C-328/22 – Kommission/ Slowenien (Traitement des eaux urbaines résiduaires)

C-328/22 – Kommission/ Slowenien (Traitement des eaux urbaines résiduaires)

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Language of document : ECLI:EU:C:2023:939

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)

30. November 2023(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 258 AUEV – Richtlinie 91/271/EWG – Sammlung und Behandlung von kommunalem Abwasser – Art. 4 Abs. 1 und 3, Art. 5 und Art. 15 – Anhang I Abschnitte B und D – Zweitbehandlung oder gleichwertige Behandlung von kommunalem Abwasser aus Gemeinden gewisser Größe – Weiter gehende Behandlung von in empfindliche Gebiete eingeleitetem Abwasser – Überwachung von Abwasser aus Abwasserbehandlungsanlagen“

In der Rechtssache C‑328/22

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 16. Mai 2022,

Europäische Kommission, vertreten durch B. Rous Demiri und E. Sanfrutos Cano als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Republik Slowenien, vertreten durch A. Dežman Mušič als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen sowie des Richters J. Passer (Berichterstatter) und der Richterin M. L. Arastey Sahún,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 2023,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Republik Slowenien dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 4, 5 und 15 sowie aus Anhang I Abschnitte B und D der Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser (ABl. 1991, L 135, S. 40) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1137/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 (ABl. 2008, L 311, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 91/271) verstoßen hat, dass sie nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um dafür Sorge zu tragen, dass

–        in Kanalisationen eingeleitetes kommunales Abwasser der Gemeinden Kočevje, Trbovlje, Tržič und Ljubljana vor dem Einleiten in Gewässer einer Zweitbehandlung oder einer gleichwertigen Behandlung unterzogen wird;

–        in Kanalisationen eingeleitetes kommunales Abwasser der Gemeinden Kočevje, Trbovlje und Tržič vor dem Einleiten in empfindliche Gebiete einer weiter gehenden Behandlung unterzogen wird, und

–        in den Gemeinden Ljubljana und Ptuj eine geeignete Überwachung der Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen erfolgt.

 Rechtlicher Rahmen

 Richtlinie 91/271

2        Art. 1 der Richtlinie 91/271 lautet:

„Diese Richtlinie betrifft das Sammeln, Behandeln und Einleiten von kommunalem Abwasser und das Behandeln und Einleiten von Abwasser bestimmter Industriebranchen.

Ziel dieser Richtlinie ist es, die Umwelt vor den schädlichen Auswirkungen dieses Abwassers zu schützen.“

3        Art. 2 der Richtlinie 91/271 sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie bedeuten:

1.      ‚Kommunales Abwasser‘: häusliches Abwasser oder Gemisch aus häuslichem und industriellem Abwasser und/oder Niederschlagswasser.

2.      ‚Häusliches Abwasser‘: Abwasser aus Wohngebieten und den dazugehörigen Einrichtungen, vorwiegend menschlichen Ursprungs und der Tätigkeiten in Haushaltungen.

3.      ‚Industrielles Abwasser‘: Abwasser aus Anlagen für gewerbliche oder industrielle Zwecke, soweit es sich nicht um häusliches Abwasser und Niederschlagswasser handelt.

4.      ‚Gemeinde‘: Gebiet, in welchem Besiedlung und/oder wirtschaftliche Aktivitäten ausreichend konzentriert sind für eine Sammlung von kommunalem Abwasser und einer Weiterleitung zu einer kommunalen Abwasserbehandlungsanlage oder einer Einleitungsstelle.

5.      ‚Kanalisation‘: Leitungssystem, in dem kommunales Abwasser gesammelt und transportiert wird.

6.      ,1 EW (Einwohnerwert)‘: organisch-biologisch abbaubare Belastung mit einem biochemischen Sauerstoffbedarf in 5 Tagen (BSB5) von 60 g Sauerstoff pro Tag.

7.      ‚Erstbehandlung‘: physikalische und/oder chemische Behandlung des kommunalen Abwassers mit Hilfe eines Verfahrens, bei dem sich die suspendierten Stoffe absetzen, oder anderer Verfahren, bei denen – bezogen auf die Werte im Zulauf – der BSB5 um mindestens 20 % und die suspendierten Stoffe um mindestens 50 % verringert werden.

8.      ‚Zweitbehandlung‘: Abwasserbehandlung durch eine biologische Stufe mit einem Nachklärbecken oder ein anderes Verfahren, bei dem die Anforderungen nach Anhang I Tabelle 1 eingehalten werden.

…“

4        Art. 3 der Richtlinie 91/271 bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass alle Gemeinden bis zu folgenden Zeitpunkten mit einer Kanalisation ausgestattet werden:

–        bis zum 31. Dezember 2000 in Gemeinden mit mehr als 15 000 Einwohnerwerten (EW),

–        bis zum 31. Dezember 2005 in Gemeinden von 2 000 bis 15 000 EW.

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass in Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die Abwasser in Gewässer einleiten, die als ‚empfindliche Gebiete‘ im Sinne von Artikel 5 zu betrachten sind, Kanalisationen bis zum 31. Dezember 1998 vorhanden sind.

Ist die Einrichtung einer Kanalisation nicht gerechtfertigt, weil sie entweder keinen Nutzen für die Umwelt mit sich bringen würde oder mit übermäßigen Kosten verbunden wäre, so sind individuelle Systeme oder andere geeignete Maßnahmen erforderlich, die das gleiche Umweltschutzniveau gewährleisten.

