Vorläufige Fassung
SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN
LAILA MEDINA
vom 5. Juni 2025(1 )
Rechtssache C ‑696/23 P
Dmitry Alexandrovich Pumpyanskiy
gegen
Rat der Europäischen Union
„ Rechtsmittel – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen – Einfrieren von Geldern – Aufnahme des Namens des Rechtsmittelführers in die Liste der betroffenen Personen, Organisationen und Einrichtungen – Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145/GASP – Auslegung – Begriff ‚führende Geschäftsleute‘ – Bestimmtes persönliches Verhalten in Form einer Einflussnahme auf die Regierung der Russischen Föderation – Begriff ‚Wirtschaftssektoren …, die eine wesentliche Einnahmequelle für die Regierung der Russischen Föderation … darstellen‘ “
I. Einleitung
1. Die vorliegenden Schlussanträge betreffen ein von Herrn Dmitry Alexandrovich Pumpyanskiy(2 ) eingelegtes Rechtsmittel, mit dem die Aufhebung des Urteils vom 6. September 2023, Pumpyanskiy/Rat (T‑270/22, EU:T:2023:490)(3 ), beantragt wird. Mit diesem Urteil hat das Gericht die Klage des Rechtsmittelführers abgewiesen, die dieser nach Art. 263 AEUV gegen
– den Beschluss (GASP) 2022/397 des Rates vom 9. März 2022 zur Änderung des Beschlusses 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2022, L 80, S. 31), und
– die Durchführungsverordnung (EU) 2022/396 des Rates vom 9. März 2022 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2022, L 80, S. 1)(4 ),
erhoben hatte, soweit sein Name mit diesen Rechtsakten in die Listen in ihren Anhängen aufgenommen wurde. Mit diesen Rechtsakten wurden dem Rechtsmittelführer vom Rat der Europäischen Union die Einreise in und die Durchreise durch die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten verweigert sowie seine sämtlichen Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen in diesen Hoheitsgebieten eingefroren.
2. Die vorliegende Rechtssache betrifft eines der ersten beim Gerichtshof wegen der vom Rat 2022 erlassenen restriktiven Maßnahmen im Anschluss an die Invasion der Streitkräfte der Russischen Föderation in die Ukraine eingelegten Rechtsmittel(5 ). Sie gibt dem Gerichtshof, der als Große Kammer tagt, die Gelegenheit zur Festlegung der Auslegung und Prüfung der Rechtmäßigkeit des Kriteriums in Art. 1 Abs. 1 Buchst. e und Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145/GASP(6 ) in der durch den Beschluss (GASP) 2022/329(7 ) geänderten Fassung sowie in Art. 3 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung (EU) Nr. 269/2014(8 ) in der durch die Verordnung (EU) 2022/330(9 ) geänderten Fassung. Dieses üblicherweise als „Kriterium g)“ bezeichnete Kriterium sieht die Aufnahme führender Geschäftsleute vor, die in Wirtschaftssektoren tätig sind, die eine wesentliche Einnahmequelle für die Regierung der Russischen Föderation darstellen.
3. Der Rechtsmittelführer macht u. a. geltend, das Gericht habe Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung(10 ) fehlerhaft ausgelegt, soweit es im Wesentlichen davon ausgegangen sei, dass zur Erfüllung des darin enthaltenen Kriteriums weder erforderlich sei, dass der Rat ein bestimmtes Verhalten oder einen bestimmten Beitrag der in die Liste aufzunehmenden Person, insbesondere in Form einer Einflussnahme auf die Regierung der Russischen Föderation, darlege, noch, dass er eine Verbindung zum Regime dieses Landes nachweise. Er stellt ferner die Geeignetheit dieses Kriteriums als Mittel zur Erreichung der Ziele von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung in Frage.
4. Die vorliegende Rechtssache steht im Zusammenhang mit den Rechtssachen C‑704/23 P, C‑711/23 P, C‑35/24 P und C‑111/24 P, denen Rechtsmittel zugrunde liegen, die von Herrn Tigran Khudaverdyan, Herrn Viktor Filippovich Rashnikov, Herrn Dmitry Arkadievich Mazepin und Herrn German Khan gegen die Urteile des Gerichts eingelegt wurden, mit denen die Aufnahme ihrer Namen in die Listen der Personen, die restriktiven Maßnahmen nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung unterliegen, bestätigt wurde. Die Schlussanträge in jenen Rechtssachen werden ebenfalls heute vorgelegt; darin konzentriere ich mich auf die konkreten Gesichtspunkte, um deren Prüfung der Gerichtshof mich in Bezug auf die Auslegung und Gültigkeit des in dieser Bestimmung enthaltenen Aufnahmekriteriums, insbesondere im Licht der wesentlichen gemeinsamen Argumente der Rechtsmittelführer, ersucht hat.
II. Sachverhalt und Verfahren
A. Vorgeschichte des Rechtsstreits
5. Die Vorgeschichte des Rechtsstreits wird in den Rn. 2 bis 17 des angefochtenen Urteils dargestellt. Für die vorliegenden Schlussanträge lässt sich diese Vorgeschichte wie folgt zusammenfassen.
6. Der Rechtsmittelführer ist ein Geschäftsmann mit russischer Staatsangehörigkeit.
7. Am 17. März 2014 erließ der Rat der Europäischen Union auf der Grundlage von Art. 29 EUV den Beschluss 2014/145. Am selben Tag erließ der Rat auf der Grundlage von Art. 215 Abs. 2 AEUV die Verordnung Nr. 269/2014. Beide Rechtsakte betrafen restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen.
8. Am 25. Februar 2022 erließ der Rat sowohl den Beschluss 2022/329 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 als auch die Verordnung 2022/330 zur Änderung der Verordnung Nr. 269/2014, mit denen u. a. die Kriterien geändert wurden, nach denen die betreffenden restriktiven Maßnahmen gegen natürliche oder juristische Personen, Einrichtungen oder Organisationen verhängt werden konnten.
9. Nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. e des Beschlusses 2014/145 in der durch den Beschluss 2022/329 geänderten Fassung(11 ) wird die Einreise in oder die Durchreise durch die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten natürlichen Personen verweigert, die ein Kriterium erfüllen, das im Wesentlichen demjenigen in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g dieses Beschlusses entspricht. Die letztgenannte Bestimmung wiederum sieht das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen u. a. von natürlichen Personen vor, die dieses Kriterium erfüllen.
10. Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung lautet konkret wie folgt:
„(1) Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Besitz oder im Eigentum stehen oder gehalten oder kontrolliert werden von:
…
g) führenden Geschäftsleuten oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die in Wirtschaftssektoren tätig sind, die eine wesentliche Einnahmequelle für die Regierung der Russischen Föderation, die für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich ist, darstellen,
… werden eingefroren.“
11. Die Verordnung Nr. 269/2014 in der durch die Verordnung 2022/330 geänderten Fassung(12 ) schreibt den Erlass von Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern vor und legt die Modalitäten dieses Einfrierens von Geldern nach Bedingungen fest, die im Wesentlichen den im Beschluss 2014/145 in geänderter Fassung genannten Bedingungen entsprechen. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 269/2014 in geänderter Fassung gibt im Wesentlichen Art. 2 Abs. 1 Buchst. g dieses Beschlusses wieder.
