C-239/23 – Karl und Georg Anwander Güterverwaltung

C-239/23 – Karl und Georg Anwander Güterverwaltung

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Language of document : ECLI:EU:C:2024:888

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

17. Oktober 2024(*)

„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) – Finanzierung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) – Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 – Art. 31 und 32 – Zahlungen für aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligte Gebiete – Berggebiete – Ausgleichszulage – Nationale Verwaltungsvorschriften, wonach die Zahlung dieser Zulage für förderfähige Gebiete ausgeschlossen ist, die in einer anderen Region desselben Mitgliedstaats liegen als der, in der sich der Sitz des landwirtschaftlichen Betriebs befindet – Bestimmungen, wonach der Sitz des landwirtschaftlichen Betriebs eine Voraussetzung für die Gewährung der Ausgleichszulage darstellt “

In der Rechtssache C‑239/23

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht Sigmaringen (Deutschland) mit Beschluss vom 28. März 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 17. April 2023, in dem Verfahren

Karl und Georg Anwander GbR Güterverwaltung

gegen

Land Baden-Württemberg,

Beteiligter:

Freistaat Bayern,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Ersten Kammer F. Biltgen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer, der Präsidentin der Fünften Kammer M. L. Arastey Sahún (Berichterstatterin) und des Richters J. Passer,

Generalanwalt: N. Emiliou,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Karl und Georg Anwander GbR Güterverwaltung, vertreten durch Rechtsanwalt F. Schröder,

–        des Landes Baden-Württemberg, vertreten durch F. Steier als Bevollmächtigte,

–        des Freistaats Bayern, vertreten durch C. Vilgertshofer und J. Vogel als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Aquilina, A. C. Becker und L. Radu Bouyon als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. April 2024

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 31 und 32 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 (ABl. 2013, L 347, S. 487, berichtigt in ABl. 2016, L 130, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) 2017/2393 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2017 (ABl. 2017, L 350, S. 15) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1305/2013).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den die Karl und Georg Anwander GbR Güterverwaltung gegen das Land Baden-Württemberg (Deutschland), vertreten durch das Landratsamt Ravensburg (Deutschland), führt, weil das Landratsamt ihren Antrag auf Ausgleichszulage für landwirtschaftliche Flächen im Freistaat Bayern (Deutschland) für das Jahr 2019 abgelehnt hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Verordnung Nr. 1305/2013

3        In den Erwägungsgründen 7, 9, 25, 26 und 50 der Verordnung Nr. 1305/2013 heißt es:

„(7)      Um das unverzügliche Anlaufen und die wirksame Durchführung der Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums sicherzustellen, sollte sich die finanzielle Unterstützung aus dem [Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)] auf das Bestehen solider administrativer Rahmenbedingungen gründen. Die Mitgliedstaaten sollten daher die Anwendbarkeit und Einhaltung bestimmter Ex-ante-Konditionalitäten prüfen. Jeder Mitgliedstaat sollte entweder ein nationales Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums für sein gesamtes Hoheitsgebiet oder ein Bündel von regionalen Programmen oder sowohl ein nationales Programm als auch ein Bündel von regionalen Programmen ausarbeiten. In jedem Programm sollten eine Strategie für die Verwirklichung von Zielen in Bezug auf die Prioritäten der [Europäischen] Union für die Entwicklung des ländlichen Raums und eine Auswahl von Maßnahmen bestimmt werden. Die Programmplanung sollte mit den Prioritäten der Union für die Entwicklung des ländlichen Raums übereinstimmen, dabei jedoch gleichzeitig an den nationalen Kontext angepasst sein und die anderen Unionspolitiken ergänzen, insbesondere die Agrarmarktpolitik, die Kohäsionspolitik und die Gemeinsame Fischereipolitik. Mitgliedstaaten, die sich für die Vorbereitung eines Bündels von regionalen Programmen entscheiden, sollten auch in der Lage sein, auch eine nationale Rahmenregelung ohne gesonderte Zuteilung von Haushaltsmitteln auszuarbeiten, um die Koordinierung zwischen den Regionen bei der Bewältigung nationaler Herausforderungen zu erleichtern.

(9)      In den Programmen zur Entwicklung des ländlichen Raums sollten die Bedürfnisse des betreffenden Gebiets ermittelt und eine kohärente Strategie beschrieben werden, wie diesen Bedürfnissen in Anbetracht der Prioritäten der Union für die Entwicklung des ländlichen Raums Rechnung getragen werden kann. Diese Strategie sollte sich auf die Festlegung von Zielen stützen. Die Verbindungen zwischen den ermittelten Bedürfnissen, den festgelegten Zielen und der Wahl der relevanten Maßnahmen sollten aufgezeigt werden. Die Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums sollten auch alle Informationen enthalten, die erforderlich sind, um ihre Übereinstimmung mit den Anforderungen der vorliegenden Verordnung zu beurteilen.

(25)      Zahlungen an Landwirte in Berggebieten oder anderen Gebieten, die aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligt sind, sollten durch die Förderung der dauerhaften Nutzung landwirtschaftlicher Flächen zur Erhaltung der Landschaft sowie zur Erhaltung und Förderung von nachhaltigen Bewirtschaftungsformen beitragen. Um die Wirksamkeit dieser Förderung sicherzustellen, sollten die Landwirte durch die Zahlungen für die Einkommensverluste und die zusätzlichen Kosten infolge der mit dem betreffenden Gebiet verbundenen Nachteile entschädigt werden. Um eine wirksame Nutzung der ELER-Ressourcen sicherzustellen, sollte die Förderung ausschließlich aktiven Betriebsinhabern im Sinne des Artikels 9 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 608)] gewährt werden.

(26)      Um den effizienten Einsatz der Unionsmittel und die Gleichbehandlung der Landwirte in der gesamten Union zu gewährleisten, sollten die Berggebiete und anderen Gebiete, die aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligt sind, anhand objektiver Kriterien definiert werden. Bei Gebieten, die aus naturbedingten Gründen benachteiligt sind, sollten die Kriterien biophysikalischer Art sein und sich auf fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen. …

(50)      Eine einzige Verwaltungsbehörde sollte für die Verwaltung und Durchführung jedes Programms zur Entwicklung des ländlichen Raums verantwortlich sein. Ihre Aufgaben sollten in dieser Verordnung aufgeführt werden. …“

4        Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013 bestimmt:

„Diese Verordnung enthält die allgemeinen Bestimmungen für die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch die Union, die durch den mit der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 549)] errichteten [ELER] finanziert wird. Sie legt die Ziele fest, zu deren Erreichung die Politik der Entwicklung des ländlichen Raums beitragen soll sowie die relevanten Prioritäten der Union für die Entwicklung des ländlichen Raums. Sie steckt den strategischen Rahmen für die Politik der Entwicklung des ländlichen Raums ab und legt die Maßnahmen fest, die zur Durchführung dieser Politik angenommen werden müssen. Des [W]eiteren legt sie auf der Grundlage von zwischen den Mitgliedstaaten und der [Europäischen] Kommission geteilten Zuständigkeiten die Regeln für die Programmplanung, die Vernetzung, die Abwicklung, die Begleitung und die Bewertung fest sowie die Vorschriften für die Sicherstellung der Koordinierung des ELER mit den übrigen Unionsinstrumenten.“

5        Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1305/2013 bestimmt den Begriff „Region“ wie folgt:

„[Der Ausdruck] ‚Region‘ [bezeichnet] eine Gebietseinheit, die der Ebene 1 oder 2 der Klassifikation der Gebietseinheiten für die Statistik (NUTS 1 oder 2) im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1059/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 26. Mai 2003 über die Schaffung einer gemeinsamen Klassifikation der Gebietseinheiten für die Statistik (NUTS) (ABl. 2003, L 154, S. 1)] entspricht“.

