C-386/23 – Novel Nutriology

C-386/23 – Novel Nutriology

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Language of document : ECLI:EU:C:2024:897

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ATHANASIOS RANTOS

vom 17. Oktober 2024(1)

Rechtssache C386/23

Novel Nutriology GmbH

gegen

Verband Sozialer Wettbewerb e. V.

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs [Deutschland])

„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 – Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel – Art. 10 Abs. 1 und 3 – Spezielle Bedingungen für gesundheitsbezogene Angaben – Art. 28 Abs. 5 und 6 – Übergangsmaßnahmen – Werbung für ,Botanicals‘ mit gesundheitsbezogenen Angaben – Andauerndes Fehlen der Bewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und der Prüfung der Europäischen Kommission hinsichtlich der Aufnahme der gesundheitsbezogenen Angaben über ,Botanicals‘ in die Listen gemäß den Art. 13 und 14 – Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 1924/2006 “

I.      Einleitung

1.        Gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006(2) über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, die u. a. nicht in die Listen der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 oder 14 dieser Verordnung aufgenommen sind. Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden sind nur zulässig, wenn ihnen eine in einer dieser Listen enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist (Art. 10 Abs. 3 dieser Verordnung).

2.        Sind zu Werbezwecken verwendete gesundheitsbezogene Angaben über Botanicals nach Art. 10 Abs. 1 und 3 dieser Verordnung zulässig, wenn die Europäische Kommission noch nicht über die Aufnahme solcher Angaben in die Listen gemäß den Art. 13 und 14 der Verordnung befunden hat? Das ist im Kern die neue, vom Bundesgerichtshof (Deutschland) gestellte Frage.

3.        Das Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Verband Sozialer Wettbewerb e. V. (im Folgenden: VSW), einem deutschen Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, und der Novel Nutriology GmbH, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung deutschen Rechts, die auf Unterlassung der Verwendung gesundheitsbezogener Angaben über Botanicals in Anspruch genommen wird, mit denen auf der Internetseite dieses Unternehmens ein Nahrungsergänzungsmittel beworben wird.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Verordnung Nr. 1924/2006

4.        In den Erwägungsgründen 9, 14, 16, 17, 23 und 35 der Verordnung Nr. 1924/2006 heißt es:

„(9)      Es gibt eine Vielzahl von Nährstoffen und anderen Substanzen – unter anderem Vitamine, Mineralstoffe einschließlich Spurenelementen, Aminosäuren, essenzielle Fettsäuren, Ballaststoffe, verschiedene Pflanzen- und Kräuterextrakte und andere – mit ernährungsbezogener oder physiologischer Wirkung, die in Lebensmitteln vorhanden und Gegenstand entsprechender Angaben sein können. Daher sollten allgemeine Grundsätze für alle Angaben über Lebensmittel festgesetzt werden, um ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, dem Verbraucher die notwendigen Informationen für eine sachkundige Entscheidung zu liefern und gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Lebensmittelindustrie zu schaffen.

(14)      Es gibt eine Vielzahl von Angaben, die derzeit bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln und der Werbung hierfür in manchen Mitgliedstaaten gemacht werden und sich auf Stoffe beziehen, deren positive Wirkung nicht nachgewiesen wurde bzw. zu denen derzeit noch keine ausreichende Einigkeit in der Wissenschaft besteht. Es muss sichergestellt werden, dass für Stoffe, auf die sich eine Angabe bezieht, der Nachweis einer positiven ernährungsbezogenen Wirkung oder physiologischen Wirkung erbracht wird.

(16)      Es ist wichtig, dass Angaben über Lebensmittel vom Verbraucher verstanden werden können und es ist angezeigt, alle Verbraucher vor irreführenden Angaben zu schützen. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat es allerdings in seiner Rechtsprechung in Fällen im Zusammenhang mit Werbung seit dem Erlass der Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 über irreführende und vergleichende Werbung[(3)] für erforderlich gehalten, die Auswirkungen auf einen fiktiven typischen Verbraucher zu prüfen. Entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und im Interesse der wirksamen Anwendung der darin vorgesehenen Schutzmaßnahmen nimmt diese Verordnung den normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren nach der Auslegung des Gerichtshofs als Maßstab, zielt mit ihren Bestimmungen jedoch darauf ab, die Ausnutzung von Verbrauchern zu vermeiden, die aufgrund bestimmter Charakteristika besonders anfällig für irreführende Angaben sind. …

(17)      Eine wissenschaftliche Absicherung sollte der Hauptaspekt sein, der bei der Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben berücksichtigt wird, und die Lebensmittelunternehmer, die derartige Angaben verwenden, sollten diese auch begründen. Eine Angabe sollte wissenschaftlich abgesichert sein, wobei alle verfügbaren wissenschaftlichen Daten berücksichtigt und die Nachweise abgewogen werden sollten.

(23)      Gesundheitsbezogene Angaben sollten für die Verwendung in der Gemeinschaft nur nach einer wissenschaftlichen Bewertung auf höchstmöglichem Niveau zugelassen werden. Damit eine einheitliche wissenschaftliche Bewertung dieser Angaben gewährleistet ist, sollte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit [EFSA] solche Bewertungen vornehmen. Der Antragsteller sollte auf Antrag Zugang zu seinem Dossier erhalten, um sich über den jeweiligen Stand des Verfahrens zu informieren.

(35)      Es sind angemessene Übergangsmaßnahmen erforderlich, damit sich die Lebensmittelunternehmer an die Bestimmungen dieser Verordnung anpassen können.“

5.        Kapitel I („Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen“) dieser Verordnung umfasst deren Art. 1 und 2. Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) Abs. 1 und 2 bestimmt:

„(1)      Mit dieser Verordnung werden die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben harmonisiert, um das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten und gleichzeitig ein hohes Verbraucherschutzniveau zu bieten.

(2)      Diese Verordnung gilt für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, die in kommerziellen Mitteilungen bei der Kennzeichnung und Aufmachung von oder bei der Werbung für Lebensmittel gemacht werden, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen.