(2)      Die in Absatz 1 genannten Kanalisationen müssen den Anforderungen von Anhang I Abschnitt A entsprechen …“

5        Art. 4 der Richtlinie 91/271 lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in Kanalisationen eingeleitetes kommunales Abwasser vor dem Einleiten in Gewässer bis zu folgenden Zeitpunkten einer Zweitbehandlung oder einer gleichwertigen Behandlung unterzogen wird:

–        bis zum 31. Dezember 2000 in Gemeinden mit mehr als 15 000 EW;

–        bis zum 31. Dezember 2005 in Gemeinden von 10 000 bis 15 000 EW;

–        bis zum 31. Dezember 2005 in Gemeinden von 2 000 bis 10 000 EW, welche in Binnengewässer und Ästuare einleiten.

(2)      Kommunales Abwasser in Hochgebirgsregionen (höher als 1 500 m über dem Meeresspiegel), bei dem aufgrund niedriger Temperaturen eine wirksame biologische Behandlung schwierig ist, kann einer weniger gründlichen als der in Absatz 1 beschriebenen Behandlung unterzogen werden, sofern anhand eingehender Untersuchungen nachgewiesen wird, dass die Umwelt durch das Einleiten dieses Abwassers nicht geschädigt wird.

(3)      Abwasser im Ablauf kommunaler Behandlungsanlagen gemäß den Absätzen 1 und 2 muss den einschlägigen Anforderungen des Anhangs I Abschnitt B entsprechen …

(4)      Die in EW ausgedrückte Belastung wird auf der Grundlage der höchsten wöchentlichen Durchschnittslast im Zulauf der Behandlungsanlage während eines Jahres berechnet; Ausnahmesituationen wie nach Starkniederschlägen bleiben dabei unberücksichtigt.“

6        Art. 5 der Richtlinie 91/271 sieht vor:

„(1)      Für die Zwecke des Absatzes 2 weisen die Mitgliedstaaten bis zum 31. Dezember 1993 empfindliche Gebiete gemäß den in Anhang II festgelegten Kriterien aus.

(2)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das in empfindliche Gebiete eingeleitete kommunale Abwasser aus Kanalisationen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW spätestens ab 31. Dezember 1998 vor dem Einleiten in Gewässer einer weitergehenden als der in Artikel 4 beschriebenen Behandlung unterzogen wird.

(3)      Abwasser aus kommunalen Behandlungsanlagen gemäß Absatz 2 muss den einschlägigen Anforderungen von Anhang I Abschnitt B entsprechen …

(4)      Die für einzelne Behandlungsanlagen in den Absätzen 2 und 3 gestellten Anforderungen müssen jedoch nicht in den empfindlichen Gebieten eingehalten werden, für welche nachgewiesen werden kann, dass die Gesamtbelastung aus allen kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen in diesem Gebiet sowohl von Phosphor insgesamt als auch von Stickstoff insgesamt um jeweils mindestens 75 % verringert wird.

(5)      Die Absätze 2, 3 und 4 gelten für Abwasser aus kommunalen Behandlungsanlagen in den jeweiligen Wassereinzugsgebieten empfindlicher Gebiete, die zur Verschmutzung dieser Gebiete beitragen.

In Fällen, in denen die genannten Wassereinzugsgebiete ganz oder teilweise in einem anderen Mitgliedstaat liegen, gilt Artikel 9.

(6)      Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass mindestens alle vier Jahre überprüft wird, ob weitere empfindliche Gebiete auszuweisen sind.

(7)      Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass in den nach Überprüfung gemäß Absatz 6 als empfindlich ausgewiesenen Gebieten binnen sieben Jahren die vorgenannten Anforderungen erfüllt werden.

(8)      Ein Mitgliedstaat ist von der Verpflichtung, für die Zwecke dieser Richtlinie empfindliche Gebiete auszuweisen, befreit, wenn er die nach den Absätzen 2, 3 und 4 geforderte Behandlung in seinem gesamten Gebiet anwendet.“

7        Art. 15 der Richtlinie 91/271 bestimmt:

„(1)      Die zuständigen Behörden oder Stellen überwachen

–        die Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen entsprechend dem Kontrollverfahren nach Anhang I Abschnitt D, um die Einhaltung der Anforderungen des Anhangs I Abschnitt B zu überprüfen,

–        Mengen und Zusammensetzung der Klärschlämme, die in Oberflächengewässer eingebracht werden.

(2)      Die zuständigen Behörden oder Stellen überwachen die Gewässer, in die Abwasser aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen und aus Direkteinleitungen nach Artikel 13 eingeleitet wird, in den Fällen, in denen zu erwarten steht, dass die Gewässerbeschaffenheit erheblich beeinträchtigt wird.

…“

8        Anhang I („Anforderungen an kommunale Abwässer“) der Richtlinie 91/271 enthält u. a. einen Abschnitt A, in dem die Anforderungen an Kanalisationen festgelegt sind, einen Abschnitt B mit den Anforderungen, denen Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen entsprechen müssen, sowie einen Abschnitt D, in dem die Verfahren zur Kontrolle des Einleitens von Abwasser festgelegt sind.

 Vorverfahren

9        Nachdem die Kommission festgestellt hatte, dass die Republik Slowenien dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 3 bis 5, 10 und 15 sowie aus Anhang I der Richtlinie 91/271 verstoßen habe, dass sie nicht dafür Sorge getragen habe, dass mehrere ihrer Gemeinden, darunter die Gemeinden Tržič, Ljubljana, Kočevje, Trbovlje und Ptuj, mit geeigneten Kanalisationen ausgestattet seien, übermittelte sie ihr am 16. Februar 2017 ein Aufforderungsschreiben, auf das die slowenischen Behörden mit Schreiben vom 15. Juni 2017 antworteten.

10      Zwischen den slowenischen Behörden und den Dienststellen der Kommission fanden im Jahr 2017 mehrere Treffen und am 23. Februar 2018 eine „Paketsitzung“ statt. Die slowenischen Behörden übermittelten der Kommission zudem am 29. September 2017, 27. Februar 2018 und 23. Juli 2018 Zwischenberichte über die Fortschritte in Bezug auf die betreffenden Gemeinden.

