C-485/23 P – enercity/ Kommission

C-485/23 P – enercity/ Kommission

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:C:2025:483

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

26. Juni 2025(*)

„ Rechtsmittel – Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Beschluss, mit dem ein Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird – Klage eines Dritten – Zulässigkeit – Art. 263 Abs. 4 AEUV – Klagebefugnis “

In der Rechtssache C‑485/23 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 27. Juli 2023,

enercity AG mit Sitz in Hannover (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt C. Schalast,

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch G. Meessen und I. Zaloguin als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte F. C. Haus und J. Mädler,

Beklagte im ersten Rechtszug,

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch J. Möller und R. Kanitz als Bevollmächtigte,

E.ON SE mit Sitz in Essen (Deutschland), zunächst vertreten durch Rechtsanwälte C. Barth, C. Grave, D.‑J. dos Santos Goncalves und R. Seifert, dann durch Rechtsanwälte C. Barth, A. Fuchs, C. Grave und D.‑J. dos Santos Goncalves,

RWE AG mit Sitz in Essen, zunächst vertreten durch Rechtsanwälte U. Scholz und J. Siegmund sowie Rechtsanwältin J. Ziebarth, dann durch Rechtsanwälte U. Scholz und J. Siegmund sowie Rechtsanwältin M. von Armansperg,

Streithelferinnen im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. L. Arastey Sahún sowie der Richter D. Gratsias, E. Regan, J. Passer (Berichterstatter) und B. Smulders,

Generalanwältin: L. Medina,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund der nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Entscheidung, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die enercity AG die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 17. Mai 2023, enercity/Kommission (T‑321/20, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2023:253), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2019) 1711 final der Kommission vom 26. Februar 2019 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.8871 – RWE/E.ON Assets) (ABl. 2020, C 111, S. 1, im Folgenden: streitiger Beschluss) als unzulässig abgewiesen hat.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 2 bis 14 des angefochtenen Urteils dargestellt worden und lässt sich wie folgt zusammenfassen.

 Kontext des Zusammenschlusses

3        Die RWE AG ist eine Gesellschaft deutschen Rechts, die zum Zeitpunkt der Anmeldung des geplanten Zusammenschlusses auf den verschiedenen Stufen der Energieversorgungskette tätig war, u. a. in den Bereichen Stromerzeugung, ‑übertragung und ‑verteilung, im Stromgroß- und ‑einzelhandel sowie in energiebezogenen Kundenlösungen. RWE und ihre Tochtergesellschaften, darunter die innogy SE, sind in mehreren Mitgliedstaaten tätig.

4        Die E.ON SE ist eine Gesellschaft deutschen Rechts, die zum genannten Zeitpunkt auf den verschiedenen Stufen der Stromversorgungskette, und zwar der Stromerzeugung und ‑verteilung sowie dem Stromgroß‑ und ‑einzelhandel, tätig war. E.ON besitzt und betreibt Stromerzeugungsanlagen in mehreren Mitgliedstaaten.

5        Die Rechtsmittelführerin ist ein regionales Stromversorgungs‑ und ‑erzeugungsunternehmen in Deutschland.

6        Der im vorliegenden Fall in Rede stehende Zusammenschluss fügt sich in den Rahmen eines komplexen Austauschs von Vermögenswerten zwischen RWE und E.ON ein, der von den beiden beteiligten Unternehmen am 11. und 12. März 2018 angekündigt wurde (im Folgenden: Gesamttransaktion). Dabei möchte RWE mit der ersten Transaktion, dem hier in Rede stehenden Zusammenschluss, die alleinige oder gemeinsame Kontrolle über bestimmte Erzeugungsanlagen von E.ON erwerben. Die zweite Transaktion besteht darin, dass E.ON die alleinige Kontrolle über die Sparten Verteilung und Vertrieb sowie bestimmte Erzeugungsanlagen der von RWE kontrollierten Gesellschaft innogy erwirbt. Die dritte Transaktion sieht vor, dass RWE eine Beteiligung in Höhe von 16,67 % an E.ON erwirbt.

7        Die Rechtsmittelführerin übersandte am 24. Juli 2018 ein Schreiben an die Europäische Kommission, in dem sie dieser mitteilte, dass sie an dem die erste und die zweite Transaktion betreffenden Verfahren beteiligt werden und daher die entsprechenden Unterlagen erhalten möchte.

8        Am 3. Oktober 2018 fand eine Besprechung zwischen der Rechtsmittelführerin und der Kommission statt.

9        Die zweite Transaktion (im Folgenden: Zusammenschluss M.8870) wurde am 31. Januar 2019 bei der Kommission angemeldet. Die Kommission erließ den Beschluss C(2019) 6530 final vom 17. September 2019 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.8870 – E.ON/Innogy) (ABl. 2020, C 379, S. 16).

10      Die dritte Transaktion wurde beim Bundeskartellamt (Deutschland) angemeldet, das sie mit Bescheid vom 26. Februar 2019 genehmigte (Sache B8‑28/19).

 Verwaltungsverfahren

11      Am 22. Januar 2019 ging bei der Kommission die Anmeldung eines beabsichtigten Zusammenschlusses nach Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“) (ABl. 2004, L 24, S. 1) ein, mit dem RWE im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung die alleinige oder gemeinsame Kontrolle über bestimmte Erzeugungsanlagen von E.ON erwerben wollte.