6        Art. 5 der Verordnung Nr. 1305/2013 sieht vor:

„Die Verwirklichung der Ziele der Entwicklung des ländlichen Raums, die zur Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum beitragen, wird anhand folgender sechs Prioritäten der Union für die Entwicklung des ländlichen Raums angestrebt, die die relevanten thematischen Ziele des [Gemeinsamen Strategischen Rahmens (GSR)] widerspiegeln:

4.      Wiederherstellung, Erhaltung und Verbesserung der mit der Land- und Forstwirtschaft verbundenen Ökosysteme mit Schwerpunkt auf den folgenden Bereichen:

a)      Wiederherstellung, Erhaltung und Verbesserung der biologischen Vielfalt, auch in Natura-2000-Gebieten und in Gebieten, die aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligt sind, der Landbewirtschaftung mit hohem Naturwert, sowie des Zustands der europäischen Landschaften;

…“

7        Art. 6 Abs. 2 der Verordnung lautet:

„Ein Mitgliedstaat kann entweder ein einziges Programm für sein gesamtes Hoheitsgebiet oder ein Bündel von regionalen Programmen vorlegen. Alternativ hierzu kann ein Mitgliedstaat – in hinreichend begründeten Fällen – ein nationales Programm und ein Bündel von regionalen Programmen vorlegen. Legt ein Mitgliedstaat ein nationales Programm und ein Bündel von regionalen Programmen vor, so erfolgt die Programmierung der Maßnahmen und/oder der Art der Vorhaben entweder auf nationaler Ebene oder auf regionaler Ebene und ist die Kohärenz zwischen der Strategie des nationalen Programms und der Strategie der regionalen Programme zu gewährleisten.“

8        Art. 13 der Verordnung Nr. 1305/2013 bestimmt:

„Jede Maßnahme zur Entwicklung des ländlichen Raums muss darauf ausgerichtet sein, insbesondere zur Verwirklichung einer oder mehrerer Prioritäten der Union für die Entwicklung des ländlichen Raums beizutragen. Anhang VI enthält ein indikatives Verzeichnis der Maßnahmen von besonderer Bedeutung für die Prioritäten der Union.“

9        In Art. 31 der Verordnung Nr. 1305/2013 heißt es:

„(1)      Zahlungen für Landwirte in Berggebieten und anderen, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligten Gebieten werden jährlich je Hektar landwirtschaftlicher Fläche zum Ausgleich der Gesamtheit oder eines Teils der zusätzlichen Kosten und Einkommensverluste gewährt, die den Landwirten aufgrund von Nachteilen für die landwirtschaftliche Erzeugung in den betreffenden Gebieten entstehen.

(2)      Die Zahlungen werden Landwirten gewährt, die sich verpflichten, ihre landwirtschaftliche Tätigkeit in den gemäß Artikel 32 bezeichneten Gebieten auszuüben, und die aktive Betriebsinhaber im Sinne des Artikels 9 der Verordnung … Nr. 1307/2013, entsprechend der Umsetzung im betreffenden Mitgliedstaat, sind.

…“

10      Art. 32 der Verordnung Nr. 1305/2013 sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten bestimmen auf der Grundlage der Absätze 2, 3 und 4 die Gebiete, die für Zahlungen gemäß Artikel 31 in Betracht kommen, im Rahmen folgender Kategorien:

a)      Berggebiete;

b)      andere Gebiete als Berggebiete, die aus erheblichen naturbedingten Gründen benachteiligt sind, und

c)      andere, aus anderen spezifischen Gründen benachteiligte Gebiete.

(2)      Um für Zahlungen gemäß Artikel 31 in Betracht zu kommen, müssen Berggebiete durch eine erhebliche Einschränkung der Möglichkeiten für eine Nutzung des Bodens und bedeutend höhere Arbeitskosten aus folgenden Gründen gekennzeichnet sein:

a)      sehr schwierige klimatische Verhältnisse infolge der Höhenlage, die eine erheblich verkürzte Vegetationszeit zur Folge haben;

b)      in geringerer Höhenlage starke Hangneigung des größten Teils der betreffenden Flächen, so dass keine oder nur sehr kostspielige Spezialmaschinen oder ‑geräte eingesetzt werden können, oder ein Zusammentreffen dieser beiden Gegebenheiten, wenn die Benachteiligung durch jede dieser beiden Gegebenheiten für sich genommen zwar geringer ist, beide zusammen aber eine ebenso große Benachteiligung ergeben.

(3)      Um für Zahlungen gemäß Artikel 31 in Betracht zu kommen, gelten andere Gebiete als Berggebiete als aus erheblichen naturbedingten Gründen benachteiligte Gebiete, wenn mindestens 60 % der landwirtschaftlichen Fläche mindestens eines der Kriterien von Anhang III mit dem darin angegebenen Schwellenwert erfüllen.

Die Einhaltung dieser Bedingungen wird auf der Ebene der lokalen Verwaltungseinheiten (‚LAU2‘-Ebene) oder auf der Ebene einer klar abgegrenzten lokalen Einheit, die ein einzelnes, genau bezeichnetes geografisch zusammenhängendes Gebiet mit einer eigenen wirtschaftlichen und administrativen Identität abdeckt, sichergestellt.

Bei der Abgrenzung der unter diesen Absatz fallenden Gebiete nehmen die Mitgliedstaaten eine Feinabstimmung auf der Grundlage objektiver Kriterien vor, um die Gebiete auszuschließen, in denen erhebliche naturbedingte Gründe gemäß Unterabsatz 1 nachgewiesen, jedoch durch Investitionen oder Wirtschaftstätigkeit oder durch Hinweise auf eine normale Bodenproduktivität aus dem Weg geräumt worden sind, oder in denen die Produktionsmethoden oder Bewirtschaftungssysteme den Einkommensverlust oder die zusätzlichen Kosten nach Artikel 31 Absatz 1 ausgeglichen haben.

…“

11      In Art. 60 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung heißt es:

„Die Ausgaben kommen nur dann für eine ELER-Beteiligung in Betracht, wenn sie für Vorhaben getätigt werden, die … von der Verwaltungsbehörde des betreffenden Programms oder unter deren Verantwortung beschlossen wurden.“

12      Art. 65 Abs. 2 der Verordnung bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten benennen für jedes Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums

a)      die Verwaltungsbehörde, die das betreffende Programm verwaltet; hierbei kann es sich um eine staatliche oder eine private Stelle handeln, die auf nationaler oder regionaler Ebene tätig wird, oder um den Mitgliedstaat selbst, wenn er diese Aufgabe durchführt,

b)      die zugelassene Zahlstelle im Sinne des Artikels 7 der Verordnung … Nr. 1306/2013,

…“

13      In Art. 66 Abs. 1 der Verordnung heißt es:

„Die Verwaltungsbehörde ist verantwortlich dafür, dass das Programm effizient, wirksam und ordnungsgemäß verwaltet und durchgeführt wird …“

 Verordnung Nr. 1307/2013

14      Art. 9 („Aktiver Betriebsinhaber“) der Verordnung Nr. 1307/2013 legt die Voraussetzungen fest, die natürliche oder juristische Personen oder Vereinigungen natürlicher oder juristischer Personen erfüllen müssen, um als aktive Betriebsinhaber im Sinne dieser Bestimmung angesehen zu werden.

