Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Erste erweiterte Kammer)
23. Juli 2025(* )
„ Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen – Einfrieren von Geldern – Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen, deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren werden – Belassung des Namens des Klägers auf der Liste – Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145/GASP – Beurteilungsfehler – Verteidigungsrechte – Verhältnismäßigkeit “
In der Rechtssache T‑1095/23
OT , vertreten durch J.‑P. Hordies und P. Blanchetier, Avocats,
Kläger,
gegen
Rat der Europäischen Union , vertreten durch V. Piessevaux und M.‑C. Cadilhac als Bevollmächtigte,
Beklagter,
erlässt
DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten R. Mastroianni, der Richterin M. Brkan (Berichterstatterin) sowie der Richter I. Gâlea, T. Tóth und S. L. Kalėda,
Kanzler: P. Núñez Ruiz, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere
– der am 21. November 2023 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,
– der Entscheidung vom 28. Februar 2024, mit der dem Antrag des Klägers auf Wahrung seiner Anonymität stattgegeben wurde,
– des am 18. Mai 2024 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Anpassungsschriftsatzes,
auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2025
folgendes
Urteil
1 Mit seiner Klage nach Art. 263 AEUV begehrt der Kläger, OT, die Nichtigerklärung erstens des Beschlusses (GASP) 2023/1767 des Rates vom 13. September 2023 zur Änderung des Beschlusses 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2023, L 226, S. 104), und der Durchführungsverordnung (EU) 2023/1765 des Rates vom 13. September 2023 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2023, L 226, S. 3) (im Folgenden zusammen: Rechtsakte vom September 2023), und zweitens, nach Anpassung der Klageschrift, des Beschlusses (GASP) 2024/847 des Rates vom 12. März 2024 zur Änderung des Beschlusses 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. L, 2024/847), und der Durchführungsverordnung (EU) 2024/849 des Rates vom 12. März 2024 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. L, 2024/849) (im Folgenden zusammen: Rechtsakte vom März 2024), soweit durch diese Rechtsakte (im Folgenden zusammen: angefochtene Rechtsakte) sein Name auf den Listen in ihrem Anhang belassen wird.
I. Vorgeschichte
2 Der Kläger ist zyprischer Staatsangehöriger.
3 Hintergrund der vorliegenden Rechtssache sind die von der Europäischen Union verabschiedeten restriktiven Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen.
4 Nach der Annexion der Krim durch die Russische Föderation erließ der Rat der Europäischen Union am 17. März 2014 auf der Grundlage von Art. 29 EUV den Beschluss 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2014, L 78, S. 16).
5 Am selben Tag erließ der Rat auf der Grundlage von Art. 215 Abs. 2 AEUV die Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2014, L 78, S. 6).
6 Am 25. Februar 2022 erließ der Rat angesichts der sehr ernsten Lage in der Ukraine zum einen den Beschluss (GASP) 2022/329 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2022, L 50, S. 1) und zum anderen die Verordnung (EU) 2022/330 zur Änderung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2022, L 51, S. 1), um insbesondere die Kriterien zu ändern, anhand deren natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen den betreffenden restriktiven Maßnahmen unterworfen werden konnten.
7 Art. 2 Abs. 1 und 2 des Beschlusses 2014/145 in der durch den Beschluss 2022/329 geänderten Fassung sieht vor:
„(1) Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Besitz oder im Eigentum stehen oder gehalten oder kontrolliert werden von:
…
d) natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die russische Entscheidungsträger, die für die Annexion der Krim oder die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sind, materiell oder finanziell unterstützen oder von diesen profitieren;
…
g) führenden Geschäftsleuten oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die in Wirtschaftssektoren tätig sind, die eine wesentliche Einnahmequelle für die Regierung der Russischen Föderation, die für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich ist, darstellen,
… werden eingefroren.
(2) Den im Anhang aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugute kommen.“
8 Die Modalitäten des Einfrierens von Geldern werden in den weiteren Absätzen von Art. 2 des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung festgelegt.
9 Die Verordnung Nr. 269/2014 in der durch die Verordnung 2022/330 geänderten Fassung sah die Annahme von Maßnahmen des Einfrierens von Geldern vor und regelte die Modalitäten dieses Einfrierens im Wesentlichen wortgleich mit dem Beschluss 2014/145 in geänderter Fassung. Insbesondere wurde in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bis g der Verordnung im Wesentlichen Art. 2 Abs. 1 Buchst. a bis g des Beschlusses übernommen.
10 Durch den Beschluss (GASP) 2022/429 des Rates vom 15. März 2022 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2022, L 87 I, S. 44) und die Durchführungsverordnung (EU) 2022/427 des Rates vom 15. März 2022 zur Durchführung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2022, L 87 I, S. 1) (im Folgenden: ursprüngliche Rechtsakte) wurde der Name des Klägers den Listen im Anhang des Beschlusses 2014/145 und der Verordnung Nr. 269/2014 (im Folgenden: streitige Listen) hinzugefügt.
11 Am 13. April 2022 übermittelte der Rat dem Kläger das Dossier WK 3073/2022 INIT.
12 Im Beschluss (GASP) 2022/1530 des Rates vom 14. September 2022 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2022, L 239, S. 149) und im Beschluss (GASP) 2023/572 des Rates vom 13. März 2023 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2023, L 75 I, S. 134) sowie in der Durchführungsverordnung (EU) 2022/1529 des Rates vom 14. September 2022 zur Durchführung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2022, L 239, S. 1) und in der Durchführungsverordnung (EU) 2023/571 des Rates vom 13. März 2023 zur Durchführung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2023, L 75 I, S. 1) beließ der Rat den Namen des Klägers auf den streitigen Listen.
13 Mit Schreiben vom 22. Dezember 2022 übermittelte der Rat dem Kläger das Dossier WK 17621/2022 INIT.
14 Mit Schreiben vom 9. Mai 2023 stellte der Kläger beim Rat einen Antrag auf Überprüfung.
15 Am 5. Juni 2023 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2023/1094 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2023, L 146, S. 20) und die Verordnung (EU) 2023/1089 zur Änderung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2023, L 146, S. 1).
16 Durch den Beschluss 2023/1094 wurden die Kriterien für die Aufnahme der Namen der vom Einfrieren von Geldern betroffenen Personen geändert. Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 erhielt folgende Fassung:
„g) in Russland tätigen führenden Geschäftsleuten und ihren unmittelbaren Familienangehörigen oder anderen natürlichen Personen, die von ihnen profitieren, oder Geschäftsleuten, juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die in Bereichen der Wirtschaft tätig sind, die der Regierung der Russischen Föderation, die für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich ist, als wichtige Einnahmequelle dienen …“
17 Die Verordnung Nr. 269/2014 wurde durch die Verordnung 2023/1089 entsprechend geändert.
18 Mit Schreiben vom 19. Juni 2023 teilte der Rat dem Kläger mit, dass er beabsichtige, seinen Namen aus geänderten Gründen auf den streitigen Listen zu belassen.
19 Mit Schreiben vom 29. Juni 2023 stellte der Kläger beim Rat einen neuen Antrag auf Überprüfung.
20 Mit Schreiben vom 5. Juli 2023 stellte der Kläger auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) einen Antrag auf Zugang zu den Akten des Rates, um Dokumente zu erhalten, aus denen hervorgeht, welche Mitgliedstaaten die Initiative für den Vorschlag zur Aufnahme seines Namens in die streitigen Listen ergriffen haben.
21 Mit Schreiben vom 10. Juli 2023 übermittelte der Rat dem Kläger das Dossier WK 5142/2023 INIT vom 20. April 2023 mit Informationen zum Geschäftsumfeld und zur Wirtschaft Russlands.
22 Mit Schreiben vom 18. August 2023 übermittelte der Rat dem Kläger das Dossier WK 10555/2023 INIT vom 14. August 2023 sowie das Dossier WK 5142/2023 ADD 1 vom 16. August 2023 mit zusätzlichen Informationen zum Geschäftsumfeld und zur Wirtschaft Russlands.
23 Mit Schreiben vom 28. August 2023 legte der Rat dem Kläger in Beantwortung des auf die Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Antrags auf Akteneinsicht eine Reihe von Dokumente offen und wies darauf hin, dass die Offenlegung einiger anderer Dokumente wegen des Schutzes personenbezogener Daten und der internationalen Beziehungen, insbesondere bei den Dossiers WK 10524/2023 vom 9. August 2023 und WK 10524/2023 REV 1 vom 10. August 2023, nicht in Betracht komme.
24 Mit Schreiben vom 29. August 2023 stellte der Kläger einen neuen Antrag auf Überprüfung, mit dem er auch um die Übermittlung des im Schreiben des Rates vom 18. August 2023 erwähnten, aber nicht mit diesem Schreiben übermittelten Dossiers WK 10524/23 REV 1 ersuchte.
25 Mit Schreiben vom 1. September 2023 stellte der Kläger auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 einen Zweitantrag auf Zugang zu Dokumenten.
26 Als die Rechtsakte vom September 2023 erlassen wurden, wurde der Name des Klägers aus folgenden Gründen auf den streitigen Listen belassen:
„[Der Kläger] ist ein Großaktionär des Alfa Group Consortium, zu dem mit der Alfa Bank auch einer der größten Steuerzahler Russlands gehört. Er gilt als eine der einflussreichsten Personen in Russland. Er unterhält gute Beziehungen zum Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Putin. Wladimir Putin belohnte die Loyalität der Alfa Group gegenüber der Regierung Russlands mit politischer Unterstützung für Pläne der Gruppe für ausländische Investitionen.
Die Versicherungsgesellschaft AlfaStrakhovanie, Tochtergesellschaft des Alfa Group Consortium, bietet Versicherungen für die Fahrzeuge der Personenschützer des Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Putin sowie für Fahrzeuge des Föderalen Dienstes der Nationalgarde der Russischen Föderation (Rosgvardia), dessen Einheiten in den besetzten Regionen der Ukraine unter russischer Kontrolle operieren. Darüber hinaus arbeitet die X5 Retail Group, eine weitere Tochtergesellschaft des Alfa Group Consortium, mit JSC Voentorg zusammen, einer restriktiven Maßnahmen unterliegenden Organisation, die den Streitkräften der Russischen Föderation Catering- und Wäschereidienstleistungen erbringt sowie Militäruniformen liefert und deren Tochterunternehmen T‑Shirts mit dem militärischen Symbol ‚Z‘ verkauft, das von russischen Propagandisten verwendet wird, um den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zu propagieren. Dadurch hat [der Kläger] russische Entscheidungsträger, die für die Annexion der Krim oder die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sind, materiell oder finanziell aktiv unterstützt oder von diesen profitiert. Er ist außerdem einer der führenden in Russland tätigen Geschäftsleute und in Bereichen der Wirtschaft tätig, die der Regierung der Russischen Föderation, die für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich ist, als wichtige Einnahmequelle dienen.“
27 Mit Schreiben vom 15. September 2023 teilte der Rat dem Kläger mit, dass sein Name auf den streitigen Listen belassen werde, und beantwortete seine Anträge auf Überprüfung.
28 Mit Schreiben vom 23. Oktober 2023 legte der Rat dem Kläger in Beantwortung des Zweitantrags des Klägers eine Reihe von Dokumenten offen und wies darauf hin, dass der Zugang zu anderen Dokumenten, insbesondere den Dossiers WK 10524/2023 und WK 10524/2023 REV 1, auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter Gedankenstrich und Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 verweigert werde.
29 Mit Schreiben vom 26. Oktober 2023 übermittelte der Rat dem Kläger das Dossier WK 10524/2023 REV 1.
30 Die oben in Rn. 10 erwähnten Rechtsakte vom 15. März 2022 und die oben in Rn. 12 erwähnten Rechtsakte vom 14. September 2022 waren Gegenstand einer Nichtigkeitsklage, die mit Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat (T‑193/22, EU:T:2023:716), abgewiesen wurde.
II. Nach Klageerhebung eingetretene Ereignisse
31 Mit Schreiben vom 8. Februar 2024 teilte der Rat dem Kläger mit, dass er beabsichtige, dessen Namen auf den streitigen Listen zu belassen, und übermittelte ihm das Dossier WK 1303/2024 INIT vom 29. Januar 2024 sowie das Dossier WK 5142/2023 ADD 2 vom 29. Januar 2024 mit zusätzlichen Informationen zum Geschäftsumfeld und zur Wirtschaft Russlands.
32 Mit Schreiben vom 18. Februar 2024 stellte der Kläger beim Rat den Antrag, die Belassung seines Namens auf den streitigen Listen zu überprüfen.
33 Mit Schreiben vom 21. Februar 2024 wies der Rat den Kläger darauf hin, dass er beabsichtige, seinen Namen auf den streitigen Listen zu belassen.
34 Mit Schreiben vom 27. Februar 2024 stellte der Kläger beim Rat den Antrag, die Belassung seines Namens auf den streitigen Listen zu überprüfen.
35 In den Rechtsakten vom März 2024 wurde der Name des Klägers aus folgenden Gründen auf den streitigen Listen belassen:
„[Der Kläger] ist Großaktionär des Konsortiums Alfa Group. Er gehört zu den einflussreichsten Personen in Russland. Wladimir Putin belohnte die Loyalität der Alfa Group gegenüber der Regierung Russlands mit politischer Unterstützung für Pläne der Gruppe für ausländische Investitionen.
Die Versicherungsgesellschaft AlfaStrakhovanie, eine Tochtergesellschaft von Alfa Group Consortium, bietet Versicherungen für die Fahrzeuge der Personenschützer des Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Putin sowie für Fahrzeuge des Föderalen Dienstes der Nationalgarde der Russischen Föderation (Rosgvardia), dessen Einheiten in den besetzten Regionen der Ukraine unter russischer Kontrolle operieren.
AlfaStrakhovanie hat Versicherungen für Unternehmen wie JSC Kalashnikov Concern und Central Scientific – Research Institute for Precision Machine Engineering (TsNIITochMash) abgeschlossen, deren Waffen vom russischen Militär in der Ukraine weithin eingesetzt werden, so auch bei den Gräueltaten in Butscha.
Darüber hinaus arbeitet die X5 Retail Group, eine weitere Tochtergesellschaft von Alfa Group Consortium, mit JSC Voentorg zusammen, einer restriktiven Maßnahmen unterliegenden Organisation, die den Streitkräften der Russischen Föderation Catering- und Wäschereidienstleistungen erbringt sowie Militäruniformen liefert und deren Tochterunternehmen T‑Shirts mit dem militärischen Symbol ‚Z‘ verkauft, das von russischen Propagandisten verwendet wird, um den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zu propagieren. Dadurch hat [der Kläger] russische Entscheidungsträger, die für die Annexion der Krim oder die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sind, materiell oder finanziell aktiv unterstützt oder von diesen profitiert.
Er ist außerdem einer der führenden in Russland tätigen Geschäftsleute und in Wirtschaftsbereichen tätig, die der Regierung der Russischen Föderation, die für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich ist, als wichtige Einnahmequelle dienen.“
36 Mit Schreiben vom 15. März 2024 teilte der Rat dem Kläger mit, dass sein Name auf den streitigen Listen belassen werde, und beantwortete seine Anträge auf Überprüfung.
37 Mit Schreiben vom 10. April 2024 stellte der Kläger im Anschluss an die Verkündung der Urteile vom 10. April 2024, Aven/Rat (T‑301/22, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:214), und vom 10. April 2024, Fridman/Rat (T‑304/22, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:215), einen Antrag auf Überprüfung.
38 Die oben in Rn. 12 erwähnten Rechtsakte vom 13. März 2023 waren Gegenstand einer Nichtigkeitsklage, die mit Urteil vom 11. September 2024, OT/Rat (T‑286/23, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:606), abgewiesen wurde.
III. Anträge der Parteien
39 Der Kläger beantragt,
– die angefochtenen Rechtsakte für nichtig zu erklären, soweit sie ihn betreffen;
– dem Rat aufzugeben, seinen Namen von den streitigen Listen zu streichen;
– dem Rat die Kosten aufzuerlegen.