…“

6.        In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) dieser Verordnung heißt es:

„(1)      Für die Zwecke dieser Verordnung

b)      gilt für ,Nahrungsergänzungsmittel‘ die Begriffsbestimmung der Richtlinie 2002/46/EG[(4)];

(2)      Ferner bezeichnet der Ausdruck

5.      ,gesundheitsbezogene Angabe‘ jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht;

…“

7.        Kapitel II („Allgemeine Grundsätze“) der Verordnung Nr. 1924/2006 enthält deren Art. 3 bis 7. Art. 3 („Allgemeine Grundsätze für alle Angaben“) bestimmt:

„Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben dürfen bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln, die in der Gemeinschaft in Verkehr gebracht werden, bzw. bei der Werbung hierfür nur verwendet werden, wenn sie der vorliegenden Verordnung entsprechen.

Unbeschadet der Richtlinien 2000/13/EG[(5)] und [84/450] dürfen die verwendeten nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben

a)      nicht falsch, mehrdeutig oder irreführend sein;

…“

8.        Art. 6 („Wissenschaftliche Absicherung von Angaben“) Abs. 1 und 2 dieser Verordnung bestimmt:

„(1)      Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben müssen sich auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen und durch diese abgesichert sein.

(2)      Ein Lebensmittelunternehmer, der eine nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe macht, muss die Verwendung dieser Angabe begründen.“

9.        Kapitel IV („Gesundheitsbezogene Angaben“) der Verordnung Nr. 1924/2006 umfasst deren Art. 10 bis 19. Art. 10 („Spezielle Bedingungen“) Abs. 1 bis 3 der Verordnung lautet:

„(1)      Gesundheitsbezogene Angaben sind verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen im vorliegenden Kapitel entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 aufgenommen sind.

(2)      Gesundheitsbezogene Angaben dürfen nur gemacht werden, wenn die Kennzeichnung oder, falls diese Kennzeichnung fehlt, die Aufmachung der Lebensmittel und die Lebensmittelwerbung folgende Informationen tragen:

a)      einen Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise,

b)      Informationen zur Menge des Lebensmittels und zum Verzehrmuster, die erforderlich sind, um die behauptete positive Wirkung zu erzielen,

c)      gegebenenfalls einen Hinweis an Personen, die es vermeiden sollten, dieses Lebensmittel zu verzehren, und

d)      einen geeigneten Warnhinweis bei Produkten, die bei übermäßigem Verzehr eine Gesundheitsgefahr darstellen könnten.

(3)      Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden sind nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist.“

10.      Art. 13 („Andere gesundheitsbezogene Angaben als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern“) Abs. 1 bis 3 dieser Verordnung sieht vor:

„(1)      In der in Absatz 3 vorgesehenen Liste genannte gesundheitsbezogene Angaben, die

a)      die Bedeutung eines Nährstoffs oder einer anderen Substanz für Wachstum, Entwicklung und Körperfunktionen,

b)      die psychischen Funktionen oder Verhaltensfunktionen oder

beschreiben oder darauf verweisen, dürfen gemacht werden, ohne den Verfahren der Artikel 15 bis 19 zu unterliegen, wenn sie

i)      sich auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen und

ii)      vom durchschnittlichen Verbraucher richtig verstanden werden.

(2)      Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission spätestens am 31. Januar 2008 Listen von Angaben gemäß Absatz 1 zusammen mit den für sie geltenden Bedingungen und mit Hinweisen auf die entsprechende wissenschaftliche Absicherung.

(3)      Nach Anhörung der [EFSA] verabschiedet die Kommission nach dem in Artikel 25 Absatz 3 genannten Regelungsverfahren mit Kontrolle spätestens am 31. Januar 2010 als Änderung nicht wesentlicher Bestimmungen dieser Verordnung durch Ergänzung eine Gemeinschaftsliste zulässiger Angaben gemäß Absatz 1 sowie alle für die Verwendung dieser Angaben notwendigen Bedingungen.“

11.      Kapitel V („Allgemeine und Schlussbestimmungen“) der Verordnung Nr. 1924/2006 enthält deren Art. 20 bis 29. Art. 28 („Übergangsmaßnahmen“) Abs. 5 und 6 bestimmt:

„(5)      Gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Artikels 13 Absatz 1 Buchstabe a dürfen ab Inkrafttreten dieser Verordnung bis zur Annahme der in Artikel 13 Absatz 3 genannten Liste unter der Verantwortung von Lebensmittelunternehmern verwendet werden, sofern die Angaben dieser Verordnung und den einschlägigen einzelstaatlichen Vorschriften entsprechen; dies gilt unbeschadet der Annahme von Schutzmaßnahmen gemäß Artikel 24.

(6)      Für gesundheitsbezogene Angaben, die nicht unter Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe a und Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a fallen und unter Beachtung der nationalen Rechtsvorschriften vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung verwendet wurden, gilt Folgendes:

a)      Gesundheitsbezogene Angaben, die in einem Mitgliedstaat einer Bewertung unterzogen und zugelassen wurden, werden nach folgendem Verfahren zugelassen:

i)      Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission spätestens bis zum 31. Januar 2008 die betreffenden Angaben sowie den Bericht mit der Bewertung der zur Absicherung der Angaben vorgelegten wissenschaftlichen Daten;

ii)      nach Anhörung der [EFSA] fasst die Kommission nach dem in Artikel 25 Absatz 3 genannten Regelungsverfahren mit Kontrolle einen Beschluss über die gesundheitsbezogenen Angaben, die auf diese Weise zugelassen wurden, zur Änderung nicht wesentlicher Bestimmungen dieser Verordnung durch Ergänzung.

Gesundheitsbezogene Angaben, die nicht nach diesem Verfahren zugelassen wurden, dürfen bis zu sechs Monate nach Erlass des Beschlusses weiter verwendet werden.

b)      Gesundheitsbezogene Angaben, die keiner Bewertung in einem Mitgliedstaat unterzogen und nicht zugelassen wurden, dürfen weiterhin verwendet werden, sofern vor dem 19. Januar 2008 ein Antrag nach dieser Verordnung gestellt wird; gesundheitsbezogene Angaben, die nicht nach diesem Verfahren zugelassen wurden, dürfen bis zu sechs Monate nach einer Entscheidung im Sinne des Artikels 17 Absatz 3 weiter verwendet werden.“

2.      Verordnung (EU) Nr. 432/2012

12.      Die Erwägungsgründe 10 und 11 der Verordnung (EU) Nr. 432/2012(6) lauten:

„(10)      Aus den zur Bewertung vorgelegten Angaben hat die Kommission eine Reihe von Angaben ermittelt, die sich auf die Wirkung pflanzlicher Stoffe beziehen und die gemeinhin als ,Botanicals‘ bezeichnet werden; diese müssen von der [EFSA] erst noch wissenschaftlich bewertet werden. Bestimmte andere gesundheitsbezogene Angaben müssen ferner erneut bewertet werden, bevor die Kommission über ihre Aufnahme in die Liste zulässiger Angaben befinden kann, bzw. über andere bereits bewertete Angaben kann die Kommission aus anderen gerechtfertigten Gründen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend befinden.