 Deutsches Recht

 Bundesrecht

15      Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. 1949 I S. 1) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung lautet:

„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“

16      In § 2 der Verordnung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft im Einvernehmen mit den Bundesministerien der Finanzen, für Wirtschaft und Energie über die Durchführung von Stützungsregelungen und des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems vom 24. Februar 2015 (BGBl. 2015 I S. 166) (im Folgenden: InVeKoSV) heißt es:

„(1)      Soweit in dieser Verordnung oder den in § 1 Absatz 1 Nummer 4 bis 6 genannten Vorschriften nichts anderes bestimmt ist, sind für die Durchführung dieser Verordnung und der in § 1 Absatz 1 genannten Vorschriften die nach Landesrecht zuständigen Stellen des Landes (Landesstellen) örtlich zuständig, in dem der Betriebsinhaber seinen Betriebssitz hat.

(2)      Der für die Bestimmung der zuständigen Landesstelle maßgebliche Betriebssitz ist vorbehaltlich einer Zuständigkeitsübernahme nach Absatz 3 der Ort, der im Zuständigkeitsbezirk des Finanzamtes liegt, das für die Festsetzung der Einkommensteuer des Betriebsinhabers zuständig ist. Bei Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen ist die Landesstelle zuständig, in deren Bezirk sich die Geschäftsleitung befindet.

(3)      Hat der Betriebsinhaber nur eine Betriebsstätte und liegt diese Betriebsstätte in einem anderen Land als der Betriebssitz, kann die Landesstelle, in deren Bezirk die Betriebsstätte liegt, im Einvernehmen mit der nach Absatz 2 örtlich zuständigen Landesstelle und mit Zustimmung des Betriebsinhabers die Zuständigkeit im Anwendungsbereich dieser Verordnung übernehmen; Betriebssitz ist dann der Ort der Betriebsstätte.

…“

 Baden-Württembergisches Landesrecht

17      Nr. 1.1 der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums Ländlicher Raum zur Förderung landwirtschaftlicher Betriebe in Berggebieten und in bestimmten benachteiligten Gebieten (VwV Ausgleichszulage Landwirtschaft) vom 6. November 2019 (GABl. 2019 S. 389) in der durch die Verwaltungsvorschrift vom 15. November 2021 (GABl. 2021 S. 532) geänderten Fassung (im Folgenden: VwV AZL) lautet:

„Ziel der Förderung ist es, in den abgegrenzten benachteiligten Gebieten (Berggebieten, aus erheblichen naturbedingten Gründen benachteiligten Gebieten, aus anderen spezifischen Gründen benachteiligten Gebieten, außerhalb von Berggebieten nach dem jeweils geltenden Gebietsverzeichnis (vergleiche Nummer 4)) die dauerhafte Nutzung landwirtschaftlicher Flächen durch Bewirtschaftung zu sichern und somit zur Erhaltung der Landschaft sowie zur Erhaltung und Förderung von nachhaltigen Bewirtschaftungsmaßnahmen beizutragen.“

18      Nr. 2.1 VwV AZL lautet:

„Gefördert werden können ausschließlich aktive Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber im Sinne von Artikel 9 der Verordnung … Nr. 1307/2013, die in den neu abgegrenzten benachteiligten Gebieten von Baden-Württemberg gelegene Flächen selbst bewirtschaften. Eine Zuwendung kann nur an Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber gewährt werden, die den Betriebssitz im Sinne von § 2 InVeKoSV in Baden-Württemberg und den Unternehmenssitz in einem Mitgliedstaat der EU haben.“

19      Nr. 3.2.1 VwV AZL bestimmt:

„Ein Ausgleich wird nur für Flächen in den neu abgegrenzten Fördergebieten von Baden-Württemberg gewährt (siehe Nummer 4.2).“

20      In Nr. 4.2 VwV AZL heißt es:

„Folgende Gebietskategorien (benachteiligte Gebiete) sind im Gebietsverzeichnis hinterlegt … und relevant:

–        Berggebiete,

–        andere Gebiete als Berggebiete, die aus erheblichen naturbedingten Gründen benachteiligt sind,

–        andere, aus anderen spezifischen Gründen benachteiligte Gebiete.“

 Bayerisches Landesrecht

21      Nr. 2 der Richtlinie des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Gewährung der Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten (AGZ) gemäß Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 vom 1. März 2019 (BayMBl. 2019 Nr. 143, im Folgenden: RiLi AGZ) lautet:

„Die Ausgleichszulage wird für landwirtschaftlich genutzte Flächen (LF) in benachteiligten Gebieten Bayerns gewährt. Die benachteiligten Gebiete wurden mit Bekanntmachung des [Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF)] über das Gebietsverzeichnis der benachteiligten landwirtschaftlichen Gebiete im Sinne des Artikels 32 der Verordnung … Nr. 1305/2013 vom 29. November 2018 gemarkungsscharf festgelegt. Die Flächendaten des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems (InVeKoS) – Flächendaten enthalten die entsprechenden Informationen zur Gebietszugehörigkeit.“

22      In Nr. 4 RiLi AGZ heißt es:

„Der Zuwendungsempfänger muss

–      eine LF von mindestens 3 ha in benachteiligten Gebieten in Bayern bewirtschaften,

–      seinen Betriebssitz im Sinne von § 2 InVeKoSV in Bayern haben.

Unterliegt der Betriebsinhaber in Deutschland nicht der Festsetzung der Einkommensteuer bzw. befindet sich im Falle von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen die Geschäftsleitung nicht in Deutschland, so muss der überwiegende Anteil der vom Betriebsinhaber in Deutschland bewirtschafteten LF in Bayern liegen,

…“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

23      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens bewirtschaftet einen Milchviehbetrieb, der zum Teil im Land Baden-Württemberg und zum Teil im Freistaat Bayern liegt. Ihr Betriebssitz befindet sich in Baden-Württemberg. Sie bewirtschaftet in Baden-Württemberg etwa 100 bis 111 Hektar und in Bayern rund 27 Hektar landwirtschaftliche Flächen, die alle in einem Berggebiet liegen.

24      Die in Bayern gelegenen Flächen sind im Hinblick auf Unionsbeihilfen für Berggebiete als förderfähige Flächen ausgewiesen und können mit einer Ausgleichszulage von 50 Euro pro Hektar gefördert werden.

25      Bis zum Jahr 2018 erhielt die Klägerin des Ausgangsverfahrens von der zuständigen baden-württembergischen Landesbehörde die beantragte Ausgleichszulage sowohl für die in Baden-Württemberg als auch für die in Bayern gelegenen landwirtschaftlichen Flächen.

26      Am 8. Mai 2019 beantragte die Klägerin des Ausgangsverfahrens bei derselben Behörde die Ausgleichszulage für das Jahr 2019 für die Bewirtschaftung von aus naturbedingten Gründen benachteiligten landwirtschaftlichen Flächen, einschließlich der in Bayern gelegenen Flächen von rund 27 Hektar.

27      Mit Bescheid vom 5. Dezember 2019 bewilligte das Landratsamt Ravensburg eine Ausgleichszulage in Höhe von 4 095,66 Euro für die in Baden-Württemberg gelegenen landwirtschaftlichen Flächen. Bezüglich der in Bayern gelegenen Flächen wurde der Antrag dagegen mit der Begründung abgelehnt, dass die Flächen nicht in Baden-Württemberg lägen.