12. Angesichts der sehr ernsten Lage in der Ukraine erließ der Rat am 9. März 2022 die in Rede stehenden Rechtsakte. Der Name des Rechtsmittelführers wurde der Liste im Anhang des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung und der Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 269/2014 in geänderter Fassung aus folgenden Gründen hinzugefügt:
„[Der Rechtsmittelführer] ist der Vorstandsvorsitzende von PJSC Pipe Metallurgic Company sowie Vorsitzender und ein Mitglied im Vorstand der Sinara-Gruppe. Er arbeitet also mit den Behörden der Russischen Föderation und staatseigenen Unternehmen wie der Russischen Eisenbahn, Gazprom und Rosneft zusammen und profitiert von dieser Zusammenarbeit. Folglich ist er in Bereichen der Wirtschaft tätig, die der Regierung der Russischen Föderation, die für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich ist, als wichtige Einnahmenquelle dienen.
[Der Rechtsmittelführer] nahm nach Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine, am 24. Februar 2022, zusammen mit 36 anderen Geschäftsleuten an einem Treffen mit Präsident Vladimir Putin und anderen Mitgliedern der russischen Regierung teil, um die Folgen des Vorgehens nach den westlichen Sanktionen zu erörtern. Der Umstand, dass er zu dieser Zusammenkunft eingeladen wurde, zeigt, dass er zum engsten Kreis [Präsident] Vladimir Putins gehört und dass er Handlungen oder politische Maßnahmen unterstützt oder umsetzt, die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine sowie die Stabilität und die Sicherheit in der Ukraine untergraben oder bedrohen. Ferner wird daran deutlich, dass er zu den führenden Geschäftsleuten gehört, die in Bereichen der Wirtschaft tätig sind, die der Regierung der Russischen Föderation, die für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich ist, als wichtige Einnahmenquelle dienen.“
13. Am 10. März 2022 veröffentlichte der Rat im Amtsblatt der Europäischen Union eine Mitteilung an die Personen, die den restriktiven Maßnahmen nach den in Rede stehenden Rechtsakten unterliegen (ABl. 2022, C 114 I, S. 1).
14. Am 19. April 2022 beantragte der Rechtsmittelführer beim Rat, ihm Zugang zu den Dokumenten zu gewähren, die als Grundlage für den Erlass der restriktiven Maßnahmen gegen ihn gedient hatten. Der Rat entsprach diesem Antrag am 28. April 2022.
B. Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
15. Mit Klageschrift, die am 17. Mai 2022 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob der Rechtsmittelführer Klage auf Nichtigerklärung der in Rede stehenden Rechtsakte.
16. Der Rechtsmittelführer stützte seine Klage auf zwei Klagegründe, mit denen er im Wesentlichen erstens einen Beurteilungsfehler und zweitens eine Missachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und eine Verletzung von Grundrechten rügte.
17. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht die Klage des Rechtsmittelführers abgewiesen.
18. Erstens war das Gericht, was die in den in Rede stehenden Rechtsakten für die Aufnahme des Rechtsmittelführers genannte Begründung in der Sache angeht, der Auffassung, dass der Rat völlig berechtigt zu dem Schluss gekommen sei, dass der Rechtsmittelführer eine führende Geschäftsperson sei, da dies von ihm nicht bestritten worden sei und auch aus der wirtschaftlichen Bedeutung sowohl von TMK als auch der Sinara-Gruppe, deren Vorstandsvorsitzender bzw. Vorsitzender und Vorstandsmitglied er sei, zu schließen sei(13 ). Weiter hat das Gericht festgestellt, dass der Rat hinreichend konkrete, genaue und übereinstimmende Nachweise dafür beigebracht habe, dass der Rechtsmittelführer in zahlreichen Wirtschaftssektoren, nämlich dem Öl‑, Gas‑, Eisenbahnbau‑, Finanz- und Bausektor, tätig gewesen sei, die eine wesentliche Einnahmequelle für die Regierung der Russischen Föderation dargestellt hätten(14 ).
19. Zweitens war das Gericht, was die Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und von Grundrechten angeht, der Auffassung, dass die in Rede stehenden Rechtsakte zwar zu einer Einschränkung des Eigentumsrechts des Rechtsmittelführers sowie zu einer Beeinträchtigung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung sowie der Kommunikation des Rechtsmittelführers geführt hätten, die sich hieraus ergebenden Einschränkungen der Grundrechte des Rechtsmittelführers jedoch mit den Voraussetzungen nach Art. 52 Abs. 1 der Charta im Einklang ständen(15 ).
III. Anträge der Parteien und Verfahren vor dem Gerichtshof
20. Mit seiner am 16. November 2023 beim Gerichtshof eingegangenen Rechtsmittelschrift beantragt der Rechtsmittelführer,
– das angefochtene Urteil aufzuheben;
– die in Rede stehenden Rechtsakte für nichtig zu erklären:
– hilfsweise, die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen;
– die Kostenentscheidung vorzubehalten.
21. Mit seiner am 26. Januar 2024 eingegangenen Rechtsmittelbeantwortung beantragt der Rat, das Rechtsmittel zurückzuweisen und dem Rechtsmittelführer die Kosten aufzuerlegen.
22. Am 11. Februar 2025 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in der der Rechtsmittelführer und der Rat Fragen des Gerichtshofs zur mündlichen Beantwortung beantwortet haben, insbesondere zur Auslegung des Ausdrucks „führende Geschäftsleute“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung.
IV. Würdigung
23. Der Rechtsmittelführer stützt sein Rechtsmittel im Wesentlichen auf zwei Gründe, mit denen erstens Rechtsfehler des Gerichts bei der Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung und der Beurteilung des vom Rat in den in Rede stehenden Rechtsakten begangenen Fehlers und zweitens Rechtsfehler des Gerichts bei der Prüfung der Klagegründe in Bezug auf die Verletzung seiner Grundrechte und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geltend gemacht werden.
24. Der Gerichtshof hat um Prüfung des konkreten, sich aus dem ersten Rechtsmittelgrund ergebenden Vorbringens zur Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung sowie des Vorbringens des Rechtsmittelführers zur Geeignetheit des in dieser Bestimmung enthaltenen Kriteriums als Mittel zur Erreichung seiner Ziele ersucht. Dieses Vorbringen ist Teil des zweiten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes. Meine Würdigung wird sich, dem Ersuchen des Gerichtshofs entsprechend, auf diese Hauptfragen konzentrieren, auf die sich die Parteien mit ihren mündlichen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung konzentriert haben.
