oder dem Verkehr der betreffenden Fahrzeuge zusammenhänge. In Anbetracht des Einsatzes und der Investitionen, die die Rechtsmittelführer geleistet hätten, befänden sie sich im Hinblick auf die nachteiligen wirtschaftlichen Folgen, die sich aus den einschlägigen Bestimmungen der streitigen Verordnung ergäben, nicht in einer Situation, die mit derjenigen anderer Marktteilnehmer vergleichbar sei.
18 Insoweit sei die auf das Urteil vom 16. Mai 1991, Extramet Industrie/Rat (C‑358/89, EU:C:1991:214, Rn. 17), zurückgehende Rechtsprechung des Gerichtshofs auf den vorliegenden Fall übertragbar, wonach die wirtschaftliche Stellung eines Unternehmens für sich genommen ausreiche, um seine individuelle Betroffenheit von der angefochtenen Handlung anzunehmen, wenn diese Stellung dazu führe, dass dieses Unternehmen aus dem Kreis aller anderen Wirtschaftsteilnehmer herausgehoben werde.
19 Das Parlament und der Rat machen geltend, der erste Rechtsmittelgrund sei als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückzuweisen.
Würdigung durch den Gerichtshof
20 Nach Art. 256 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt. Für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie für die Würdigung der Beweise ist daher allein das Gericht zuständig. Die Würdigung der Tatsachen und Beweise ist daher, außer im Fall ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge (Urteil vom 23. März 2023, PV/Kommission, C‑640/20 P, EU:C:2023:232, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).
21 Eine Verfälschung der Beweise liegt vor, wenn sich, ohne neue Beweise zu erheben, die Würdigung der vorliegenden Beweise als offensichtlich unzutreffend erweist. Sie muss sich jedoch in offensichtlicher Weise aus den Prozessakten ergeben, ohne dass es einer erneuten Würdigung der Tatsachen und Beweise bedarf. Außerdem muss ein Rechtsmittelführer, der eine Verfälschung von Beweisen durch das Gericht behauptet, genau angeben, welche Beweise das Gericht verfälscht haben soll, und die Beurteilungsfehler darlegen, die das Gericht seines Erachtens zu dieser Verfälschung veranlasst haben (Urteil vom 23. März 2023, PV/Kommission, C‑640/20 P, EU:C:2023:232, Rn 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).
22 Im vorliegenden Fall machen die Rechtsmittelführer geltend, die Unvollständigkeit der in den Rn. 21 bis 23 des angefochtenen Beschlusses enthaltenen Zusammenfassung des Sachverhalts habe das Gericht dazu veranlasst, diesen fehlerhaft zu würdigen und folglich fehlerhaft zu subsumieren.
23 Diese Randnummern lauten wie folgt:
„21 Des Weiteren seien die Kläger aufgrund jeweils eigener Umstände individuell von der Verordnung betroffen. So sei Herr Kiene als ‚Pionier‘ und Experte auf dem Gebiet der CO2-neutralen Kraftstoffe besonders betroffen.
22 Die Haupttätigkeit der Classic Tankstellen bestehe im Betrieb von Tankstellen, vorwiegend im ländlichen Raum. Diese wirtschaftliche Tätigkeit sei durch den zunehmenden Rückgang der Zahl der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor infolge der [streitigen] Verordnung besonders betroffen, da die Tankstellen, die sie betreibe, gerade diesen Kraftstoff – sowohl klassischen als auch CO2-neutralen – für diesen Fahrzeugtyp lieferten.
23 eFuel und eFuel Projektentwicklung seien individuell betroffen, da ihre Tätigkeit auf die Entwicklung, Herstellung oder Förderung von synthetischen Kraftstoffen ausgerichtet sei, die auch ihr Unternehmensgegenstand seien. Sie gehörten daher zu einem abgrenzbaren, identifizierbaren Kreis von durch die [streitige] Verordnung betroffenen Unternehmen. Darüber hinaus seien sie auch aufgrund ihrer Stellung auf dem Markt für flüssige Kraftstoffe individuell von der Verordnung betroffen. Insoweit machen sie geltend, dass ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten und sogar ihre Existenz davon abhingen, dass künftig ein Absatzmarkt für den Verkauf CO2-neutraler Kraftstoffe bestehe.“
24 Selbst wenn man annimmt, dass sich die Rechtsmittelführer mit ihrem Vorbringen nicht darauf beschränken, den Gerichtshof um eine erneute Würdigung des Sachverhalts oder der Beweise zu ersuchen, was im Einklang mit der in Rn. 20 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs im Stadium des Rechtsmittels fällt, sondern auch eine Verfälschung von Tatsachen oder Beweisen geltend machen, ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall keine solche Verfälschung vorliegt.