28      Mit Bescheid vom 11. Mai 2021 wies das Regierungspräsidium Tübingen (Deutschland) den Widerspruch, den die Klägerin des Ausgangsverfahrens gegen den Bescheid vom 5. Dezember 2019 eingelegt hatte, zurück.

29      Am 17. Juni 2021 erhob die Klägerin des Ausgangsverfahrens Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen (Deutschland), dem vorlegenden Gericht. Sie beantragt zum einen die Aufhebung des Bescheids vom 5. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2021 und zum anderen die Gewährung einer Ausgleichszulage in Höhe von 1 371,26 Euro für die in Bayern gelegenen landwirtschaftlichen Flächen, die mit einer Ausgleichszulage für Berggebiete gefördert werden können. Hilfsweise beantragt sie, festzustellen, dass die Ablehnung ihres Antrags auf eine Ausgleichszulage für diese Flächen und die Rechtsgrundlagen, auf denen der ablehnende Bescheid beruhe, nämlich die Nrn. 2.1 und 3.2.1 VWV AZL, gegen die Art. 31 und 32 der Verordnung Nr. 1305/2013 verstoßen.

30      Das vorlegende Gericht ist nicht sicher, wie diese beiden Artikel auszulegen sind und wie weit der Spielraum reicht, über den die Mitgliedstaaten nach dieser Verordnung verfügen, wenn sie die Voraussetzungen für die Gewährung von Ausgleichszulagen wie den von der Klägerin des Ausgangsverfahrens beantragten festlegen bzw. näher regeln.

31      Es weist insoweit darauf hin, dass zum einen nach deutschem Recht eine Vielzahl von Zahlungen des Staates an Dritte für verschiedene Beihilfen nicht aufgrund einer verbindlichen Rechtsgrundlage mit Gesetzesqualität gewährt werde, sondern durch sogenannte Verwaltungsvorschriften, bei denen es sich um Innenrecht der Verwaltung handele und deren alleinige Adressaten die Beamten der betreffenden Behörde seien. Solche Verwaltungsvorschriften seien folglich nur für die zuständige Verwaltungsstelle verbindlich. Eine Bindungswirkung entfalteten sie nur mittelbar in dem Sinne, dass die Verwaltungsstelle nach dem in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet sei, die betreffende Person, die die Zahlung beantragt habe, genauso zu behandeln wie die Personen, gegenüber denen sie die Inhalte aus diesen Verwaltungsvorschriften bereits angewandt habe.

32      Zum anderen seien die Voraussetzungen für die Gewährung der Ausgleichszulagen für aus naturbedingten Gründen benachteiligte Gebiete gemäß Art. 31 der Verordnung Nr. 1305/2013 sowohl in Baden-Württemberg als auch in Bayern durch Verwaltungsvorschriften geregelt, nach denen die Gewährung solcher Ausgleichszulagen davon abhänge, dass sich der Betriebssitz des betreffenden Landwirts und die beihilfefähige Fläche in dem Bundesland befänden, in dem die Ausgleichszulage beantragt worden sei.

33      Da die Ausgleichszulage nur in dem Bundesland beantragt werden könne, in dem sich der Betriebssitz des betreffenden Landwirts befinde, sei es nicht möglich, in mehreren Bundesländern einen Antrag zu stellen. In einem Fall wie dem, mit dem das vorlegende Gericht befasst sei und in dem sich der Betriebssitz der Klägerin des Ausgangsverfahrens in Baden-Württemberg befinde, könne diese für ihre in Bayern gelegenen Flächen weder in Baden-Württemberg noch in Bayern Ausgleichszulagen beantragen.

34      In diesem Zusammenhang wirft das vorlegende Gericht erstens die Frage nach der Reichweite des Umsetzungsspielraums auf, den das Unionsrecht den Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Voraussetzungen für die Gewährung von Ausgleichszulagen für nach Art. 31 der Verordnung Nr. 1305/2013 förderfähige Gebiete einräumt, und zwar insbesondere in einem Fall wie dem, mit dem es befasst ist und der Gebiete betrifft, für die zwei verschiedene Bundesländer zuständig sind.

35      Seiner Ansicht nach sprechen der Wortlaut von Art. 32 Abs. 2 Unterabs. 1 und der 26. Erwägungsgrund der Verordnung dafür, dass die Mitgliedstaaten bzw. ihre Regionen bei der Abgrenzung der Gebiete, die mit diesen Ausgleichszulagen gefördert werden können, nur auf Kriterien zurückgreifen dürfen, die an die biophysikalischen Eigenschaften der zu fördernden Flächen, d. h. deren naturbedingte Beschaffenheit, anknüpfen. Dagegen gehe aus der Verordnung nicht hervor, dass die Mitgliedstaaten Kriterien anwenden dürften, die keinen Bezug zur naturbedingten Beschaffenheit dieser Flächen hätten. Die unmittelbare Geltung der Verordnung spreche dafür, dass die Mitgliedstaaten bzw. ihre Regionen nicht auf Abgrenzungskriterien zurückgreifen dürften, die in Art. 32 der Verordnung nicht aufgeführt seien.

36      Zweitens stellt sich dem vorlegenden Gericht die Frage, ob in dem Fall, dass ein Mitgliedstaat oder eine seiner Regionen sich dafür entschieden hat, eine Regelung für die Zahlung von Ausgleichszulagen an Landwirte in Berggebieten und weiteren, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligten Gebieten festzulegen, aus Art. 31 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013 ein unionsrechtlicher Anspruch dieser Landwirte auf Zahlung der Ausgleichszulage folgt. Eine solche Auslegung könnte sich zwar auf den Wortlaut von Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 der Verordnung stützen, wäre aber möglicherweise mit deren allgemeiner Systematik unvereinbar. Die Verordnung setze ein Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums voraus, das von den Mitgliedstaaten oder ihren Regionen ausgearbeitet werde, verpflichte diese aber nicht, Ausgleichszulagen in ihre jeweiligen Programme aufzunehmen.

37      Drittens fragt sich das vorlegende Gericht, ob das Unionsrecht und insbesondere die Verordnung Nr. 1305/2013 vorgeben, welche rechtliche Qualität die Regelungen des Mitgliedstaats bzw. der Region zur Umsetzung des Unionsrechts haben müssen, mit denen die Voraussetzungen für den Anspruch auf die in diesen Regelungen vorgesehenen Ausgleichszulagen festgelegt werden, da die Festlegung von Förderkriterien mittels Verwaltungsvorschriften, also nicht verbindlicher Rechtsnormen, die praktische Wirksamkeit der Verordnung beeinträchtigen könnte.

38      Unter diesen Umständen hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist eine nationale Verwaltungsvorschrift und Förderpraxis mit Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 32 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 Unterabs. 1 und Abs. 3 Unterabs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1305/2013 vereinbar, die die Zahlung einer Ausgleichszulage für Flächen in Berggebieten und bestimmten benachteiligten Gebieten nur deshalb ausschließt, weil die mit der Ausgleichszulage zu fördernden Flächen außerhalb der Region des Mitgliedstaats im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1305/2013 liegen, die die Ausgleichszulage gewährt? Ist der Betriebssitz des die Fläche bewirtschaftenden Landwirts hierfür ein zulässiges Differenzierungskriterium?

