Vorläufige Fassung
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
NICHOLAS EMILIOU
vom 4. September 2025(1 )
Rechtssache C ‑155/24
Nederlandse Voedsel- en Warenautoriteit,
Staatssecretaris van Volksgezondheid, Welzijn en Sport,
Philip Morris Benelux BV,
Philip Morris Investments BV,
JT International Company Netherlands BV,
Vereniging Nederlandse Sigaretten- & Kerftabakfabrikanten,
Van Nelle Tabak Nederland BV,
British American Tobacco International (Holdings) BV
gegen
Stichting Rookpreventie Jeugd
(Vorabentscheidungsersuchen des College van Beroep voor het bedrijfsleven [Oberster Verwaltungsgerichtshof für Handel und Industrie])
„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Herstellung und Verkauf von Tabakerzeugnissen – Richtlinie 2014/40/EU – Emissionshöchstwerte – Messverfahren – Emissionsmessung nach ISO-Normen – Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 – Nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichte Normen – Durchsetzbarkeit der in Art. 4 der Richtlinie 2014/40 genannten ISO-Normen – Aus dem Urteil vom 22. Februar 2022, Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. (C‑160/20, EU:C:2022:101), zu ziehende Schlüsse “
I. Einleitung
1. Mit dieser Vorlage zur Vorabentscheidung wird der Gerichtshof im Wesentlichen ersucht, zu klären, nach welchem Verfahren festzustellen ist, ob in einem Mitgliedstaat in Verkehr gebrachte Zigaretten die in der Richtlinie 2014/40/EU(2 ) festgelegten Emissionshöchstwerte für Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid (im Folgenden: Emissionshöchstwerte) einhalten. Dies ist das zweite Vorabentscheidungsersuchen im Rahmen desselben nationalen Gerichtsverfahrens.
2. Zum Verständnis der Gründe, die Anlass zu den Vorlagefragen gaben, ist anzumerken, dass in der Richtlinie 2014/40 auch die Verfahren festgelegt sind, nach denen die Einhaltung der vorgenannten Werte festzustellen ist. Dies geschieht unter Bezugnahme auf mehrere Normen der Internationalen Organisation für Normung (ISO), die bislang noch nicht im Amtsblatt der Europäischen Union (im Folgenden: Amtsblatt) veröffentlicht worden sind. Wie ich im Einzelnen ausführen werde, ist dies darauf zurückzuführen, dass diese Normen durch von der ISO geltend gemachte Rechte am geistigen Eigentum geschützt sind.
3. In seinem Urteil Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. hat der Gerichtshof bestätigt, dass die Richtlinie 2014/40 die Anwendung dieser Normen vorschreibt(3 ). Allerdings hat der Gerichtshof auch entschieden, dass diese Normen, wenn sie noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht worden sind, „den Einzelnen grundsätzlich“ nicht entgegengehalten werden können, wohingegen sie „Unternehmen“ (die die Zigaretten herstellen oder in Verkehr bringen) entgegengehalten werden können, wenn die betreffenden Unternehmen Zugang zu den Normen haben(4 ). Daraus hat der Gerichtshof für den Fall, dass festgestellt werden sollte, dass die ISO-Normen nicht bindend sind, im Wesentlichen den Schluss gezogen, dass es möglich ist, die Einhaltung der Emissionshöchstwerte ohne Berücksichtigung der ISO-Normen zu überprüfen(5 ).
4. Diese Klarstellung war Teil der Antwort, die der Rechtbank Rotterdam (Bezirksgericht Rotterdam, Niederlande) erteilt wurde, bei der u. a. von der Stichting Rookpreventie Jeugd (Stiftung zur Prävention des Rauchens bei Jugendlichen, Niederlande) (im Folgenden: Stiftung) Klage erhoben worden war. Die Stiftung hatte geltend gemacht, dass die Emissionshöchstwerte, wenn die in dem Mitgliedstaat in Verkehr gebrachten Zigaretten nach einem anderen (und – so wie ich es verstehe – strengeren) Verfahren als den in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 genannten ISO-Normen geprüft würden, nicht eingehalten wären. Auf Grundlage der vom Gerichtshof erteilten Antworten erließ das nationale Gericht einen Beschluss, nach dem die betreffenden Zigaretten vom Markt zu nehmen waren.
5. Gegen den Beschluss wurde – insbesondere von mehreren Zigarettenherstellern – Berufung zum College van Beroep voor het bedrijfsleven (Oberster Verwaltungsgerichtshof für Handel und Industrie) eingelegt, das Zweifel hinsichtlich der aus dem Urteil des Gerichtshofs zu ziehenden Schlüsse hegt.
6. Das vorlegende Gericht fragt u. a., ob der Schluss hinsichtlich der fehlenden Bindungswirkung der in Rede stehenden ISO-Normen gegenüber „den Einzelnen grundsätzlich“ auch gelte, wenn einer Partei (beispielsweise der Stiftung) der Zugang dazu möglich sei. Des Weiteren fragt es, ob die betreffende Partei ein sich aus der Richtlinie 2014/40 ergebendes Recht habe, die Einhaltung der Emissionshöchstwerte (durch Anwendung eines alternativen Messverfahrens) durchzusetzen. Außerdem will es wissen, welche Folgen es für die Zigarettenhersteller hätte, wenn möglicherweise festgestellt würde, dass die Zigaretten (trotz Inverkehrbringens unter Einhaltung der Anforderungen der Richtlinie 2014/40) bei Messung nach einem solchen alternativen Verfahren nicht die Emissionshöchstwerte einhielten.
7. Diese Vorlage betrifft also nicht nur die Frage des Verfahrens, nach dem zu prüfen ist, ob in Verkehr gebrachte Zigaretten die Emissionshöchstwerte für Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid einhalten, sondern auch die Frage der rechtlichen Wirkung, die außerhalb der organisatorischen Struktur der Union ausgearbeiteten technischen Normen, deren Anwendung vorgeschrieben ist und deren Inhalt noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht wurde, in der Unionsrechtsordnung zukommt. Nicht weniger wichtig ist, dass diese Vorlage die allgemeinere Frage der Rechtssicherheit betrifft, die diejenigen schützen sollte, die sich – allgemein gesprochen – an bindende Gesetzesvorschriften halten, und die die Grundprämisse des freien Zugangs zu Rechtsvorschriften berührt.
II. Rechtlicher Rahmen
A. Unionsrecht
8. Laut dem achten Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/40 soll „[g]emäß Artikel 114 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) … im Gesundheitsbereich bei Gesetzgebungsvorschlägen von einem hohen Schutzniveau ausgegangen werden, wobei insbesondere alle auf wissenschaftliche Ergebnisse gestützten neuen Entwicklungen zu berücksichtigen sind. Tabakerzeugnisse sind keine gewöhnlichen Erzeugnisse, und angesichts der besonders schädlichen Wirkungen von Tabakerzeugnissen auf die menschliche Gesundheit sollte dem Gesundheitsschutz große Bedeutung beigemessen werden, insbesondere um die Verbreitung des Rauchens bei jungen Menschen zu senken“.
9. Nach Art. 1 der Richtlinie 2014/40 ist deren Gegenstand „die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für
a) die Inhaltsstoffe und Emissionen von Tabakerzeugnissen und die damit verbundenen Meldepflichten, einschließlich der Emissionshöchstwerte von Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid von Zigaretten;
…;
damit – ausgehend von einem hohen Schutz der menschlichen Gesundheit, besonders für junge Menschen – das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse erleichtert wird und die Verpflichtungen der Union im Rahmen des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (Framework Convention on Tobacco Control, im Folgenden: FCTC) eingehalten werden“.
10. Gemäß Art. 2 Nr. 10 der Richtlinie 2014/40 bezeichnet „Zigarette“ „eine Tabakrolle, die mittels eines Verbrennungsprozesses konsumiert werden kann und die in Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 2011/64/EU des Rates näher definiert ist“(6 ).
11. Gemäß Art. 2 Nr. 21 der Richtlinie 2014/40 bezeichnet „Emissionen“ „Stoffe, die freigesetzt werden, wenn ein Tabakerzeugnis oder ein verwandtes Erzeugnis bestimmungsgemäß verwendet wird, etwa Stoffe im Rauch oder Stoffe, die während der Verwendung rauchloser Tabakerzeugnisse freigesetzt werden“.
12. Art. 3 derselben Richtlinie hat „Emissionshöchstwerte für Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid sowie sonstige Stoffe“ zum Gegenstand. Er bestimmt:
„(1) Bei Zigaretten, die in den Mitgliedstaaten hergestellt oder in Verkehr gebracht werden, dürfen folgende erlaubte Emissionswerte (im Folgenden ‚Emissionshöchstwerte‘) nicht überschritten werden:
a) 10 mg Teer je Zigarette;
b) 1 mg Nikotin je Zigarette;
c) 10 mg Kohlenmonoxid je Zigarette.
(2) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 27 delegierte Rechtsakte zu erlassen, um die in Absatz 1 genannten Emissionshöchstwerte zu verringern, wenn dies aufgrund international vereinbarter Normen erforderlich ist.
…“
13. Art. 4 der Richtlinie 2014/40 betrifft „Messverfahren“. Darin heißt es:
„(1) Die Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidemissionen von Zigaretten werden nach der ISO-Norm 4387 für Teer, ISO-Norm 10315 für Nikotin bzw. ISO-Norm 8454 für Kohlenmonoxid gemessen.
Die Genauigkeit der Messungen zu Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid wird nach der ISO-Norm 8243 bestimmt.
…
(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 27 delegierte Rechtsakte zu erlassen, um die Verfahren zur Messung der Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidemissionen anzupassen, wenn dies aufgrund wissenschaftlicher und technischer Entwicklungen oder international vereinbarter Normen erforderlich ist.
…“
14. Art. 24 („Freier Verkehr“) Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 bestimmt, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 dieses Artikels das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen oder verwandten Erzeugnissen, die dieser Richtlinie entsprechen, nicht aus Gründen untersagen oder beschränken [dürfen], die in dieser Richtlinie geregelte Gesichtspunkte betreffen“.
B. Nationales Recht
15. Art. 2.1 des Besluit van 14 oktober 2015, houdende samenvoeging van de algemene maatregelen van bestuur op basis van de Tabakswet tot één besluit (Tabaks- en rookwarenbesluit) (Verordnung vom 14. Oktober 2015 über die Zusammenfassung der allgemeinen Verwaltungsmaßnahmen auf der Grundlage des Tabakgesetzes zu einer einzigen Verordnung [Verordnung über Tabak und Tabakerzeugnisse; im Folgenden: Verordnung]) bestimmt, dass „die Emissionshöchstwerte einer in Verkehr gebrachten oder hergestellten Zigarette Art. 3 Abs. 1 der [Richtlinie 2014/40] genügen müssen“.
16. Art. 2.1 der Regeling van de Staatssecretaris van Volksgezondheid, Welzijn en Sport van 10 mei 2016 houdende regels inzake de productie, de presentatie en de verkoop van tabaksproducten en aanverwante producten (Tabaks- en rookwarenregeling) (Verordnung des Staatssekretärs für Gesundheit, Wohlfahrt und Sport vom 10. Mai 2016 betreffend Vorschriften über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen [Ministerialverordnung über Tabak und Tabakerzeugnisse]) bestimmt:
„1 Als ausschließlich maßgebliche Prüfverfahren für die Bestimmung, ob eine Zigarette den Anforderungen in Art. 2.1 Abs. 1 der Verordnung genügt, werden Verfahren angegeben, die den folgenden Normen genügen:
a. NEN-ISO 4387:2000/A1:2008 Zigaretten – Bestimmung des Rohkondensats und des nikotinfreien Trockenkondensats unter Verwendung einer Zigaretten-Abrauchmaschine für Routineanalysen bezüglich der Emissionswerte für Teer;
b. NEN-ISO 10315:2013 Zigaretten – Nikotinbestimmung in Rauchkondensaten – Gaschromatographisches Verfahren;
c. NEN-ISO 8454:2007/A1:2009 Zigaretten – Bestimmung des Kohlenmonoxidgehalts in der Gasphase von Zigarettenrauch – NDIR-Verfahren.
2 Die Messergebnisse sind nach der Norm NEN-ISO 8243:2013 Zigaretten – Probenahme zu überprüfen.“
III. Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
17. Der Rechtsstreit im Ausgangsverfahren begann mit einem vom 31. Juli 2018 datierenden Schreiben der Stiftung, mit der die Nederlandse Voedsel- en Warenautoriteit (Niederländische Behörde für Lebensmittel- und Produktsicherheit; im Folgenden: NVWA) ersucht wurde, dafür Sorge zu tragen, dass auf dem niederländischen Markt erhältliche Filterzigaretten bei bestimmungsgemäßer Verwendung die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 festgelegten Emissionshöchstwerte einhalten, welche nach einem Verfahren festgelegt wurden, von dem in wissenschaftlichen Kreisen überwiegend angenommen wird, dass es der bestimmungsgemäßen Verwendung von Zigaretten am besten entspricht.
18. Nach Ansicht der Stiftung spiegeln die in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 genannten ISO-Messnormen nicht die bestimmungsgemäße Verwendung von Zigaretten wider, weil nicht berücksichtigt werde, auf welche Weise eine Zigarette geraucht werde, dass nämlich die rauchende Person die kleinen Belüftungslöcher im Filter mit ihren Lippen und Fingern verdecke.
19. Die Stiftung stützte sich auf eine Studie des Rijksinstituut voor Volksgezondheid en Milieu (Nationales Institut für öffentliche Gesundheit und Umwelt, Niederlande; im Folgenden: RIVM) (im Folgenden: RIVM-Studie) aus dem Jahr 2018, der zufolge diese Emissionshöchstwerte bei Emissionsmessung nach dem sogenannten Canadian-Intense-Verfahren weit überschritten werden. Sie ersuchte die NVWA deshalb, Filterzigaretten, die die Anforderungen nicht erfüllen, vom nationalen Markt zu nehmen.
