Vorläufige Fassung
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
ATHANASIOS RANTOS
vom 2. Oktober 2025(1 )
Rechtssache C ‑163/24
BX
gegen
Statul Român – Ministerul Finanţelor Publice,
Curtea de Apel Bucureşti
(Vorabentscheidungsersuchen der Curtea de Apel Bucureşti [Berufungsgericht Bukarest, Rumänien])
„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Landwirtschaft – Gemeinsame Agrarpolitik – Regeln für Direktzahlungen – Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 – Art. 20 Abs. 1 – System zur Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen – Wirksamkeit der Verwaltungs- und Kontrollverfahren – Bestimmung, die (nicht) bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen – Verordnung (EG) Nr. 796/2004 – Art. 68 – Verpflichtung des Inhabers eines landwirtschaftlichen Betriebs zur Anmeldung der exakten Flächen und zur genauen Identifizierung der genutzten Parzelle und ihrer Grenzen – In Fällen von Übererklärungen anwendbare Kürzungen und Ausschlüsse – Ausnahmen – Begriff ,sachlich richtige Angaben‘ – Haftung des Staates für Schäden, die dem Einzelnen durch Verstöße gegen das Unionsrecht entstehen – Einem letztinstanzlich entscheidenden Gericht zuzurechnender Verstoß – Gleichstellung einer Reihe einfacher Verstöße gegen das Unionsrecht mit einem offenkundigen Verstoß “
I. Einleitung
1. Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen der Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien(2 )) betrifft im Wesentlichen die Auslegung von Art. 20 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003(3 ) mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (im Folgenden: GAP) und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe sowie von Art. 68 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004(4 ) mit Durchführungsbestimmungen zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, zur Modulation und zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem namentlich nach der Verordnung Nr. 1782/2003.
2. Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen BX, einem rumänischen Landwirt, und dem Statul Român – Ministerul Finanţelor Publice (Rumänischer Staat – Ministerium für öffentliche Finanzen) sowie dem Berufungsgericht Bukarest über den Eintritt der Haftung Rumäniens insbesondere deshalb, weil das Berufungsgericht als letztinstanzliches Gericht gegen die Vorlagepflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV verstoßen habe.
3. In der vorliegenden Rechtssache ist der Gerichtshof zum einen aufgerufen, die Umrisse des Begriffs „Rechtsnorm, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen“ zu konkretisieren, indem er prüft, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Rechtsnorm, die unzweifelhaft ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt, auch die Interessen natürlicher und juristischer Personen schützen kann. Zum anderen bietet sich ihm die Gelegenheit, Klarstellungen hinsichtlich der vom Gerichtshof im Urteil Köbler(5 ) geprägten Regelung der Haftung der Mitgliedstaaten für einem letztinstanzlich entscheidenden Gericht zuzurechnende Verstöße gegen das Unionsrecht vorzunehmen.
II. Rechtlicher Rahmen
A. Unionsrecht
1. Verordnung Nr. 1782/2003
4. In den Erwägungsgründen 1, 2, 11 bis 14, 16 und 21 der Verordnung Nr. 1782/2003 hieß es:
„(1) Für die Direktzahlungen im Rahmen der verschiedenen Einkommensstützungsregelungen der [GAP] sollten gemeinsame Bestimmungen festgelegt werden.
(2) Die volle Zahlung von Direktbeihilfen sollte an die Einhaltung verbindlicher Vorschriften in Bezug auf landwirtschaftliche Flächen, landwirtschaftliche Erzeugung und Tätigkeit gebunden sein. Durch diese Vorschriften sollten grundlegende Anforderungen des Umweltschutzes, der Lebensmittelsicherheit, der Tiergesundheit und des Tierschutzes sowie der Erhaltung der Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand in die gemeinsamen Marktorganisationen einbezogen werden. Werden diese Anforderungen nicht erfüllt, so sollten die Beihilfen von den Mitgliedstaaten nach verhältnismäßigen, objektiven und abgestuften Kriterien ganz oder teilweise entzogen werden. Diese Entziehung sollte bisher oder künftig geltende Sanktionen nach anderen Gemeinschafts- oder einzelstaatlichen Vorschriften unberührt lassen.
…
(11) Um die Wirksamkeit und Nützlichkeit der Verwaltungs- und Kontrollmechanismen zu verbessern, [muss] die Betriebsprämienregelung … in das mit der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92[ (6 )] … eingeführte System einbezogen werden. Ferner sollte die Möglichkeit vorgesehen werden, später auch andere Beihilferegelungen einzubeziehen.
(12) Zur Gewährleistung wirksamer Kontrollen und um die Einreichung mehrerer Beihilfeanträge bei verschiedenen Zahlstellen eines Mitgliedstaats zu verhindern, sollten die Mitgliedstaaten ein einheitliches System für die Identifizierung der Betriebsinhaber aufbauen, die dem integrierten System unterliegende Beihilfeanträge stellen.
(13) Die verschiedenen Elemente des integrierten [Verwaltungs- und Kontrollsystems] haben eine effizientere Verwaltung und Kontrolle zum Ziel. …
(14) Wegen der Komplexität des Systems sowie der Vielzahl der zu bearbeitenden Beihilfeanträge sind geeignete technische Mittel sowie Verwaltungs- und Kontrollmethoden unerlässlich. Das integrierte System sollte daher in jedem Mitgliedstaat eine elektronische Datenbank, ein System zur Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen, Beihilfeanträge von Betriebsinhabern, ein harmonisiertes Kontrollsystem sowie im Rahmen der Betriebsprämienregelung ein System zur Identifizierung und Erfassung der Zahlungsansprüche umfassen.
…
(16) Die Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen ist ein Schlüsselelement für die ordnungsgemäße Anwendung flächenbezogener Regelungen. Es hat sich gezeigt, dass die praktizierten Verfahren bestimmte Schwachstellen aufweisen. Daher sollte ein Identifikationssystem vorgesehen werden, das gegebenenfalls durch die Fernerkundung unterstützt wird.
…
(21) Die Stützungsregelungen im Rahmen der [GAP] sehen direkte Einkommensbeihilfen vor allem vor, um der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten. Dieses Ziel ist eng verknüpft mit der Erhaltung ländlicher Gebiete. Um eine Fehlleitung von Gemeinschaftsmitteln zu verhindern, sollten Betriebsinhaber keine Stützungszahlungen erhalten, die die Voraussetzungen für den Bezug dieser Zahlungen künstlich geschaffen haben.“
5. Art. 17 („Anwendungsbereich“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 lautete:
„Jeder Mitgliedstaat richtet ein integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem (im Folgenden ,integriertes System‘ genannt) ein.“
6. Art. 18 („Bestandteile des integrierten Systems“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 bestimmte:
„Das integrierte System umfasst
a) eine elektronische Datenbank,
b) ein System zur Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen,
c) ein System zur Identifizierung und Registrierung von Zahlungsansprüchen gemäß Artikel 21,
d) die Beihilfeanträge,
e) ein integriertes Kontrollsystem,
f) ein einheitliches System zur Erfassung jedes Betriebsinhabers, der einen Beihilfeantrag stellt.“
7. Art. 19 („Elektronische Datenbank“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 sah vor:
„In die elektronische Datenbank werden für jeden landwirtschaftlichen Betrieb die Daten aus den Beihilfeanträgen eingespeichert.
Diese Datenbank ermöglicht es insbesondere, über die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaats die Daten der Kalender- und/oder Wirtschaftsjahre ab dem Jahr 2000 und für die gemäß Titel IV Kapitel 10b gewährte Beihilfe ab dem 1. Mai 1998 direkt und sofort abzurufen.“
8. Art. 20 („System zur Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 lautete:
„Das System zur Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen stützt sich auf Katasterpläne und ‑unterlagen oder anderes Kartenmaterial. Dazu werden computergestützte geografische Informationssystemtechniken eingesetzt, vorzugsweise einschließlich Luft- und Satellitenorthobildern mit homogenem Standard, der mindestens eine dem Maßstab 1:10 000 entsprechende Genauigkeit gewährleistet.“
9. Art. 21 („System zur Identifizierung und Registrierung von Zahlungsansprüchen“) der Verordnung Nr. 1782/2003 hatte folgenden Wortlaut:
„(1) Das System zur Identifizierung und Registrierung von Zahlungsansprüchen muss die Überprüfung der Ansprüche und einen Kontrollabgleich mit den Beihilfeanträgen und dem Identifizierungssystem für landwirtschaftliche Parzellen ermöglichen.
(2) Das System ermöglicht über die zuständige Behörde des Mitgliedstaats den direkten und sofortigen Abruf der Daten mindestens der drei letzten aufeinander folgenden Kalender- und/oder Wirtschaftsjahre.“
10. Art. 22 („Beihilfeanträge“) der Verordnung Nr. 1782/2003 bestimmte:
„(1) Soweit anwendbar[,] muss jeder Betriebsinhaber für die unter das integrierte System fallenden Direktzahlungen jedes Jahr einen Antrag mit gegebenenfalls folgenden Angaben einreichen:
– alle landwirtschaftlichen Parzellen des Betriebs,
…
(2) Ein Mitgliedstaat kann beschließen, dass in dem Beihilfeantrag lediglich die Änderungen gegenüber dem für das Vorjahr eingereichten Beihilfeantrag auszuweisen sind. Der Mitgliedstaat gibt vorgedruckte Formulare auf der Grundlage der im vorangegangenen Kalenderjahr ermittelten Flächen und kartografische Unterlagen mit der Lage dieser Flächen und gegebenenfalls dem Standort der Ölbäume aus.
…“
2. Verordnung Nr. 796/2004
11. In den Erwägungsgründen 11, 13, 17, 36, 55 bis 58 und 67 der Verordnung Nr. 796/2004 hieß es:
„(11) Zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft ist vorzusehen, dass die Zahlungen im Rahmen der Verordnung [Nr. 1782/2003] erst getätigt werden dürfen, wenn die Kontrollen zur Einhaltung der Beihilfevoraussetzungen abgeschlossen sind.
…
(13) Im Interesse einer wirksamen Kontrolle sind alle Arten der Flächennutzung und alle betreffenden Beihilferegelungen gleichzeitig anzumelden. Daher ist die Einreichung eines Sammelantrags vorzusehen, der alle flächenbezogenen Beihilfeanträge umfasst.
…
(17) Zur Vereinfachung des Antragsverfahrens nach Artikel 22 Absatz 2 der Verordnung [Nr. 1782/2003] ist vorzusehen, dass die Mitgliedstaaten den Betriebsinhabern so weit wie möglich Formulare mit vorgedruckten Informationen zur Verfügung stellen.
…
(36) Vor-Ort-Kontrollen von Flächen bestehen in der Regel aus zwei Teilen. Beim ersten Teil geht es um die Überprüfung und Vermessung der angegebenen landwirtschaftlichen Parzellen auf der Grundlage von Kartenmaterial, Luftaufnahmen usw. Der zweite Teil besteht aus einer Feldbesichtigung zur Überprüfung der tatsächlichen Größe der angemeldeten landwirtschaftlichen Parzellen sowie – je nach Beihilferegelung – der angegebenen Kultur und ihres Zustands. Erforderlichenfalls sollten in dieser Phase auch Vermessungen vorgenommen werden. Bei der Feldbesichtigung ist eine Stichprobenkontrolle in der Regel ausreichend.
…
(55) Um die finanziellen Interessen der Gemeinschaft wirksam zu schützen, sind geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung von Unregelmäßigkeiten und Betrug zu treffen. Für die Behandlung festgestellter Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die Beihilfevoraussetzungen sollten dabei gesonderte Vorschriften bei den unterschiedlichen Beihilferegelungen gelten.