40 Der Rat beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.
IV. Rechtliche Würdigung
A. Zur Zuständigkeit des Gerichts für die Entscheidung über den zweiten Antrag des Klägers
41 Mit seinem zweiten Antrag ersucht der Kläger das Gericht, dem Rat aufzugeben, seinen Namen von den streitigen Listen zu streichen. Damit begehrt er folglich im Wesentlichen vom Gericht, dem Rat eine Anordnung zu erteilen.
42 Insoweit genügt der Hinweis, dass das Gericht im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle nach Art. 263 AEUV nicht befugt ist, den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union Anordnungen zu erteilen (vgl. Beschluss vom 26. Oktober 1995, Pevasa und Inpesca/Kommission, C‑199/94 P und C‑200/94 P, EU:C:1995:360, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 9. Juni 2021, Borborudi/Rat, T‑580/19, EU:T:2021:330, Rn. 34 [nicht veröffentlicht], und vom 8. März 2023, Prigozhina/Rat, T‑212/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:104, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung), auch wenn sie sich auf die Modalitäten der Durchführung seiner Urteile beziehen (Beschlüsse vom 22. September 2016, Gaki/Kommission, C‑130/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:731, Rn. 14, und vom 19. Juli 2016, Trajektna luka Split/Kommission, T‑169/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:441, Rn. 13).
43 Daraus folgt, dass das Gericht im Rahmen einer Klage nach Art. 263 AEUV auch im Fall einer Nichtigerklärung der Rechtsakte, mit denen restriktive Maßnahmen gegen eine natürliche Person, eine juristische Person, eine Organisation oder eine Einrichtung erlassen oder aufrechterhalten werden, nicht befugt ist, die Streichung des Namens dieser natürlichen Person, juristischen Person, Organisation oder Einrichtung von den streitigen Listen anzuordnen.
44 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der zweite Klageantrag wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen ist.
B. Zur Begründetheit
45 Der Kläger stützt seine Klage auf drei Klagegründe, mit denen er erstens einen Beurteilungsfehler, zweitens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und drittens eine Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf geltend macht.
46 Das Gericht hält es für angebracht, zunächst den dritten Klagegrund zu prüfen, mit dem eine Verletzung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gerügt wird, sodann den ersten Klagegrund, mit dem ein Beurteilungsfehler gerügt wird, und schließlich den zweiten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerügt wird.
1. Dritter Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte und des Anspruchs auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz
47 In einem ersten Schritt ist das Vorbringen des Klägers zu den Rechtsakten vom September 2023 zu prüfen und sodann in einem zweiten Schritt sein Vorbringen zu den Rechtsakten vom März 2024.
a) Zu den Rechtsakten vom September 2023
48 Der Kläger trägt vor, seine Verteidigungsrechte und sein Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz seien dadurch verletzt worden, dass der Rat ihm bestimmte Beweise nicht übermittelt habe, obwohl dies im Rahmen eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten verlangt worden sei.
49 Außerdem habe der Rat die in seinen Überprüfungsanträgen dargelegten Argumente nicht berücksichtigt, die Antworten auf diese Anträge nicht individualisiert, ihm keine umfassende, sondern nur eine unvollständige Beweisakte übermittelt und ihm eine Anhörung verweigert.
50 Der Rat habe außer Acht gelassen, dass die vorgelegten Beweise nicht ausgereicht hätten, um die Gründe zu untermauern, mit denen die Belassung seines Namens auf den streitigen Listen gerechtfertigt worden sei.
51 Der Rat tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.
52 Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass das in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) vorgesehene Recht, in jedem Verfahren gehört zu werden, als integraler Bestandteil der Wahrung der Verteidigungsrechte jeder Person garantiert, dass sie die Möglichkeit hat, in einem Verwaltungsverfahren in sachdienlicher und wirksamer Weise ihren Standpunkt vorzutragen, bevor ihr gegenüber eine Entscheidung ergeht, die für ihre Interessen nachteilig sein kann (Urteile vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 75, und vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 79).
53 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass bei Rechtsakten, durch die der in Listen, mit denen restriktive Maßnahmen verhängt werden, bereits aufgeführte Name einer Person oder Organisation dort belassen wird, ein Überraschungseffekt nicht mehr erforderlich ist, um die Wirksamkeit dieser Maßnahmen zu gewährleisten, so dass vor dem Erlass solcher Rechtsakte grundsätzlich die belastenden Umstände mitgeteilt werden müssen und der betreffenden Person oder Organisation Gelegenheit gegeben werden muss, gehört zu werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Dezember 2011, Frankreich/People’s Mojahedin Organization of Iran, C‑27/09 P, EU:C:2011:853, Rn. 62, vom 1. Oktober 2020, Makhlouf/Rat, C‑157/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:777, Rn. 44, und vom 18. Mai 2022, Foz/Rat, T‑296/20, EU:T:2022:298, Rn. 66 [nicht veröffentlicht]).
54 Überdies umfasst die Wahrung der Verteidigungsrechte auch das in Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta verankerte Recht auf Akteneinsicht unter Wahrung des berechtigten Interesses der Vertraulichkeit (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 99, und vom 12. Juni 2024, Shammout/Rat, T‑649/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:376, Rn. 36).
55 Insoweit hat der Gerichtshof hervorgehoben, dass der Schutzgedanke, dem das Erfordernis, die belastenden Umstände mitzuteilen, und das Recht auf eine Stellungnahme vor dem Erlass von Rechtsakten, mit denen der Name einer Person oder Organisation auf einer Liste der restriktiven Maßnahmen unterliegenden Personen oder Organisationen belassen wird, Rechnung tragen, für die Verteidigungsrechte von fundamentaler und entscheidender Bedeutung ist. Dies gilt umso mehr, wenn sich die fraglichen restriktiven Maßnahmen auf die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen und Vereinigungen erheblich auswirken (Urteile vom 21. Dezember 2011, Frankreich/People’s Mojahedin Organization of Iran, C‑27/09 P, EU:C:2011:853, Rn. 64, und vom 18. Mai 2022, Foz/Rat, T‑296/20, EU:T:2022:298, Rn. 67 [nicht veröffentlicht]).
56 Die Regel, wonach der Adressat einer beschwerenden Entscheidung in die Lage versetzt werden muss, vor ihrem Erlass seinen Standpunkt vorzutragen, soll es nämlich der zuständigen Behörde ermöglichen, alle maßgeblichen Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Zur Gewährleistung eines wirksamen Schutzes des Adressaten soll die Regel ihm insbesondere die Möglichkeit geben, einen Fehler zu berichtigen oder seine persönliche Situation betreffende Umstände vorzutragen, die für oder gegen den Erlass oder für einen bestimmten Inhalt der Entscheidung sprechen (Urteile vom 21. Dezember 2011, Frankreich/People’s Mojahedin Organization of Iran, C‑27/09 P, EU:C:2011:853, Rn. 65, und vom 24. November 2021, Aman Dimashq/Rat, T‑259/19, EU:T:2021:821, Rn. 69).
57 Im vorliegenden Fall wurden die Gründe für die Aufnahme der Rechtsakte vom September 2023 in die Listen gegenüber den Gründen der früheren Rechtsakte teilweise geändert, wobei als Grund beibehalten wurde, dass der Kläger „ein Großaktionär“ des Konsortiums Alfa Group sei, eine Formulierung, die der in den Gründen der ursprünglichen Rechtsakte und in den oben in Rn. 12 genannten Rechtsakten vom 13. März 2023 verwendeten entspricht. In den Rechtsakten vom September 2023 wandte der Rat nämlich auf den Kläger die Bestimmungen von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in der durch den Beschluss 2023/1094 geänderten Fassung an, und zwar die Bestimmungen über „in Russland tätige führende Geschäftsleute“ (im Folgenden: erster Teil des geänderten Kriteriums g) und über „Geschäftsleute …, die in Bereichen der Wirtschaft tätig sind, die der Regierung der Russischen Föderation … als wichtige Einnahmequelle dienen“ (im Folgenden: dritter Teil des geänderten Kriteriums g).
58 Mit Schreiben vom 19. Juni 2023 hatte der Rat dem Kläger mitgeteilt, dass er beabsichtige, dessen Namen auf der Grundlage eines geänderten Begründungsentwurfs auf den streitigen Listen zu belassen. In der Folge bestätigte der Rat dem Kläger mit Schreiben vom 18. August 2023 seine Absicht, dessen Namen auf der Grundlage eines geänderten Begründungsentwurfs auf den streitigen Listen zu belassen. Im letztgenannten Schreiben teilte er dem Kläger mit, dass er ihm das Dossier WK 10524/2023 REV 1 vom 10. August 2023, das Dossier WK 10555/2023 INIT mit Angaben zu seiner persönlichen Situation sowie das Dossier WK 5142/23 ADD 1 mit zusätzlichen Informationen zum Geschäftsumfeld und zur Wirtschaft Russlands als Anlagen übermittele.
59 Mit Schreiben vom 29. August 2023 an den für die Überprüfung der restriktiven Maßnahmen zuständigen Dienst für Außenbeziehungen des Rates teilte der Kläger diesem Dienst mit, dass ihm das Dossier WK 10524/2023 REV 1 nicht übermittelt worden sei, und bat darum, dies schnellstmöglich zu tun.
60 Insbesondere in Anbetracht der Antworten in der mündlichen Verhandlung ist festzustellen, dass der Rat nicht nachgewiesen hat, dass dem Kläger das Dossier WK 10524/2023 REV 1 vor dem Erlass der Rechtsakte vom September 2023 übermittelt worden war. Somit ist nach dem Akteninhalt davon auszugehen, dass dieses Dossier dem Kläger erst am 26. Oktober 2023, mehr als einen Monat nach ihrem Erlass, übermittelt wurde.
61 Somit hat der Rat dadurch, dass er dem Kläger das Dossier WK 10524/2023 REV 1 nicht vor dem Erlass der Rechtsakte vom September 2023 übermittelte, dessen Verteidigungsrechte verletzt, insbesondere seinen Anspruch auf rechtliches Gehör und sein Recht auf Akteneinsicht, die in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a und b der Charta garantiert sind.
62 Nach ständiger Rechtsprechung führt eine Verletzung der Verteidigungsrechte jedoch nur dann zur Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung, wenn das Verfahren ohne diese Unregelmäßigkeit zu einem anderen Ergebnis hätte führen können, was derjenige, der sich auf die Verletzung beruft, nachzuweisen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juni 2020, Vnesheconombank/Rat, C‑731/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:500, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).
63 Im vorliegenden Fall hat der Kläger in der Klageschrift und in der Erwiderung nicht erläutert, aus welchen Gründen das Verfahren zur Überprüfung der ihm gegenüber getroffenen Maßnahmen zu einem anderen Ergebnis hätte führen können, wenn ihm das Dossier WK 10524/2023 REV 1 vor dem Erlass der Rechtsakte vom September 2023 übermittelt worden wäre. Das Vorbringen des Klägers bezieht sich nämlich nicht speziell auf die Folgen der unterbliebenen Übermittlung dieses Dossiers während des Verfahrens zur Überprüfung der ihm gegenüber getroffenen Maßnahmen, sondern es richtet sich im Wesentlichen gegen das Schreiben der für den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der Organe zuständigen Dienststelle des Rates vom 23. Oktober 2023, mit dem der Zugang zu bestimmten Dokumenten auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter Gedankenstrich und Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 versagt wurde.
64 Außerdem soll, wie sich aus den vorstehenden Rn. 54 bis 56 ergibt, das Recht einer von restriktiven Maßnahmen betroffenen Person oder Organisation auf Akteneinsicht ihr die Möglichkeit geben, zu den ihr zur Last gelegten Umständen Stellung zu nehmen. Daraus folgt, dass ein solches Recht strikt darauf beschränkt ist, dass sich die von den restriktiven Maßnahmen betroffene Person oder Organisation im Rahmen des Verfahrens zur Überprüfung der gegen sie erlassenen Maßnahmen verteidigen kann. Im vorliegenden Fall wirft der Kläger dem Rat insbesondere vor, ihm das Dossier mit dem Aktenzeichen WK 10524/2023 INIT, bei dem es sich um eine frühere Fassung des Dossiers WK 10524/2023 REV 1 handelt, nicht übermittelt zu haben. Dieses Vorbringen kann jedoch keinen Erfolg haben, da sich der Rat nicht auf das Dossier WK 10524/2023 INIT gestützt hat, um im September 2023 die Belassung des Namens des Klägers auf den streitigen Listen zu rechtfertigen.
65 Zur Rechtfertigung der Belassung des Namens des Klägers auf den streitigen Listen im September 2023 hat sich der Rat nämlich insbesondere auf die Akten WK 3073/2022 INIT vom 12. März 2022 und WK 17621/2022 INIT vom 14. Dezember 2022 gestützt, die dem Kläger im Anschluss an den Erlass der oben in Rn. 10 erwähnten Rechtsakte vom 15. März 2022 sowie im Rahmen des Überprüfungsverfahrens, das zum Erlass der oben in Rn. 12 erwähnten Rechtsakte vom 13. März 2023 führte, mitgeteilt worden waren. Ferner hat er sich auf die Dossiers WK 10555/2023 INIT vom 14. August 2023 und WK 10524/2023 REV 1 gestützt. Das letztgenannte Dossier wurde dem Kläger zwar erst nach dem Erlass der Rechtsakte vom September 2023 übermittelt, doch hat er in seinen Schriftsätzen nicht erläutert, inwiefern ein anderes Ergebnis des Überprüfungsverfahrens nicht ausgeschlossen gewesen wäre, wenn ihm dieses Dossier vor dem Erlass der betreffenden Rechtsakte übermittelt worden wäre. Desgleichen hat der Kläger auf eine entsprechende Frage in der mündlichen Verhandlung lediglich abstrakt geltend gemacht, dass er zu den im fraglichen Dossier enthaltenen Schriftstücken hätte Stellung nehmen können, ohne zu erläutern, inwiefern die Berücksichtigung dieser Stellungnahme zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.
66 Folglich führt in Anbetracht der oben in Rn. 62 angeführten Rechtsprechung die Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht und des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht zur Nichtigerklärung der Rechtsakte vom September 2023.
67 Was das Vorbringen des Klägers dazu betrifft, dass der für den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten zuständige Dienst des Rates es auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 abgelehnt habe, ihm bestimmte die Aufnahme seines Namens in die streitigen Listen und dessen Belassung darauf betreffende Dokumente, insbesondere Informationen über die Mitgliedstaaten, die den Erlass restriktiver Maßnahmen gegen ihn vorgeschlagen hätten, zu übermitteln, ist zu unterscheiden zwischen den Vorschriften der Verordnung Nr. 1049/2001 über das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten, die sich im Besitz der Organe befinden, und der in Art. 41 Abs. 2 der Charta verankerten Wahrung der Verteidigungsrechte, die den Anspruch auf rechtliches Gehör und das Recht auf Akteneinsicht unter Wahrung des berechtigten Interesses der Vertraulichkeit umfasst. Die Begünstigten und die Ziele des Rechts der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten der Organe auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 unterscheiden sich nämlich erheblich von den Begünstigten und dem Zweck des Rechts auf Akteneinsicht im Rahmen eines Verfahrens zur Überprüfung restriktiver Maßnahmen gegenüber einer von diesen Maßnahmen betroffenen Person.
