Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)
3. Juli 2025(* )
„ Rechtsmittel – Restriktive Maßnahmen, die angesichts der Lage in Belarus in Bezug auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte erlassen wurden – Listen von Personen, Organisationen und Einrichtungen, deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren werden – Aufnahme der Namen von fast vollständig im Staatsbesitz stehenden belarussischen Unternehmen in diese Listen und Belassung auf den Listen – Aufnahmekriterium, das an die ‚Unterstützung des Lukaschenko-Regimes‘ anknüpft – Verpflichtung bestimmter im Staatsbesitz oder unter staatlicher Kontrolle stehender belarussischer Unternehmen, einen Teil ihrer Gewinne aufgrund einer verbindlichen staatlichen Maßnahme an den Staat abzuführen “
In der Rechtssache C‑326/24 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 2. Mai 2024,
Grodno Azot AAT mit Sitz in Grodno (Belarus),
Khimvolokno Plant mit Sitz in Grodno,
zunächst vertreten durch L. Engelen, Advocaat, und N. Montag, Avocată, dann durch M. Krestiyanova, Avocate, und N. Montag, Avocată,
Rechtsmittelführerinnen,
andere Partei des Verfahrens:
Rat der Europäischen Union , vertreten durch A. Antoniadis und A. Boggio-Tomasaz als Bevollmächtigte,
Beklagter im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. L. Arastey Sahún sowie der Richter D. Gratsias, E. Regan, J. Passer und B. Smulders (Berichterstatter),
Generalanwältin: L. Medina,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund der nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Entscheidung, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Grodno Azot AAT und die Khimvolokno Plant die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 21. Februar 2024, Grodno Azot und Khimvolokno Plant/Rat (T‑117/22, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2024:112), mit dem das Gericht ihre Klage abgewiesen hat, die auf die Nichtigerklärung von vier Rechtsakten (im Folgenden zusammen: streitige Rechtsakte), soweit diese sie betreffen, gerichtet war, nämlich erstens des Durchführungsbeschlusses (GASP) 2021/2125 des Rates vom 2. Dezember 2021 zur Durchführung des Beschlusses 2012/642/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Belarus (ABl. 2021, L 430 I, S. 16) sowie der Durchführungsverordnung (EU) 2021/2124 des Rates vom 2. Dezember 2021 zur Durchführung des Artikels 8a Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 765/2006 über restriktive Maßnahmen gegen Belarus (ABl. 2021, L 430 I, S. 1) (im Folgenden zusammen: streitige ursprüngliche Rechtsakte) und zweitens des Beschlusses (GASP) 2023/421 des Rates vom 24. Februar 2023 zur Änderung des Beschlusses 2012/642/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Belarus und der Beteiligung von Belarus an der Aggression Russlands gegen die Ukraine (ABl. 2023, L 61, S. 41) sowie der Durchführungsverordnung (EU) 2023/419 des Rates vom 24. Februar 2023 zur Durchführung des Artikels 8a der Verordnung (EG) Nr. 765/2006 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Belarus und der Beteiligung von Belarus an der Aggression Russlands gegen die Ukraine (ABl. 2023, L 61, S. 20) (im Folgenden zusammen: streitige Fortsetzungsrechtsakte).
Rechtlicher Rahmen und Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 Für die Zwecke des vorliegenden Rechtsmittels lässt sich der tatsächliche und rechtliche Kontext der vorliegenden Rechtssache, wie er in den Rn. 2 bis 17 des angefochtenen Urteils ausgeführt wird, wie folgt zusammenfassen.
3 Die vorliegende Rechtssache steht im Zusammenhang mit den restriktiven Maßnahmen, die angesichts der ernsten Lage in Belarus in Bezug auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte seit 2004 von der Europäischen Union erlassen wurden.
4 Am 18. Mai 2006 erließ der Rat der Europäischen Union die Verordnung (EG) Nr. 765/2006 über restriktive Maßnahmen gegen Präsident Lukaschenko und verschiedene belarussische Amtsträger (ABl. 2006, L 134, S. 1), deren Titel gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 588/2011 des Rates vom 20. Juni 2011 (ABl. 2011, L 161, S. 1) folgende Fassung erhielt: „Verordnung (EG) Nr. 765/2006 des Rates vom 18. Mai 2006 über restriktive Maßnahmen gegen Belarus.“
5 Am 15. Oktober 2012 erließ der Rat den Beschluss 2012/642/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Belarus (ABl. 2012, L 285, S. 1).
6 Art. 4 Abs. 1 dieses Beschlusses lautet:
„Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Besitz oder im Eigentum folgender im Anhang aufgeführter Personen, Organisationen oder Einrichtungen stehen oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren:
a) Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen oder die Repressionen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition verantwortlich sind oder deren Aktivitäten die Demokratie oder die Rechtsstaatlichkeit in Belarus auf andere Weise ernsthaft untergraben, oder mit ihnen in Verbindung stehende natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen sowie die in ihrem Eigentum stehenden und von ihnen kontrollierten juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen,
b) natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die von dem Lukaschenko-Regime profitieren oder es unterstützen, sowie die in ihrem Eigentum stehenden oder von ihnen kontrollierten juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen.“
7 Art. 2 Abs. 4 und 5 der Verordnung Nr. 765/2006 in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1014/2012 des Rates vom 6. November 2012 (ABl. 2012, L 307, S. 1) geänderten Fassung verweist auf Art. 4 Abs. 1 Buchst. a und b des Beschlusses 2012/642 und sieht dieselben Kriterien wie dieser für die Aufnahme in die Listen der Personen, Organisationen und Einrichtungen vor, deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren werden, u. a. das Kriterium der „Unterstützung“ des „Lukaschenko-Regimes“ (im Folgenden: Kriterium der Unterstützung des Lukaschenko-Regimes).
8 Am 2. Dezember 2021 erließ der Rat die streitigen ursprünglichen Rechtsakte. In deren jeweiligem viertem Erwägungsgrund heißt es: „Angesichts der ernsten Lage in Belarus sollten 17 Personen und 11 Organisationen in die … Liste der natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen, die restriktiven Maßnahmen unterliegen, aufgenommen werden“ bzw. „Angesichts der ernsten Lage in Belarus sollten 17 Personen und 11 Organisationen in die … Liste natürlicher und juristische[r] Personen, Einrichtungen und Organisationen, die restriktiven Maßnahmen unterliegen, aufgenommen werden.“
9 Mit den streitigen ursprünglichen Rechtsakten wurde der Liste im Anhang des Beschlusses 2012/642 und der Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 765/2006 (im Folgenden zusammen: streitige Listen) jeweils unter B. die Eintragung „Offene Aktiengesellschaft ‚Grodno Azot‘[, e]inschließlich des Zweigunternehmens ‚Khimvolokno Plant‘ JSC ‚Grodno Azot‘“ hinzugefügt, was wie folgt begründet wurde (im Folgenden: Begründung):
„Grodno Azot ist ein großer belarussischer staatseigener Hersteller von Stickstoffverbindungen mit Sitz in Grodno. Lukas[c]henk[o] hat es als ‚ein sehr wichtiges, ein strategisches Unternehmen‘ bezeichnet. Im Besitz von Grodno Azot befindet sich auch Khimvolokno Plant, ein großer Hersteller von Polyamid und Polyester sowie Verbundwerkstoffen. Grodno Azot und sein Khimvolokno Plant sind eine Quelle erheblicher Einnahmen für das Lukas[c]henk[o]-Regime. Damit unterstützt Grodno Azot das Lukas[c]henk[o]-Regime.