11      Nach Prüfung der Antworten in diesen Berichten und unter Berücksichtigung aller von den slowenischen Behörden übermittelten Informationen gelangte die Kommission zum Ergebnis, dass die Republik Slowenien trotz der unternommenen Anstrengungen in bestimmten Punkten weiterhin gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 91/271 verstoße. Sie richtete daher mit Schreiben vom 8. März 2019 gemäß Art. 258 AEUV eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Republik Slowenien.

12      In dieser Stellungnahme stellte sie zum einen fest, dass die Republik Slowenien dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 3 bis 5, 10 und 15 sowie aus Anhang I Abschnitte A, B und D der Richtlinie 91/271 verstoßen habe, dass sie nicht dafür Sorge getragen habe, dass u. a. die Gemeinden Tržič, Ljubljana, Kočevje, Trbovlje und Ptuj mit geeigneten Kanalisationen für kommunales Abwasser ausgestattet seien; zum anderen gab sie der Republik Slowenien auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um der Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrem Eingang, d. h. bis zum 8. Mai 2019, nachzukommen.

13      Auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme antwortete die Republik Slowenien mit Schreiben vom 25. April 2019, gefolgt von weiteren Schreiben vom 2. September und 30. Dezember 2019 sowie vom 6. März, 12. August und 15. Dezember 2020.

14      Die Antwort der slowenischen Behörden auf die mit Gründen versehene Stellungnahme und die nach der „Paketsitzung“ vom 21. Januar 2020 in Ljubljana übermittelten Informationen ließen für die Kommission zwar den Schluss zu, dass alle in dieser Stellungnahme genannten Gemeinden nunmehr die Anforderungen von Art. 3 der Richtlinie 91/271 erfüllten. Dennoch gelangte sie zu dem Ergebnis, dass die Republik Slowenien bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist ihren Verpflichtungen aus dieser Richtlinie weiterhin nicht in vollem Umfang nachgekommen sei.

15      Daraufhin hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.

 Zur Klage

 Zur Zulässigkeit

 Vorbringen der Parteien

16      Die Republik Slowenien bringt zur Rüge eines Verstoßes gegen Art. 4 der Richtlinie 91/271 in Bezug auf die Gemeinden Kočevje, Trbovlje und Tržič und zur Rüge eines Verstoßes gegen Art. 15 dieser Richtlinie in Bezug auf die Gemeinde Ptuj vor, dass sie keine Möglichkeit gehabt habe, ihre materiellen Verteidigungsgründe in Bezug auf diese Rügen im Rahmen des Vorverfahrens geltend zu machen. Dies beeinträchtige ihre Verteidigungsrechte.

17      Die Kommission weist dieses Vorbringen zurück. Die Unterschiede in der Formulierung des Tenors der mit Gründen versehenen Stellungnahme und der Anträge in der Klageschrift hätten zu keiner Änderung des Streitgegenstands geführt. Die Kommission habe sich stets auf einen Verstoß der Republik Slowenien gegen dieselbe Bestimmung für dieselben Gemeinden und für denselben Zeitraum bezogen. Der Umstand, dass sie sich ursprünglich auf den Grundsatz der Hierarchie gestützt habe, wonach im Fall der Feststellung, dass die Anforderungen von Art. 3 der Richtlinie 91/271 nicht erfüllt seien, die Verpflichtung aus Art. 4 dieser Richtlinie erst recht nicht erfüllt sei, könne nicht zur Folge haben, dass sie der Republik Slowenien nicht mehr vorwerfen könne, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 der Richtlinie 91/271 verstoßen zu haben, sobald die Verpflichtung aus Art. 3 der Richtlinie zur Ausstattung mit einer Kanalisation durch die Republik Slowenien erfüllt worden sei. Da die Republik Slowenien von vornherein davon in Kenntnis gesetzt worden sei, dass die Kommission in Bezug auf die betreffenden Gemeinden einen Verstoß gegen Art. 4 dieser Richtlinie geltend mache, seien auch ihre Verteidigungsrechte nicht verletzt worden.

18      Zudem habe die Kommission die Republik Slowenien im Rahmen des Vorverfahrens u. a. auf einen die Gemeinde Ptuj betreffenden Verstoß wegen Nichteinhaltung der Anforderungen der Art. 3, 4 und 15 sowie von Anhang I Abschnitte B und D der Richtlinie 91/271 hingewiesen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

19      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs soll das Vorverfahren dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit geben, seinen unionsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und sich gegen die Rügen der Kommission wirksam zu verteidigen. Der ordnungsgemäße Ablauf dieses Verfahrens ist eine vom AEU-Vertrag vorgeschriebene wesentliche Garantie nicht nur für den Schutz der Rechte des betroffenen Mitgliedstaats, sondern auch dafür, dass ein etwaiges streitiges Verfahren einen eindeutig festgelegten Streitgegenstand hat (Urteil vom 2. April 2020, Kommission/Polen, Ungarn und Tschechische Republik [Vorübergehender Umsiedlungsmechanismus für internationalen Schutz beantragende Personen], C‑715/17, C‑718/17 und C‑719/17, EU:C:2020:257, Rn. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Daraus folgt insbesondere, dass der Gegenstand einer Klage nach Art. 258 AEUV durch das in dieser Bestimmung vorgesehene Vorverfahren eingegrenzt wird. Daher muss die Klage auf die gleichen Gründe und das gleiche Vorbringen gestützt sein wie die mit Gründen versehene Stellungnahme (Urteil vom 18. November 2010, Kommission/Portugal C‑458/08, EU:C:2010:692, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Dieses Erfordernis kann jedoch nicht so weit gehen, dass in jedem Fall eine völlige Übereinstimmung zwischen der Darlegung der Rügen im Tenor der mit Gründen versehenen Stellungnahme und den Anträgen in der Klageschrift bestehen muss, sofern nur der Streitgegenstand, wie er in der mit Gründen versehenen Stellungnahme umschrieben ist, nicht erweitert oder geändert worden ist (Urteil vom 18. November 2010, Kommission/Portugal, C‑458/08, EU:C:2010:692, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Im vorliegenden Fall wirft die Kommission der Republik Slowenien im Rahmen der vorliegenden Klage Verstöße gegen Bestimmungen der Richtlinie 91/271 vor, die in Bezug auf die betreffenden Gemeinden sowohl im Aufforderungsschreiben als auch in der mit Gründen versehenen Stellungnahme bereits angeführt wurden.