25 Zum einen sind die Umstände, dass das Gericht in Bezug auf Herrn Kiene das Vorbringen der Rechtsmittelführer zu dessen Tätigkeiten und Initiativen im Zusammenhang mit CO2-neutralen Kraftstoffen nicht detailliert analysiert hat, dass es in Bezug auf Classic Tankstellen das Vorbringen der Rechtsmittelführer zu den von dieser bereits getätigten Ausgaben und Investitionen außer Acht gelassen hat und dass es in Bezug auf eFuel und eFuel Projektentwicklung das übrige Vorbringen der Rechtsmittelführer zu der Geschäftstätigkeit, den konkreten Projekten und den bereits getätigten Ausgaben und Investitionen dieser Gesellschaften nicht gewürdigt habe, nicht geeignet, die Richtigkeit des Vorbringens und der Tatsachen, die in Rn. 23 des vorliegenden Urteils wiedergegeben sind, in Frage zu stellen. Zum anderen ist nicht offensichtlich, dass die Auslese, die das Gericht in Bezug auf das Vorbringen der Rechtsmittelführer vorgenommen hat, dazu geführt hätte, dass das Gericht die relevanten Tatsachen und Beweismittel verfälscht hätte.
26 Folglich kann der von den Rechtsmittelführern geltend gemachte Fehler bei der Subsumtion des Sachverhalts vorliegend nicht auf eine Verfälschung der in Rede stehenden Tatsachen und Beweise zurückzuführen sein.
27 Zu dem Vorbringen, wonach die Rechtsmittelführer zu einem abgrenzbaren, identifizierbaren Kreis von Wirtschaftsteilnehmern gehörten und deshalb individuell von der streitigen Verordnung betroffen seien, ist darauf hinzuweisen, dass, wie das Gericht in den Rn. 25 und 26 des angefochtenen Beschlusses zutreffend ausgeführt hat, zum einen eine natürliche oder juristische Person von einer nicht an sie gerichteten Handlung nur dann individuell betroffen ist, wenn die fragliche Handlung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder wegen besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie einen Adressaten und zum anderen eine Handlung allgemeine Geltung hat, wenn sie für objektiv bestimmte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppen entfaltet.
28 Unstreitig ist, dass Art. 1 Nr. 1 der streitigen Verordnung, wie in Rn. 31 des angefochtenen Beschlusses festgestellt wird, allgemeine Geltung hat.
29 Insoweit hat das Gericht in den Rn. 32 bis 34 des angefochtenen Beschlusses zu Recht erstens darauf hingewiesen, dass der Umstand, dass eine Vorschrift ihrer Natur und ihrer Tragweite nach eine generelle Norm ist, da sie für sämtliche betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gilt, nicht ausschließt, dass sie einige von ihnen individuell betrifft; zweitens hat es zutreffend daran erinnert, dass, wenn der angefochtene Rechtsakt eine Gruppe von Personen berührt, deren Identität zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Rechtsakts aufgrund von Kriterien, die den Mitgliedern dieser Gruppe eigen waren, feststand oder feststellbar war, diese Personen von dem Rechtsakt insoweit individuell betroffen sein können, als sie zu einem beschränkten Kreis von Wirtschaftsteilnehmern gehören, und dass dies insbesondere der Fall sein kann, wenn der Rechtsakt in Rechte eingreift, die der Einzelne vor seinem Erlass erworben hat; drittens hat das Gericht zu Recht darauf hingewiesen, dass es nicht genügt, dass bestimmte Wirtschaftsteilnehmer von einem Rechtsakt mit allgemeiner Geltung wirtschaftlich stärker berührt sind als andere, um sie gegenüber diesen anderen Wirtschaftsteilnehmern zu individualisieren, sofern seine Anwendung nach einem objektiv bestimmten Tatbestand erfolgt.