68 Die Verordnung Nr. 1049/2001 folgt nach ihrem ersten Erwägungsgrund dem in Art. 1 Abs. 2 EUV zum Ausdruck gebrachten Willen, wonach Entscheidungen möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen werden. Wie im zweiten Erwägungsgrund dieser Verordnung ausgeführt wird, knüpft das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten der Organe an deren demokratischen Charakter an (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 34). Damit diese Ziele erreicht werden, hat nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat das Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe. Daraus folgt, dass die Verordnung den Zugang zu öffentlichen Dokumenten für alle gewährleisten soll und nicht nur den Zugang des jeweiligen Antragstellers zu den ihn betreffenden Dokumenten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. April 2005, Sison/Rat, T‑110/03, T‑150/03 und T‑405/03, EU:T:2005:143, Rn. 50). Nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung braucht der Antragsteller nämlich kein wie auch immer geartetes Interesse nachzuweisen, um Zugang zu den angeforderten Dokumenten zu erhalten, so dass sein Antrag so zu prüfen ist wie der Antrag einer beliebigen anderen Person (Urteile vom 6. Juli 2006, Franchet und Byk/Kommission, T‑391/03 und T‑70/04, EU:T:2006:190, Rn. 82, und vom 20. Dezember 2023, OCU/SRB, T‑496/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:857, Rn. 43). Überdies ist das besondere Interesse, das ein Antragsteller am Zugang zu einem ihn persönlich betreffenden Dokument geltend machen kann, bei der Anwendung der in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung vorgesehenen zwingenden Ausnahmen nicht zu berücksichtigen (Urteil vom 26. April 2005, Sison/Rat, T‑110/03, T‑150/03 und T‑405/03, EU:T:2005:143, Rn. 52).
69 Soweit der Kläger rügen möchte, dass der Rat ihm mit dem gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 erlassenen Beschluss vom 23. Oktober 2023 zu Unrecht den Zugang zu bestimmten Dokumenten verweigert habe, genügt folglich der Hinweis, dass er nicht die Nichtigerklärung dieses Beschlusses beantragt hat.
70 Zweitens verschaffen die Bestimmungen des Unionsrechts, auf deren Grundlage die restriktiven Maßnahmen gegen den Kläger erlassen wurden – der Beschluss 2014/145 in geänderter Fassung und die Verordnung Nr. 269/2014 in geänderter Fassung – den Betroffenen keinen Anspruch auf eine förmliche Anhörung. Ebenso wenig geht aus Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta hervor, dass allein die förmliche Anhörung es ermöglicht, die Wahrnehmung des Anspruchs des Betroffenen auf rechtliches Gehör in zweckdienlicher und wirksamer Weise zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Mai 2022, Boshab/Rat, C‑242/21 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2022:375, Rn. 62, und vom 9. Februar 2023, Boshab/Rat, C‑708/21 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2023:84, Rn. 54). Folglich kann der Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, dass seine Verteidigungsrechte verletzt worden seien, weil es keine mündliche Anhörung gegeben habe.
71 Drittens ist auch das Vorbringen des Klägers zurückzuweisen, dass der Rat die von ihm übermittelte Stellungnahme nicht berücksichtigt und die Antworten auf seine Anträge nicht individualisiert habe. Abgesehen davon, dass der Rat nicht verpflichtet ist, Punkt für Punkt auf die übermittelten Stellungnahmen und Dokumente einzugehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Oktober 2008, People’s Mojahedin Organization of Iran/Rat, T‑256/07, EU:T:2008:461, Rn. 95), ist der Umstand, dass er nicht auf alle vom Kläger übermittelten Stellungnahmen und Dokumente eingegangen ist, kein Beleg dafür, dass er sie im Rahmen der Überprüfung seiner Situation nicht berücksichtigt hat. Außerdem hat der Rat in seinem Schreiben vom 15. September 2023 darauf verwiesen, dass sich das Vorbringen des Klägers im Überprüfungsantrag und in der Rechtssache, in der die Urteile vom 15. November 2023, OT/Rat (T‑193/22, EU:T:2023:716), und vom 11. September 2024, OT/Rat (T‑286/23, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:606), ergangen seien, ähnelten, und hat auf die vom Kläger in dieser Rechtssache eingereichten Schriftsätze und Stellungnahmen verwiesen. Überdies hat er in seinem Schreiben ausdrücklich auf die Stellungnahme des Klägers zur Gesellschaft AlfaStrakhovanie geantwortet.
72 Viertens verlangt das in Art. 47 der Charta verankerte Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, dass der Betroffene Kenntnis von den Gründen, auf denen die ihm gegenüber ergangene Entscheidung beruht, erlangen kann, entweder durch das Studium der Entscheidung selbst oder durch eine auf seinen Antrag hin erfolgte Mitteilung der Gründe, unbeschadet der Befugnis des zuständigen Gerichts, von der betreffenden Behörde ihre Übermittlung zu verlangen, damit er seine Rechte unter bestmöglichen Bedingungen verteidigen und in Kenntnis aller Umstände entscheiden kann, ob es angebracht ist, das zuständige Gericht anzurufen, und damit das Gericht umfassend in die Lage versetzt wird, die Rechtmäßigkeit der fraglichen Entscheidung zu überprüfen (Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 100).
73 Im vorliegenden Fall hatte der Rat dem Kläger bis zum 26. Oktober 2023 alle Gesichtspunkte mitgeteilt, auf die er sich beim Erlass der Rechtsakte vom September 2023 gestützt hatte, einschließlich des Dossiers WK 10524/2023 REV 1. Dem Kläger standen somit etwa einen Monat vor Ablauf der Frist für die Klage auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Rechtsakte und mehr als drei Wochen vor der tatsächlichen Klageerhebung alle relevanten Gesichtspunkte zur Verfügung. Das Versäumnis, vor Erhebung einer Klage eine Beweisakte, auf deren Grundlage der Rat die Anwendung restriktiver Maßnahmen verlängert hat, zu übermitteln, hat jedenfalls keine Auswirkung auf das Recht der betroffenen Person auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, sofern diese Akte dem Kläger übermittelt wird, damit er sich in der Erwiderung zu ihr äußern kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juni 2024, Shammout/Rat, T‑649/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:376, Rn. 52 und 53). Folglich ist das Vorbringen des Klägers, der Rat habe sein in Art. 47 der Charta verankertes Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz dadurch verletzt, dass er das Dossier WK 10524/2023 REV 1 erst nach dem Erlass der Rechtsakte vom September 2023 übermittelt habe, unbegründet, da er über das Dossier verfügte, bevor er im Rahmen des vorliegenden Gerichtsverfahrens die Klage auf Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit erhob.
74 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der dritte Klagegrund, mit dem eine Verletzung der Verteidigungsrechte und des Anspruchs auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gerügt wird, zurückzuweisen ist, soweit mit ihm die Rechtmäßigkeit der Rechtsakte vom September 2023 in Frage gestellt wird.
b) Zu den Rechtsakten vom März 2024
75 Der Kläger wirft dem Rat vor, nicht auf seinen Antrag auf Überprüfung geantwortet zu haben, mit dem er im Anschluss an die Verkündung der Urteile vom 10. April 2024, Aven/Rat (T‑301/22, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:214), und vom 10. April 2024, Fridman/Rat (T‑304/22, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:215), die Streichung seines Namens von den streitigen Listen beantragt habe.
76 Der Rat tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.
77 Insoweit genügt der Hinweis, dass sich das Vorbringen des Klägers, mit dem er eine Verletzung der Verteidigungsrechte geltend macht, auf ein Schreiben stützt, das dem Rat am 11. April 2024, also nach dem Erlass der Rechtsakte vom März 2024 übermittelt wurde. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts der Union aber anhand der Sach- und Rechtslage zu beurteilen, die bei seinem Erlass bestand (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. November 2021, Aman Dimashq/Rat, T‑259/19, EU:T:2021:821, Rn. 110 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung). Daher kann die Tatsache, dass der Rat dieses Schreiben nicht beantwortet hat, die Rechtmäßigkeit der Rechtsakte vom März 2024 nicht in Frage stellen.
78 Folglich hat der Kläger nicht dargetan, dass seine Verteidigungsrechte im Rahmen des Überprüfungsverfahrens, das zum Erlass der Rechtsakte vom März 2024 führte, verletzt wurden.
79 Mithin ist der dritte Klagegrund, mit dem eine Verletzung der Verteidigungsrechte und des Anspruchs auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gerügt wird, insgesamt zurückzuweisen.
2. Erster Klagegrund: Beurteilungsfehler
80 Der Kläger macht geltend, der Rat habe einen Beurteilungsfehler begangen, als er seinen Namen beim Erlass der Rechtsakte vom September 2023 und vom März 2024 auf den streitigen Listen belassen habe.
81 Der Rat tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.
a) Vorbemerkungen
82 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Rat zwar über ein gewisses Ermessen verfügt, um im Einzelfall festzustellen, ob die rechtlichen Kriterien, auf denen die fraglichen restriktiven Maßnahmen beruhen, erfüllt sind, doch müssen die Unionsgerichte eine grundsätzlich umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit aller Rechtsakte der Union gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 121).
83 Die durch Art. 47 der Charta gewährleistete Effektivität der gerichtlichen Kontrolle erfordert u. a., dass sich der Unionsrichter vergewissert, ob die Entscheidung, mit der restriktive Maßnahmen erlassen oder aufrechterhalten werden, und die eine individuelle Betroffenheit der fraglichen Person oder Organisation begründet, auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht. Dies setzt eine Überprüfung der tatsächlichen Umstände voraus, die in der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Begründung angeführt werden, so dass sich die gerichtliche Kontrolle nicht auf die Beurteilung der abstrakten Wahrscheinlichkeit der angeführten Gründe beschränkt, sondern auf die Frage erstreckt, ob diese Gründe – oder zumindest einer von ihnen, der für sich genommen als ausreichend angesehen wird, um die Entscheidung zu stützen – erwiesen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 119, und vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 122).
84 Bei einer solchen Beurteilung sind die Beweise und Informationen nicht isoliert zu prüfen, sondern in dem Kontext, in dem sie stehen. Der Rat genügt der ihm obliegenden Beweislast, wenn er vor dem Unionsgericht ein Bündel von Indizien anführt, die hinreichend konkret, genau und übereinstimmend sind, um die Feststellung zu ermöglichen, dass eine hinreichende Verbindung zwischen der einer Maßnahme des Einfrierens von Geldern unterworfenen Person oder Organisation und dem bekämpften Regime oder allgemein den bekämpften Situationen besteht (vgl. Urteil vom 20. Juli 2017, Badica und Kardiam/Rat, T‑619/15, EU:T:2017:532, Rn. 99 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 124).
85 Im Streitfall ist es Sache der zuständigen Unionsbehörde, die Stichhaltigkeit der gegen die betroffene Person oder Organisation angeführten Gründe nachzuweisen, und nicht Sache der Person oder Organisation, den negativen Nachweis zu erbringen, dass diese Gründe nicht stichhaltig sind. Hierzu braucht der Rat dem Unionsgericht nicht sämtliche Informationen und Beweise vorzulegen, die mit den in dem Rechtsakt, dessen Nichtigerklärung begehrt wird, angegebenen Gründen zusammenhängen. Die vorgelegten Informationen oder Beweise müssen die gegen die betroffene Person oder Organisation angeführten Gründe stützen (Urteile vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 121 und 122, und vom 28. November 2013, Rat/Fulmen und Mahmoudian, C‑280/12 P, EU:C:2013:775, Rn. 66 und 67; vgl. auch Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 123 und die dort angeführte Rechtsprechung).
86 In diesem Fall hat das Unionsgericht die sachliche Richtigkeit der vorgetragenen Tatsachen anhand dieser Informationen oder Beweise zu prüfen und deren Beweiskraft anhand der Umstände des Einzelfalls und im Licht etwaiger Stellungnahmen, insbesondere der betroffenen Person oder Organisation, zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 124).
87 Speziell zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Rechtsakten, mit denen der Name der betroffenen Person auf einer Liste der von restriktiven Maßnahmen betroffenen Personen und Organisationen belassen wird, ist darauf hinzuweisen, dass diese Rechtsakte Sicherungscharakter haben und definitionsgemäß vorläufiger Natur sind und dass ihre Gültigkeit stets von der Fortdauer der tatsächlichen und rechtlichen Umstände, die ihrem Erlass zugrunde lagen, sowie von der Notwendigkeit abhängt, zur Erreichung des mit ihnen verbundenen Ziels an ihnen festzuhalten. Insoweit obliegt es dem Rat, bei der regelmäßigen Überprüfung der Maßnahmen eine aktualisierte Bewertung der Lage vorzunehmen und eine Bilanz der Auswirkungen solcher Maßnahmen zu ziehen, um zu klären, ob sie es ermöglicht haben, die mit der ursprünglichen Aufnahme der Namen der betreffenden Personen und Organisationen in die streitige Liste verfolgten Ziele zu erreichen, oder ob in Bezug auf diese Personen und Organisationen nach wie vor dieselbe Schlussfolgerung gezogen werden kann (vgl. Urteil vom 27. April 2022, Ilunga Luyoyo/Rat, T‑108/21, EU:T:2022:253, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 26. Oktober 2022, Ovsyannikov/Rat, T‑714/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:674, Rn. 67).
88 Folglich ist es dem Rat nicht verwehrt, sich zur Rechtfertigung der Belassung des Namens einer Person auf einer Liste der von restriktiven Maßnahmen betroffenen Personen und Organisationen auf die gleichen Beweise zu stützen, die ihre ursprüngliche Aufnahme, ihre erneute Aufnahme oder die frühere Belassung ihres Namens auf der fraglichen Liste gerechtfertigt haben, sofern zum einen die Gründe für die Aufnahme unverändert sind und sich zum anderen der Kontext nicht in einer Weise weiterentwickelt hat, dass diese Beweise obsolet geworden wären (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. September 2020, Kaddour/Rat, T‑510/18, EU:T:2020:436, Rn. 99). Dabei schließt die Entwicklung des Kontexts zum einen die Berücksichtigung der Situation des Landes, das dem System restriktiver Maßnahmen unterworfen wurde, sowie der besonderen Situation der betreffenden Person ein (Urteil vom 26. Oktober 2022, Ovsyannikov/Rat, T‑714/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:674, Rn. 78; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 23. September 2020, Kaddour/Rat, T‑510/18, EU:T:2020:436, Rn. 101) und zum anderen alle relevanten Umstände und insbesondere die Nichterreichung der mit den restriktiven Maßnahmen verfolgten Ziele (Urteil vom 27. April 2022, Ilunga Luyoyo/Rat, T‑108/21, EU:T:2022:253, Rn. 56; vgl. in diesem Sinne und entsprechend auch Urteil vom 12. Februar 2020, Amisi Kumba/Rat, T‑163/18, EU:T:2020:57, Rn. 82 bis 84 und die dort angeführte Rechtsprechung).
89 Im Licht dieser Grundsätze ist zu prüfen, ob der Rat beim Erlass der Rechtsakte vom September 2023 und sodann beim Erlass der Rechtsakte vom März 2024 einen Beurteilungsfehler begangen hat, als er beschloss, den Namen des Klägers auf den streitigen Listen zu belassen.
90 Insoweit geht aus den angefochtenen Rechtsakten hervor, dass der Name des Klägers auf der Grundlage des Kriteriums der materiellen oder finanziellen Unterstützung russischer Entscheidungsträger, die für die Annexion der Krim oder die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sind, auf den streitigen Listen belassen wurde (Art. 2 Abs. 1 Buchst. d des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung [im Folgenden: Kriterium d]). Er wurde ferner auf der Grundlage des ersten und des dritten Teils des geänderten Kriteriums g aufgenommen.
91 Das Gericht hält es für angebracht, zunächst zu prüfen, ob der Rat einen Beurteilungsfehler begangen hat, als er den Namen des Klägers auf der Grundlage des ersten und des dritten Teils des geänderten Kriteriums g auf den Listen beließ.
b) Zu den Rechtsakten vom September 2023
92 Mit seinem Vorbringen, mit dem er die Rechtmäßigkeit der Rechtsakte vom September 2023 in Frage stellt, macht der Kläger geltend, die vom Rat vorgelegten Beweise seien unzuverlässig, und sein Name sei zu Unrecht auf der Grundlage des ersten und des dritten Teils des geänderten Kriteriums g auf den streitigen Listen belassen worden.
1) Zur Zuverlässigkeit der Beweise
93 Der Kläger trägt vor, ein großer Teil der vom Rat herangezogenen Quellen sei von geringer Qualität, und stellt speziell die Verlässlichkeit bestimmter Beweise in Abrede.