A. Erster Rechtsmittelgrund
25. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund macht der Rechtsmittelführer u. a. geltend, das Gericht habe das in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung enthaltene Kriterium fehlerhaft ausgelegt. Er wendet sich im Wesentlichen gegen die Feststellung des Gerichts, diese Bestimmung setze weder voraus, dass der Rat ein bestimmtes Verhalten der in die Liste aufzunehmenden Person, insbesondere in Form einer Einflussnahme auf die Regierung der Russischen Föderation, darlege, noch, dass er eine Verbindung zum Regime dieses Landes nachweise.
26. Wie in Nr. 10 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, sieht Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung das Einfrieren sämtlicher Gelder und wirtschaftlicher Ressourcen vor, die im Besitz oder im Eigentum stehen oder gehalten oder kontrolliert werden von „führenden Geschäftsleuten …, die in Wirtschaftssektoren tätig sind, die eine wesentliche Einnahmequelle für die Regierung der Russischen Föderation, die für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich ist, darstellen“.
27. Der Rechtsmittelführer untergliedert sein hauptsächliches Vorbringen in zwei Argumentationskomplexe gegen die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung durch das Gericht, nämlich erstens in Bezug auf die Formulierung „führende Geschäftsleute“ und zweitens in Bezug auf die Formulierung „die in Wirtschaftssektoren tätig sind, die eine wesentliche Einnahmequelle für die Regierung der Russischen Föderation … darstellen“.
1. Auslegung der Formulierung „führende Geschäftsleute“
28. Erstens soll, was den Begriff „führende Geschäftsleute“ angeht, diese Formulierung dahin zu verstehen sein, dass sie voraussetze, dass die betreffende Person Einfluss auf die Regierung der Russischen Föderation ausübe. Aus bestimmten Sprachfassungen von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung – wie etwa der französischen Sprachfassung, in der der Ausdruck „femmes et hommes d’affaires influents“ verwendet werde – ergebe sich, dass die Anwendung dieser Bestimmung voraussetze, dass auf diese Regierung Einfluss genommen werde oder eine Verbindung zu ihr bestehe, über die dieser Einfluss ausgeübt werden könne.
29. Der Rat tritt diesem Vorbringen entgegen.
30. Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut zu berücksichtigen, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele der Regelung, zu der sie gehört. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Wortlaut der betreffenden Rechtsvorschrift des Unionsrechts für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, was hier bei Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung der Fall ist(16 ).
31. Was erstens die grammatikalische Auslegung des Ausdrucks „führende Geschäftsleute“ angeht, ist allgemein bekannt, dass das Wort „Geschäftsleute“ Personen bezeichnet, die im Geschäftsleben – typischerweise auf der Geschäftsführungsebene eines Unternehmens – tätig sind. Weiter bezieht sich das Wort „Geschäft“ auf die Ausübung einer wirtschaftlichen oder gewerblichen Tätigkeit. Der Begriff „Geschäftsleute“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung bezieht sich somit auf Personen, die eine wirtschaftliche oder gewerbliche Tätigkeit in einem Unternehmen ausüben, dessen Eigentümer sie sind oder in dem sie eine wichtige Position haben(17 ).
32. Das Wort „leading [führende]“ wiederum ist ein Adjektiv, das im Englischen mit der Bedeutung „very important or most important [sehr wichtig oder am wichtigsten]“ definiert ist(18 ). Da auf den Ausdruck „führende Geschäftsleute“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung die Formulierung „die in Wirtschaftssektoren tätig sind“ folgt, ist der Begriff „führende“ dahin zu verstehen, dass er sich auf die Bedeutung der betreffenden Geschäftsperson in dem Sektor, in dem sie tätig ist, und auf den Einfluss, den diese Person in diesem Sektor möglicherweise ausüben kann, bezieht; dies entspricht im Wesentlichen den Feststellungen des Gerichts in Rn. 66 des Urteils vom 13. September 2023, Rashnikov/Rat (T‑305/22, EU:T:2023:530), und in Rn. 79 des Urteils vom 6. September 2023, Khudaverdyan/Rat (T‑335/22, EU:T:2023:500, Rn. 79), die beide vom Rechtsmittelführer angeführt werden. Im Übrigen lässt sich, wie in jenen Urteilen ausgeführt, der Umstand, dass es sich um eine „führende“ Geschäftsperson handelt, u. a. anhand ihrer beruflichen Stellung, der Bedeutung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten, des Umfangs ihrer Kapitalbeteiligungen oder ihrer Funktionen innerhalb einer oder mehrerer Unternehmen, in denen sie diese Tätigkeiten ausübt, feststellen. Diese Feststellung wird vom Rechtsmittelführer in seiner Rechtsmittelschrift nicht konkret erwähnt.
33. Daraus folgt, dass das Gericht unter dem Blickwinkel des Wortlauts rechtsfehlerfrei im Wesentlichen zu dem Schluss gekommen ist, dass für die Feststellung, dass eine Person eine „führende Geschäfts[person]“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung sei, vom Rat lediglich dargetan werden müsse, dass die betreffende Person eine wirtschaftliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübe und dass diese Person als sehr wichtige oder die wichtigste Geschäftsperson in dem Wirtschaftssektor angesehen werde, in dem sie tätig sei, so dass sie in diesem Sektor Einfluss ausüben könne.
34. Zwar wird in einigen Sprachfassungen von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung das Substantiv „businesspersons [Geschäftsleute]“ nicht mit dem Wort „leading [führend]“, sondern mit einem Wort näher bestimmt, dem im Englischen das Wort „influential [einflussreich]“ entspricht. Der Rechtsmittelführer bringt unter Verweis hierauf vor, die unter diese Vorschrift fallenden Geschäftsleute müssten nicht nur in dem Wirtschaftssektor, in dem sie tätig seien, sondern vielmehr konkret auf die Regierung der Russischen Föderation selbst Einfluss ausüben können.
35. Insoweit kann jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die in einer oder einigen wenigen Sprachfassungen einer Bestimmung des Unionsrechts verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Bestimmung herangezogen werden. Die Bestimmungen des Unionsrechts müssen nämlich im Licht ihrer Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden(19 ).
36. In der vorliegenden Rechtssache ist in Übereinstimmung mit den vom Rat in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Erläuterungen darauf hinzuweisen, dass zwölf Sprachfassungen von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung das Substantiv „businesspersons [Geschäftsleute]“ im Wesentlichen mit einem Wort näher bestimmen, dem im Englischen das Wort „leading [führend]“ entspricht(20 ). Neben diesen Fassungen verwenden andere ein Wort, das im Englischen mit den Ausdrücken „prominent [herausragend]“ oder „principal [hauptsächlich]“ übersetzt werden kann, die, semantisch betrachtet, den Begriff „leading [führend]“ widerspiegeln(21 ). Die Erwägungen in Nr. 32 der vorliegenden Schlussanträge zur Auslegung des Ausdrucks „leading businesspersons [führende Geschäftsleute]“ im Englischen haben daher für alle diese Fassungen in vollem Umfang Gültigkeit.