Lukas[c]henk[o] hat das Unternehmen besucht, ist mit seinen Vertretern zusammengetroffen und hat dabei die Modernisierung der Fabrik und verschiedene Formen der staatlichen Unterstützung besprochen. Lukas[c]henk[o] hat außerdem versprochen, für den Bau einer neuen Stickstoffanlage in Grodno werde ein Darlehen verwendet. Damit profitiert Grodno Azot vom Lukas[c]henk[o]-Regime.
Diejenigen Beschäftigten von Grodno Azot – einschließlich der Beschäftigten von Khimvolokno Plant –, die an friedlichen Protesten gegen das Regime teilgenommen und gestreikt hatten, wurden entlassen und von der Unternehmensführung von Grodno Azot und Vertretern des Regimes eingeschüchtert und bedroht. Daher ist Grodno Azot für Repressionen gegen die Zivilgesellschaft verantwortlich.“
10 Am 24. Februar 2023 erließ der Rat die streitigen Fortsetzungsrechtsakte, mit denen er die Namen der Rechtsmittelführerinnen aus im Wesentlichen denselben Gründen wie in den streitigen ursprünglichen Rechtsakten auf den streitigen Listen beließ.
Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
11 Mit Klageschrift vom 2. März 2022, wie sie später angepasst wurde, beantragten die Rechtsmittelführerinnen beim Gericht die Nichtigerklärung der streitigen Rechtsakte, soweit diese sie betreffen. Dabei stützten sie sich in Bezug auf jeden dieser Rechtsakte auf zwei Klagegründe, mit denen sie im Wesentlichen eine fehlerhafte Tatsachenwürdigung und einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 Buchst. a und b des Beschlusses 2012/642 rügten.
12 Das Gericht hat ihre Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen.
13 Es hat insoweit, was als Erstes den Antrag auf teilweise Nichtigerklärung der streitigen ursprünglichen Rechtsakte betraf, in einem ersten Schritt in Rn. 38 des angefochtenen Urteils aus verschiedenen von den Rechtsmittelführerinnen und vom Rat im Verfahren vor ihm vorgetragenen Sachgesichtspunkten, aber auch aus auf einer Website veröffentlichten Informationen, die in den Rn. 33 bis 37 jenes Urteils angeführt werden, abgeleitet, dass dem Rat keine fehlerhafte Tatsachenwürdigung unterlaufen sei, als er davon ausgegangen sei, dass Grodno Azot ein großes staatseigenes Unternehmen sei, das von Präsident Lukaschenko als „ein sehr wichtiges, ein strategisches Unternehmen“ bezeichnet worden sei, dass sich Khimvolokno Plant im Besitz von Grodno Azot befinde und dass beide eine Quelle erheblicher Einnahmen für das Lukaschenko-Regime seien.
14 In einem zweiten Schritt hat das Gericht in den Rn. 44 bis 63 des angefochtenen Urteils nach und nach das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen geprüft, mit dem sie sich gegen die Einstufung der in Rn. 38 jenes Urteils genannten Umstände als Unterstützung des Lukaschenko-Regimes wandten, und ist daraufhin in Rn. 64 des Urteils zu dem Ergebnis gelangt, dass der Rat rechtsfehlerfrei der Ansicht gewesen sei, dass die Stellung der Rechtsmittelführerinnen in der belarussischen Wirtschaft, der Umstand, dass sie im Staatsbesitz stünden, sowie die Tatsache, dass sie eine Quelle erheblicher Einnahmen für das Lukaschenko-Regime seien, zusammen genommen ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme darstellten, dass sie dieses Regime im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 unterstützten.
15 Insbesondere hat das Gericht erstens in den Rn. 47 und 48 des angefochtenen Urteils befunden, dass sich entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen aus der Begründung der streitigen ursprünglichen Rechtsakte ergebe, dass sich zum einen der Rat für seine Auffassung, dass sie das Lukaschenko-Regime unterstützten, nicht allein darauf gestützt habe, dass sie im Besitz des belarussischen Staates stünden, sondern dabei auch eine Reihe von Punkten berücksichtigt habe, zu denen ihre Rolle als Quelle erheblicher Einnahmen für dieses Regime gehöre, und dass zum anderen der Rat nicht davon ausgegangen sei, dass jedes staatseigene Unternehmen automatisch eine Einnahmequelle für das Regime sei, sondern berücksichtigt habe, dass der Umstand, dass die Rechtsmittelführerinnen eine Einnahmequelle für das Regime seien, zu dem Umstand hinzukomme, dass sie im Staatsbesitz stünden.
16 In diesem Zusammenhang hat das Gericht in den Rn. 49 und 50 des angefochtenen Urteils insbesondere auf seine Rechtsprechung zum klaren und genauen Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642, der auf Personen, Organisationen und Einrichtungen, die das „Lukaschenko-Regime … unterstützen“, abstelle, sowie auf das mit dieser Bestimmung verfolgte Ziel verwiesen.
17 Im Übrigen hat das Gericht in den Rn. 51 und 52 des angefochtenen Urteils gestützt auf den Wortlaut des sechsten Erwägungsgrundes des Beschlusses 2012/642 festgestellt, dass Art. 4 Abs. 1 Buchst. b dieses Beschlusses nicht nur die politische Unterstützung dieses Regimes, sondern auch dessen finanzielle oder materielle Unterstützung erfasse.
18 Zweitens hat das Gericht in den Rn. 54 bis 56 des angefochtenen Urteils das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zurückgewiesen, sie hätten keine Kontrolle über die Verwendung der an den belarussischen Staat abgeführten Mittel und diese dienten nicht der Finanzierung der persönlichen Ausgaben von Präsident Lukaschenko. In Rn. 57 jenes Urteils ist es sodann zu dem Ergebnis gelangt, dass der Rat, nachdem er im Hinblick auf die Anwendung des Kriteriums der Unterstützung des Regimes festgestellt habe, dass die Rechtsmittelführerinnen eine Einnahmequelle für das Lukaschenko-Regime seien, insofern nicht habe nachweisen müssen, dass sie aufgrund ihrer finanziellen Beiträge für Menschenrechtsverletzungen, die Untergrabung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit oder die Repressionen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition verantwortlich seien.