2.      Ist Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013 dahin auszulegen, dass die Regelungen eines Mitgliedstaats oder einer Region des Mitgliedstaats, die sich dazu entschlossen hat, Zahlungen für Landwirte in Berggebieten und anderen benachteiligten Gebieten im Sinne des Art. 31 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013 zu gewähren, so gefasst sein müssen, dass die Zahlung auch für Flächen gewährt werden muss, die von einem anderen Mitgliedstaat oder einer anderen Region desselben Mitgliedstaats, die sich ebenfalls dazu entschlossen hat, Zahlungen für Landwirte in Berggebieten und anderen benachteiligten Gebieten im Sinne des Art. 31 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013 zu gewähren, als Berggebiet bzw. anderes benachteiligtes Gebiet im Sinne des Art. 32 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013 eingestuft worden sind?

3.      Sind Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013 dahin auszulegen, dass unmittelbar aus dieser Norm ein unionsrechtlicher Anspruch eines Landwirts auf Gewährung der Zahlung (Ausgleichszulage) dem Grunde nach durch den Mitgliedstaat bzw. die Region des Mitgliedstaats folgt, wenn der Landwirt aktiver Betriebsinhaber ist und Flächen bewirtschaftet, die von dem Mitgliedstaat bzw. der Region des Mitgliedstaats als Berggebiet oder sonstiges benachteiligtes Gebiet im Sinne des Art. 32 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013 eingestuft worden sind, und der betreffende Mitgliedstaat bzw. dessen Region sich dazu entschlossen hat, Zahlungen (Ausgleichszulagen) im Sinne des Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013 anzubieten?

Falls die Frage bejaht wird:

a)      Gegen wen richtet sich der unionsrechtliche Anspruch aus Art. 31 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013? Richtet er sich stets gegen den Mitgliedstaat selbst oder jedenfalls dann gegen die Region (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1305/2013) des Mitgliedstaats, wenn die Region sich unabhängig von dem Mitgliedstaat dazu entschlossen hat, Ausgleichszulagen an Landwirte nach Art. 31 der Verordnung Nr. 1305/2013 anzubieten?

b)      Setzt der unionsrechtliche Anspruch dem Grunde nach voraus, dass der Landwirt weitere, über Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013 hinausgehende Anforderungen erfüllt, die der die Ausgleichszulage gewährende Mitgliedstaat oder dessen Region in seiner nationalen Umsetzung verlangt?

4.      Falls Frage 3 verneint wird:

Ist Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013 dahin auszulegen, dass die Regelungen eines Mitgliedstaats bzw. einer seiner Regionen, die die Voraussetzungen für die Gewährung der Zahlung (Ausgleichszulage) im Sinne des Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013 enthalten, eine rechtliche Qualität aufweisen müssen, die dazu führt, dass Landwirte einen Anspruch auf Gewährung der Zahlung (Ausgleichszulage) haben, wenn sie die vom jeweiligen Mitgliedstaat bzw. dessen Regionen aufgestellten Voraussetzungen für die Zahlung erfüllen, unabhängig von der tatsächlichen Förderpraxis des Mitgliedstaats bzw. seiner Region?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten und zur zweiten Frage

39      Mit der ersten und der zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b, Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 32 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 Unterabs. 1 und Abs. 3 Unterabs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1305/2013 dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung oder Verwaltungspraxis eines Mitgliedstaats bzw. einer Region eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die zum einen die Gewährung einer Ausgleichszulage an Landwirte in Berggebieten und anderen, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligten Gebieten deshalb ausschließt, weil die mit der Ausgleichszulage zu fördernden Gebiete außerhalb des Hoheitsgebiets der Region des Mitgliedstaats liegen, deren Programm für die Entwicklung des ländlichen Raums diese Ausgleichszulage vorsieht, und zum anderen für deren Gewährung auf das Kriterium des Betriebssitzes des Landwirts, der das betreffende Gebiet bewirtschaftet, abstellt.

40      Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 1305/2013, wie sich aus ihrem Art. 1 Abs. 1 ergibt, die Ziele, zu deren Erreichung die Politik der Entwicklung des ländlichen Raums beitragen soll, sowie die relevanten Prioritäten der Union in diesem Bereich festlegt. Sie steckt den strategischen Rahmen dieser Politik ab und legt die Maßnahmen fest, die zu ihrer Durchführung angenommen werden müssen. Des Weiteren legt sie auf der Grundlage von zwischen den Mitgliedstaaten oder ihren Regionen und der Kommission geteilten Zuständigkeiten die Regeln für die Programmplanung, die Vernetzung, die Abwicklung, die Begleitung und die Bewertung sowie die Vorschriften für die Sicherstellung der Koordinierung des ELER mit den übrigen Unionsinstrumenten fest.

41      Auf der Grundlage dieser geteilten Zuständigkeiten setzen die Mitgliedstaaten die Verordnung Nr. 1305/2013 durch ihre Programme zur Förderung der ländlichen Entwicklung um. Diese Verordnung lässt ihnen die Möglichkeit, zur Verwirklichung der Prioritäten der Union für die Entwicklung des ländlichen Raums ein Bündel von Maßnahmen zu erlassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Dezember 2022, DELID, C‑409/21, EU:C:2022:946, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Jeder Mitgliedstaat sollte daher entweder ein nationales Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums für sein gesamtes Hoheitsgebiet oder ein Bündel von regionalen Programmen oder sowohl ein nationales Programm als auch ein Bündel von regionalen Programmen ausarbeiten, wobei mit diesen Programmen eine Strategie zur Verwirklichung der Prioritäten der Union für die Entwicklung des ländlichen Raums umgesetzt wird (Urteil vom 1. Dezember 2022, DELID, C‑409/21, EU:C:2022:946, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Die Verordnung Nr. 1305/2013 belässt somit den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Modalitäten der Durchführung der in ihr vorgesehenen Förderungen einen Gestaltungsspielraum (Urteil vom 1. Dezember 2022, DELID, C‑409/21, EU:C:2022:946, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Dieser Gestaltungsspielraum kann sich insbesondere auf die Auswahlkriterien von Vorhaben beziehen, um sicherzustellen, dass die Finanzmittel für die Entwicklung des ländlichen Raums auf bestmögliche Weise genutzt werden, um die Maßnahmen im Rahmen der Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums an den Prioritäten der Union für die Entwicklung des ländlichen Raums auszurichten und um die Gleichbehandlung der Antragsteller zu gewährleisten (Urteil vom 1. Dezember 2022, DELID, C‑409/21, EU:C:2022:946, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Zu diesen Maßnahmen, die, wie sich aus Art. 6 Abs. 2 in Verbindung mit dem siebten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1305/2013 ergibt, entweder auf nationaler oder auf regionaler Ebene programmiert werden können, gehören nach Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Verordnung Zahlungen an Betriebsinhaber, deren Betrieb in Berggebieten und anderen, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligten Gebieten liegt. Diese Zahlungen werden jährlich je Hektar landwirtschaftlicher Fläche zum Ausgleich der Gesamtheit oder eines Teils der zusätzlichen Kosten und Einkommensverluste gewährt, die den Landwirten aufgrund von Nachteilen für die landwirtschaftliche Erzeugung in den betreffenden Gebieten entstehen.

46      Die Berggebiete und die anderen, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligten Gebiete, für die ein Landwirt die in Rn. 45 des vorliegenden Urteils genannten Zahlungen erhalten kann, werden somit auf der Grundlage von Art. 32 der Verordnung in den betreffenden nationalen oder regionalen Programmen bestimmt.