20. Dieser Antrag wurde von der NVWA abgelehnt, was im Wesentlichen damit begründet wurde, dass kein anderes als das in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 genannte Verfahren angewandt werden könne.
21. Dagegen erhob die Stiftung (und mehrere andere Stellen) Klage beim Bezirksgericht Rotterdam. Die Vereniging Nederlandse Sigaretten- & Kerftabakfabrikanten (Vereinigung niederländischer Zigaretten- und Tabakfabrikanten; im Folgenden: VSK) wurde als Beteiligte des Ausgangsverfahrens zugelassen. Mit Entscheidung vom 20. März 2020 legte das genannte Gericht dem Gerichtshof mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vor, die die Gültigkeit und Auslegung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 betrafen.
22. Diese Fragen beantwortete der Gerichtshof mit seinem Urteil Stichting Rookpreventie Jeugd u. a., das oben in den Nrn. 3 und 4 zusammengefasst ist und auf das ich im Weiteren noch näher eingehen werde.
23. In Reaktion auf das Urteil befand das Bezirksgericht Rotterdam in seiner Entscheidung vom 4. November 2022, dass die nationalen Vorschriften zur Umsetzung der in Rede stehenden ISO-Messnormen nicht gegen die Stiftung als im allgemeinen Sinne Einzelnen durchsetzbar seien und dass das darin beschriebene Verfahren nicht der Richtlinie 2014/40 genüge, da es nicht die Emissionswerte messe, die sich bei bestimmungsgemäßer Verwendung einer Zigarette ergäben.
24. Laut dem Gericht ist es mangels eines der Richtlinie 2014/40 genügenden Messverfahrens nicht möglich, zu bestimmen, ob die in den Niederlanden verkauften Filterzigaretten die Emissionshöchstwerte für Filterzigaretten einhalten. Unter Berücksichtigung der RIVM-Studie und des Canadian-Intense-Verfahrens gelangte das Bezirksgericht Rotterdam zu dem Schluss, dass es starke Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Zigaretten im Markt den Anforderungen nicht genügten. Der Klage der Stiftung wurde deshalb stattgegeben.
25. Dagegen wurde Berufung eingelegt von der NVWA, dem Staatssecretaris van Volksgezondheid, Welzijn en Sport (Staatssekretär für Gesundheit, Wohlfahrt und Sport, Niederlande; im Folgenden: Staatssekretär), der VSK und den folgenden Parteien (gemeinsame Bezeichnung im Folgenden: betroffene Tabakhersteller im Ausgangsverfahren): Philip Morris Benelux BV und Philip Morris Investments BV (gemeinsame Bezeichnung im Folgen: Philip Morris), JT International Company Netherlands BV (im Folgenden: JTI), Van Nelle Tabak Nederland BV, firmierend unter dem Namen Imperial Tobacco Nederland (im Folgenden: Imperial) und British American Tobacco International (Holdings) BV (im Folgenden: BAT).
26. Mit Schreiben vom 10. Mai 2023 legten die NVWA und der Staatssekretär die Ergebnisse einer neuen, von der NVWA in Auftrag gegebenen RIVM-Studie über die Emissionswerte der in den Niederlanden erhältlichen Filterzigaretten vor, bei der die Messung nach der Methode der Weltgesundheitsorganisation (im Folgenden: WHO) namens TobLabNet (Standard operating procedure for intense smoking of cigarettes) SOP 01 erfolgte. Aus diesen Ergebnissen ist ersichtlich, dass die Emissionshöchstwerte überschritten werden.
27. Unter diesen Umständen hat das College van Beroep voor het bedrijfsleven (Oberster Verwaltungsgerichtshof für Handel und Industrie) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40/EU dahin auszulegen, dass die nicht im Amtsblatt veröffentlichten ISO-Normen Einzelnen, darunter der Stiftung, ausnahmslos nicht entgegengehalten werden können, selbst dann nicht, wenn es dem betreffenden Einzelnen möglich war, diese Normen einzusehen und sie (gegen Entgelt) zu erlangen?
2. Ist die Nichtdurchsetzbarkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40/EU – soweit diese Bestimmung auf nicht im Amtsblatt veröffentlichte ISO-Normen verweist – gegenüber den Einzelnen dahin zu verstehen, dass das Recht auf Durchsetzung der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie festgelegten Emissionshöchstwerte für Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid nicht verwehrt werden darf?
3. Ist die Formulierung „bestimmungsgemäß verwendet“ in der Definition für „Emissionen“ in Art. 2 Nr. 21 der Richtlinie 2014/40/EG dahin auszulegen, dass das Messverfahren dem menschlichen Rauchverhalten weitest möglich angenähert sein muss, weshalb bei der Messung die jedenfalls teilweise Verdeckung der kleinen Belüftungslöcher im Zigarettenfilter und/oder das Rauchvolumen und die Rauchhäufigkeit zu berücksichtigen wären, oder ist damit nur die Art und Weise des Konsumierens von Zigaretten mittels eines Verbrennungsprozesses gemeint?
4a. Für den Fall, dass die in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 genannten ISO-Normen im Hinblick auf die Antwort auf die dritte Frage für die Emissionswertmessung ungeeignet sein sollten: a) Führt das mit der Richtlinie 2014/40/EU u. a. verfolgte Ziel – ein hoher Schutz der menschlichen Gesundheit, besonders für junge Menschen – dazu, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit und der Bestimmtheitsgrundsatz der Durchsetzung eines alternativen Messverfahrens gegen die Tabakhersteller nicht entgegenstehen?
Falls unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtssicherheit und des Bestimmtheitsgrundsatzes die Frage 4a bejaht wird:
4b. Ist es den Mitgliedstaaten erlaubt, selbst – gegebenenfalls nur vorübergehend – ein alternatives Messverfahren festzulegen oder anzuwenden und dieses (auch) gegen die Tabakhersteller durchzusetzen, und
4c. wie verhält sich die Anwendung eines alternativen Messverfahrens zu dem mit der Richtlinie 2014/40/EU verfolgten Ziel der (maximalen) Harmonisierung und der Erleichterung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts?
5a. Für den Fall, dass ein alternatives Messverfahren angewandt werden muss: Bleiben die Emissionshöchstwerte gemäß Art. 3 Abs. 1 der [Richtlinie 2014/40/EU] weiterhin uneingeschränkt anwendbar?
Falls die Frage 5a zu verneinen ist:
5b. Sind die Mitgliedstaaten befugt, selbst, gegebenenfalls nur vorübergehend, alternative Emissionshöchstwerte festzulegen oder anzuwenden und diese (auch) gegen die Tabakhersteller durchzusetzen, und
5c. wie verhält sich die Anwendung alternativer Emissionshöchstwerte zu dem mit der Richtlinie 2014/40/EU verfolgten Ziel der (maximalen) Harmonisierung und der Erleichterung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts?
6a. Für den Fall, dass die Mitgliedstaaten befugt sein sollten, ein alternatives Messverfahren festzulegen oder anzuwenden, und dass dieses Verfahren gegen die Tabakhersteller durchsetzbar sein sollte: Führt das mit der Richtlinie 2014/40/EU verfolgte Ziel eines hohen Schutzniveaus für die öffentliche Gesundheit, besonders für junge Menschen, in Verbindung mit Art. 23 Abs. 2 dieser Richtlinie dazu, dass die in den Niederlanden in Verkehr gebrachten Zigaretten vom Markt genommen werden müssen, solange noch kein neues Messverfahren festgelegt worden ist und somit nicht festgestellt werden kann, ob die Zigaretten bei bestimmungsgemäßer Verwendung die Emissionshöchstwerte einhalten?
Falls die Frage 6a zu bejahen ist:
6b. Haben die Tabakhersteller in dem Fall Anspruch auf eine Übergangsfrist?
7. Für den Fall der Festlegung oder Anwendung eines alternativen Messverfahrens, gegebenenfalls in Verbindung mit alternativen Emissionshöchstwerten: Haben die Tabakhersteller in dem Fall Anspruch auf eine Übergangsfrist, in der sie sich auf dieses alternative Messverfahren und etwaige alternative Emissionshöchstwerte einstellen können?
28. Schriftliche Erklärungen sind von der Stichting Rookpreventie Jeugd, Philip Morris, JTI, Imperial und BAT, der niederländischen, bulgarischen, tschechischen, ungarischen und portugiesischen Regierung sowie von der Europäischen Kommission abgegeben worden. Mit Ausnahme der portugiesischen, tschechischen und ungarischen und Regierung haben die Verfahrensbeteiligten in der Verhandlung vom 10. März 2025 mündliche Erklärungen abgegeben.
IV. Würdigung
29. Mit seiner Vorlage fragt das vorlegende Gericht im Wesentlichen nach den genauen Folgen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs in der Sache Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. ergeben.
30. Insbesondere möchte es mit seiner ersten Frage wissen, ob der in dem Urteil gezogene Schluss, dass die in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 genannten ISO-Messnormen „den Einzelnen grundsätzlich“ nicht entgegengehalten werden können, gilt, wenn der betreffenden Partei (beispielsweise der Stiftung) der Zugang dazu möglich war; mit seiner zweiten Frage will es für den Fall, dass die fehlende Bindungswirkung dieser ISO-Normen gegenüber einer solchen Partei bestätigt werden sollte, im Wesentlichen wissen, ob die betreffende Partei aus der Richtlinie 2014/40 das Recht ableiten kann, die Einhaltung der Emissionshöchstwerte vor den nationalen Gerichten durchzusetzen.
31. Mit der dritten und der vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob diese Emissionswerte bei dem in den vorgenannten ISO-Normen festgelegten Verfahren in geeigneter Weise gemessen werden und, falls dem nicht so sein sollte, ob die mitgliedstaatlichen Behörden alternative Verfahren – beispielsweise das von der Stiftung vor den niederländischen Gerichten angeführte Verfahren – anwenden dürfen oder sogar müssen sowie, ob die Durchsetzung solcher alternativer Normen gegen die Tabakhersteller mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit vereinbar ist.
32. Mit der fünften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Schluss, dass die nationalen Behörden ein alternatives Messverfahren anwenden dürfen oder müssen, Einfluss auf die Anwendbarkeit der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 vorgesehenen Emissionshöchstwerte hat.
33. In der sechsten und der siebten Frage geht es schließlich im Wesentlichen darum, ob die betreffenden Zigaretten bis zur Festlegung eines alternativen Verfahrens vom Markt genommen werden müssen und ob eine Übergangsfrist vorgesehen werden muss, um die negativen Folgen, die eine solche Maßnahme für die betroffenen Unternehmen mit sich brächte, zu mindern.
34. Wie vom Gerichtshof erbeten, werden in den vorliegenden Schlussanträgen lediglich die ersten vier Vorlagefragen behandelt.
35. Um die Würdigung (B) vornehmen zu können, wende ich mich nun dem Urteil des Gerichtshofs in der Sache Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. und dem darin behandelten Rechtsproblem (A) zu. In einem Postskriptum werde ich abschließend auf einige Aspekte eingehen, die die anhaltende Nichtveröffentlichung der in Rede stehenden ISO-Normen betreffen (C).
A. Das Urteil Stichting Rookpreventie Jeugd u. a.
36. Zur Erläuterung der Tragweite des in Rede stehenden Urteils werde ich erstens die wesentlichen Aspekte des einschlägigen rechtlichen Hintergrundes und die entscheidenden Ausführungen in der vom Gerichtshof erteilten Antwort aufzeigen (1). Zweitens werde ich die Antwort in den Zusammenhang der früheren Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Frage der rechtlichen Wirkungen unveröffentlichter Unionsrechtsakte einordnen (2). Drittens werde ich auf die Zweifel eingehen, die sich in Bezug auf die ratio decidendi ergeben können (3), und ich werde klarstellen, wie diese ratio decidendi zu verstehen ist (da diese Klarstellung für die Beantwortung der Vorlagefragen erforderlich ist) (4).
1. Rechtlicher Hintergrund und zentrale Ausführungen des in Rede stehenden Urteils
37. Ich erinnere daran, dass zum einen Zigaretten, die in den Mitgliedstaaten in Verkehr gebracht oder hergestellt werden, die Emissionshöchstwerte für gewisse, in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 genannte gesundheitsschädliche Stoffe (Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid) nicht überschreiten dürfen. Zum anderen müssen gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie die Emissionen dieser Stoffe nach der ISO-Norm 4387 für Teer, der ISO-Norm 10315 für Nikotin und der ISO-Norm 8454 für Kohlenmonoxid gemessen werden. Des Weiteren ist die Genauigkeit dieser Messungen gemäß der ISO-Norm 8243 zu bestimmen.
38. Wegen der wichtigen Rolle, die den ISO-Normen im vorliegenden Fall zukommt, werde ich einige kurze Anmerkungen zu ihren Eigenschaften machen (a), bevor ich dann auf die Klarstellung ihrer rechtlichen Wirkungen im Unionsrecht, die in dem in Rede stehenden Urteil gegeben wird, eingehe (b).
a) Von der ISO ausgearbeitete Normen
39. Erstens werden die ISO-Normen in einem recht komplex erscheinenden Verfahren ausgearbeitet, an dem innerhalb mehrerer ISO-Gremien verschiedene ISO-Mitglieder (aus zurzeit 174 Ländern) sowie viele staatliche oder private interessierte Parteien teilnehmen(7 ). Diese Normen sind als Kodifikation technischer Kenntnisse von und für Fachkreise beschrieben worden(8 ). Laut der ISO sind ihre Normen „marktgetrieben“(9 ). Die ISO selbst ist eine Nichtregierungsorganisation (schweizerischen Rechts)(10 ) mit der Aufgabe, „die Entwicklung der Normung und damit im Zusammenhang stehende Aktivitäten weltweit zu fördern, um den internationalen Austausch von Waren und Dienstleistungen zu erleichtern …“(11 ) (wobei die Aufgabe, einheitliche Normen auszuarbeiten, schon aus dem Namen ISO ersichtlich ist, der vom griechischen Wort für „gleich“ kommt).