94 Der Rat tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.
95 Nach ständiger Rechtsprechung gilt für die Unionsgerichte der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, und für die Würdigung der vorgelegten Beweise ist allein ihre Glaubhaftigkeit maßgebend. Insoweit ist zur Beurteilung des Beweiswerts eines Dokuments die Wahrscheinlichkeit der darin enthaltenen Information zu untersuchen, wobei insbesondere die Herkunft des Dokuments, die Umstände seiner Erstellung und sein Adressat zu berücksichtigen sind und die Frage zu beantworten ist, ob es seinem Inhalt nach vernünftig und glaubhaft erscheint (vgl. Urteile vom 31. Mai 2018, Kaddour/Rat, T‑461/16, EU:T:2018:316, Rn. 107 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 12. Februar 2020, Amisi Kumba/Rat, T‑163/18, EU:T:2020:57, Rn. 95 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung).
96 Da den Unionsbehörden in Drittstaaten keine Ermittlungsbefugnisse zustehen, müssen sie sich bei ihrer Beurteilung de facto auf öffentlich zugängliche Informationsquellen, Berichte, Presseartikel, Geheimdienstberichte oder andere ähnliche Informationsquellen stützen (Urteile vom 14. März 2018, Kim u. a./Rat und Kommission, T‑533/15 und T‑264/16, EU:T:2018:138, Rn. 107, und vom 1. Juni 2022, Prigozhin/Rat, T‑723/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:317, Rn. 59).
97 Darüber hinaus macht es der bewaffnete Konflikt zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine praktisch ausgesprochen schwierig, Zugang zu bestimmten Quellen zu erhalten, die Primärquelle bestimmter Informationen ausdrücklich anzugeben und etwaige Zeugenaussagen von Personen einzuholen, die bereit sind, namhaft gemacht zu werden. Die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten bei den Ermittlungen können somit dazu beitragen, die Beibringung präziser Beweise und objektiver Informationen zu behindern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 116 und die dort angeführte Rechtsprechung).
98 Im vorliegenden Fall stützte sich der Rat, um die Belassung des Namens des Klägers auf den streitigen Listen auf der Grundlage des ersten und des dritten Teils des geänderten Kriteriums g zu rechtfertigen, auf den Inhalt des Dossiers WK 3073/2022 INIT vom 12. März 2022, insbesondere auf einen am 6. April 2018 auf der Website von The Daily Beast veröffentlichten Artikel mit dem Titel „Why Mueller named a Russian Oligarch in Court“ (Schriftstück Nr. 1).
99 Ferner stützte sich der Rat, um die Belassung des Namens des Klägers auf den streitigen Listen auf der Grundlage des ersten und des dritten Teils des geänderten Kriteriums g zu rechtfertigen, auf einen der Bestandteile des Dossiers WK 17621/2022 INIT, und zwar auf eine den Kläger betreffende Seite der Website „Putin’s list“, abgerufen am 23. November 2022 (Schriftstück Nr. 2).
100 Darüber hinaus zog der Rat zur Untermauerung der Rechtfertigung für die Belassung des Namens des Klägers auf den streitigen Listen auf der Grundlage des ersten und des dritten Teils des geänderten Kriteriums g einige Elemente des Dossiers WK 10524/2023 REV 1 vom 10. August 2023 heran, und zwar
– eine auf der Website von AlfaStrakhovanie veröffentlichte Präsentation, abgerufen am 25. Mai 2023 (Schriftstück Nr. 2);
– einen am 4. Mai 2023 auf der Website von Radio Liberty veröffentlichten Artikel mit dem Titel „AlfaStrakhovanie ruled out the sale of business to third-party buyers“ (Schriftstück Nr. 9);
– eine auf der Website der X5 Retail Group veröffentlichte Präsentation ihrer Anteilseigner, abgerufen am 1. Juni 2023 (Schriftstück Nr. 10);
– eine die Geschäftsbeziehungen des Klägers betreffende Seite der Website von Rupep, abgerufen am 12. Juni 2023 (Schriftstück Nr. 17);
– einen am 4. Mai 2023 auf der Website von Vedomosti veröffentlichten Artikel mit dem Titel „AlfaStrakhovanie confirmed the change of ownership of the company“ (Schriftstück Nr. 19);
– einen am 5. Mai 2023 auf der Website von bne IntelliNews veröffentlichten Artikel mit der Überschrift „Fridman’s Alfa Group to exit all Russian assets“ (Schriftstück Nr. 20).
101 Um die Belassung des Namens des Klägers auf den streitigen Listen auf der Grundlage des ersten und des dritten Teils des geänderten Kriteriums g zu rechtfertigen, berücksichtigte der Rat zudem Elemente des Dossiers WK 10555/2023 INIT vom 14. August 2023, und zwar
– ein Schreiben der Zentralbank der Ukraine vom 5. Juni 2023 an die Europäische Kommission, das Bedenken der Ukraine wegen versuchter Umgehung von Sanktionen zum Gegenstand hat (Schriftstück Nr. 1);
– eine am 20. Juli 2023 veröffentlichte Pressemitteilung der Zentralbank der Ukraine zur Sense Bank (Schriftstück Nr. 2).
102 Vorab ist festzustellen, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung sein Vorbringen zur mangelnden Zuverlässigkeit der Informationsquelle TAdviser fallengelassen hat.
103 Ferner ist zum Vorbringen des Klägers, mit dem er auf der Grundlage eines der Klageschrift beigefügten Artikels von Politico geltend macht, dass ein sehr großer Teil der vom Rat verwendeten Quellen von schlechter Qualität sei, festzustellen, dass in diesem Artikel nicht systematisch alle Elemente der vom Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) erstellten Beweisakten in Frage gestellt werden, sondern nur die Zuverlässigkeit bestimmter Informationsquellen wie soziale Medien, Blogs oder von künstlicher Intelligenz generierte Informationen.
104 Der fragliche Artikel betrifft nicht die Beweisakten, auf die sich der Rat in der vorliegenden Rechtssache beruft, und der Kläger hat nicht dargetan, dass die in den Rn. 98 bis 101 genannten Beweise aus Quellen stammen, deren Verlässlichkeit durch diesen Artikel in Zweifel gezogen wird.
105 Zum Vorbringen des Klägers, das im Wesentlichen dahin geht, dass die ihn betreffenden Informationen in den Schriftstücken Nrn. 19 und 20 des Dossiers WK 10524/2023 REV 1 unzuverlässig seien, weil sie auf anonymen Quellen beruhten, ist festzustellen, dass es sich bei diesen Schriftstücken um Artikel aus Wirtschaftsmedien – Vedomosti und bne IntelliNews – handelt, die auf Tatsachenangaben in einem Artikel der BBC, auf Äußerungen eines Mitglieds des Verwaltungsrats von ABH Holdings zur Notwendigkeit einer Verlagerung der Vermögenswerte dieser Gesellschaft sowie auf anonymen Quellen beruhen. Der bloße Umstand, dass bestimmte Informationen in diesen Schriftstücken aus anonymen journalistischen Quellen stammen, ist nicht geeignet, ihnen ihre Zuverlässigkeit zu nehmen. Da es sich um interne Quellen der von Recherchen dieser Wirtschaftsmedien betroffenen Unternehmen handelt, könnte es dem Schutz journalistischer Quellen zuwiderlaufen, wenn von den Journalisten verlangt würde, systematisch die Identität ihrer Quellen offenzulegen.
106 Das Vorbringen des Klägers, mit dem er die Verlässlichkeit des Schriftstücks Nr. 1 des Dossiers WK 5142/2023 ADD 1 hinsichtlich der Beweise zum Geschäftsumfeld und zur Wirtschaft Russlands unter Hinweis auf eine auf der Website „Proekt“ veröffentlichte Untersuchung in Abrede stellt, geht ins Leere, da sich der Rat nicht auf dieses Schriftstück gestützt hat, um die Belassung des Namens des Klägers auf den streitigen Listen auf der Grundlage des ersten und des dritten Teils des geänderten Kriteriums g zu rechtfertigen.
107 Im Licht der vorstehenden Ausführungen hat der Kläger angesichts des die Situation der Russischen Föderation charakterisierenden Kontexts und der Tatsache, dass dem Rat in Drittstaaten keine Ermittlungsbefugnisse zustehen (siehe oben, Rn. 96 und 97), nichts vorgetragen, das den Beweiswert der oben in den Rn. 98 bis 101 genannten Schriftstücke in den Beweisakten in Frage stellen könnte.
2) Zur Anwendung des ersten und des dritten Teils des geänderten Kriteriums g auf den Kläger
108 Der Kläger trägt vor, der Rat habe seinen Namen zu Unrecht auf der Grundlage des ersten und des dritten Teils des geänderten Kriteriums g auf den streitigen Listen belassen.
109 Erstens, so der Kläger, habe der Rat einen Beurteilungsfehler begangen, weil er ihn als Großaktionär des Konsortiums Alfa Group, zu dem Alfa Bank, Alfrastrakhovanie und X5 Retail Group gehörten, eingestuft habe.
110 Zunächst habe das Konsortium Alfa Group keine rechtliche Struktur und sei daher rechtlich nicht existent. Sodann habe er nachgewiesen, dass er seine Anteile zum einen an ABH Holdings, der Alfa Bank Russland, Alfa Bank Ukraine und AlfaStrakhovanie gehörten, und zum anderen an CTF Holdings, der A1, X5 Retail Group und IDS Borjomi gehörten, veräußert habe. Der Rat könne nicht geltend machen, dass er diese Beteiligungen nicht an Herrn [vertraulich](1 ) veräußert habe.
111 Außerdem sei die Veräußerung seiner Anteile an CTF Holdings durch einen Auszug aus dem Register der wirtschaftlichen Eigentümer dieser Gesellschaft rechtsgültig nachgewiesen worden.
112 Ferner habe der Rat den Beweiswert der als Beleg für die Veräußerung der Anteile vorgelegten Unterlagen unter Berufung auf eine unbewiesene Tatsache, die darin bestehe, dass der Käufer seiner Anteile, Herr [vertraulich], eine geheime Nebenabrede unterzeichnet haben solle, verneint. Der Rat verlange daher von ihm die Vorlage eines negativen Beweises für die Veräußerung der fraglichen Anteile.
113 Darüber hinaus behaupte der Rat zu Unrecht, dass er AlfaStrakhovanie kontrolliere, denn die Informationen, über die der Rat verfüge, seien hypothetisch.
114 Zweitens macht der Kläger im Wesentlichen geltend, er sei der einzige Geschäftsmann, dessen Name ohne Berücksichtigung früherer oder aktueller Exekutivfunktionen in die streitigen Listen aufgenommen worden sei. Insoweit hätte der Rat berücksichtigen müssen, dass er in den zehn Jahren vor der ursprünglichen Aufnahme seines Namens in die Listen keine Exekutivfunktion wahrgenommen habe.
115 Drittens hebt der Kläger hervor, dass er keine wirtschaftliche Tätigkeit in einem oder mehreren Bereichen ausübe, die der Regierung der Russischen Föderation als wichtige Einnahmequelle dienten, so dass er nicht als führender Geschäftsmann in Russland angesehen werden könne. Aus der Rechtsprechung zur Mehrwertsteuer sowie der neueren Rechtsprechung zu den im Kontext der Invasion der Ukraine erlassenen restriktiven Maßnahmen ergebe sich, dass das bloße Halten von Anteilen vom Rat nicht als Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit eingestuft werden dürfe.
116 Viertens macht der Kläger geltend, die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung aufgestellte Vermutung wechselseitiger Abhängigkeit führender Geschäftsleute und der russischen Regierung sei auf ihn nicht anwendbar. In den Schriftstücken der Dossiers WK 5142/2023 INIT und WK 5142/2023 ADD 1 mit Informationen zum Geschäftsumfeld und zur Wirtschaft Russlands werde er nicht erwähnt, und einige Dokumente zu den Unternehmen des Konsortiums Alfa Group zeigten, dass die Alfa Bank nicht zum engen Kreis der Herrn Putin nahestehenden marktbeherrschenden Wirtschaftsakteure gehöre. Weder er noch die Gesellschaften des Konsortiums oder seine Partner gehörten zu einer der Kategorien miteinander verbundener Geschäftsleute, sie seien keine mit dem KGB oder dem Netzwerk von Herrn Putin in Sankt Petersburg (Russland) verbundenen Freunde von Herrn Putin, sie seien nicht in staatlich kontrollierten Bereichen tätig und sie erhielten weder öffentliche Aufträge noch Steuervergünstigungen oder eine Sonderbehandlung. Desgleichen habe bei keinem Unternehmen des Konsortiums dem Verwaltungsrat ein Minister der russischen Regierung oder ein persönlicher Treuhänder angehört.
117 Fünftens hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, Rosvodokanal habe der Regierung der Russischen Föderation nicht als wichtige Einnahmequelle gedient, da auf dieses Unternehmen nur 25 % bis 30 % des privaten Sektors der Wasserversorgung und Abwasserbehandlung in Russland entfielen, der nur 10 % des gesamten Sektors ausmache.
118 Der Rat tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.
119 Zum allgemeinen Kontext der Situation in der Ukraine ist festzustellen, dass dort zum Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsakte vom September 2023 eine ernste Lage fortbestand. Desgleichen waren die restriktiven Maßnahmen im Hinblick auf das verfolgte Ziel, das darin bestand, größtmöglichen Druck auf die russischen Behörden auszuüben, damit sie ihre Aktionen und ihre Politik zur Destabilisierung der Ukraine sowie den militärischen Angriff auf dieses Land beenden, und darin, die Kosten für Handlungen der Russischen Föderation, die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine untergraben, in die Höhe zu treiben, nach wie vor gerechtfertigt.
120 Das unter Buchst. g angeführte Kriterium erfasste vor seiner Änderung nur „führende Geschäftsleute …, die in Wirtschaftssektoren tätig sind, die eine wesentliche Einnahmequelle für die Regierung der Russischen Föderation … darstellen“. Durch den Beschluss 2023/1094 wurde dieses Kriterium auf „in Russland tätige führende Geschäftsleute“ (erster Teil des geänderten Kriteriums g) sowie auf „Geschäftsleute …, die in Bereichen der Wirtschaft tätig sind, die der Regierung der Russischen Föderation … als wichtige Einnahmequelle dienen“ (dritter Teil des geänderten Kriteriums g), ausgedehnt.
121 An erster Stelle ist zum ersten Teil des geänderten Kriteriums g festzustellen, dass der Begriff „führende Geschäftsleute“ auf deren Bedeutung, etwa im Hinblick auf ihren beruflichen Status, die Bedeutsamkeit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten, den Umfang ihres Kapitalbesitzes oder ihre Funktionen innerhalb eines oder mehrerer Unternehmen, in denen sie diese Tätigkeiten ausüben, abstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 143).
122 Wie aus dem ersten Teil des geänderten Kriteriums g hervorgeht, zielte dessen Änderung allein darauf ab, den Anwendungsbereich der restriktiven Maßnahmen auf alle in Russland tätigen führenden Geschäftsleute auszudehnen, einschließlich derjenigen, die nicht in einem der Regierung der Russischen Föderation als wichtige Einnahmequelle dienenden Bereich der Wirtschaft tätig sind.
123 Die Gründe für die Ausdehnung des in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in der durch den Beschluss 2022/329 geänderten Fassung vorgesehenen Kriteriums werden im vierten Erwägungsgrund des Beschlusses 2023/1094 dargelegt. Dort wird nämlich die Funktionsweise der durch eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen den führenden in Russland tätigen Geschäftsleuten und der Regierung der Russischen Föderation gekennzeichneten russischen Wirtschaft beschrieben. Durch die Erfassung dieser Geschäftsleute will der Rat den Einfluss nutzen, den sie auf das russische Regime ausüben können, indem er sie dazu bringt, Druck auf die Regierung auszuüben, damit diese ihre Politik gegenüber der Ukraine ändert.
