Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)
2. Oktober 2025(* )
„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Steuerwesen – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 2 Abs. 1 Buchst. c – Dienstleistungen gegen Entgelt – Art. 24 Abs. 1 – Erbringung von Dienstleistungen – Art. 26 Abs. 1 Buchst. b – Unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen, die einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt werden können – Beitreibung einer Forderung – Beitreibung einer Forderung zugunsten eines anderen “
In der Rechtssache C‑535/24
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Administrativen sad Veliko Tarnovo (Verwaltungsgericht Veliko Tarnovo, Bulgarien) mit Entscheidung vom 22. Juli 2024, beim Gerichtshof eingegangen am 6. August 2024, in dem Verfahren
„Svilosa“ AD
gegen
Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ – Veliko Tarnovo
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Gavalec sowie der Richter Z. Csehi und F. Schalin (Berichterstatter),
Generalanwalt: A. Rantos,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der „Svilosa“ AD, vertreten durch S. Ilieva und T. D. Tabakov, Advokati,
– des Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ – Veliko Tarnovo, vertreten durch B. Nikolov,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Björkland und D. Drambozova als Bevollmächtigte,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 24 Abs. 1 und Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der „Svilosa“ AD und dem Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ – Veliko Tarnovo (Direktor der Direktion „Anfechtung und Steuer- und Sozialversicherungspraxis“ Veliko Tarnovo, Bulgarien) (im Folgenden: Direktor) wegen eines Bescheids über die Nacherhebung von Mehrwertsteuer.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 Gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie unterliegen Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer.
4 Art. 24 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:
„Als ‚Dienstleistung‘ gilt jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist.“
5 Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:
„Einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt sind folgende Umsätze:
…
b) unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke.“
Bulgarisches Recht
ZDDS
6 Art. 8 des Zakon za danak varhu dobavenata stoynost (Mehrwertsteuergesetz) (DV Nr. 97 vom 5. Dezember 2017, im Folgenden: ZDDS) sieht vor, dass eine „Dienstleistung“ im Sinne dieses Gesetzes alles ist, was einen Wert hat, aber weder eine Ware noch in Umlauf befindliches Geld oder eine Fremdwährung ist, das bzw. die als Zahlungsmittel verwendet wird.
7 Art. 9 Abs. 1 ZDDS bestimmt: „Erbringung einer Dienstleistung ist jede Bewirkung einer Dienstleistung.“
8 Art. 9 Abs. 3 Nr. 2 ZDDS schreibt vor, dass als Dienstleistung gegen Entgelt auch die unentgeltliche Erbringung einer Dienstleistung für den privaten Bedarf der steuerpflichtigen natürlichen Person, des Eigentümers, der Arbeitnehmer oder für andere Zwecke als für die selbständige wirtschaftliche Tätigkeit der steuerpflichtigen Person gilt.
ZZD
9 Art. 60 Abs. 1 des Zakon za zadalzheniata i dogovorite (Gesetz über Schuldverhältnisse und Verträge) (DV Nr. 275 vom 22. November 1950, im Folgenden: ZZD) bestimmt, dass derjenige, der die Führung eines Geschäfts, von dem er weiß, dass es ein fremdes ist, übernimmt, ohne beauftragt zu sein, es besorgen muss, bis der Geschäftsherr es übernehmen kann.
10 Art. 61 Abs.1 ZZD sieht vor, dass der Geschäftsherr, wenn das Geschäft ordentlich besorgt und entsprechend dem fremden Interesse geführt wurde, die Verbindlichkeiten erfüllen muss, die in seinem Namen eingegangen wurden, dem Geschäftsführer Ersatz für die Verbindlichkeiten leisten muss, die dieser persönlich übernommen hat, und ihm die Kosten, die notwendig und sachdienlich waren, zuzüglich der Zinsen ab dem Tag, an dem die Kosten angefallen sind, erstatten muss.