23      Allerdings hat die Kommission im Vorverfahren den behaupteten Verstoß gegen Art. 4 der Richtlinie 91/271 für die Gemeinden Kočevje, Trbovlje und Tržič nur aus dem angeblichen Verstoß gegen Art. 3 dieser Richtlinie abgeleitet und in diesem Zusammenhang lediglich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs Bezug genommen, wonach im Fall der Feststellung, dass die betreffenden Gemeinden nicht mit Kanalisationen ausgestattet sind, in denen das gesamte von ihnen eingeleitete kommunale Abwasser gesammelt werden kann, erst recht nicht die Verpflichtung erfüllt ist, das gesamte Abwasser einer Zweitbehandlung oder einer gleichwertigen Behandlung zu unterziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2007, Kommission/Griechenland C‑440/06, EU:C:2007:642, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Erst im Rahmen ihrer Klageschrift hat die Kommission gesondert einen Verstoß der Republik Slowenien gegen Art. 4 der Richtlinie 91/271 geltend gemacht; danach ergebe sich aus einem Vergleich der Daten über die Gesamtbelastung der betreffenden Gemeinden und der Daten über die behandelte höchste Belastung, wie sie von den slowenischen Behörden übermittelt worden seien, dass nicht das gesamte von diesen Gemeinden eingeleitete kommunale Abwasser einer Zweitbehandlung oder einer gleichwertigen Behandlung unterzogen worden sei.

25      Zwar war die Kommission, da sie im Rahmen des Vorverfahrens der Ansicht war, dass die Republik Slowenien in Bezug auf die betreffenden Gemeinden gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 3 der Richtlinie 91/271 verstoßen habe, in diesem Stadium des Verfahrens nach der in Rn. 23 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung berechtigt, auch einen Verstoß gegen Art. 4 dieser Richtlinie zu geltend zu machen.

26      Ferner trifft zu, dass ein Mitgliedstaat, der die Anforderungen von Art. 3 der Richtlinie 91/271 in Bezug auf die Ausstattung von Gemeinden mit einer Kanalisation für kommunales Abwasser erfüllt, nicht zwangsläufig auch die Anforderungen von Art. 4 dieser Richtlinie erfüllt. Nach Art. 4 muss in Kanalisationen eingeleitetes kommunales Abwasser vor dem Einleiten in Gewässer einer Zweitbehandlung oder einer gleichwertigen Behandlung unterzogen werden, wobei dieses Abwasser den einschlägigen Anforderungen von Anhang I Abschnitt B der Richtlinie entsprechen muss. Im Übrigen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass zum einen die Anforderungen von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 91/271 bei Gemeinden, die keine ausreichenden Kapazitäten in Bezug auf Anlagen für die Zweitbehandlung oder die gleichwertige Behandlung von kommunalem Abwasser aufweisen, nicht eingehalten werden und dass zum anderen die Behandlung von kommunalem Abwasser durch Anlagen, in denen keine ausreichenden Kapazitäten bestehen, nicht als mit Art. 4 Abs. 3 dieser Richtlinie vereinbar angesehen werden kann, da die Einleitung von Wasser, das keiner Behandlung unterzogen wurde, nicht den Anforderungen von Anhang I Abschnitt B der Richtlinie entspricht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2019, Kommission/Irland [System der Sammlung und Behandlung von kommunalem Abwasser], C‑427/17, EU:C:2019:269, Rn. 152 und 154).

27      Gleichwohl konnte sich die Republik Slowenien im Rahmen des Vorverfahrens nicht wirksam gegen die in Rn. 24 des vorliegenden Urteils angeführte Argumentation der Kommission verteidigen, da diese von der Kommission erstmals in ihrer Klageschrift vorgebracht wurde und sich auf eine völlig andere rechtliche und tatsächliche Grundlage stützt als die in Rn. 23 des vorliegenden Urteils wiedergegebene Argumentation der Kommission im Rahmen des Vorverfahrens.

28      Außerdem hätte es entgegen dem Vorbringen der Kommission in ihrer Erwiderung zur Wahrung der Verteidigungsrechte der Republik Slowenien ausgereicht, an diese eine ergänzende mit Gründen versehene Stellungnahme zu richten, ohne dass es der Einleitung eines neuen Vertragsverletzungsverfahrens bedurft hätte.

29      Zum geltend gemachten Verstoß gegen Art. 15 der Richtlinie 91/271 in Bezug auf die Gemeinde Ptuj ist festzustellen, dass die an die Republik Slowenien gerichtete mit Gründen versehene Stellungnahme hierzu keine spezifische Argumentation enthielt.

30      Unter diesen Umständen sind die Anträge der Kommission auf Feststellung eines Verstoßes der Republik Slowenien gegen Art. 4 der Richtlinie 91/271 in Bezug auf die Gemeinden Kočevje, Trbovlje und Tržič sowie gegen Art. 15 dieser Richtlinie in Bezug auf die Gemeinde Ptuj als unzulässig zurückzuweisen.