124 Bei der Anwendung des ersten Teils des geänderten Kriteriums g auf die individuelle Situation jeder Person, deren Name in die streitigen Listen aufgenommen wird, obliegt es dem Rat, zum einen darzutun, dass eine natürliche Person zu den „führenden Geschäftsleuten“ in dem oben in Rn. 121 genannten Sinne gezählt werden kann, und zum anderen, dass diese natürliche Person in Russland tätig ist. Insoweit ist hervorzuheben, dass die bloße Zugehörigkeit zur Kategorie der in Russland tätigen führenden Geschäftsleute genügt, um den Erlass der erforderlichen restriktiven Maßnahmen auf der Grundlage dieses Teils zu rechtfertigen, ohne dass der Nachweis einer Verbindung zwischen der Eigenschaft als führende Geschäftsfrau oder führender Geschäftsmann und dem russischen Regime oder zwischen dieser Eigenschaft und der Unterstützung dieses Regimes oder dem daraus gezogenen Nutzen erbracht werden müsste (vgl. entsprechend Urteil vom 9. Juli 2020, Haswani/Rat, C‑241/19 P, EU:C:2020:545, Rn. 66, und Beschluss vom 6. September 2022, Haikal/Rat, C‑113/21 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2022:640, Rn. 41).
125 Im vorliegenden Fall geht in Bezug auf die persönliche Situation des Klägers aus den Gründen für seine Aufnahme in die Liste hervor, dass er zu den Großaktionären des Konsortiums Alfa Group gezählt wurde.
126 Nach Informationen, die u. a. im Schriftstück Nr. 1 des Dossiers WK 3073/2022 INIT enthalten sind, ist der Kläger der Mitbegründer des Konsortiums Alfa Group, eines großen privaten russischen Industrie- und Finanzkonzerns mit Interessen in verschiedenen Wirtschaftszweigen.
127 Ferner sind in einer Präsentation des Konsortiums Alfa Group durch die Alfa Bank Ukraine vom Juni 2019, die der Klagebeantwortung als Anlage B.2 beigefügt ist, die Gesellschaften dieses Konsortiums aufgeführt, zu denen u. a. ABH Holdings, AlfaStrakhovanie, X5 Retail Group und A1 gehören; dies bestätigt Informationen, die im Schriftstück Nr. 2 des Dossiers WK 17621/2022 INIT enthalten sind (Urteil vom 11. September 2024, OT/Rat, T‑286/23, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:606, Rn. 94). Diese Informationen werden auch durch das Schriftstück Nr. 2 des Dossiers WK 10524/2023 REV 1 bestätigt, wonach das Konsortium am 26. Mai 2023 u. a. Alfa Bank, AlfaStrakhovanie, Rosvodokanal, X5 Retail Group und A1 umfasste.
128 Außerdem ist zwischen den Parteien unstreitig, dass, wie aus den Schriftstücken Nrn. 9 und 19 des Dossiers WK 10524/2023 REV 1 hervorgeht, ABH Holdings mit Sitz in Luxemburg mittelbar zum einen Alfa Bank Russland, u. a. über ABH Financial mit Sitz in Zypern und AB Holding mit Sitz in Russland, und zum anderen AlfaStrakhovanie, u. a. über AlfaStrakhovanie Holdings mit Sitz in Zypern und Yuns-Holdings mit Sitz in Russland, hält. Wie u. a. aus dem Schriftstück Nr. 17 des Dossiers WK 10524/2023 REV 1 hervorgeht, bestreitet der Kläger nicht, 16,3239 % von ABH Holdings gehalten zu haben.
129 Überdies ergibt sich aus dem Schriftstück Nr. 10 des Dossiers WK 10524/2023 REV 1, dass X5 Retail Group zu 47,86 % von CTF Holdings mit Sitz in Luxemburg gehalten wird, was der Kläger nicht bestreitet. Desgleichen war in der mündlichen Verhandlung zwischen den Parteien unstreitig, dass CTF Holdings mittelbar, über in Zypern und Russland ansässige Gesellschaften, A1 hielt. Aus dem Dossier geht nämlich hervor, dass CTF Holdings A1 mittelbar über A1 Investment Holding mit Sitz in Luxemburg, A1 Capital mit Sitz in Zypern und die in Russland ansässige Management Company Group A1 hält. Der Kläger bestreitet weder, einer der Gründer von CTF Holdings zu sein, wie sich aus dem Schriftstück Nr. 2 des Dossiers WK 17621/2022 INIT ergibt, noch, Beteiligungen an CTF Holdings mit Sitz in Luxemburg gehalten zu haben. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Angaben des Rates bestritten, dass er über Intertrust Trustees 11 % der Anteile an dieser Gesellschaft gehalten habe, hat aber, wie sich aus Anlage C.12 zur Erwiderung ergibt, eingeräumt, etwa [vertraulich] % des Kapitals von CTF Holdings gehalten zu haben.
130 Der Rat ist daher der Auffassung, dass der Kläger aufgrund seiner Beteiligungen an ABH Holdings und CTF Holdings zu den Großaktionären des Konsortiums Alfa Group gehört habe.
131 Der Kläger wirft dem Rat zum einen vor, nicht berücksichtigt zu haben, dass er seine Beteiligungen an ABH Holdings und CTF Holdings im März 2022 veräußert habe, und zum anderen durch die Forderung nach Vorlage zusätzlicher Beweise für die Aufgabe des gesamten Kapitalbesitzes am Konsortium Alfa Group die Beweislast umgekehrt zu haben.
132 Somit ist zum einen zu prüfen, ob der Rat die Beweislast in unzulässiger Weise umkehrt, wenn er vom Kläger verlangt, Beweise für die Veräußerung seines Kapitalbesitzes vorzulegen, und zum anderen, ob der Rat in Anbetracht der vom Kläger vorgelegten Beweise einen Beurteilungsfehler begangen hat, als er den Kläger weiterhin zu den Großaktionären des Konsortiums Alfa Group zählte.
133 Was das Vorbringen des Klägers zur Umkehr der Beweislast betrifft, obliegt es zwar, wie oben in Rn. 85 ausgeführt, dem Rat, die Stichhaltigkeit der gegen die Person oder Organisation, deren Name in die streitigen Listen aufgenommen wird, angeführten Gründe nachzuweisen. Macht eine von restriktiven Maßnahmen betroffene Person wie der Kläger jedoch geltend, dass sich ihre persönliche Situation gegenüber den vom Rat festgestellten Tatsachen geändert habe, obliegt es ihr, Beweise dafür vorzulegen, dass eine solche Änderung eingetreten ist und der Rat mithin einen Fehler bei der Beurteilung dieser Beweise begangen hat.
134 In der vorliegenden Rechtssache verfügte der Rat, wie aus den vorstehenden Rn. 126 bis 130 hervorgeht, über ein Bündel von Indizien dafür, dass der Kläger aufgrund seiner Kapitalbeteiligungen an mehreren Gesellschaften des Konsortiums Alfa Group, insbesondere über ABH Holdings und CTF Holdings, einer der Großaktionäre dieses Konsortiums war. Daher muss der Kläger dartun, dass er seine Beteiligungen an den genannten Gesellschaften tatsächlich veräußert und auf seine Rechte als Anteilseigner dieser Gesellschaften und der mit ihnen verbundenen Organisationen tatsächlich verzichtet hat. Ein solches Erfordernis stellt keine Umkehr der Beweislast dar, da es der Kläger ist, der sich auf die von ihm nachzuweisende Änderung seiner persönlichen Situation in Form der Veräußerung seiner Beteiligungen an den Gesellschaften des Konsortiums Alfa Group beruft (vgl. entsprechend Urteile vom 11. September 2019, HX/Rat, C‑540/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:707, Rn. 50, und vom 27. Juni 2024, Servier u. a./Kommission, C‑201/19 P, EU:C:2024:552, Rn. 124). Da es sich bei den Beweisen für die Verfahren, die Modalitäten und die Bedingungen der Veräußerung von Beteiligungen an Gesellschaften um Dokumente handelt, zu denen weder der Rat noch die Mitgliedstaaten Zugang haben, ist der Kläger am besten in der Lage, solche Beweise für die Änderung seiner persönlichen Situation vorzulegen (vgl. entsprechend Urteil vom 11. September 2024, Timchenko und Timchenko/Rat, T‑644/22, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:621, Rn. 64).
135 Im vorliegenden Fall hat der Kläger nach seinen Angaben seine Beteiligungen von etwa 16 % an ABH Holdings und von etwa [vertraulich] % an CTF Holdings am 14. März 2022, einen Tag vor der Aufnahme seines Namens in die streitigen Listen, an den Erwerber veräußert. Außerdem soll der Erwerber dieser Beteiligungen nach den Angaben des Klägers zum selben Zeitpunkt von einem anderen Aktionär etwa [vertraulich] % der Anteile an ABH Holdings und etwa [vertraulich] % der Anteile an CTF Holdings erworben haben. Der Erwerber, Herr [vertraulich], habe gleichzeitig nicht nur etwa 36 % der Anteile an ABH Holdings erworben, sondern auch etwa 54 % der Anteile an CTF Holdings. In Anbetracht der Vermögenswerte von ABH Holdings in Form von Alfa Bank Russland und AlfaStrakhovanie und der Vermögenswerte von CTF Holdings in Form der Vertriebsgesellschaft X5 Retail Group und der russischen Investmentgesellschaft A1 hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass es bei den betreffenden Veräußerungen um erhebliche finanzielle Beträge gegangen sei.
136 Unter den besonderen Umständen der vorliegenden Rechtssache und in Anbetracht dessen, dass sich der Kläger u. a. auf eine Änderung seiner persönlichen Situation beruft, die am Tag vor der Aufnahme seines Namens in die streitigen Listen eingetreten sein soll, oblag es ihm somit, Beweise dafür beizubringen, dass die betreffenden zu diesem Zeitpunkt erfolgten Veräußerungen in der tatsächlichen Übertragung des Eigentums an seinen Beteiligungen auf einen namentlich genannten und vom Veräußerer unabhängigen Erwerber bestanden. Daher müssen die Beweise für die Übertragung der Beteiligungen des Klägers an ABH Holdings und CTF Holdings auf den angegebenen Erwerber die Feststellung ermöglichen, dass die Veräußerung mit den unionsrechtlichen Vorschriften über restriktive Maßnahmen im Einklang stand, was im vorliegenden Fall den Nachweis implizierte, dass die Übertragung der Beteiligungen im Einklang mit dem nationalen Recht und den einschlägigen Satzungsbestimmungen tatsächlich vor dem Inkrafttreten der gegen den Kläger gerichteten Maßnahmen des Einfrierens von Geldern stattgefunden hatte. Zu den Beweisen für die tatsächlichen Übertragungen der Beteiligungen an diesen beiden Holdinggesellschaften mussten hier deshalb u. a. Unterlagen über die Veräußerung dieser Beteiligungen, die einschlägigen Bestimmungen des anwendbaren nationalen Rechts sowie die Satzungsbestimmungen der betreffenden Holdinggesellschaften gehören.
137 Außerdem oblag es dem Kläger, den tatsächlichen Verzicht auf seine Rechte als Anteilseigner durch die Vorlage von Beweisen zu den Bedingungen, Modalitäten und Gegenleistungen der behaupteten Veräußerungen darzutun, insbesondere zum Kaufpreis der genannten Beteiligungen. Entgegen dem Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung sind solche Beweise für den Kaufpreis erforderlich, um zu beurteilen, ob die behaupteten Veräußerungen seiner Beteiligungen einen tatsächlichen Verzicht auf seine Rechte als Anteilseigner von ABH Holdings und CTF Holdings implizieren. Wenn ein Veräußerer seine Anteile zu einem Preis verkauft, der offensichtlich unter dem Wert der veräußerten Vermögensgegenstände liegt, kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass die Veräußerung an einen unabhängigen Dritten erfolgt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2023, Mordashov/Rat, T‑248/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:573, Rn. 101), da der Veräußerer unter diesen Umständen aufgrund des in einem solchen Preis bestehenden Vorteils für den Erwerber über ihn weiterhin Einfluss auf die Geschäfte der Gesellschaft ausüben könnte, deren Anteile veräußert wurden, was geeignet wäre, die Glaubhaftigkeit einer solchen Veräußerung in Frage zu stellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. März 2025, Ponomarenko/Rat, T‑249/22, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2025:202, Rn. 130). Daher mussten im vorliegenden Fall die vorgelegten Beweise auch Angaben zum Kaufpreis der Beteiligungen und zu den Zahlungsmodalitäten enthalten.
138 Hervorzuheben ist, dass unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache die Vorlage der oben in den Rn. 136 und 137 erwähnten Beweise weder eine unangemessene Belastung darstellen noch eine unrechtmäßige Offenlegung vertraulicher Daten implizieren kann. Der Kläger ist nämlich am besten in der Lage, Beweise für die tatsächliche Übertragung seiner Beteiligungen an ABH Holdings und CTF Holdings sowie für den tatsächlichen Verzicht auf seine Rechte als Anteilseigner dieser Gesellschaften und der mit ihnen verbundenen Organisationen vorzulegen (siehe oben, Rn. 134).
139 Unter Umständen wie denen der vorliegenden Rechtssache, die dadurch gekennzeichnet sind, dass am Tag vor dem Inkrafttreten der den Kläger betreffenden Maßnahmen des Einfrierens von Geldern umfangreiche Übertragungen von Beteiligungen stattgefunden haben sollen (siehe oben, Rn. 135), sowie durch den Rückgriff auf Rechtskonstruktionen unter Einbeziehung von Gesellschaften mit Sitz in mehreren Staaten (siehe oben, Rn. 128 und 129), könnten die Wirksamkeit und die Effektivität der restriktiven Maßnahmen in Frage gestellt werden, wenn angebliche Veräußerungen von Beteiligungen an Gesellschaften berücksichtigt würden, ohne dass es Beweise dafür gibt, dass sie tatsächlich stattfanden.
140 Was die im Rahmen der vorliegenden Klage vorgelegten Beweise betrifft, ist zu prüfen, ob sie hinreichend belegen, dass der Kläger seine Beteiligungen an ABH Holdings und CTF Holdings tatsächlich übertragen und tatsächlich auf seine Rechte als Anteilseigner dieser Gesellschaften und der mit ihnen verbundenen Organisationen verzichtet hatte, so dass der Rat einen Beurteilungsfehler begangen hat, als er davon ausging, dass der Kläger weiterhin zu den Großaktionären des Konsortiums Alfa Group zählt.
141 Erstens trägt der Kläger vor, er habe am 14. März 2022, dem Tag vor der Aufnahme seines Namens in die streitigen Listen, seine Anteile an CTF Holdings an Herrn [vertraulich] veräußert.
142 Wie aus der vorstehenden Rn. 136 hervorgeht, obliegt es dem Kläger jedoch, u. a. Beweise dafür beizubringen, dass die fragliche Übertragung im Einklang mit den unionsrechtlichen Bestimmungen über restriktive Maßnahmen vorgenommen wurde.
143 Nach Art. 2 des Beschlusses 2022/429 und Art. 2 der Durchführungsverordnung 2022/427 traten die gegen den Kläger verhängten restriktiven Maßnahmen am Tag der Veröffentlichung dieser Rechtsakte im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft, d. h. am 15. März 2022, einen Tag, nachdem der Kläger seine Beteiligungen an CTF Holdings veräußert haben soll.
