BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DER ACHTEN KAMMER DES GERICHTS
27. Oktober 2025(* )
„ Streithilfe – Berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits – Staatliche Beihilfen – Deutschland – Beschluss der Kommission, mit dem die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird – Schrittweise Beendigung der Braunkohleverstromung – Stilllegung von Braunkohlekraftwerken – Entschädigung der RWE Power AG – Nichtigkeitsklage “
In der Rechtssache T‑630/24,
eins energie in sachsen GmbH & Co. KG mit Sitz in Chemnitz (Deutschland) und die weiteren im Anhang namentlich aufgeführten Klägerinnen(1 ), vertreten durch Rechtsanwältin I. Zenke und Rechtsanwalt T. Heymann,
Klägerinnen,
gegen
Europäische Kommission , vertreten durch C. Kovács und L. Wildpanner als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DER PRÄSIDENT DER ACHTEN KAMMER DES GERICHTS
folgenden
Beschluss
1 Mit ihrer auf Art. 263 AEUV gestützten Klage beantragen die Klägerinnen, die eins energie in sachsen GmbH & Co. KG und die weiteren im Anhang namentlich aufgeführten Klägerinnen, die Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission vom 11. Dezember 2023, C(2023)885 final, über die staatliche Beihilfe SA.53625 (2021/C) Deutschlands für den Ausstieg aus der Braunkohle zugunsten der RWE Power Aktiengesellschaft (im Folgenden: angefochtener Beschluss).
Sachverhalt und Verfahren
2 Mit dem angefochtenen Beschluss stellte die Kommission fest, dass die Beihilfemaßnahme, die darin bestehe, RWE Power eine Entschädigung in Höhe von 2,6 Mrd. Euro für die beschleunigte Stilllegung ihrer Braunkohleanlagen im Rheinischen Revier bis 2030 zu gewähren (im Folgenden: Beihilfemaßnahme), eine nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbare staatliche Beihilfe darstelle.
3 Die Beihilfemaßnahme beruht u. a. auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, den die Bundesrepublik Deutschland am 10. Februar 2021 mit der RWE Aktiengesellschaft (im Folgenden: RWE), RWE Power und der Lausitz Energie Kraftwerke AG schloss.
4 Mit Schriftsatz, der am 21. März 2025 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat RWE beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.
5 Mit Schriftsatz, der am 21. Juli 2025 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen beantragt, den Antrag von RWE auf Zulassung zur Streithilfe zurückzuweisen. Ferner haben sie dem Gericht mitgeteilt, dass sie für den Fall, dass diesem Antrag stattgegeben werden sollte, keine vertrauliche Behandlung der zu den Akten gereichten Verfahrensschriftstücke oder Unterlagen in Bezug auf RWE beantragen würden.
6 Die Kommission hat zu dem Antrag von RWE auf Zulassung zur Streithilfe innerhalb der gesetzten Frist nicht Stellung genommen.
7 RWE ist eine Gesellschaft deutschen Rechts, die im Energiesektor, u. a. in der Erzeugung und Vermarktung von Strom in Deutschland, tätig ist. Sie ist die Muttergesellschaft und einzige Aktionärin von RWE Power, der Begünstigten der Beihilfemaßnahme.
Rechtliche Würdigung
8 Nach Art. 40 Abs. 2 und 4 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der nach Art. 53 Abs. 1 der Satzung auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar ist, können alle Personen, die ein berechtigtes Interesse am Ausgang eines Rechtsstreits glaubhaft machen, dem Rechtsstreit beitreten, sofern es sich nicht um einen Rechtsstreit zwischen Mitgliedstaaten, zwischen Organen der Union oder zwischen Mitgliedstaaten und Organen der Union handelt.
9 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Begriff „berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits“ im Sinne dieses Art. 40 Abs. 2 nach dem Gegenstand des Rechtsstreits selbst zu bestimmen und als ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse daran zu verstehen, wie die Klageanträge selbst beschieden werden, und nicht als ein Interesse an den geltend gemachten Angriffs- und Verteidigungsmitteln oder Argumenten. Denn unter dem „Ausgang des Rechtsstreits“ ist die beantragte Endentscheidung zu verstehen, wie sie sich im Tenor des Urteils niederschlagen würde (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 6. Oktober 2015, Metalleftiki kai Metallourgiki Etairia Larymnis Larko/Kommission, C‑362/15 P[I], EU:C:2015:682, Rn. 6 und die dort angeführte Rechtsprechung).
10 Insoweit ist insbesondere zu prüfen, ob derjenige, der einen Antrag auf Zulassung als Streithelfer stellt, von der angefochtenen Handlung unmittelbar betroffen ist und ob sein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits erwiesen ist. Grundsätzlich kann ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits nur dann als hinreichend unmittelbar angenommen werden, wenn dieser Ausgang eine Änderung der Rechtsstellung des Antragstellers bewirken könnte (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 6. Oktober 2015, Metalleftiki kai Metallourgiki Etairia Larymnis Larko/Kommission, C‑362/15 P[I], EU:C:2015:682, Rn. 7 und die dort angeführte Rechtsprechung).