30 Im vorliegenden Fall weisen die Rechtsmittelführer nicht nach, dass das Gericht in Rn. 36 des angefochtenen Beschlusses einen Rechtsfehler begangen hätte, als es festgestellt hat, dass sie nicht zu einer identifizierbaren und geschlossenen Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern gehörten, die von den einschlägigen Bestimmungen der streitigen Verordnung besonders betroffen seien und dass die Tätigkeit der Rechtsmittelführer, wenn überhaupt, in einer Weise beeinträchtigt werde, die mit der Beeinträchtigung anderer Wirtschaftsteilnehmer vergleichbar sei, deren Tätigkeit einen Bezug zum Automobilmarkt aufweise.
31 Die Rechtsmittelführer sind nämlich durch Art. 1 Nr. 1 der Verordnung Nr. 2023/851 im Hinblick auf geschäftliche Tätigkeiten betroffen, die jederzeit durch jedermann ausgeübt werden können und daher nicht geeignet sind, die Rechtsmittelführer in Bezug auf diese Verordnung in gleicher Weise zu individualisieren wie den Adressaten einer Handlung. (vgl. entsprechend Urteil vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission, 25/62, EU:C:1963:17, S. 239). Der Umstand, dass die Rechtsmittelführer Tätigkeiten der Herstellung und des Vertriebs CO2-neutraler flüssiger Kraftstoffe nachgehen und insoweit wesentlichen Einsatz und wesentliche Investitionen geleistet haben, ist nicht geeignet, diese Wirtschaftsteilnehmer aus dem Kreis aller anderen Wirtschaftsteilnehmer herauszuheben – insbesondere nicht aus dem Kreis von Zulieferern, die auf den Bereich von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren spezialisiert sind und deren Tätigkeit einen Bezug zum Automobilmarkt aufweist.
32 Diese Feststellung kann nicht durch die auf das Urteil vom 16. Mai 1991, Extramet Industrie/Rat (C‑358/89, EU:C:1991:214), zurückgehende Rechtsprechung des Gerichtshofs in Frage gestellt werden, da sich die Situation in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, von der Situation in der vorliegenden Rechtssache unterscheidet. Insoweit geht aus Rn. 17 dieses Urteils hervor, dass insbesondere die wirtschaftlichen Tätigkeiten der betreffenden Gesellschaft von der Verordnung schwer getroffen waren, um die es in der Rechtssache ging, in der dieses Urteil ergangen ist, da nur wenige Produzenten das Erzeugnis herstellten, das einer Antidumpingmaßnahme unterlag, und diese Gesellschaft Schwierigkeiten hatte, sich dieses bei dem einzigen Hersteller in der Europäischen Gemeinschaft zu beschaffen, der zudem noch ihr Hauptmitbewerber für das Verarbeitungserzeugnis war.
33 Folglich ist der erste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
Zum zweiten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
34 Die Rechtsmittelführer tragen vor, die Schlussfolgerung des Gerichts in Rn. 48 des angefochtenen Beschlusses, wonach sie nicht mit Erfolg erwirken könnten, dass ihre Nichtigkeitsklage auf der Grundlage von Art. 47 der Charta für zulässig erklärt werde, obwohl sie keine Klagebefugnis nach Art. 263 Abs. 4 AEUV hätten, basiere auf falschen Sachverhaltsannahmen und einer fehlerhaften Rechtsanwendung.
35 Das Gericht sei der Auffassung, dass die Rechtsmittelführer auch dann dagegen geschützt seien, dass Unionshandlungen mit allgemeiner Geltung auf sie angewandt würden, wenn sie mangels Zulässigkeit ihrer Klage gegen diese Handlungen keinen direkten Zugang zum Rechtsschutz vor den Unionsgerichten hätten. Dieser Schutz würde durch einen Anspruch auf Rechtsschutz gegen Durchführungsrechtsakte gewährleistet, entweder auf Ebene der Union oder auf Ebene der Mitgliedstaaten. Im vorliegenden Fall könne es jedoch gegenüber den Rechtsmittelführern zu keinen Durchführungsrechtsakten kommen, gegen die sie sich auf Ebene der Union oder der Mitgliedstaaten zukünftig gerichtlich zur Wehr setzen könnten, was das Gericht nicht berücksichtigt habe.