31      Soweit sich die Kommission in ihrer Klageschrift darauf beschränkt, in Bezug auf die Gemeinden Kočevje, Trbovlje und Tržič geltend zu machen, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen Art. 4 der Richtlinie 91/271 zu einem Verstoß gegen Art. 5 dieser Richtlinie führe, ist schließlich auch der Antrag der Kommission auf Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 5 der Richtlinie als unzulässig zurückzuweisen.

32      Ergänzend sei festgestellt, dass die Kommission in Bezug auf die Gemeinde Ptuj jedenfalls in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, dass die von der Republik Slowenien als Anlage zu ihrer Gegenerwiderung vorgelegten Informationen für die in Rede stehenden Jahre belegten, dass die Gemeinde Ptuj die Anforderungen von Art. 15 der Richtlinie 91/271 erfülle.

 Zur Begründetheit

 Vorbringen der Parteien

33      Die Kommission trägt vor, dass die Republik Slowenien in Bezug auf die Gemeinde Ljubljana die Anforderungen von Art. 4 und 15 der Richtlinie 91/271 nicht erfüllt habe.

34      So habe die Republik Slowenien in ihrer Antwort vom 25. April 2019 auf die mit Gründen versehene Stellungnahme angegeben, dass Veränderungen an den Abwasserbehandlungsanlagen vorgenommen würden, um zu gewährleisten, dass die Situation der Gemeinde Ljubljana mit Art. 4 der Richtlinie 91/271 in Einklang stehe, und klargestellt, dass die Behandlung des kommunalen Abwassers der Gemeinde Ljubljana zum damaligen Zeitpunkt durch zwei Behandlungsanlagen erfolgt sei, von denen nur eine, nämlich die kleinere (die von Brod), die Anforderungen von Art. 4 der Richtlinie 91/271 nicht erfülle. Die Republik Slowenien bestreite folglich insoweit nicht, dass wegen fehlender Infrastruktur gegen die Anforderungen von Art. 4 dieser Richtlinie verstoßen worden sei. Sie behaupte vielmehr, dass der Verstoß gegen diese Bestimmung dadurch behoben werde, dass die Behandlungsanlagen von Brod und Rakova Jelša geschlossen würden und die verbleibende Belastung im Rahmen des vom Kohäsionsfonds kofinanzierten Projekts „Abwasserbeseitigung und Abwasserbehandlung in den Grundwasser leitenden Schichten von Ljubljansko polje [Ebene von Ljubljana]“ der Abwasserbehandlungsanlage von Zalog zugeteilt werde. In derselben Antwort habe die Republik Slowenien in Bezug auf die Gemeinde Ljubljana und die Abwasserbehandlungsanlage von Brod darauf hingewiesen, dass die Bauphase dieses Projekts im Dezember 2020 abgeschlossen sein dürfte und die Betriebsphase im folgenden Jahr beginnen dürfte. In ihrem Schreiben vom 6. März 2020 habe die Republik Slowenien jedoch klargestellt, dass das Projekt erst Ende des Jahres 2023 fertiggestellt werde.

35      Die Anforderungen von Art. 15 der Richtlinie 91/271 seien ebenfalls nicht erfüllt, da aus den von der Republik Slowenien vorgelegten Informationen hervorgehe, dass in Bezug auf die Abwasserbehandlungsanlage von Brod, durch die das kommunale Abwasser der Gemeinde Ljubljana behandelt werde, vier (von insgesamt zwölf) Proben Konzentrationswerte für BSB5 und/oder CSB aufgewiesen hätten, die über den Grenzwerten in der Tabelle 1 in Anhang I Abschnitt D der Richtlinie 91/271 lägen. Während die Konzentrationswerte für BSB5 in drei Proben um mehr als 100 % überschritten worden seien, sei der Konzentrationswert für CSB in einer Probe um mehr als 100 % überschritten worden. Zudem liege die Zahl der Proben, die Abweichungen aufwiesen, über den in dieser Richtlinie festgelegten Grenzen.

36      Nach Ansicht der Republik Slowenien sind die beiden Rügen der Kommission unbegründet.

37      Die Republik Slowenien habe sich in ihren Antworten auf das Aufforderungsschreiben und auf die mit Gründen versehene Stellungnahme dem Vorbringen der Kommission angeschlossen, dass ein Verstoß gegen Art. 4 der Richtlinie 91/271 vorliege, wenn die Werte aus der Abwasserbehandlungsanlage die in dieser Richtlinie festgelegten Grenzwerte überschritten. Dies sei im Übrigen der Grund dafür, dass die Republik Slowenien im Vorverfahren einen Verstoß gegen Art. 4 der Richtlinie 91/271 eingeräumt habe. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebe sich jedoch, dass die Verpflichtung aus Art. 4 der Richtlinie 91/271 erfüllt sei, wenn der betreffende Mitgliedstaat eine Probe vorlegen könne, die den Anforderungen von Anhang I Abschnitt B dieser Richtlinie entspreche. Hinsichtlich der kommunalen Abwasserbehandlungsanlage von Brod, die über eine Technologie zur Zweitbehandlung von Wasser verfüge, ergebe sich aus den von der Republik Slowenien in ihrer Antwort auf das Aufforderungsschreiben und auf die mit Gründen versehene Stellungnahme vorgelegten Ergebnissen des Monitoring des durch diese Anlage behandelten Wassers, dass die in diesem Zusammenhang entnommenen Proben mehrfach den Anforderungen von Anhang I Abschnitt B der Richtlinie 91/271 entsprochen hätten. So habe die Republik Slowenien für das Jahr 2016 sechs Proben und für das Jahr 2018 acht Proben vorgelegt, die keine Abweichungen aufwiesen.