37. Dagegen wird nur in der französischen, der lettischen und der litauischen Sprachfassung das Substantiv „businesspersons [Geschäftsleute]“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung mit einem Adjektiv näher bestimmt, das im Englischen mit „influential [einflussreich]“ zu übersetzen wäre. Selbst in diesen Sprachen ist indes eine der Hauptbedeutungen von „einflussreich“ die Eigenschaft als „wichtig“(22 ). Um die nach der oben in Nr. 35 angeführten Rechtsprechung erforderliche einheitliche Auslegung und Anwendung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung zu gewährleisten, sind folglich die französische, die lettische und die litauische Sprachfassung des Ausdrucks „führende Geschäftsleute“ ebenso auszulegen wie bei der Mehrheit der Sprachfassungen dieser Bestimmung, nämlich dahin, dass sie sich auf die Bedeutung der betreffenden Geschäftsperson in dem Wirtschaftssektor beziehen, in dem sie tätig ist und in dem sie Einfluss ausüben kann.
38. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass unter dem Blickwinkel des Wortlauts das Vorbringen des Rechtsmittelführers, der Ausdruck „führende Geschäftsleute“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung setze voraus, dass der Rat ein bestimmtes Verhalten der in die Liste aufzunehmenden Person, insbesondere in Form einer Einflussnahme auf die Regierung der Russischen Föderation, darlege, oder dass er eine Verbindung zum Regime dieses Landes nachweise, unbegründet ist.
39. Was zweitens die systematische Auslegung angeht, ist meines Erachtens zunächst darauf hinzuweisen, dass das in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung vorgesehene, auf „führende Geschäftsleute“ ausgerichtete Aufnahmekriterium erstmals durch den Beschluss 2022/329 eingeführt wurde. Der letztgenannte Beschluss wurde am 25. Februar 2022 erlassen, d. h. am Tag nach der Ankündigung einer militärischen Operation in der Ukraine durch den Präsidenten der Russischen Föderation und dem Beginn der Angriffe russischer Streitkräfte auf die Ukraine(23 ).
40. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass Art. 2 Abs. 1 des Beschlusses 2014/145 bereits vor seiner Änderung durch den Beschluss 2022/329 ein Aufnahmekriterium enthielt, das im Wesentlichen eine Ausrichtung auf Personen ermöglichte, die individuellen Einfluss auf die Regierung der Russischen Föderation ausüben konnten. Dies galt insbesondere für Art. 2 Abs. 1 Buchst. d des Beschlusses 2014/145, der sich im Wesentlichen auf natürliche Personen bezog, die russische Entscheidungsträger, die für die Untergrabung oder Bedrohung der territorialen Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine verantwortlich sind, materiell oder finanziell aktiv unterstützen oder von ihnen profitieren. Dieses Kriterium wurde im Beschluss 2014/145 in geänderter Fassung beibehalten, was meines Erachtens nahelegt, dass eine Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g dieses Beschlusses dahin, dass, wie vom Rechtsmittelführer geltend gemacht, diese Bestimmung den Nachweis einer Einflussnahme auf die Regierung der Russischen Föderation und einer Verbindung zu dem dieses Land regierenden Regime voraussetzen würde, auf eine schlichte Doppelung hinausliefe und daher im Widerspruch zu einer systematischen Betrachtung stünde.
41. Unbeschadet der von mir in den vorliegenden Schlussanträgen im Folgenden noch dargelegten weiteren Erwägungen stützt die systematische Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung die Ansicht des Rechtsmittelführers daher meines Erachtens nicht.
42. Was drittens die teleologische Auslegung angeht, fügt sich Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung in einen rechtlichen Rahmen ein, mit dem ein beispielloses Bündel restriktiver Maßnahmen erlassen wurde, die größtmöglichen Druck auf die Russische Föderation ausüben sollen, indem die Kosten ihrer Handlungen zur Untergrabung der territorialen Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine erhöht werden.
43. Dies sind nämlich die Ziele der gegen Russland erlassenen restriktiven Maßnahmen, wie sie im Wesentlichen im Urteil des Gerichtshofs vom 25. Juni 2020, VTB Bank/Rat (C‑729/18 P, EU:C:2020:499, Rn. 59)(24 ), formuliert werden, wo auch auf das Urteil vom 28. März 2017, Rosneft (C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 123), verwiesen wird(25 ). Beide Urteile betrafen die Auslegung sektorspezifischer restriktiver Maßnahmen, die angesichts der die Lage in der Ukraine destabilisierenden Handlungen vor dem Angriff der russischen Streitkräfte auf die Ukraine am 24. Februar 2022 erlassen wurden(26 ). Die vom Gerichtshof in jenen Urteilen benannten Ziele bleiben jedoch für die Auslegung der in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden individuellen restriktiven Maßnahmen weiterhin gültig, denn sowohl sektorspezifische als auch individuelle restriktive Maßnahmen wurden im Rahmen einer gemeinsamen Antwort auf eine Lage erlassen, die sich seit dem russischen Angriff sogar noch weiter verschlechtert hat, wie in den Erwägungsgründen 10 und 11 des Beschlusses 2022/329 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 ausdrücklich festgestellt(27 ).
44. Vor diesem Hintergrund bin ich der Ansicht, dass von dem Erlass restriktiver Maßnahmen gegen die führenden Geschäftsleute, auf die Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung ausgerichtet ist, vernünftigerweise erwartet werden kann, dass der Druck auf die Regierung der Russischen Föderation dahin maximiert wird, von ihrer militärischen Aggression gegen das ukrainische Hoheitsgebiet abzulassen. Schließlich spielen diese führenden Geschäftsleute eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung der Rentabilität der Wirtschaftszweige, in denen sie tätig sind und die letztlich die finanziellen Ressourcen stärken, die der Regierung der Russischen Föderation zur Durchführung ihrer Handlungen und politischen Maßnahmen zur Verfügung stehen. Folglich sind die in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen dadurch, dass sie in die Tätigkeit der betroffenen führenden Geschäftsleute eingreifen, geeignet, die Einnahmen, die die Regierung der Russischen Föderation aus den relevanten Sektoren ihrer Wirtschaft erzielt, zu verringern und so die Kosten ihrer militärischen Handlungen zu erhöhen und die ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine zu untergraben, einzuschränken.
45. Daraus folgt, dass ein nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen zum einen der Ausrichtung auf führende Geschäftsleute, die in Wirtschaftssektoren tätig sind, die eine wesentliche Einnahmequelle für die Regierung der Russischen Föderation darstellen, und zum anderen dem Ziel der restriktiven Maßnahmen in der vorliegenden Rechtssache besteht. Entgegen dem Vorbringen des Rechtsmittelführers besteht dieser Zusammenhang auch dann, wenn kein bestimmtes Verhalten der in die Liste aufzunehmenden Person, insbesondere in Form einer Einflussnahme auf die Regierung der Russischen Föderation, vorliegt oder zwischen dieser Person und dem dieses Land regierenden Regime keine Verbindung besteht.