19 Drittens hat das Gericht in den Rn. 59 bis 63 des angefochtenen Urteils das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zurückgewiesen, wonach die Dividenden, die sie nach dem Erlass des Präsidenten der Republik Belarus Nr. 637 vom 28. Dezember 2005 über das Verfahren zur Einstellung eines Teils der Gewinne der Staatsunternehmen und der staatlichen Vereinigungen, die Handelsorganisationen sind, sowie der Einnahmen aus Dividenden (der Anteile am Gesellschaftskapital) der vom Staat oder den Gemeinden gehaltenen Wirtschaftsunternehmen in den Haushalt und die Bildung eines zweckspezifischen staatlichen Haushaltsfonds für nationale Entwicklung (Nationales Rechtsaktregister der Republik Belarus Nr. 1/7075 vom 29. Dezember 2005, im Folgenden: Erlass Nr. 637/2005) bei Gewinnerzielung an den belarussischen Staat ausschütten müssten, „Steuern“ gleichzustellen seien und daher nach der u. a. aus dem Urteil vom 6. Oktober 2015, Chyzh u. a./Rat (T‑276/12, EU:T:2015:748, Rn. 169), hervorgegangenen Rechtsprechung des Gerichts keine Unterstützung des Lukaschenko-Regimes im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 darstellen könnten.
20 Insoweit hat das Gericht zum einen in Rn. 61 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass sich aus § 1.1 des Erlasses Nr. 637/2005 ergebe, dass die Verpflichtung, einen Teil der Gewinne an den Staat oder an unterhalb der staatlichen Ebene angesiedelte Einheiten abzuführen, nur eine abgegrenzte Kategorie von Wirtschaftsteilnehmern betreffe und nicht die Gesamtheit der belarussischen Steuerpflichtigen.
21 Zum anderen hat das Gericht in Rn. 62 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, dass sich nach dem Wortlaut von § 1.2 des Erlasses Nr. 637/2005 die Zahlung, um die es gehe, formal von den Steuern unterscheide und zu diesen hinzukomme.
22 Das Gericht hat daraus in Rn. 63 des angefochtenen Urteils den Schluss gezogen, dass der Umstand, dass die Rechtsmittelführerinnen aufgrund des Erlasses Nr. 637/2005 verpflichtet gewesen seien, einen Teil ihrer Gewinne an den Staat abzuführen, nicht im Widerspruch zu der Beurteilung stehe, dass sie das Lukaschenko-Regime finanziell unterstützten, sondern diese Beurteilung bestätige, da das Regime mit diesem Erlass die von ihm als alleiniger Anteilseigner bereits ausgeübte Kontrolle über die Mittel der Rechtsmittelführerinnen weiter erhöht habe, indem es sichergestellt habe, regelmäßig über einen Teil der von ihnen erzielten Gewinne zu verfügen.
23 Was als Zweites den Antrag auf teilweise Nichtigerklärung der streitigen Fortsetzungsrechtsakte betrifft, hat das Gericht in Rn. 74 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass zwei im Internet veröffentlichte Artikel in die vom Rat anlässlich des Erlasses dieser Rechtsakte angelegte Akte aufgenommen worden seien. Dem ersten, am 18. April 2022 veröffentlichten Artikel zufolge habe Grodno Azot nach einem im Jahr 2020 verzeichneten Verlust im Jahr 2021 einen Nettogewinn von fast 530 000 000 belarussischen Rubel (BYN) (etwa 175 000 000 Euro) erwirtschaftet und die Zahlung von Dividenden in Höhe von mehr als 100 000 000 BYN (etwa 33 195 000 Euro) angekündigt. Nach dem zweiten, am 20. Oktober 2022 veröffentlichten Artikel habe der belarussische Wirtschaftsminister erklärt, dass die Einnahmen von Grodno Azot zwischen Januar und August 2022 um fast 20 % gestiegen seien. Das Gericht hat festgehalten, dass die Rechtsmittelführerinnen die Richtigkeit dieser Informationen nicht in Frage gestellt hätten. Es hat daraus in Rn. 75 des angefochtenen Urteils den Schluss gezogen, dass der Rat keinen Beurteilungsfehler begangen habe, als er nach einer Überprüfung der Lage der Rechtsmittelführerinnen die Auffassung vertreten habe, dass diese eine Quelle erheblicher Einnahmen für das Lukaschenko-Regime seien.
Anträge der Parteien
24 Die Rechtsmittelführerinnen beantragen beim Gerichtshof,
– das angefochtene Urteil aufzuheben;
– den Rechtsstreit selbst endgültig zu entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist;
– hilfsweise, die Rechtssache zur erneuten Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen, und
– dem Rat die Kosten des Verfahrens vor dem Gerichtshof und die Kosten des Verfahrens vor dem Gericht aufzuerlegen.
25 Der Rat beantragt,
– das Rechtsmittel zurückzuweisen;
– hilfsweise, für den Fall, dass der Gerichtshof entscheiden sollte, das angefochtene Urteil aufzuheben und selbst eine endgültige Entscheidung zu erlassen, die Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Rechtsakte abzuweisen, und
– den Rechtsmittelführerinnen die Kosten sowohl des Verfahrens im ersten Rechtszug als auch des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.
Zum Rechtsmittel
26 Die Rechtsmittelführerinnen stützen ihr Rechtsmittel auf vier Gründe. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund wird ein Verstoß gegen die Beweislastgrundsätze und ‑regeln gerügt. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund wird ein falsches Verständnis von Wesen und Funktion der Dividenden im vorliegenden Fall und in jeder Steuerregelung beanstandet. Mit dem dritten Rechtsmittelgrund wird ein offensichtlicher Beurteilungsfehler dahin geltend gemacht, dass nicht geprüft worden sei, ob die angebliche wirtschaftliche Unterstützung „erheblich“ sei. Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführerinnen einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642.
Zum ersten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Parteien
27 Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund, der sich auf die Rn. 32, 36 bis 39, 42, 47, 48, 52, 55 und 57 des angefochtenen Urteils bezieht, machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es sich für seine Schlussfolgerung, dass der Rat mit der Feststellung, dass sie eine Quelle erheblicher Einnahmen für das Lukaschenko-Regime seien, keinen Beurteilungsfehler begangen habe, ausschließlich auf die Informationen über die Dividenden gestützt habe, obwohl diese in der ersten Beweisakte des Rates nicht enthalten gewesen und auch nicht angesprochen worden seien. Damit habe das Gericht den vom Rat für das Kriterium der Unterstützung des Regimes angeführten Benennungsgrund rückwirkend gerechtfertigt, worin eine Umkehr der Beweislast sowie ein Verstoß gegen weitere Beweisgrundsätze und ‑regeln lägen. Der Rat müsse, wenn er die Verhängung einer restriktiven Maßnahme beschließe, in der ursprünglichen Beweisakte über alles hierfür Relevante verfügen, was im vorliegenden Fall hinsichtlich der vorstehend genannten Informationen offenkundig nicht der Fall sei.