11 Zur Stützung ihres Antrags auf Zulassung zur Streithilfe macht RWE geltend, sie habe als Muttergesellschaft und einzige Aktionärin von RWE Power am Ausgang des Rechtsstreits ein mittelbares Interesse und ein unmittelbares Interesse, da sie Partei des der Beihilfemaßnahme zugrunde liegenden öffentlich-rechtlichen Vertrags und des zu diesem Vertrag geschlossenen Änderungsvertrags sei, in deren Rahmen sie mehrere Pflichten übernommen habe. Eine etwaige Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses würde daher ihre Rechtsstellung ändern. Darüber hinaus führe die durch die Beihilfemaßnahme auferlegte Beendigung der Braunkohleverstromung zu einer umfassenden Transformation ihres Erzeugungsgeschäfts, das über mehrere Tochtergesellschaften betrieben werde.
12 Die Klägerinnen machen geltend, RWE habe kein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits, da sich erstens ihr Interesse mit dem Interesse ihrer Tochtergesellschaft RWE Power decke. Zweitens begründeten die von RWE im Rahmen des der Beihilfemaßnahme zugrunde liegenden öffentlich-rechtlichen Vertrags übernommenen Vertragspflichten kein berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits. Diese Verpflichtungen beträfen nämlich lediglich finanzielle Interessen von RWE, die sich bereits aus ihrer Eigenschaft als Muttergesellschaft von RWE Power ergäben. Drittens habe RWE nicht dargelegt, wie der konkrete Ausgang des Verfahrens ihre Gesamtpositionierung in Bezug auf das Erzeugungsgeschäft ihrer Tochtergesellschaften verändern könnte. Im Übrigen sei der Antrag auf Zulassung zur Streithilfe aus Gründen der Prozessökonomie und der Waffengleichheit zurückzuweisen, da RWE und RWE Power durch dieselben Anwälte vertreten würden.
13 Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen ergibt sich aus Rn. 3 oben, dass RWE ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat, da sie Partei des öffentlich-rechtlichen Vertrags ist, der der Beihilfemaßnahme zugrunde liegt. Eine etwaige Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses kann sich auf die Gültigkeit dieses Vertrags auswirken und folglich ihre Rechtsstellung ändern. Außerdem decken sich etwaige Verpflichtungen von RWE aus diesem Vertrag entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht mit denen, die sich aus ihrer Eigenschaft als Muttergesellschaft von RWE Power ergeben.
14 Folglich hat RWE ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits.
15 Das weitere Vorbringen der Klägerinnen vermag dieses Ergebnis nicht in Frage zu stellen.
16 Was erstens das Vorbringen betrifft, RWE sei die Muttergesellschaft von RWE Power, ist darauf hinzuweisen, dass sich aus der Rechtsprechung ergibt, dass es für die Zulassung einer Partei zur Streithilfe genügt, dass diese ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat; dies kann gleichzeitig bei der Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft vorliegen, und allein aufgrund des Umstands, dass zwei Unternehmen wirtschaftlich verbunden sind, kann nicht davon ausgegangen werden, dass nur eines davon zur Streithilfe zugelassen werden kann (vgl. Beschluss vom 22. Januar 2019, Activos e Inversiones Monterroso/SRB, T‑16/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:35, Rn. 7 und die dort angeführte Rechtsprechung).
17 Zweitens kann sich eine Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses, selbst wenn RWE, wie die Klägerinnen geltend machen, nicht nachgewiesen hätte, dass eine solche Nichtigerklärung geeignet wäre, ihre Gesamtpositionierung zu ändern, gleichwohl auf die vertragliche Stellung von RWE im Rahmen des oben in Rn. 3 genannten öffentlich-rechtlichen Vertrags auswirken. Daher ist ihr berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits im vorliegenden Fall hinreichend nachgewiesen.
18 Drittens kann der Umstand, dass RWE durch dieselben Anwälte vertreten wird wie andere Antragstellerinnen, keinen Grund für die Ablehnung ihres Antrags auf Zulassung als Streithelferin darstellen (Beschluss vom 18. Mai 2022, Scandlines Danmark und Scandlines Deutschland/Kommission, T‑7/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:334, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ebenso wenig können Gründe der Prozessökonomie und der Waffengleichheit die Ablehnung eines Antrags auf Zulassung als Streithelfer begründen.
19 Folglich ist dem Antrag von RWE auf Zulassung zur Streithilfe stattzugeben.
Aus diesen Gründen hat
DER PRÄSIDENT DER ACHTEN KAMMER DES GERICHTS
beschlossen:
1. Die RWE Aktiengesellschaft wird in der Rechtssache T ‑630/24 als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen.
2. Der Kanzler übermittelt der Streithelferin eine Kopie aller den Hauptparteien zugestellten Verfahrensschriftstücke.
3. Der Streithelferin wird eine Frist zur Einreichung eines Streithilfeschriftsatzes gesetzt.
4. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.
Luxemburg, den 27. Oktober 2025
Der Kanzler
Der Präsident