46. Die teleologische Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung erfordert daher keine erneute Überprüfung der in den Nrn. 38 und 41 der vorliegenden Schlussanträge dargestellten grammatikalischen und systematischen Auslegung dieser Bestimmung. Sie stützt vielmehr die Ansicht, dass der in dieser Bestimmung enthaltene Ausdruck „führende Geschäftsleute“ lediglich voraussetzt, dass der Rat nachweist, dass die betroffene Person eine wirtschaftliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt und als Person angesehen wird, die zumindest eine sehr wichtige Geschäftsperson in dem Sektor ist, in dem sie tätig ist, so dass sie in ihm Einfluss ausüben kann.
47. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ergibt sich nach keiner der durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs definierten Auslegungsmethoden zur Ermittlung der Bedeutung einer Bestimmung des Unionsrechts, dass, wie vom Rechtsmittelführer vorgebracht, eine Einflussnahme der erfassten Person auf die Regierung der Russischen Föderation vorliegen oder eine Verbindung zu dieser bestehen müsste, um eine Person als „führende Geschäfts[person]“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung einstufen zu können.
48. Demnach hat das Gericht meines Erachtens in Bezug auf die Auslegung der Formulierung „führende Geschäftsleute“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung nicht rechtsfehlerhaft entschieden.
49. Der erste vom Rechtsmittelführer vorgebrachte Argumentationskomplex ist daher zurückzuweisen.
2. Auslegung der Formulierung „die in Wirtschaftssektoren tätig sind, die eine wesentliche Einnahmequelle … darstellen“
50. Zweitens soll nach Ansicht des Rechtsmittelführers das Gericht rechtsfehlerhaft festgestellt haben, dass die Formulierung „die eine wesentliche Einnahmequelle für die Regierung der Russischen Föderation … darstellen“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung dahin auszulegen sei, dass sie sich auf die in dieser Bestimmung enthaltene Formulierung „die in Wirtschaftssektoren tätig sind“ und nicht auf den Ausdruck „führende Geschäftsleute“ beziehe.
51. Der Rat tritt diesem Vorbringen entgegen.
52. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in Rn. 66 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen der Auffassung war, dass die Formulierung „die eine wesentliche Einnahmequelle für die Regierung der Russischen Föderation … darstellen“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung sich auf die Wirtschaftssektoren, in denen die führenden Geschäftsleute tätig seien, und nicht auf diese Geschäftsleute selbst beziehe. Somit müsse der Rat für die Anwendung dieser Bestimmung lediglich nachweisen, dass diese Wirtschaftssektoren eine wesentliche Einnahmequelle für die Regierung der Russischen Föderation darstellten; es gebe keine darüber hinausgehende Voraussetzung, das Vorliegen eines Verhaltens der betreffenden Person oder einer zwischen dieser Person und dem russischen Regime bestehenden Verbindung nachzuweisen. Diese Auslegung stehe mit den Zielen im Einklang, die mit den in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen verfolgt würden.
53. Im Licht der oben in Nr. 35 angeführten Rechtsprechung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Wortlaut der meisten Sprachfassungen von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung gegen die vom Rechtsmittelführer vertretene Ansicht spricht.
54. Dies gilt für die englische Sprachfassung, in der die Reihenfolge der verschiedenen Bestandteile des Wortlauts von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung darauf hindeutet, dass das Gericht die Formulierung „providing a substantial source of revenue [die eine wesentliche Einnahmequelle … darstellen]“ zutreffend dahin ausgelegt hat, dass sie sich auf die ihr unmittelbar vorangehende Formulierung „involved in economic sectors [die in Wirtschaftssektoren tätig sind]“ bezieht. Hätte der Rat regeln wollen, dass diese Einnahmen von den führenden Geschäftsleuten selbst stammen müssten, hätte er diese beiden Formulierungen naheliegenderweise in die umgekehrte Reihenfolge bringen können, um dies offenkundig klarzustellen, da sprachliche Gründe dem nicht entgegenstanden.
55. Zudem ist in den meisten Sprachfassungen von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung ein Relativpronomen zwischen den Formulierungen „die in Wirtschaftssektoren tätig sind“ und „eine wesentliche Einnahmequelle für die Regierung der Russischen Föderation … darstellen“ eingefügt(28 ). In diesen Fällen ist der Bezug, in dem die beiden Bestandteile zueinander stehen, noch offensichtlicher, da die Formulierung „die eine wesentliche Einnahmequelle für die Regierung der Russischen Föderation … darstellen“ zwangsläufig zu einem sich auf das Substantiv „Wirtschaftssektoren“ beziehenden Nebensatz wird.
56. Jedenfalls ist, was diejenigen Fassungen angeht, die nach Ansicht des Rechtsmittelführers mehrdeutig sein sollen, darauf hinzuweisen, dass unter dem Blickwinkel der Systematik, ausgehend davon, dass Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung das Wort „Einnahmen“ auf eine nationale Regierung als Empfängerin derselben bezieht, die zutreffendste Auslegung dieses Wortlauts diejenige, dass die Quelle dieser Einnahmen ein Wirtschaftssektor und nicht eine einzelne Geschäftsperson sein muss(29 ). Dies ist unter einem makroökonomischen Blickwinkel das übliche Verständnis im Bereich öffentlicher Finanzen. Außerdem liegt auf der Hand, dass dann, wenn der Rat beabsichtigt hätte, dass sich die wesentliche Einnahmequelle aus einer führenden Geschäftsperson hätte ergeben sollen, die Formulierung „die in Wirtschaftssektoren tätig sind“ überflüssig gewesen und in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung nicht aufgenommen worden wäre, da alle Geschäftsleute per definitionem unmittelbar oder mittelbar in einem Wirtschaftssektor tätig sind.
57. Darüber hinaus dürfte die teleologische Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung diese systematische Auslegung meines Erachtens bestätigen. Schließlich kann in Anbetracht dessen, dass mit dem Erlass der restriktiven Maßnahmen, wie bereits erläutert(30 ), die der Regierung der Russischen Föderation zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel mit dem Ziel beschränkt werden sollen, ihrer Politik der Destabilisierung und Aggression in Bezug auf die Ukraine ein Ende zu setzen, dieses Ziel wirksamer durch das Abbrechen der Einnahmen erreicht werden, die aus einem ganzen Wirtschaftssektor stammen, und nicht aus dem individuellen Beitrag einer führenden Geschäftsperson.
58. Demnach hat das Gericht, insbesondere in Rn. 66 des angefochtenen Urteils, rechtsfehlerfrei festgestellt, dass sich im Licht des Ziels der in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen die wesentliche Einnahmequelle für die Regierung der Russischen Föderation aus den Sektoren ergeben müsse, in denen die in die Liste aufzunehmenden führenden Geschäftsleute tätig seien, und nicht aus diesen Geschäftsleuten selbst.