28 Die erste Beweisakte des Rates enthalte als angebliche Nachweise dafür, dass sie eine „Quelle erheblicher Einnahmen für das Lukaschenko-Regime“ seien, lediglich einen Auszug aus ihrer Website mit Angaben über ihre Größe sowie Informationen über ihre Nettogewinne im Jahr 2018 und ihre Umsätze im Jahr 2020. Nichts davon erkläre aber auch nur annähernd, wie sie dieses Regime in erheblichem Umfang wirtschaftlich unterstützt hätten.
29 Insbesondere sei in dieser ersten Akte nicht einmal mittelbar auf die von ihnen an den belarussischen Staat gezahlten Dividenden Bezug genommen worden. Beweise in Bezug auf die Dividenden seien von ihnen in ihrer Klageschrift vorgelegt worden. Das Gericht habe zwar diese Beweise als ergänzende Beweise dargestellt, doch ergebe sich aus den Rn. 52 und 55 des angefochtenen Urteils, dass es seine Schlussfolgerung, dass sie das Regime als erhebliche Einnahmequelle unterstützten, allein auf diese Beweise gestützt habe.
30 Somit habe sich das Gericht unter Missachtung der im Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi (C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 120 und 121), ausgeführten Grundsätze zur Beweislast auf Beweise gestützt, von denen der Rat vor dem 2. März 2022, dem Tag, an dem sie diese vorgelegt hätten, keine Kenntnis gehabt habe, während die Benennung vom 2. Dezember 2021 datiere.
31 Sollte sich aus der Rechtsprechung des Gerichts ergeben, dass dieses sich nicht nur auf entlastende, sondern auch auf belastende Beweise, die ein Kläger vorgelegt habe, stützen könne, um die Beweise zu erhärten oder zu bekräftigen, auf die der Rat die betreffenden restriktiven Maßnahmen gestützt habe, so gebe es im vorliegenden Fall keinen zu erhärtenden oder zu bekräftigenden Beweis. Das Gericht habe sich nämlich schlicht auf Beweise gestützt, die in der Beweisakte des Rates nicht einmal angesprochen worden seien, und damit die vom Rat gegebene Begründung faktisch neu gefasst.
32 Folglich habe das Gericht die Grundsätze und Regeln über die Beweislast missachtet, indem es festgestellt habe, dass der in der Begründung beschriebene Sachverhalt, der die Behauptung stütze, dass sie „eine Quelle erheblicher Einnahmen für das Lukaschenko-Regime“ seien, zum einen erwiesen sei und zum anderen von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 erfasst werde.
33 Der Rat tritt dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen entgegen.
Würdigung durch den Gerichtshof
34 Im Hinblick auf die Prüfung, ob das Gericht die Regeln über die Beweislast auf dem Gebiet der restriktiven Maßnahmen verkannt hat, ist daran zu erinnern, dass die Unionsgerichte im Rahmen der Kontrolle solcher Maßnahmen im Einklang mit den Befugnissen, die ihnen aufgrund der Verträge zustehen, eine grundsätzlich umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit sämtlicher Handlungen der Union gewährleisten müssen (Urteil vom 29. November 2018, Bank Tejarat/Rat, C‑248/17 P, EU:C:2018:967, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).
35 Die durch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährleistete Effektivität der gerichtlichen Kontrolle erfordert, dass sich der Unionsrichter, wenn er die Rechtmäßigkeit der Begründung prüft, die der Entscheidung über die Aufnahme des Namens einer Person in die Liste der restriktiven Maßnahmen unterliegenden Personen zugrunde liegt, vergewissert, dass diese Entscheidung, die eine individuelle Betroffenheit der betreffenden Person begründet, auf einer hinreichend gesicherten Tatsachengrundlage beruht. Dies setzt im vorliegenden Fall eine Überprüfung der Tatsachen voraus, die in der den angefochtenen Handlungen zugrunde liegenden Begründung angeführt werden, so dass sich die gerichtliche Kontrolle nicht auf die Beurteilung der abstrakten Wahrscheinlichkeit der angeführten Gründe beschränkt, sondern auf die Frage bezieht, ob diese Gründe – oder zumindest einer von ihnen, der für sich genommen als ausreichend angesehen wird, um diese Handlungen zu stützen – erwiesen sind. Außerdem ist es im Streitfall Sache der zuständigen Unionsbehörde, die Stichhaltigkeit der gegen die betroffene Person angeführten Gründe nachzuweisen, und nicht Sache der betroffenen Person, den negativen Nachweis zu erbringen, dass diese Gründe nicht stichhaltig sind (Urteil vom 29. November 2018, Bank Tejarat/Rat, C‑248/17 P, EU:C:2018:967, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).
36 Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsmittelführerinnen, wie in Rn. 37 des angefochtenen Urteils festgestellt, in ihren beim Gericht eingereichten Schriftsätzen einräumten, von 2018 bis 2020 einen Teil ihrer Gewinne an den belarussischen Staat abgeführt zu haben, und dass sie Unterlagen zu den entsprechenden Zahlungen vorlegten. Damit bestätigten sie den wesentlichen Umstand, dass sie für das Lukaschenko-Regime eine Einnahmequelle waren.
37 Wie sich aus der oben in Rn. 35 angeführten Rechtsprechung ergibt, oblag es dem Rat unter diesen Umständen nicht, Beweise für diesen wesentlichen, die Stichhaltigkeit der Begründung belegenden Umstand beizubringen.
38 Dass die Rechtsmittelführerinnen die Informationen über die besagten Zahlungen als „entlastende“ Gesichtspunkte darstellten, ist, wie das Gericht in Rn. 37 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt hat, unerheblich.
39 Daher kann nicht davon die Rede sein, dass das Gericht die dem Rat obliegende Beweislast umgekehrt hätte, indem es namentlich diese von den Rechtsmittelführerinnen im Laufe des Verfahrens vorgelegten Informationen über die Abführung eines Teils ihrer Gewinne an den belarussischen Staat berücksichtigt hat, um festzustellen, ob die betreffenden Zahlungen eine Unterstützung des Lukaschenko-Regimes darstellten, die die Aufnahme der Rechtsmittelführerinnen in die Liste der Personen und Organisationen, die restriktiven Maßnahmen in Form des Einfrierens von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen unterliegen, rechtfertigte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. November 2018, Bank Tejarat/Rat, C‑248/17 P, EU:C:2018:967, Rn. 41).
