URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)
2. Oktober 2025(* )
„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Anerkennung von Berufsqualifikationen – Richtlinie 2005/36/EG – Art. 2 – Persönlicher Anwendungsbereich – Richtlinie 2004/38/EG – Art. 3 – Begriff ,Berechtigte‘ – Drittstaatsangehöriger, der mit einem Unionsbürger, der nicht von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, verheiratet ist – Unanwendbarkeit – Unzulässigkeit “
In der Rechtssache C‑573/24
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht Oldenburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 8. August 2024, beim Gerichtshof eingegangen am 27. August 2024, in dem Verfahren
B
gegen
Niedersächsischer Zweckverband zur Approbationserteilung (NiZzA)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten S. Rodin sowie der Richter N. Piçarra und N. Fenger (Berichterstatter),
Generalanwältin: T. Ćapeta,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der spanischen Regierung, vertreten durch A. Torró Molés als Bevollmächtigten,
– der französischen Regierung, vertreten durch B. Dourthe und M. Guiresse als Bevollmächtigte,
– der italienischen Regierung, vertreten durch S. Fiorentino als Bevollmächtigten im Beistand von E. Cicatelli, Procuratore dello Stato, und E. Feola, Avvocato dello Stato,
– der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und H. S. Gijzen als Bevollmächtigte,
– der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch, J. Schmoll und P. Selim als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Armati, M. Noll‑Ehlers und J. Szczodrowski als Bevollmächtigte,
– der EFTA‑Überwachungsbehörde, vertreten durch J. Førde, K. Isaksen und M.‑M. Joséphidès als Bevollmächtigte,
aufgrund der nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Entscheidung, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 3, Art. 21 Abs. 1 und Anhang V Nr. 5.1.1 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. 2005, L 255, S. 22, und Berichtigung in ABl. 2008, L 93, S. 28).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen B und dem Niedersächsischen Zweckverband zur Approbationserteilung (im Folgenden: NiZzA) wegen dessen Weigerung, B die Zulassung zur Ausübung des ärztlichen Berufs in Deutschland zu erteilen oder, hilfsweise, sie zu einer Eignungsprüfung zuzulassen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2004/38/EG
3 Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77, und Berichtigung in ABl. 2004, L 229, S. 35) sieht vor:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
…
2. ‚Familienangehöriger‘
a) den Ehegatten;
…“
4 Art. 3 („Berechtigte“) Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:
„Diese Richtlinie gilt für jeden Unionsbürger, der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, sowie für seine Familienangehörigen im Sinne von Artikel 2 Nummer 2, die ihn begleiten oder ihm nachziehen.“
5 Art. 24 („Gleichbehandlung“) Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:
„Vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Das Recht auf Gleichbehandlung erstreckt sich auch auf Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und das Recht auf Aufenthalt oder das Recht auf Daueraufenthalt genießen.“
Richtlinie 2005/36
6 Art. 2 („Anwendungsbereich“) Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2005/36 sieht vor:
„(1) Diese Richtlinie gilt für alle Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, die als Selbstständige oder abhängig Beschäftigte, einschließlich der Angehörigen der freien Berufe, einen reglementierten Beruf in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sie ihre Berufsqualifikationen erworben haben, ausüben wollen.