144 Hierzu ist festzustellen, dass Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 269/2014 u. a. bestimmt, dass sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die Eigentum oder Besitz der in den streitigen Listen aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen sind oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, eingefroren werden. In Art. 1 Buchst, f der Verordnung 269/2014 wird „Einfrieren von Geldern“ definiert als „die Verhinderung jeglicher Form der Bewegung, des Transfers, der Veränderung und der Verwendung von Geldern sowie des Zugangs zu ihnen oder ihres Einsatzes, wodurch das Volumen, die Höhe, die Belegenheit, das Eigentum, der Besitz, die Eigenschaften oder die Zweckbestimmung der Gelder verändert oder sonstige Veränderungen bewirkt werden, die eine Nutzung der Gelder einschließlich der Vermögensverwaltung ermöglichen“. Nach Art. 1 Buchst. g dieser Verordnung bezeichnet der Begriff „Gelder“ finanzielle Vermögenswerte und Vorteile jeder Art, zu denen gemäß Ziff. iii dieser Bestimmung u. a. öffentlich und privat gehandelte Wertpapiere und Schuldtitel einschließlich Aktien und Anteilen, Wertpapierzertifikate, Obligationen, Schuldscheine, Optionsscheine, Pfandbriefe und Derivate gehören.
145 Somit wurden im vorliegenden Fall ab dem 15. März 2022 sämtliche Gelder eingefroren, die der Kläger im Gebiet der Union besaß, hielt oder kontrollierte, einschließlich seiner in der Union gehaltenen Beteiligungen an Gesellschaften; diese durften nicht mehr Gegenstand von Bewegungen, Transfers, Veränderungen, Verwendungen oder ihres Einsatzes sein, durch die u. a. das Eigentum oder der Besitz verändert oder sonstige Veränderungen bewirkt worden wären, die ihre Nutzung ermöglicht hätten. Folglich konnte das Einfrieren der vom Kläger gehaltenen Beteiligungen nur durch die Streichung seines Namens von den streitigen Listen oder durch die Gewährung einer der in der Verordnung Nr. 269/2014 vorgesehenen Ausnahmen seitens der zuständigen Behörden beendet werden.
146 Zum Nachweis der Veräußerung seiner Anteile an CTF Holdings hat der Kläger drei Dokumente vorgelegt.
147 Was zunächst das als Auszug aus dem Aktionärsregister von CTF Holdings präsentierte Dokument (Anlage A.27 zur Klageschrift) betrifft, gibt der Kläger mit Stand vom 16. Mai 2023 an, wie viele Aktien von jeder der beiden in diesem Dokument genannten Gesellschaften mit Sitz in Zypern in absoluten Zahlen gehalten würden, ohne nähere Angaben zu machen. Ohne dass über die Beweiskraft dieses Dokuments entschieden zu werden braucht, genügt die Feststellung, dass mit ihm nicht nachgewiesen werden kann, dass die Veräußerung der Anteile des Klägers an CTF Holdings vor dem 15. März 2022 stattfand.
148 Sodann legt der Kläger eine Eigentumserklärung einer in Liechtenstein ansässigen Gesellschaft vor, die nach seinen Angaben bestätigen soll, dass er am 18. Januar 2022 deren Letztendlicher Eigentümer und Anteilseigner gewesen sei (Anlage C.10 zur Erwiderung). Ohne dass über die Beweiskraft dieses Dokuments entschieden zu werden braucht, genügt die Feststellung, dass diese Erklärung für den Nachweis einer Übertragung des Eigentums an seinen Beteiligungen an CTF Holdings vor dem 15. März 2022 irrelevant ist. Diese vom 18. Januar 2022 datierende Erklärung besagt nämlich lediglich, dass der Kläger der Letztendliche Eigentümer dieser in Liechtenstein ansässigen Gesellschaft war, vor dem angeblichen Wechsel des Eigentums an der genannten Gesellschaft.
149 Schließlich legt der Kläger einen Auszug aus dem vom Luxemburg Business Register erstellten Register der wirtschaftlichen Eigentümer von CTF Holdings vor (Anlage C.11 zur Erwiderung), aus dem in der Tat hervorgeht, dass sämtliche Anteile am Kapital dieser Gesellschaft mittelbar von Herrn [vertraulich] und Herrn [vertraulich] gehalten wurden.
150 Der fragliche Auszug enthält jedoch keine Angaben dazu, wann die Beteiligungen des Klägers an CTF Holdings auf Herrn [vertraulich] übertragen wurden und zu welchen Bedingungen. Daher lässt sich mit den darin enthaltenen Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer nicht belegen, dass der Kläger das Eigentum an den Beteiligungen tatsächlich übertrug, bevor am 15. März 2022 die ihn betreffenden restriktiven Maßnahmen in Kraft traten.
151 In der mündlichen Verhandlung ist der Kläger vom Gericht dazu befragt worden, dass in dem in Rede stehenden Auszug der Zeitpunkt der tatsächlichen Übertragung seiner Beteiligungen an CTF Holdings nicht angegeben wird und dass nach den darin enthaltenen Angaben am 25. April 2023, mehr als ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Einfrierens der Gelder des Klägers am 15. März 2022, Informationen geändert wurde; dazu hat der Kläger vorgetragen, dieser Auszug belege, dass die Übertragung der Beteiligungen vor dem letztgenannten Datum erfolgt sei, denn der Registerverwalter habe die gemeldeten Informationen überprüft. Da dieses Vorbringen jedoch nicht untermauert worden ist, etwa durch den Nachweis, dass der Registerverwalter nach der für das Register geltenden nationalen Regelung verpflichtet ist, ihm unterbreitete Erklärungen systematisch zu überprüfen, kann der Auszug nicht zum Nachweis dafür dienen, dass die Anteile tatsächlich vor dem letztgenannten Datum veräußert wurden.
152 Daher ist festzustellen, dass sich mit den vom Kläger vorgelegten Dokumenten nicht belegen lässt, dass er seine Anteile an CTF Holdings tatsächlich vor dem Inkrafttreten der ihm gegenüber ergangenen restriktiven Maßnahmen am 15. März 2022 übertragen hat.
153 Darüber hinaus kann in Anbetracht der zeitlichen Nähe der behaupteten Veräußerung zum Datum der Aufnahme des Namens des Klägers in die streitigen Listen die Vorlage eines vor dem 15. März 2022 geschlossenen Kaufvertrags für sich genommen nicht ausreichen, um eine tatsächliche Übertragung des Eigentums an den Beteiligungen des Klägers an CTF Holdings vor dem Inkrafttreten der ihm gegenüber ergangenen Maßnahmen des Einfrierens von Geldern zu belegen. Zum einen muss, um darzutun, dass die Eigentumsübertragung tatsächlich und im Einklang mit dem Unionsrecht erfolgt ist, nachgewiesen werden, dass sie stattfand, bevor die genannten Maßnahmen nach den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften und Satzungsbestimmungen in Kraft traten. Zum anderen muss der Kläger, da er in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, dass er den Kaufpreis für diese Beteiligungen noch immer nicht erhalten habe, ferner nachweisen, dass die vertraglichen Bestimmungen über die Veräußerung keine auflösende Bedingung für den Fall der Nichtzahlung des Kaufpreises oder eines Zahlungsaufschubs enthielten.
154 Zudem waren ab dem 15. März 2022 alle Beteiligungen des Klägers an Gesellschaften mit Sitz in der Union eingefroren, so dass ab diesem Zeitpunkt jegliche Form der Bewegung, des Transfers oder der Veränderung seiner Beteiligungen an in Luxemburg ansässigen Gesellschaften einer Genehmigung durch die zuständigen Behörden bedurft hätte (siehe oben, Rn. 143 bis 145). Der Kläger beruft sich nicht darauf, dass die zuständigen Behörden nach dem Erlass der restriktiven Maßnahmen gegen ihn ausnahmsweise die Aufhebung des Einfrierens dieser Beteiligungen genehmigt hätten.
155 Daraus folgt, dass der Rat mangels Beweisen für die Vereinbarkeit der angeblichen Veräußerung der Anteile des Klägers an CTF Holdings mit den unionsrechtlichen Bestimmungen über restriktive Maßnahmen sowie mangels Beweisen für eine tatsächliche Veräußerung ohne vertragliche Auflösungsbestimmungen keinen Beurteilungsfeahler begangen hat, als er davon ausging, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsakte vom September 2023 Anteilseigner dieser Gesellschaft war.
156 Zweitens trägt der Kläger vor, er habe am 14. März 2022, dem Tag vor der Aufnahme seines Namens in die streitigen Listen, seine Anteile an ABH Holdings veräußert.
157 Aus den Schriftstücken Nrn. 9, 19 und 20 des Dossiers WK 10524/2023 REV 1, bei denen es sich um Presseartikel in Bezug auf eine Übertragung russischer, von ABH Holdings gehaltener Vermögenswerte nach Russland, an der der Kläger mitgewirkt haben soll, handelt, geht zwar hervor, dass der Kläger seine Anteile an dieser Gesellschaft im März 2022 auf Herrn [vertraulich] übertragen haben soll. Diese Artikel enthalten jedoch keine Angaben zu dem genauen Zeitpunkt, zu dem das Eigentum an den Anteilen des Klägers tatsächlich auf Herrn [vertraulich] übertragen wurde, und insbesondere dazu, ob die Übertragung vor dem Erlass der restriktiven Maßnahmen gegen den Kläger abgeschlossen worden war.
158 Desgleichen geht hinsichtlich der von der Nationalbank der Ukraine stammenden Beweise aus dem Schriftstück Nr. 1 des Dossiers WK 17621/2022 INIT und dem Schriftstück Nr. 2 des Dossiers WK 10555/2023 INIT – Pressemitteilungen der Nationalbank, die am 28. Oktober 2022 und am 20. Juli 2023 veröffentlicht wurden – in der Tat hervor, dass Herr [vertraulich] eine qualifizierte Beteiligung von 40,9614 % an der Sense Bank (vormals Alfa Bank Ukraine, die von ABH Holdings gehalten wurde) gehalten habe, nachdem Anteile des Klägers und eines weiteren Anteilseigners an dieser Bank auf ihn übertragen worden sein sollen. In den Pressemitteilungen der Nationalbank wird allerdings auch hervorgehoben, dass der Erwerb dieser Anteile ohne ihre vorherige Genehmigung erfolgt sei. Außerdem geht aus einem Schreiben der Nationalbank an die Kommission vom 5. Juni 2023 (Schriftstück Nr. 1 des Dossiers WK 10555/2023 INIT) hervor, dass nach ukrainischem Recht die den Erwerb einer erheblichen Beteiligung von Herrn [vertraulich] an der Sense Bank ermöglichende Vereinbarung nichtig sei.
159 In dem der Erwiderung beigefügten Beschluss der Nationalbank der Ukraine vom 15. April 2022 (Anlage C.3 zur Erwiderung) stellt die Nationalbank in Nr. 1 des verfügenden Teils fest, dass Herr [vertraulich] eine erhebliche Beteiligung an der Sense Bank erworben habe; dies sei unter Verstoß gegen ukrainisches Recht geschehen, wonach grundsätzlich jede Person, die den Erwerb einer erheblichen Beteiligung an einem ukrainischen Finanzinstitut plane, verpflichtet sei, die Nationalbank vorab davon in Kenntnis zu setzen und deren vorherige Genehmigung abzuwarten. Außerdem wird weder im verfügenden Teil noch in der Begründung dieses Beschlusses ausdrücklich festgestellt, dass Herr [vertraulich] das Eigentum an den Anteilen des Klägers an ABH Holdings am 14. März 2022 erwarb. In Bezug auf die in der Ukraine befindlichen Vermögenswerte von ABH Holdings stellte die Nationalbank somit lediglich fest, dass die Übertragung unter Verstoß gegen ukrainisches Bankrecht erfolgt sei.
160 Daraus folgt, dass der Beschluss der Nationalbank der Ukraine vom 15. April 2022 nicht belegen kann, dass das Eigentum an den Anteilen des Klägers an ABH Holdings vor dem 15. März 2022 auf Herrn [vertraulich] übertragen worden war.
161 Auch die übrigen vom Kläger vorgelegten Beweise können nicht belegen, dass das Eigentum an seinen Beteiligungen an ABH Holdings tatsächlich vor dem 15. März 2022 auf Herrn [vertraulich] übertragen worden war.
162 So lässt sich weder der von den Wirtschaftsprüfern von ABH Holdings ausgestellten Bescheinigung (Anlage A.30 zur Klageschrift) noch der von ihrer Anwaltskanzlei ausgestellten Bescheinigung (Anlage A.25 zur Klageschrift) eindeutig entnehmen, dass die Übertragung des Eigentums an den Anteilen des Klägers an dieser Gesellschaft vor dem genannten Zeitpunkt wirksam wurde. Zum einen heißt es in der ersten Bescheinigung: „Im März 2022 verkaufte [der Kläger] alle seine Anteile und war nicht mehr Anteilseigner von [ABH Holdings].“ Das genaue Datum der tatsächlichen Übertragung der Anteile wird nicht explizit genannt. Zum anderen wird in der zweiten Bescheinigung lediglich festgestellt, dass die Anteilseigner ihr Stimmrecht frei ausüben können. Die Bescheinigung enthält zwar eine Liste von Dokumenten, zu denen die Vertragsdokumentation über den Verkauf der Anteile des Klägers an dieser Gesellschaft an Herrn [vertraulich] am 14. März 2022, die Satzung der Gesellschaft, eine Vereinbarung zwischen den Anteilseignern, Informationen über vertragliche Beziehungen zwischen der Gesellschaft und benannten Personen sowie eine zwischen ihr und Herrn [vertraulich] geschlossene Absichtserklärung vom 25. April 2022 gehören. Da diese Dokumente nicht vorgelegt wurden und der Bescheinigung nicht beigefügt sind, lässt sich jedoch nicht klären, ob die Übertragung des Eigentums an den Anteilen vor dem 15. März 2022 stattfand.
163 Zu der am 6. April 2022 vom Direktor von ABH Holdings erstellten Bescheinigung (Anlage A.30 zur Klageschrift), wonach der Kläger seit dem am 14. März 2022 erfolgten Verkauf seiner Anteile an dieser Gesellschaft an einen Dritten nicht mehr zu ihren Eigentümern gehöre, ist im Einklang mit der oben in Rn. 95 angeführten Rechtsprechung festzustellen, dass der Beweiswert dieser Bescheinigung, die vom Direktor der Gesellschaft stammt, deren Anteilseigner der Kläger war, zu relativieren ist (Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 153). Mangels weiterer Beweise zur Untermauerung einer solchen Behauptung reicht die Bescheinigung daher für sich genommen nicht zum Nachweis dafür aus, dass die Übertragung des Eigentums an diesen Anteilen tatsächlich am 14. März 2022 stattfand.
164 Zu dem vom Luxembourg Business Register erstellten Auszug aus dem Register der wirtschaftlichen Eigentümer von ABH Holdings ist, unabhängig von der Verlässlichkeit dieses Dokuments, das keine Unterschrift des Verwalters trägt, festzustellen, dass darin der 22. März 2022 – eine Woche nach dem Inkrafttreten der Maßnahmen zum Einfrieren der Gelder des Klägers – als Datum der letzten Änderung angegeben wird. Unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache, die dadurch gekennzeichnet sind, dass am Tag vor dem Inkrafttreten dieser Maßnahmen Anteilsübertragungen von erheblichem Umfang stattgefunden haben sollen, reicht dieser Auszug nicht zum Nachweis dafür aus, dass der Kläger das Eigentum an seinen Anteilen an dieser Gesellschaft tatsächlich übertragen hatte, bevor seine Gelder eingefroren wurden. Aus den oben in Rn. 151 dargelegten Gründen kann mit diesem Auszug nämlich nicht nachgewiesen werden, dass die Übertragung des Eigentums an den Anteilen tatsächlich vor dem 15. März 2022 erfolgte.
165 Außerdem kann in Anbetracht der zeitlichen Nähe zwischen der behaupteten Veräußerung und dem Zeitpunkt der Aufnahme des Namens des Klägers in die streitigen Listen die Vorlage eines vor dem 15. März 2022 geschlossenen Kaufvertrags für sich genommen nicht zum Nachweis einer tatsächlichen Übertragung des Eigentums an den Anteilen des Klägers an ABH Holdings vor dem Inkrafttreten der Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern ausreichen. Zum einen setzt die Vereinbarkeit der Eigentumsübertragung mit dem Unionsrecht den Nachweis voraus, dass sie nach den nationalen Rechtsvorschriften und den einschlägigen Statutsbestimmungen vor dem Inkrafttreten dieser Maßnahmen abgeschlossen war. Zum anderen muss der Kläger, da er in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, dass er den Kaufpreis für die Anteile nach wie vor nicht erhalten habe, zudem nachzuweisen, dass die vertraglichen Bestimmungen für die Veräußerung keine auflösende Bedingung für den Fall der Nichtzahlung des Kaufpreises oder eines Zahlungsaufschubs enthielten.