12      Am 31. Januar 2019 veröffentlichte die Kommission gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 die vorherige Anmeldung dieses Zusammenschlusses im Amtsblatt der Europäischen Union (Sache M.8871 – RWE/E.ON Assets) (ABl. 2019, C 38, S. 22, im Folgenden: Zusammenschluss M.8871).

13      Im Rahmen ihrer Prüfung des Zusammenschlusses M.8871 führte die Kommission eine Marktbefragung durch und übermittelte daher bestimmten Unternehmen, darunter der Rechtsmittelführerin, einen Fragebogen, den diese am 4. Februar 2019 beantwortete.

14      Mit E‑Mail vom 28. Januar 2019 beantragte die Klägerin beim Anhörungsbeauftragten, ihr die Stellung eines betroffenen Dritten zuzuerkennen, um im Rahmen des den Zusammenschluss M.8871 betreffenden Verfahrens angehört zu werden. Der Anhörungsbeauftragte kam diesem Antrag mit Schreiben vom 7. Februar 2019 nach.

 Streitiger Beschluss

15      Am 26. Februar 2019 erließ die Kommission den streitigen Beschluss, mit dem der Zusammenschluss M.8871 in der Prüfungsphase gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 139/2004 und Art. 57 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wurde.

 Klage vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

16      Mit Klageschrift, die am 27. Mai 2020 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Rechtsmittelführerin Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses.

17      Sie stützte ihre Klage auf sechs Klagegründe, und zwar erstens auf eine Verletzung ihres Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, zweitens auf die Verletzung ihres Rechts auf Anhörung, drittens auf eine fehlerhafte Aufspaltung der Analyse der Gesamttransaktion, viertens auf offensichtliche Beurteilungsfehler, fünftens auf eine Verletzung der Sorgfaltspflicht und sechstens auf einen Missbrauch von Befugnissen.

18      Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht die Klage mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, dass die Rechtsmittelführerin von dem streitigen Beschluss nicht im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV individuell betroffen und folglich nicht klagebefugt sei.

19      Dabei hat das Gericht in den Rn. 28 bis 58 des angefochtenen Urteils den Umfang und die Bedeutung der Beteiligung der Rechtsmittelführerin an dem den Zusammenschluss M.8871 betreffenden Verwaltungsverfahren geprüft und im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorbringen der Rechtsmittelführerin zum Zusammenschluss M.8871 zwar von gewissem Interesse gewesen und von der Kommission berücksichtigt worden sei, aber für die Beurteilung der Auswirkungen dieses Zusammenschlusses auf den relevanten Markt nicht maßgeblich gewesen sei. Daher ist es nach der Zurückweisung einiger von der Rechtsmittelführerin angeführter Gegenargumente zu dem Ergebnis gelangt, dass diese nicht aktiv an dem den Zusammenschluss M.8871 betreffenden Verwaltungsverfahren teilgenommen habe. Da das Gericht auch das Vorliegen besonderer Umstände in Bezug auf die Beeinträchtigung der Marktstellung der Rechtsmittelführerin durch diesen Zusammenschluss verneint hat, hat es entschieden, dass sie von dem streitigen Beschluss nicht im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV individuell betroffen sei.

 Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien des Rechtsmittelverfahrens

20      Mit Rechtsmittelschrift, die am 27. Juli 2023 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat die Rechtsmittelführerin das vorliegende Rechtsmittel eingelegt.

21      Am selben Tag hat die Rechtsmittelführerin, die überdies im Jahr 2021 eine Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2019) 6530 final erhoben hatte (Rechtssache T‑65/21), die am 21. Juli 2023 noch beim Gericht anhängig war, beantragt, die Prüfung des vorliegenden Rechtsmittels bis zur Verkündung des Urteils des Gerichts über diese Nichtigkeitsklage auszusetzen.

22      Mit Beschluss vom 19. September 2023 hat der Präsident des Gerichtshofs nach Anhörung der Parteien zu diesem Aussetzungsantrag sowie zu einer etwaigen Verbindung von neun Rechtsmitteln – darunter das vorliegende Rechtsmittel – in den Rechtssachen C‑464/23 P, C‑465/23 P, C‑466/23 P, C‑467/23 P, C‑468/23 P, C‑469/23 P, C‑470/23 P, C‑484/23 P und C‑485/23 P, die sich gegen die Urteile des Gerichts in den Rechtssachen T‑312/20, T‑313/20, T‑314/20, T‑315/20, T‑317/20, T‑318/20, T‑319/20, T‑320/20 und T‑321/20 richten, den Antrag auf Aussetzung zurückgewiesen und die Verbindung allein der Rechtsmittel in den Rechtssachen C‑464/23 P, C‑465/23 P, C‑467/23 P, C‑468/23 P und C‑470/23 P, die Sachurteile des Gerichts betreffen, angeordnet, unter Ausschluss der vier anderen, gegen Urteile des Gerichts, mit denen die Klagen für unzulässig erklärt wurden, eingelegten Rechtsmittel, zu denen das vorliegende gehört.

23      Die Rechtsmittelführerin beantragt,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben und den streitigen Beschluss für nichtig zu erklären,

–        hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Gericht zurückzuverweisen und

–        der Kommission die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.

24      Die Kommission und die anderen Parteien beantragen,

–        das Rechtsmittel zurückzuweisen und

–        der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

25      Die Rechtsmittelführerin stützt ihr Rechtsmittel auf vier Gründe, mit denen sie eine fehlerhafte Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV (erster Rechtsmittelgrund), einen Verstoß gegen das Gebot der Rechtstreue und der Rechtsstaatlichkeit (zweiter Rechtsmittelgrund), eine fehlerhafte Aufspaltung der Verwaltungsverfahren (dritter Rechtsmittelgrund) und Fehler bei der Berücksichtigung des Investor Relationship Agreement zwischen RWE und E.ON (vierter Rechtsmittelgrund) rügt.