(2) Jeder Mitgliedstaat kann in seinem Hoheitsgebiet nach Maßgabe seiner Vorschriften den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die eine Berufsqualifikation vorweisen können, die nicht in einem Mitgliedstaat erworben wurde, die Ausübung eines reglementierten Berufs im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a gestatten. Für die Berufe in Titel III Kapitel III erfolgt diese erste Anerkennung unter Beachtung der dort genannten Mindestanforderungen an die Ausbildung.“
7 In Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) dieser Richtlinie heißt es:
„(1) Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:
…
c) ‚Ausbildungsnachweise‘ sind Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise, die von einer Behörde eines Mitgliedstaats, die entsprechend dessen Rechts- und Verwaltungsvorschriften benannt wurde, für den Abschluss einer überwiegend in der Gemeinschaft absolvierten Berufsausbildung ausgestellt werden. Findet Satz 1 keine Anwendung, so sind Ausbildungsnachweise im Sinne des Absatzes 3 den hier genannten Ausbildungsnachweisen gleichgestellt;
…
(3) Einem Ausbildungsnachweis gleichgestellt ist jeder in einem Drittland ausgestellte Ausbildungsnachweis, sofern sein Inhaber in dem betreffenden Beruf drei Jahre Berufserfahrung im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, der diesen Ausbildungsnachweis nach Artikel 2 Absatz 2 anerkannt hat, besitzt und dieser Mitgliedstaat diese Berufserfahrung bescheinigt.“
8 Art. 21 („Grundsatz der automatischen Anerkennung“) Abs. 1 der Richtlinie 2005/36 bestimmt:
„Jeder Mitgliedstaat erkennt die in Anhang V unter den Nummern 5.1.1., 5.1.2., 5.2.2., 5.3.2., 5.3.3., 5.4.2., 5.6.2. und 5.7.1. aufgeführten Ausbildungsnachweise an, die die Mindestanforderungen für die Ausbildung nach den Artikeln 24, 25, 31, 34, 35, 38, 44 und 46 erfüllen und die Aufnahme der beruflichen Tätigkeiten des Arztes mit Grundausbildung und des Facharztes, der Krankenschwester und des Krankenpflegers für allgemeine Pflege, des Zahnarztes und Fachzahnarztes, des Tierarztes, des Apothekers und des Architekten gestatten, und verleiht diesen Nachweisen in Bezug auf die Aufnahme und Ausübung der beruflichen Tätigkeiten in seinem Hoheitsgebiet dieselbe Wirkung wie den von ihm ausgestellten Ausbildungsnachweisen.
Diese Ausbildungsnachweise müssen von den zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten ausgestellt und gegebenenfalls mit den Bescheinigungen versehen sein, die in Anhang V unter den Nummern 5.1.1., 5.1.2., 5.2.2., 5.3.2., 5.3.3., 5.4.2., 5.6.2. bzw. 5.7.1. aufgeführt sind.
…“
9 Anhang V Nr. 5.1.1 („Ausbildungsnachweise für die ärztliche Grundausbildung“) der Richtlinie 2005/36 führt für jeden Mitgliedstaat die Ausbildungsnachweise, die die Aufnahme des Arztberufs erlauben, die zur Ausstellung dieser Nachweise befugten Stellen sowie gegebenenfalls die zusätzlichen Bescheinigungen zu diesen Ausbildungsnachweisen auf.
Deutsches Recht
10 § 3 Abs. 1 bis 3 der Bundesärzteordnung (BÄO) in ihrer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung bestimmt Folgendes:
„(1) Die Approbation als Arzt ist auf Antrag zu erteilen, wenn der Antragsteller
…
4. nach einem Studium der Medizin … die ärztliche Prüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes bestanden hat,
…
Eine in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union … abgeschlossene ärztliche Ausbildung gilt als Ausbildung im Sinne der Nummer 4 …
…
Eine Approbation wird nicht erteilt, wenn eine ärztliche Prüfung oder ein Abschnitt der ärztlichen Prüfung nach der Rechtsverordnung gemäß § 4 Abs. 1 endgültig nicht bestanden wurde.
Satz 7 findet keine Anwendung, wenn der Antragsteller einen nach der Richtlinie [2005/36] anzuerkennenden Ausbildungsnachweis besitzt.
(2) Ist die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4 nicht erfüllt, so ist Antragstellern, die ihre ärztliche Ausbildung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union … abgeschlossen haben …, die Approbation zu erteilen, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben ist.
…
Liegen wesentliche Unterschiede … vor, müssen die Antragsteller nachweisen, dass sie über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die zur Ausübung des Berufs des Arztes erforderlich sind.