40. Zweitens wird über die Ausarbeitung der Normen nicht von der ISO selbst entschieden, sondern sie ergibt sich aus den Anträgen, die insbesondere von den jeweiligen nationalen Mitgliedsorganisationen gestellt werden und in der Regel auf Ersuchen aus der Branche zurückgehen(12 ).
41. Drittens ist die Befolgung der ISO-Normen freigestellt(13 ); es scheint, dass Regulierungsbehörden, die sich dafür entscheiden, sich auf ISO-Normen zu stützen, in der Regel auf diese verweisen. Eine solche Verweisung kann „offen“ sein, d. h. lediglich die Grundbezeichnung enthalten, was dann zu einer Verweisung wie „ISO 10315“ führt; es kann aber auch die genaue Fassung der Norm angegeben sein, was dann zu einer Verweisung wie „ISO 10315:2021“ führt (die Jahresangabe bezieht sich jeweils auf die letzte erhältliche Überarbeitung oder Bestätigung der Norm). Dazu merke ich an, dass die Verweisung in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 „offen“ ist, wohingegen in der niederländischen nationalen Umsetzung die genaue Fassung angegeben ist(14 ).
42. Viertens sind die ISO-Normen durch Rechte am geistigen Eigentum zugunsten der ISO geschützt(15 ) und grundsätzlich gegen Entgelt erhältlich. So sind beispielsweise die in Rede stehenden ISO-Normen zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Schlussanträge (bei der ISO) zum Preis von 132 Schweizer Franken (CHF) für die ISO-Norm 4387:2019 und zum Preis von je 65 CHF für die Normen ISO 10315:2021, ISO 8454:2024 bzw. ISO 8243:2013 erhältlich(16 ).
43. Fünftens wird der Verkauf der ISO-Normen als Haupteinnahmequelle der ISO genannt(17 ), allerdings neben anderen Ressourcen wie Beitragszahlungen der Mitglieder, Erbringung von Dienstleistungen, Spenden für bestimmte ISO-Aktivitäten oder möglicherweise Mittel aus anderen Quellen(18 ).
44. Abschließend ist zu sagen, dass die ISO-Normen grundsätzlich in englischer, französischer und russischer Sprache, den Amtssprachen der ISO, erhältlich sind(19 ). Die jeweiligen Mitgliedsorganisationen können Übersetzungen in andere Sprachen erstellen (die unter gewissen Voraussetzungen von der ISO als amtliche Übersetzungen angesehen werden können)(20 ). Die hier in Rede stehenden ISO-Normen scheinen (von der ISO) auf Englisch und Französisch zum Verkauf angeboten zu werden(21 ). Die nationalen Fassungen dieser Normen scheinen (nur) auf Englisch erhältlich zu sein(22 ).
45. Im Anschluss an diese Klarstellungen werde ich mich nunmehr den rechtlichen Wirkungen zuwenden, die die in Rede stehenden ISO-Normen in der Unionsrechtsordnung entfalten.
b) Die in Rede stehenden ISO-Normen in der Unionsrechtsordnung
46. Zunächst merke ich an, dass das in Rede stehende Urteil das erste ist, in dem der Gerichtshof auf die rechtlichen Wirkungen extern ausgearbeiteter technischer Normen im Unionsrecht eingegangen ist. Eine damit im Zusammenhang stehende Frage stand allerdings im Mittelpunkt der Leitentscheidung James Elliott, in der der Gerichtshof festgestellt hat, dass eine vom Europäischen Komitee für Normung (im Folgenden: CEN) angenommene Norm Teil des Unionsrechts ist. Der Gerichtshof ist zu diesem Schluss gelangt, obwohl nicht die betreffende Norm als solche (sondern lediglich ihre Fundstelle) im Amtsblatt veröffentlicht worden war(23 ).
47. In dem Urteil wurde jedoch nicht auf die rechtlichen Folgen der Nichtveröffentlichung eingegangen. In der Sache war die Hauptfrage für den Gerichtshof, ob er zur Auslegung der betreffenden Norm befugt war. Diese Frage wurde bejaht, und der Umstand, dass die Norm unveröffentlicht war, wurde nicht berührt, geschweige denn erörtert. Folglich war es dem Gerichtshof, als er im Urteil Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. (in Bezug auf nicht veröffentlichte ISO-Normen) über die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 entscheiden musste, nicht möglich, sich auf sein Urteil James Elliott zu stützen (was er auch nicht getan hat).
48. Der Gerichtshof hat erstens bestätigt, dass die Emissionshöchstwerte in Anwendung der Messverfahren zu messen sind, die sich aus den ISO-Normen ergeben, auf die in Art. 4 Abs. 1 (und zwar, woran die bulgarische Regierung erinnert hat, unter Ausschluss jedes anderen Verfahrens) verwiesen wird (24 ).
49. Zweitens hat der Gerichtshof festgestellt, dass der Umstand, dass die Messverfahren vom Unionsgesetzgeber unter Verweisung auf (extern ausgearbeitete) ISO-Normen, die nicht im Amtsblatt veröffentlicht worden waren, festgelegt wurden, die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 unberührt lässt.
50. Diese Frage wurde unter verschiedenen Blickwinkeln untersucht, insbesondere unter dem Aspekt des Grundsatzes der Rechtssicherheit. Dieser Grundsatz wurde für gewahrt befunden, weil der in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 vorgenommene Verweis auf die ISO-Messnormen, so der Gerichtshof, klar, bestimmt und in seinen Auswirkungen vorhersehbar ist und weil die vorgenannte Richtlinie selbst im Amtsblatt veröffentlicht worden ist(25 ).
51. Der Gerichtshof hat auch daran erinnert, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit dem entgegensteht, dass Unionsrechtsakte natürlichen und juristischen Personen entgegengehalten werden, bevor durch ordnungsgemäße Veröffentlichung im Amtsblatt diesen Personen Gelegenheit gegeben worden ist, davon Kenntnis zu nehmen(26 ). In Bezug auf die (durch die vorgenannte Richtlinie vorgeschriebenen) ISO-Messnormen hat der Gerichtshof entschieden, dass sie „den Einzelnen grundsätzlich nur dann entgegengehalten werden können, wenn sie selbst im [Amtsblatt] veröffentlicht worden sind“(27 ). Allerdings hat er hinzugefügt, dass (Zigaretten herstellenden oder in Verkehr bringenden) „Unternehmen“, wenn sie Zugang zur offiziellen und authentischen Fassung haben, diese Normen entgegengehalten werden können(28 ).
52. Drittens hat der Gerichtshof – angesichts der Schlussfolgerung, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40, soweit dadurch die Anwendung nicht veröffentlichter ISO-Normen vorgeschrieben wird, „den Einzelnen grundsätzlich“ nicht entgegengehalten werden kann – in Rn. 74 des Urteils Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. entschieden, dass es Sache des vorlegenden Gerichts war, in dem Fall „zu beurteilen, ob die Verfahren, die tatsächlich zur Messung der Emissionswerte [der betreffenden gesundheitsschädlichen Stoffe] angewandt wurden, mit der Richtlinie 2014/40 in Einklang stehen, ohne deren Art. 4 Abs. 1 zu berücksichtigen“.
53. Damit hat der Gerichtshof bestätigt, dass das nationale Gericht befugt ist, ein alternatives Messverfahren (dessen allgemeine Merkmale er angegeben hat) anzuwenden(29 ), falls, wie er hinzugefügt hat, „Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 den Einzelnen nicht entgegengehalten werden kann“(30 ).
54. Daraus folgt, dass die ratio decidendi des vorgenannten Urteils zwei Hauptelemente umfasst: die Bestätigung der Gültigkeit der vorgenannten Bestimmung sowie die damit einhergehenden Ausführungen zu deren (bedingter) Durchsetzbarkeit.
55. Wie ich nunmehr erklären werde, stützt sich diese Lösung auf die frühere Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Frage der rechtlichen Wirkungen nicht veröffentlichter Unionsrechtsakte, die hierdurch weiterentwickelt wird.
2. Unterscheidung zwischen Gültigkeit und Anwendbarkeit von Unionsrechtsakten
56. Die vorstehende Unterscheidung folgt der Rechtsprechung des Gerichtshofs, nach der das Fehlen der Veröffentlichung eines (eigentlich zu veröffentlichenden) Unionsrechtsakts im Amtsblatt dazu führt, dass dieser nicht gegen Einzelne (natürliche oder juristische Personen) durchsetzbar ist, dass jedoch seine Gültigkeit unberührt bleibt.
57. So hat der Gerichtshof insbesondere im Urteil Skoma-Lux(31 ) entschieden, dass die Zollbehörden gegenüber einem Einführer keine unionsrechtlichen Zollvorschriften anwenden können, wenn die jeweilige Sprachfassung der einschlägigen Unionsvorschrift zum maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht worden war. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof auch klargestellt, dass die Nichtveröffentlichung der jeweiligen Sprachfassung eine Frage der Nichtanwendbarkeit der in Rede stehenden Bestimmung gegenüber dem Einzelnen ist, jedoch den verbindlichen Charakter der Bestimmungen gegenüber dem jeweiligen Mitgliedstaat unberührt lässt(32 ) (was bedeutet, dass der betroffene Einzelne sich staatlichen Stellen gegenüber darauf berufen kann)(33 ). Wird ein solcher Rechtsakt nicht oder verspätet veröffentlicht, führt dies also zu verzögerter Anwendbarkeit der dem Einzelnen auferlegten Verpflichtungen, die andauert, bis die betreffende Sprachfassung im Amtsblatt veröffentlicht worden ist(34 ).
58. Zur gleichen Lösung kam der Gerichtshof im Urteil Heinrich(35 ), in einem Fall, in dem einem Fluggast das Besteigen eines Flugzeugs verwehrt worden war, weil er in seinem Handgepäck Tennisschläger mit sich führte. In dem Urteil ist der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass ein (nicht veröffentlichter) Anhang einer (veröffentlichten) Verordnung, in dem Gegenstände aufgelistet sind, die Fluggäste nicht an Bord eines Flugzeugs bringen dürfen, dem Einzelnen gegenüber nicht angewandt werden konnte.
59. In den vorgenannten Fällen (auf die im Urteil Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. verwiesen wird) hat der Gerichtshof daran erinnert, dass „eine [Unionsregelung] nach dem Gebot der Rechtssicherheit den Betroffenen ermöglichen muss, den Umfang der Verpflichtungen, die sie ihnen auferlegt, genau zu erkennen, was nur durch die ordnungsgemäße Veröffentlichung dieser Regelung … garantiert werden kann“(36 ). Der Gerichtshof hat auch erklärt, dass die gegenteilige Auffassung „darauf hinauslaufen [würde], dass der Einzelne …, wenn die Gemeinschaftsverwaltung ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen ist, ihm … den gesamten gemeinschaftlichen Besitzstand … zugänglich zu machen, die negativen Folgen dieses Verhaltens zu tragen hätte“(37 ).
60. In seinem Urteil Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. hat sich der Gerichtshof auf diese Prämissen gestützt, er hat jedoch auch eine Abweichung von der sich daraus ergebenden Hauptregel eingeführt(38 ).
61. So hat der Gerichtshof im Urteil Skoma-Lux sehr deutlich gesagt, dass das Ergebnis – nämlich die Nichtanwendbarkeit eines nicht veröffentlichten Unionsrechtsakts gegenüber natürlichen und juristischen Personen – unabhängig davon gilt, ob die betreffende Person auf andere Weise davon hätte Kenntnis nehmen können(39 ). In dem in Rede stehenden Urteil hat der Gerichtshof jedoch darauf abgestellt, dass die nationalen Normungsorganisationen auf Antrag Zugang zur offiziellen und authentischen Fassung der von der ISO festgelegten Normen gewähren können(40 ), und ist zu dem Schluss gelangt, dass, sofern der Zugang zu diesen Normen möglich war, diese den Unternehmen entgegengehalten werden können. Lediglich für den Fall, dass ein solcher Zugang nicht möglich war, hat der Gerichtshof entschieden, dass deren bindende Wirkung „den Einzelnen grundsätzlich“ nicht entgegengehalten werden kann. Überdies und im Hinblick auf die Folgen einer solchen Nichtanwendbarkeit hat er auch festgestellt, dass das vorlegende Gericht die Möglichkeit hat, die Einhaltung der Emissionshöchstwerte nach einem alternativen Messverfahren zu überprüfen (Rn. 74).
62. Wie die niederländische Regierung in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen angemerkt hat, sind die rechtlichen Auswirkungen insbesondere der Rn. 74 des Urteils Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. (in Verbindung mit dem bestätigten verbindlichen Charakter der in Rede stehenden ISO-Normen) zu klären. Dies wiederum erfordert, die vom Gerichtshof getroffene Unterscheidung zwischen den Kategorien „den Einzelnen grundsätzlich“ und „Unternehmen“ zu untersuchen, um festzustellen, ob – und unter welchen Voraussetzungen – die in Rede stehenden ISO-Messnormen als bindend angesehen werden können.