11 In Art. 61 Abs. 2 ZZD heißt es: „Wurde das Geschäft auch im eigenen Interesse geführt, haftet der Geschäftsherr nur, soweit er bereichert ist.“
12 Art. 134 Abs. 1 ZZD schreibt vor, dass der Gläubiger die Vermögensrechte des Schuldners ausüben kann, wenn dessen Untätigkeit die Befriedigung des Gläubigers gefährdet, es sei denn, es handelt sich um solche Rechte, deren Ausübung allein von der persönlichen Entscheidung des Schuldners abhängt.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
13 Svilosa ist eine Handelsgesellschaft mit Sitz in Bulgarien, die hauptsächlich als Holding tätig ist. Am 15. Dezember 2022 wurde diese Gesellschaft einer Steuerprüfung unterzogen, die sich u. a. auf die Mehrwertsteuerzeiträume vom 1. Dezember 2016 bis zum 31. Dezember 2020 bezog. Im Laufe dieser Prüfung wurde festgestellt, dass Svilosa die Vorsteuer für Rechtsdienstleistungen, die von in den Vereinigten Staaten ansässigen Anwaltskanzleien erbracht worden waren, als Vorsteuer abgezogen hatte.
14 Mit diesen Rechtsdienstleistungen sollten die Beträge zurückgefordert werden, die Svilosa im Rahmen eines Darlehens gezahlt hatte, das Svilosa der Stiftung „Mir za teb, mir za men“ („Frieden für dich, Frieden für mich“, im Folgenden: Stiftung) zur Organisation eines Konzerts gewährt hatte, mit dem Mittel zur Unterstützung der von Krieg betroffenen Kinder gesammelt werden sollten. Der Darlehensbetrag wurde nicht auf das Konto der Stiftung eingezahlt, sondern unmittelbar Personen und Gesellschaften zur Verfügung gestellt, die die Organisation dieses Konzerts übernehmen sollten. Letzteres fand schließlich aus Gründen, die die Stiftung nicht zu vertreten hat, nicht statt, so dass Svilosa die Dienstleistungen von Anwaltskanzleien in Anspruch nahm, um diese verschiedenen Personen, die ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen waren, vor Gericht zu verklagen.
15 Nach Abschluss der Steuerprüfung erließ die Teritorialna direktsia na Natsionalnata agentsia za prihodite – Veliko Tarnovo (Gebietsdirektion der Nationalen Agentur für Einnahmen – Veliko Tarnovo, Bulgarien) am 9. November 2023 einen Bescheid über die Nacherhebung von Steuern. Dieser Bescheid wurde vom Direktor bestätigt, der entschied, dass Svilosa Mehrwertsteuer in Höhe von 517 976,16 Lewa (BGN) (etwa 260 000 Euro) zuzüglich Zinsen zu entrichten habe. Hierzu führte der Direktor aus, dass die Stiftung einen gesetzlichen Vertreter von Svilosa beauftragt habe, sie bei den betreffenden Anwaltskanzleien zu vertreten, und dass Svilosa deren Dienstleistungen finanziert habe, ohne jedoch von der Stiftung eine Vergütung erhalten zu haben. Demnach habe Svilosa der Stiftung unentgeltlich Dienstleistungen erbracht.
16 Svilosa focht diese Entscheidung beim Administrativen sad Veliko Tarnovo (Verwaltungsgericht Veliko Tarnovo, Bulgarien), dem vorlegenden Gericht, an. Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass die Ausübung einer Vertretungsbefugnis nicht als Erbringung von Dienstleistungen anzusehen sei. Im Übrigen habe die Stiftung nicht Svilosa, sondern eine natürliche Person bevollmächtigt, sie zu vertreten. Außerdem seien die Rechnungen für die von den Anwaltskanzleien erbrachten Dienstleistungen an Svilosa gerichtet worden, und Svilosa habe auch die Kosten für diese Dienstleistungen übernommen. Zudem seien die Finanzierung und die Auswahl dieser Kanzleien, die die Stiftung vor den amerikanischen Gerichten vertreten hätten, im unmittelbaren Interesse der Stiftung, aber auch im mittelbaren Interesse von Svilosa als Gläubigerin der Stiftung erfolgt. Das vorlegende Gericht stellt ferner fest, dass ein Teil des von der Stiftung geschuldeten Betrags, der aufgrund der von den Anwaltskanzleien eingeleiteten Maßnahmen habe beigetrieben werden können, direkt auf das Konto von Svilosa überwiesen worden sei. Diese Rückzahlung wurde von den Parteien des Darlehensvertrags als Tilgung behandelt.