47      Daraus folgt, dass es, wenn sich ein Mitgliedstaat nicht für ein nationales Programm, sondern für ein Bündel regionaler Programme entschieden hat, Sache der betreffenden Regionen dieses Mitgliedstaats im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1305/2013 ist, die Maßnahmen zur Erreichung der Ziele im Bereich der Entwicklung des ländlichen Raums auszuwählen, darunter gegebenenfalls die in Art. 31 der Verordnung vorgesehene Maßnahme, und sie in ihre jeweiligen Programme aufzunehmen.

48      Dass die verschiedenen regionalen Programme eigenständig und voneinander unabhängig sind, zeigt sich im Übrigen auch an Art. 65 Abs. 2 Buchst. a in Verbindung mit dem 50. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1305/2013, wonach die Mitgliedstaaten für jedes Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums eine einzige Verwaltungsbehörde benennen, die gemäß Art. 66 Abs. 1 der Verordnung dafür verantwortlich ist, dass das Programm effizient, wirksam und ordnungsgemäß verwaltet und durchgeführt wird.

49      Ebenso kommen nach Art. 60 Abs. 2 der Verordnung die Ausgaben nur dann für eine ELER-Beteiligung in Betracht, wenn sie für Vorhaben getätigt werden, die „von der Verwaltungsbehörde des betreffenden Programms oder unter deren Verantwortung“ beschlossen wurden.

50      Wird eine regionale Planung der betreffenden Maßnahmen beschlossen, entspricht es der Systematik der Verordnung Nr. 1305/2013, dass von dem Gestaltungsspielraum, über den die Regionen der Mitgliedstaaten nach den Art. 31 und 32 der Verordnung Nr. 1305/2013 verfügen, nur in ihren regionalen Programmen und dann auch nur im Hinblick auf das Hoheitsgebiet der betreffenden regionalen Gebietskörperschaft Gebrauch gemacht werden kann.

51      In diesem Fall entspricht es auch der Systematik der Verordnung, dass eine Region eines Mitgliedstaats außerhalb ihres Hoheitsgebiets weder Fördergebiete im Sinne von Art. 32 der Verordnung bestimmen noch Ausgleichszulagen für solche Gebiete gemäß Art. 31 Abs. 2 der Verordnung gewähren kann, da eine territoriale Beschränkung der Gewährung der Ausgleichszulagen systemimmanent ist.

52      Als Zweites ist zu prüfen, ob der Betriebssitz des Landwirts, der gemäß Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013 die Zahlung einer Ausgleichszulage beantragt, ein zulässiges Kriterium dafür darstellt, ob eine solche Zulage gewährt wird.

53      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Zahlungen für Landwirte in Berggebieten und anderen, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligten Gebieten jährlich je Hektar landwirtschaftlicher Fläche gewährt werden. Gemäß Art. 31 Abs. 2 der Verordnung werden diese Zahlungen Landwirten gewährt, die sich verpflichten, ihre landwirtschaftliche Tätigkeit in den gemäß Art. 32 der Verordnung bestimmten Gebieten auszuüben, und die aktive Landwirte im Sinne von Art. 9 der Verordnung Nr. 1307/2013 sind.

54      Sodann ergibt sich aus Art. 32 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013, dass Berggebiete, um für solche Zahlungen in Betracht zu kommen, durch eine erhebliche Einschränkung der Möglichkeiten für eine Nutzung des Bodens und bedeutend höhere Arbeitskosten aus folgenden Gründen gekennzeichnet sein müssen: sehr schwierige klimatische Verhältnisse infolge der Höhenlage, die eine erheblich verkürzte Vegetationszeit zur Folge haben, oder in geringerer Höhenlage starke Hangneigung des größten Teils der betreffenden Flächen. In diesem letzteren Fall können keine oder nur sehr kostspielige Spezialmaschinen oder ‑geräte eingesetzt werden, oder es ist ein Zusammentreffen dieser beiden Gegebenheiten erforderlich, wenn die Benachteiligung durch jede dieser beiden Gegebenheiten für sich genommen zwar geringer ist, beide zusammen aber eine ebenso große Benachteiligung ergeben.

55      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass in Art. 32 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang III der Verordnung Nr. 1305/2013 die Merkmale, anhand deren Gebiete, die keine Berggebiete sind, als Gebiete abgegrenzt werden können, die für Ausgleichszulagen in Betracht kommen, aufgeführt sind, nämlich wiederum biophysikalische oder naturbedingte Kriterien der betreffenden Gebiete.

56      Während nämlich nach Art. 32 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung bei solchen Gebieten mindestens 60 % der landwirtschaftlichen Fläche mindestens eines der Kriterien von Anhang III mit dem darin angegebenen Schwellenwert erfüllen müssen, stellt Art. 32 Abs. 3 Unterabs. 3 der Verordnung klar, dass die Abgrenzung dieser Gebiete erfordert, dass die Mitgliedstaaten eine Feinabstimmung auf der Grundlage objektiver Kriterien vornehmen, um die Gebiete auszuschließen, in denen erhebliche naturbedingte Gründe gemäß Unterabs. 1 nachgewiesen, jedoch durch Investitionen oder Wirtschaftstätigkeit oder durch Hinweise auf eine normale Bodenproduktivität aus dem Weg geräumt worden sind, oder in denen die Produktionsmethoden oder Bewirtschaftungssysteme den Einkommensverlust oder die zusätzlichen Kosten nach Art. 31 Abs. 1 der Verordnung ausgeglichen haben.

57      Wie insoweit aus Rn. 43 des vorliegenden Urteils hervorgeht, verfügen die Mitgliedstaaten oder ihre Regionen nach der Verordnung Nr. 1305/2013 über einen Gestaltungsspielraum.

58      Allerdings knüpfen die in Art. 32 der Verordnung aufgestellten Kriterien für die Abgrenzung der Gebiete, die für die Zahlung einer Ausgleichszulage an Landwirte in Berggebieten und anderen, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligten Gebieten in Betracht kommen, an biophysikalische oder naturbedingte Merkmale dieser Gebiete an, d. h. an objektive Elemente, die sich aus den natürlichen Gegebenheiten der fraglichen Gebiete ergeben.

59      Diese Auslegung wird durch den 26. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1305/2013 bestätigt, in dem es heißt: „Um den effizienten Einsatz der Unionsmittel und die Gleichbehandlung der Landwirte in der gesamten Union zu gewährleisten, sollten die Berggebiete und anderen Gebiete, die aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligt sind, anhand objektiver Kriterien definiert werden. Bei Gebieten, die aus naturbedingten Gründen benachteiligt sind, sollten die Kriterien biophysikalischer Art sein und sich auf fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen.“

60      Demgegenüber ist zum einen festzustellen, dass der Betriebssitz des Landwirts, der die Zahlung einer Ausgleichszulage gemäß Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013 beantragt, nicht zu den in der Verordnung genannten Abgrenzungskriterien gehört.

61      In diesem Zusammenhang ist, wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausführt, klarzustellen, dass das Kriterium, dass der Betriebssitz eines Landwirts in einem Mitgliedstaat oder einer Region eines Mitgliedstaats liegt, keinen Bezug zu den biophysikalischen oder naturbedingten Merkmalen von Gebieten hat, die zu ihrer Förderfähigkeit als Berggebiet und anderen, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligten Gebieten führen.

62      Im Übrigen beruhen die Vorlagefragen gerade auf der Annahme, dass die im Ausgangsverfahren fraglichen landwirtschaftlichen Flächen in Gebieten liegen, die die zuständige Region, d. h. der Freistaat Bayern, gemäß Art. 32 der Verordnung Nr. 1305/2013 tatsächlich als Gebiete bestimmt hat, die für die Zahlungen nach Art. 31 der Verordnung in Betracht kommen.