(11)      Angaben, deren Bewertung durch die [EFSA] oder deren Prüfung durch die Kommission noch nicht abgeschlossen ist, werden auf der Kommissions-Website … veröffentlicht und dürfen gemäß Artikel 28 Absätze 5 und 6 der Verordnung … Nr. 1924/2006 weiter verwendet werden.“

3.      Verordnung (EU) Nr. 536/2013

13.      Die Erwägungsgründe 4, 5 und 9 der Verordnung (EU) Nr. 536/2013(7) lauten:

„(4)      Die Kommission hat ihre Prüfung aller gesundheitsbezogenen Angaben, die zur Bewertung vorlagen, abgeschlossen, mit Ausnahme von vier Kategorien von Angaben zu spezifischen Gruppen von Lebensmitteln oder zu einem der Lebensmittelbestandteile. Diese Kategorien umfassen Angaben zu pflanzlichen Stoffen, die gemeinhin als ,Botanicals‘ bezeichnet werden, und Angaben zu spezifischen Lebensmitteln, insbesondere zu Lebensmitteln für eine sehr kalorienarme Ernährung und Lebensmitteln mit reduziertem Lactosegehalt, Angaben zu Koffein und eine Angabe zu Kohlenhydraten.

(5)      In Bezug auf Botanicals äußerten Mitgliedstaaten und betroffene Verkehrskreise Bedenken hinsichtlich des Unterschieds bei der Berücksichtigung von Daten aufgrund der ,traditionellen Verwendung‘ gemäß der Verordnung … Nr. 1924/2006 in Bezug auf gesundheitsbezogene Angaben einerseits und gemäß der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel[(8)] in Bezug auf die Verwendung traditioneller Kräuterheilmittel andererseits. Da die Kommission diese Bedenken für relevant und eine weitere Prüfung und Konsultation für erforderlich hält, sollte über Angaben zu Botanicals … erst dann ein Beschluss gefasst werden, wenn diese Schritte abgeschlossen sind.

(9)      Damit Transparenz und Rechtssicherheit für alle Beteiligten gewährleistet sind, bleiben Angaben, deren Prüfung noch nicht abgeschlossen ist, weiterhin auf der Website der Kommission veröffentlicht … und dürfen gemäß Artikel 28 Absätze 5 und 6 der Verordnung … Nr. 1924/2006 weiter verwendet werden.“

B.      Deutsches Recht

14.      § 3 („Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen“) des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004(9) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: UWG) bestimmt:

„(1)      Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

(2)      Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.

…“

15.      § 3a („Rechtsbruch“) UWG lautet:

„Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.“

III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof

16.      Novel Nutriology vertreibt das Nahrungsergänzungsmittel „o’gaenics Adapto-Genie ANTI-STRESS-KOMPLEX“ (im Folgenden: betroffenes Produkt). Sie warb für dieses Produkt auf ihrer Internetseite mit folgenden Aussagen zu den Inhaltsstoffen „Safran-Extrakt“ und „Melonensaft-Extrakt“ (im Folgenden: in Rede stehende Angaben):

„1.      stimmungsaufhellendes Safranextrakt.

2.      Das Safran-Extrakt Safr’lnside in Adapto-Genie wurde an 50 Teilnehmern über einen Zeitraum von 30 Tagen in einer Open Study getestet. Mit einer Dosis von 30 mg Safr’lnside pro Tag erlebten 77 % der Probanden nach nur zwei Wochen Einnahme eine Verbesserung des emotionalen Gleichgewichts, fühlten sich optimistischer und glücklicher. 66 % fühlten sich auch entspannter und dynamischer. Nach 30 Tagen verbesserte sich bei 11 % der Probanden die Schlafqualität.

3.      Melonensaft-Extrakt mit Superoxid-Dismutase-Aktivität hat in Studien unter Beweis gestellt, dass nach vier Wochen Stressgefühle und Erschöpfung abnahmen. Außerdem wurde die Reizbarkeit und Erschöpfung um 63 % reduziert, was zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität führte.“

17.      Der VSW hält die in Rede stehenden Angaben für unzulässige gesundheitsbezogene Angaben gemäß Art. 10 der Verordnung Nr. 1924/2006. Er forderte Novel Nutriology deshalb mit Schreiben vom 23. Oktober 2019 zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Das Unternehmen kam dieser Aufforderung nicht nach.

18.      Der VSW erhob Klage beim Landgericht Hamburg (Deutschland) und beantragte, Novel Nutriology unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr für das betroffene Produkt mit den in Rede stehenden Angaben zu werben(10). Das Landgericht gab der Klage statt. Die von Novel Nutriology gegen dieses Urteil beim Oberlandesgericht Hamburg (Deutschland) eingelegte Berufung wurde von diesem zurückgewiesen.

19.      Novel Nutriology legte Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts zum Bundesgerichtshof, dem vorlegenden Gericht, ein, der ausführt, dass nach seiner Rechtsprechung der Anwendung von Art. 10 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 grundsätzlich nicht entgegenstehe, dass die Listen der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 dieser Verordnung noch nicht vollständig erstellt seien. Nicht entschieden sei jedoch die Frage, ob Art. 10 Abs. 1 und 3 dieser Verordnung anwendbar sei, wenn für Botanicals mit gesundheitsbezogenen Angaben bzw. mit Verweisen auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden geworben werde, solange die Bewertung der EFSA und die Prüfung der Kommission hinsichtlich der Aufnahme der Botanicals in die Listen gemäß den Art. 13 und 14(11) dieser Verordnung noch nicht abgeschlossen seien. Dieser Punkt sei für eine Entscheidung des Ausgangsverfahrens ausschlaggebend, denn sollte Art. 10 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 anwendbar sein, wären die vom VSW geltend gemachten Ansprüche begründet, weil die in Rede stehenden Angaben gegen diese Bestimmunen verstießen.