40 Soweit die Rechtsmittelführerinnen die Bedeutung dessen hervorheben, dass die Angaben zur Abführung eines Teils ihrer Gewinne in der Begründung des Rates vorkommen oder in der zur Flankierung dieser Begründung eingereichten Akte vermerkt sein müssten und somit vom Rat bei Erlass der betreffenden restriktiven Maßnahme auch ausdrücklich berücksichtigt worden sein müssten, was ihre Nachreichung ausschließe, scheinen sie in Wirklichkeit ein Argument geltend zu machen, mit dem gerügt wird, dass das Gericht es zu Unrecht unterlassen habe, einen Verstoß des Rates gegen das in Art. 296 AEUV vorgesehene Begründungserfordernis festzustellen.
41 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs dient insoweit die Pflicht zur Begründung eines beschwerenden Rechtsakts, die aus dem Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte folgt, zum einen dazu, den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob der Rechtsakt sachlich richtig oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der seine Anfechtung vor den Unionsgerichten zulässt, und zum anderen dazu, den Unionsgerichten die Prüfung der Rechtmäßigkeit dieses Rechtsakts zu ermöglichen (Urteil vom 15. November 2012, Rat/Bamba, C‑417/11 P, EU:C:2012:718, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).
42 Im Übrigen hat der Gerichtshof namentlich zu Rechtsakten, mit denen restriktive Maßnahmen verhängt werden, bereits entschieden, dass es unerheblich ist, dass in diesen Rechtsakten bestimmte Zahlungen etwa nicht ausdrücklich erwähnt wurden, um zu beschreiben, wie und in welchem Umfang die Regierung des Drittstaats, die solchen Maßnahmen unterliegt, finanziell unterstützt wird. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist nämlich die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts ausreichend ist, anhand des Kontexts dieses Rechtsakts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet zu beurteilen, so dass ein beschwerender Rechtsakt hinreichend begründet ist, wenn er in einem Zusammenhang ergangen ist, der dem Betroffenen bekannt war und ihm gestattet, die ihm gegenüber getroffene Maßnahme zu verstehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Mai 2016, Bank of Industry and Mine/Rat, C‑358/15 P, EU:C:2016:338, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).
43 In Anbetracht der den Rechtsmittelführerinnen in der Begründung und in der Akte des Rates zuteil gewordenen Informationen, nämlich im Wesentlichen der Informationen, die darauf abstellen, dass sie als staatseigene Unternehmen offenkundig aufgrund der Abführung eines Teils ihrer Gewinne an den belarussischen Staat als finanzielle Unterstützer des Lukaschenko-Regimes anzusehen seien, waren die streitigen Rechtsakte aber mit einer hinreichenden Begründung versehen. Denn zum einen konnten die Rechtsmittelführerinnen vor dem Gericht bestreiten – und taten dies auch –, dass die betreffenden Zahlungen, die, woran zu erinnern ist, von ihnen selbst aufgeworfen worden waren, für die Anwendung des Kriteriums der Unterstützung des Lukaschenko-Regimes einschlägig sind, und zum anderen hat diese Begründung es dem Gericht ermöglicht, die Rechtmäßigkeit dieser Rechtsakte zu überprüfen.
44 Demnach ist der erste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
Zum zweiten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Parteien
45 Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund, der sich auf die Rn. 60 bis 67 des angefochtenen Urteils bezieht, machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es ihr Vorbringen zurückgewiesen habe, dass die aufgrund des Erlasses Nr. 637/2005 an den belarussischen Staat ausgeschütteten Dividenden in Anbetracht ihres Wesens und ihrer Funktion Steuern gleichzustellen seien, so dass sie nach der Rechtsprechung des Gerichts grundsätzlich keine Unterstützung des Lukaschenko-Regimes im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 darstellen könnten. Damit habe das Gericht ein falsches Verständnis von Wesen und Funktion nicht nur der vorliegend in Rede stehenden – obligatorischen – Dividenden, sondern auch jeder Steuerregelung, ganz gleich, um welchen Staat es gehe, an den Tag gelegt, indem es nämlich die Gleichstellung dieser Dividenden mit Steuern mit der Begründung abgelehnt habe, dass die Steuern für alle belarussischen Steuerpflichtigen gälten, während die Berechnung der fraglichen Dividenden einer besonderen, im Erlass Nr. 637/2005 festgelegten Berechnungsgrundlage folge und ihre Zahlung nur eine spezifische Kategorie von Rechtssubjekten betreffe.
46 Als Erstes entrichteten entgegen den Feststellungen des Gerichts nicht alle belarussischen Steuerpflichtigen die gleichen Steuern. Sämtliche Steuerregelungen weltweit bestimmten den Gegenstand der betreffenden Steuer sowie die steuerpflichtigen Personen, und vorliegend seien es die belarussischen Staatsunternehmen, die verpflichtet seien, obligatorische Dividenden auszuschütten. Außerdem unterscheide der Erlass Nr. 637/2005 verschiedene Kategorien von Staatsunternehmen, nämlich Unternehmen, die vollständig im Staatsbesitz stünden, und Unternehmen, an denen der Staat mindestens 50 % der Anteile halte. Zahlreiche Steuern in Belarus, wie z. B. die obligatorischen Dividenden, zielten auf bestimmte Kategorien von Personen ab. Die Verpflichtung staatseigener Unternehmen zur Zahlung obligatorischer Dividenden unterscheide sich nicht von der selektiven Auferlegung anderer Steuern.
47 Als Zweites habe das Gericht in Rn. 62 des angefochtenen Urteils nicht berücksichtigt, dass die Berechnung der obligatorischen Dividenden in Belarus wie bei jeder anderen belarussischen Steuer und wie auch weltweit üblich ausgehend von einer bestimmten Berechnungsgrundlage, hier geregelt in § 1.2 Abs. 2 des Erlasses Nr. 637/2005, erfolge.
48 Als Drittes stehe die Schlussfolgerung des Gerichts in Rn. 63 des angefochtenen Urteils, wonach der belarussische Staat „als alleiniger Anteilseigner“ mit der Vorgabe einer obligatorischen Gewinnausschüttung seine Kontrolle über Unternehmen wie die Rechtsmittelführerinnen nur weiter erhöht habe, im Widerspruch zu Rn. 33 jenes Urteils, wo es heiße, dass der belarussische Staat nur „99,96 % [des Grundkapitals der Rechtsmittelführerinnen]“ halte.