38      In Bezug auf die Abwasserbehandlungsanlage von Brod, um die es in Rn. 34 des vorliegenden Urteils geht, macht die Republik Slowenien geltend, dass deren Modernisierung nicht zweckmäßig oder wirtschaftlich gerechtfertigt sei, da sie im Rahmen der Durchführung des aus Mitteln des Kohäsionsfonds finanzierten Projekts „Abwasserbeseitigung und Abwasserbehandlung in den Grundwasser leitenden Schichten von Ljubljansko polje“ geschlossen werde. Die Belastung aus der Abwasserbehandlungsanlage von Brod werde dann in die öffentliche Kanalisation verlagert, die an die Abwasserbehandlungsanlage von Zalog angeschlossen sei.

39      Die Republik Slowenien betont in diesem Zusammenhang, dass der Teil der Gemeinde Ljubljana, der der Abwasserbehandlungsanlage von Brod zugeordnet sei, keine unkontrollierten Ableitungen von unbehandeltem Wasser in die Umwelt verursacht habe. Die Messungen in Bezug auf die Abwasserbehandlungsanlage von Brod zeigten, dass der größte Teil des Abwassers behandelt werde, da im Jahr 2018 nur vier Proben und im Jahr 2016 nur zwei Proben Abweichungen aufgewiesen hätten.

40      Aus denselben Gründen lasse sich die Verpflichtung der Republik Slowenien, dafür Sorge zu tragen, dass die Einleitungen den in Art. 15 und in Anhang I Abschnitt D der Richtlinie 91/271 genannten Qualitätsnormen entsprächen, für den an die Abwasserbehandlungsanlage von Brod angeschlossenen Teil der Gemeinde Ljubljana nicht erfüllen. Die Republik Slowenien habe allerdings bis zur Fertigstellung des in Rn. 38 des vorliegenden Urteils genannten Projekts dafür gesorgt, dass das Abwasser eines Teils der Gemeinde Ljubljana durch die Abwasserbehandlungsanlage von Brod behandelt werde. Diese Anlage werde von den Aufsichtsbehörden regelmäßig kontrolliert, wobei in diesem Rahmen jedes Jahr zwölf Messungen durchgeführt würden. Im Rahmen dieser regelmäßigen Kontrollen seien für die Jahre 2016 und 2018 die in Rn. 39 des vorliegenden Urteils genannten Ergebnisse ohne Abweichung ermittelt worden.

 Würdigung durch den Gerichtshof

–       Vorbemerkungen

41      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 258 AEUV zwar das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachweisen muss, indem sie dem Gerichtshof alle für die Prüfung dieser Vertragsverletzung erforderlichen Anhaltspunkte liefert, ohne sich auf irgendeine Vermutung stützen zu können. Dabei ist jedoch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Kommission, die über keine eigenen entsprechenden Ermittlungsbefugnisse verfügt, im Rahmen der Prüfung der Frage, ob die nationalen Bestimmungen, mit denen die wirksame Durchführung einer Richtlinie sichergestellt werden soll, in der Praxis korrekt angewandt werden, weitgehend auf die Angaben etwaiger Beschwerdeführer und des betreffenden Mitgliedstaats angewiesen ist (Urteil vom 2. Dezember 2010, Kommission/Portugal, C‑526/09, EU:C:2010:734, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Daraus folgt insbesondere, dass es, wenn die Kommission genügend Anhaltspunkte dafür beigebracht hat, dass die nationalen Bestimmungen zur Umsetzung einer Richtlinie im Hoheitsgebiet des beklagten Mitgliedstaats in der Praxis nicht ordnungsgemäß angewandt werden, dem Mitgliedstaat obliegt, diese Anhaltspunkte und ihre Folgen substantiiert zu bestreiten (Urteil vom 2. Dezember 2010, Kommission/Portugal, C‑526/09, EU:C:2010:734, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist befand, und dass später eingetretene Änderungen vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden können (Urteil vom 28. Januar 2016, Kommission/Portugal, C‑398/14, EU:C:2016:61, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Im vorliegenden Fall wurde der Slowenischen Republik in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 8. März 2019 eine Frist von zwei Monaten nach Erhalt dieser Stellungnahme gesetzt, um ihren Verpflichtungen aus den Art. 4 und 15 der Richtlinie 91/271 nachzukommen. Diese Frist lief daher am 8. Mai 2019 ab.

–       Zur Rüge eines Verstoßes gegen Art. 4 der Richtlinie 91/271

45      Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 91/271 sieht vor, dass das gesamte in Kanalisationen eingeleitete kommunale Abwasser vor dem Einleiten in Gewässer einer Zweitbehandlung oder einer gleichwertigen Behandlung unterzogen werden muss.

46      Nach Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 91/271 ist diese Zweitbehandlung oder gleichwertige Behandlung durch Behandlungsanlagen sicherzustellen, deren Einleitungen den Anforderungen von Anhang I Abschnitt B dieser Richtlinie entsprechen.

47      Insbesondere ergibt sich aus Anhang I Abschnitt B Nr. 4 der Richtlinie 91/271, dass Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen den Anforderungen in Tabelle 1 entsprechen müssen.

48      Nach Anhang XIII der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 2003, L 236, S. 33) hatte die Republik Slowenien ab dem 1. Januar 2011 die Einhaltung dieser Anforderungen für Gemeinden mit mehr als 15 000 EW zu gewährleisten.

49      Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass, wenn die Nichteinhaltung der in Anhang I Abschnitt B der Richtlinie 91/271 und in Tabelle 1 dieses Anhangs vorgeschriebenen BSB/CSB-Normen feststeht, davon auszugehen ist, dass das Abwasser der betreffenden Gemeinde vor der Einleitung nicht angemessen behandelt wird, so dass eine Rüge der Unvereinbarkeit mit Art. 4 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang I Abschnitt B der Richtlinie 91/271 und Tabelle 1 dieses Anhangs in Bezug auf eine solche Gemeinde als begründet anzusehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2019, Kommission/Irland [System der Sammlung und Behandlung von kommunalem Abwasser], C‑427/17, EU:C:2019:269, Rn. 155 und 157).