26      Zunächst sind der erste und der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes, dann der zweite Rechtsmittelgrund und schließlich der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zu prüfen.

 Zum ersten und zum dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes, mit dem eine fehlerhafte Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV gerügt wird

 Zum ersten Teil

–       Vorbringen der Parteien

27      Mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es ausschließlich darauf abgestellt habe, inwieweit sie sich am Verwaltungsverfahren beteiligt habe, und in der Folge angenommen habe, dass ihre Beteiligung unwesentlich gewesen sei und dass ihr Beitrag nicht geeignet gewesen sei, den Ausgang dieses Verfahrens zu beeinflussen. Die Unrichtigkeit einer derartigen Wertung seitens des Gerichts werde dadurch bestätigt, dass die Kommission es in der Hand hätte, aufgrund ihrer Bewertung des tatsächlichen Einflusses auf den Ausgang des Verfahrens über die Klagebefugnis zu entscheiden. In Wirklichkeit genüge es, dass der Beitrag des betreffenden Klägers geeignet sein könnte, den Ausgang des Verfahrens zu beeinflussen. Außerdem habe die Kommission, wie die Erwägungsgründe 68 und 69 des streitigen Beschlusses zeigten, ihre Stellungnahme berücksichtigt, so dass sie den Ausgang des Verfahrens beeinflusst habe. Die Auffassung des Gerichts, dass ihr Beitrag nicht ausreiche, habe demnach weder eine rechtliche noch eine tatsächliche Grundlage.

28      Außerdem habe das Gericht außer Acht gelassen, dass ihre Beteiligung an dem den Zusammenschluss M.8871 betreffenden Verfahren zusammen mit ihrer Beteiligung an dem den Zusammenschluss M.8870 betreffenden Verfahren zu prüfen sei.

29      Die Kommission, unterstützt durch E.ON und RWE, tritt dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

30      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 263 Abs. 4 AEUV eine natürliche oder juristische Person nur dann Klage gegen einen an eine andere Person gerichteten Beschluss erheben kann, wenn der Beschluss sie unmittelbar und individuell betrifft.

31      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann eine Person, die nicht Adressat eines Beschlusses ist, nur dann geltend machen, von ihm individuell betroffen zu sein, wenn der Beschluss sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten eines solchen Beschlusses (Urteil vom 14. September 2023, Land Rheinland-Pfalz/Deutsche Lufthansa, C‑466/21 P, EU:C:2023:666, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Wird in einem Beschluss die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt festgestellt, so ist bei der Prüfung der individuellen Betroffenheit eines Drittunternehmens auf ein Bündel übereinstimmender Indizien oder Tatsachen abzustellen, zu denen seine Beteiligung am Verwaltungsverfahren und die Beeinträchtigung seiner Marktstellung gehören können. Wie das Gericht in Rn. 29 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt hat, genügt zwar die bloße Teilnahme am Verwaltungsverfahren allein nicht, um festzustellen, dass der Kläger von dem Beschluss individuell betroffen ist, zumal wenn es sich um Zusammenschlüsse handelt, deren eingehende Prüfung regelmäßige Kontakte mit zahlreichen Unternehmen erfordert, doch ist die aktive Teilnahme an diesem Verfahren ein Faktor, der in der Rechtsprechung zu Wettbewerbsfragen einschließlich des spezielleren Gebiets der Kontrolle von Zusammenschlüssen regelmäßig berücksichtigt wird, um in Verbindung mit anderen spezifischen Umständen über die Zulässigkeit der Klage zu befinden. Außerdem setzt die individuelle Betroffenheit eines an einem Zusammenschluss nicht beteiligten Unternehmens von dem Beschluss, mit dem die Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt festgestellt wird, voraus, dass seine gegenwärtige und künftige Stellung auf einem von diesem Zusammenschluss möglicherweise beeinflussten Markt spürbar beeinträchtigt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. März 1998, Frankreich u. a./Kommission, C‑68/94 und C‑30/95, EU:C:1998:148, Rn. 54 bis 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Die Beurteilung des Gerichts, wonach die Beteiligung der Rechtsmittelführerin am Verwaltungsverfahren zu gering gewesen sei, um als aktiv eingestuft zu werden, ist frei von Rechtsfehlern.

34      Zum einen hat das Gericht nämlich in den Rn. 28 und 29 des angefochtenen Urteils zutreffend auf die einschlägige, oben in den Rn. 31 und 32 angeführte Rechtsprechung hingewiesen.

35      Zum anderen hat es in Rn. 32 des angefochtenen Urteils unwidersprochen festgestellt, dass die von der Rechtsmittelführerin für die Besprechung mit der Kommission am 3. Oktober 2018, bei der es um die Zusammenschlüsse M.8870 und M.8871 gehen sollte, vorbereitete Präsentation nur am Rande auf den Zusammenschluss M.8871 und konkret nur auf den von RWE erlangten Wettbewerbsvorteil bei der Gewährung von Förderungen für die Entwicklung und den Bau neuer Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien bezogen habe. Außerdem sei dem Protokoll der Besprechung zu entnehmen, dass bei ihr im Wesentlichen der Zusammenschluss M.8870 erörtert worden sei.