Dieser Nachweis ist durch eine Eignungsprüfung zu erbringen, die sich auf die festgestellten wesentlichen Unterschiede bezieht.
…
Die Sätze 2 bis 9 gelten auch für Antragsteller, die über einen Ausbildungsnachweis als Arzt verfügen, der in einem anderen als den in Satz 1 genannten Staaten (Drittstaat) ausgestellt ist und den ein anderer der in Satz 1 genannten Staaten anerkannt hat.
(3) Ist die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4 nicht erfüllt, so ist Antragstellern, die über einen Ausbildungsnachweis als Arzt verfügen, der in einem anderen als den in Absatz 2 Satz 1 genannten Staaten (Drittstaat) ausgestellt ist, die Approbation zu erteilen, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben ist.
Für die Prüfung der Gleichwertigkeit gilt Absatz 2 Satz 2 bis 6 sowie 8 und 9 entsprechend.
Der Nachweis der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten wird durch das Ablegen einer Prüfung erbracht, die sich auf den Inhalt der staatlichen Abschlussprüfung bezieht.
…“
11 § 36 Abs. 1 der Approbationsordnung für Ärzte (im Folgenden: ÄApprO) bestimmt in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung:
„Die Eignungsprüfung nach § 3 Absatz 2 Satz 7 [BÄO] bezieht sich auf die Fächer …, in denen die zuständige Behörde wesentliche Unterschiede nach § 3 Absatz 2 Satz 8 [BÄO] festgestellt hat.
…“
12 § 37 Abs. 1 und 7 ÄApprO sieht vor:
„(1) Die Prüfung bezieht sich auf die Fächer Innere Medizin und Chirurgie. …
…
(7) Die Kenntnisprüfung soll mindestens zweimal jährlich angeboten werden.
Sie kann zweimal wiederholt werden. …“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
13 B ist serbische Staatsangehörige und mit einem deutschen Staatsangehörigen verheiratet. Sie studierte neun Jahre lang Medizin in Serbien, schloss das Medizinstudium an serbischen Universitäten 2008 mit dem Staatsexamen und 2010 mit einem PhD in Medizin ab. In den Jahren 2011 und 2012 arbeitete sie als Assistenzärztin in einem serbischen Krankenhaus.
14 Am 11. April 2013 beantragte B bei der Bezirksregierung Düsseldorf (Deutschland) die Erteilung der Approbation als Ärztin in Deutschland.
15 Mit Bescheid vom 6. Dezember 2013 stellte die Bezirksregierung fest, dass der Stand der ärztlichen Ausbildung von B in Serbien nicht dem nach deutschem Recht für die Erteilung der Approbation verlangten gleichwertig sei. B müsse daher zur Erlangung der Approbation eine Kenntnisprüfung bestehen.
16 Nachdem B diese Kenntnisprüfung dreimal nicht bestanden hatte, lehnte das Landesverwaltungsamt Sachsen‑Anhalt (Deutschland) mit Bescheid vom 11. November 2016 den von B gestellten Antrag auf Erteilung der Approbation mit der Begründung ab, dass nach deutschem Recht die Kenntnisprüfung endgültig nicht bestanden sei.
17 Im Juni 2017 leitete B in Österreich ein Verfahren zur Anerkennung ihrer in Serbien absolvierten Berufsausbildung zur Ärztin ein.
18 Mit Bescheid vom 22. Oktober 2018 stellte die Universität Wien (Österreich) die Gleichwertigkeit des serbischen medizinischen Ausbildungsnachweises von B mit dem österreichischen Abschluss in Medizin fest. B dürfe daher den Grad „Doktor der gesamten Heilkunde“ führen.
19 Mit Schreiben vom 5. und 10. Dezember 2018 beantragte B beim NiZzA die Erteilung der ärztlichen Approbation, hilfsweise die Zulassung zu einer Eignungsprüfung.