(56) Das in der Verordnung [Nr. 1782/2003] vorgesehene System von Kürzungen und Ausschlüssen im Zusammenhang mit den einzuhaltenden anderweitigen Verpflichtungen verfolgt jedoch ein anderes Ziel, indem es für die Betriebsinhaber insbesondere einen Anreiz schaffen soll, die bereits bestehenden Rechtsvorschriften in den verschiedenen Bereichen der anderweitigen Verpflichtungen einzuhalten.
(57) Kürzungen und Ausschlüsse sollten unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und im Fall der Beihilfevoraussetzungen unter Berücksichtigung bestimmter Probleme infolge höherer Gewalt sowie außergewöhnlicher oder natürlicher Umstände festgelegt werden. Im Zusammenhang mit den anderweitigen Verpflichtungen dürfen die Kürzungen und Ausschlüsse nur dann angewendet werden, wenn der Betriebsinhaber fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. Die Kürzungen und Ausschlüsse sollten je nach Schwere der festgestellten Unregelmäßigkeit gestaffelt sein und bis zum vollständigen Ausschluss von einer oder mehreren Beihilferegelungen während eines bestimmten Zeitraums reichen. Mit Blick auf die Beihilfevoraussetzungen sollten sie den Besonderheiten der verschiedenen Beihilferegelungen Rechnung tragen.
(58) Was die Beihilfeanträge für die flächenbezogenen Beihilferegelungen angeht, so betreffen Unregelmäßigkeiten in der Regel Teile von Flächen. Übererklärungen in Bezug auf eine Parzelle können daher mit Untererklärungen in Bezug auf andere Parzellen derselben Kulturgruppe verrechnet werden. Innerhalb einer bestimmten Toleranzmarge sollte daher vorgesehen sein, dass die Beihilfeanträge lediglich an die tatsächlich ermittelte Fläche angepasst und Kürzungen erst ab Überschreitung dieser Marge vorgenommen werden.
…
(67) Allgemein sollten Kürzungen und Ausschlüsse im Zusammenhang mit den Beihilfevoraussetzungen nicht angewendet werden, wenn der Betriebsinhaber sachlich richtige Angaben gemacht hat oder anderweitig nachweisen kann, dass ihn keine Schuld trifft.“
12. In Art. 2 („Definitionen“) der Verordnung Nr. 796/2004 hieß es:
„Im Rahmen dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:
…
(22) ,Ermittelte Fläche‘: Fläche, die allen in den Vorschriften für die Beihilfegewährung festgelegten Voraussetzungen genügt; im Rahmen der Betriebsprämienregelung ist die beantragte Fläche nur zusammen mit der entsprechenden Zahl von Zahlungsansprüchen als ermittelte Fläche zu betrachten;
…
(25) ,Geografisches Informationssystem‘ (nachstehend ,GIS‘): computergestützte geografische Informationstechniken im Sinne von Artikel 20 der Verordnung [Nr. 1782/2003];
…
(27) ,Kartenmaterial‘: Karten oder andere Unterlagen zur Mitteilung des Inhalts des GIS zwischen den Beihilfeantragstellern und den Mitgliedstaaten;
…“
13. Art. 6 („Identifizierung der landwirtschaftlichen Parzellen“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 hatte folgenden Wortlaut:
„Das System zur Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen nach Artikel 20 der Verordnung [Nr. 1782/2003] wird auf Ebene der Referenzparzellen wie Katasterparzellen oder Produktionsblöcke angewendet, damit eine individuelle Identifizierung der einzelnen Referenzparzellen gewährleistet ist.
Darüber hinaus stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die landwirtschaftlichen Parzellen zuverlässig identifiziert werden. Zu diesem Zweck verlangen sie unter anderem, dass die Sammelanträge Angaben enthalten oder ihnen Unterlagen beigefügt sind, die von der zuständigen Behörde näher festgelegt werden und mit deren Hilfe sich die einzelnen landwirtschaftlichen Parzellen lokalisieren und vermessen lassen. Das GIS wird auf Basis eines nationalen geodätischen Systems angewandt.“
14. Art. 12 („Inhalt des Sammelantrags“) der Verordnung Nr. 796/2004 bestimmte:
„(1) Der Sammelantrag muss alle zur Feststellung der Beihilfefähigkeit erforderlichen Informationen enthalten, insbesondere:
…
d) die zweckdienlichen Angaben zur Identifizierung aller landwirtschaftlichen Parzellen des Betriebs, ihre Fläche ausgedrückt in Hektar mit zwei Dezimalstellen, ihre Lage und gegebenenfalls ihre Nutzung mit dem Hinweis, ob die Parzelle bewässert wird;
…
(3) Zur Identifizierung aller landwirtschaftlichen Parzellen des Betriebs nach Absatz 1 Buchstabe d ist in dem vorgedruckten Formular nach Artikel 22 Absatz 2 der Verordnung [Nr. 1782/2003] die im Rahmen der Betriebsprämienregelung beihilfefähige Höchstfläche je Referenzparzelle anzugeben. In den kartografischen Unterlagen nach dem genannten Artikel 22 Absatz 2 sind die Grenzen der Referenzparzellen und deren individuelle Identifizierung einzutragen, und vom Landwirt ist die Lage der einzelnen landwirtschaftlichen Parzellen anzugeben.
…
(4) Wenn Änderungen, insbesondere Übertragungen von Zahlungsansprüchen gemäß Artikel 46 der Verordnung [Nr. 1782/2003], eingetreten sind oder wenn die Vordrucke nicht zutreffende Angaben enthalten, wird bei der Einreichung des Antrags das in den Absätzen 2 und 3 genannte vorgedruckte Formular vom Betriebsinhaber entsprechend berichtigt.
Betrifft die Berichtigung die Größe der Fläche, so gibt der Betriebsinhaber die tatsächliche Größe der Fläche an. …“
15. Art. 15 („Änderungen des Sammelantrags“) Abs. 3 der Verordnung Nr. 796/2004 lautete:
„Hat die zuständige Behörde den Betriebsinhaber jedoch bereits auf Unregelmäßigkeiten im Sammelantrag hingewiesen oder ihn von ihrer Absicht unterrichtet, eine Vor-Ort-Kontrolle durchzuführen, und werden bei dieser Kontrolle Unregelmäßigkeiten festgestellt, so sind Änderungen im Sinne von Absatz 1 für die von einer Unregelmäßigkeit betroffenen Parzellen nicht mehr zulässig.“
16. In Art. 18 („Vereinfachung der Verfahren“) Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 796/2004 hieß es:
„Unbeschadet besonderer Bestimmungen dieser Verordnung und der Verordnung [Nr. 1782/2003] können die Mitgliedstaaten zulassen oder vorschreiben, dass Mitteilungen zwischen den Betriebsinhabern und den Behörden im Rahmen der vorliegenden Verordnung elektronisch übermittelt werden. Dabei ist in geeigneter Weise sicherzustellen, dass insbesondere
…
c) die übermittelten Daten im Hinblick auf die ordnungsgemäße Durchführung der betreffenden Beihilferegelung zuverlässig sind; sofern die Angaben aus der elektronischen Datenbank für Rinder herangezogen werden, muss diese einem Standard in Bezug auf die Sicherheit und Umsetzung genügen, der für die ordnungsgemäße Durchführung der betreffenden Beihilferegelungen erforderlich ist“.
17. Art. 19 („Berichtigung offensichtlicher Irrtümer“) der Verordnung Nr. 796/2004 sah vor:
„Unbeschadet der Artikel 11 bis 18 kann ein Beihilfeantrag nach seiner Einreichung jederzeit berichtigt werden, wenn die zuständige Behörde offensichtliche Irrtümer anerkennt.“
18. Art. 22 („Rücknahme von Beihilfeanträgen“) der Verordnung Nr. 796/2004 bestimmte:
(1) Ein Beihilfeantrag kann jederzeit schriftlich ganz oder teilweise zurückgenommen werden.
…
(2) Rücknahmen nach Absatz 1 versetzen den Antragsteller wieder in die Situation, in der er sich vor Einreichung des betreffenden Antrags oder Antragsteils befand.“
19. Art. 24 („Gegenkontrollen“) Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung lautete:
„Die Verwaltungskontrollen gemäß Artikel 23 der Verordnung [Nr. 1782/2003] müssen es gestatten, dass Unregelmäßigkeiten – insbesondere anhand elektronischer Mittel automatisch – festgestellt werden, und umfassen folgende Gegenkontrollen:
…
c) zwischen den im Sammelantrag angegebenen landwirtschaftlichen Parzellen und den im Identifizierungssystem für landwirtschaftliche Parzellen nachgewiesenen Referenzparzellen, um die Beihilfefähigkeit der Flächen als solche zu überprüfen“.
20. Art. 30 („Bestimmung der Flächen“) der Verordnung Nr. 796/2004 bestimmte:
„(1) Die Flächen der landwirtschaftlichen Parzellen werden mit geeigneten Mitteln bestimmt, die von der zuständigen Behörde festgelegt werden und eine mindestens gleichwertige Messgenauigkeit wie die nach den einzelstaatlichen Vorschriften durchgeführten amtlichen Messungen gewährleisten müssen. …
…
(4) Die Beihilfefähigkeit der landwirtschaftlichen Parzellen wird mit geeigneten Mitteln überprüft. Hierzu wird erforderlichenfalls die Vorlage entsprechender zusätzlicher Belege verlangt.“
21. Art. 51 („Kürzungen und Ausschlüsse in Fällen von Übererklärungen“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 sah vor:
„Liegt bei einer Kulturgruppe die angemeldete Fläche für die Zwecke der flächenbezogenen Beihilferegelungen, ausgenommen die Beihilfen für Stärkekartoffeln, Saatgut und Tabak gemäß Titel IV Kapitel 6, 9 bzw. 10c der Verordnung [Nr. 1782/2003], über der gemäß Artikel 50 Absätze 3, 4 und 5 der vorliegenden Verordnung ermittelten Fläche, so wird die Beihilfe auf der Grundlage der ermittelten Fläche, gekürzt um das Doppelte der festgestellten Differenz, berechnet, wenn die Differenz über 3 % oder 2 ha liegt, aber nicht mehr als 20 % der ermittelten Fläche ausmacht.
Liegt die festgestellte Differenz über 20 % der ermittelten Fläche, so wird für die betreffende Kulturgruppe keine flächenbezogene Beihilfe gewährt.
…“
22. In Art. 68 („Ausnahmen von der Anwendung der Kürzungen und Ausschlüsse“) Abs. 1 und Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 796/2004 hieß es:
„(1) Die in Kapitel I vorgesehenen Kürzungen und Ausschlüsse finden keine Anwendung, wenn der Betriebsinhaber sachlich richtige Angaben vorgelegt hat oder auf andere Weise belegen kann, dass ihn keine Schuld trifft.
(2) …
Die nach Unterabsatz 1 erfolgte Mitteilung des Betriebsinhabers führt zu einer Anpassung des Beihilfeantrags an die tatsächliche Situation.“
3. Verordnung (EG) Nr. 1973/2004
23. Die Verordnung (EG) Nr. 1973/2004(7 ) enthielt einen Art. 138 („Kürzungen und Ausschlüsse im Zusammenhang mit den Voraussetzungen für die Gewährung der Zahlung“), dessen Abs. 1 folgenden Wortlaut hatte:
„Stellt sich außer in Fällen höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände im Sinne von Artikel 72 der Verordnung … Nr. 796/2004 bei Verwaltungs- oder Vor-Ort-Kontrollen heraus, dass sich die Differenz zwischen der angegebenen und der ermittelten Fläche im Sinne von Artikel 2 Nummer 22 der Verordnung … Nr. 796/2004 auf mehr als 3 %, aber weniger als 30 % der ermittelten Fläche beläuft, so wird der im Rahmen der Regelung für die einheitliche Flächenzahlung zu gewährende Betrag für das betreffende Kalenderjahr um das Doppelte der festgestellten Differenz gekürzt.