36      Nachdem das Gericht in den Rn. 31 bis 34 des angefochtenen Urteils die verschiedenen Modalitäten der Beteiligung der Rechtsmittelführerin am Verwaltungsverfahren beschrieben hatte, hat es in Rn. 35 dieses Urteils, ohne dass der Beweis des Gegenteils erbracht worden wäre, festgestellt, dass sich die Stellungnahme der Rechtsmittelführerin zu dem hier allein relevanten Zusammenschluss M.8871 in einer von 20 Seiten ihrer Präsentation erschöpft habe, deren Inhalt in den drei diesen Zusammenschluss betreffenden Punkten des Protokolls der Besprechung vom 3. Oktober 2018 vollumfänglich wiedergegeben worden sei. Es hat hinzugefügt, die Ausführungen der Rechtsmittelführerin in ihrem Schreiben vom 24. Juli 2018 seien allgemein gehalten und zielten in erster Linie darauf ab, ihr Interesse am Verfahren darzutun, um später gegenüber der Kommission ausführlicher und eingehender Stellung nehmen zu können, so dass diese Ausführungen nicht maßgeblich seien.

37      Ferner hat das Gericht in den Rn. 37 und 38 des angefochtenen Urteils in Bezug auf die einzigen Ausführungen der Rechtsmittelführerin zum Zusammenschluss M.8871 auf der genannten Seite ihrer Präsentation festgestellt, dass diese nicht maßgeblich gewesen seien, da sie von der Kommission nur der Vollständigkeit halber geprüft worden seien, nachdem sie bereits zu dem Ergebnis gelangt sei, dass keine ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlusses M.8871 mit dem Binnenmarkt bestünden.

38      Schließlich ist das Gericht in den Rn. 41 bis 48 des angefochtenen Urteils unwidersprochen zu dem Schluss gekommen, dass die Rechtsmittelführerin die Marktbefragung zwar erhalten, aber nicht beantwortet habe, und hat in Rn. 50 des Urteils zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beantwortung eines solchen Fragebogens als solche jedenfalls nicht als ein Faktor angesehen werden kann, der ausreicht, um einen Wirtschaftsteilnehmer zu individualisieren.

39      Soweit die Rechtsmittelführerin geltend macht, das Gericht habe nicht berücksichtigt, dass die Kommission, wie sich aus den Erwägungsgründen 68 und 69 des streitigen Beschlusses ergebe, ihre Stellungnahme im Verwaltungsverfahren berücksichtigt habe, ist festzustellen, dass die Kommission in diesen Erwägungsgründen auf die Bedenken bestimmter am Zusammenschluss nicht beteiligter Dritter eingeht, ohne dass erwiesen wäre, dass die Rechtsmittelführerin zu diesen Dritten gehörte.

40      Ferner leitet die Rechtsmittelführerin zu Unrecht aus den Urteilen vom 3. April 2003, BaByliss/Kommission (T‑114/02, EU:T:2003:100), und vom 4. Juli 2006, easyJet/Kommission (T‑177/04, EU:T:2006:187), ab, dass sie sich über das nach der Rechtsprechung erforderliche Maß hinaus am Verwaltungsverfahren beteiligt habe. In den Rechtssachen, in denen diese Urteile ergangen sind, hatten nämlich die Parteien – anders als es hier der Fall war – detaillierte Stellungnahmen zu dem in Rede stehenden Verfahren abgegeben, Fragen der Kommission beantwortet und an den entsprechenden Diskussionen teilgenommen.

41      Das Vorbringen der Rechtsmittelführerin, nach dem Urteil des Gerichtshofs vom 28. Januar 1986, Cofaz u. a./Kommission (169/84, EU:C:1986:42), sowie dem Urteil des Gerichts vom 21. Oktober 2004, Lenzing/Kommission (T‑36/99, EU:T:2004:312), sei eine aktive Beteiligung am Verwaltungsverfahren schon dann zu bejahen, wenn der Beitrag eines Beteiligten geeignet sein könnte, den Ausgang dieses Verfahrens zu beeinflussen, greift ebenfalls nicht durch. Unabhängig davon, dass eine Beteiligung den Ausgang eines solchen Verfahrens nur dann beeinflussen kann, wenn sie hinreichend relevante und wichtige Informationen beiträgt, was hier nicht der Fall war (siehe oben, Rn. 35), war nämlich in jeder der Rechtssachen, in denen die von der Rechtsmittelführerin angeführten Urteile ergangen sind, die Beteiligung der betreffenden Person für den Ablauf und den Ausgang des Verwaltungsverfahrens entscheidend.

42      Was das Argument angeht, die Beteiligung der Rechtsmittelführerin an dem den Zusammenschluss M.8871 betreffenden Verfahren hätte zusammen mit ihrer Beteiligung an dem den Zusammenschluss M.8870 betreffenden Verfahren beurteilt werden müssen, hat das Gericht zu Recht nur die Beteiligung der Rechtsmittelführerin am erstgenannten Verfahren berücksichtigt, die allein für die Prüfung ihrer Befugnis zur Erhebung einer Klage auf Nichtigerklärung des am Ende dieses Verfahrens erlassenen streitigen Beschlusses relevant ist.

43      Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass das Gericht entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin die Frage ihrer Beteiligung am Verwaltungsverfahren angemessen und eingehend geprüft hat und dass seine Schlussfolgerung, wonach diese Beteiligung keine „aktive“ Beteiligung im Sinne der oben in Rn. 32 angeführten Rechtsprechung darstellte, frei von Rechtsfehlern ist.