20 Mit Bescheid vom 12. Juli 2019 lehnte der NiZzA diesen Antrag ab, da über den Antrag von B auf Erteilung der ärztlichen Approbation mit dem Bescheid des Landesverwaltungsamts Sachsen‑Anhalt vom 11. November 2016 endgültig entschieden worden sei.
21 Am 24. Juli 2019 erhob B Klage gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgericht Oldenburg (Deutschland), dem vorlegenden Gericht.
22 Am 1. Dezember 2019 nahm B eine Tätigkeit als „Assistenzärztin in Sonderfachausbildung“ in einem Krankenhaus in Österreich auf. Dort ist sie seit über drei Jahren beschäftigt.
23 Im Rahmen des Verfahrens beim vorlegenden Gericht macht B geltend, sie besitze u. a. deshalb einen Ausbildungsnachweis im Sinne der Richtlinie 2005/36, weil sie im Sinne von Art. 3 Abs. 3 dieser Richtlinie drei Jahre Berufserfahrung in Österreich besitze.
24 Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass nach deutschem Recht Personen, die einen in einem Drittstaat ausgestellten Ausbildungsnachweis als Arzt besitzen, nur dann eine ärztliche Approbation in Deutschland erteilt werden könne, wenn entweder die Gleichwertigkeit des in diesem Drittstaat erlangten Ausbildungsstandes mit dem nach deutschem Recht für die Erteilung dieser Approbation erforderlichen Ausbildungsstand gegeben sei oder sie bei fehlender Gleichwertigkeit eine Kenntnisprüfung bestünden.
25 Sei dagegen ein in einem Drittstaat ausgestellter Ausbildungsnachweis als Arzt von einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland anerkannt worden und von der zuständigen deutschen Behörde keine Gleichwertigkeit festgestellt worden, so könne der Inhaber dieses Ausbildungsnachweises die ärztliche Approbation in Deutschland erhalten, wenn er eine Eignungsprüfung bestehe.
26 Das vorlegende Gericht erklärt zudem, dass nach deutschem Recht sowohl für die Kenntnisprüfung als auch für die Eignungsprüfung höchstens drei Versuche zur Verfügung stünden. Überdies sehe das deutsche Recht vor, dass keine ärztliche Approbation erteilt wird, wenn eine ärztliche Prüfung oder ein Abschnitt dieser Prüfung endgültig nicht bestanden wurde, was vorliegend der Fall sei.
27 Ein solcher Ausschlussgrund finde nach deutschem Recht jedoch keine Anwendung, wenn der Antragsteller einen nach der Richtlinie 2005/36 anzuerkennenden Ausbildungsnachweis besitze.
28 Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts fällt B in den persönlichen Anwendungsbereich dieser Richtlinie, trotz dessen Beschränkung, in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie, auf Staatsangehörige der Mitgliedstaaten. Als Ehefrau eines deutschen Staatsangehörigen könne B sich auf der Grundlage der in der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen Gleichbehandlung auf die Richtlinie 2005/36 berufen.
29 Da ein anderer Mitgliedstaat als die Bundesrepublik Deutschland, nämlich die Republik Österreich, den von B in einem Drittstaat erworbenen Ausbildungsnachweis anerkannt habe und sie über drei Jahre Berufserfahrung in diesem anderen Mitgliedstaat verfüge, erfülle sie die Voraussetzung von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36.
30 Vor diesem Hintergrund möchte das vorlegende Gericht wissen, ob B auf der Grundlage von Art. 21 der Richtlinie 2005/36 die ärztliche Approbation in Deutschland zu erteilen ist.