Beläuft sich die Differenz auf mehr als 30 % der ermittelten Fläche, so wird für das betreffende Kalenderjahr keine Beihilfe gezahlt.
…“
B. Rumänisches Recht
24. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g der Ordonanța de urgență a Guvernului nr. 125/2006 pentru aprobarea schemelor de plăți directe și plăți naționale directe complementare, care se acordă în agricultură începând cu anul 2007, și pentru modificarea articolului 2 din Legea nr. 36/1991 privind societățile agricole și alte forme de asociere în agricultură (Dringlichkeitsverordnung Nr. 125/2006 der Regierung zur Genehmigung der Regelungen für Direktzahlungen und ergänzende nationale Direktzahlungen im Agrarsektor ab 2007 sowie zur Änderung von Art. 2 des Gesetzes Nr. 36/1991 über die landwirtschaftlichen Gesellschaften und andere Formen landwirtschaftlicher Vereinigungen) vom 21. Dezember 2006 (im Folgenden: OUG Nr. 125/2006)(8 ) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung bestimmte:
„Für die Zwecke dieser Dringlichkeitsverordnung bezeichnet der Begriff:
…
g) System zur Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen – Bestandteil des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems, das auf Orthofotos, Karten, Katasterunterlagen oder anderes Kartenmaterial gestützte IT-Anwendungen umfasst. Die verwendeten Techniken müssen auf einem computergestützten geografischen Informationssystem basieren, das die einheitliche Identifizierung jedes Feldblocks gewährleistet, vorzugsweise mit Luft- oder Satellitenorthobildern, mit einheitlichen Regeln, die eine Genauigkeit gewährleisten, die mindestens derjenigen der Kartografie im Maßstab 1:10 000 entspricht, und die die Identifizierung der landwirtschaftlichen Parzellen innerhalb der Feldblöcke in den Beihilfeanträgen ermöglichen. Die im Parzellenidentifizierungssystem erfassten Flächen bilden die Bezugsgröße für den Kontrollprozess und die Durchführung der Zahlungen.“
25. In Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der OUG Nr. 125/2006 hieß es:
„Um Zahlungen im Rahmen der Regelungen für die einheitliche Flächenzahlung zu erhalten, müssen die Antragsteller in das von der Agenția de Plăți și Intervenție pentru Agricultură [Zahlungs- und Interventionsstelle für die Landwirtschaft, Rumänien, im Folgenden: APIA] verwaltete Register der Landwirte eingetragen sein, ihren Zahlungsantrag fristgerecht einreichen und die folgenden allgemeinen Bedingungen erfüllen:
…
b) Angabe aller landwirtschaftlichen Parzellen;
c) unter Androhung strafrechtlicher Verfolgung: Vorlage wahrheitsgemäßer, vollständiger und uneingeschränkt gültiger Angaben im Antragsformular für die einheitliche Flächenzahlung und in den diesem beigefügten Unterlagen, einschließlich der Liste der Flächen.“
III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof
26. Am 14. Mai 2007 stellte BX, ein rumänischer Betriebsinhaber, bei der APIA – Centrul Județean Argeș (APIA – Kreiszentrum Argeș, Rumänien) (im Folgenden: APIA Argeș) im Rahmen der Regelungen für die einheitliche Flächenzahlung sowie der Zahlung für in natürlicher Hinsicht benachteiligte Gebiete einen Antrag für das Jahr 2007. In diesem Antrag war eine landwirtschaftliche Gesamtfläche von 264,71 Hektar (ha) angegeben, die sich aus verschiedenen Parzellen zusammensetzte, deren entsprechende Flächen BX anhand von durch die APIA Argeș bereitgestellten topografischen Karten ermittelt und identifiziert hatte. Zu diesen Parzellen gehörte eine Fläche von 129,09 ha in dem Ort Rucăr (Rumänien).
27. Nachdem die APIA Argeș infolge einer Verwaltungskontrolle festgestellt hatte, dass für einige von BX angemeldete Flächen auch andere Personen Anträge gestellt hatten, forderte sie am 20. Oktober 2007 insoweit zur Klarstellung auf.
28. Am 28. November 2007 legten BX und die Vertreter der anderen betroffenen Personen dar, welche Flächen von den Betriebsinhabern jeweils genutzt würden, und erläuterten insbesondere, dass BX in Bezug auf den Ort Rucăr von den in seinem ursprünglichen Antrag angemeldeten 129,09 ha lediglich 45 ha nutze.
29. Am selben Tag reichte BX bei der APIA Argeș das Formular M1.1 „Änderung der Flächenangabe“ (im Folgenden: Formular M1.1) ein, um die im ursprünglichen Antrag angemeldete Fläche zu korrigieren, indem er für den Ort Rucăr 45 ha anstelle der 129,09 ha angab. Darüber hinaus legte er eine handschriftliche Erklärung vor, in der er erläuterte, dass die Abweichung zwischen seiner ursprünglichen und der geänderten Anmeldung zum einen auf einer fehlerhaften Identifizierung der Grenzen des Bergs Găinațu Mic im Iezer-Păpușa-Massiv (Rumänien) beruhe, da in den ihm von der APIA Argeș zur Verfügung gestellten topografischen Karten keine Orientierungspunkte existierten, und zum anderen auf der Differenz zwischen der im Pachtvertrag angegebenen Fläche (nämlich 210 ha), die niedriger sei als die tatsächlich genutzte Fläche der Alm, und der Summe der Flächen der beiden Feldblöcke, die den in Rede stehenden Berg darstellten(9 ).
30. In der bei der APIA Argeș eingereichten und am 15. Mai 2008 eingetragenen Eingabe wies BX darauf hin, dass die APIA Argeș das Formular M.1.1 hätte für ungültig erklären müssen, weil die Stilllegung der Fläche von 84,09 ha mittels dieses Formulars irrtümlich erfolgt sei, da BX bei dessen Einreichung nicht bekannt gewesen sei, dass die Grenze des Ortes Rucăr in den topografischen Karten der APIA Argeș falsch eingetragen gewesen sei, was er erst später, nämlich Anfang Mai 2008, bemerkt habe.
31. Mit Entscheidung vom 28. Mai 2008 ging die APIA Argeș davon aus, dass BX eine ursprüngliche Anmeldung mit einer gegenüber den tatsächlichen Gegebenheiten um 46,56 % größeren Fläche abgegeben habe, und lehnte dementsprechend seinen Zahlungsantrag auf der Grundlage von Art. 138 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1973/2004 ab.
32. BX erhob vor dem Tribunalul București (Regionalgericht Bukarest, Rumänien, im Folgenden: Regionalgericht Bukarest) Klage u. a. auf Aufhebung dieser Entscheidung sowie auf Verurteilung der APIA Argeș auf Zahlung von 697 391 Euro als Ersatz des Schadens, der ihm aufgrund der rechtswidrigen Ablehnung seines Beihilfeantrags für das Jahr 2007 entstanden sein soll. Die ihm zur Last gelegte Übererklärung sei in Wirklichkeit der APIA Argeș zuzurechnen, die ihm nicht hinreichend genaue und nicht den Anforderungen von Art. 20 der Verordnung Nr. 1782/2003 genügende topografische Karten zur Verfügung gestellt habe, was er durch Unterlagen, Zeugenaussagen und eine topografische Vermessung beweisen könne. Folglich hätte bei ihm, da ihn „keine Schuld“ treffe, weder eine Kürzung noch ein Ausschluss der Beihilfe gemäß Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 Anwendung finden dürfen. Mit Urteil vom 20. Januar 2011 wies das Regionalgericht Bukarest diese Klage ab(10 ).
33. Gegen dieses Urteil legte BX beim in letzter Instanz entscheidenden Berufungsgericht Bukarest ein Rechtsmittel ein. Wie der Vorlageentscheidung zu entnehmen ist, beantragte BX im Rechtsmittelverfahren die Anrufung des Gerichtshofs gemäß Art. 267 AEUV zwecks Einholung einer Vorabentscheidung über die Auslegung von Art. 68 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 796/2004. In der Sitzung erläuterte BX, dass dieses Rechtsmittel auch einen Antrag auf Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs über die Auslegung von Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 enthalte.
34. Mit Beschluss vom 2. April 2012 lehnte das Berufungsgericht Bukarest zunächst diesen Antrag mit der Begründung ab, dass die von BX aufgeworfenen Gesichtspunkte „keiner“ Vorlage zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV „bedürften“.
35. Mit Entscheidung vom 9. April 2012 wies das Berufungsgericht Bukarest sodann das von BX eingelegte Rechtsmittel als unbegründet zurück. Es war nämlich im Wesentlichen der Auffassung, dass die Entscheidung der APIA Argeș vom 28. Mai 2008 in Anbetracht von Art. 138 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1973/2004 gerechtfertigt sei, da BX die von ihm genutzte Fläche zu hoch angegeben habe, wobei sich diese Übererklärung auf mehr als 30 % belaufe. Mit der Einreichung des Formulars M.1.1 zur Berichtigung seiner ursprünglichen Anmeldung habe BX anerkannt, dass der Fehler in seiner ursprünglichen Erklärung liege und nicht in der Erklärung des Vertreters, von dem der Antragsteller das Grundstück gepachtet habe. Im Übrigen seien sowohl die ursprüngliche Anmeldung als auch die Erklärung der Flächenänderung auf der Grundlage derselben Karten der APIA Argeș erfolgt, weshalb die Begründung der überhöhten Angabe mit Fehlern dieser Karten nicht stichhaltig sei.
36. Zudem obliege es dem Nutzer einer Parzelle, im Antrag auf flächenbezogene Direktzahlungen deren tatsächliche Fläche anzugeben, ohne sich auf die Fläche zu verlassen, die in den diese Parzelle betreffenden Eigentumstiteln angegeben sei. Die Ungenauigkeit der topografischen Karten der APIA Argeș könne daher die überhöhte Ansetzung der von ihm genutzten Flächen durch BX nicht rechtfertigen, insbesondere unter Berücksichtigung der Verpflichtung gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der OUG Nr. 125/2006, unter Androhung strafrechtlicher Verfolgung wahrheitsgemäße, vollständige und uneingeschränkt gültige Angaben im entsprechenden Antragsformular vorzulegen.
37. Nachdem sowohl die ursprüngliche Anmeldung als auch das Formular M.1.1 auf der Grundlage derselben Karten der APIA Argeș vorgelegt worden seien, könne die Übererklärung außerdem nicht mit Fehlern gerechtfertigt werden, mit denen diese Karten behaftet sein könnten. Da diese Karten keine hinreichenden Angaben zur korrekten Identifizierung der Flächen enthielten, hätte BX weitere Maßnahmen zur Feststellung der genauen von ihm genutzten Fläche ergreifen müssen, um eine Übererklärung zu verhindern. Die Ungenauigkeiten in den Karten der APIA Argeș könnten zu einer irrtümlichen Identifizierung der Flächen mit Blick auf ihre Lage in der Karte führen, aber in keinem Fall zu einer um 46,56 % überhöhten Angabe der Fläche.