44      Unter diesen Umständen ist der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

 Zum dritten Teil

–       Vorbringen der Parteien

45      Mit dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, ihre Klagebefugnis ergebe sich bereits aus der Verletzung von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Die Aufspaltung der Verwaltungsverfahren und die parallele Prüfung der verschiedenen Teile der Gesamttransaktion durch die Kommission und das Bundeskartellamt hätten nämlich zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes der betroffenen Unternehmen geführt.

46      Das Gericht habe sich aber mit dieser Frage nicht auseinandergesetzt und außer Acht gelassen, welchen erheblichen Einfluss die Parteien des Zusammenschlusses sowie die Kommission auf diesen Rechtsschutz nähmen. Gerade wegen der bewussten Aufspaltung der Gesamttransaktion in mehrere Vorgänge, die für sich genommen vermeintlich keine oder nur geringe wettbewerbsrechtliche Bedenken hervorriefen, habe die Gesamttransaktion genehmigt werden können.

47      Die Kommission, unterstützt durch E.ON und RWE, tritt dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

48      Nach ständiger Rechtsprechung sind die in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen zwar im Licht des Grundrechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz auszulegen, doch kann eine solche Auslegung nicht zum Wegfall der im Vertrag ausdrücklich vorgesehenen Voraussetzungen führen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Juli 2002, Unión de Pequeños Agricultores/Rat, C‑50/00 P, EU:C:2002:462, Rn. 44, und vom 1. April 2004, Kommission/Jégo-Quéré, C‑263/02 P, EU:C:2004:210, Rn. 36).

49      Die Rechtsmittelführerin leitet daher zu Unrecht aus der Rüge einer Verletzung von Art. 47 der Charta der Grundrechte ab, dass das Gericht ihre Klagebefugnis hätte bejahen müssen.

50      Soweit die Rechtsmittelführerin ferner geltend macht, dass ihre Beteiligung an den Verfahren betreffend die Zusammenschlüsse M.8870 und M.8871 bei einer Gesamtbetrachtung ausgereicht hätte, um ihre Klagebefugnis nach Art. 263 Abs. 4 AEUV zu bejahen, ist festzustellen, dass sie insoweit nichts vorträgt, was einen Rechtsfehler des Gerichts bei der Auslegung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen belegen könnte. Mit ihrem Vorbringen wendet sich die Rechtsmittelführerin nämlich in Wirklichkeit nicht gegen bestimmte Randnummern des angefochtenen Urteils, sondern gegen die von der Kommission in der Sache getroffene Entscheidung, jeden der beiden Zusammenschlüsse individuell zu genehmigen. Das Vorbringen ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

51      Unter diesen Umständen ist der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Rechtsmittelgrund, mit dem ein Verstoß gegen das Gebot der Rechtstreue und der Rechtsstaatlichkeit gerügt wird

 Zum ersten Teil

–       Vorbringen der Parteien

52      Mit dem ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe nicht berücksichtigt, dass sie auf das Schreiben des Anhörungsbeauftragten vom 7. Februar 2019 vertraut habe, in dem ihr u. a. mitgeteilt worden sei, dass ihr eine Frist zur schriftlichen Äußerung gesetzt werde, und deshalb in den 19 Tagen vor dem Erlass des streitigen Beschlusses keine weiteren aktiven Beteiligungsmaßnahmen ergriffen habe. Ohne dieses Schreiben hätte sie noch weiter vorgetragen, wie sie bereits in ihrer E‑Mail vom 28. Januar 2019 angekündigt habe.

53      Das Gericht habe zwar festgestellt, dass die Kommission trotz dieser Zusage keine Frist zur schriftlichen Äußerung zum Zusammenschluss M.8871 gesetzt habe. Es habe diesen Umstand jedoch nicht berücksichtigt, sondern ihr ein widersprüchliches Verhalten zur Last gelegt, weil sie einerseits eine aktive Beteiligung behauptet und andererseits erklärt habe, im Vertrauen auf den Anhörungsbeauftragten weiteres Vorbringen unterlassen zu haben. Diese Auffassung lasse den Grundsatz des Vertrauensschutzes außer Acht. Da nur ihr berechtigtes Vertrauen auf den Anhörungsbeauftragten dazu geführt habe, dass sie sich nicht in einem Maß beteiligt habe, das das Gericht für ausreichend erachtet hätte, sei ihre Klagebefugnis bereits aus diesem Grund zu bejahen, zumal der Anhörungsbeauftragte ihr die Stellung eines betroffenen Dritten zuerkannt und damit einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe.

54      Die Kommission, unterstützt durch E.ON und RWE, tritt dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

55      Die Rechtsmittelführerin wirft dem Gericht vor, nicht erkannt zu haben, dass das Schreiben des Anhörungsbeauftragten vom 7. Februar 2019 bei ihr berechtigtes Vertrauen darauf hervorgerufen habe, dass ihr später eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt werde, und dass die Kommission dieses Vertrauen verletzt habe.

56      Insoweit hat das Gericht in Rn. 53 des angefochtenen Urteils ausgeführt, die Rechtsmittelführerin habe in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die Kommission ihr entgegen der Ankündigung in der Entscheidung des Anhörungsbeauftragten vom 7. Februar 2019 keine Frist zur schriftlichen Äußerung zum Zusammenschluss M.8871 gesetzt habe. In Rn. 54 hat das Gericht dieses Vorbringen geprüft, dabei u. a. festgestellt, dass sie diesen Umstand zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung gerügt hatte, und das Vorbringen deshalb als offensichtlich unzulässig zurückgewiesen.