166 In Anbetracht der in den vorstehenden Rn. 157 bis 165 angestellten Erwägungen hat der Rat daher keinen Beurteilungsfehler begangen, als er davon ausging, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsakte vom September 2023 Anteilseigner von ABH Holdings war.
167 Da der Rat zu Recht davon ausging, dass der Kläger Anteilseigner von CTF Holdings (siehe oben, Rn. 155) und ABH Holdings (siehe oben, Rn. 166) war, kann ihm nicht vorgeworfen werden, einen Beurteilungsfehler begangen zu haben, als er den Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsakte vom September 2023 als Großaktionär des Konsortiums Alfa Group einstufte.
168 Es ist unstreitig, dass Alfa Bank Russland eine der größten russischen Geschäfts- und Privatbanken ist, dass AlfaStrakhovanie eine der größten Versicherungsgesellschaften in Russland ist und dass X5 Retail Group eines der wichtigsten Einzelhandelsunternehmen in Russland ist. Bei A1 (vormals Alfa-Eco) handelt es sich offenbar um eine Investmentgesellschaft mit Sitz in Russland.
169 Folglich ist die Einstufung des Klägers als eines in Russland tätigen führenden Geschäftsmanns im Sinne des ersten Teils des geänderten Kriteriums g durch den Rat angesichts der Bedeutung, die die Tätigkeiten der Gesellschaften des Konsortiums Alfa Group in Russland haben, frei von Beurteilungsfehlern.
170 Das übrige Vorbringen des Klägers ist nicht geeignet, diese Schlussfolgerung in Frage zu stellen.
171 Erstens kann das Vorbringen des Klägers, die Ausübung einer Exekutivfunktion sei eine notwendige Voraussetzung für die Einstufung als „führend“ im Sinne des ersten Teils des geänderten Kriteriums g, keinen Erfolg haben. Da das bloße Halten erheblicher Kapitalbeteiligungen an einer oder mehreren wichtigen Gesellschaften ausreichen kann, um eine Person als führenden Geschäftsmann einzustufen, ist die Ausübung einer Exekutivfunktion nämlich keine notwendige Voraussetzung für eine solche Einstufung einer natürlichen Person (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 151). Folglich ist es unerheblich, dass der Kläger mehrere Jahre vor dem Erlass der ursprünglichen Rechtsakte in den mit dem Konsortium Alfa Group verbundenen Organisationen keine Exekutivfunktion mehr ausübte.
172 Zweitens ist auch das Vorbringen des Klägers zurückzuweisen, er sei nicht in Russland tätig gewesen, weil nach der Rechtsprechung zur Mehrwertsteuer der bloße – tatsächliche oder vermutete – Besitz von Anteilen für sich genommen nicht für die Ausübung einer „wirtschaftlichen Tätigkeit“ ausreiche. Dazu genügt der Hinweis, dass der Begriff „wirtschaftliche Tätigkeit“ im Bereich der Mehrwertsteuer zu einem anderen rechtlichen Kontext gehört als dem des geänderten Kriteriums g, dessen erster Teil „in Russland tätige“ führende Geschäftsleute erfasst (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2024, OT/Rat, T‑286/23, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:606, Rn. 92).
173 Drittens ist das Vorbringen des Klägers zurückzuweisen, er falle nicht unter die Vermutung der wechselseitigen Abhängigkeit führender Geschäftsleute und der russischen Regierung, da er nicht zur Gruppe der Herrn Putin nahestehenden Geschäftsleuten gehöre und da keines seiner Unternehmen von der öffentlichen Hand bevorzugt behandelt worden sei. Insoweit ist zunächst hervorzuheben, dass mit dem ersten Teil des geänderten Kriteriums g lediglich ein objektives, eigenständiges und hinreichendes Kriterium zur Rechtfertigung der Aufnahme des Namens bestimmter Personen in die streitigen Listen geschaffen werden sollte, das vom Rat den Nachweis zweier kumulativer Umstände verlangt, und zwar zum einen, dass es sich bei der betreffenden Person um eine führende Geschäftsfrau oder einen führenden Geschäftsmann handelt, und zum anderen, dass diese Person in Russland tätig ist. Folglich kann der Kläger nicht geltend machen, dass damit eine Vermutung aufgestellt worden sei (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 9. Juli 2020, Haswani/Rat, C‑241/19 P, EU:C:2020:545, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung). Sodann bedarf es, wie oben in Rn. 124 ausgeführt, zur Rechtfertigung der Aufnahme in die Liste auf der Grundlage dieses Teils weder des Nachweises einer Verbindung zwischen dem Kläger und dem russischen Regime noch des Nachweises einer Unterstützung dieses Regimes oder eines daraus erwachsenen Vorteils. Somit ist es für die Anwendung dieses Teils unerheblich, ob der Kläger eine mit dem KGB oder dem Netzwerk in Sankt Petersburg verbundene, Herrn Putin nahestehende Person ist, ob er in staatlich kontrollierten Bereichen tätig ist und ob er öffentliche Aufträge, Steuervergünstigungen oder eine Sonderbehandlung erhalten hat. Das Gleiche gilt für das Vorbringen, bei keinem seiner Unternehmen habe ein Minister der russischen Regierung oder ein persönlicher Treuhänder dem Verwaltungsrat angehört.
174 Viertens kann der Kläger, soweit er geltend machen will, der Rat habe einen Beurteilungsfehler begangen, weil das Konsortium Alfa Group keine Rechtspersönlichkeit besitze, so dass es nicht möglich sei, dessen Anteilseigner zu sein, mit seinem Vorbringen keinen Erfolg haben. Die Eigenschaft als Anteilseigner dieses Konsortiums kann sich nämlich auf alle Unternehmen beziehen, die ihm angehören (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2024, OT/Rat, T‑286/23, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:606, Rn. 116). Außerdem wird AlfaStrakhovanie im Schriftstück Nr. 2 des Dossiers WK 10524/2023 REV 1, einer Seite ihrer Website, als Teil des „finanziellen und industriellen Konsortiums Alfa Group“ präsentiert.
175 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Kläger nicht nachgewiesen hat, dass der Rat einen Beurteilungsfehler beging, als er beim Erlass der Rechtsakte vom September 2023 seinen Namen auf der Grundlage des ersten Teils des geänderten Kriteriums g auf den streitigen Listen beließ.
176 An zweiter Stelle ist ergänzend festzustellen, dass in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in seiner ursprünglichen, auf den Beschluss 2022/329 zurückgehenden Fassung und im ersten Teil des geänderten Kriteriums g speziell von „führenden Geschäftsleuten“ die Rede ist, während im dritten Teil des geänderten Kriteriums g der persönliche Anwendungsbereich der restriktiven Maßnahmen erweitert wird, indem er nicht mehr verlangt, dass es sich um „führende“ Geschäftsleute handelt.
177 In Anbetracht der im vierten Erwägungsgrund des Beschlusses 2023/1094 genannten Ziele des Rates, die darin bestehen, größtmöglichen Druck auf die russischen Behörden auszuüben, damit sie ihre Aktionen und ihre Politik zur Destabilisierung der Ukraine beenden, bezieht sich der Begriff „Geschäftsleute“ nur auf natürliche Personen, die eine qualitativ oder quantitativ nicht unerhebliche wirtschaftliche Tätigkeit in Wirtschaftssektoren ausüben, die der Regierung der Russischen Föderation als wichtige Einnahmequelle dienen, so dass die Aufnahme ihres Namens in die fragliche Liste geeignet ist, die Kosten für Handlungen der Russischen Föderation, die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine untergraben, in die Höhe zu treiben und infolgedessen den Druck auf die für die Invasion der Ukraine verantwortliche Russische Föderation zu erhöhen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Januar 2025, Vinokurov/Rat, T‑1106/23, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2025:106, Rn. 48).
178 Außerdem geht in Bezug auf die Bereiche der Wirtschaft, die der Regierung der Russischen Föderation als wichtige Einnahmequelle dienen, aus dem Wortlaut des dritten Teils des geänderten Kriteriums g eindeutig hervor, dass der Wirtschaftssektor und nicht die natürliche oder juristische Person, deren Name in die streitigen Listen aufgenommen wurde, der Regierung der Russischen Föderation als wichtige Einnahmequelle dienen muss. Zwar wird der Begriff „wichtige Einnahmequelle“ im geänderten Beschluss 2014/145 nicht definiert. Die Verwendung des qualifizierenden Adjektivs „wichtig“, das sich auf das Substantiv „Einnahmequelle“ bezieht, impliziert aber, dass diese Einnahmequelle signifikant sein muss und somit nicht unerheblich sein kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Januar 2025, Vinokurov/Rat, T‑1106/23, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2025:106, Rn. 49).
179 Im vorliegenden Fall räumt der Kläger ein, dass er zum Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsakte vom September 2023 noch Anteilseigner von Rosvodokanal war. Diese Gesellschaft wird in der Präsentation des Konsortiums Alfa Group als einer der größten russischen privaten Wirtschaftsteilnehmer im Bereich der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung beschrieben, der Dienstleistungen für etwa 5 Mio. Kunden erbringt, in sieben russischen Städten tätig ist und ungefähr 10 000 Mitarbeiter hat. Überdies gehört diese Gesellschaft, wie aus dem Schriftstück Nr. 2 des Dossiers WK 10524/2023 REV 1 hervorgeht, zu dem genannten Konsortium.
180 Infolgedessen ist davon auszugehen, dass der Kläger allein aufgrund seiner Eigenschaft als Anteilseigner von Rosvodokanal eine qualitativ oder quantitativ nicht unerhebliche wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, so dass er als Geschäftsmann im Sinne des dritten Teils des geänderten Kriteriums g anzusehen ist.
181 Nach der Rechtsprechung dient der Sektor der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung der Regierung der Russischen Föderation als wichtige Einnahmequelle, durch die im Jahr 2022 Steuereinnahmen in Höhe von über 94 Mrd. russische Rubel (RUB) (etwa 967 Mio. Euro) entstanden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2024, OT/Rat, T‑286/23, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:606, Rn. 126 und 127).
182 Dem Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass die von Rosvodokanal gezahlten Steuern nur einen ganz geringen Teil des Gesamtbetrags der von diesem Sektor gezahlten Steuern ausmachten, kann nicht gefolgt werden. Wie oben in Rn. 178 ausgeführt, kommt es nämlich auf die durch den Sektor generierten Einnahmen an und nicht auf die von der betreffenden Person oder Organisation gezahlten Steuern.
183 Folglich genügte die bloße Tatsache, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsakte vom September 2023 Anteilseigner von Rosvodokanal war, um seine persönliche Situation unter den dritten Teil des geänderten Kriteriums g zu subsumieren.
184 Nach alledem hat der Rat ohne Beurteilungsfehler festgestellt, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsakte vom September 2023 ein in Russland tätiger führender Geschäftsmann im Sinne des ersten Teils des geänderten Kriteriums g war sowie ein in einem Bereich, der der Regierung der Russischen Föderation als wichtige Einnahmequelle im Sinne des dritten Teils des geänderten Kriteriums g dient, tätiger Geschäftsmann.
185 Nach der Rechtsprechung kann bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Beschlusses, mit dem restriktive Maßnahmen erlassen werden, in Anbetracht ihres präventiven Charakters, sofern das Unionsgericht zu der Auffassung gelangt, dass zumindest einer der angeführten Gründe hinreichend präzise und konkret ist, dass er nachgewiesen ist und dass er für sich genommen eine hinreichende Grundlage für den Beschluss darstellt, der Umstand, dass dies auf andere Gründe nicht zutreffen mag, die Nichtigerklärung des Beschlusses nicht rechtfertigen (Urteile vom 28. November 2013, Rat/Manufacturing Support & Procurement Kala Naft, C‑348/12 P, EU:C:2013:776, Rn. 72, und vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 186).
186 Daher ist, ohne dass das übrige Vorbringen des Klägers geprüft zu werden braucht, das sich gegen die Belassung seines Namens auf den streitigen Listen auf der Grundlage des Kriteriums d richtet, der erste Klagegrund, mit dem gerügt wird, dass der Rat einen Beurteilungsfehler begangen habe, als er beim Erlass der Rechtsakte vom September 2023 beschlossen habe, den Namen des Klägers auf den streitigen Listen zu belassen, zurückzuweisen.
c) Zu den Rechtsakten vom März 2024
187 Der Kläger macht geltend, er sei seit März 2022 kein Anteilseigner des Konsortiums Alfa Group mehr. Er habe seine Anteile an Alfa Bank Russland, AlfaStrakhovanie Russland und CTF Holdings veräußert.
188 In Anbetracht der Urteile vom 10. April 2024, Aven/Rat (T‑301/22, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:214), und vom 10. April 2024, Fridman/Rat (T‑304/22, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:215), ist der Kläger der Ansicht, dass die Belassung seines Namens auf den streitigen Listen eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung seiner persönlichen Situation und derjenigen der Kläger in den Rechtssachen darstelle, in denen diese Urteile ergangen seien.
189 Der Rat tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.
190 Zum allgemeinen Kontext, der den Erlass der in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen durch den Rat rechtfertigte (siehe oben, Rn. 88), ist festzustellen, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsakte vom März 2024 die ernste Lage in der Ukraine fortbestand. Desgleichen waren die restriktiven Maßnahmen nach wie vor im Hinblick auf das verfolgte Ziel gerechtfertigt, größtmöglichen Druck auf die russischen Behörden auszuüben, damit sie ihre Aktionen und ihre Politik zur Destabilisierung der Ukraine sowie den militärischen Angriff auf dieses Land beenden, und die Kosten für Handlungen der Russischen Föderation, die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine untergraben, in die Höhe zu treiben.
191 Was die persönliche Situation des Klägers betrifft, wird er in den Aufnahmegründen der Rechtsakte vom März 2024 als „Großaktionär“ des Konsortiums Alfa Group bezeichnet. Daher ist davon auszugehen, dass es sich im Wesentlichen um dieselben Gründe handelt wie bei den Rechtsakten vom September 2023.
192 Hierzu ist festzustellen, dass sich der Kläger im Rahmen des Überprüfungsverfahrens, das zum Erlass der Rechtsakte vom März 2024 führte, auf keinen neuen Gesichtspunkt berief, um darzutun, dass er kein Großaktionär des Konsortiums Alfa Group mehr sei.
193 Im Rahmen des Anpassungsschriftsatzes hat der Kläger zum Nachweis dafür, dass er nicht mehr über ABH Holdings ein Großaktionär des Konsortiums Alfa Group sei, einen Auszug aus dem vom Luxembourg Business Register erstellten Register der wirtschaftlichen Eigentümer dieser Gesellschaft vorgelegt (Anlage E.5 zu diesem Schriftsatz), der, anders als der Auszug in Anlage A.28 zur Klageschrift, die Unterschrift des Verwalters trägt.
194 Erstens ist zur Anwendung des ersten Teils des geänderten Kriteriums g auf den Kläger festzustellen, dass er keine neuen Beweise dafür vorgelegt hat, dass die Übertragung des Eigentums an seinen Anteilen an CTF Holdings vor dem Inkrafttreten der ihm gegenüber erlassenen restriktiven Maßnahmen erfolgt war. Infolgedessen ist aus den oben in den Rn. 142 bis 155 dargelegten Gründen festzustellen, dass der Rat keinen Beurteilungsfehler begangen hat, als er davon ausging, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsakte vom März 2024 Anteilseigner dieser Gesellschaft war.