49 Diese Schlussfolgerung sei auch unlogisch, da ein Staat als alleiniger oder auch mehrheitlicher Anteilseigner von Unternehmen die Kontrolle über diese bereits innehabe und nicht erhöhen könne. So könne der Staat einseitig über die Ausschüttung der Dividenden entscheiden.
50 Als Viertes gebe es weitere, vom Gericht außer Acht gelassene Gesichtspunkte, die bestätigten, dass es sich bei den obligatorischen Dividenden in Belarus um Steuern handle.
51 Erstens falle die Einziehung der obligatorischen Dividenden in Belarus gemäß den anwendbaren Steuerverfahren in die Zuständigkeit der Steuerbehörden. Zweitens orientiere sich der Ansatz, Dividenden nach der Körperschaftsteuer einzuziehen, am Grundsatz der Besteuerung von außerordentlichen Gewinnen. Drittens gründeten einige belarussische Steuern auf anderen Rechtsakten als dem Steuergesetzbuch. Viertens werde die Nichtzahlung oder verspätete Zahlung der obligatorischen Dividenden in gleicher Weise geahndet wie die Nichtzahlung oder verspätete Zahlung der Steuern. Fünftens würden die obligatorischen Dividenden und die Körperschaftsteuer an denselben Empfänger und auf dasselbe Bankkonto gezahlt. Sechstens könne eine Schuld im Zusammenhang mit der Zahlung der obligatorischen Dividenden wie bei jeder anderen Steuer mit einer Forderung aufgerechnet werden, die sich aus einer Überzahlung im Zusammenhang mit einer anderen Steuer wie z. B. der Körperschaftsteuer ergebe. Siebtens laste im Gegensatz zu den gewöhnlichen Dividenden, bei denen die ausschüttende Gesellschaft als Steueragent tätig werde und auf die ausgeschütteten Dividenden die Steuern einbehalte, die sie an die Staatskasse abführe, gemäß dem in Art. 166 des belarussischen Steuergesetzbuchs verankerten Grundsatz, dass es keine Steuer auf die Steuer geben könne, auf den belarussischen obligatorischen Dividenden keine Steuer.
52 Der Rat macht geltend, das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen sei teilweise unzulässig – soweit es sich gegen die Tatsachenfeststellungen enthaltenden Rn. 61 und 62 des angefochtenen Urteils richte – und teilweise unbegründet. Hilfsweise macht er die Unbegründetheit dieses Vorbringens geltend.
Würdigung durch den Gerichtshof
53 Wie das Gericht in Rn. 37 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, „räum[en]“ die Rechtsmittelführerinnen in ihren Schriftsätzen „ein“, an den belarussischen Staat, der nahezu das gesamte Kapital von Grodno Azot hält, „Dividenden ausgeschüttet zu haben“, und haben im Übrigen ein Dokument vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass Grodno Azot Dividenden in Höhe von 8 481 000 BYN (etwa 3 526 000 Euro) im Jahr 2018, in Höhe von 34 200 000 BYN (etwa 14 604 000 Euro) im Jahr 2019 und in Höhe von 6 835 000 BYN (etwa 2 462 000 Euro) im Jahr 2020 an den Haushalt der Republik Belarus ausgeschüttet hat.
54 Das Gericht konnte daher in Rn. 64 des angefochtenen Urteils berechtigterweise befinden, dass der Rat rechtsfehlerfrei davon ausgegangen sei, dass die Rechtsmittelführerinnen „eine Quelle erheblicher Einnahmen für das Lukaschenko-Regime“ seien und dass dieser Umstand zusammen mit ihrer Stellung in der belarussischen Wirtschaft und der Tatsache, dass sie zu 99,96 % ihres Kapitals im Staatsbesitz stünden, hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme darstellten, dass sie das Regime im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 unterstützten, da diese Bestimmung insbesondere auf Personen und Organisationen abstelle, die dieses Regime finanziell unterstützten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Mai 2016, Bank of Industry and Mine/Rat, C‑358/15 P, EU:C:2016:338, Rn. 81).
55 Eine solche Auslegung des Kriteriums der Unterstützung des Lukaschenko-Regimes liegt im Übrigen, indem sie sich auf die finanzielle Unterstützung dieses Regimes konzentriert, auf einer Linie mit dem Hauptziel, das mit dieser Bestimmung verfolgt wird, nämlich den Druck auf das Regime zu erhöhen, damit es die schwere und anhaltende Verletzung der Menschenrechte und Untergrabung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Belarus sowie die Repressionen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition einstellt.
56 Daher kommt es für die Feststellung einer „Unterstützung des Lukaschenko-Regimes“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 nicht darauf an, ob die an den belarussischen Staat abgeführten Beträge als Steuer oder als Dividende eingestuft werden. In beiden Fällen handelt es sich nämlich um Beträge, die dem Staat von einer Wirtschaftseinheit, deren Kapital er nahezu zur Gänze hält, in Anwendung einer staatlichen Regelung gezahlt werden, die diese Zahlung vorschreibt. Würden solche Zahlungen von dem Konzept der „Unterstützung des Lukaschenko-Regimes“ allein deshalb ausgeschlossen, weil die geschuldeten Beträge als Steuern eingestuft werden, könnte dies eine Umgehung der Unionsvorschriften ermöglichen, indem der Steuersatz für die von solchen Wirtschaftseinheiten erzielten Gewinne erhöht und im Gegenzug der Betrag der Dividenden herabgesetzt würde, deren Zahlung an den Staat nach belarussischem Recht vorgeschrieben ist, wenn ein im Besitz des belarussischen Staates stehendes Unternehmen Gewinne erzielt (vgl. entsprechend Urteil vom 12. Mai 2016, Bank of Industry and Mine/Rat, C‑358/15 P, EU:C:2016:338, Rn. 80).
57 Soweit die Rechtsmittelführerinnen beanstanden, das Gericht habe in Rn. 59 des angefochtenen Urteils den Steuerbegriff in diesem Zusammenhang ungerechtfertigterweise eingeschränkt und in der Folge in den Rn. 60 bis 62 jenes Urteils zu Unrecht festgestellt, dass ihre Zahlungen an den belarussischen Staat Steuern nicht gleichgestellt werden könnten, geht ihr Vorbringen folglich ins Leere, da es jedenfalls nicht die oben in Rn. 54 wiedergegebene Schlussfolgerung entkräften kann, zu der das Gericht in Rn. 64 des angefochtenen Urteils gelangt ist, nämlich, dass es im vorliegenden Fall hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme gebe, dass die Rechtsmittelführerinnen eine „Unterstützung des Lukaschenko-Regimes“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 leisteten.