57      Mit ihrem vor dem Gerichtshof erhobenen Vorwurf, das Gericht habe ihr entsprechendes Vorbringen nicht inhaltlich geprüft, beschränkt sich die Rechtsmittelführerin jedoch in Wirklichkeit darauf, dieses Vorbringen im Wesentlichen zu wiederholen, ohne darzutun, inwiefern das Gericht mit der Feststellung der offensichtlichen Unzulässigkeit ihres erstinstanzlichen Vorbringens einen Rechtsfehler begangen haben soll.

58      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs darf sich ein Rechtsmittel aber nicht darauf beschränken, die bereits vor dem Gericht geltend gemachten Klagegründe und Argumente zu wiederholen, ohne Argumente vorzutragen, um zu belegen, dass dem Gericht ein Rechtsfehler unterlaufen ist (Urteil vom 2. April 2009, France Télécom/Kommission, C‑202/07 P, EU:C:2009:214, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Der erste Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil

–       Vorbringen der Parteien

60      Mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes wirft die Rechtsmittelführerin die Frage auf, ob die Klagebefugnis nicht an nachprüfbaren objektiven Kriterien orientiert sein sollte. Dabei sei es angebracht, die Rechtslage in dem besonders betroffenen Mitgliedstaat, der Bundesrepublik Deutschland, zu untersuchen. Dort habe der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 7. November 2006 entschieden, dass die Klagebefugnis vorliege, wenn die betreffende Person die subjektiven Voraussetzungen für die Beteiligung am Verwaltungsverfahren erfülle, unabhängig davon, ob sie tatsächlich beteiligt gewesen sei oder ob ihr Antrag allein aus Gründen der Verfahrensökonomie abgelehnt worden sei. Der Bundesgerichtshof habe klargestellt, dass eine Ungleichbehandlung beim gerichtlichen Rechtsschutz vorliegen würde, wenn die zuständige Behörde unter mehreren Antragstellern ein Unternehmen auswähle und die Anträge anderer Unternehmen, die ebenfalls geltend machen könnten, durch die erwartete Entscheidung in ihren wirtschaftlichen Interessen erheblich berührt zu werden, ablehne.

61      Im vorliegenden Fall gelte nichts anderes. Sollte das angefochtene Urteil bestätigt werden, könnte die Kommission den Betroffenen künftig je nach den von ihr eingeräumten Beteiligungsmöglichkeiten am Verwaltungsverfahren die Einlegung eines Rechtsbehelfs gestatten oder versagen.

62      Die Kommission, unterstützt durch E.ON und RWE, tritt dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

63      Mit dem vorliegenden Teil beschränkt sich die Rechtsmittelführerin auf allgemeine Erwägungen, die keine bestimmte Randnummer des angefochtenen Urteils betreffen. Er entspricht daher nicht den Anforderungen von Art. 169 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs und ist unzulässig.

64      Der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes und damit der zweite Rechtsmittelgrund insgesamt sind mithin zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes, mit dem eine fehlerhafte Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV gerügt wird

 Vorbringen der Parteien

65      Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe außer Acht gelassen, dass sie andere spezifische Umstände als die Beteiligung am Verfahren geltend gemacht habe, so dass das angefochtene Urteil mit einem Rechtsfehler behaftet sei.

66      Einer dieser spezifischen Umstände sei die Beeinträchtigung ihrer Marktstellung, denn sie sei eine der Hauptkonkurrentinnen von RWE und E.ON in ihrem Marktsegment. Zudem habe das Gericht in der Rechtssache, in der das Urteil vom 4. Juli 2006, easyJet/Kommission (T‑177/04, EU:T:2006:187), ergangen sei, das Vorliegen einer individuellen Betroffenheit gerade aufgrund einer solchen Konkurrenzsituation und der daraus resultierenden Beeinträchtigung der Marktstellung bejaht. Sie sei der größte Energiedienstleister in der Region Hannover (Deutschland) und Umgebung und gehöre zu den größten Ökostromanbietern in Deutschland. Überdies sei ihre Stromerzeugung fast zehnmal so groß wie die des Unternehmens, das in der Rechtssache T‑312/20 Klage gegen den streitigen Beschluss erhoben habe und bei dem das Gericht eine individuelle Beeinträchtigung seiner Marktstellung bejaht habe. Dies zeige, dass allein die Beeinträchtigung ihrer Marktstellung für den Nachweis ihrer individuellen Betroffenheit ausreiche.

67      Schließlich habe der Gerichtshof anerkannt, dass individualisierende Umstände insbesondere dann vorlägen, wenn Zahl und Zusammensetzung des Kreises der Betroffenen zum Zeitpunkt der fraglichen Entscheidung feststünden.  Im vorliegenden Fall erfülle die Rechtsmittelführerin diese Voraussetzung. Wie sie bereits vor dem Gericht geltend gemacht habe, gebe es mehrere Umstände, die sie aus dem Kreis der übrigen Personen heraushöben und in ähnlicher Weise wie den Adressaten individualisierten. Zu diesen Umständen gehöre, dass ihr in dem den Zusammenschluss M.8871 betreffenden Verfahren die Stellung eines betroffenen Dritten zuerkannt worden sei. Das Gericht habe aber nicht berücksichtigt, dass nach ihrer Kenntnis nur 18 Unternehmen in diesem Zusammenhang eine solche Stellung erlangt hätten.