3. Ist das in Rede stehende Urteil „eng“ oder „weit“ auszulegen?
63. Aus dem vorstehenden Abschnitt ist ersichtlich, dass der Gerichtshof im Urteil Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. entschieden hat, dass die in Rede stehenden ISO-Normen Unternehmen entgegengehalten werden können, wenn diese Zugang dazu haben können. Für den Fall, dass die ISO-Normen nicht als für „den Einzelnen grundsätzlich“ verbindlich angesehen werden können, hat der Gerichtshof auch anerkannt, dass die Möglichkeit besteht, ein alternatives Messverfahren anzuwenden. Vor diesem Hintergrund geht es im vorliegenden Fall darum, festzustellen, ob nationale Behörden ein solches alternatives Verfahren nur anwenden dürfen, wenn es dem betroffenen Unternehmen nicht möglich war, sich Zugang zu den betreffenden Normen zu verschaffen, oder ob sie dies dürfen, wenn eine Partei wie die Stiftung (als Teil der Allgemeinheit) Klage erhebt, um Zigaretten vom Markt nehmen zu lassen (unabhängig davon, ob es den betroffenen Unternehmen möglich war, sich Zugang zu den in Rede stehenden ISO-Normen zu verschaffen, und ob diese von ihnen eingehalten wurden).
64. Wenden wir uns diesen Aspekten vor dem Hintergrund der ausdrücklichen Feststellung in Rn. 52 des Urteils Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. zu, dass die nicht veröffentlichten ISO-Normen Unternehmen auferlegt werden können, wenn diese Zugang zu den ISO-Normen haben, so scheint die Feststellung in Rn. 74 desselben Urteils zu besagen, dass das nationale Gericht Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 außer Acht lassen und ein alternatives Messverfahren anwenden darf, falls festgestellt werden sollte, dass die betroffenen Unternehmen keinen Zugang zu den in Rede stehenden ISO-Normen hatten.
65. Für diesen Schluss spricht der Umstand, dass Rn. 79 des Urteils und Nr. 5 seines Tenors (welcher sich auf die Ausführungen in den Rn. 74 und 79 bezieht) als Hypothese formuliert sind(41 ). In diesen Urteilspassagen werden für den Fall, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 „den Einzelnen“ nicht entgegengehalten werden kann, die Merkmale eines alternativen Messverfahrens beschrieben. Gleichzeitig ist die einzige Stelle in der vom Gerichtshof gegebenen Begründung, an der die Anwendbarkeit der in Rede stehenden ISO-Normen an eine Bedingung geknüpft wird, Rn. 52 des Urteils, wo der Gerichtshof die Bindungswirkung der ISO-Normen für „Unternehmen“ (wenn diese Zugang dazu haben) bestätigt.
66. Vor diesem Hintergrund scheint es folglich dem nationalen Gericht möglich zu sein, ein alternatives Messverfahren anzuwenden (was in Rn. 74 des Urteils Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. bestätigt wird), wenn die betreffenden Unternehmen (als spezifische Kategorie von „Einzelnen“ im Sinne von Rn. 79 des Urteils und Nr. 5 seines Tenors) keinen Zugang zu den einschlägigen ISO-Normen haben können.
67. Diese Auslegung entspricht dem, was ich hier als „enge“ Lesart des in Rede stehenden Urteils bezeichnen werde.
68. Allerdings ist das vorliegende Ersuchen auf die Prämisse gestützt, dass die ratio decidendi des Urteils gerade nicht auf ein solches enges Verständnis beschränkt sei, sondern dass daraus auch folge, dass die Nichtveröffentlichung der in Rede stehenden ISO-Normen bedeute, dass diese auch keine Bindungswirkung gegenüber anderen Personen wie beispielsweise der Stiftung hätten, was konkrete rechtliche Folgen nach sich ziehe.
69. Im Kontext des Ausgangsverfahrens ist es so, dass dieses Verständnis bedeutet (oder bedeuten könnte, da ja die Frage, ob dem so ist, Teil der Vorlagefragen ist), dass – obwohl die von den betroffenen Unternehmen in Verkehr gebrachten Zigaretten, wenn sie nach den in Art. 4 Abs. 1 derselben Richtlinie genannten ISO-Normen gemessen werden, die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 festgelegten Emissionshöchstwerte einhalten – eine Partei wie die Stiftung erfolgreich geltend machen könnte, dass die Emissionshöchstwerte bei Anwendung eines alternativen Messverfahrens nicht eingehalten würden. Daraus würde folgen, dass das betroffene Unternehmen, um die Zigaretten in Verkehr bringen (oder dort belassen) zu können, die Emissionshöchstwerte auch bei Messung nach einem solchen alternativen Verfahren einhalten müsste.
70. Diese Lesart der möglichen Auswirkungen des vorgenannten Urteils, die ich hier als „weit“ bezeichnen werde, ergibt sich aus dem Inhalt der Vorlagefragen. Ich erinnere daran, dass das vorlegende Gericht insbesondere wissen möchte, ob die Schlussfolgerung hinsichtlich der Nichtanwendbarkeit der in Rede stehenden ISO-Normen gegenüber „Einzelnen, darunter der Stiftung,“ auch gelte, wenn der Stiftung der Zugang zu diesen Normen möglich gewesen sei, und ob die Anwendung eines alternativen Messverfahrens zulasten der Tabakhersteller den Grundsatz der Rechtssicherheit verletze (wobei diese Fragen im Kontext eines nationalen Verfahrens gestellt werden, in dem kein Zweifel daran ersichtlich ist, dass den Tabakherstellern der Zugang zu den in Rede stehenden ISO-Normen tatsächlich möglich war und dass sie die Anforderungen der Richtlinie 2014/40 einhielten).
71. Dieses weite Verständnis des in Rede stehenden Urteils könnte auf die Art und Weise zurückzuführen sein, wie die Begriffe „Unternehmen“ und „den Einzelnen grundsätzlich“ in dem genannten Urteil verwendet werden (welche, wie ich zugeben muss, zu Verwirrung führen kann); ich werde nunmehr erklären, weshalb die ratio decidendi des Urteils, so wie vorstehend in den Nrn. 64 bis 67 beschrieben, im engen Sinne zu verstehen ist.
4. Klärung der ratio decidendi
72. Erstens erinnere ich daran, dass der Gerichtshof im vorgenannten Urteil klargestellt hat, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 einem Unternehmen, das Zigaretten herstellt oder in Verkehr bringt, die Verpflichtung auferlegt, die in der Vorschrift genannten ISO-Messnormen anzuwenden.
73. Vor diesem Hintergrund gäbe es, wie die niederländische Regierung in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen angemerkt hat, wenn man der weiten Lesart des in Rede stehenden Urteils folgte, keinerlei Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit in Bezug darauf, ob diese Zigaretten in Verkehr gebracht werden können oder nicht. Während die Möglichkeit, Zigaretten in Verkehr zu bringen, allein an die Einhaltung der in der Richtlinie 2014/40 genannten Anforderungen geknüpft ist, würde die weite Auslegung es zulassen, diese Möglichkeit jedes Mal in Frage zu stellen, wenn eine Privatperson (jemand anderes als das Unternehmen, das die Zigaretten herstellt oder in Verkehr bringt) sich dafür entscheidet, Klage zu erheben, um die Zigaretten vom Markt nehmen zu lassen. Überdies käme es nur dann zur Anwendbarkeit eines alternativen Verfahrens, wenn eine Partei wie die Stiftung Klage erhöbe, da es ohne Klageerhebung keinen Grund für dessen Anwendung gäbe, denn der Gerichtshof hat deutlich bestätigt, dass die in Rede stehenden ISO-Normen für Unternehmen zwingenden Charakter haben (es sei denn, die ISO-Normen sind ihnen nicht zugänglich). Anders gesagt wären die Voraussetzungen, unter denen die in Rede stehenden Erzeugnisse in Verkehr gebracht werden könnten und die die betreffenden Unternehmen erfüllen müssten, jeweils andere, je nachdem, ob der Rechtsweg beschritten wird und ob die Klage von einem Mitglied der Allgemeinheit oder aber von einer staatlichen Stelle oder einem Wettbewerber erhoben würde.
74. Zweitens bestimmt Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40, der die Überschrift „Freier Verkehr“ trägt, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen oder verwandten Erzeugnissen, die dieser Richtlinie entsprechen, nicht aus Gründen untersagen oder beschränken [dürfen], die in dieser Richtlinie geregelte Gesichtspunkte betreffen“. In Art. 24 sind zwei Ausnahmen vorgesehen, die jedoch beide für die vorliegende Sache nicht von Belang sind(42 ). Würde man sich die weite Lesart des Urteils zu eigen machen und einer Partei wie der Stiftung gestatten, das Inverkehrbringen von Zigaretten, die den Anforderungen der Richtlinie 2014/40 genügen, wirksam zu verhindern, so wäre Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 seiner praktischen Wirkung beraubt, wären die nationalen Behörden gezwungen, davon abweichend zu handeln, und würde der erreichte Grad der Harmonisierung untergraben(43 ).
75. Drittens würde eine weite Lesart die der Kommission in Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2014/40 übertragene Befugnis entwerten, die einschlägigen Messverfahren anzupassen, „wenn dies aufgrund wissenschaftlicher und technischer Entwicklungen oder international vereinbarter Normen erforderlich ist“.
76. Natürlich beeinträchtigt es die Befugnis der Kommission auch, wenn Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 nicht beachtet wird (weil die einschlägigen ISO-Normen dem betreffenden Unternehmen nicht zugänglich sind); das ist jedoch die notwendige Folge der fehlenden Anwendbarkeit, die sich aus der Nichtveröffentlichung im Amtsblatt ergibt. Diese Folge ist jedoch kein Grund dafür, einer anderen Partei die Befugnis einzuräumen, den Inhalt der in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 vorgesehenen Verpflichtung, die auf eine ganz andere Kategorie von Personen abzielt, abzuändern(44 ).
77. Viertens liefe eine weite Auslegung des in Rede stehenden Urteils dem Ergebnis zuwider, zu dem der Gerichtshof im Urteil Skoma-Lux gelangt ist, dass nämlich die Anwendung in nicht veröffentlichten Unionsrechtsakten festgelegter Verpflichtungen darauf hinausliefe, dass die betreffenden Einzelnen die negativen Folgen zu tragen hätten, die sich aus dem Versäumnis der Unionsverwaltung ergeben, ihnen die jeweiligen Unionsrechtsakte zugänglich zu machen(45 ).
78. Insofern – und obwohl das genannte Urteil eine Ausnahme von der obigen Prämisse vorsieht (indem es die bedingte Anwendbarkeit der in Rede stehenden nicht veröffentlichten ISO-Normen gestattet) – hätte eine weite Lesart des genannten Urteils für die betreffenden Einzelnen (die Tabakhersteller) besonders schwerwiegende nachteilige Auswirkungen. Ungeachtet dessen, dass die Anforderungen der nicht veröffentlichten Norm von ihnen eingehalten wurden, könnte diese Norm zu ihrem Nachteil durch eine andere ersetzt werden, die – anders als die in Rede stehenden ISO-Normen – nicht einmal im Voraus angegeben wird.
79. Fünftens liefe die sich daraus ergebende Situation auch der in der mündlichen Verhandlung erörterten Feststellung des Gerichtshofs im Urteil Sevince zuwider, wonach die fehlende Veröffentlichung eines Unionsrechtsakts dem Einzelnen nicht die Möglichkeit nimmt, sich gegenüber einer Behörde auf die ihm darin zuerkannten Rechte zu berufen(46 ).
80. Bei der weiten Lesart des in Rede stehenden Urteils wäre es den Tabakherstellern unmöglich, sich auf ihr meines Erachtens in der Richtlinie 2014/40 vorgesehenes Recht zu berufen, Zigaretten, die den darin festgelegten Anforderungen genügen, in Verkehr zu bringen (wobei dieses Recht das notwendige Gegenstück zu dem an die Mitgliedstaaten gerichteten Verbot in Art. 24 derselben Richtlinie ist).
81. Es sei allerdings deutlich gesagt, dass diese Ausführungen weder darauf abzielen, die gesundheitsbezogenen Bedenken, die offenbar Anlass zu der Klage im Ausgangsverfahren gegeben haben, herunterzuspielen, noch darauf, die Legitimität des zivilgesellschaftlichen Einsatzes einer Partei wie der Stiftung für die Verbesserung des Schutzes insbesondere junger Menschen vor den schädlichen Folgen des Rauchens (die weithin, auch vom Unionsgesetzgeber selbst, anerkannt werden) in Zweifel zu ziehen. Auf diesen Aspekt werde ich später zurückkommen. Meine obigen Ausführungen zielen lediglich darauf ab, darauf hinzuweisen, dass die rechtlichen Folgen, die mit einer weiten Lesart des in Rede stehenden Urteils einhergehen (unabhängig davon, wie man über die betroffenen Erzeugnisse denken mag), die relevanten Aspekte der vom Gesetzgeber erreichten Harmonisierung eines Großteils ihrer Wirksamkeit berauben würden, einigen der fundamentalen Aspekte der Funktionsweise des Unionsrechts als solchem zuwiderliefen und offensichtlich mit dem von mir bereits erwähnten Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar wären, welcher impliziert, dass Betreiber ihr Verhalten an den für ihre Branche geltenden Normen ausrichten können (wozu in diesem Fall die Messverfahren zählen, die in den in Rede stehenden ISO-Normen festgelegt sind).
82. Bei genauerer Betrachtung des in Rede stehenden Urteils zeigt sich, dass die obigen Bedenken angesichts seiner ratio decidendi berechtigt sind. Trotz der bereits erwähnten uneindeutigen Formulierung ist meines Erachtens doch aus mehreren Urteilspassagen ersichtlich, dass der Gerichtshof das Urteil „eng“ verstanden wissen wollte.