63      Zum anderen ist, soweit das Kriterium des Betriebssitzes eines Landwirts eine zusätzliche Voraussetzung für die Förderfähigkeit darstellt, die von der zuständigen Region in Ausübung ihres in Rn. 43 des vorliegenden Urteils genannten Gestaltungsspielraums festgelegt wurde, festzustellen, dass dieses Kriterium geeignet ist, in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die praktische Wirksamkeit der Art. 31 und 32 der Verordnung Nr. 1305/2013 zu beeinträchtigen und gegen das in Art. 40 Abs. 2 AEUV verankerte Diskriminierungsverbot zu verstoßen, weil mit diesem Kriterium Gebiete, die für die Zahlung einer Ausgleichszulage in Betracht kommen, von einer solchen Zahlung allein deshalb ausgeschlossen werden, weil der Betriebssitz des betreffenden Landwirts in einer anderen Region des betreffenden Mitgliedstaats liegt.

64      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, wie vom Generalanwalt in Nr. 57 seiner Schlussanträge ausgeführt, ein Mitgliedstaat – oder eine Region eines Mitgliedstaats –, wenn er in seinem Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums die Zahlung von Ausgleichszulagen für Berggebiete oder andere benachteiligte Gebiete von der Erfüllung eines Kriteriums, das sich auf den Betriebssitz eines Landwirts bezieht, abhängig macht, bei der Ausübung des ihm eingeräumten Gestaltungsspielraums außerdem von den in der Verordnung Nr. 1305/2013 abschließend aufgeführten Bedingungen abweicht, die sich zum einen auf die Bestimmung der förderfähigen Gebiete gemäß Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Art. 32 der Verordnung und zum anderen auf den in Art. 31 Abs. 2 der Verordnung vorgesehenen Status des aktiven Betriebsinhabers, der die Zahlung einer Ausgleichszulage beantragt, beziehen, und so die praktische Wirksamkeit dieser Bestimmungen beeinträchtigt und gegen das in Art. 40 Abs. 2 AEUV verankerte Diskriminierungsverbot verstößt (vgl. entsprechend Urteile vom 25. Oktober 2012, Ketelä, C‑592/11, EU:C:2012:673, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 11. April 2024, Baramlay, C‑6/23, EU:C:2024:294, Rn. 53).

65      Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b, Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2, Art. 32 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 Unterabs. 1 und Abs. 3 Unterabs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1305/2013 dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung oder Verwaltungspraxis eines Mitgliedstaats bzw. einer Region eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, die die Gewährung einer Ausgleichszulage an Landwirte in Berggebieten und anderen, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligten Gebieten deshalb ausschließt, weil die mit der Ausgleichszulage zu fördernden Gebiete außerhalb des Hoheitsgebiets der Region des Mitgliedstaats liegen, deren Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums diese Ausgleichszulage vorsieht. Dagegen stehen sie dem entgegen, dass für die Gewährung der Ausgleichszulage auf das Kriterium des Ortes, an dem sich der Betriebssitz des Landwirts befindet, der das betreffende Gebiet bewirtschaftet, abgestellt wird.

 Zur dritten Frage

 Zum ersten Teil der dritten Frage

66      Mit dem ersten Teil der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013 dahin auszulegen ist, dass unmittelbar aus diesen Bestimmungen ein unionsrechtlicher Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszulage an Landwirte in Berggebieten und anderen, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligten Gebieten folgt, wenn ein Mitgliedstaat – oder eine Region eines Mitgliedstaats – im Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums die Gewährung solcher Zulagen für diese Art von Gebieten vorsieht.

67      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, wie sich aus Rn. 53 des vorliegenden Urteils ergibt, gemäß Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Zahlungen für Landwirte mit Betrieben in Berggebieten und anderen, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligten Gebieten jährlich je Hektar landwirtschaftlicher Fläche „gewährt werden“. Art. 31 Abs. 2 der Verordnung stellt klar, dass diese Zahlungen Landwirten „gewährt werden“, die sich verpflichten, ihre landwirtschaftliche Tätigkeit in den gemäß Art. 32 der Verordnung bestimmten Gebieten auszuüben, und aktive Landwirte im Sinne von Art. 9 der Verordnung Nr. 1307/2013 sind.

68      Zwar können die Mitgliedstaaten oder ihre Regionen grundsätzlich wählen, was sie in ihre Programme für die Entwicklung des ländlichen Raums aufnehmen und was nicht. Des Weiteren ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 13 der Verordnung Nr. 1305/2013 eindeutig, dass das in deren Anhang VI enthaltene Verzeichnis der Maßnahmen von besonderer Bedeutung für die Prioritäten der Union für die Entwicklung des ländlichen Raums nur indikativ ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2021, Lauku atbalsta dienests [Existenzgründungsbeihilfen in der Landwirtschaft], C‑119/20, EU:C:2021:817, Rn. 60 und 61).

69      Die in Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013 vorgesehene Zahlung einer Ausgleichszulage für Berggebiete und andere, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligte Gebiete kann nicht als Maßnahme angesehen werden, die die Mitgliedstaaten oder ihre Regionen zwingend in ihre jeweiligen Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums einbeziehen müssen.

70      Aus dem Wortlaut von Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013 ergibt sich jedoch, dass, wie der Generalanwalt in den Nrn. 65 und 67 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausführt, dann, wenn ein Mitgliedstaat – oder eine Region eines Mitgliedstaats – im Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums Zahlungen für Berggebiete und andere, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligte Gebiete, die gemäß Art. 32 der Verordnung als förderfähige Gebiete ausgewiesen wurden, vorsieht, jeder „aktive Betriebsinhaber“ im Sinne von Art. 9 der Verordnung Nr. 1307/2013 einen Anspruch auf Zahlung einer solchen Zulage hat.

71      Demnach hat, wenn sich ein Mitgliedstaat – oder eine Region eines Mitgliedstaats – in Ausübung des ihm durch die Verordnung Nr. 1305/2013 eingeräumten Gestaltungsspielraums dafür entschieden hat, ein Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums auszuarbeiten, das die Gewährung einer Ausgleichszulage für als förderfähig ausgewiesene Gebiete vorsieht, die Unbedingtheit des Wortlauts von Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 der Verordnung zur Folge, dass die Ausgleichszulage zwingend zu gewähren ist, so dass es, wenn diese Entscheidung getroffen wurde, nicht möglich ist, sich auf den Gestaltungsspielraum zu berufen, um die Zahlung einer solchen Ausgleichszulage nicht zu gewähren.

72      Ist dagegen im betreffenden Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums keine Zahlung für Berggebiete und andere, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligte Gebiete vorgesehen, kann für die Landwirte, die landwirtschaftliche Flächen in diesen Gebieten bewirtschaften, kein Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszulage im Sinne von Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013 entstehen.

73      Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013 dahin auszulegen ist, dass unmittelbar aus diesen Bestimmungen ein unionsrechtlicher Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszulage an Landwirte in Berggebieten und anderen, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligten Gebieten folgt, wenn ein Mitgliedstaat – oder eine Region eines Mitgliedstaats – im Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums die Gewährung solcher Zulagen für diese Art von Gebieten vorsieht.