195 Was die behauptete Veräußerung seiner Anteile an ABH Holdings betrifft, ist, da in dem Auszug aus dem Register der wirtschaftlichen Eigentümer, der die Unterschrift des Verwalters trägt, das genaue Datum der Übertragung dieser Anteile auf den Erwerber nicht angegeben wird, aus den oben in den Rn. 164 und 165 dargelegten Gründen davon auszugehen, dass dieser Auszug nicht ausreicht, um nachzuweisen, dass das Eigentum an diesen Anteilen tatsächlich vor dem 15. März 2022 übertragen worden war. Desgleichen muss, da der Erwerber seiner Zahlungspflicht nicht nachgekommen ist, dargetan werden, dass die vertraglichen Bestimmungen über den Verkauf keine auflösende Bedingung für den Fall der Nichtzahlung des Preises enthielten. Infolgedessen ist aus den oben in den Rn. 157 bis 166 dargelegten Gründen festzustellen, dass der Rat keinen Beurteilungsfehler begangen hat, als er davon ausging, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsakte vom März 2024 Anteilseigner dieser Gesellschaft war.
196 Somit durfte der Rat davon ausgehen, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsakte vom März 2024 ein Großaktionär des Konsortiums Alfa Group war, so dass es gerechtfertigt war, seinen Namen auf der Grundlage des ersten Teils des geänderten Kriteriums g auf den streitigen Listen zu belassen.
197 Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, dass er zum Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsakte vom März 2024 noch Anteilseigner von Rosvodokanal war, genügt aus den oben in den Rn. 179 bis 183 dargelegten Gründen jedenfalls die bloße Tatsache, dass er Anteilseigner dieser Gesellschaft war, als Rechtfertigung für die Belassung seines Namens auf den streitigen Listen auf der Grundlage des dritten Teils des geänderten Kriteriums g.
198 Darüber hinaus kann der Kläger nicht geltend machen, dass die Belassung seines Namens auf den streitigen Listen eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber der Situation von Herrn Fridman und Herrn Aven darstelle, weil die sie betreffenden Rechtsakte mit den Urteilen vom 10. April 2024, Aven/Rat (T‑301/22, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:214), und vom 10. April 2024, Fridman/Rat (T‑304/22, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:215), für nichtig erklärt worden seien. Wie sich aus den Gründen der Urteile vom 10. April 2024, Aven/Rat (T‑301/22, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:214), und vom 10. April 2024, Fridman/Rat (T‑304/22, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:215), ergibt, beruhte die Aufnahme des Namens der jeweiligen Kläger in die Listen, um die es in den Rechtssachen ging, in denen diese Urteile ergangen sind, nämlich weder auf dem ursprünglichen Kriterium g noch auf dem geänderten Kriterium g.
199 Demnach hat der Rat ohne Beurteilungsfehler festgestellt, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsakte vom März 2024 ein in Russland tätiger führender Geschäftsmann im Sinne des ersten Teils des geänderten Kriteriums g sowie ein in einem Bereich, der der Regierung der Russischen Föderation als wichtige Einnahmequelle im Sinne des dritten Teils des geänderten Kriteriums g dient, tätiger Geschäftsmann war.
200 Nach der Rechtsprechung kann bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Beschlusses, mit dem restriktive Maßnahmen erlassen werden, in Anbetracht ihres präventiven Charakters, sofern das Unionsgericht zu der Auffassung gelangt, dass zumindest einer der angeführten Gründe hinreichend präzise und konkret ist, dass er nachgewiesen ist und dass er für sich genommen eine hinreichende Grundlage für den Beschluss darstellt, der Umstand, dass dies auf andere Gründe nicht zutreffen mag, die Nichtigerklärung des Beschlusses nicht rechtfertigen (Urteile vom 28. November 2013, Rat/Manufacturing Support & Procurement Kala Naft, C‑348/12 P, EU:C:2013:776, Rn. 72, und vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 186).
201 Daher ist, ohne dass das übrige Vorbringen des Klägers geprüft zu werden braucht, das sich gegen die Belassung seines Namens auf den streitigen Listen auf der Grundlage des Kriteriums d richtet, der erste Klagegrund, mit dem ein Beurteilungsfehler beim Erlass der Rechtsakte vom März 2024 gerügt wird, zurückzuweisen.
202 Folglich ist der erste Klagegrund, mit dem ein Beurteilungsfehler gerügt wird, insgesamt zurückzuweisen.
3. Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
203 Der Kläger ist der Ansicht, dass die ihm gegenüber erlassenen restriktiven Maßnahmen gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstießen. Da der Name der Alfa Bank durch die oben in Rn. 12 genannten Rechtsakte vom 13. März 2023 in die streitigen Listen aufgenommen worden sei, sei es unangebracht, die restriktiven Maßnahmen gegen sie aufrechtzuerhalten, um die verfolgten Ziele zu erreichen. Da er die genannte Gesellschaft, die Gegenstand restriktiver Maßnahmen sei, nie geleitet habe, nicht in Russland wohne und dort kein Steuerpflichtiger sei, sei die Belassung seines Namens auf den streitigen Listen nicht geeignet, die verfolgten, der Ausübung von Druck auf die russischen Entscheidungsträger dienenden Ziele zu erreichen. Da er nicht mehr Anteilseigner von Gesellschaften sei und bei keiner von ihnen eine Leitungs- oder Geschäftsführungsposition innehabe, sei er auch nicht in der Lage, Einfluss auf sie auszuüben.
204 Außerdem macht der Kläger geltend, die Ausnahmen, auf deren Grundlage die Aufhebung des Einfrierens bestimmter Gelder zur Deckung der Grundbedürfnisse beantragt werden könne, seien angesichts der Hindernisse, auf die er im Rahmen ihrer Umsetzung durch die nationalen Behörden und bei der Bereitstellung der Gelder durch die Finanzinstitute stoße, ineffizient.
205 Überdies könne angesichts der Pläne der Kommission zum Erlass von Vorschriften, die es ermöglichten, eingefrorene Vermögensgegenstände einzuziehen und zu beschlagnahmen, nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die restriktiven Maßnahmen vorübergehenden, Sicherungs- und präventiven Charakter hätten.
206 Der Rat habe nicht geprüft, ob die restriktiven Maßnahmen tatsächlich zur Erreichung der angestrebten Ziele beigetragen hätten. Im vorliegenden Fall seien die mit ihnen verfolgten Ziele nicht erreicht worden, da der Krieg verloren worden sei.
207 Der Rat tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.
208 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört und in Art. 5 Abs. 4 EUV übernommen wurde, verlangt, dass die durch eine unionsrechtliche Bestimmung eingesetzten Mittel zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet sind und nicht über das zu ihrer Erreichung erforderliche Maß hinausgehen (Urteile vom 15. November 2012, Al-Aqsa/Rat und Niederlande/Al-Aqsa, C‑539/10 P und C‑550/10 P, EU:C:2012:711, Rn. 122, und vom 1. Juni 2022, Prigozhin/Rat, T‑723/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:317, Rn. 133).
209 Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung zur gerichtlichen Kontrolle der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, dass der Unionsgesetzgeber in Bereichen, in denen er politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen treffen und komplexe Beurteilungen vornehmen muss, über einen großen Wertungsspielraum verfügt. Daher ist eine in diesen Bereichen erlassene Maßnahme nur dann rechtswidrig, wenn sie zur Erreichung des vom zuständigen Organ verfolgten Ziels offensichtlich ungeeignet ist (vgl. Urteil vom 30. November 2016, Rotenberg/Rat, T‑720/14, EU:T:2016:689, Rn. 179 und die dort angeführte Rechtsprechung).
210 Im vorliegenden Fall entsprechen die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen einer dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung, die von der Union als solche anerkannt wird und geeignet ist, selbst erhebliche negative Folgen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 150). Denn mit ihnen soll Druck auf die russischen Behörden ausgeübt werden, damit sie ihre Aktionen und ihre Politik zur Destabilisierung der Ukraine beenden. Insbesondere zielt der Rat durch den Erlass restriktiver Maßnahmen gegen in Russland tätige führende Geschäftsleute und gegen Geschäftsleute, die in Sektoren tätig sind, die der Regierung der Russischen Föderation als wichtige Einnahmequelle dienen, darauf ab, zum einen den Einfluss auszunutzen, den diese Personen auf das russische Regime ausüben können, indem er sie dazu bringt, Druck auszuüben, damit die Regierung ihre Politik ändert, und zum anderen die Kosten für Handlungen der Russischen Föderation, die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine untergraben, in die Höhe zu treiben. Daher ist die Union ersichtlich bestrebt, die Einnahmen des russischen Staats zu schmälern und Druck auf die russische Regierung auszuüben, um deren Fähigkeit zur Finanzierung von Aktionen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben, zu verringern und um diesen Aktionen zur Wahrung der Stabilität Europas und der Welt ein Ende zu setzen. Dabei handelt es sich um eines der im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik verfolgten Ziele, auf die in Art. 21 Abs. 2 Buchst. c EUV Bezug genommen wird, wie die Erhaltung des Friedens, die Verhütung von Konflikten und die Stärkung der internationalen Sicherheit.
211 Somit ist davon auszugehen, dass die gegen den Kläger erlassenen restriktiven Maßnahmen zur Erreichung der verfolgten Ziele nicht offensichtlich ungeeignet sind. Diese Feststellung kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass der Name von Alfa Bank in die streitigen Listen aufgenommen wurde. Da der Kläger unter den ersten und den dritten Teil des geänderten Kriteriums g fällt, kann nämlich der bloße Umstand, dass gegen eine Organisation, mit der er verbunden ist, ebenfalls restriktive Maßnahmen verhängt wurden, nicht zur offensichtlichen Ungeeignetheit der gegen ihn gerichteten Maßnahmen zur Erreichung der verfolgten Ziele führen, da seine persönlichen Gelder von den Geldern dieser Gesellschaft zu trennen sind. Darüber hinaus beschränkt sich das Konsortium Alfa Group nicht auf diese Gesellschaft, sondern ihm gehören auch AlfaStrakhovanie, X5 Retail Group, A1 und Rosvodokanal an.
212 Zur Erforderlichkeit der in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen ist festzustellen, dass alternative und weniger belastende Maßnahmen wie ein System vorheriger Genehmigung oder eine Pflicht, die Verwendung ausgezahlter Gelder nachträglich zu belegen, es nicht ermöglichen, die verfolgten, oben in Rn. 210 aufgeführten Ziele ebenso wirksam zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. November 2016, Rotenberg/Rat, T‑720/14, EU:T:2016:689, Rn. 182 und die dort angeführte Rechtsprechung).
213 Insoweit ist das Vorbringen des Klägers, die Aufnahme des Namens von Alfa Bank in die streitigen Listen könne eine weniger belastende alternative Maßnahme darstellen, mit der die verfolgten Ziele ebenso wirksam erreicht werden könnten, zurückzuweisen. Das Vermögen des Klägers ist nämlich von dem dieser Gesellschaft zu trennen und beschränkt sich nicht allein auf die von diesem Finanzinstitut gehaltenen Vermögenswerte.
214 Außerdem handelt es sich bei den restriktiven Maßnahmen um vorübergehende und reversible Beschränkungen, und es sind Ausnahmen möglich.
215 Der Kläger kann diese Feststellung nicht mit dem Argument in Frage stellen, dass er bei der Anwendung der in Art. 2 Abs. 3 und 4 des Beschlusses 2014/145 in geänderter Fassung sowie in Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 269/2014 vorgesehenen Ausnahmen auf Schwierigkeiten treffe. Insoweit ist es nach ständiger Rechtsprechung allein Sache der zuständigen nationalen Gerichte, die Gültigkeit nationaler Maßnahmen zur Durchführung von Rechtsakten der Union zu überprüfen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juli 1996, Branco/Kommission, T‑271/94, EU:T:1996:103, Rn. 53, und vom 14. April 2016, Ben Ali/Rat, T‑200/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:216, Rn. 268). Falls die nationalen Gerichte bei der Auslegung der vorgenannten Ausnahmen auf Schwierigkeiten stoßen, haben sie die Möglichkeit, den Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung zu ersuchen. Desgleichen ist das Gericht nicht nach Art. 263 AEUV für die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Kläger und Finanzinstituten zuständig, die ihm keine Gelder zur Verfügung stellen, obwohl die zuständige nationale Behörde dies genehmigt hat.
216 Der vorübergehende und reversible Charakter der restriktiven Maßnahmen wird auch nicht durch das die Einziehung der eingefrorenen Vermögenswerte betreffende Vorhaben der Kommission in Frage gestellt. Wie der Rat ausführt, sieht die zum Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsakte vom September 2023 und vom März 2024 geltende Regelung nämlich nicht vor, dass ohne einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Verordnung Nr. 269/2014 in geänderter Fassung die Gelder der von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Personen eingezogen werden können. Hierzu ist festzustellen, dass nach Art. 15 Abs. 1 dieser Verordnung „geeignete Maßnahmen“ zur Einziehung der Erträge aus solchen Verstößen zu ergreifen sind. Daraus folgt, dass der Rat den nationalen Behörden einen Ermessensspielraum bei der Definition von Art und Umfang der Einziehung eingeräumt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2024, Timchenko und Timchenko/Rat, T‑644/22, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:621, Rn. 104). Überdies trägt der Kläger nicht vor, dass die gegen ihn erlassenen restriktiven Maßnahmen eine Einziehung seiner Gelder impliziert hätten. Folglich kann er nicht mit Erfolg geltend machen, dass diese Maßnahmen keinen vorübergehenden und reversiblen Charakter hätten.
217 Daraus ergibt sich, dass im vorliegenden Fall die dem Kläger entstandenen Nachteile nicht offensichtlich außer Verhältnis zur Bedeutung der mit den angefochtenen Rechtsakten verfolgten Ziele stehen.
218 Schließlich kann der Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, dass der Rat nicht geprüft habe, ob die restriktiven Maßnahmen tatsächlich zur Erreichung der angestrebten Ziele beigetragen hätten, und dass ihre Beibehaltung ihm gegenüber zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Rechtsakte nicht mehr gerechtfertigt gewesen sei, da der Krieg verloren worden sei. Wie nämlich aus dem dritten Erwägungsgrund des Beschlusses 2023/1767 und dem vierten Erwägungsgrund des Beschlusses 2024/847 hervorgeht, dauerte zu diesem Zeitpunkt der Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine an, was die Verlängerung der restriktiven Maßnahmen um sechs Monate rechtfertigte. Außerdem wurde die persönliche Situation des Klägers entgegen seinem Vorbringen regelmäßig überprüft, mit dem Ergebnis, dass der Rat die restriktiven Maßnahmen gegen ihn beibehielt. Wie sich aus der Prüfung des ersten Klagegrundes ergibt, hat der Rat ordnungsgemäß nachgewiesen, dass der Kläger zu den vom ersten und vom dritten Teil des geänderten Kriteriums g erfassten Personengruppen gehört.
219 Aufgrund dessen ist der zweite Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerügt wird, zurückzuweisen.
220 Somit ist die Klage insgesamt abzuweisen.
V. Kosten
221 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag des Rates seine eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. OT trägt die Kosten.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 23. Juli 2025.
Unterschriften
Inhalt
I. Vorgeschichte
II. Nach Klageerhebung eingetretene Ereignisse
III. Anträge der Parteien
IV. Rechtliche Würdigung
A. Zur Zuständigkeit des Gerichts für die Entscheidung über den zweiten Antrag des Klägers
B. Zur Begründetheit
1. Dritter Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte und des Anspruchs auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz
a) Zu den Rechtsakten vom September 2023
b) Zu den Rechtsakten vom März 2024
2. Erster Klagegrund: Beurteilungsfehler
a) Vorbemerkungen
b) Zu den Rechtsakten vom September 2023
1) Zur Zuverlässigkeit der Beweise
2) Zur Anwendung des ersten und des dritten Teils des geänderten Kriteriums g auf den Kläger
c) Zu den Rechtsakten vom März 2024
3. Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
V. Kosten