59. Zwar heißt es im elften Erwägungsgrund des Beschlusses 2022/329, dass „[a]ngesichts der sehr ernsten Lage … der Rat der Ansicht [ist], dass die Kriterien für die Benennung dahin gehend geändert werden sollten, dass … Personen und Organisationen [einbezogen werden], die eine wesentliche Einnahmequelle für [die Regierung der Russischen Föderation] darstellen“. Allein aus der Tatsache, dass dieser Erwägungsgrund sich nicht nur auf Personen, sondern auch auf Organisationen bezieht, ergibt sich meines Erachtens indes eindeutig, dass er nicht dahin verstanden werden kann, dass er sich ausschließlich auf „führende Geschäftsleute“ bezieht, sondern dahin verstanden werden muss, dass er auf ein breiter angelegtes Verständnis, nämlich eines ganzen Wirtschaftssektors, einschließlich aller in ihm tätigen Personen und Organisationen, angelegt ist.
60. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Erwägungsgründe eines Unionsrechtsakts zwar wichtige Anhaltspunkte für die Auslegung darstellen, die die Absichten des Urhebers dieses Rechtsakts klären können, ihnen jedoch keine Rechtsverbindlichkeit zukommt und sie nicht als Grundlage dafür herangezogen werden können, von den tatsächlichen Bestimmungen des betreffenden Rechtsakts abzuweichen oder sie in einer Weise auszulegen, die ihrem Wortlaut eindeutig widerspricht(31 ).
61. In der vorliegenden Rechtssache ist, da die durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs definierten Auslegungsmethoden zur Ermittlung der Bedeutung einer Bestimmung des Unionsrechts zu dem Ergebnis führen, dass die Formulierung „wesentliche Einnahmequelle“ dahin zu verstehen ist, dass sie sich auf die Formulierung „in Wirtschaftssektoren tätig sind“ und nicht auf die Formulierung „führende Geschäftsleute“ bezieht, der Inhalt des elften Erwägungsgrundes des Beschlusses 2022/329 für sich genommen nicht geeignet, diese Auslegung in Frage zu stellen.
62. Schließlich wird vom Rechtsmittelführer geltend gemacht, dass die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung, und insbesondere der Formulierung „wesentliche Einnahmequelle“, durch das Gericht dazu führe, dass das persönliche Verhalten oder der persönliche Beitrag der betreffenden Geschäftsperson völlig ohne Bedeutung sei. Insoweit bedarf es jedoch lediglich noch einmal des Hinweises darauf, dass die Auslegung der verschiedenen Bestandteile dieser Bestimmung dagegen spricht, dass der Rat irgendeinen weiteren Nachweis zu erbringen hätte, als dass die aufzunehmende Person eine wirtschaftliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt und als Person angesehen wird, die zumindest eine sehr wichtige Geschäftsperson in dem Sektor ist, in dem sie tätig ist, so dass sie in ihm Einfluss ausüben kann.
63. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen hat das Gericht meines Erachtens in Bezug auf die Auslegung der Formulierung „eine wesentliche Einnahmequelle für die Regierung der Russischen Föderation … darstellen“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung entgegen dem Vorbringen des Rechtsmittelführers nicht rechtsfehlerhaft entschieden.
64. Der zweite vom Rechtsmittelführer vorgebrachte Argumentationskomplex ist daher zurückzuweisen.
65. Aufgrund der Schlussfolgerungen in den Nrn. 49 und 64 der vorliegenden Schlussanträge ist das konkrete, sich aus dem ersten Rechtsmittelgrund ergebende Vorbringen zur Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung zurückzuweisen.
B. Zweiter Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes
66. Mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes bringt der Rechtsmittelführer u. a. vor, das Gericht habe in Bezug auf die Geeignetheit des Kriteriums in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung als Mittel zur Erreichung der Ziele dieser Bestimmung eine fehlerhafte Beurteilung vorgenommen. Die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung durch das Gericht führe dazu, dass Menschen für das sanktioniert würden, was sie seien, und nicht im Licht dessen, was sie täten oder tun sollten. Was die vorliegende Rechtssache angeht, hält der Rechtsmittelführer für fraglich, inwieweit die Anwendung des in dieser Bestimmung enthaltenen Kriteriums geeignet sei, sich in irgendeiner Weise auf den russischen Staat auszuwirken.
67. Der Rat tritt diesem Vorbringen entgegen.
68. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist dem Rat im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung restriktiver Maßnahmen von den Unionsgerichten ein weites Ermessen bei der Festlegung der allgemeinen Kriterien für die Bestimmung der Kategorie von Personen, gegen die diese Maßnahmen verhängt werden können, einzuräumen(32 ). Dies wird regelmäßig damit erklärt, dass Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 Abs. 2 AEUV den Unionsgerichten zwar, als Ausnahmeregelung, eine Zuständigkeit für dieses spezifische Gebiet der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) zuweisen, diese Gerichte jedoch die politischen oder strategischen Entscheidungen des Rates beim Erlass restriktiver Maßnahmen nicht ersetzen können(33 ). Das Niveau der Kontrolle, das die Unionsgerichte bei der gerichtlichen Überprüfung anwenden können, ist daher eingeschränkt(34 ).
69. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Rat willkürlich handeln darf. Andernfalls würde der Ausnahme nach Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 Abs. 2 AEUV ihre praktische Wirksamkeit genommen(35 ). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme am Maßstab des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu prüfen(36 ), was im Wesentlichen bedeutet, dass sie nur dann rechtswidrig ist, wenn sie zur Erreichung des vom zuständigen Organ verfolgten Ziels offensichtlich ungeeignet ist(37 ).
70. Hinzuweisen ist insoweit darauf, dass erstens der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits Gelegenheit hatte, ein Kriterium mit ähnlichem Wortlaut wie das hier in Rede stehende zu bestätigen. Ich verweise auf das Urteil vom 9. Juli 2020, Haswani/Rat (C‑241/19 P, EU:C:2020:545)(38 ), das die Kriterien nach Art. 27 Abs. 2 Buchst. a und Art. 28 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2013/255/GASP(39 ) in der durch den Beschluss (GASP) 2015/1836(40 ) geänderten Fassung betraf. Mit diesen Bestimmungen wurden „führenden Geschäftsleuten, die in Syrien tätig sind“, im Zusammenhang mit dem gewaltsamen Vorgehen, unter dem die Zivilbevölkerung dieses Landes zu leiden hatte, vom Rat die Einreise in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten verweigert sowie sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen in ihrem Besitz eingefroren.
71. Hinzuweisen ist darauf, dass der Gerichtshof in seinem Urteil ausgeführt hat, dass nach dem fünften Erwägungsgrund des Beschlusses 2013/255 in geänderter Fassung(41 ) die syrische Wirtschaft vom syrischen Regime streng kontrolliert wurde und eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen den Geschäftskreisen und diesem Regime entstanden war. In diesem Rahmen konnte ein enger Kreis in Syrien tätiger führender Geschäftsleute nur dank seiner engen Verbindungen zum syrischen Regime seine Stellung wahren. Demzufolge genügte allein die Zugehörigkeit zu dieser Kategorie von Personen, um die erforderlichen Maßnahmen treffen zu dürfen, ohne dass der Nachweis einer Verbindung zwischen der Eigenschaft als führende Geschäftsfrau oder führender Geschäftsmann und dem syrischen Regime erbracht werden musste(42 ).