31 Unter diesen Umständen hat das Verwaltungsgericht Oldenburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36 dahin gehend auszulegen, dass die Anerkennung eines medizinischen Ausbildungsnachweises eines Drittstaats durch einen Mitgliedsstaat sowie die Bescheinigung einer mindestens dreijährigen Berufserfahrung im Hoheitsgebiet des Mitgliedsstaats durch diesen Mitgliedsstaat von einem anderen Mitgliedsstaat als gleichwertig zu den in Anhang V Nr. 5.1.1. dieser Richtlinie genannten Ausbildungsnachweisen anzusehen ist und der andere Mitgliedsstaat deswegen nach dem Grundsatz der automatischen Anerkennung nach Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36 den Nachweisen im Sinne des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie in Bezug auf die Aufnahme und Ausübung der beruflichen Tätigkeiten in seinem Hoheitsgebiet dieselbe Wirkung wie den von ihm ausgestellten Ausbildungsnachweisen verleihen muss?
Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens
32 Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV geschaffenen Verfahrens allein Sache des nationalen Gerichts, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (vgl. Urteile vom 8. November 1990, Gmurzynska-Bscher, C‑231/89, EU:C:1990:386, Rn. 19 und 20, sowie vom 22. Oktober 2024, Kolin Inşaat Turizm Sanayi ve Ticaret, C‑652/22, EU:C:2024:910, Rn. 36).
33 Gleichwohl obliegt es dem Gerichtshof, die Umstände, unter denen er von dem nationalen Gericht angerufen wurde, zu untersuchen, um seine eigene Zuständigkeit oder die Zulässigkeit des ihm vorgelegten Ersuchens zu überprüfen (Urteil vom 22. Oktober 2024, Kolin Inşaat Turizm Sanayi ve Ticaret, C‑652/22, EU:C:2024:910, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).
34 Der Gerichtshof kann sich insbesondere veranlasst sehen, zu prüfen, ob die Bestimmungen des Unionsrechts, auf die sich die Vorlagefragen beziehen, auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar sind. Ist dies nicht der Fall, sind diese Bestimmungen für die Entscheidung dieses Rechtsstreits unerheblich, und die erbetene Vorabentscheidung ist nicht erforderlich, um dem vorlegenden Gericht zu ermöglichen, sein Urteil zu erlassen, so dass diese Fragen für unzulässig zu erklären sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Oktober 2024, Kolin Inşaat Turizm Sanayi ve Ticaret, C‑652/22, EU:C:2024:910, Rn. 38, und vom 3. April 2025, Swiftair, C‑701/23, EU:C:2025:237, Rn. 28).
35 In der vorliegenden Rechtssache befragt das vorlegende Gericht den Gerichtshof zur Auslegung von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36 im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einer Drittstaatsangehörigen und den Behörden eines Mitgliedstaats wegen der Weigerung dieser Behörden, ihr die Zulassung zur Ausübung des ärztlichen Berufs in diesem Mitgliedstaat zu erteilen.
36 Nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36 gilt diese für alle Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, die als Selbständige oder abhängig Beschäftigte, einschließlich der Angehörigen der freien Berufe, einen reglementierten Beruf in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sie ihre Berufsqualifikationen erworben haben, ausüben wollen.
37 Da diese Bestimmung den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie ausdrücklich auf die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten beschränkt, fallen Drittstaatsangehörige nicht unter diese Richtlinie.
38 Gleichwohl zieht das vorlegende Gericht die Möglichkeit in Betracht, dass ein Drittstaatsangehöriger sich auf die Gleichbehandlung nach Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 stützen kann, um die in der Richtlinie 2005/36 enthaltenen Vorschriften über die Anerkennung von Berufsqualifikationen für sich in Anspruch zu nehmen.
39 Insoweit kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Drittstaatsangehöriger sich allein aufgrund des Umstands, dass er Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist, auf die in der Richtlinie 2004/38 verankerten Rechte, zu denen auch der Anspruch im Sinne von Art. 24 Abs. 1 dieser Richtlinie gehört, berufen kann.
40 Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 fallen nur Unionsbürger, die sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, begeben oder sich dort aufhalten, sowie ihre Familienangehörigen im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie, die sie begleiten oder ihnen nachziehen, in den Geltungsbereich der Richtlinie und sind Berechtigte der durch sie gewährten Rechte (Urteil vom 10. September 2019, Chenchooliah, C‑94/18, EU:C:2019:693, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).