50      Zudem hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Anforderungen von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 91/271 bei Gemeinden, die keine ausreichenden Kapazitäten in Bezug auf Anlagen für die Zweitbehandlung oder die gleichwertige Behandlung von kommunalem Abwasser aufweisen, nicht eingehalten werden. Da die Einleitung von Wasser, dass keiner Behandlung unterzogen wurde, nicht den Anforderungen von Anhang I Abschnitt B der Richtlinie 91/271 entspricht, kann die Behandlung von kommunalem Abwasser durch Anlagen, in denen keine ausreichenden Kapazitäten bestehen, nicht als mit Art. 4 Abs. 3 dieser Richtlinie vereinbar angesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2019, Kommission/Irland [System der Sammlung und Behandlung von kommunalem Abwasser], C‑427/17, EU:C:2019:269, Rn. 152 und 154).

51      In ihrer Antwort auf die mit Gründen versehene Stellungnahme hat die Republik Slowenien die Behauptung der Kommission nicht bestritten, dass die Abwasserbehandlungsanlage von Brod die Anforderungen von Art. 4 der Richtlinie 91/271 nicht erfülle, da mehrfach Konzentrationswerte für BSB5 festgestellt worden seien, die Abweichungen aufgewiesen hätten. Insbesondere hat die Republik Slowenien eingeräumt, dass die Ergebnisse des in Rn. 37 des vorliegenden Urteils genannten Monitorings zeigten, dass die Abwasserbehandlungsanlage von Brod „keine wirksame Eliminierung von Nährstoffen (tertiäre Behandlung) gewährleiste[te]“.

52      In Erwiderung auf das Vorbringen der Kommission in ihrer Klageschrift, dass die Republik Slowenien den Verstoß gegen die Anforderungen von Art. 4 der Richtlinie 91/271 wegen fehlender Infrastruktur nicht bestreite, hat die Republik Slowenien in ihrer Klagebeantwortung zudem „Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Gemeinde Ljubljana“ eingeräumt, aber hinzugefügt, dass dem im Rahmen der Durchführung des Projekts „Abwasserbeseitigung und Abwasserbehandlung in den Grundwasser leitenden Schichten von Ljubljansko polje“ abgeholfen werde.

53      Unter diesen Umständen ist der Verstoß gegen Art. 4 der Richtlinie 91/271 in Bezug auf die Gemeinde Ljubljana als erwiesen anzusehen.

54      Diese Feststellung kann nicht durch den von der Republik Slowenien in ihrer Klagebeantwortung vorgebrachten Umstand in Frage gestellt werden, dass die Ergebnisse des Monitorings, dem das durch die Abwasserbehandlungsanlage von Brod behandelte Wasser unterzogen wurde, auf die dieser Mitgliedstaat in seiner Antwort auf das Aufforderungsschreiben und auf die mit Gründen versehene Stellungnahme hingewiesen hat, „belegen, dass die Proben mehrfach ordnungsgemäß waren und somit den Anforderungen von Anhang I Abschnitt B der Richtlinie [91/271] entsprachen“.

55      Der Gerichtshof hat zwar entschieden, dass die Verpflichtungen aus Art. 4 der Richtlinie 91/271 als erfüllt anzusehen sind, wenn ein Mitgliedstaat eine Probe vorlegen kann, die den Anforderungen von Anhang I Abschnitt B dieser Richtlinie entspricht (Urteil vom 2. September 2021, Kommission/Schweden [Abwasserbehandlungsanlagen], C‑22/20, EU:C:2021:669, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Diese Rechtsprechung betrifft jedoch Sachlagen, in denen die Kommission nicht bestritten hat, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat ausreichende Kapazitäten zur Behandlung von kommunalem Abwasser vorhanden sind, und der Gerichtshof daher ihr Vorbringen zurückgewiesen hat, wonach dieser Mitgliedstaat zum Nachweis der Übereinstimmung seiner Sachlage mit den Anforderungen von Art. 4 der Richtlinie 91/271 weiter verpflichtet sei, Probenahmen über einen Zeitraum von zwölf Monaten vorzulegen (vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteil vom 10. März 2016, Kommission/Spanien, C‑38/15, EU:C:2016:156, Rn. 24 und 35 bis 39).

57      Wie in Rn. 52 des vorliegenden Urteils ausgeführt, räumt die Republik Slowenien im vorliegenden Fall ein, dass die vorhandenen Kapazitäten für die Behandlung von kommunalem Abwasser in der Gemeinde Ljubljana nicht ausreichten.

58      Zudem hat der Gerichtshof auch entschieden, dass bei Anlagen nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie mit dem Begriff der „optimalen technischen Kenntnisse …, die keine unverhältnismäßig hohen Kosten verursachen“ im Sinne von Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 91/271 im Einklang stehen, wenn der betreffende Mitgliedstaat zum einen ein umfangreiches Programm von Nachrüstarbeiten eingeleitet hat, das beweist, dass technologische Lösungen zur Behebung des Problems der übermäßigen Einleitung von Abwasser zwar bestehen, aber nicht angewandt werden, und der Mitgliedstaat sich zum anderen dafür entschieden hat, solche Arbeiten zu finanzieren, so dass die damit verbundenen Kosten nicht als unverhältnismäßig hoch angesehen werden können (Urteil vom 28. März 2019, Kommission/Irland [System der Sammlung und Behandlung von Abwasser], C‑427/17, EU:C:2019:269, Rn. 120 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Daraus folgt, dass sich die Republik Slowenien im vorliegenden Fall auch nicht mit Erfolg auf den Begriff „die optimalen technischen Kenntnisse …, die keine unverhältnismäßig hohen Kosten verursachen“ berufen kann, da sie sich zum einen im Rahmen des Projekts „Abwasserbeseitigung und Abwasserbehandlung in den Grundwasser leitenden Schichten von Ljubljansko polje“ verpflichtet hat, die Infrastrukturen für die Behandlung von kommunalem Abwasser zu modernisieren, dies jedoch bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist nicht geschehen war, und da sie zum anderen nicht versucht hat, den Nachweis dafür zu erbringen, dass die Kosten für die Nachrüstung der Anlagen für die Behandlung des kommunalen Abwassers dieser Gemeinde möglicherweise unverhältnismäßig hoch sind, weil sie behauptet, dass diese Finanzierung „aus eigenen Mitteln und aus europäischen Mitteln“ sichergestellt werde (vgl. entsprechend Urteil vom 28. März 2019, Kommission/Irland [System der Sammlung und Behandlung von Abwasser], C‑427/17, EU:C:2019:269, Rn. 177).