36 Folglich habe das Gericht außer Acht gelassen, dass den Rechtsmittelführern durch die Abweisung der Klage als unzulässig das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz genommen werde.
37 Das Parlament und der Rat machen geltend, der zweite Rechtsmittelgrund sei zurückzuweisen.
Würdigung durch den Gerichtshof
38 Wie aus Rn. 47 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, zielt Art. 47 der Charta im Hinblick auf den Schutz, der dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf durch diese Vorschrift gewährt wird, nicht darauf ab, das in den Verträgen vorgesehene Rechtsschutzsystem und insbesondere die Bestimmungen über die Zulässigkeit direkter Klagen bei den Gerichten der Union zu ändern (Urteile vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 97, sowie vom 10. September 2024, KS u. a./Rat u. a., C‑29/22 P und C‑44/22 P, EU:C:2024:725, Rn. 71).
39 Folglich können die Unionsgerichte die Voraussetzungen, unter denen ein Einzelner Klage gegen eine Handlung der Union erheben kann, nicht so auslegen, dass es zu einer Abweichung von diesen, im AEU-Vertrag ausdrücklich vorgesehenen Voraussetzungen kommt, ohne damit ihre Befugnisse zu überschreiten; dies gilt auch im Licht des Grundsatzes eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes (Urteil vom 25. März 2021, Carvalho u. a./Parlament und Rat, C‑565/19 P, EU:C:2021:252, Rn. 69).
40 Da das Gericht in Anbetracht der im Rahmen der Prüfung des ersten Rechtsmittelgrundes dargelegten Entscheidungsgründe rechtsfehlerfrei festgestellt hat, dass den Rechtsmittelführern die Klagebefugnis im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV fehlt, die es ihnen erlaubte, eine Klage beim Gericht zu erheben, können sie nicht vom Gerichtshof verlangen, von diesen ausdrücklich im AEU-Vertrag vorgesehenen Voraussetzungen abzuweichen, und insbesondere nicht, die Voraussetzung zu ändern, wonach der Kläger individuell von der angefochtenen Handlung betroffen sein muss, um einen wirksamen Rechtsbehelf einlegen zu können.
41 Im Übrigen verlangt der durch Art. 47 der Charta gewährte Schutz nicht, dass ein Betroffener uneingeschränkt eine Nichtigkeitsklage gegen einen Gesetzgebungsakt der Union wie die streitige Verordnung, die auf der Grundlage von Art. 192 Abs. 1 AEUV erlassen wurde, unmittelbar vor den Unionsgerichten anstrengen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. März 2021, Carvalho u. a./Parlament und Rat, C‑565/19 P, EU:C:2021:252, Rn. 74 und 77).
42 Daraus folgt, dass, unabhängig von der Frage, ob den Rechtsmittelführern ein Rechtsbehelf nach nationalem Recht zur Verfügung steht, ihr Vorbringen nicht durchgreift, mit dem sie im Wesentlichen erreichen möchten, dass die Voraussetzung, wonach der Kläger von der angefochtenen Handlung individuell betroffen sein muss, auf Kläger ausgedehnt wird, die sich in ihrer Situation befinden.
43 Nach alledem ist der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
44 Da keiner der geltend gemachten Rechtsmittelgründe durchgreift, ist das Rechtsmittel ebenfalls zurückzuweisen.
Kosten
45 Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist.
46 Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
47 Da die Rechtsmittelführer mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen entsprechend den Anträgen des Parlaments und des Rates die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Herr Lorenz Kiene, die Classic Tankstellen GmbH & Co. KG, die eFuel GmbH und die eFuel Projektentwicklung GmbH tragen die Kosten.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. Mai 2025.
Der Kanzler
Der Kammerpräsident
A. Calot Escobar
S. Rodin