68      Die Kommission, unterstützt durch E.ON und RWE, tritt dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

69      Mit ihrem Vorbringen im Rahmen des vorliegenden Teils macht die Rechtsmittelführerin in Wirklichkeit einen Verstoß des Gerichts gegen die Begründungspflicht in Bezug auf ihre Klagebefugnis geltend.

70      Nach ständiger Rechtsprechung müssen aus der Begründung eines Urteils die Überlegungen des Gerichts klar und eindeutig hervorgehen (Urteil vom 11. Juni 2015, EMA/Kommission, C‑100/14 P, EU:C:2015:382, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung), während die dem Gericht nach Art. 36 und Art. 53 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union obliegende Begründungspflicht nicht bedeutet, dass es bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend behandeln müsste. Die Begründung kann daher zwar implizit erfolgen, doch muss sie es den Betroffenen ermöglichen, die Gründe zu erkennen, aus denen das Gericht ihrer Argumentation nicht gefolgt ist, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefern, damit er seine Kontrolle im Rahmen eines Rechtsmittels ausüben kann (Urteil vom 18. Juni 2020, Primart/EUIPO, C‑702/18 P, EU:C:2020:489, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht ferner zum einen hervor, dass sich im Rechtsmittelverfahren die Kontrolle durch den Gerichtshof insbesondere darauf richtet, zu prüfen, ob das Gericht auf alle vom Kläger vorgebrachten Argumente rechtlich hinreichend eingegangen ist, und zum anderen, dass mit einem Rechtsmittelgrund, mit dem geltend gemacht wird, das Gericht sei auf im ersten Rechtszug vorgebrachte Argumente nicht eingegangen, im Wesentlichen ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gerügt wird (Urteil vom 14. September 2023, Land Rheinland-Pfalz/Deutsche Lufthansa, C‑466/21 P, EU:C:2023:666, Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Im vorliegenden Fall hat das Gericht zunächst in Rn. 29 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass bei der Prüfung, ob ein Drittunternehmen von einem Beschluss, mit dem die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt festgestellt werde, individuell betroffen sei, zum einen darauf abzustellen sei, ob es am Verwaltungsverfahren beteiligt gewesen sei, und zum anderen darauf, ob seine Marktstellung beeinträchtigt sei. Die bloße Teilnahme am Verfahren genüge zwar allein nicht, um festzustellen, dass der Kläger von der Entscheidung individuell betroffen sei, zumal wenn es sich um Zusammenschlüsse handele, deren eingehende Prüfung regelmäßige Kontakte mit zahlreichen Unternehmen erfordere, doch sei die aktive Teilnahme am Verwaltungsverfahren ein Faktor, den die Rechtsprechung bei Wettbewerbsfragen einschließlich des spezielleren Gebiets der Kontrolle von Zusammenschlüssen regelmäßig berücksichtige, um in Verbindung mit anderen spezifischen Umständen die Zulässigkeit der Klage festzustellen.

73      Sodann hat das Gericht in den Rn. 30 bis 56 des angefochtenen Urteils geprüft, ob davon ausgegangen werden könne, dass sich die Rechtsmittelführerin aktiv an dem den Zusammenschluss M.8871 betreffenden Verfahren beteiligt habe, und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass sie sich nicht aktiv an diesem Verfahren beteiligt habe.

74      Schließlich hat das Gericht in Rn. 57 des angefochtenen Urteils ausgeführt, da sich die Rechtsmittelführerin nicht aktiv an dem genannten Verfahren beteiligt habe, sei unter Berücksichtigung dessen, dass in Bezug auf die Beeinträchtigung ihrer Marktstellung keine besonderen Umstände vorlägen, festzustellen, dass sie vom streitigen Beschluss nicht individuell betroffen sei.

75      Wie die Rechtsmittelführerin zur Stützung ihres Rechtsmittels vorträgt, hatte sie aber in ihrer Klageschrift eine Reihe von Gesichtspunkten zu der nach ihren Angaben spürbaren Beeinträchtigung ihrer Marktstellung infolge des Zusammenschlusses M.8871 angeführt, die ihres Erachtens belegten, dass der streitige Beschluss sie im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV individuell betrifft.

76      Da sich das Gericht somit auf die Feststellung beschränkt hat, dass in Bezug auf die Beeinträchtigung der Marktstellung der Rechtsmittelführerin keine besonderen Umstände vorlägen, hat es keinen – sei es auch nur knappen – Begründungsansatz geliefert, anhand dessen zum einen die Rechtsmittelführerin nachvollziehen konnte, ob ihr Vorbringen, dass ihre Marktstellung spürbar beeinträchtigt worden sei, geprüft wurde und, wenn ja, aus welchen Gründen es als ungeeignet angesehen wurde, den Nachweis einer solchen Beeinträchtigung zu erbringen, und der zum anderen dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrolle ausüben kann, wie es die oben in Rn. 70 angeführte Rechtsprechung verlangt.

77      Unter diesen Umständen hat das Gericht gegen die ihm nach Art. 36 und Art. 53 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union obliegende Begründungspflicht verstoßen.