17 In Anbetracht dieser Erwägungen nennt das vorlegende Gericht zwei Möglichkeiten, wie die bei ihm anhängige Rechtssache nach bulgarischem Recht rechtlich eingeordnet werden könne. Erstens könnte es sich um eine mittelbare Geltendmachung der Forderung handeln, die es dem Gläubiger ermögliche, Forderungen seines Schuldners bei dessen Untätigkeit beizutreiben. Zweitens könnte man die Ansicht vertreten, dass Svilosa ein Geschäft auf fremde Rechnung ohne Auftrag und in ihrem eigenen Interesse als Gläubigerin der Stiftung besorgt habe.
18 Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts wird nur dann eine Dienstleistung erbracht, wenn zwei gegenseitige und übereinstimmende Willenserklärungen der Parteien in Bezug auf die verfolgten Rechtswirkungen gegeben seien. Im vorliegenden Fall sei diese Voraussetzung nicht erfüllt. Es fragt sich jedoch, wie die einschlägigen Begriffe der Mehrwertsteuerrichtlinie auszulegen seien.
19 Der Administrativen Sad Veliko Tarnovo (Verwaltungsgericht Veliko Tarnovo) hat unter diesen Umständen beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Umfasst der Begriff „Dienstleistung“ im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie beziehungsweise der Ausdruck „unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 26 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie ohne Auftrag oder Vollmacht vorgenommene rechtliche oder tatsächliche Handlungen einer für die Zwecke des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems registrierten Person, mit denen unmittelbar die Beitreibung einer Forderung zugunsten einer dritten Person und mittelbar die Befriedigung des schuldrechtlichen Anspruchs der handelnden, registrierten Person gegen die Person, in deren unmittelbarem Interesse die fraglichen Handlungen vorgenommen wurden, verfolgt wird?
Zur Vorlagefrage
20 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es im Rahmen der durch Art. 267 AEUV eingeführten Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof dessen Aufgabe, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Verfahrens sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat der Gerichtshof die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren. Insoweit sind aus dem gesamten von dem einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (Urteil vom 6. Oktober 2021, A [Grenzüberschreitung mit einem Vergnügungsboot], C35/20, EU:C:2021:813, Rn. 46 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
21 Im vorliegenden Fall ist in Bezug auf das Ersuchen um Auslegung des Begriffs „Dienstleistung“ festzustellen, dass als solcher nach Art. 24 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie jeder Umsatz gilt, der keine Lieferung von Gegenständen ist. Da das vorlegende Gericht jedoch wissen möchte, ob für die Einstufung eines Umsatzes als „Dienstleistung“ gegenseitige Willenserklärungen der Parteien erforderlich sind, ist davon auszugehen, dass es mit seiner Frage in Wirklichkeit eine Auslegung des Begriffs „Dienstleistungen … gegen Entgelt“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie begehrt. Nach dieser letzteren Bestimmung unterliegen nämlich nur Lieferungen von Gegenständen sowie Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats „gegen Entgelt“ tätigt bzw. erbringt, der Mehrwertsteuer. Darüber hinaus möchte das vorlegende Gericht erläutert bekommen, wie der Begriff der unentgeltlichen Erbringung von Dienstleistungen, die einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt werden kann, im Sinne von Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie zu verstehen ist.
22 Somit ist nicht die Auslegung des Begriffs „Dienstleistung“ in Art. 24 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorzunehmen, sondern der Begriff „Dienstleistung gegen Entgelt“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 26 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie auszulegen.
23 Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass Handlungen eines Gläubigers zur Beitreibung seiner Forderung, die ohne Auftrag oder Vollmacht des Schuldners vorgenommen wurden, als „Dienstleistungen gegen Entgelt“ im Sinne dieser Bestimmungen einzustufen sind oder diesem Begriff gleichgestellt werden können.
24 Was erstens den Begriff „Dienstleistungen … gegen Entgelt“ betrifft, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass eine Dienstleistung nur dann im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie „gegen Entgelt“ erbracht wird und somit steuerbar ist, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden. In diesem Kontext hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass der Begriff der „Dienstleistungen … gegen Entgelt“ im Sinne dieser Bestimmung voraussetzt, dass zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem empfangenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Oktober 2023, GIS , C‑249/22, EU:C:2023:813, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).