20.      Nach einer ersten Lesart(12) dürfe Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 in einer Rechtssache wie dem Ausgangsverfahren keine Anwendung finden. Der Unionsgesetzgeber habe nämlich nur ein eingeschränktes Verbot allgemeiner, nichtspezifischer gesundheitsbezogener Angaben geregelt. Danach seien allgemeine gesundheitsbezogene Verweise nur dann untersagt, wenn sie ohne die Beifügung von in einer der Listen nach Art. 13 oder 14 dieser Verordnung enthaltenen speziellen Angaben erfolgten, was voraussetze, dass diese Listen erstellt würden. Anderenfalls enthielte die Verordnung entgegen dem Willen des Unionsgesetzgebers, der auch in der Übergangsregelung des Art. 28 dieser Verordnung eindeutig zum Ausdruck komme, zunächst eine strengere Regelung als später. Aufgrund der Aussetzung der Bewertung der Angaben für „Botanicals“ durch die EFSA und die Kommission sei es dem Lebensmittelunternehmer unmöglich, eine Entscheidung über spezifische gesundheitsbezogene Angaben zu erlangen; es könnten deshalb solchen gesundheitsbezogenen Angaben auch keine allgemeinen gesundheitsbezogenen Verweise beigefügt werden. Durch die bloße Nichterstellung der Listen gemäß den Art. 13 oder 14 der Verordnung Nr. 1924/2006 und die Nichtbehandlung von Eintragungsanträgen in Bezug auf pflanzliche Stoffe wäre somit der Rechtszustand erreicht, der nicht dem Willen des Unionsgesetzgebers entspräche. Der Grundsatz, dass die Verordnung nicht anwendbar sei, solange die Untätigkeit der Kommission andauere, gälte auch dann, wenn von dem auf Unterlassung Inanspruchgenommenen kein Antrag auf Eintragung spezifischer Angaben gestellt worden sei, da ein solcher Antrag in absehbarer Zukunft ohne jede Aussicht auf Erfolg wäre, weil die Behandlung von gesundheitsbezogenen Angaben über Botanicals ausgesetzt worden sei.

21.      Für eine Unanwendbarkeit von Art. 10 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 könne darüber hinaus sprechen, dass in der jahrelangen Untätigkeit der Kommission eine unverhältnismäßige Einschränkung der unternehmerischen Freiheit im Sinne von Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zu den Werbemöglichkeiten von Wettbewerbern gesehen werden könnte, deren Anträge auf Aufnahme von gesundheitsbezogenen Angaben in die Gemeinschaftslisten Lebensmittel beträfen, die von der EFSA bewertet und von der Kommission geprüft würden.

22.      Nach einer zweiten Lesart, die das vorlegende Gericht als „[ü]berwiegend … vertreten“(13) einstuft, müsse Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 auch auf Botanicals angewendet werden, sofern einem allgemeinen, nichtspezifischen Verweis im Sinne dieser Bestimmung eine spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt werde, die „on hold“ gehalten werde und nach den Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 5 und 6 dieser Verordnung weiter verwendet werden dürfe. Für diese Ansicht spreche, dass der Wortlaut von Art. 10 Abs. 1 und 3 dieser Verordnung nicht danach differenziere, ob sich die Angaben auf „Botanicals“ bezögen oder nicht.

23.      Außerdem dürfte der Zweck von Art. 10 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 dagegensprechen, die Werbung mit unspezifischen gesundheitsbezogenen Angaben in Bezug auf „Botanicals“ ohne eine abgeschlossene wissenschaftliche Bewertung der beizufügenden speziellen gesundheitsbezogenen Angaben vollständig von den Einschränkungen dieser Bestimmungen freizustellen. Es bestehe nämlich die Gefahr, dass insbesondere Nahrungsergänzungsmittel und pflanzliche Arzneimittel von den Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht auseinandergehalten werden könnten und es so – entgegen der Intention des Unionsgesetzgebers – durch die Anwendung von Nahrungsergänzungsmitteln mit ungeprüften gesundheitsbezogenen Angaben weiterhin zu einer gesundheitlichen Gefährdung der Patientinnen und Patienten kommen könne(14). Überdies habe die Kommission im elften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 432/2012 und im neunten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 536/2013 darauf hingewiesen, dass Angaben, deren Bewertung durch die EFSA oder deren Prüfung durch die Kommission noch nicht abgeschlossen sei, auf ihrer Website veröffentlicht würden und gemäß Art. 28 Abs. 5 und 6 der Verordnung Nr. 1924/2006 weiter verwendet werden dürften, womit den berechtigten Interessen des werbenden Unternehmens an der Verwendung gesundheitsbezogener Angaben für „Botanicals“ hinreichend Rechnung getragen worden sein könnte.

24.      Schließlich weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass Novel Nutriology keinen Antrag im Sinne von Art. 28 Abs. 6 Buchst. b dieser Verordnung vor dem 19. Januar 2008 gestellt habe. Insoweit habe das Berufungsgericht von der Revision nicht angegriffen festgestellt, dass dieses Unternehmen für Melonensaft-Extrakt gar keinen Antrag gestellt habe und der für Safran gestellte Antrag vom 13. Januar 2009 datiere.

25.      Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Darf für pflanzliche Stoffe („Botanicals“) mit gesundheitsbezogenen Angaben (Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1924/2006) bzw. mit Verweisen auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden (Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1924/2006) geworben werden, ohne dass diese Angaben gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 der Verordnung aufgenommen sind (Art. 10 Abs. 1 der Verordnung) bzw. ohne dass diesen Verweisen eine in einer der Listen nach Art. 13 oder 14 der Verordnung enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist (Art. 10 Abs. 3 der Verordnung), solange die Bewertung der EFSA und die Prüfung der Kommission über die Aufnahme der zu ,Botanicals‘ angemeldeten Angaben in die Gemeinschaftslisten gemäß Art. 13 und 14 der Verordnung Nr. 1924/2006 noch nicht abgeschlossen sind?

26.      Novel Nutriology, der VSW, die griechische und die italienische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Der VSW, die griechische und die französische Regierung sowie die Kommission haben in der Sitzung vom 20. Juni 2024 auch mündliche Ausführungen gemacht(15).

IV.    Würdigung

27.      Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Verordnung Nr. 1924/2006 dahin auszulegen ist, dass sie dem entgegensteht, dass für „Botanicals“‘ mit speziellen gesundheitsbezogenen Angaben im Sinne von Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung bzw. mit Verweisen auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 geworben werden darf, ohne dass diese speziellen gesundheitsbezogenen Angaben in die Listen der zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 dieser Verordnung aufgenommen sind bzw. ohne dass diesen Verweisen eine in einer dieser Listen enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist, solange die Kommission die Prüfung hinsichtlich der Aufnahme der gesundheitsbezogenen Angaben über Botanicals in diese Listen nicht abgeschlossen hat.