78      Mithin ist dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes stattzugeben.

79      Infolgedessen ist das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das Gericht in dessen Rn. 57 festgestellt hat, dass in Bezug auf die Beeinträchtigung der Marktstellung der Rechtsmittelführerin keine besonderen Umstände vorlägen, und u. a. aus diesem Umstand in Rn. 58 geschlossen hat, dass die Klage mangels individueller Betroffenheit der Rechtsmittelführerin vom streitigen Beschluss als unzulässig abzuweisen sei.

 Zur Klage vor dem Gericht

80      Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof im Fall der Aufhebung der Entscheidung des Gerichts den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist.

81      Dies ist hier der Fall.

82      Zur Beurteilung der Klagebefugnis der Rechtsmittelführerin ist darauf hinzuweisen, dass die individuelle Betroffenheit eines an einem Zusammenschluss nicht beteiligten Unternehmens von dem Beschluss, mit dem die Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt festgestellt wird, voraussetzt, dass seine gegenwärtige und künftige Stellung auf einem von diesem Zusammenschluss möglicherweise beeinflussten Markt spürbar beeinträchtigt werden kann (siehe oben, Rn. 32). Insoweit kann ein Unternehmen jedenfalls nicht schon dann als durch eine Handlung wie den streitigen Beschluss individuell betroffen angesehen werden, wenn diese Handlung geeignet ist, die auf dem relevanten Markt bestehenden Wettbewerbsverhältnisse in gewissem Maß zu beeinflussen, und das betreffende Unternehmen in einer irgendwie gearteten Wettbewerbsbeziehung zu dem durch die Handlung Begünstigten steht (vgl. entsprechend Urteil vom 22. November 2007, Spanien/Lenzing, C‑525/04 P, EU:C:2007:698, Rn. 32).

83      Die von der Rechtsmittelführerin in ihrer Klageschrift angeführten Gegebenheiten bestehen jedoch, soweit sie ihre eigene Marktstellung betreffen, im Wesentlichen in Angaben zu ihrem Umsatz im Verhältnis zu dem anderer Energieerzeuger in Deutschland, zu ihrer quantitativen Bedeutung als regionaler Stromversorger, zur Zahl ihrer Beschäftigten sowie zu bestimmten Tätigkeiten, die sie als Konkurrentin der Parteien des Zusammenschlusses M.8871 ausübt, ohne dass sie dartut, inwiefern diese Gegebenheiten und Tätigkeiten, ob als Wettbewerber oder Investor, geeignet sind, sie in ähnlicher Weise zu individualisieren wie die Adressaten des streitigen Beschlusses. Derartige Gegebenheiten und Tätigkeiten können nämlich auch bei jedem anderen Energieerzeuger in Deutschland vorliegen, so dass sich die Rechtsmittelführerin dadurch nicht in singulärer Weise von den übrigen Wettbewerbern auf dem Markt unterscheidet.

84      Das Gleiche gilt für das übrige Vorbringen der Rechtsmittelführerin in ihrer Klageschrift zur Stärkung der Rolle von RWE, wobei die in Bezug auf E.ON angeführten Gegebenheiten unerheblich sind, da es sich bei dem hier in Rede stehenden Zusammenschluss um den Zusammenschluss M.8871 handelt und nicht um den oben in Rn. 9 erwähnten Zusammenschluss M.8870.

85      Somit hat die Rechtsmittelführerin nicht nachgewiesen, dass ihre Marktstellung durch den betreffenden Zusammenschluss spürbar beeinträchtigt wird. Überdies kann, wie oben in Rn. 32 dargelegt, selbst eine aktive Beteiligung an dem einen Zusammenschluss betreffenden Verwaltungsverfahren – die zudem hier nicht erwiesen ist (siehe oben, Rn. 43) – nicht als ausreichender Nachweis dafür angesehen werden, dass ein Unternehmen von einem Beschluss, mit dem der Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird, im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV individuell betroffen ist.

86      Folglich hat die Rechtsmittelführerin nicht dargetan, dass sie von dem streitigen Beschluss im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV individuell betroffen ist. Da die in dieser Bestimmung vorgesehenen Voraussetzungen der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit beide vorliegen müssen (siehe oben, Rn. 30), ist ihre Nichtigkeitsklage als unzulässig abzuweisen.

87      Unter diesen Umständen ist über den dritten und den vierten Rechtsmittelgrund, mit denen aufgrund der falschen Prämisse, dass die Klage zulässig sei, Sachargumente vorgebracht werden, nicht zu entscheiden.

 Kosten

88      Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit endgültig entscheidet. Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, jede Partei ihre eigenen Kosten.

89      Da im vorliegenden Fall dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes der Rechtsmittelführerin stattgegeben und ihre Nichtigkeitsklage abgewiesen worden ist, ist zu entscheiden, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt.

90      Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der ebenfalls auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Bundesrepublik Deutschland trägt daher ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 17. Mai 2023, enercity/Kommission (T321/20, EU:T:2023:253), wird aufgehoben.

2.      Die auf die Nichtigerklärung des Beschlusses C(2019) 1711 final der Kommission vom 26. Februar 2019 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.8871 – RWE/E.ON Assets) gerichtete Klage der enercity AG wird als unzulässig abgewiesen.

3.      Die enercity AG, die E.ON SE, die RWE AG und die Europäische Kommission tragen ihre eigenen durch das Verfahren im ersten Rechtszug und das Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten.

4.      Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten.

Arastey Sahún

Gratsias

Regan

Passer

 

Smulders

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. Juni 2025.

Der Kanzler

 

Die Kammerpräsidentin

A. Calot Escobar

 

M. L. Arastey Sahún



Leave a Comment

Schreibe einen Kommentar