83. An erster Stelle sei auf den Aufbau der vom Gerichtshof in den Rn. 48 bis 52 des Urteils gegebenen Begründung hingewiesen, die die bedingte Anwendbarkeit der in Rede stehenden ISO-Normen betrifft und zeigt, dass der Begriff „Unternehmen“ als Unterkategorie der „Einzelnen“ verstanden werden kann(47 ); dieser Begriff würde nach diesem Verständnis nämlich als Synonym verwendet für „natürliche und juristische Personen“ und „Einzelpersonen“, denen die sich ergebenden Verpflichtungen auferlegt werden. Ich erinnere daran, dass diese Begriffe in den Urteilspassagen erscheinen, die die Nichtanwendbarkeit unveröffentlichter Rechtsakte betreffen (Rn. 40 und 41, in denen auf die Urteile Skoma-Lux und Heinrich verwiesen wird), und auch in der vorgenannten Nr. 5 des Tenors des Urteils Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. verwendet werden (wo von „den Einzelnen“ die Rede ist).
84. Zur Erklärung stellt der Gerichtshof in Rn. 48 des in Rede stehenden Urteils (die erste der beiden relevanten Stellen, an denen die Wendung „den Einzelnen grundsätzlich“ auftaucht) fest, dass „gemäß dem Grundsatz der Rechtssicherheit … [die in Rede stehenden ISO-Normen] … den Einzelnen grundsätzlich nur dann entgegengehalten werden können, wenn sie selbst im [Amtsblatt] veröffentlicht worden sind“. Diesbezüglich vermag ich nicht zu erkennen, inwieweit die Auswirkungen des Grundsatzes der Rechtssicherheit für eine Partei relevant sein könnten, der keinerlei Verpflichtung zur Verwendung der in Rede stehenden Norm auferlegt ist.
85. In Rn. 51 des Urteils (der zweiten relevanten Stelle, an der diese Wendung verwende wird) stellt der Gerichtshof fest, dass „[d]a die Normen … nicht im [Amtsblatt] … veröffentlicht wurden, … die Einzelnen jedoch … grundsätzlich nicht in der Lage [sind], von den Verfahren zur Messung der [Emissionshöchstwerte] Kenntnis zu nehmen“. An dieser Stelle erklärt der Gerichtshof, dass die fehlende Möglichkeit, von den vorgenannten Verfahren Kenntnis zu nehmen, im Gegensatz zu insbesondere den Urteilen Skoma-Lux und Heinrich steht, die, wie bereits erwähnt, die rechtliche Lage von Personen betreffen, die Verpflichtungen unterliegen, die in (nicht veröffentlichten) Unionsrechtsakten festgelegt wurden(48 ). Darin zeigt sich meines Erachtens die Absicht des Gerichtshofs, die sich aus der Nichtveröffentlichung ergebenden Folgen für diejenigen Personen zu erörtern, die der jeweiligen rechtlichen Verpflichtung unterliegen.
86. Alternativ – und angesichts dessen, dass alle Beteiligten, die im vorliegenden Verfahren Erklärungen abgegeben haben, die vorgenannten Kategorien für widersprüchlich halten – ist es auch möglich, dass der Gerichtshof nicht in solcher Weise zwischen den beiden Kategorien zu unterscheiden beabsichtigte. Das würde dann jedoch bedeuten, dass – soweit er davon spricht, dass die ISO-Normen (nicht) entgegengehalten werden können – dieser Wendung je nachdem, ob sie Unternehmen oder „den Einzelnen grundsätzlich“ betrifft, nicht dieselbe Bedeutung zukommt. Im ersten Fall würde die Wendung die (klassische staatliche) Durchsetzbarkeit rechtlicher Verpflichtungen beschreiben. Im zweiten Fall würde sie sich auf die Rolle der Stiftung als „Beobachtungsstelle für die Rechtseinhaltung“ beziehen (worauf möglicherweise in der im vorigen Absatz zitierten Rn. 51 implizit Bezug genommen wird). Dies ist im Wesentlichen die von der Kommission in der mündlichen Verhandlung vorgeschlagene Lesart.
87. Selbst wenn der Inhalt der obigen Unterscheidung zwischen den Unternehmen und „den Einzelnen grundsätzlich“ akzeptiert wird, wird das enge Verständnis der rechtlichen Folgen , die das in Rede stehende Urteil nach sich zieht, immer noch durch die einschlägige Passage seines Tenors gestützt, wo es darum geht, dass das nationale Gericht die Möglichkeit hat, ein alternatives Messverfahren anzuwenden.
88. Diese Möglichkeit wird Rn. 74 der Urteilsbegründung behandelt und in deren Rn. 79 weiterentwickelt. Der einzige einschlägige Teil des Tenors, der sich auf diese Ausführungen bezieht, ist dessen Nr. 5, worin die Möglichkeit, ein alternatives Messverfahren anzuwenden, von der Feststellung, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 „den Einzelnen“ nicht entgegengehalten werden kann, abhängig gemacht wird („In dem Fall, dass Art. 4 Abs. 1“ der Richtlinie „den Einzelnen nicht entgegengehalten werden kann“.)
89. Anders gesagt: Dieser Punkt ist, wie ich bereits erklärt habe, als zu überprüfende Hypothese formuliert. Was das angeht, ist die einzige Stelle in der gesamten vom Gerichtshof gegebenen Begründung, an der die Anwendbarkeit der in Rede stehenden ISO-Normen an eine Bedingung geknüpft wird, diejenige, an der es um die Durchsetzbarkeit dieser Normen gegen die Unternehmen geht (Rn. 52). Worauf es ankommt und was zu überprüfen ist, ist also, ob die betroffenen Hersteller auf der Beklagtenseite im Ausgangsverfahren Zugang zu den in Rede stehenden ISO-Normen hatten – und nicht der Umstand, ob dies der Klägerin, d. h. der Stiftung, nicht möglich war.
90. Aus dem vorgenannten Urteil folgt also, dass die Nichtveröffentlichung der in Rede stehenden ISO-Normen im Amtsblatt der Möglichkeit, diese gegenüber den Unternehmen, die Zigaretten herstellen oder in Verkehr bringen, durchzusetzen, nicht entgegensteht, wenn den betreffenden Unternehmen der Zugang zu den ISO-Normen möglich ist. Ist dies der Fall, müssen die nationalen Behörden (einschließlich der nationalen Gerichte) für die Feststellung, ob die in Verkehr gebrachten Zigaretten den in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 festgelegten Emissionshöchstwerten genügen, die Messverfahren anwenden, die in den in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 genannten ISO-Normen vorgesehen sind, und zwar unabhängig davon, wer (sei es ein Staat, ein Wettbewerber oder eine Vereinigung wie die Stiftung) die Überschreitung dieser Emissionswerte geltend macht. Wenn den Unternehmen der Zugang zu den Normen jedoch nicht möglich war, so darf das nationale Gericht die Feststellung, ob in Verkehr gebrachte Zigaretten die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 festgelegten Emissionshöchstwerte einhalten, auf Grundlage eines anderen Verfahrens treffen (welches den im Urteil Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. genannten allgemeinen Kriterien genügen muss).
91. Unter Berücksichtigung dieser Klarstellungen werde ich nunmehr auf die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen eingehen.
B. Antwort auf die Fragen 1 bis 4
92. Wie vom Gerichtshof erbeten, befassen sich die vorliegenden Schlussanträge lediglich mit den ersten vier Vorlagefragen.
93. Die erste, die zweite und die vierte Frage beruhen in vollem Umfang auf einer weiten Lesart des Urteils Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. Deshalb werde ich diese Fragen gemeinsam behandeln (1). Sodann werde ich die dritte Vorlagefrage prüfen, die nach der Bedeutung des Begriffs der bestimmungsgemäßen Verwendung von (Filter)zigaretten fragt und die, wie ich erklären werde, tatsächlich die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 in Frage stellt (2).
1. Zu den Vorlagefragen 1, 2 und 4
94. Mit seiner ersten Frage möchte das Gericht wissen, ob die im Urteil Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. gezogene Schlussfolgerung, dass die in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 genannten ISO-Messnormen „den Einzelnen grundsätzlich“ nicht entgegengehalten werden können, auch gilt, wenn der Beteiligte (beispielsweise die Stiftung) sich diese verschaffen konnte.
95. Wie bereits angemerkt, versteht das vorlegende Gericht das vorgenannte Urteil so, dass darin eine Unterscheidung getroffen werde zwischen einerseits „Unternehmen“ (wie den Tabakherstellern) und andererseits anderen Personen, etwa der Stiftung. In diesem Zusammenhang bittet es um Klärung des Begriffs „den Einzelnen grundsätzlich“(49 ) und fragt, ob eine Ausnahme von der Nichtanwendbarkeit gegen „den Einzelnen grundsätzlich“ insofern in Betracht komme, als die „NEN-ISO-Normen“ (die, so wie ich es verstehe, den in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 genannten ISO-Normen entsprechen(50 )) in der Bibliothek des NEN unentgeltlich eingesehen werden könnten und auch käuflich erhältlich seien. Unter diesen Umständen und nach der nationalen Rechtsprechung sei die Kenntnis der NEN-ISO-Normen hinreichend sichergestellt. Dem füge ich hinzu, dass kein Zweifel daran zu bestehen scheint, dass die Stiftung tatsächlich Zugang zu diesen Normen hatte.
96. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine Partei wie die Stiftung aus der Richtlinie 2014/40 das Recht ableiten kann, zu beantragen, dass die Emissionshöchstwerte unter Anwendung eines alternativen Messverfahrens durchgesetzt werden. Diese Frage wird für den Fall gestellt, dass der Gerichtshof bestätigen sollte, dass die in Rede stehenden ISO-Normen – ungeachtet dessen, dass die Stiftung Zugang dazu hatte – nicht auf die Stiftung anwendbar sind. Obzwar das vorlegende Gericht anerkennt, dass die Richtlinie 2014/40 keine Verpflichtung enthält, der die Stiftung unterliegen könnte, hält es das Bestehen des vorgenannten Rechts für nicht ausgeschlossen. Seiner Meinung nach würde die Verneinung dieser Frage bedeuten, dass die Rn. 74 bis 79 des Urteils Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. keinerlei praktische Wirkung hätten.
97. Die vierte Frage (die mehrere Unterfragen enthält) zielt darauf ab, zu bestimmen, ob bei Anwendung eines alternativen Messverfahrens zulasten der Unternehmen der Grundsatz der Rechtssicherheit gewahrt wäre. Das vorlegende Gericht merkt an, dass die Richtlinie 2014/40 dem Tabakhersteller nicht gestatte, ein anderes als das in ihrem Art. 4 Abs. 1 genannte Messverfahren anzuwenden. Allerdings könne das Ziel, ein hohes Schutzniveau für die öffentliche Gesundheit, insbesondere der jungen Menschen, anzustreben, das im achten Erwägungsgrund und in Art. 1 der Richtlinie 2014/40 in Verbindung mit den Art. 24 (Rechte des Kindes) und 35 (Gesundheitsschutz) der Charta zum Ausdruck komme(51 ), die negativen Auswirkungen, die die Anwendung eines alternativen Messverfahrens für diese Hersteller hätte, möglicherweise rechtfertigen. Gleichzeitig wird die Frage gestellt, ob die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, ein anderes Messverfahren zu beschließen, erstens mit der der Kommission in diesem Zusammenhang durch Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2014/40 eingeräumten Befugnis und zweitens mit dem verfolgten Harmonisierungsziel, hinsichtlich dessen insbesondere auf Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie verwiesen wird, in Konflikt stehe.
98. Die Ausführungen im vorhergehenden Teil dieser Schlussanträge ermöglichen es, diese Fragen kurz und bündig zu beantworten(52 ).
99. Aus diesen Ausführungen folgt nämlich, dass das Urteil Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. keine Bedingungen in Betracht nimmt, unter denen die Nichtveröffentlichung der in Rede stehenden ISO-Normen dazu führen könnte, dass eine Partei wie die Stiftung das Inverkehrbringen von Zigaretten, die den Anforderungen der Richtlinie 2014/40 genügen, wirksam verhindern könnte. Diese Schlussfolgerung gilt unabhängig davon, ob – und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen – der Stiftung der Zugang zu diesen Normen möglich war oder nicht. Die in dem in Rede stehenden Urteil getroffenen Feststellungen zur (bedingten) Bindungswirkung dieser Normen (hinsichtlich ihrer Durchsetzbarkeit durch staatliche Stellen gegen die Personen, die den in Rede stehenden rechtlichen Verpflichtungen unterliegen) betreffen nämlich die Unternehmen, die Zigaretten herstellen oder in Verkehr bringen. Sie betreffen nicht Parteien wie die Stiftung, weil die Richtlinie 2014/40 derartigen Parteien keine Verpflichtungen auferlegen kann.
100. Diese Klarstellung gilt den Bedenken des vorlegenden Gerichts, dass die Rn. 74 bis 79 des Urteils Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. keine praktische Bedeutung hätten, wenn einer Partei wie der Stiftung nicht gestattet wäre, „ihr Recht“ auf Erwirkung der Einhaltung der Emissionshöchstwerte auszuüben.
101. Wie ich bereits erklärt habe, hat der Gerichtshof in diesen Randnummern Schlussfolgerungen aus der zuvor festgestellten bedingten Anwendbarkeit der in Rede stehenden ISO-Normen gegenüber Unternehmen gezogen, und für den Fall, dass festgestellt werden sollte, dass die in Rede stehenden ISO-Normen nicht als auf diese Unternehmen anwendbar angesehen werden können, das Problem des rechtlichen Vakuums gelöst.