72. Gleichwohl ist meines Erachtens festzustellen, dass die Anwendung des Kriteriums nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung gegenüber dem im Beschluss 2013/255 in geänderter Fassung enthaltenen Kriterium trotz ihres ähnlichen Wortlauts einen wichtigen Unterschied aufweist. Im Fall der restriktiven Maßnahmen, die nach dem Angriff russischer Streitkräfte auf die Ukraine erlassen wurden, erfolgt die Aufnahme führender Geschäftsleute nämlich nicht unter Verweis auf eine bestehende gegenseitige Abhängigkeit zwischen den Geschäftskreisen der Russischen Föderation und dem Regime dieses Landes. Die vorgenannten Geschäftsleute werden tatsächlich nicht aufgrund ihrer engen Verbindungen zur politischen Führung Russlands erfasst, sondern vielmehr aufgrund ihrer Geschäftstätigkeit in einem Wirtschaftssektor, der eine wesentliche Einnahmequelle für die Regierung der Russischen Föderation darstellt(43 ).
73. Der Gerichtshof wird daher darüber zu entscheiden haben, ob das Kriterium in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung unter diesen Umständen bestätigt werden kann. Insbesondere wird er zu prüfen haben, ob dieses Kriterium auch in Anbetracht dessen als rechtmäßig angesehen werden kann, dass der Rat nicht nachweisen muss, dass erstens eine unmittelbare oder mittelbare Verbindung zwischen der erfassten Person und den Handlungen und politischen Maßnahmen der Regierung der Russischen Föderation in Bezug auf die Ukraine besteht und zweitens ein bestimmtes Verhalten der betreffenden führenden Geschäftsperson vorliegt, das über den Einfluss hinausgeht, den allein schon ihre berufliche Tätigkeit auf die Wirtschaft der Russischen Föderation und damit auf die Einnahmen der Regierung der Russischen Föderation ausüben kann.
74. Was die erste dieser Fragen angeht, möchte ich den Gerichtshof auf sein Urteil vom 1. März 2016, National Iranian Oil Company/Rat (C‑440/14 P, EU:C:2016:128), hinweisen, in dem er ein Aufnahmekriterium bestätigt hat, das Personen oder Einrichtungen erfasste, ohne dass ein tatsächlicher unmittelbarer oder mittelbarer Bezug zur nuklearen Proliferation nachgewiesen werden musste, auf die sich jenes Bündel von restriktiven Maßnahmen bezog. In jenem Urteil war der Gerichtshof im Wesentlichen der Auffassung, dass eine Aufnahme dieser Personen und Einrichtungen auch ohne einen solchen Bezug zulässig war, da sie die nukleare Proliferation begünstigen konnten, indem der iranischen Regierung Ressourcen oder materielle, finanzielle oder logistische Mittel zur Verfügung gestellt wurden(44 ).
75. Meines Erachtens gibt es überzeugende Gründe dafür, die früheren Feststellungen des Gerichtshofs auf die vorliegende Rechtssache anzuwenden. Schließlich soll, wie in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Timchenko/Rat (C‑703/23 P, EU:C:2025:274, Nr. 52) ausgeführt, nach der ratio decidendi dieser Rechtsprechung den Handlungen, auf die diese Maßnahmen ausgerichtet sind, ein Ende gesetzt werden, indem die hierfür zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel unabhängig davon gemindert werden, woher sie stammen und insbesondere, ob zwischen der erfassten Person und den Handlungen und politischen Maßnahmen der betreffenden Regierung eine Verbindung besteht. In der vorliegenden Rechtssache sind die wirtschaftlichen Tätigkeiten der führenden Geschäftsleute, die von den vorliegend in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen erfasst sind, ein wichtiges Instrument für die Finanzierung des öffentlichen Haushalts der Regierung der Russischen Föderation. Es ist daher unerheblich, ob diese Geschäftsleute unmittelbar oder mittelbar mit dieser Regierung oder den Handlungen und politischen Maßnahmen der Letzteren in Bezug auf die Ukraine in Verbindung stehen.
76. Was die zweite Frage angeht, geht das Vorbringen des Rechtsmittelführers von der Annahme aus, dass die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs Fälle betroffen habe, in denen das persönliche Verhalten der erfassten Person zu ihrer Aufnahme in die Listen der restriktiven Maßnahmen unterliegenden Personen oder Einrichtungen geführt habe, und dass dieses Verhalten eine Voraussetzung dafür sei, ihnen die Lage zuzuschreiben, auf die diese Maßnahmen ausgerichtet seien. Der Rechtsmittelführer hat in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen vorgetragen, dass ein Aufnahmekriterium, das allein auf der beruflichen Stellung der betreffenden Person, nämlich als Geschäftsperson in rentablen Wirtschaftssektoren, beruhe, vom Gerichtshof noch nie bestätigt worden sei.
77. Meines Erachtens ist darauf hinzuweisen, dass selbst wenn die Ansicht des Rechtsmittelführers als zutreffend unterstellt würde, daraus noch nicht folgt, dass ein Aufnahmekriterium, das ein persönliches Verhalten der erfassten Personen für ihre Aufnahme nicht voraussetzt, ohne Weiteres als rechtswidrig anzusehen wäre. Denn der Rat verfügt, wie in Nr. 68 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, bei der generellen und abstrakten Festlegung der rechtlichen Kriterien und Verfahren für den Erlass restriktiver Maßnahmen über ein weites Ermessen, so dass eine Maßnahme nur dann aufzuheben ist, wenn sie zur Erreichung des vom Rat verfolgten Ziels offensichtlich ungeeignet ist.
78. Insoweit ist vorab darauf hinzuweisen, dass der Rechtsmittelführer die Legitimität des mit dem Kriterium nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung verfolgten Ziels nicht in Frage stellt und dass er, wie sich aus Rn. 72 des angefochtenen Urteils ergibt, selbst anerkannt hat, dass dieses Ziel darin bestehe, den Druck auf die Russische Föderation und die Kosten ihrer Handlungen zur Untergrabung der territorialen Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine zu erhöhen(45 ). Er bestreitet vielmehr die Geeignetheit der Aufnahme führender Geschäftsleute im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung als Mittel zur Erreichung dieser Ziele.