28.      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1924/2006, der zu deren Kapitel IV gehört, gesundheitsbezogene Angaben verboten sind, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen in Kapitel IV entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 der Verordnung aufgenommen sind(16). Somit enthält Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1924/2006 ein grundsätzliches Verbot gesundheitsbezogener Angaben, mit Ausnahme der Angaben, die in die Listen der zugelassenen Angaben gemäß Art. 13 oder Art. 14 dieser Verordnung aufgenommen sind(17).

29.      Im Übrigen sind nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Art. 13 oder 14 dieser Verordnung enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs wird somit in diesem Art. 10 Abs. 3 zwischen zwei Kategorien gesundheitsbezogener Angaben unterschieden, nämlich zwischen der „speziellen“ gesundheitsbezogenen Angabe, die entsprechend dem in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung aufgestellten Grundsatz in die betreffenden Listen aufgenommen ist, und der „allgemeinen“ gesundheitsbezogenen Angabe, die einen Verweis auf die allgemeinen, nicht spezifischen Vorteile darstellt und der eine in diesen Listen enthaltene gesundheitsbezogene Angabe beigefügt sein muss(18).

30.      Der Gerichtshof hat zudem entschieden, dass Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1924/2006, der eine Ausnahme von dem in deren Art. 10 Abs. 1 aufgestellten Grundsatz vorsieht, wonach gesundheitsbezogene Angaben mit Ausnahme derjenigen, die in die Listen der zugelassenen Angaben gemäß dieser Verordnung aufgenommen sind, verboten sind, somit eng auszulegen ist und folglich eine „allgemeine“ gesundheitsbezogene Angabe im Sinne dieser Bestimmung den in dieser Verordnung vorgesehenen Nachweisanforderungen genügen muss(19). Zu diesem Zweck reicht es jedoch aus, dass Verweisen auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile eines Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden spezielle gesundheitsbezogene Angaben beigefügt sind, die durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise, die überprüft und zugelassen wurden, untermauert werden, sofern die Angaben in einer der Listen nach Art. 13 oder Art. 14 der Verordnung enthalten sind(20).

31.      Art. 28 der Verordnung Nr. 1924/2006 wiederum sieht Übergangsmaßnahmen vor, die nach dem 35. Erwägungsgrund dieser Verordnung bezwecken, dass sich die Lebensmittelunternehmer an die Bestimmungen der Verordnung anpassen können. Für gesundheitsbezogene Angaben sind die Übergangsmaßnahmen in Art. 28 Abs. 5 und 6 vorgesehen(21). Hierzu ist den Erwägungsgründen 10 und 11 der Verordnung Nr. 432/2012 zu entnehmen, dass gesundheitsbezogene Angaben, über die noch nicht entschieden ist, weil u. a. die wissenschaftliche Bewertung durch die EFSA aussteht, gemäß den in Art. 28 Abs. 5 und 6 der Verordnung Nr. 1924/2006 vorgesehenen Übergangsmaßnahmen weiter verwendet werden dürfen.

32.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs dürfen zwar zugelassene gesundheitsbezogene Angaben und zurückgestellte gesundheitsbezogene Angaben, die unter die Übergangsregelung fallen, grundsätzlich für das Inverkehrbringen von Lebensmitteln verwendet werden, doch gelten für die beiden Arten gesundheitsbezogener Angaben verschiedene Anforderungen und Bedingungen(22). Denn während Art. 17 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1924/2006 es grundsätzlich jedem Lebensmittelunternehmer gestattet, die zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben, die in der endgültigen, für die Union einheitlichen Liste aufgeführt sind, zu verwenden, müssen nach ihrem Art. 28 Abs. 5 und 6 zurückgestellte gesundheitsbezogene Angaben, die unter die Übergangsregelung fallen, dieser Verordnung und den einschlägigen einzelstaatlichen Vorschriften entsprechen(23). Nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1924/2006 dürfen gesundheitsbezogene Angaben nicht mehrdeutig oder irreführend sein und müssen sich auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen. Dies gilt für alle gesundheitsbezogenen Angaben. Zurückgestellte gesundheitsbezogene Angaben müssen darüber hinaus in jedem Mitgliedstaat den Anforderungen der jeweiligen nationalen Regelung entsprechen(24).

33.      Weiter nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs entspricht eine solche Übergangssituation, die über den Zeitraum, der nach Art. 13 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 spätestens am 31. Januar 2010 enden sollte, hinaus unbegrenzt verlängert ist, nicht der im 23. Erwägungsgrund dieser Verordnung zum Ausdruck kommenden Anforderung, dass, damit eine einheitliche wissenschaftliche Bewertung gesundheitsbezogener Angaben auf höchstmöglichem Niveau gewährleistet ist, die EFSA solche Bewertungen vornehmen sollte(25). Weder Art. 10 noch Art. 28 Abs. 5 oder irgendeine andere Vorschrift der Verordnung Nr. 1924/2006 sehen jedoch vor, dass deren Art. 10 Abs. 2 über die Hinweispflichten erst nach der Annahme der in dieser Verordnung vorgesehenen Listen zugelassener Angaben Anwendung findet(26). Zudem rechtfertigt der Umstand, dass die Liste zugelassener Angaben gemäß Art. 13 der Verordnung Nr. 1924/2006 noch nicht angenommen wurde, es nicht, einen Lebensmittelunternehmer von seiner Pflicht freizustellen, dem Verbraucher die in Art. 10 Abs. 2 der Verordnung vorgesehenen Informationen zu liefern(27). Im Rahmen der in Art. 28 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1924/2006 vorgesehenen Übergangsmaßnahme musste nämlich ein Unternehmer, der sich zur Verwendung einer gesundheitsbezogenen Angabe entschieden hatte, in eigener Verantwortung die Wirkungen des betreffenden Lebensmittels auf die Gesundheit kennen und somit bereits über die von Art. 10 Abs. 2 der Verordnung geforderten Informationen verfügen(28).