102. Daher bin ich in Übereinstimmung mit den betroffenen Tabakherstellern im Ausgangsverfahren, allen Regierungen, die Erklärungen abgegeben haben, und der Kommission der Auffassung, dass unabhängig von der nach wie vor ausstehenden Veröffentlichung der in Rede stehenden ISO-Normen und unabhängig von der Frage, ob einer Partei wie der Stiftung der Zugang dazu möglich wäre, eine solche Partei aus der Richtlinie 2014/40 keinerlei Recht ableiten kann, das ihr gestatten würde, erfolgreich das Inverkehrbringen von Zigaretten zu verhindern, die bei Messung nach den in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 genannten Verfahren insbesondere die Emissionshöchstwerte einhalten. Auch bin ich mit den vorgenannten Parteien und sonstigen Verfahrensbeteiligten einig, dass eine gegenteilige Auffassung den Grundsatz der Rechtssicherheit verletzen würde, der diejenigen schützt, die sich an gültige und anwendbare Rechtsvorschriften halten.
103. Daran vermag das mit der Richtlinie 2014/40 verfolgte Ziel eines „hohen Schutz[es] der menschlichen Gesundheit, besonders für junge Menschen“, auf den das vorlegende Gericht hinweist, nichts zu ändern.
104. Aus Art. 1 der Richtlinie 2014/40 ist offenkundig, und der Gerichtshof hat wiederholt daran erinnert, dass mit dieser Bestimmung tatsächlich ein zweifaches Ziel verfolgt wird(53 ). Die Richtlinie soll das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse erleichtern und dabei einen hohen Schutz der menschlichen Gesundheit, besonders für junge Menschen, gewährleisten. Ihre Bestimmungen sind deshalb im Licht dieser beiden Ziele auszulegen, hinsichtlich derer sich der Unionsgesetzgeber, wie von der Kommission in der mündlichen Verhandlung angemerkt, notwendigerweise um Ausgewogenheit bemühte.
105. Insofern merke ich an, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40, in dem die Emissionshöchstwerte festgelegt werden, nicht nur die Förderung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts zum Ziel hat, sondern natürlich auch sicherstellen soll, dass die Zigaretten weniger gesundheitsschädlich sind. Für die Bestimmung der Werte der gesundheitsschädlichen Stoffe in Zigaretten und bei der Auswahl eines genauen Verfahrens für die Feststellung dieser Werte entschied sich der Unionsgesetzgeber allerdings für ein bestimmtes harmonisiertes Schutzniveau. Deshalb kann man sich nicht auf das mit der Richtlinie 2014/40 verfolgte Ziel des allgemeinen Gesundheitsschutzes berufen, um sich über die vom Gesetzgeber getroffene Wahl, die im Gesetzestext klar zum Ausdruck kommt, hinwegzusetzen, denn eine solche telelogische Auslegung wäre contra legem .
106. Auch wenn (wegen der inhärenten Schädlichkeit von Tabakerzeugnissen(54 ) und weil es keinen gefahrlosen Konsum dieser Erzeugnisse gibt) mit der Richtlinie 2014/40 keine Vorschriften für den gefahrlosen Konsum von Tabakerzeugnissen aufgestellt werden sollen, kann man doch der Ansicht sein, dass sie (auch) die schädlichen Wirkungen des Zigarettenkonsums mildern soll. Dass ein solches Ziel verfolgt wird, zeigt sich nicht nur in der Verpflichtung, die Verbraucher auf verschiedene Weise vor den möglicherweise tödlichen Folgen des Rauchens zu warnen(55 ), sondern auch in den hier in Rede stehenden Bestimmungen, in denen die Emissionshöchstwerte festgelegt und die Verpflichtung zu deren Messung vorgeschrieben werden. Dies folgt, worauf die Stiftung hingewiesen hat, aus dem zwölften Erwägungsgrund, in dem die Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidemissionen mit der Toxizität und dem Suchtpotenzial von Tabakerzeugnissen in Zusammenhang gestellt werden(56 ).
107. Überdies wird durch die Bestätigung, dass die gesundheitsbezogene Zielsetzung der in der Richtlinie festgelegten Emissionshöchstwerte relevant ist, die Richtlinie nicht zu einem Werkzeug, das Vorrang vor dem eindeutigen Inhalt gesetzlicher Vorschriften hätte. Es sei nochmals daran erinnert, dass im vorliegenden Kontext dieser Inhalt besagt, dass das Inverkehrbringen von Zigaretten, die bei Messung nach dem in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie genannten Verfahren die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 gesetzten Emissionshöchstwerte einhalten, nicht untersagt werden kann; dies ergibt sich (vorbehaltlich der darin vorgesehenen, aber hier nicht einschlägigen Ausnahmen) aus Art. 24 der Richtlinie.
108. Die meines Erachtens einzige Möglichkeit, wie das Ziel des hohen Schutzes der menschlichen Gesundheit Einfluss auf den einschlägigen Regelungsgehalt, nämlich die vom Gesetzgeber getroffene Auswahl der in Rede stehenden ISO-Messnormen haben könnte, bestünde darin, die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40, der deren Anwendung vorschreibt, in Zweifel zu ziehen. Dieser Frage werde ich mich nunmehr im Zusammenhang mit der Prüfung der dritten Vorlagefrage zuwenden.
2. Die dritte Vorlagefrage: Wann wird eine Zigarette „bestimmungsgemäß verwendet“?
109. Mit seiner dritten Frage fragt das vorlegende Gericht nach den Eigenschaften, die ein alternatives Messverfahren aufweisen muss. Die Frage wird im Hinblick auf Rn. 79 (und Nr. 5 des Tenors) des Urteils Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. gestellt, wo es heißt, dass ein solches Verfahren „im Hinblick auf wissenschaftliche und technische Entwicklungen oder international vereinbarte Normen geeignet sein muss, die Werte der Emissionen zu messen, die freigesetzt werden, wenn eine Zigarette bestimmungsgemäß verwendet wird , und dabei ein hoher Schutz der menschlichen Gesundheit, besonders für junge Menschen, zugrunde gelegt werden muss …“(57 ).
110. Das vorlegende Gericht fragt nach der genauen Bedeutung des Begriffs „bei bestimmungsgemäßer Verwendung“, der nicht nur im obigen Zitat, sondern insbesondere auch in der Definition des Begriffs „Emissionen“ in Art. 2 Nr. 21 der Richtlinie 2014/40 erscheint. In der Begriffsbestimmung werden „Emissionen“ beschrieben als „Stoffe, die freigesetzt werden, wenn ein Tabakerzeugnis oder ein verwandtes Erzeugnis bestimmungsgemäß verwendet wird, etwa Stoffe im Rauch oder Stoffe, die während der Verwendung rauchloser Tabakerzeugnisse freigesetzt werden“(58 ).
111. Mit der vorgenannten Frage möchte das vorlegende Gericht konkret wissen, ob das verwendete alternative Verfahren insbesondere den Umstand, dass die kleinen Belüftungslöcher im Zigarettenfilter von den Lippen und Fingern des Rauchers verdeckt werden, sowie die Rauchintensität und die Rauchdauer berücksichtigen müsse.
112. Wie den drei zuvor untersuchten Fragen liegt auch dieser Frage eine weite Lesart des Urteils Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. zugrunde. Sie wird für den Fall gestellt, dass der Gerichtshof bestätigen sollte, dass die Stiftung das Recht hat, zu erwirken, dass die Emissionshöchstwerte unter Verwendung eines alternativen Messverfahrens durchgesetzt werden. Da es ein solches Recht, wie ich zuvor erklärt habe, nicht gibt, und weil nicht behauptet wird, dass den im Ausgangsverfahren betroffenen Herstellern der Zugang zu den in Rede stehenden ISO-Normen nicht möglich gewesen sei, erscheint diese Frage für die Entscheidung über den beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit irrelevant.
113. Der Grund, weshalb diese Frage, wenn man sie genauer betrachtet, meines Erachtens eine gesonderte Würdigung verdient, liegt darin, dass sie eigentlich die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 betrifft, worauf im Wesentlichen in den schriftlichen Erklärungen von Philip Morris hingewiesen worden ist(59 ).
114. Sollte nämlich der Gerichtshof diese Frage dahin beantworten, dass jegliches (alternative) Messverfahren derartige Aspekte berücksichtigen muss (weil das aus der Verwendung des Begriffs „bestimmungsgemäß verwendet“ in Verbindung mit dem Begriff „Emissionen“ folgen würde), dann müsste das logischerweise auch für das vom Unionsgesetzgeber in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie vorgesehene Verfahren gelten. Es ist jedoch unstreitig, dass die genannten Normen diese Aspekte nicht berücksichtigen, was unweigerlich zur Folge hätte, dass die in Rede stehenden ISO-Normen als für die Messung der von den Zigaretten freigesetzten „Emissionen“ ungeeignet angesehen würden.
115. Was die konkreten Parameter angeht, auf die für die Prüfung der Gültigkeit der vorgenannten Bestimmung abzustellen ist, so geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Zweifel des vorlegenden Gerichts insbesondere dem Gebot des hohen Schutzes der menschlichen Gesundheit geschuldet sind.
116. Vor diesem Hintergrund bin ich der Auffassung, dass die dritte Vorlagefrage dahin zu verstehen ist, dass danach gefragt wird, ob der Begriff „Emissionen“ und insbesondere der Begriff „bestimmungsgemäß verwendet“ im Licht des mit der Richtlinie 2014/40 verfolgten Ziels des allgemeinen Gesundheitsschutzes und von Art. 35 der Charta(60 ) sowie Art. 114 Abs. 3 AEUV(61 ) dahin auszulegen sind, dass jedes zur Messung dieser Emissionen verwendete Verfahren den Umstand, dass die kleinen Belüftungslöcher im Zigarettenfilter von den Lippen und Fingern des Rauchers verdeckt würden, und/oder die Rauchintensität und die Rauchdauer berücksichtigen muss, weshalb Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie, wo auf ein Verfahren verwiesen wird, das diese Parameter nicht berücksichtigt, ungültig ist(62 ).
117. Zur Prüfung dieser Frage erinnere ich daran, dass der vorliegende Fall einen Bereich betrifft, in dem die Tätigkeit des Unionsgesetzgebers politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen erfordert und komplexe Beurteilungen und Prüfungen vorzunehmen sind, weshalb der Unionsgesetzgeber über ein weites Ermessen verfügt(63 ). Dementsprechend ist die gerichtliche Überprüfung der in einem solchen Bereich beschlossenen Maßnahmen auf die Feststellung offensichtlicher Fehler zu beschränken, z. B. im vorliegenden Kontext die offensichtliche Unverhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Maßnahme im Hinblick auf das vorgenannte Ziel. Dagegen ist die Frage, ob die getroffene Maßnahme die einzig denkbare oder auch nur zweckmäßigste Maßnahme ist, für diese Prüfung unerheblich(64 ).
118. Aufgrund der Erörterungen im vorliegenden Verfahren gelange ich zu der Ansicht, dass dem Unionsgesetzgeber mit der Auswahl der in Rede stehenden ISO-Normen kein offensichtlicher Fehler unterlaufen ist.
119. Erstens ist unstreitig, dass das vorgenannte Messverfahren, das in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 angegeben ist, darin besteht, dass die Zigaretten verbrannt werden, und dass überprüft wird, dass unter diesen Umständen die in Art. 3 Abs. 1 derselben Richtlinie festgelegten Höchstwerte eingehalten werden.
120. Darüber hinaus ist auch geklärt worden, dass die bestehenden Emissionshöchstwerte in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 gerade im Hinblick auf dieses Verfahren festgelegt wurden. Anders gesagt, die in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 genannten ISO-Messnormen auf der einen Seite und die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie festgelegten Emissionshöchstwerte auf der anderen Seite stehen in einer Wechselbeziehung.
121. Als der Gesetzgeber die Anforderungen im Hinblick auf den Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidgehalt festgelegte, unter denen Zigaretten in Verkehr gebracht werden dürfen, entschied er sich also dafür, diesen Gehalt unter Bezugnahme auf die bei (einfacher) Verbrennung freigesetzten Emissionen festzulegen und zu messen.
122. Zweitens scheint es gleichermaßen unstreitig zu sein, dass die tatsächliche Exposition des Rauchenden im Hinblick auf die vorgenannten gesundheitsschädlichen Stoffe erheblich höher sein kann als die Toxizität, die nach der Prüfung gemäß Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 zulässig ist. Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung angemerkt, dass diese Exposition sogar um ein Vielfaches höher sein kann(65 ).
123. Die Kommission hat auch bestätigt, dass es bei Erlass der Richtlinie 2014/40 ein strengeres Verfahren (das sogenannte Canadian-Intense-Verfahren) gab. So wie ich es verstehe, berücksichtigt dieses Verfahren insbesondere die Verdeckung der kleinen Belüftungslöcher im Filter, weshalb von Zigaretten freigesetzte Emissionen, wenn sie nach diesem Verfahren gemessen werden, die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 festgelegten Emissionshöchstwerte überschreiten. Allerdings hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung auch erklärt, dass die Auswahl des vorgenannten Verfahrens (oder eines anderen ähnlichen Verfahrens) wahrscheinlich dazu geführt hätte, dass ein höherer Emissionshöchstwert hätte festgelegt werden müssen, da – so wie ich dieses Vorbringen verstehe – die Bedingungen, unter denen die Zigaretten geprüft würden, zu einem höheren Gehalt der vorgenannten freigesetzten gesundheitsschädlichen Stoffe führen würden.
124. Drittens habe der Gesetzgeber beim Erlass der Richtlinie 2014/40 die Vor- und Nachteile der (damals) bestehenden Verfahren abgewogen und sich dann, kurz gesagt, wegen der einfachen Handhabung für die in Rede stehenden ISO-Messnormen entschieden. Überdies habe es – so die Kommission in Übereinstimmung mit den Auffassungen der im Ausgangsverfahren betroffenen Hersteller sowie der bulgarischen und der portugiesischen Regierung – kein Verfahren gegeben (und gebe es bis heute keines), mit dem es möglich wäre, das menschliche Rauchverhalten nachzubilden, weil dieses viele verschiedene Formen annehmen könne. Laut der Kommission ist diese Feststellung auch das Ergebnis der Diskussionen im Zusammenhang mit dem Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakgebrauchs(66 ).