 Zur ersten Unterfrage des zweiten Teils der dritten Frage

74      Mit der ersten Unterfrage des zweiten Teils der dritten Frage, die für den Fall der Bejahung des ersten Teils der dritten Frage gestellt wird, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b und Art. 31 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013 dahin auszulegen sind, dass der Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszulage an Landwirte in Berggebieten und anderen, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligten Gebieten gegenüber einem Mitgliedstaat oder der Region des betreffenden Mitgliedstaats geltend gemacht werden kann, wenn sich dieser Mitgliedstaat oder diese Region unabhängig von dem Mitgliedstaat dazu entschlossen hat, für förderfähige Gebiete, die in seinem bzw. ihrem Hoheitsgebiet liegen, Ausgleichszulagen zu gewähren.

75      Wie sich aus Rn. 51 des vorliegenden Urteils ergibt, entspricht es der Systematik der Verordnung Nr. 1305/2013, dass eine Region des betreffenden Mitgliedstaats außerhalb ihres Hoheitsgebiets weder Fördergebiete im Sinne von Art. 32 der Verordnung bestimmen noch Ausgleichszulagen für solche Gebiete gemäß Art. 31 Abs. 2 der Verordnung gewähren kann.

76      Folglich kann der Anspruch eines aktiven Betriebsinhabers im Sinne von Art. 9 der Verordnung Nr. 1307/2013 auf Zahlung einer Ausgleichszulage gemäß Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013 nur gegenüber der Gebietskörperschaft geltend gemacht werden, die sich in ihrem Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums dazu entschlossen hat, die Zahlung von Ausgleichszulagen nur für die förderfähigen Gebiete zu gewähren, die in ihrem eigenen Hoheitsgebiet liegen.

77      Nach alledem ist auf die erste Unterfrage des zweiten Teils der dritten Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b und Art. 31 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013 dahin auszulegen sind, dass der Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszulage an Landwirte in Berggebieten und anderen, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligten Gebieten gegenüber einem Mitgliedstaat oder der Region des betreffenden Mitgliedstaats geltend gemacht werden kann, wenn sich dieser Mitgliedstaat oder diese Region unabhängig von dem Mitgliedstaat dazu entschlossen hat, für förderfähige Gebiete, die in seinem bzw. ihrem Hoheitsgebiet liegen, Ausgleichszulagen zu gewähren.

 Zur zweiten Unterfrage des zweiten Teils der dritten Frage

78      Mit der zweiten Unterfrage des zweiten Teils der dritten Frage, die ebenfalls für den Fall gestellt wird, dass der erste Teil dieser Frage bejaht wird, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013 dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass der Mitgliedstaat – oder die Region eines Mitgliedstaats –, der in seinem Programm zur ländlichen Entwicklung die Zahlung einer Ausgleichszulage an Landwirte in Berggebieten und anderen, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligten Gebieten vorsieht, verlangt, dass der betreffende Landwirt andere Anforderungen erfüllt als die, die in diesen Bestimmungen vorgesehen sind.

79      Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass diese Frage dem Gerichtshof als Ergänzung zur ersten und zur zweiten Frage vorgelegt wird, mit denen das vorlegende Gericht auch wissen möchte, ob der Betriebssitz des Landwirts, der gemäß Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013 die Zahlung einer Ausgleichszulage beantragt, ein zulässiges Kriterium für die Gewährung einer solchen Zulage darstellt.

80      Wie sich jedoch aus Rn. 64 des vorliegenden Urteils ergibt, sind in Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Art. 32 der Verordnung Nr. 1305/2013 abschließende Voraussetzungen aufgeführt, die sich auf die Bestimmung der förderfähigen Gebiete sowie auf den Status des aktiven Betriebsinhabers beziehen und von denen die Mitgliedstaaten oder ihre Regionen nicht abweichen dürfen, wenn sie von dem ihnen durch die Verordnung eingeräumten Gestaltungsspielraum Gebrauch machen.

81      Außerdem ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht für die Zwecke der Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits auch nicht darlegt, welche anderen Voraussetzungen als die des Betriebssitzes es konkret mit dieser zweiten Teilfrage meint.

82      Zwar spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit von Vorlagefragen zum Unionsrecht. Die Rechtfertigung des Vorabentscheidungsersuchens liegt nach ständiger Rechtsprechung aber nicht in der Abgabe von Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen, sondern darin, dass das Ersuchen für die tatsächliche Entscheidung eines Rechtsstreits erforderlich ist (Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 194 und die dort angeführte Rechtsprechung).

83      Vorliegend ergibt sich aus der Antwort auf die erste und die zweite Frage, dass die Voraussetzung, dass der landwirtschaftliche Betrieb seinen Sitz in einem Gebiet haben muss, das für die Ausgleichszulage in Betracht kommt, gegen die Art. 31 und 32 der Verordnung Nr. 1305/2013 verstößt. Unter diesen Umständen ist auf der Grundlage der Angaben in der Vorlageentscheidung nicht ersichtlich, dass das vorlegende Gericht, um über den Ausgangsrechtsstreit entscheiden zu können, darüber hinaus eine Beurteilung weiterer Voraussetzungen benötigt, die der Mitgliedstaat – oder die Region des Mitgliedstaats –, der in seinem Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums die Zahlung einer Ausgleichszulage vorsieht, möglicherweise verlangt.

84      Mangels entsprechender Erläuterungen folgt daraus, dass die zweite Unterfrage des zweiten Teils der dritten Frage unzulässig ist.

 Zur vierten Frage

85      In Anbetracht der Antwort auf die dritte Frage ist die vierte Frage nicht zu beantworten.

 Kosten

86      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b, Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 32 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 Unterabs. 1 und Abs. 3 Unterabs. 2 und 3 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 in der durch die Verordnung (EU) 2017/2393 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2017 geänderten Fassung

sind wie folgt auszulegen:

Sie stehen einer Regelung oder Verwaltungspraxis eines Mitgliedstaats bzw. einer Region eines Mitgliedstaats nicht entgegen, die die Gewährung einer Ausgleichszulage an Landwirte in Berggebieten und anderen, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligten Gebieten deshalb ausschließt, weil die mit der Ausgleichszulage zu fördernden Gebiete außerhalb des Hoheitsgebiets der Region des Mitgliedstaats liegen, deren Programm für die Entwicklung des ländlichen Raums diese Ausgleichszulage vorsieht. Dagegen stehen sie dem entgegen, dass für die Gewährung der Ausgleichszulage auf das Kriterium des Ortes, an dem sich der Betriebssitz des Landwirts befindet, der das betreffende Gebiet bewirtschaftet, abgestellt wird.

2.      Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013 in der durch die Verordnung 2017/2393 geänderten Fassung

ist dahin auszulegen, dass

unmittelbar aus diesen Bestimmungen ein unionsrechtlicher Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszulage an Landwirte in Berggebieten und anderen, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligten Gebieten folgt, wenn ein Mitgliedstaat – oder eine Region eines Mitgliedstaats – im Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums die Gewährung solcher Zulagen für diese Art von Gebieten vorsieht.

3.      Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b und Art. 31 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013 in der durch die Verordnung 2017/2393 geänderten Fassung

sind dahin auszulegen, dass

der Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszulage an Landwirte in Berggebieten und anderen, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligten Gebieten gegenüber einem Mitgliedstaat oder der Region des betreffenden Mitgliedstaats geltend gemacht werden kann, wenn sich dieser Mitgliedstaat oder diese Region unabhängig von diesem Mitgliedstaat dazu entschlossen hat, für förderfähige Gebiete, die in seinem bzw. ihrem Hoheitsgebiet liegen, Ausgleichszulagen gewähren.

Biltgen

Arastey Sahún

Passer

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. Oktober 2024.

Der Kanzler

 

Der Präsident

A. Calot Escobar

 

K. Lenaerts



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