34.      Im vorliegenden Fall ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 1924/2006 gesundheitsbezogene Angaben über „Lebensmittel“ und laut ihrem Art. 2 Abs. 1 Buchst. b auch über „Nahrungsergänzungsmittel“ im Sinne der Begriffsbestimmung in der Richtlinie 2002/46(29) betrifft. Vorliegend ist unstreitig, dass es sich bei dem betroffenen Produkt um ein solches Nahrungsergänzungsmittel handelt. Außerdem ist dem neunten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1924/2006 zu entnehmen, dass diese „verschiedene Pflanzen- und Kräuterextrakte“ erfasst. In diesem Sinne sind in deren Anwendungsbereich – wie die Erwägungsgründe 10 und 11 der Verordnung Nr. 432/2012, die Erwägungsgründe 4 und 5 der Verordnung Nr. 536/2013 sowie die Rechtsprechung des Gerichtshofs(30) bestätigen – die ,Botanicals‘(31) eingeschlossen, zu denen die Extrakte von Safran und Melonensaft zählen.

35.      Zum anderen handelt es sich nach Auffassung des vorlegenden Gerichts bei den in Rede stehenden Angaben um gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung Nr. 1924/2006, was ebenfalls unstreitig ist. In seinem Vorlagebeschluss hat es ausgeführt, dass das Berufungsgericht zwar entschieden habe, dass die in Rede stehenden Angaben in den Anwendungsbereich von Art. 10 Abs. 3 dieser Verordnung fielen, selbst aber die Frage offengelassen, ob diese Angaben unter Abs. 1 oder unter Abs. 3 dieses Art. 10 fallen. Insoweit wird das vorlegende Gericht festzustellen haben, welcher dieser beiden Kategorien die in Rede stehenden Angaben zuzurechnen sind. Unabhängig davon weise ich darauf hin, dass diese Abs. 1 und 3 keineswegs danach unterscheiden, ob sich solche Angaben auf Botanicals beziehen oder nicht.

36.      Das Ausgangsverfahren hat seinen Ursprung im andauernden Fehlen der Bewertung der EFSA und der Prüfung der Kommission hinsichtlich der Aufnahme der Botanicals in die Listen der zugelassenen Angaben gemäß Art. 13 oder Art. 14 der Verordnung Nr. 1924/2006, während deren Art. 10 Abs. 1 und 3 die Zulassung gesundheitsbezogener Angaben u. a. an die Bedingung knüpft, dass sie in diese Listen aufgenommen sind. Zwar erscheint dieses Fehlen einer Bewertung und einer Prüfung seit so langer Zeit(32) kritikwürdig und kann zu einer Untätigkeitsklage gegen die Kommission führen(33), doch soll mit der vom vorlegenden Gericht aufgeworfenen Frage in Erfahrung gebracht werden, ob ein Lebensmittelunternehmer vor der Aufnahme gesundheitsbezogener Angaben über Botanicals in diese Listen solche Angaben verwenden darf, um seine Produkte zu bewerben.

37.      Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1924/2006 dürfen gesundheitsbezogene Angaben bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln, die in der Union in Verkehr gebracht werden, bzw. bei der Werbung hierfür nur verwendet werden, wenn sie dieser Verordnung entsprechen. Nach einer ersten, vom vorlegenden Gericht dargestellten Lesart(34) ist, solange die Bewertung der EFSA und die Prüfung der Kommission hinsichtlich der Aufnahme der „Botanicals“ in die Listen der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 dieser Verordnung noch nicht abgeschlossen sind, Art. 10 der Verordnung auf solche gesundheitsbezogenen Angaben nicht anwendbar.

38.      Nach einer zweiten, vom vorlegenden Gericht ebenfalls erwähnten Lesart(35) sieht, wie der in Nr. 33 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung zu entnehmen ist, keine Vorschrift der Verordnung Nr. 1924/2006 vor, dass deren Art. 10 Abs. 2 über die Hinweispflichten erst nach der Annahme der in dieser Verordnung vorgesehenen Listen zugelassener Angaben Anwendung findet. Im gleichen Sinne ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut von Art. 10 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 1924/2006, dass gesundheitsbezogene Angaben, die u. a. nicht in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 der Verordnung aufgenommen sind, verboten sind. Somit setzt die Zulassung einer gesundheitsbezogenen Angabe voraus, dass die in diesen Artikeln angeführten Listen angenommen und veröffentlicht wurden(36). Fehlt es an einer Aufnahme gesundheitsbezogener Angaben über Botanicals in diese Listen, findet Art. 10 der Verordnung Nr. 1924/2006 Anwendung und sind diese Angaben grundsätzlich verboten.

39.      Für diese Lesart sprechen die mit der Verordnung Nr. 1924/2006 verfolgten Ziele. Wie der Gerichtshof ausgeführt hat, soll diese Verordnung nach ihrem Art. 1 Abs. 1 nämlich das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts gewährleisten und gleichzeitig ein hohes Verbraucherschutzniveau bieten. Insoweit gehört der Schutz der Gesundheit zu den Hauptzielen dieser Verordnung, und zu diesem Zweck sind u. a. dem Verbraucher die für eine sachkundige Entscheidung notwendigen Informationen zu liefern. In diesem Rahmen ist es nach dem 16. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1924/2006 wichtig, dass Angaben über Lebensmittel vom Verbraucher verstanden werden können, und angezeigt, alle Verbraucher vor irreführenden Angaben zu schützen, wobei darauf hingewiesen wird, dass diese Verordnung namentlich den normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren als Maßstab nimmt(37).

40.      Berücksichtigt man das positive Bild, das Lebensmitteln mit gesundheitsbezogenen Angaben vermittelt wird, können Verbraucher generell in ihrer Konsumentscheidung beeinflusst werden, so dass die Verwendung solcher Angaben streng begrenzt sein muss, insbesondere indem sie sich – wie es in Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1924/2006 heißt – auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen und durch diese abgesichert sind. Diese Feststellung gilt ersichtlich besonders für Angaben über Botanicals, da die Verbraucher im Geiste die pflanzliche Herkunft eines Lebensmittels mit einem ihrer Gesundheit förderlichen Produkt in Verbindung bringen können.