38. Im Übrigen betrachtete das Berufungsgericht Bukarest das Formular M.1.1 als eine teilweise Flächenstilllegung, auf die Art. 22 der Verordnung Nr. 796/2004 anzuwenden sei. Da BX seinen Stilllegungsantrag aber eingereicht habe, nachdem er von der APIA Argeș zur Klarstellung aufgefordert worden sei, stehe Art. 15 Abs. 3 dieser Verordnung dem entgegen, dass er von der Anwendung der in deren Art. 51 vorgesehenen Sanktionen ausgenommen werden könne. Außerdem könne der von BX vertretenen Auslegung, wonach seine Eingabe vom 15. Mai 2008 den Widerruf der Erklärung der Flächenstilllegung vom 28. November 2007 bewirkt habe, nicht gefolgt werden. Diese Verordnung habe nämlich keinen Widerruf eines Antrags auf Stilllegung einer Parzelle, sondern nur die Stilllegung von Flächen erlaubt.
39. Die Situation von BX werde auch nicht von den Fällen in Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 erfasst. Denn BX habe ursprünglich eine Gesamtfläche von 264,71 ha angemeldet, bevor er davon eine Fläche von 84,09 ha abgezogen habe, obwohl sich an der Grundstückssituation nichts geändert habe. Er habe daher keine sachlich richtigen Angaben vorgelegt.
40. Da das Berufungsgericht Bukarest davon ausging, dass die Abweisung der Schadensersatzklage von BX nicht auf dem fehlenden Nachweis des entstandenen materiellen Schadens, sondern auf der Abweisung der mit dem Hauptantrag erhobenen Aufhebungsklage beruht habe, hielt es schließlich die Zeugenvernehmung nicht für erforderlich. Gleichermaßen erschien auch eine topografische Vermessung nicht sachdienlich, da das Regionalgericht Bukarest festgestellt habe, dass die Übererklärung auf der Stilllegung von Flächen durch BX beruht habe.
41. Am 8. April 2013 befasste BX das Regionalgericht Bukarest, und zwar dieses Mal mit einer Klage auf Feststellung der Haftung des rumänischen Staates für den materiellen und immateriellen Schaden, der durch den Verstoß des Berufungsgerichts Bukarest in seiner Entscheidung vom 9. April 2012 gegen das Unionsrecht entstanden sei. Hierzu machte er geltend, dass dieses zum einen namentlich Art. 20 der Verordnung Nr. 1782/2003 sowie Art. 68 der Verordnung Nr. 796/2004 nicht angewandt und zum anderen Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht beachtet habe, indem es gegen seine Verpflichtung verstoßen habe, dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen vorzulegen, und es versäumt habe, seine Ablehnung einer solchen Vorlage zu begründen.
42. Mit Urteil vom 1. Juli 2016 wies das Regionalgericht Bukarest die Klage von BX als unbegründet ab.
43. Es ging davon aus, dass Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 dem Einzelnen keine Rechte verleihe, deren Verletzung die Haftung des Staates begründen könne, da er Art und Weise der Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen sowie die Eigenschaften regele, die die dabei verwendeten Katasterpläne und ‑unterlagen aufweisen müssten, um für die Direktzahlungen im Rahmen der verschiedenen Beihilferegelungen der GAP gemeinsame Bestimmungen zu gewährleisten. Das von BX geltend gemachte Auskunftsrecht im Sinne eines Rechts auf Zugang zu Informationen, die für den Erhalt der beantragten Beihilfe und die korrekte Identifizierung der betreffenden Parzelle nützlich seien, sei insoweit ein allgemeines Recht, das in Bezug auf den größten Teil der Bestimmungen zuerkannt werden könne, die die Bedingungen für den Ablauf eines bestimmten Mechanismus regelten.
44. Demgegenüber würden durch Art. 68 der Verordnung Nr. 796/2004 eindeutig Rechte für den Einzelnen geschaffen. Folglich habe das Berufungsgericht Bukarest gegen diese Bestimmung verstoßen, und zwar erstens dadurch, dass es nicht ermittelt habe, was die Wendung „sachlich richtige Angaben“ bedeute, obwohl sie in dem Rechtsakt nicht definiert werde, zweitens dadurch, dass es allein auf der Grundlage der der Entscheidung der APIA Argeș zugrunde liegenden Dokumente und somit unter Außerachtlassung der weiteren, von BX vorlegten Unterlagen zu dem Schluss gekommen sei, dass diese Bestimmung auf BX keine Anwendung finde, und drittens dadurch, dass es diesem nicht die Möglichkeit eingeräumt habe, mit allen Beweismitteln zu beweisen, dass ihn an der Übererklärung keine Schuld treffe.
45. Auf der Grundlage der in den Rn. 55 und 56 des Urteils Köbler genannten Gesichtspunkte war das Regionalgericht Bukarest jedoch der Auffassung, dass der Verstoß des Berufungsgerichts Bukarest nicht so offenkundig sei, dass er die Staatshaftung begründen könne.
46. Was insoweit als Erstes das „Maß an Klarheit und Präzision“ betrifft, wies das Regionalgericht Bukarest darauf hin, dass Art. 68 der Verordnung Nr. 796/2004 insoweit eindeutig sei, als er das Recht des Betriebsinhabers in den beiden in diesem Artikel genannten Fällen regele, von der Sanktion einer Kürzung der Beihilfe oder eines Ausschlusses von diesem Anspruch ausgenommen zu werden, und als er das Gericht, vor dem die Anwendbarkeit eines dieser beiden Fälle geltend gemacht werde, mittelbar zu der Prüfung verpflichte, ob dieses Verteidigungsmittel begründet sei oder nicht.
47. Was als Zweites die „Entschuldbarkeit“ des Rechtsirrtums angeht, könne ein solcher nach rumänischem Recht nicht geltend gemacht werden, wenn es zugängliche und vorhersehbare Rechtsvorschriften gebe, zu denen die im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Vorschriften sowie die Urteile des Gerichtshofs zählten. Da Art. 68 der Verordnung Nr. 796/2004 noch nicht vom Gerichtshof ausgelegt worden sei, könne im vorliegenden Fall indes das Unvermögen des Berufungsgerichts Bukarest, diese Bestimmung zutreffend auszulegen, keinen unentschuldbaren Irrtum darstellen.
48. Was als Drittes die „Stellungnahme eines Unionsorgans“ betrifft, wies das Regionalgericht Bukarest darauf hin, dass die Kommission zwar mehrfach behauptet habe, dass die Wirksamkeit der von der Verwaltung durchgeführten Gegenkontrollen durch die rumänischen Rechtsvorschriften nicht gewährleistet sei. Die Kommission habe insbesondere im Rahmen ihrer Erhebung AA/2008/24(11 ) hervorgehoben, dass ein fehlerhaftes kartografisches System zu einer häufig fehlerhaften Lokalisierung der landwirtschaftlichen Parzellen durch die Betriebsinhaber führe, die auf diese Weise bestraft würden oder die Beihilfen nicht erhielten. Derartige Stellungnahmen seien jedoch nicht hinreichend dafür, davon auszugehen, dass ein Unionsorgan einen offensichtlichen Verstoß gegen das Unionsrecht nachgewiesen habe. Denn um eine solche Offenkundigkeit zu belegen, müsse sich die Stellungnahme auf die Anwendung der verletzten Vorschrift beziehen. Im vorliegenden Fall habe sich die Stellungnahme der Kommission allerdings nicht auf die Anwendung von Art. 68 der Verordnung Nr. 796/2004, sondern auf die Art und Weise bezogen, in der das System zur Lokalisierung landwirtschaftlicher Parzellen von der APIA Argeș angewandt werde.
49. Was als Viertes die „Vorsätzlichkeit des Verstoßes“ angeht, habe das Berufungsgericht Bukarest nicht vorsätzlich oder offenkundig gegen das Unionsrecht verstoßen. Zwar habe der Gerichtshof noch nicht die Gelegenheit gehabt, Art. 68 der Verordnung Nr. 796/2004 auszulegen, doch habe das Berufungsgericht dargelegt, aus welchen Gründen es zum einen nicht für erforderlich gehalten habe, die von BX geforderten zusätzlichen Beweise zuzulassen, und zum anderen der Meinung gewesen sei, dass Art. 68 dieser Verordnung im Ausgangsrechtsstreit keine Anwendung finde.
50. Als Fünftes und Letztes führte das Regionalgericht Bukarest aus, dass der Verstoß gegen Art. 267 Abs. 3 AEUV an sich keine Staatshaftung begründen könne, da diese Bestimmung dem Einzelnen keine Rechte verleihe. Jedenfalls habe das Berufungsgericht Bukarest in seinem Beschluss vom 2. April 2012 seine Weigerung, den Gerichtshof nach der Auslegung von Art. 68 der Verordnung Nr. 796/2004 zu befragen, zwar lediglich mit der Feststellung begründet, dass die von BX aufgeworfenen Gesichtspunkte „keiner“ Auslegung durch den Gerichtshof „bedürften“, ohne jedoch im Einzelnen darzulegen, welche Gründe es zu dieser Schlussfolgerung geführt hätten. Gleichwohl setze die Verwendung des Ausdrucks „keiner … bedürften“ voraus, dass das Berufungsgericht Bukarest davon ausgegangen sei, dass die Auslegung und die Anwendung von Art. 68 dieser Verordnung selbstverständlich seien, so dass sie keiner Prüfung durch den Gerichtshof bedürften.
51. Obwohl eine solche Begründung den vom Gerichtshof im Urteil Cilfit (12 ) gestellten Anforderungen nicht genügt habe, entschied das Regionalgericht Bukarest nach einem Vergleich der im Ausgangsrechtsstreit gegebenen Umstände mit denen, die in der Rechtssache gegeben waren, in der das Urteil Köbler ergangen ist, dass dieser Begründungsmangel keinen offenkundigen Verstoß gegen das Unionsrecht darstelle. In der Rechtssache Köbler habe der Gerichtshof nämlich entschieden, dass der Verstoß gegen das Unionsrecht weder offenkundig noch hinreichend erheblich gewesen sei, um die Haftung des betreffenden Mitgliedstaats zu begründen, obwohl ein Gericht, dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts habe angefochten werden könnten, sein Vorabentscheidungsersuchen zurückgenommen und in der Folge die Rechtsprechung des Gerichtshofs falsch ausgelegt habe. Da es in der vorliegenden Rechtssache kein einschlägiges Urteil des Gerichtshofs zur Auslegung der in Rede stehenden Unionsrechtsbestimmungen gebe, könne der Verstoß gegen diese Bestimmungen erst recht nicht als offenkundig angesehen werden.
52. Gegen das Urteil des Regionalgerichts Bukarest vom 1. Juli 2016 legte BX beim Berufungsgericht Bukarest Berufung ein.