58 Gleiches gilt für das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zu Rn. 63 des angefochtenen Urteils. Insbesondere hat das Gericht in jener Randnummer geurteilt, dass die Verpflichtung der Rechtsmittelführerinnen nach belarussischem Recht, einen Teil ihrer Gewinne an den Staat abzuführen, die Beurteilung, dass sie das Lukaschenko-Regime finanziell unterstützten, „bestätigt“, da das Regime mit der Auferlegung dieser Verpflichtung die von ihm ausgeübte Kontrolle weiter erhöht habe. Aus dem Wort „bestätigt“ und allgemeiner aus einer Gesamtschau der Rn. 58 bis 64 des angefochtenen Urteils ist ersichtlich, dass es der Erwägung in Rn. 63 jenes Urteils für die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils in Bezug genommene Schlussfolgerung keineswegs bedarf.
59 Nach ständiger Rechtsprechung gehen jedoch Rügen, die gegen nicht tragende Gründe einer Entscheidung des Gerichts gerichtet sind, ins Leere, da sie nicht zur Aufhebung dieser Entscheidung führen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. November 2002, Hirschfeldt/EUA, C‑184/01 P, EU:C:2002:645, Rn. 48, und vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).
60 Nach alledem ist der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
Zum dritten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Parteien
61 Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund, der sich auf die Rn. 36 bis 38, 47 bis 57 und 74 bis 79 des angefochtenen Urteils bezieht, beanstanden die Rechtsmittelführerinnen, das Gericht habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem es sich nicht zu der Frage geäußert habe, ob die wirtschaftliche Unterstützung in Form von Dividendenzahlungen für die Jahre 2018, 2019 und 2020, deren Höhe sie in ihren Schriftsätzen genau angegeben hätten, gemäß der entsprechenden Einstufung in der Begründung „erheblich“ gewesen sei. Dieser Fehler zeige sich sowohl in Bezug auf die Prüfung der streitigen ursprünglichen Rechtsakte als auch in Bezug auf die Prüfung der streitigen Fortsetzungsrechtsakte.
62 Weder die Begründung noch die erste Beweisakte des Rates enthalte Angaben, die die Begründetheit dieser Einstufung belegen könnten.
63 Hilfsweise machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass das Gericht die Frage, ob sie eine Quelle erheblicher Einnahmen für das Lukaschenko-Regime seien, verneint hätte, wenn es sie denn gebührend geprüft hätte, was aber nicht geschehen sei.
64 In diesem Zusammenhang verweisen die Rechtsmittelführerinnen auf das Urteil vom 29. April 2015, Bank of Industry and Mine/Rat (T‑10/13, EU:T:2015:235), und insbesondere auf dessen Rn. 186, wo das Gericht festgestellt habe, dass das betreffende Staatsunternehmen „erhebliche“ Beträge an die nationale iranische Finanzverwaltung gezahlt habe, die eine finanzielle Unterstützung der Regierung des Iran dargestellt hätten.
65 In der Rechtssache, in der jenes Urteil ergangen sei, sei es aber um eine Zahlung in Höhe von insgesamt mindestens 76 Mio. Euro über einen Bezugszeitraum von fünf Jahren und damit um einen erheblich höheren Betrag gegangen, als sie ihn als obligatorische Dividenden für die Jahre 2018, 2019 und 2020 an den belarussischen Staat abgeführt hätten. Daher könnten die von ihnen abgeführten Beträge nicht als Quelle erheblicher Einnahmen eingestuft werden, was Bestätigung im Ausdruck dieser Beträge in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Republik Belarus für die betreffenden Jahre finde (0,0069 %, 0,0253 % und 0,0045 %).
66 Nichts anderes gelte für die Zahlung, auf die sich die streitigen Fortsetzungsrechtsakte bezögen. Aus der zweiten Beweisakte des Rates gehe nämlich hervor, dass sie im Jahr 2022 einen Betrag von 33 195 000 Euro als obligatorische Dividenden gezahlt hätten, der am BIP der Republik Belarus für jenes Jahr 0,0471 % ausmache. Dieser Betrag sei erheblich niedriger als das, was das Gericht im Urteil vom 29. April 2015, Bank of Industry and Mine/Rat (T‑10/13, EU:T:2015:235), als „erheblich“ eingestuft habe.
67 Schließlich stellten die von ihnen gezahlten obligatorischen Dividenden, ob im Kontext der streitigen ursprünglichen Rechtsakte oder im Kontext der streitigen Fortsetzungsrechtsakte, keine Einnahmequelle für den Staat dar, da die Summe dieser Dividenden geringer sei als ihre Mehrwertsteuererstattungen für den Zeitraum von 2018 bis 2022.
68 Der Rat tritt dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen entgegen.
Würdigung durch den Gerichtshof
69 Wenn das Gericht in Rn. 64 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Rat rechtsfehlerfrei insbesondere der Ansicht gewesen sei, dass die Rechtsmittelführerinnen „eine Quelle erheblicher Einnahmen für das Lukaschenko-Regime“ seien, so sind in diese Schlussfolgerung zwangsläufig die gezahlten Beträge eingeflossen, wie sie in Rn. 37 jenes Urteils im Einzelnen angeführt werden, und sie impliziert somit, dass das Gericht die Erheblichkeit dieser Einnahmequelle bejaht und damit die Beurteilung des Rates in diesem Sinne sowie die Rechtsgültigkeit der streitigen ursprünglichen Rechtsakte bestätigt hat.
70 Entsprechendes gilt, wie sich aus Rn. 74 in Verbindung mit Rn. 76 des angefochtenen Urteils ergibt, für die Beurteilung der streitigen Fortsetzungsrechtsakte.
71 Daher ist festzustellen, dass der dritte Rechtsmittelgrund auf einem falschen Verständnis des angefochtenen Urteils beruht.
72 Soweit sich die Rechtsmittelführerinnen hilfsweise dagegen wenden, wie das Gericht die Erheblichkeit der Einnahmequelle beurteilt habe, die sie angesichts der nach dem Erlass Nr. 637/2005 an den belarussischen Staat gezahlten Beträge für das Lukaschenko-Regime darstellten, ist festzustellen, dass es sich um eine Tatsachenwürdigung handelt, die außer im Fall einer Verfälschung der Tatsachen nicht der Kontrolle durch den Gerichtshof im Stadium des Rechtsmittels unterzogen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. April 2022, Yieh United Steel/Kommission, C‑79/20 P, EU:C:2022:305, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).
73 Da die Rechtsmittelführerinnen eine solche Verfälschung durch das Gericht nicht dargetan haben, ist dieses Hilfsvorbringen mithin unzulässig (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. April 2022, Yieh United Steel/Kommission, C‑79/20 P, EU:C:2022:305, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).