60      Daher ist davon auszugehen, dass bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist eine Zweitbehandlung oder eine gleichwertige Behandlung des gesamten kommunalen Abwassers, das in Kanalisationen der Gemeinde Ljubljana eingeleitet wird, nicht gewährleistet war und die Anforderungen von Art. 4 in Verbindung mit Anhang I Abschnitt B der Richtlinie 91/271 insoweit nicht erfüllt waren.

–       Zur Rüge eines Verstoßes gegen Art. 15 der Richtlinie 91/271

61      Nach Art. 15 Abs. 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie 91/271 überwachen die zuständigen Behörden oder Stellen des betreffenden Mitgliedstaats die Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen entsprechend dem Kontrollverfahren nach Anhang I Abschnitt D dieser Richtlinie, um die Einhaltung der Anforderungen von Anhang I Abschnitt B der Richtlinie zu überprüfen.

62      Insbesondere geht aus Anhang I Abschnitt D Nr. 4 der Richtlinie 91/271 hervor, dass für das behandelte Abwasser die einschlägigen Werte als eingehalten gelten, wenn für jeden einzelnen untersuchten Parameter die Wasserproben dem betreffenden Wert wie folgt entsprechen: Zum einen darf für die in Anhang I Tabelle 1 und Art. 2 Nr. 7 dieser Richtlinie genannten Parameter die in Anhang I Tabelle 3 genannte höchstzulässige Anzahl von Proben, bei denen die als Konzentrationswerte und/oder prozentuale Verringerung ausgedrückten Anforderungen nach Anhang I Tabelle 1 und Art. 2 Nr. 7 nicht erfüllt sein müssen, nämlich zwei von insgesamt zwölf Probenahmen, nicht überschritten werden. Zum anderen darf für die in Anhang I Tabelle 1 genannten und in Konzentrationswerten ausgedrückten Parameter die Abweichung von den Parameterwerten bei normalen Betriebsbedingungen nicht mehr als 100 % betragen.

63      Die Republik Slowenien beschränkt sich jedoch auf den Hinweis, dass nur zwei der zwölf im Jahr 2016 der Abwasserbehandlungsanlage von Brod entnommenen Proben diesen Anforderungen nicht entsprochen hätten und im Jahr 2018 lediglich vier Proben; die Feststellungen der Kommission, wonach diese vier Proben überdies Konzentrationswerte für BSB5 und/oder CSB aufwiesen, die über den in Anhang I Tabelle 1 der Richtlinie 91/271 festgelegten Grenzwerten lägen, stellt sie nicht in Frage. Im Übrigen räumt sie ein, dass ihre Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass die Einleitungen den in Art. 15 und Anhang I Buchst. D dieser Richtlinie genannten Qualitätsnormen entsprechen, für den an die Abwasserbehandlungsanlage von Brod angeschlossenen Teil der Gemeinde Ljubljana bis zur Fertigstellung des Projekts „Abwasserbeseitigung und Abwasserbehandlung in den Grundwasser leitenden Schichten von Ljubljansko polje“ „nicht erfüllbar“ sei. Unter diesen Umständen ist auch der Verstoß gegen diese Bestimmungen als erwiesen anzusehen.

64      Nach alledem ist festzustellen, dass die Republik Slowenien dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit Anhang I Abschnitt B der Richtlinie 91/271 und aus Art. 15 Abs. 1 erster Gedankenstrich in Verbindung mit Anhang I Abschnitt D dieser Richtlinie verstoßen hat, dass sie nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um in Bezug auf die Gemeinde Ljubljana dafür Sorge zu tragen, dass

–        in Kanalisationen eingeleitetes kommunales Abwasser vor dem Einleiten in Gewässer einer Zweitbehandlung oder einer gleichwertigen Behandlung unterzogen wird und

–        eine geeignete Überwachung der Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen erfolgt.

65      Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

 Kosten

66      Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs trägt jede Partei ihre eigenen Kosten, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

67      Da die Kommission und die Republik Slowenien im vorliegenden Fall jeweils mit einzelnen Rügen unterlegen sind, sind ihnen jeweils ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Republik Slowenien hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit Anhang I Abschnitt B der Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1137/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 geänderten Fassung und aus Art. 15 Abs. 1 erster Gedankenstrich in Verbindung mit Anhang I Abschnitt D dieser Richtlinie in der geänderten Fassung verstoßen, dass sie nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um in Bezug auf die Gemeinde Ljubljana dafür Sorge zu tragen, dass

–        in Kanalisationen eingeleitetes kommunales Abwasser vor dem Einleiten in Gewässer einer Zweitbehandlung oder einer gleichwertigen Behandlung unterzogen wird und

–        eine geeignete Überwachung der Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen erfolgt.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Europäische Kommission und die Republik Slowenien tragen ihre eigenen Kosten.

Unterschriften



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