25 Im vorliegenden Fall steht fest, dass Svilosa der Stiftung aufgrund eines zwischen ihnen geschlossenen Brückenfinanzierungsvertrags ein Darlehen gewährt hat. Dagegen waren die Handlungen, die Svilosa vorgenommen hat, um die von ihr im Rahmen dieses Darlehens an Dritte gezahlten Beträge zurückzuerlangen, nicht Gegenstand einer Vereinbarung oder eines sonstigen Rechtsverhältnisses mit der Stiftung, in deren bzw. dessen Rahmen gegenseitige Leistungen, die sich speziell auf diese Handlungen bezögen, ausgetauscht worden wären. Jedenfalls scheint Svilosa im Zusammenhang mit diesen Handlungen keine Vergütung von der Stiftung erhalten zu haben.
26 Vor diesem Hintergrund ist hinzuzufügen, dass es unerheblich ist, dass Svilosa im Anschluss an Verfahren in den Vereinigten Staaten einen Teil ihrer Forderung gegen die Stiftung zurückerlangen konnte. Die Zahlung der so zurückerlangten Beträge scheint nämlich nicht als Gegenleistung der Stiftung für die von Svilosa vorgenommenen Beitreibungsmaßnahmen erfolgt zu sein. Daher können diese Handlungen nicht als Dienstleistungen gegen Entgelt angesehen werden.
27 Schließlich kommt es nicht darauf an, dass die Auslegung des nationalen Zivilrechts zu einem anderen Ergebnis führen könnte. Es ist darauf hinzuweisen, dass mit der Sechsten Richtlinie ein gemeinsames Mehrwertsteuersystem geschaffen worden ist, das insbesondere auf einer einheitlichen Definition der steuerbaren Umsätze beruht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Juni 2013, Newey , C‑653/11, EU:C:2013:409, Rn. 39). Daher sind die Begriffe des Unionsrechts unabhängig davon anzuwenden, ob möglicherweise außervertragliche Beziehungen oder andere Rechtsbeziehungen des nationalen Zivilrechts zwischen einem Gläubiger und seinem Schuldner in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens entstehen.
28 Somit können Beitreibungshandlungen, die ein Gläubiger gegenüber einem Dritten ohne Auftrag oder Vollmacht des Schuldners vornimmt, nicht als „Dienstleistungen … gegen Entgelt“ zugunsten dieses Schuldners im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie eingestuft werden.
29 Zweitens ist Art. 26 Abs. 1 Buchstabe b der Mehrwertsteuerrichtlinie zu entnehmen, dass einer Dienstleistung gegen Entgelt die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke gleichgestellt ist. Der Zweck dieser Bestimmung besteht darin, sicherzustellen, dass der Steuerpflichtige, der für seinen privaten Bedarf oder den seines Personals Dienstleistungen erbringt, und der Endverbraucher, der eine Dienstleistung gleicher Art in Anspruch nimmt, gleichbehandelt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. November 2022, GE Aircraft Engine Services , C‑607/20, EU:C:2022:884, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).
30 Hierzu ist festzustellen, dass die Handlungen von Svilosa im Hinblick auf die Beitreibung ihrer Forderung gegen die Stiftung vorgenommen wurden. Handlungen, die für die Zwecke und im Interesse eines Unternehmens erfolgt sind, können jedoch nicht als Handlungen angesehen werden, die für unternehmensfremde Zwecke vorgenommen wurden. Es ist festzustellen, dass der Vorteil, den die Stiftung aus den Beitreibungsmaßnahmen von Svilosa gezogen haben könnte und der in der Tilgung eines Teils des Darlehens besteht, nur eine mittelbare Folge der in Rede stehenden Beitreibungsmaßnahmen ist.
31 Im Hinblick auf diese Ausführungen und vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen sind die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
32 Nach alledem sind Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass Handlungen eines Gläubigers zur Beitreibung seiner Forderung, die ohne Auftrag oder Vollmacht des Schuldners vorgenommen wurden, weder als „Dienstleistungen gegen Entgelt“ im Sinne dieser Bestimmungen einzustufen sind noch diesem Begriff gleichgestellt werden können.
Kosten
33 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass Handlungen eines Gläubigers zur Beitreibung seiner Forderung, die ohne Auftrag oder Vollmacht des Schuldners vorgenommen wurden, weder als „Dienstleistungen gegen Entgelt“ im Sinne dieser Bestimmungen einzustufen sind noch diesem Begriff gleichgestellt werden können.
Unterschriften