74 Dies gilt insbesondere für ihr Vorbringen, wonach die aufgrund des Erlasses Nr. 637/2005 gezahlten Beträge nicht als erheblich eingestuft werden könnten, da der Gesamtbetrag der Zahlungen deutlich niedriger sei als derjenige, den das Gericht in Rn. 186 des Urteils vom 29. April 2015, Bank of Industry and Mine/Rat (T‑10/13, EU:T:2015:235), als „erheblich“ angesehen habe, oder da die Einzelbeträge der Zahlungen nicht erheblich erschienen, wenn sie als Prozentsatz des BIP der Republik Belarus ausgedrückt würden.
75 Dieses Vorbringen ist jedenfalls zurückzuweisen, da es in tatsächlicher Hinsicht fehlgeht. Zum einen kann nämlich offenkundig, wie auch vom Rat zu Recht geltend gemacht, in Rn. 186 jenes Urteils keinesfalls eine Angabe eines Grenzwerts gesehen werden, unterhalb dessen eine finanzielle Unterstützung nicht als erheblich angesehen werden könnte.
76 Zum anderen hindert den Rat auch unter Berücksichtigung seines weiten Beurteilungsspielraums beim Erlass restriktiver Maßnahmen in Anwendung namentlich des in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 genannten Kriteriums der Unterstützung des Lukaschenko-Regimes nichts daran, bei der Beurteilung der Erheblichkeit einer solchen Unterstützung die in Rede stehenden Zahlungen als absolute Beträge und nicht als Prozentsatz des BIP der Republik Belarus zu betrachten.
77 Auch wenn überdies der Rat und das Gericht die Erheblichkeit der von den Rechtsmittelführerinnen aufgrund des Erlasses Nr. 637/2005 gezahlten Beträge tatsächlich bejaht bzw. gar bestätigt haben, handelt es sich dabei doch jedenfalls in Anbetracht des klaren und genauen Wortlauts von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642, der der Aufstellung einer in dieser Bestimmung nicht vorgesehenen zusätzlichen Voraussetzung wie etwa der Erheblichkeit der Unterstützung des Lukaschenko-Regimes entgegensteht, offensichtlich um keinen tragenden Grund. Das Hilfsvorbringen der Rechtsmittelführerinnen geht daher gemäß der sich u. a. aus den Urteilen vom 7. November 2002, Hirschfeldt/EUA (C‑184/01 P, EU:C:2002:645, Rn. 48), und vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 63), ergebenden Rechtsprechung ebenfalls ins Leere.
78 Schließlich ist gemäß einer ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs das von den Rechtsmittelführerinnen für ihren dritten Rechtsmittelgrund vorgebrachte Argument eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Stadium des Rechtsmittels unzulässig, da feststeht, dass es vor dem Gericht nicht geltend gemacht wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2021, World Duty Free Group und Spanien/Kommission, C‑51/19 P und C‑64/19 P, EU:C:2021:793, Rn. 54 und 55).
79 In Anbetracht all dessen ist der dritte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
Zum vierten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Parteien
80 Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund, mit dem sie die Rn. 47 bis 52 des angefochtenen Urteils beanstanden, machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, das Gericht habe Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 rechtsfehlerhaft ausgelegt, indem nach dieser Auslegung das in der genannten Bestimmung vorgesehene Kriterium der Unterstützung des Regimes bei allen Staatsunternehmen erfüllt sei, da sie das Regime schon aufgrund ihrer Eigentumsverhältnisse zwangsläufig erheblich unterstützten. Damit habe das Gericht diese Bestimmung überdehnt, was einen Verstoß gegen Art. 21 EUV sowie, wie die Rechtsmittelführerinnen in ihrer Erwiderung ausführen, gegen die unionsrechtlich verankerten Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Rechtssicherheit und der Billigkeit zur Folge habe.
81 Die Rechtsmittelführerinnen leiten aus den verschiedenen Punkten im ersten Absatz der Begründung und aus dem Umstand, dass der Rat niemals konkrete Zahlungen ihrerseits an den belarussischen Staat erwähnt habe, ab, dass die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 durch das Gericht bestätige, dass jedes Staatsunternehmen automatisch eine Einnahmequelle für den Staat sei und dass ein großes strategisches und wichtiges Unternehmen im Staatsbesitz zwangsläufig eine Quelle erheblicher Einnahmen für den Staat sei.
82 Da staatliche Unternehmen wie jeder Staatsbedienstete dem Staat aufgrund ihres Sachbeitrags zum öffentlichen Sektor zwangsläufig von Nutzen seien, müsse der Nachweis der Unterstützung des Regimes über die bloße Feststellung der Eigenschaft als staatliches Unternehmen hinausgehen. Im vorliegenden Fall habe der Rat jedoch keinen Beweis für spezifische Zahlungen oder finanzielle Beiträge der Rechtsmittelführerinnen an den belarussischen Staat vorgelegt, sondern sich auf deren Größe, ihren Nettogewinn von 2018 und ihren Umsatz im Jahr 2020 gestützt.
83 Der Ansatz des Gerichts führe dazu, dass dem Rat ein unbegrenztes Ermessen bei der Entscheidung eingeräumt werde, wer mit Sanktionen belegt werde, selbst wenn es keine konkreten, klaren und übereinstimmenden Beweise für die Unterstützung des Lukaschenko-Regimes gebe.
84 Der Rat tritt dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen entgegen.
Würdigung durch den Gerichtshof
85 Aus den Rn. 47 und 64 des angefochtenen Urteils geht klar hervor, dass sich das Gericht entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen für seinen Befund, dass sie das Lukaschenko-Regime unterstützten, nicht allein darauf gestützt hat, dass sie im Besitz des belarussischen Staates stünden, sondern dass es hierfür weitere Gesichtspunkte angemessen berücksichtigt hat, wie z. B. den Umstand, dass die Rechtsmittelführerinnen eine Quelle erheblicher Einnahmen für dieses Regime darstellten.
86 Im Übrigen ist das Gericht ausweislich Rn. 55 des angefochtenen Urteils zu Recht davon ausgegangen, dass der wesentliche Gesichtspunkt, auf dem die Beurteilung des Unterstützungskriteriums beruhte, die Finanzströme waren, d. h. die von den Rechtsmittelführerinnen getätigten Zahlungen eines Teils ihrer Gewinne an den belarussischen Staat, die als finanzielle Unterstützung des Lukaschenko-Regimes angesehen wurden, und nicht ihre Eigenschaft als Staatsunternehmen.
87 Nach alledem sind der vierte Rechtsmittelgrund sowie das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.
Kosten
88 Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
89 Da der Rat die Verurteilung der Rechtsmittelführerinnen in die Kosten beantragt hat und diese mit ihren Rechtsmittelgründen unterlegen sind, sind ihnen neben ihren eigenen Kosten auch die Kosten des Rates aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Grodno Azot AAT und die Khimvolokno Plant tragen neben ihren eigenen Kosten die Kosten des Rates der Europäischen Union.
Unterschriften