79. Meines Erachtens ist das Vorbringen des Rechtsmittelführers jedoch aus den folgenden Gründen zurückzuweisen.
80. Erstens können, wie im ersten Teil der vorliegenden Schlussanträge bereits erläutert, führende Geschäftsleute aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit in Schlüsselsektoren der russischen Wirtschaft erfasst werden, da das Ergebnis dieser Tätigkeiten mit der Finanzierung des öffentlichen Haushalts der Regierung der Russischen Föderation in enger Verbindung steht. Im Wesentlichen wird ihnen durch die Verhängung restriktiver Maßnahmen die Ausübung ihrer Tätigkeiten erschwert, was dazu geeignet ist, der russischen Wirtschaft zu schaden(46 ), und daher dazu beiträgt, die Kosten der militärischen Aggression gegen die Ukraine zu erhöhen. Es kann daher festgestellt werden, dass ein nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen der Ausrichtung auf führende Geschäftsleute, die in Wirtschaftssektoren tätig sind, die wesentliche Einnahmen für die Regierung der Russischen Föderation darstellen, und dem Ziel der in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen besteht, nämlich Druck auf die Regierung der Russischen Föderation dahin auszuüben, dieser Aggression ein Ende zu setzen.
81. Ferner ist zu dem Vorbringen des Rechtsmittelführers, mit dem beanstandet wird, dass Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung nicht konkret festlege, welches die Sektoren seien, die wesentliche Einnahmen für die Regierung der Russischen Föderation darstellten, festzustellen, dass die Gestaltung dieser Formulierung ebenfalls in das weite Ermessen fällt, über das der Rat bei der Festlegung der allgemeinen Kriterien verfügt, die in einer Regelung über restriktive Maßnahmen Anwendung finden. Die Anwendung eines in dieser Formulierung enthaltenen Begriffs auf einen konkreten Fall kann im Wege einer Einzelfallprüfung überprüft werden, sofern diese Beurteilung der Kontrolle durch die Unionsgerichte unterliegt(47 ). Außerdem verstößt das Fehlen einer Festlegung der von dieser Bestimmung betroffenen Wirtschaftssektoren in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung meines Erachtens entgegen dem Vorbringen des Rechtsmittelführers nicht gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit. Schließlich sind durch die Verwendung der Formulierung „[S]ektoren …, die eine wesentliche Einnahmequelle für die Regierung der Russischen Föderation … darstellen“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung hinreichend konkrete Merkmale zur Bestimmung der Fälle genannt, auf die diese Formulierung Anwendung finden kann, so dass die nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs geltenden Anforderungen erfüllt sind(48 ).
82. Zweitens ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs(49 ) die Geeignetheit von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung unter Berücksichtigung des Kontexts zu beurteilen, in den dieser Beschluss sich einfügte. Insoweit sollte meines Erachtens vom Gerichtshof nicht nur im Blick behalten werden, unter welchen außerordentlichen und sich fortentwickelnden Umständen die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen erlassen wurden, sondern auch, welche kumulativen Wirkungen alle gegen die Russische Föderation nach ihrem Angriff auf die Ukraine erlassenen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit entfalten sollten.
83. Insoweit ist festzustellen, dass erstens die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen in einem außergewöhnlichen Kontext äußerster Dringlichkeit erlassen wurden, wie in den Erwägungsgründen 3 bis 10 des Beschlusses 2022/329 angeführt. Diese Maßnahmen waren integraler Bestandteil eines Maßnahmenpakets beispiellosen Umfangs, das vom Rat rasch, einheitlich, abgestuft und koordiniert erlassen wurde(50 ). Wie vom Rat in der mündlichen Verhandlung zu Recht vorgetragen, hat die Europäische Union robust auf eine Verletzung völkerrechtlicher Erga-omnes -Verpflichtungen reagiert, um der militärischen Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine(51 ) mit allen ihr zur Verfügung stehenden, nicht mit der Ausübung von Gewalt verbundenen Maßnahmen entgegenzuwirken.
84. Zweitens geht aus dem fünften Erwägungsgrund des Beschlusses 2022/329 eindeutig hervor, dass nach Ansicht des Rates jede militärische Aggression seitens der Russischen Föderation gegen die Ukraine massive Konsequenzen und hohe Kosten nach sich ziehen werde, einschließlich eines breiten Spektrums an gegen bestimmte Sektoren und gegen einzelne Personen und Einrichtungen gerichteten restriktiven Maßnahmen, die in Abstimmung mit den Partnern erlassen würden. Demzufolge ist im Blick zu behalten, dass die Geeignetheit der in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen nicht nur von ihrer Wirkung auf eine einzelne Gruppe von Einzelpersonen, wie etwa die von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung betroffenen führenden Geschäftsleute, abhängt, sondern von der kumulativen Wirkung aller vom Rat erlassenen Maßnahmen, um die wirtschaftliche Basis Russlands zu schwächen und die Fähigkeit der Russischen Föderation zur weiteren Finanzierung und Fortführung des Krieges zu untergraben.
85. Daraus folgt, dass das Kriterium in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung in Verbindung mit dem Kontext, in dem diese Maßnahmen erlassen wurden, und der vom Rat im Beschluss 2022/329 hervorgehobenen besonders ernsten Lage für die Feststellung spricht, dass die gegen führende Geschäftsleute erlassenen restriktiven Maßnahmen zur Erreichung ihres Ziels nicht offensichtlich ungeeignet sind.
86. Im Übrigen ist, soweit der Rechtsmittelführer vorträgt, dass schwer erkennbar sei, wie aufzunehmende Personen sich verhalten müssten, um nicht in die Listen aufgenommen oder um aus ihnen gestrichen zu werden, darauf hinzuweisen, dass herausragende Geschäftsleute von der Liste gestrichen werden können, wenn sie nachweisen können, dass sie aus der Position ausgeschieden sind, die die Grundlage für ihre Aufnahme war. Auch wenn eine solche Position die erstmalige Aufnahme begründen kann, kann sie wiederum nicht dazu führen, dass die Situation der betroffenen Person dauerhaft festgeschrieben ist und der regelmäßigen Überprüfung jede praktische Wirkung genommen wird, sofern nicht der Rat noch die Gefahr einer Umgehung nachweisen kann; diese Frage stellt sich in der vorliegenden Rechtssache indes konkret nicht.
87. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, festzustellen, dass keines der vom Rechtsmittelführer vorgebrachten Argumente geeignet ist, einen Fehler des Gerichts darzutun, soweit es die Geeignetheit des Kriteriums in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung als Mittel zur Erreichung der Ziele dieser Bestimmung beurteilt hat.
88. Der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist daher, soweit er dieses Vorbringen betrifft, zurückzuweisen.
V. Ergebnis
89. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, das Rechtsmittel in Bezug auf das sich aus dem ersten Rechtsmittelgrund ergebende Vorbringen des Rechtsmittelführers zur Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung und in Bezug auf das Vorbringen des Rechtsmittelführers zur Geeignetheit des in dieser Bestimmung enthaltenen Kriteriums als Mittel zur Erreichung ihrer Ziele zurückzuweisen.
90. Von einer Stellungnahme zu den übrigen vom Rechtsmittelführer vorgebrachten Rechtsmittelgründen sowie zu der Frage, welcher Partei nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs die Kosten aufzuerlegen sind, sehe ich ab.