125. Dem mag man entgegenhalten, dass die Vielfalt des Rauchverhaltens für sich genommen kein Grund ist, von der Wahl eines Verfahrens, das das Rauchverhalten in irgendeiner Weise nachbildet, abzusehen und stattdessen ein Verfahren zu wählen, dass dieses Ziel in keiner Weise erfüllt. Des Weiteren mag man entgegenhalten, dass selbst wenn ein strengeres Verfahren zur Festlegung höherer Emissionswerte im Gesetz führen sollte, dies zwar vielleicht letztendlich nichts an der sich ergebenden Exposition gegenüber den vorgenannten gesundheitsschädlichen Stoffen ändern würde, das Ergebnis jedoch mehr Transparenz in Bezug auf die den Verbrauchern mitgeteilten Angaben über die Toxizität von Zigaretten gebracht hätte (weil die festgelegten Emissionswerte eher den Werten der tatsächlichen Exposition entsprochen hätten).
126. Wie ich jedoch bereits erklärt habe, ist dem Unionsgesetzgeber in dem von der Richtlinie 2014/40 abgedeckten Bereich ein weites Ermessen eingeräumt, weshalb er nicht verpflichtet ist, sich für ein Verfahren zu entscheiden, das unter einem gewissen Gesichtspunkt besser ist, vorausgesetzt, das tatsächlich gewählte Verfahren ist zur Erreichung der verfolgten Ziele nicht offensichtlich ungeeignet.
127. Was das spezifische Ziel – Sicherstellung eines hohen Schutzes der menschlichen Gesundheit – angeht, ist der Gesetzgeber nach den vorgenannten Bestimmungen des Primärrechts nicht verpflichtet, im vorliegenden Kontext ein bestimmtes Schutzniveau festzulegen. Sicherlich wäre dies anders, wenn festgestellt worden wäre, dass der Konsum von Zigaretten bei bestimmten Teer‑, Nikotin- und Kohlenmonoxidwerten sicher oder erheblich sicherer wäre. Es ist jedoch unstreitig, dass das unmöglich sein dürfte, da es, wie die Erörterung im vorliegenden Verfahren gezeigt hat, zurzeit keine wissenschaftliche Evidenz dafür gibt, dass eine bestimmte Obergrenze für die Emissionshöchstwerte dieser gesundheitsschädlichen festgelegt werden sollte. Unter diesen Umständen sind die spezifischen Toxizitätsparameter für die Zulässigkeit des Inverkehrbringens von Zigaretten im Unionsmarkt Gegenstand einer komplexen Beurteilung, bei der es meines Erachtens nicht ausgeschlossen ist, die Höchstwerte zu wählen, die bei einer Messung unter den Bedingungen des in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 genannten Verfahrens erreicht werden (und die eingehalten werden müssen).
128. Die letzte Frage, auf die ich eingehen muss, ist die Relevanz des Begriffs „bestimmungsgemäß verwendet“ für diese Analyse, der in der Legaldefinition für „Emissionen“ in Art. 2 Nr. 21 der Richtlinie 2014/40 verwendet wird (siehe oben, Nr. 110).
129. Als Erstes ist dazu anzumerken, dass die Gültigkeit einer Bestimmung des Sekundärrechts (wie Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40) nicht durch eine andere sekundärrechtliche Bestimmung (wie Art. 2 Nr. 21 derselben Richtlinie) in Frage gestellt werden kann.
130. Als zweiten Punkt ist darauf einzugehen, ob es zwischen der vorgenannten Begriffsbestimmung und der sich aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 ergebenden Prüfung möglicherweise einen grundlegenden inneren Widerspruch gibt, der der Erreichung der genannten Ziele – insbesondere im Hinblick auf den hohen Schutz der menschlichen Gesundheit – entgegenstünde.
131. So wie ich es verstehe, fragt das vorlegende Gericht nämlich, ob die vorgenannte Begriffsbestimmung, in der auf Stoffe Bezug genommen wird, die freigesetzt werden, wenn ein Tabakerzeugnis bestimmungsgemäß verwendet wird, zu dem Schluss führen muss, dass die ISO-Messnormen (tatsächlich jedoch – meiner Einschätzung nach – die gesamte sich aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 ergebende Prüfung) damit unvereinbar sind.
132. Die Definition des Begriffs „Emissionen“ könnte in der Tat, zumindest nach ihrem Wortlaut, vermuten lassen, dass diese Emissionen, was Zigaretten angeht, unter Bedingungen gemessen werden, die den vom vorlegenden Gericht beschriebenen (mit teilweiser Verdeckung der kleinen Belüftungslöcher im Filter usw.) ähnlicher sind als ein einfacher Verbrennungsprozess. Ein einfacher Verbrennungsprozess entspricht nämlich nicht der bestimmungsgemäßen Verwendung einer Zigarette, so wie man sie sich gemeinhin vorstellt, weil Zigaretten, worauf die Stiftung hingewiesen hat, keine Räucherstäbchen sind.
133. Allerdings ist, wie die Kommission erklärt hat, die vorgenannte Begriffsbestimmung für Emissionen eine allgemeine Bestimmung, die für die verschiedenen unter die Richtlinie 2014/40 fallenden Tabakerzeugnisse gilt und, im vorliegenden Fall, in Verbindung mit der Begriffsbestimmung für „Zigarette“ in Art. 2 Nr. 10 der Richtlinie 2014/40 zu lesen ist, wo Letztere nämlich als „eine Tabakrolle definiert ist, die mittels eines Verbrennungsprozesses konsumiert werden kann …“.
134. Liest man die Definition von „Zigarette“ in Verbindung mit der Toxizitätsprüfung (nach der sie gemäß Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 in Verkehr gebracht werden kann), so ist meines Erachtens ersichtlich, dass der Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, den Begriff der „bestimmungsgemäßen Verwendung“, der in der allgemeinen Definition für „Emissionen“ in Art. 2 Nr. 21 vorkommt, im Fall von Zigaretten auf die einfache Verbrennung zu verengen. Auch wenn die Verbrennung natürlich nicht den gesamten Prozess des Zigarettenkonsums im gewöhnlichen Sinne dieses Begriffs umfasst, ist sie doch eindeutig Teil des Konsums. Hierzu habe ich bereits erläutert, dass das weite Ermessen, das dem Gesetzgeber in diesem Bereich eingeräumt ist, ihm gestattet, die Toxizitätswerte unter Bezugnahme auf nur diesen Teil des Prozesses der bestimmungsgemäßen Verwendung von Zigaretten zu beschränken.
135. Die vorgenannte Begriffsbestimmung für „Emissionen“ lässt deshalb meine frühere Schlussfolgerung unberührt, dass dem Gesetzgeber im Hinblick auf das Erreichen des hohen Schutzes der menschlichen Gesundheit kein offensichtlicher Fehler unterlaufen ist, als er sich für die Messung der zulässigen Toxizität von Zigaretten nach dem in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 angegebenen Verfahren entschied.
136. Diese Feststellung schließt die Prüfung der Vorlagefragen 1 bis 4 im vorliegenden Fall ab, in dem es, wie oben ausgeführt, darum geht, festzustellen, welche Schlüsse im Hinblick auf die Anwendbarkeit der in Rede stehenden ISO-Messnormen auf bestimmte Kategorien von Privatpersonen aus dem Urteil Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. zu ziehen sind. In der mündlichen Verhandlung wurde auch das ursprüngliche Rechtsproblem, mit dem sich der Gerichtshof zu befassen hatte, aufgegriffen, nämlich die nach wie vor ausstehende Veröffentlichung der in Rede stehenden ISO-Messnormen im Amtsblatt. Deshalb, und um dem Gerichtshof größtmögliche Hilfe zu leisten, werde ich noch folgende Schlussbemerkungen hinzufügen.
C. Postskript: Nach wie vor ausstehende Veröffentlichung der in Rede stehenden ISO-Messnormen
137. Der von der Kommission in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärung zufolge ist der Umstand, dass die Veröffentlichung nach wie vor aussteht, darauf zurückzuführen, dass grundsätzlich die ISO die Inhaberin der Rechte am geistigen Eigentum an ihren Normen ist. Im Anschluss an das Urteil Public.Resources.Org(67 ) habe die Kommission auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001(68 ) Zugang zu gewissen (anderen als den hier in Rede stehenden) ISO-Normen gewährt, wogegen die ISO gegenwärtig beim Gericht vorgehe und zur Begründung (u. a.) insbesondere die Verletzung der Rechte am geistigen Eigentum geltend mache(69 ).
138. Meines Erachtens zeigt dies, dass die Veröffentlichung der in Rede stehenden ISO-Normen im Amtsblatt – nach Ansicht der Kommission und zumindest zurzeit – wegen rechtlicher Hindernisse, die sich der Kontrolle des Unionsgesetzgebers entziehen, tatsächlich unmöglich ist.
139. In der mündlichen Verhandlung kam, so wie ich es verstehe, die Frage auf, ob der Gerichtshof, weil die Veröffentlichung nach wie vor aussteht, aus eigenem Antrieb die Ungültigkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 geltend machen sollte.
140. Meines Erachtens würde ein solches Vorgehen im vorliegenden Verfahren die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens gemäß Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs erforderlich machen.
141. Dafür sprechen vor allem drei Gründe:
142. Erstens ist dies eine Frage, die nicht als solche vom vorlegenden Gericht gestellt wurde (1). Zweitens besteht meines Erachtens eine gewisse Unsicherheit, ob der Gerichtshof im Urteil Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. v erlangt hat, dass die in Rede stehenden ISO-Normen letztendlich im Amtsblatt veröffentlicht werden; deshalb ist es erforderlich, den Parteien und anderen Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (2). Drittens hat eine Entscheidung zu dieser Frage – ganz gleich, wie sie ausfällt – bedeutende rechtliche Folgen, weshalb allein schon aus diesem Grund eine umfassende Erörterung, unter Einbeziehung insbesondere des Gesetzgebers, angezeigt ist (3).
1. Zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens
143. Was den ersten vorgenannten Punkt angeht, so stimmt es, dass die Frage der „Nichtveröffentlichung“ eine der Fragen war, auf die im Verfahren, das zum Urteil Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. führte, eingegangen wurde. Die jeweiligen Interessenträger hatten Gelegenheit zur Stellungnahme, und man kann das vorliegende Verfahren deshalb als bloße Fortsetzung dieser Diskussion im Hinblick auf die konkreten rechtlichen Folgen, die das in Rede stehende Urteil nach sich zieht, sehen.
144. Allerdings fragt das vorlegende Gericht nach diesen Folgen, um zu bestimmen, unter welchen Bedingungen die in Rede stehenden Normen den Herstellern entgegengehalten werden können, während deren Nichtveröffentlichung – welche gerade den Grund für die Besonderheiten ihrer Durchsetzbarkeit darstellt – jetzt als Ausgangsprämisse verstanden wird. Dagegen fragt das Gericht nicht nach der Prämisse als solcher – insbesondere danach, ob diese aufrechterhalten werden kann und ob die nach wie vor ausstehende Veröffentlichung die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 berührt.
145. Den Beteiligten im vorliegenden Verfahren sollte deshalb Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Frage gegeben werden, was umso mehr erforderlich ist, als meines Erachtens zweifelhaft ist, ob der Gerichtshof im Urteil Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. die Veröffentlichung der vorgenannten Normen verlangt hat. Dies bringt mich nunmehr zum zweiten der oben in Nr. 142 genannten Punkte.
2. Standpunkt im Urteil Stichting Rookpreventie Jeugd u. a.
146. Für mich ist klar, dass die vom Gerichtshof in den Urteilen Skoma-Lux und Heinrich konstatierte Nichtanwendbarkeit nicht veröffentlichter Unionsrechtsakte eine kurzfristige Lösung für eine Anomalie darstellt, die natürliche oder juristische Personen, die rechtlichen Verpflichtungen unterliegen, am angemessenen Zugang zu den Rechtsquellen, in denen diese Verpflichtungen definiert sind, hindert. In einer demokratischen Gesellschaft und in einem Rechtsstaat steht dies deren Durchsetzung durch die Behörden entgegen. Allerdings ist es offenkundig auch nicht wünschenswert, wenn eine solche Situation über einen längeren Zeitraum andauert. Deshalb sollten, wenn die Erforderlichkeit einer solchen Unterscheidung zwischen Gültigkeit und Anwendbarkeit festgestellt wird, deren Ursachen behoben werden. Dies ist, was der Gerichtshof im Urteil Skoma-Lux mit der Verzögerung der Anwendbarkeit der von der Nichtveröffentlichung betroffenen Regelung meint.
147. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die bedingte Anwendbarkeit der in Rede stehenden ISO-Normen – im Einklang mit der Logik der vorgenannten Rechtsprechung – vom Gerichtshof als sofort zur Verfügung stehende, jedoch notwendigerweise kurzfristige Behelfslösung bis zur erwarteten endgültigen Problemlösung (Veröffentlichung im Amtsblatt) konzipiert worden ist oder ob der Gerichtshof vielmehr die Möglichkeit, den Zugang durch das ISO-System sicherzustellen, als akzeptable Lösung anerkannt hat, die als solche von der Unionsrechtsordnung hingenommen werden kann.
148. Die folgenden Passagen des Urteils Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. deuten darauf hin, dass letztendlich die Veröffentlichung erwartet wurde.