41.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs impliziert der Rückgriff auf die Formulierung „allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise“, dass das Glauben an eine bestimmte Wirkung, Volksweisheiten, aber auch Beobachtungen oder Experimente von Personen, die keine Wissenschaftler sind, nicht als Nachweis genügen. Die gesundheitsbezogenen Angaben müssen vielmehr eine objektive, wissenschaftliche Grundlage haben, und über die positive Wirkung der Stoffe, auf die sie sich beziehen, muss ausreichende Einigkeit in der Wissenschaft bestehen, wie es im 14. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1924/2006 heißt. Die gesundheitsbezogenen Angaben – so der Gerichtshof weiter – müssen „wissenschaftlich abgesichert sein, wobei alle verfügbaren wissenschaftlichen Daten berücksichtigt und die Nachweise abgewogen werden sollten“ (17. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1924/2006)(38). Die Annahme jedoch, dass Art. 10 Abs. 1 und 3 dieser Verordnung auf gesundheitsbezogene Angaben über Botanicals nicht anwendbar sei, liefe darauf hinaus, die Verwendung wissenschaftlich nicht belegter Angaben zu erlauben, die die Verbraucher irreführen und ihre Gesundheit gefährden könnten.

42.      In ihren schriftlichen Erklärungen macht Novel Nutriology geltend, dass das den Lebensmittelunternehmern auferlegte Verbot der Verwendung gesundheitsbezogener Angaben über Botanicals einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre Grundrechte darstelle, insbesondere in die unternehmerische Freiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung, die in den Art. 16 bzw. 11 der Charta verankert seien. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Grundrechte nicht schrankenlos gewährleistet sind, sondern Beschränkungen unterworfen werden können, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen, die mit der fraglichen Maßnahme verfolgt werden, und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet(39).

43.      Art. 16 der Charta schützt die Freiheit, eine Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit auszuüben, die Freiheit, in den Grenzen der unternehmerischen Verantwortlichkeit für die eigenen Handlungen über die unternehmenseigenen wirtschaftlichen, technischen und finanziellen Ressourcen verfügen zu können, und die Vertragsfreiheit(40). Es ist jedoch zu betonen, dass den Lebensmittelunternehmern, die Botanicals vertreiben, nicht ihre Freiheit genommen wird, eine Wirtschaftstätigkeit auszuüben, und sie durch nichts gehindert sind, weiterhin ihre Produkte zu verkaufen. Die Verordnung Nr. 1924/2006 sieht nämlich kein Verbot des Inverkehrbringens von Botanicals, sondern lediglich das Verbot vor, mit gesundheitsbezogenen Angaben zu werben, die bei fehlender Prüfung durch die Kommission nicht wissenschaftlich belegt sind. Unter diesen Voraussetzungen wird durch dieses Verbot der Wesensgehalt der unternehmerischen Freiheit nicht angetastet.

44.      Im Übrigen schließt das Recht auf freie Meinungsäußerung im Sinne von Art. 11 der Charta die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben(41). Auch insoweit darf zwar ein Lebensmittelunternehmer, der Botanicals vertreibt, keine gesundheitsbezogenen Angaben im Sinne der Verordnung Nr. 1924/2006 verwenden, die noch nicht von der EFSA bewertet und noch nicht von der Kommission geprüft worden sind, doch nimmt ihm dies nicht das Recht, seine Produkte mit anderen Mitteln als mit diesen Angaben zu bewerben. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 35 der Charta bei der Festlegung und Durchführung der Politik und Maßnahmen der Union in allen Bereichen ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt wird und dass gemäß Art. 38 der Charta die Politik der Union ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherstellt. Es zeigt sich also, dass die Anwendung von Art. 10 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 auf gesundheitsbezogene Angaben über Botanicals einen angemessenen Ausgleich zwischen den miteinander in Einklang zu bringenden Grundrechten gewährleistet.

45.      Hinzu kommt, dass in der Verordnung Nr. 1924/2006 kein vollständiges und absolutes Verbot der Verwendung gesundheitsbezogener Angaben über Botanicals vorgesehen ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gilt nämlich, da die Kommission die Anträge auf Aufnahme der in Rede stehenden gesundheitsbezogenen Angaben in die Listen gemäß Art. 13 der Verordnung Nr. 1924/2006 noch nicht beschieden hat, für diese Angaben die Übergangsregelung gemäß Art. 28 Abs. 5 und 6 der Verordnung(42). Dadurch lassen sich Transparenz und Rechtssicherheit für alle Beteiligten gewährleisten. Art. 28 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1924/2006 verweist auf die gesundheitsbezogenen Angaben im Sinne von deren Art. 13 Abs. 1 Buchst. a, d. h. die gesundheitsbezogenen Angaben, die die Bedeutung eines Nährstoffs oder einer anderen Substanz für Wachstum, Entwicklung und Körperfunktionen beschreiben oder darauf verweisen. Art. 28 Abs. 6 dieser Verordnung betrifft u. a. die in deren Art. 13 Abs. 1 Buchst. b genannten gesundheitsbezogenen Angaben, die sich auf die psychischen Funktionen oder Verhaltensfunktionen beziehen.

46.      Im vorliegenden Fall lässt sich dem Vorlagebeschluss entnehmen, dass das vorlegende Gericht der Lesart den Vorzug gibt, nach der es sich bei den mit den in Rede stehenden Angaben beworbenen Funktionen um psychische Funktionen im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1924/2006 handelt und nicht um körperliche Funktionen im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung, da allen beworbenen Funktionen gemeinsam sei, dass sie die Gefühlswelt beträfen. Insoweit wird für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens das vorlegende Gericht die abschließende Bewertung vorzunehmen haben.

47.      Für den Fall, dass das vorlegende Gericht aufgrund dieser abschließenden Bewertung zu der Auffassung gelangen sollte, dass die in Rede stehenden Angaben letzten Endes unter Art. 28 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1924/2006 fallen, weise ich darauf hin, dass nach dem Wortlaut dieser Bestimmung gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung ab deren Inkrafttreten bis zur Annahme der in Art. 13 Abs. 3 genannten Liste unter der Verantwortung von Lebensmittelunternehmern verwendet werden dürfen, sofern die Angaben der Verordnung Nr. 1924/2006 und den einschlägigen einzelstaatlichen Vorschriften entsprechen; dies gilt unbeschadet der Annahme von Schutzmaßnahmen gemäß Art. 24 dieser Verordnung. Aus dem Wortlaut von Art. 28 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1924/2006 lässt sich somit ableiten, dass ein Lebensmittelunternehmer im Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten der Verordnung und der Annahme der in ihrem Art. 13 genannten Liste in eigener Verantwortung und unter den festgelegten Bedingungen gesundheitsbezogene Angaben verwenden durfte(43). Mithin regelt die Verordnung Nr. 1924/2006 im Rahmen der Übergangsregelung gemäß ihrem Art. 28 Abs. 5 für gesundheitsbezogene Angaben im Sinne ihres Art. 13 Abs. 1 Buchst. a die Beweislast und das Beweismaß. Der betreffende Lebensmittelunternehmer muss in der Lage sein, die Angaben, die er verwendet, durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise zu begründen. Die Angaben müssen eine objektive Grundlage haben, über die ausreichende Einigkeit in der Wissenschaft besteht(44). Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, darf ein Unternehmer weiterhin gesundheitsbezogene Angaben über Botanicals verwenden, solange die in Art. 13 der Verordnung Nr. 1924/2006 genannte Liste für diese Stoffe nicht angenommen wurde(45).