53. Im Berufungsverfahren vertrat BX zunächst die Ansicht, dass entgegen der Entscheidung des Regionalgerichts Bukarest Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 dem Einzelnen Rechte verleihe, was sich sowohl aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs(13 ) als auch aus der in Nr. 48 der vorliegenden Schlussanträge erwähnten Erhebung Nr. AA/2008/24 der Kommission ergebe. Mithin könne ein Verstoß gegen diese Bestimmung die Haftung der fehlerhaft handelnden Einrichtung und deren Verurteilung zum Ersatz des verursachten Schadens gemäß Art. 41 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) in Verbindung mit deren Art. 51 Abs. 1 nach sich ziehen. Sodann machte BX geltend, dass das Berufungsgericht Bukarest durch die Verkennung der auf der Hand liegenden Bedeutung von Art. 68 der Verordnung Nr. 796/2004 und der sich aus dieser Bestimmung zwingend ergebenden Verpflichtungen in Ansehung der Art. 47 bis 52 der Charta sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt habe. Die Verletzung seiner Verteidigungsrechte belege die Vorsätzlichkeit des Verstoßes. Die Weigerung, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen, obwohl er eine solche Vorlage beantragt habe, untermauere diese Schlussfolgerung, da die Begründung dieser Weigerung absichtlich unklar gewesen sei, um ein Gericht an der Überprüfung der Stichhaltigkeit und Rechtmäßigkeit dieser Begründung zu hindern. Schließlich vertrat BX die Ansicht, dass die Feststellung eines offenkundigen Verstoßes gegen die in Art. 267 Abs. 3 AEUV genannte Verpflichtung nicht dem Fall vorbehalten sein könne, in dem ein Gericht, dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden könne, ein Vorabentscheidungsurteil des Gerichtshofs über Auslegungsfragen missachte. Liege ein solches Urteil des Gerichtshofs nicht vor, bedürfe es keiner Prüfung der in Rn. 55 des Urteils Köbler angesprochenen Kriterien.
54. Um über die von BX eingelegte Berufung entscheiden zu können, hält es das Berufungsgericht Bukarest für erforderlich, den Gerichtshof zu fragen, ob erstens Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 dem Einzelnen spezifische Rechte verleiht, ob zweitens der Begriff „sachlich richtige Angaben“ im Sinne von Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 sowohl die richtige Angabe der Flächen durch den Betriebsinhaber als auch die korrekte Identifizierung der genutzten Parzelle umfasst, und ob drittens unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren gegebenen die Nichtvorlage einer Frage zur Vorabentscheidung über die Auslegung von Art. 68 dieser Verordnung einen offenkundigen Verstoß gegen das Unionsrecht darstellt, der zur Haftung des rumänischen Staates führen kann.
55. Unter diesen Umständen hat das Berufungsgericht Bukarest beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen vorzulegen:
1. Ist Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 eine Unionsvorschrift, die dem Einzelnen konkrete Rechte verleiht, deren Verletzung zur Staatshaftung wegen einer Entscheidung eines nationalen letztinstanzlichen Gerichts führen könnte?
2. Ist der in Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 geregelte Begriff „sachlich richtige Angaben“ dahin auszulegen, dass er sowohl die richtige Angabe der Flächen durch den Betriebsinhaber als auch die korrekte Identifizierung der genutzten Parzelle und ihrer Grenzen umfasst?
3. Ist unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die Nichtvorlage an den Gerichtshof durch das nationale letztinstanzliche Gericht zur Auslegung von Art. 68 der Verordnung Nr. 796/2004 ein offenkundiger Rechtsverstoß von hinreichender Schwere, der zur Staatshaftung für die Schäden führen kann, die das Urteil dieses Gerichts verursacht haben soll?
56. Die rumänische Regierung und die Europäische Kommission haben beim Gerichtshof schriftliche Erklärungen eingereicht. Diese Beteiligten und BX haben auch in der mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 2025 mündliche Ausführungen gemacht.
IV. Würdigung
A. Vorbemerkungen
57. Einleitend weise ich darauf hin, dass die vorliegende Rechtssache den Fall betrifft, in dem der Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs BX, der eine Flächenbeihilfe beantragt hatte, die landwirtschaftliche Fläche, für die er diese Beihilfe beantragt hatte, zu hoch angesetzt hatte, wobei die von der zuständigen nationalen Behörde zur Verfügung gestellten topografischen Karten, auf deren Grundlage er die betreffende landwirtschaftliche Fläche identifiziert hatte, nicht hinreichend genau waren, um die Grenzen des genutzten Grundstücks zu bestimmen. Unter diesen Umständen machte dieser Betriebsinhaber, der infolge der überhöhten Flächenangabe durch Entscheidung dieser Behörde von der Beihilfe ausgeschlossen wurde, geltend, dass es sich nicht um eine absichtlich abgegebene „Übererklärung“ handele, sondern um eine fehlerhafte Bestimmung der Grenzen des genutzten Grundstücks, weil diese in den nicht den Voraussetzungen von Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 entsprechenden Karten ungenau gewesen seien, und dass sein Beihilfeantrag demnach „sachlich richtige Angaben“ enthalten habe bzw. ihn zumindest „keine Schuld“ treffe, was bedeute, dass gemäß Art. 68 der Verordnung Nr. 796/2004 die Ausschlüsse von der Beihilfe keine Anwendung finden dürften.
58. Im Ausgangsverfahren geht es somit im Kern um die Rechtsfrage des Ersatzes des Schadens, der BX dadurch entstanden sein soll, dass das Berufungsgericht Bukarest als letztinstanzlich entscheidendes Gericht mit seiner Entscheidung zum einen dessen Rechtsmittel zurückgewiesen hat, das sich gegen das Urteil des Regionalgerichts Bukarest richtete, mit dem dieses wegen der Übererklärung der Fläche, für die er die Beihilfe beantragt hatte, seinen Beihilfeanspruch zurückgewiesen hatte, und sich zum anderen geweigert hat, dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen vorzulegen. Daher erhob BX im Anschluss an das Urteil des Berufungsgerichts Bukarest beim Regionalgericht Bukarest Klage auf Feststellung der Haftung des rumänischen Staates wegen Verstoßes gegen das Unionsrecht, insbesondere gegen Art. 20 der Verordnung Nr. 1782/2003 und gegen Art. 68 der Verordnung Nr. 796/2004, sowie gegen die Vorlagepflicht eines in letzter Instanz entscheidenden Gerichts gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV. Nachdem das Regionalgericht Bukarest diese Klage für unbegründet erklärt hatte, legte BX beim Berufungsgericht Bukarest Berufung ein.
59. Unter diesen Umständen hat das Berufungsgericht Bukarest, das zu ermitteln hat, ob es in seiner Eigenschaft als letztinstanzliches Gericht ein Vorabentscheidungsersuchen hätte vorlegen müssen, das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.
B. Zur ersten Vorlagefrage
60. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 eine Bestimmung ist, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, deren Verletzung zur Haftung des betreffenden Mitgliedstaats führen könnte.
61. Es sei daran erinnert, dass das Regionalgericht Bukarest im Ausgangsverfahren festgestellt hat, dass der Verstoß gegen Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 keine Haftung des rumänischen Staates auslösen könne, weil diese Bestimmung dem Einzelnen keine Rechte verleihe(14 ). BX beanstandet diese Schlussfolgerung und verweist auf Beschlüsse der Kommission aus den Jahren 2010 und 2011(15 ). Konkret stehe diese Schlussfolgerung im Widerspruch zu der Erhebung Nr. AA/2008/24 der Kommission, wonach unrichtiges Kartenmaterial nicht seine Aufgabe erfülle, die Wirksamkeit der Gegenkontrollen durch die Verwaltung zu gewährleisten (Allgemeininteresse), aber auch zu einer häufig unzutreffenden Lokalisierung landwirtschaftlicher Parzellen im System zu deren Identifizierung durch die Betriebsinhaber führe, die letztlich dadurch bestraft würden oder ihre Beihilfen bzw. ihre Aufwandsentschädigung nicht erhielten, „was auch das besondere Interesse der einzelnen Betriebsinhaber betreffe “. In einem solchen Zusammenhang weise Art. 20 dieser Verordnung daher eine institutionelle Dimension auf, nämlich die, die Wirksamkeit der Verwaltungs- und Kontrollverfahren im Rahmen der GAP zu gewährleisten. Dies schließe jedoch nicht ohne Weiteres die Möglichkeit aus, dass dieselbe Bestimmung dem Einzelnen Rechte verleihe, insbesondere das Recht auf Information durch genaue topografische Karten, da die Nichteinhaltung dieser an die Genauigkeit der Karten geknüpften Voraussetzung geeignet sei, dem Betriebsinhaber im Verfahren zur Erlangung der Beihilfe sachdienliche Informationen vorzuenthalten und unmittelbaren Einfluss auf die Möglichkeit zu haben, eine finanzielle Unterstützung zu erhalten.
62. Hierzu weise ich vorab darauf hin, dass der Gerichtshof in Bezug auf den Eintritt der Haftung eines Mitgliedstaats für Schäden, die dem Einzelnen durch diesem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Unionsrecht entstanden sind, wiederholt entschieden hat, dass die Geschädigten einen Ersatzanspruch haben, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich erstens, dass die Rechtsnorm, gegen die verstoßen worden ist, bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, zweitens, dass der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist, und drittens, dass zwischen diesem Verstoß gegen die dem Mitgliedstaat obliegende Pflicht und dem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht(16 ).
63. Konkret hat der Gerichtshof in Bezug auf diese erste Voraussetzung, die in der ersten Vorlagefrage angesprochen wird, bereits entschieden, dass dem Einzelnen verliehene Rechte nicht nur entstehen, wenn unionsrechtliche Vorschriften dies ausdrücklich bestimmen , sondern auch aufgrund von eindeutigen positiven oder negativen Verpflichtungen , die diese Vorschriften dem Einzelnen wie auch den Mitgliedstaaten und den Organen der Union auferlegen(17 ). Ein Verstoß gegen solche positiven oder negativen Verpflichtungen durch einen Mitgliedstaat kann die Ausübung derjenigen Rechte durch die betroffenen Einzelnen behindern, die die betreffenden unionsrechtlichen Vorschriften ihnen implizit verleihen und auf die sie sich auf nationaler Ebene berufen können, und somit die Rechtsstellung verändern, die diese Vorschriften für diese Einzelnen schaffen sollen. Deshalb verlangen die volle Wirksamkeit dieser unionsrechtlichen Normen und der Schutz der Rechte, die mit ihnen verliehen werden sollen, dass der Einzelne die Möglichkeit hat, eine Entschädigung zu erlangen, und zwar unabhängig davon, ob die betreffenden Vorschriften unmittelbare Wirkung haben, da diese Eigenschaft weder erforderlich noch für sich genommen ausreichend ist, damit die erste der drei in Nr. 62 der vorliegenden Schlussanträge genannten Voraussetzungen erfüllt ist(18 ).
64. Im Licht dieser Grundsätze ist zu prüfen, ob Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003, mit dem die Regeln für die Einsetzung des Systems zur Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen als Teil der gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen von Einkommensstützungsregelungen der GAP eingeführt werden, bezweckt, dem Einzelnen und insbesondere denjenigen, die eine Beihilfe beantragen, Rechte zu verleihen, die ihnen ermöglichen, eine Klage auf Ersatz des durch die mangelnde Genauigkeit der topografischen Karten der APIA verursachten Schadens zu erheben(19 ).
65. Aus den nachstehend angeführten Gründen bin ich der Meinung, dass bei dieser Bestimmung nicht davon auszugehen ist, dass sie Beihilfeantragstellern spezifische Rechte verleiht oder zumindest – ausdrücklich oder stillschweigend – eine auf sie anwendbare Rechtslage schaffen soll.
66. Als Erstes ist nämlich dem Wortlaut von Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 nicht zu entnehmen, dass er darauf abzielt, den Beihilfeantragstellern Rechte zu verleihen. Denn diese Bestimmung, die zu Titel II („Allgemeine Bestimmungen“) dieser Verordnung, genauer, zu deren Kapitel 4 („Integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem“) gehört, ist rein technischer Natur, da sie vorsieht, dass sich dieses System zur Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen „auf Katasterpläne und ‑unterlagen oder anderes Kartenmaterial [stützt]“. In dieser Bestimmung werden die zur Einsetzung dieses Systems verwendeten Techniken bestimmt, wobei sie erläutert, dass „[d]azu … computergestützte geografische Informationssystemtechniken eingesetzt [werden], vorzugsweise einschließlich Luft- und Satellitenorthobildern mit homogenem Standard, der mindestens eine dem Maßstab 1:10 000 entsprechende Genauigkeit gewährleistet“.