41 Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass sich aus einer wörtlichen, systematischen und teleologischen Auslegung der Richtlinie 2004/38 ergibt, dass sie allein die Voraussetzungen regelt, unter denen ein Unionsbürger in andere Mitgliedstaaten als in den seiner eigenen Staatsangehörigkeit einreisen und sich dort aufhalten darf, und dass auf sie kein abgeleitetes Recht der Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, auf Aufenthalt in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, gestützt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. November 2017, Lounes, C‑165/16, EU:C:2017:862, Rn. 33, und vom 5. Juni 2018, Coman u. a., C‑673/16, EU:C:2018:385, Rn. 20).
42 Der Gerichtshof hat zudem präzisiert, dass diese Richtlinie nicht in einem Fall gilt, in dem der betreffende Unionsbürger zu keinem Zeitpunkt von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht und sich durchgehend in dem Mitgliedstaat aufgehalten hat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Sofern ein Unionsbürger nicht unter den Begriff „Berechtigter“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 fällt, fallen auch seine Familienangehörigen nicht unter diesen Begriff, da die durch diese Richtlinie den Familienangehörigen eines nach ihr Berechtigten verliehenen Rechte keine eigenen Rechte dieser Angehörigen, sondern abgeleitete Rechte sind, die sie als Familienangehörige des Berechtigten erworben haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. September 2016, CS, C‑304/14, EU:C:2016:674, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).
43 Folglich kann sich ein Drittstaatsangehöriger nicht auf seine Eigenschaft als Familienangehöriger eines Unionsbürgers berufen, um in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit dieser Unionsbürger besitzt, die in Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 vorgesehene Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats zu verlangen.
44 Im vorliegenden Fall ist der Vorlageentscheidung zunächst zu entnehmen, dass der Ausgangsrechtsstreit den Antrag einer Drittstaatsangehörigen auf Erteilung einer Approbation als Ärztin in dem Mitgliedstaat betrifft, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, mit dem sie verheiratet ist.
45 Somit ist davon auszugehen, dass eine solche Drittstaatsangehörige sich nicht mit Erfolg auf Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 berufen kann, so dass diese Richtlinie nicht geltend gemacht werden kann, um die Anwendung der Richtlinie 2005/36 auf diesen Rechtsstreit zu rechtfertigen.
46 Sodann führt das vorlegende Gericht weder eine andere unionsrechtliche Vorschrift noch einen Auslandsbezug an, der es rechtfertigen würde, die Richtlinie 2005/36, um deren Auslegung ersucht wird, im Ausgangsrechtsstreit anzuwenden.
47 Schließlich enthält das Vorabentscheidungsersuchen keinen Anhaltspunkt dafür, dass das nationale Recht auf den Inhalt der Richtlinie 2005/36 verweist.
48 Jedenfalls könnte der Gerichtshof, um festzustellen, dass er über ein Vorabentscheidungsersuchen entscheiden muss, einen solchen Verweis nur dann berücksichtigen, wenn dieser sich aus der Vorlageentscheidung ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2016, Ullens de Schooten, C‑268/15, EU:C:2016:874, Rn. 54).
49 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen und insbesondere der Tatsache, dass die Drittstaatsangehörige, um die es im Ausgangsverfahren geht, nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/36 fällt, ist festzustellen, dass die Auslegung von Art. 3 Abs. 3, Art. 21 Abs. 1 und Anhang V Nr. 5.1.1 dieser Richtlinie nicht erforderlich ist, um dem vorlegenden Gericht den Erlass seines Urteils zu ermöglichen.
50 Somit ist das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen unzulässig.
Kosten
51 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:
Das vom Verwaltungsgericht Oldenburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 8. August 2024 eingereichte Vorabentscheidungsersuchen ist unzulässig.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 2. Oktober 2025.
Der Kanzler
Der Kammerpräsident
A. Calot Escobar
S. Rodin