48.      Art. 28 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1924/2006 betrifft namentlich Angaben, die unter Beachtung der nationalen Rechtsvorschriften vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung verwendet wurden. Der Vorlagebeschluss enthält keinerlei Information hinsichtlich dieser Verwendung. Das vorlegende Gericht wird mithin zu prüfen haben, ob im vorliegenden Fall diese Vorbedingung erfüllt ist.

49.      Sollte dies der Fall sein, ergibt sich aus Art. 28 Abs. 6 Buchst. a der Verordnung Nr. 1924/2006, dass dann, wenn die gesundheitsbezogenen Angaben in einem Mitgliedstaat einer Bewertung unterzogen und zugelassen wurden und dieser Mitgliedstaat der Kommission spätestens bis zum 31. Januar 2008 die betreffenden Angaben übermittelt hat(46), die Angaben, die nicht nach dem angegebenen Verfahren von der Kommission zugelassen wurden (was bei den Angaben über Botanicals der Fall ist), bis zu sechs Monate nach Erlass des Beschlusses der Kommission weiter verwendet werden dürfen. Da Art. 28 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1924/2006, anders als Abs. 5 dieses Artikels, die Bedingung, dass die Angaben dieser Verordnung „entsprechen“, nicht nennt, bin ich mit der Kommission der Ansicht, dass die Weiterverwendung gesundheitsbezogener Angaben über Botanicals allein Sache des nationalen Rechts ist. Im Übrigen dürfen gemäß Art. 28 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung Nr. 1924/2006 gesundheitsbezogene Angaben, die keiner Bewertung in einem Mitgliedstaat unterzogen und nicht zugelassen wurden, weiterhin verwendet werden, sofern vor dem 19. Januar 2008 ein Antrag nach dieser Verordnung gestellt wird; gesundheitsbezogene Angaben, die nicht nach diesem Verfahren zugelassen wurden, dürfen bis zu sechs Monate nach einer Entscheidung im Sinne von Art. 17 Abs. 3 der Verordnung weiter verwendet werden.

50.      Dem Vorlagebeschluss ist zu entnehmen, dass im Ausgangsverfahren die gesundheitsbezogenen Angaben über den Inhaltsstoff „Melonensaft-Extrakt“ offensichtlich nicht im Sinne von Art. 28 Abs. 6 Buchst. a der Verordnung Nr. 1924/2006 der Kommission übermittelt wurden und insoweit vor dem 19. Januar 2008 kein Antrag nach Art. 28 Abs. 6 Buchst. b dieser Verordnung gestellt wurde(47). Vorbehaltlich der Überprüfung durch das vorlegende Gericht erfüllen diese Angaben mithin dem Anschein nach auf den ersten Blick nicht die in Art. 28 Abs. 6 dieser Verordnung vorgesehenen Bedingungen dafür, weiter verwendet werden zu können.

51.      Auch was die gesundheitsbezogenen Angaben über den Inhaltsstoff „Safran-Extrakt“ betrifft, geht aus dem Vorlagebeschluss hervor, dass sie dem Anschein nach nicht im Sinne von Art. 28 Abs. 6 Buchst. a der Verordnung Nr. 1924/2006 der Kommission übermittelt wurden, dass aber tatsächlich am 13. Januar 2009(48), d. h. nach Ablauf der in der letztgenannten Bestimmung gesetzten Frist für ihre mögliche Weiterverwendung, ein Antrag nach Art. 28 Abs. 6 Buchst. b dieser Verordnung gestellt wurde.

52.      Das vorlegende Gericht wird unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Ausgangsverfahrens zu prüfen haben, ob die in Art. 28 Abs. 5 oder 6 der Verordnung Nr. 1924/2006 vorgesehenen Bedingungen hinsichtlich der in Rede stehenden Angaben erfüllt sind.

53.      Nach alledem bin ich der Ansicht, dass die Verordnung Nr. 1924/2006 dahin auszulegen ist, dass sie dem entgegensteht, dass für „Botanicals“‘ mit speziellen gesundheitsbezogenen Angaben im Sinne von Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung bzw. mit Verweisen auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 geworben werden darf, ohne dass diese speziellen gesundheitsbezogenen Angaben in die Listen der zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 dieser Verordnung aufgenommen sind bzw. ohne dass diesen Verweisen eine in einer dieser Listen enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist, solange die Kommission die Prüfung hinsichtlich der Aufnahme der gesundheitsbezogenen Angaben über Botanicals in diese Listen nicht abgeschlossen hat. Eine Ausnahme gilt dann, wenn diese Angaben übergangsweise weiter verwendet werden dürfen und sofern die in Art. 28 Abs. 5 oder 6 dieser Verordnung vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind.

V.      Ergebnis

54.      Aufgrund vorstehender Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorabentscheidungsfrage des Bundesgerichtshofs (Deutschland) wie folgt zu beantworten:

Die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel in der durch die Verordnung (EG) Nr. 109/2008 der Kommission vom 15. Januar 2008 geänderten Fassung

ist dahin auszulegen,

dass sie dem entgegensteht, dass für „Botanicals“‘ mit speziellen gesundheitsbezogenen Angaben im Sinne von Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung bzw. mit Verweisen auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 geworben werden darf, ohne dass diese speziellen gesundheitsbezogenen Angaben in die Listen der zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 dieser Verordnung aufgenommen sind bzw. ohne dass diesen Verweisen eine in einer dieser Listen enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist, solange die Kommission die Prüfung hinsichtlich der Aufnahme der gesundheitsbezogenen Angaben über Botanicals in diese Listen nicht abgeschlossen hat. Eine Ausnahme gilt dann, wenn diese Angaben übergangsweise weiter verwendet werden dürfen und sofern die in Art. 28 Abs. 5 oder 6 dieser Verordnung vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind.


















































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