67. Folglich enthält der Wortlaut von Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 zum einen keine Bezugnahme auf den Einzelnen und erst recht keine auf den Beihilfeantragsteller, so dass diese Bestimmung nicht im Sinne der in Nr. 63 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs Rechte „ausdrücklich bestimmt“. Zum anderen erlegt diese Bestimmung den mit der Verwaltung und der Kontrolle der Direktzahlungen an Betriebsinhaber betrauten zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten eine „positive Verpflichtung“ auf, Systeme zur Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen, u. a. anhand topografischer Karten, die ein Mindestmaß an Genauigkeit aufweisen, zu verwenden. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung geht indes nicht hervor, dass diese „positive Verpflichtung“ im Sinne dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs Rechte zugunsten des Einzelnen entstehen ließe. Diese Bestimmung enthält nämlich keinerlei Hinweis darauf, dass die Verwendung topografischer Karten dem Einzelnen und insbesondere den Betriebsinhabern, die eine Beihilfe beantragen, zugutekommen sollte.
68. Als Zweites ergibt sich diese Feststellung auch aus der systematischen und teleologischen Auslegung von Art. 20 der Verordnung Nr. 1782/2003.
69. Insoweit erinnere ich daran, dass nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 „[j]eder Mitgliedstaat … ein integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem [einrichtet]“, „integriertes System“ genannt, das gemäß den Abs. 2 und 3 dieser Bestimmung für verschiedene Stützungsregelungen im Rahmen der GAP(20 ) sowie für die Kontrolle der in den Allgemeinen Bestimmungen der Verordnung vorgesehen Vorschriften gilt(21 ). Nach den Erwägungsgründen 11 und 13 dieser Verordnung hat das integrierte System das allgemeine Ziel, „die Wirksamkeit und Nützlichkeit der Verwaltungs- und Kontrollmechanismen zu verbessern“.
70. In diesem Zusammenhang umfasst das integrierte System gemäß Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 im Licht ihres 13. Erwägungsgrundes eine Reihe von Bestandteilen, die zusammengenommen „eine effizientere Verwaltung und Kontrolle “ zum Ziel haben. Zu diesen Bestandteilen gehört unter Buchst. b das in Art. 20 dieser Verordnung geregelte „System zur Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen“ (im Folgenden: LPIS). Das LPIS ist somit nur einer der Bausteine des integrierten Systems und kann nicht autonom, unter Außerachtlassung der mit der Einsetzung des integrierten Systems verfolgten allgemeineren Ziele untersucht werden. Denn nach dem 14. Erwägungsgrund der Verordnung trägt das LPIS wie die weiteren Bestandteile des integrierten Systems – nämlich die elektronische Datenbank, die Beihilfeanträge der Betriebsinhaber, das integrierte Kontrollsystem und im Rahmen der Betriebsprämienregelung das System zur Identifizierung und Erfassung der Zahlungsansprüche – wegen der Komplexität des Systems sowie der Vielzahl der zu bearbeitenden Beihilfeanträge zu einer effizienteren Verwaltung und Kontrolle bei. Insbesondere ist, so der 16. Erwägungsgrund der Verordnung, die Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen, die gegebenenfalls durch die Fernerkundung unterstützt wird, „ein Schlüsselelement für die ordnungsgemäße Anwendung flächenbezogener Regelungen“, da „sich gezeigt [hat], dass die praktizierten Verfahren [zur Identifizierung] bestimmte Schwachstellen aufweisen“.
71. Demnach zielt diese Bestimmung, ebenso wie die weiteren das „integrierte System“ bildenden und durch die Verordnung Nr. 1782/2003 eingeführten Bestandteile(22 ), ausschließlich darauf ab, die Effizienz der Kontrolle zu verbessern und dafür zu sorgen, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zuverlässig überprüfen können, ob die Beihilfeanträge den unionsrechtlichen Anforderungen genügen. Der Zweck wirksamer Verwaltung und Kontrolle beruht gerade im Schutz der finanziellen Interessen der Union(23 ). So betrachtet können die topografischen Karten, sofern sie nicht hinreichend genau sind, die Wirksamkeit der Kontrolle beeinträchtigen und so die Gefahr heraufbeschwören, dass den Mitgliedstaaten rechtsgrundlose Zahlungen verborgen bleiben, was ein finanzielles Risiko für den Unionshaushalt darstellt.
72. Der Unionsgesetzgeber hat somit diese Bestimmungen, auch wenn sie für die Betriebsinhaber nützlich sein können(24 ), nicht ausgearbeitet, um die Betriebsinhaber bei ihren Beihilfeanträgen zu unterstützen. Der Grad an Genauigkeit der von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zu verwendenden topografischen Karten ist nämlich dafür bestimmt, die wirksame Kontrolle der Beihilfeanträge zu gewährleisten, wobei das integrierte System nicht als Instrument zur Unterstützung der Betriebsinhaber bei ihren Anträgen fungiert. Ein solches Instrument sieht die Verordnung Nr. 1782/2003 allerdings vor, und zwar die „landwirtschaftliche Betriebsberatung“, die die Mitgliedstaaten „zur Beratung der Betriebsinhaber“ einrichten(25 ).
73. Zudem weise ich darauf hin, dass ein Betriebsinhaber zwar von der Nutzung des „integrierten Systems“ profitieren kann, dieser Nutzen aber naturgemäß jedem Organisationssystem wie dem „integrierten System“ inhärent ist, da kein System rein auf sich selbst bezogen zu funktionieren scheint: Letztendlich dient es immer dem Nutzen der Bürger. Dieser Nutzen ist jedoch völlig mittelbar und reflexhaft und reicht nicht aus, um im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs „dem Einzelnen Rechte zu verleihen“(26 ). Anderenfalls müsste jede Bestimmung organisatorischer Art als Verleihung von Rechten an Einzelne angesehen werden, was eine reductio ad absurdum wäre.
74. Als Drittes und Letztes zeigt sich die rein objektive und technische Natur von Art. 20 der Verordnung Nr. 1782/2003 noch deutlicher, wenn man seine Entstehungsgeschichte betrachtet. Hierzu weise ich darauf hin, dass das „integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem“ durch die Verordnung Nr. 3508/92 verankert wurde, um u. a. die Effizienz und Rentabilität der Verwaltungs- und Kontrollmechanismen dadurch zu verbessern (dritter Erwägungsgrund dieser Verordnung), dass wegen der Komplexität eines solchen Systems sowie der Vielzahl der zu bearbeitenden Beihilfeanträge geeignete technische Mittel sowie Verwaltungs- und Kontrollmethoden zu verwenden sind (fünfter Erwägungsgrund dieser Verordnung), und dass es auf einzelstaatlicher Ebene „eine informatisierte Datenbank, ein alphanumerisches System zur Identifizierung der landwirtschaftlichen Parzellen, der Beihilfeanträge der Betriebe, ein integriertes Kontrollsystem sowie im Bereich der tierischen Produktion ein Identifizierungs- und Erfassungssystem für Tiere beinhaltet“(27 ). Darüber hinaus stelle ich für alle Fälle fest, dass diese Konzeption und Zielsetzung des LIPS durch die Verordnung (EG) Nr. 73/2009(28 ), mit der die Verordnung Nr. 1782/2003 aufgehoben und ersetzt wurde, sowie durch alle ihr nachfolgenden Verordnungen übernommen wurden(29 ).
75. Dementsprechend hat Art. 20 der Verordnung Nr. 1782/2003 unter Berücksichtigung seines Wortlauts, des Zusammenhangs, in dem er steht, seines Zwecks und seiner Entstehungsgeschichte das Ziel, die Art und Weise der Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen als Bestandteil des integrierten Systems der Verwaltung und der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Verwendung der Unionsmittel zu regeln und so zum Schutz der finanziellen Interessen der Union beizutragen, und ist nicht in der Weise konzipiert worden, dass er eine unionsrechtliche Vorschrift aufstellt, die dem Einzelnen Rechte verleiht. Seine Bestimmungen, die die Einführung des Systems zur Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen, der Schlüsselelemente des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems betreffen, sollen dessen ordnungsgemäße Funktionsweise gewährleisten und es den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten so ermöglichen, ihren Verpflichtungen der wirksamen Verwaltung und Kontrolle der Beihilfeanträge nachzukommen.
76. Dieses Ergebnis wird meines Erachtens nicht durch das von der Kommission durchgeführte Audit AA/2008/24 in Frage gestellt, auf das BX in seinem Vorbringen verweist, um hervorzuheben, dass die Schlussfolgerung des Regionalgerichts Bukarest falsch gewesen sei. Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen geltend gemacht hat, ließ sich durch dieses Audit nämlich feststellen, dass das System zur Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen in Rumänien lückenhaft war, was zu finanziellen Korrekturen führte. Eine solche Untersuchung betrifft jedoch aufgrund ihrer Art nur das Verhältnis zwischen der Union und Rumänien und zielt ausschließlich darauf ab, die finanziellen Risiken für die Mittel der Union zu ermitteln. Somit lässt sich aus diesem Audit nicht ableiten, dass die Kommission davon ausgegangen ist, dass Art. 20 der Verordnung Nr. 1782/2003 die individuellen Rechte der Betriebsinhaber schütze.
77. Folglich schlage ich vor, auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 nicht dahin ausgelegt werden kann, dass er bezweckt, dem Einzelnen und insbesondere demjenigen, der Direktzahlungen beantragt, Rechte zu verleihen.
C. Zur zweiten Vorlagefrage
78. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 dahin auszulegen ist, dass der in dieser Bestimmung geregelte Begriff „sachlich richtige Angaben“ sowohl die richtige Angabe der Flächen durch den Betriebsinhaber als auch die korrekte Identifizierung der genutzten Parzelle und ihrer Grenzen durch ihn umfasst.
79. Es sei daran erinnert, dass der Antrag von BX auf der Grundlage von Art. 138 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1973/2004 von den Direktzahlungen ausgeschlossen wurde, weil BX eine ursprüngliche Anmeldung mit einer gegenüber den tatsächlichen Gegebenheiten um 46,56 % größeren Fläche abgegeben hatte(30 ). BX bestreitet, eine solche Übererklärung abgegeben zu haben. Die ihm zur Last gelegte Übererklärung sei nämlich der APIA Argeș zuzurechnen, die ihm topografische Karten zur Verfügung gestellt habe, die nicht hinreichend genau gewesen seien und daher nicht den in Art. 20 der Verordnung Nr. 1782/2003 vorgesehenen Anforderungen genügt hätten. Folglich habe er „sachlich richtige Angaben“ gemacht und treffe ihn jedenfalls „keine Schuld“, so dass bei ihm keine Kürzung bzw. kein Ausschluss der Beihilfe gemäß Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 hätte Anwendung finden dürfen.
80. Vorab erinnere ich daran, dass Art. 68 der Verordnung Nr. 796/2004 mit den Bestimmungen über die Ausnahmen von den insbesondere in Kapitel I („Feststellungen in Bezug auf die Beihilfevoraussetzungen“) dieser Verordnung vorgesehenen Kürzungen und Ausschlüssen von Beihilfezahlungen in seinem Abs. 1 vorsieht, dass die Kürzungen und Ausschlüsse von Zahlungen keine Anwendung finden, wenn der Betriebsinhaber der zuständigen Behörde „sachlich richtige Angaben vorgelegt hat oder auf andere Weise belegen kann, dass ihn keine Schuld trifft“(31 ). Denn nach dem 67. Erwägungsgrund dieser Verordnung „sollten [allgemein] Kürzungen und Ausschlüsse im Zusammenhang mit den Beihilfevoraussetzungen nicht angewendet werden, wenn der Betriebsinhaber sachlich richtige Angaben gemacht hat oder anderweitig nachweisen kann, dass ihn keine Schuld trifft“.