149. Erstens hat sich der Gerichtshof, wie zuvor erläutert, auf die Urteile Skoma-Lux und Heinrich gestützt, wobei nicht zwischen den diesen zugrunde liegenden (recht anders gearteten) Umständen und dem Sachverhalt, der zum Urteil Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. führte, unterschieden wurde. Während nämlich in den Fällen Skoma-Lux und Heinrich die Problembehebung allein in den Händen des Unionsgesetzgebers lag (und keinerlei externe Umstände ihr entgegenstanden), wird die Komplexität der Rechtslage durch die der ISO gehörenden Rechte am geistigen Eigentum zugegebenermaßen erhöht. Dennoch ist der Gerichtshof darauf nicht im Einzelnen eingegangen.
150. Zweitens hat der Gerichtshof in Rn. 46 des Urteils Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. bestätigt, dass „der bloße Umstand, dass [die Bestimmung] auf ISO-Normen verweist, die bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht veröffentlicht worden sind“, die Gültigkeit von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 nicht in Frage stellt(70 ). Man kann vermuten, dass dieser Teil des Zitats (mit der hinzugefügten Hervorhebung) nicht erforderlich wäre, wenn die Nichtveröffentlichung an sich (und nicht lediglich die Nichtveröffentlichung zum betreffenden Zeitpunkt) die Gültigkeit der Bestimmung nicht beeinträchtigte.
151. Drittens hat der Gerichtshof in Rn. 48 des Urteils festgestellt, dass „technische Normen, die von einer Normungsorganisation wie der ISO festgelegt und durch einen Gesetzgebungsakt der Union für verbindlich erklärt werden, den Einzelnen grundsätzlich nur dann entgegengehalten werden können, wenn sie selbst im [Amtsblatt] veröffentlicht worden sind“.
152. Unabhängig von der genauen Bedeutung des Begriffs „den Einzelnen grundsätzlich“ (worauf ich oben eingegangen bin) wird die Anwendbarkeit der in Rede stehenden Normen gegenüber den Einzelnen eindeutig an ihre Veröffentlichung im Amtsblatt geknüpft.
153. Allerdings muss ich, um zu meinen drei Argumentationslinien zurückzukehren, auch einräumen, dass erstens der Gerichtshof – anders als im Urteil Skoma-Lux – nicht von der verzögerten (vollen) Anwendbarkeit der in Rede stehenden ISO-Normen spricht, sondern deren (bedingte) Anwendbarkeit (gegen Unternehmen) an die Besonderheiten des ISO-Systems knüpft (in Rn. 52 des Urteils Stichting Rookpreventie Jeugd u. a.). Das mag darauf schließen lassen, dass die Unterschiedlichkeit der beiden oben beschriebenen Typen von Situationen (derentwegen unterschiedliche Ergebnisse möglich sind) anerkannt wird.
154. Zweitens könnte die Feststellung in Rn. 46 des Urteils Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. (oben in Nr. 150 angeführt), nach der die Normen „bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt“ nicht veröffentlicht worden waren, bedeuten, dass anerkannt wird, dass die Veröffentlichung sicherlich wünschenswert, aber nicht notwendig ist (weil es ein besonderes System gibt, das Zugang gewährt).
155. Drittens könnte, falls die Wendung „den Einzelnen grundsätzlich“ in Rn. 48 des Urteils Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. (vorstehend angeführt in Nr. 151 ) dahin zu verstehen sein sollte, dass er sich auf die Parteien bezieht, denen die Aufgabe übertragen ist, als „Beobachtungsstelle für die Rechtseinhaltung“ zu handeln, diese Randnummer für sich genommen eine Bestätigung darstellen, dass die Nichtveröffentlichung die Wahrnehmung dieser Aufgabe erschwert, was jedoch auch implizieren würde, dass diese Schwierigkeit die Durchsetzbarkeit der in Rede stehenden Normen gegenüber Unternehmen, die Zigaretten herstellen oder in Verkehr bringen, beeinträchtigt.
3. Zu den Auswirkungen einer Ungültigerklärung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 wegen nach wie vor ausstehender Veröffentlichung der ISO-Normen
156. Im Hinblick auf den letzten Grund dafür, dass – falls der Gerichtshof in Erwägung ziehen sollte, wegen ihrer nach wie vor ausstehenden Veröffentlichung im Amtsblatt die Gültigkeit der in Rede stehenden Bestimmung zu prüfen – die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung wünschenswert wäre, merke ich an, dass die Auswirkungen, die eine darauf gestützte Ungültigerklärung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 (aber auch die ausdrückliche Entscheidung, von einer Ungültigerklärung abzusehen) hätte, weit über den vorliegenden Fall sowie weit über den Zigarettenmarkt hinausgingen.
157. Insoweit hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass es 1 200 Unionsrechtsakte gebe, in denen auf ISO-Normen verwiesen werde, was bedeute, dass die Nichtigerklärung der in Rede stehenden Bestimmung wahrscheinlich Auswirkungen auf alle diese Rechtsakte – und damit potenziell zahlreiche Rechtsgebiete – hätte.
158. Vor diesem Hintergrund sollten die erheblichen Auswirkungen, die die Feststellung, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 (wegen nach wie vor ausstehender Veröffentlichung) ungültig ist, wahrscheinlich hätte, zu einer breiteren Erörterung führen, welche Folgen der einen oder anderen der oben aufgezeigten Lösungen hinnehmbar wären.
159. Einerseits sollte für den Fall, dass das Urteil Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. dahin zu verstehen sein sollte, dass die ISO-Normen letztendlich im Amtsblatt zu veröffentlichen sind, erörtert werden, ob – unter Berücksichtigung der der ISO zustehenden Rechte am geistigen Eigentum – auf Unionsebene Möglichkeiten für eine solche Veröffentlichung bestehen.
160. Falls sich herausstellen sollte, dass es zurzeit keine plausible Möglichkeit gibt, die die Veröffentlichung der in Rede stehenden ISO-Normen gestatten würde, ohne dass dies für die Europäischen Union negative rechtliche Folgen hätte, so sollte erörtert werden, was die etwaige Nichtigerklärung der derzeitigen Gesetzgebungstechnik für die betroffenen Rechtsgebiete bedeutet und ob es Alternativen gibt, die (nach vernünftigem Ermessen) tatsächlich praktikabel sind.
161. Andererseits sollten, falls das Urteil Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. dahin verstanden werden sollte, dass die Veröffentlichung im Amtsblatt nicht erforderlich ist, die Spannungen erörtert werden, die ein solches Ergebnis im Hinblick auf gewisse der Funktionsweise der Unionsrechtsordnung zugrunde liegende Merkmale auslösen würde.
162. Zunächst scheint mir, dass, wenn man die Nichtveröffentlichung als endgültiges und akzeptables Ergebnis hinnähme, dies darauf hinausliefe, hinzunehmen, dass es in der Unionsrechtsordnung eine Kategorie verbindlicher Normen gäbe, die nur gegen Zahlung oder unter Aufwendung von Kosten für die Reise an einen bestimmten Ort, beispielsweise die Bibliothek einer nationalen Normungsorganisation, zugänglich wären. Da damit von der Grundprämisse, dass Rechtsvorschriften in einer demokratischen Gesellschaft kostenfrei zugänglich sein sollten, abgewichen würde, bedürfte eine solche Entscheidung näherer Erklärung.
163. Folgt man dieser Argumentationslinie, so stellt sich dann die Frage, ob die Unionsrechtsordnung hinnehmen kann, dass bestimmte Zugangsbedingungen in vollem Umfang in das Ermessen des externen ISO-Systems und der jeweiligen nationalen Normungsorganisationen gestellt werden, oder ob das Unionsrecht diese an bestimmte Voraussetzungen knüpfen sollte, beispielsweise an eine unionsrechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass dieser Zugang nicht an übermäßig restriktive Bedingungen geknüpft wird.
164. Des Weiteren ist daran zu erinnern, dass die ISO-Normen grundsätzlich auf Englisch, Französisch und Russisch erhältlich sind. Wenngleich Ausnahmen von der sprachlichen Gleichbehandlung, die grundsätzlich in der Europäischen Union gilt, möglich sein mögen(71 ), verdient dieser Aspekt des Falls eine eingehendere Betrachtung.
165. Abschließend halte ich es für nützlich, auf die Frage des Zugangs zu Dokumenten gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 zurückzukehren. Das Urteil Public.Resource.Org, auf das die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung besonders eingegangen sind, habe ich bereits erwähnt. Ich erinnere daran, dass der Gerichtshof der Kommission mit dem Urteil aufgegeben hat, Zugang zu den vom CEN ausgearbeiteten Normen zu gewähren, ungeachtet dessen, dass in dem Fall in ähnlicher Weise Rechte am geistigen Eigentum geltend gemacht wurden. Im vorliegenden Verfahren hat dies zu Diskussionen darüber geführt, ob diese Lösung auch für ISO-Normen (im Allgemeinen) gelte und was dies, falls dies bejaht würde, für die hier aufgeworfenen Fragen bedeuten würde.
166. Mit der niederländischen Regierung und der Kommission bin ich zweifellos einig, dass die Frage, ob einer im öffentlichen Interesse handelnden Partei (wie es nach meinem Verständnis in dem Verfahren, das zum vorgenannten Urteil führte, der Fall war) Zugang zu gewähren ist, nicht maßgeblich ist für die rechtlichen Schlussfolgerungen, die in Bezug auf die Verpflichtungen unterliegenden Personen daraus zu ziehen sind, dass der Rechtsakt, in dem die betreffenden Verpflichtungen im Einzelnen festgelegt sind, nicht im Amtsblatt veröffentlicht wurde.
167. Dies sind nämlich zwei völlig verschiedene Dinge. Allerdings können sie in einem Fall wie dem hier vorliegenden auch eng zusammenhängen.
168. Falls nämlich der Standpunkt eingenommen wird, dass die Veröffentlichung der in Rede stehenden ISO-Normen im Amtsblatt an sich nicht erforderlich sei, so würde diese Lösung wahrscheinlich auch für andere ISO-Normen, auf die sich der Unionsgesetzgeber stützen mag, gelten. Gleichermaßen würden sich die Auswirkungen einer möglicherweise in einem anderen Verfahren, das andere ISO-Normen betrifft, gezogenen Schlussfolgerung, dass gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 kein Zugang zu derartigen Normen gewährt werden muss, wahrscheinlich über die konkreten ISO-Normen, die in dem anderen Verfahren betroffen sind, hinaus erstrecken. Liefe es also in beiden vorgenannten Situationen auf eine negative Antwort hinaus, so wäre der Zugang zu diesen Normen auf Unionsebene wirksam „blockiert“ (und er bliebe allein auf der Ebene der ISO offen, welche den von den nationalen Normungsorganisationen gewährten Zugang umfasst).
169. Falls der Standpunkt eingenommen wird, dass die Veröffentlichung (der hier in Rede stehenden ISO-Normen sowie, implizit, jeglicher sonstigen ISO-Normen, auf die sich der Unionsgesetzgeber in ähnlicher Weise stützen mag) im Amtsblatt letztlich erforderlich ist, so müsste geklärt werden, ob ein Dokument, dass nicht im Amtsblatt veröffentlicht ist, obwohl es veröffentlicht sein sollte, in den (allgemein formulierten) Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1049/2001 fiele. Ich merke an, dass sich die Generalanwältin Sharpston in einem anderen Zusammenhang (in dem es keine externen Umstände gab, die den hier gegebenen vergleichbar wären) dagegen ausgesprochen hat(72 ). Sollte auch hier dieser Auffassung gefolgt werden (sollte der Gerichtshof erneut zu dem Schluss gelangen, dass die ISO-Normen letztendlich im Amtsblatt veröffentlicht werden müssen), so wäre zu erörtern, ob es, solange die wirksame Veröffentlichung der Normen im Amtsblatt ausstünde, auf Unionsebene eine einstweilige Lösung für den Zugang geben müsste, um zu verhindern, dass in der Zwischenzeit dieselbe „Blockierungswirkung“ einträte.
170. Mit anderen Worten: Auch wenn die Rechtsfragen, die sich unter der Überschrift „Zugang zu Dokumenten“ einerseits und unter der Überschrift „Veröffentlichung im Amtsblatt“ andererseits ergeben, verschiedene sind, sind sie doch Teil derselben weiter gefassten Frage des in der Unionsrechtsordnung bestehenden Zugangs zu extern ausgearbeiteten Normen, denen die Unionsrechtsordnung Bindungswirkung verliehen hat. Da sich das Ergebnis der Würdigung der einen Rechtsfrage auf die Würdigung der anderen auswirken dürfte, sollten sie nicht unabhängig voneinander behandelt werden.
V. Ergebnis
171. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom College van Beroep voor het bedrijfsleven (Oberster Verwaltungsgerichtshof für Handel und Industrie, Niederlande) vorgelegten Fragen 1 bis 4 wie folgt zu beantworten:
Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG
ist dahin auszulegen, dass ISO-Normen, auf die darin verwiesen wird und die nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind, gegen Unternehmen, die Zigaretten herstellen oder in Verkehr bringen, durchgesetzt werden können, wenn die Unternehmen unter den in Rn. 52 des Urteils vom 22. Februar 2022, Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. (C‑160/20, EU:C:2022:101) genannten Bedingungen Zugang zu den ISO-Normen haben. Diese Bestimmung und das Fehlen der Veröffentlichung der ISO-Normen, auf die darin verwiesen wird, können jedoch nicht dahin verstanden werden, dass eine juristische Person wie die Stiftung aus der Richtlinie ein Recht ableiten kann, zu erwirken, dass gegen Unternehmen, die Zigaretten herstellen oder in Verkehr bringen, ein Verfahren für die Messung der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2014/40 vorgesehenen Emissionshöchstwerte durchgesetzt wird, das von dem Verfahren, auf das in Art. 4 Abs. 1 derselben Richtlinie verwiesen wird, abweicht.