81. Was die Anwendung von Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 auf die Angaben in Bezug auf die Beihilfevoraussetzungen betrifft, ist diese Bestimmung in Verbindung mit Art. 12 der Verordnung zu lesen, der den Inhalt des vom Betriebsinhaber gestellten „Sammelantrags“ regelt(32 ), mit dem vom Betriebsinhaber nicht nur die für landwirtschaftliche Zwecke genutzten Flächen, sondern auch seine Zahlungsansprüche ausgewiesen werden(33 ). Nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 „[muss d]er Sammelantrag … alle zur Feststellung der Beihilfefähigkeit erforderlichen Informationen enthalten, insbesondere … die zweckdienlichen Angaben zur Identifizierung aller landwirtschaftlichen Parzellen des Betriebs, ihre Fläche ausgedrückt in Hektar mit zwei Dezimalstellen, ihre Lage und gegebenenfalls ihre Nutzung mit dem Hinweis, ob die Parzelle bewässert wird“(34 ).
82. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich somit eindeutig, dass sowohl die „richtige Angabe der Flächen durch den Betriebsinhaber“, soweit sie sich auf die „Fläche ausgedrückt in Hektar mit zwei Dezimalstellen“ bezieht, als auch die „korrekte Identifizierung der genutzten Parzelle und ihrer Grenzen“, soweit sie sich auf die „Identifizierung [der] landwirtschaftlichen Parzellen“ und „ihre Lage“ bezieht, zur Feststellung der Beihilfefähigkeit erforderliche Informationen sind. Diese Feststellung steht im Übrigen im Einklang mit dem Begriff „Identifizierung“ einer landwirtschaftlichen Parzelle, der ausschließlich die Identifizierung der Grenzen einer Parzelle bezeichnet und nicht die ihrer Fläche, die ihrerseits erst nach der korrekten Identifizierung der Grenzen dieser Parzelle ermittelt werden kann. Mit anderen Worten schließt die korrekte Identifizierung einer landwirtschaftlichen Parzelle – vorbehaltlich eines Rechenfehlers –zwangsläufig die richtige Angabe der Flächen ein.
83. In Anbetracht der im Ausgangsverfahren gegebenen Umstände scheint es mir allerdings erforderlich zu sein, den Bereich dieser Frage zu erweitern und zu prüfen, ob ein Betriebsinhaber, der der zuständigen nationalen Behörde falsche Angaben übermittelt hat, gleichwohl einer Kürzung bzw. einem Ausschluss der Beihilfe gemäß Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 entgehen kann, wenn er nachweist, dass ihn „keine Schuld“ trifft, da der von dieser Behörde festgestellte Fehler ihm nicht zuzurechnen ist.
84. Die mit der Zurechenbarkeit des Verstoßes verknüpfte Frage hängt insoweit von den Besonderheiten des Einzelfalls ab. So könnte der Umstand, dass eine Behörde wie die APIA dem Beihilfeantragsteller unrichtige oder nicht hinreichend genaue Unterlagen zur Verfügung gestellt hätte, die es ihm nicht ermöglicht hätten, die Parzellen, die er nutzen wolle, zu lokalisieren und exakt abzugrenzen, diesen Betriebsinhaber von jeglicher „Schuld“ befreien, wenn er darzutun vermag, dass er über keinen anderen, auf andere Katasterpläne und ‑unterlagen oder anderes Kartenmaterial gestützten Beweis verfügte, anhand dessen er diese Parzellen hätte identifizieren oder lokalisieren können. In Anbetracht der von mir vorgeschlagenen Antwort auf die erste Vorlagefrage ist den Bestimmungen über das „integrierte System“ der Verordnung Nr. 1782/2003 jedoch nicht zu entnehmen, dass sie diesem Betriebsinhaber ein wie auch immer geartetes Recht verleihen, das es ihm ermöglicht, den Nachweis der Lage und der Fläche seiner Parzellen mittels im Besitz der zuständigen nationalen Behörde befindlicher Unterlagen zu führen.
85. In Bezug auf den in der Vorlageentscheidung dargestellten Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits stelle ich zunächst zur Beurteilung der Natur der „sachlich richtigen Angaben“ fest, dass, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, die Parzellen, die der beihilfefähigen Fläche für jeden Zahlungsanspruch entsprechen, dem Betriebsinhaber zur Verfügung stehen müssen(35 ), da eine solche Fläche dann zu seinem Betrieb gehört, wenn er befugt ist, sie zum Zwecke der Ausübung einer landwirtschaftlichen Tätigkeit zu verwalten(36 ). Der Landwirt muss hinsichtlich dieser Fläche über eine hinreichende Selbständigkeit verfügen, wobei es Sache des vorlegenden Gerichts ist, dies anhand aller Umstände des vorliegenden Falles zu prüfen(37 ). Darüber hinaus dürfen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die streitigen Flächen in dieser Zeit nicht von einem Dritten landwirtschaftlich genutzt werden . Um zu verhindern, dass mehrere Landwirte geltend machen, dass die betreffenden Parzellen zu ihrem Betrieb gehören, ist es nämlich erforderlich, dass diese Flächen in dieser Zeit nicht im Sinne der Betriebsprämienregelung dem Betrieb anderer Landwirte zugeordnet werden können(38 ).
86. Im vorliegenden Fall ist zum einen der Vorlageentscheidung zu entnehmen, dass die Fläche, die BX vom Grundstückseigentümer gepachtet hatte, kleiner war als die, die er angemeldet hatte. Wusste BX, dass die tatsächlich genutzte Fläche größer war als die, die er aufgrund des mit dem Grundstückseigentümer geschlossenen Pachtvertrags innehatte, hätte er dafür gegenüber der APIA Argeș den Nachweis führen müssen. Ich stelle indes fest, dass BX es versäumt hat, in seinen Erklärungen eine Tatsache anzugeben, die jedoch von wesentlicher Bedeutung war, und zwar die richtige Fläche, obwohl er hätte vorhersehen müssen und können, dass einige der angemeldeten Flächen vom Eigentümer oder anderen Personen genutzt würden. Außerdem betraf die Übererklärung im vorliegenden Fall nicht etwa eine geringfügige, gegebenenfalls hinnehmbare oder entschuldbare Abweichung, sondern einen Unterschied von über 80 ha, wobei kaum vorstellbar ist, dass es sich um landwirtschaftliche Parzellen handelt, die zum Betrieb eines Landwirts gehören, der zu deren Verwaltung im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit verpflichtet ist. Zum anderen macht BX zwar Fehler in den ihm von der APIA Argeș zur Verfügung gestellten topografischen Karten geltend, doch erfolgten ausweislich der Verfahrensakte sowohl die ursprüngliche Anmeldung als auch die Erklärung der Flächenänderung auf der Grundlage derselben Karten der APIA.
87. Daher schlage ich vor, auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 in Verbindung mit Art. 12 dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass der in der erstgenannten Bestimmung enthaltene Begriff „sachlich richtige Angaben“ in Bezug auf die Kriterien der Beihilfefähigkeit alle für die Feststellung dieser Beihilfefähigkeit erforderlichen Informationen betrifft und insbesondere sowohl die richtige Angabe der Flächen durch den Betriebsinhaber als auch die korrekte Identifizierung der genutzten Parzelle und ihrer Grenzen durch ihn umfasst.
D. Zur dritten Vorlagefrage
88. Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob unter den im Ausgangsverfahren gegebenen Umständen die Tatsache, dass es dem Gerichtshof nicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV eine Frage zur Vorabentscheidung in Bezug auf die Auslegung von Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 vorgelegt hat, ein offenkundiger Verstoß gegen das Unionsrecht ist, der die Haftung des betreffenden Mitgliedstaats für den Schaden, den die Entscheidung dieses Gerichts verursacht haben soll, auslösen kann.
89. Mit anderen Worten ersucht das vorlegende Gericht in dem Bestreben, sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, Richter und zugleich Partei zu sein, darum, der Sache nach über die Frage zu entscheiden, ob seine Entscheidungen vom 2. und 9. April 2023 offenkundig gegen das Unionsrecht verstoßen haben(39 ).
90. Einleitend halte ich es für sachdienlich, daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Haftung eines Mitgliedstaats für Schäden, die durch die unionsrechtswidrige Entscheidung eines in letzter Instanz entscheidenden Gerichts verursacht wurden, dieselben Voraussetzungen gelten wie für die Haftung eines Mitgliedstaats (siehe Nr. 62 der vorliegenden Schlussanträge)(40 ).
91. Was des Näheren die zweite dieser Voraussetzungen angeht, auf die die dritte Vorlagefrage Bezug nimmt und nach der der Verstoß gegen die Unionsrechtsnorm hinreichend qualifiziert sein muss, hatte der Gerichtshof bereits Gelegenheit, klarzustellen, dass der Staat für eine Rechtsprechungstätigkeit nur in dem Ausnahmefall haftet, in dem das letztinstanzliche nationale Gericht offenkundig gegen das geltende Recht verstoßen hat. Bei der Entscheidung darüber, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht vorliegt, sind alle Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die für den dem nationalen Gericht vorgelegten Sachverhalt kennzeichnend sind. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gehören daher zu den Gesichtspunkten, die insoweit berücksichtigt werden können, u. a. das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, der Umfang des Beurteilungsspielraums, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden belässt, die Frage, ob der Verstoß oder der Schaden vorsätzlich oder unbeabsichtigt begangen bzw. zugefügt wurde, die Entschuldbarkeit oder Unentschuldbarkeit eines etwaigen Rechtsirrtums, der Umstand, dass die Verhaltensweisen eines Unionsorgans möglicherweise dazu beigetragen haben, dass unionsrechtswidrige nationale Maßnahmen oder Praktiken eingeführt oder aufrechterhalten wurden, und die Verletzung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV durch das in Rede stehende Gericht(41 ).
92. Zu dieser in der dritten Vorlagefrage ausdrücklich angesprochenen Vorlagepflicht weise ich darauf hin, dass gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet ist, wenn sich in einem bei ihm anhängigen Verfahren eine Vorabentscheidungsfrage stellt(42 ).
93. Diese Pflicht hat jedoch keine absolute Geltung.
94. Denn nach den im Urteil Cilfit und durch eine nachfolgende ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs gezogenen Grenzen(43 ) kann ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, von dieser Vorlagepflicht befreit werden, wenn es unter Angabe von Gründen festgestellt hat, dass die aufgeworfene Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die Vorschrift des Unionsrechts bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Auslegung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. die Doktrin des „acte éclairé“ bzw. die des „acte clair“)(44 ).
95. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof im Urteil CIM festgestellt, dass sich aus dem mit Art. 267 AEUV eingeführten System unter Berücksichtigung von Art. 47 Abs. 2 der Charta ergibt, dass dann, wenn ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, annimmt, dass es von der in Art. 267 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Pflicht, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen, befreit ist, weil bei ihm einer der in der vorstehenden Nummer der vorliegenden Schlussanträge genannten drei Fälle vorliegt, die Begründung seiner Entscheidung entweder erkennen lassen muss, dass die aufgeworfene unionsrechtliche Frage für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht erheblich ist oder dass sich die Auslegung der betreffenden Unionsrechtsvorschrift auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs stützt oder – wenn es keine solche Rechtsprechung gibt – dass die Auslegung des Unionsrechts für das in letzter Instanz entscheidende einzelstaatliche Gericht derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt(45 ). Allerdings ist im Allgemeinen eine solche Entscheidung des einzelstaatlichen Gerichts anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Erlasses zu beurteilen(46 ). Zwar ist das einzelstaatliche Gericht verpflichtet, seine Entscheidungen zu begründen, da aber die im Urteil CIM formulierte Pflicht zur expliziten Begründung erst vom 6. Oktober 2021 an ausdrücklich herausgearbeitet wurde, kann diese Verpflichtung den einzelstaatlichen Gerichten meines Erachtens erst ab diesem Zeitpunkt entgegengehalten werden(47 ).
96. Anhand dieser vom Gerichtshof herausgearbeiteten Grundsätze ist zu prüfen, ob im vorliegenden Fall das Berufungsgericht Bukarest als letztinstanzliches Gericht zum einen durch seine Entscheidung, den Gerichtshof nicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV um Vorabentscheidung zu ersuchen, und zum anderen durch die Verletzung seiner Pflicht, diese Entscheidung zu begründen, offenkundig gegen das Unionsrecht verstoßen hat.
97. Hierzu weise ich darauf hin, dass die dritte Vorlagefrage, so wie sie das vorlegende Gericht formuliert hat, sich sinngemäß nur auf angebliche Verstöße gegen die Pflicht zur Vorlage sowie die Pflicht, deren Ablehnung zu begründen, im Hinblick auf die Auslegung von Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 bezieht. Es hat indes den Anschein, dass BX auch einen Antrag auf Auslegung von Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 gestellt hat(48 ). Deshalb schlage ich vor, diese Frage dahin zu auszuweiten, dass sie auch diesen Gesichtspunkt erfasst. Im Übrigen besteht im vorliegenden Fall zwischen diesen beiden Bestimmungen eine offensichtliche und enge Verbindung, da die Art. 20 betreffende Unrichtigkeit der topografischen Karten zu den Gründen gehört, die BX geltend gemacht hat, um die Anwendung von Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 zu rechtfertigen.
98. Was als Erstes die Vorlagepflicht in Bezug auf die Auslegung von Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 betrifft , geht aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte hervor, dass sich das Berufungsgericht Bukarest in seinem Beschluss vom 2. April 2012 darauf beschränkt hat, den Antrag auf Vorlage mit der Feststellung abzulehnen, dass die von BX aufgeworfenen Gesichtspunkte „keiner“ Vorlage zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV „bedürften“, ohne anzugeben, aus welchen Gründen es diesen verfahrensrechtlichen Standpunkt vertrat(49 ). Dem Anschein nach ist es daher stillschweigend davon ausgegangen, dass diese Auslegung nicht erheblich sei, und zwar wahrscheinlich deshalb, weil Art. 20 Abs. 1 dieser Verordnung nicht die Haftung des rumänischen Staates begründen könne, da er dem Einzelnen keine Rechte verleihe(50 ). Hierzu stelle ich fest, dass das Berufungsgericht Bukarest hätte angeben müssen, aus welchen Gründen es davon ausgegangen ist, dass es nach Maßgabe der mit dem Urteil Cilfit anerkannten Ausnahmen von der Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof befreit sei, da Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 noch nicht vom Gerichtshof ausgelegt wurde und es daher grundsätzlich nicht von seiner Pflicht zur Befassung des Gerichtshofs befreit war(51 ). Wie bereits ausgeführt sollte die fehlende „Erforderlichkeit“ hier jedoch als fehlende „Erheblichkeit“ aufgefasst werden. Die Beurteilung des Kriteriums der „Erheblichkeit“ fällt indes – anders als die Beurteilung der beiden anderen Kriterien im Rahmen der Doktrin des „acte clair“ bzw. „éclairé“ – in die alleinige Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts(52 ). Somit hat das vorlegende Gericht zum einen zu prüfen, ob die Gründe des Beschlusses vom 2. April 2012 in Verbindung mit denen des Urteils vom 9. April 2012 hinreichend deutlich haben erkennen lassen, aus welchen Gründen es für die Schadensersatzklage keiner Auslegung von Art. 20 Abs. 1 dieser Verordnung „bedurfte“, und zum anderen zu prüfen, ob die fehlende „Erforderlichkeit“ einer Auslegung dieses Art. 20 Abs. 1 stichhaltig ist, insbesondere im Hinblick darauf, dass das Argument, das BX aus dieser Bestimmung herleiten wollte, sinngemäß ins Leere gehe und daher im vorliegenden Fall nicht einschlägig sei.
99. Selbst unterstellt, das Berufungsgericht Bukarest hätte dadurch, dass es die Vorlage zur Vorabentscheidung unterlassen oder seine Entscheidung nicht hinreichend begründet hat, gegen Art. 267 AEUV verstoßen, könnte meines Erachtens ein solcher Verstoß jedenfalls nicht als „offenkundig“ gekennzeichnet werden. Da nämlich zum einen – wie aus Nr. 95 der vorliegenden Schlussanträge hervorgeht – die mit den im Urteil CIM entwickelten Anforderungen in Einklang stehende Begründungspflicht vom Gerichtshof erst mehrere Jahre nach dem Erlass der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Entscheidungen festgeschrieben wurde, kann sie meiner Meinung nach dem Berufungsgericht Bukarest nicht im strengen Sinne entgegengehalten werden und erst recht keinen offenkundigen Verstoß gegen das Unionsrecht wegen fehlender Begründung begründen. Zum anderen verleiht – wie der von mir vorgeschlagenen Antwort auf die erste Vorlagefrage zu entnehmen ist – Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 dem Einzelnen keine Rechte. Mithin fällt die vom Berufungsgericht Bukarest vorgeschlagene Auslegung mit diesem Standpunkt zusammen und hätte nicht dazu beigetragen, dass unionsrechtswidrige nationale Maßnahmen oder Praktiken eingeführt oder aufrechterhalten wurden.
100. Was als Zweites die Vorlagepflicht in Bezug auf die Auslegung von Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 betrifft , ist in Ermangelung einer Auslegung dieser Bestimmung durch den Gerichtshof mit dem Regionalgericht Bukarest festzustellen, dass das Berufungsgericht Bukarest in die Gründe des Beschlusses, mit dem es den Antrag auf Anrufung des Gerichtshofs abgelehnt hat, mehr Anhaltspunkte hätte aufnehmen müssen(53 ), um dem mit einer Haftungsklage gegen den rumänischen Staat befassten Gericht die Prüfung zu ermöglichen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 267 Abs. 3 AEUV erfüllt waren. Unter diesen Umständen und da feststeht, dass Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 dem Einzelnen Rechte verleiht, ließe sich vertreten, dass die erste Voraussetzung für den Eintritt der Haftung im Zusammenhang mit dem Verstoß gegen eine Unionsrechtsvorschrift erfüllt ist.
101. Im Einklang mit der vorstehenden Würdigung und im Licht des Urteils Köbler und der nachfolgenden Rechtsprechung des Gerichtshofs(54 ) kann dieser Begründungsmangel meines Erachtens jedoch keinen offenkundigen oder hinreichend schweren Verstoß gegen das Unionsrecht darstellen, um die Haftung des rumänischen Staates auszulösen. Denn erstens beruft sich BX auf Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 ausgehend von der Behauptung, dass ein Verstoß gegen Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 vorliege. Nachdem aber im vorliegenden Fall das Berufungsgericht Bukarest keinen solchen Verstoß festgestellt hat, scheint mir die Annahme, dass es keiner Auslegung von Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 „bedürfe“, von vornherein konsistent und gewiss kein „offenkundiger Verstoß gegen das geltende Recht“, d. h. die Verordnung Nr. 796/2004 und die Verordnung Nr. 1782/2003, oder die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu diesen Verordnungen zu sein(55 ), da es in der vorliegenden Rechtssache kein Urteil des Gerichtshofs gab, in dem die in Rede stehenden Unionsrechtsbestimmungen ausgelegt werden. Zweitens ist das Berufungsgericht Bukarest dem Akteninhalt zufolge im vorliegenden Fall davon ausgegangen, dass die korrekte Auslegung und Anwendung von Art. 68 der Verordnung Nr. 796/2004 derart offenkundig sei, dass im Sinne der in Nr. 94 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung für „einen vernünftigen Zweifel keinerlei“ Raum bleibe. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts fiel die Situation von BX nicht unter die in Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 angesprochenen Fälle, da er ursprünglich eine bestimmte Fläche angemeldet und davon anschließend 84,09 ha zurückgenommen habe, obwohl sich an der Grundstückssituation nichts geändert habe, er aber auch die genaue von ihm genutzte Fläche hätte kennen und zutreffend anmelden können und müssen. Folglich scheint das in letzter Instanz entscheidende vorlegende Gericht nicht offenkundig gegen das Unionsrecht verstoßen zu haben, als es im Rahmen seines Beurteilungsspielraums davon ausgegangen ist, dass es sich in einer Situation befinde, die es ihm erlaube, von der Befassung des Gerichtshofs mit einer Vorabentscheidungsfrage nach der Auslegung von Art. 68 der Verordnung Nr. 796/2004 abzusehen, da die Antwort seiner Ansicht nach offenkundig war.
102. Daher schlage ich vor, auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass die Tatsache, dass das vorlegende Gericht unter den im Ausgangsverfahren gegebenen Umständen dem Gerichtshof nicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV eine Frage zur Vorabentscheidung in Bezug auf die Auslegung von Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 vorgelegt hat, vorbehaltlich einer abschließenden Beurteilung durch dieses Gericht, kein offenkundiger Verstoß gegen das Unionsrecht zu sein scheint, der die Haftung des betreffenden Mitgliedstaats auslösen kann.
V. Ergebnis
103. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen der Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien) wie folgt zu antworten:
1. Art. 20 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 2019/93, (EG) Nr. 1452/2001, (EG) Nr. 1453/2001, (EG) Nr. 1454/2001, (EG) Nr. 1868/94, (EG) Nr. 1251/1999, (EG) Nr. 1254/1999, (EG) Nr. 1673/2000, (EWG) Nr. 2358/71 und (EG) Nr. 2529/2001 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1009/2008 des Rates vom 9. Oktober 2008 geänderten Fassung
ist dahin auszulegen,
dass diese Bestimmung nicht bezweckt, dem Einzelnen und insbesondere demjenigen, der Direktzahlungen beantragt, Rechte zu verleihen.
2. Art. 68 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, zur Modulation und zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem nach der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe in der durch die Verordnung (EG) Nr. 381/2007 der Kommission vom 4. April 2007 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 12 dieser Verordnung
ist dahin auszulegen,
dass der in der erstgenannten Bestimmung enthaltene Begriff „sachlich richtige Angaben“ sowohl die richtige Angabe der Flächen durch den Betriebsinhaber als auch die korrekte Identifizierung der genutzten Parzelle und ihrer Grenzen durch ihn umfasst.
3. Art. 267 AEUV
ist dahin auszulegen,
dass die Tatsache, dass das vorlegende Gericht unter den im Ausgangsverfahren gegebenen Umständen dem Gerichtshof keine Frage zur Vorabentscheidung über die Auslegung von Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 796/2004 in der durch die Verordnung Nr. 381/2007 geänderten Fassung vorgelegt hat, vorbehaltlich einer abschließenden Beurteilung durch dieses Gericht, kein offenkundiger Verstoß gegen das Unionsrecht zu sein scheint, der die Haftung des betreffenden Mitgliedstaats auslösen kann.