T-600/23 – BNetzA/ ACER

T-600/23 – BNetzA/ ACER

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:T:2025:927

URTEIL DES GERICHTS (Dritte erweiterte Kammer)

1. Oktober 2025(*)

„ Energie – Elektrizitätsbinnenmarkt – Verordnung (EU) 2015/1222 – Verordnung (EU) 2019/943 – Vergabe gebotszonenübergreifender Kapazität und Engpassmanagement – Festlegung gemeinsamer regionaler Methoden für die Berechnung der Day-Ahead- und Intraday-Kapazitäten – Vorschläge der Übertragungsnetzbetreiber der CORE‑Kapazitätsberechnungsregion – Interne kritische Netzelemente – Wirtschaftliche Effizienz – Energieflussverteilungsfaktor – Entscheidung des Beschwerdeausschusses der ACER “

In den Rechtssachen T‑600/23 und T‑612/23,

Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA) mit Sitz in Bonn (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwälte U. Karpenstein und K. Reiter,

Klägerin in der Rechtssache T‑600/23,

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch J. Möller und R. Kanitz als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt R. Bierwagen,

Klägerin in der Rechtssache T‑612/23,

gegen

Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER), vertreten durch P. Martinet, E. Tremmel und M. Povh als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Europäische Kommission, vertreten durch O. Beynet und T. Scharf als Bevollmächtigte,

Streithelferin in der Rechtssache T‑612/23,

erlässt

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten S. Papasavvas, der Richterin P. Škvařilová-Pelzl (Berichterstatterin) sowie der Richter I. Nõmm, D. Kukovec und R. Meyer,

Kanzler: S. Jund, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die gemeinsame mündliche Verhandlung vom 4. März 2025

folgendes

Urteil

1        Mit ihren Klagen nach Art. 263 AEUV begehren die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA) und die Bundesrepublik Deutschland die Aufhebung der Entscheidung A-003-2019_R des Beschwerdeausschusses der Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) vom 7. Juli 2023, die am 26. Juli 2023 auf der Website der ACER veröffentlicht wurde (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Nach Art. 18 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 714/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 (ABl. 2009, L 211, S. 15) konnte die Europäische Kommission Leitlinien u. a. zu Abs. 3 Buchst. d dieses Artikels erlassen, einschließlich – über den Verweis auf Art. 8 Abs. 6 Buchst. g dieser Verordnung – von Regeln für Kapazitätsvergabe und Engpassmanagement.

3        Auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 3 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 714/2009 erließ die Kommission die Verordnung (EU) 2015/1222 vom 24. Juli 2015 zur Festlegung einer Leitlinie für die Kapazitätsvergabe und das Engpassmanagement (ABl. 2015, L 197, S. 24). Mit dieser Verordnung wurde eine Reihe von Anforderungen an die Vergabe von zonenübergreifender Kapazität zwischen Gebotszonen (im Folgenden: Zonen) und an das Engpassmanagement auf dem Day-Ahead-Markt und dem Intraday-Markt im Elektrizitätssektor formuliert. Zu diesen Anforderungen gehört u. a. die Festlegung gemeinsamer Methoden für die Berechnung der zonenübergreifenden Day-Ahead- und Intraday-Kapazitäten (im Folgenden: Kapazitätsberechnung) in allen betreffenden Kapazitätsberechnungsregionen gemäß den Bestimmungen des Abschnitts 3 („Kapazitätsberechnungsmethoden“) von Titel II Kapitel 1 der Verordnung 2015/1222. Der in diesem Abschnitt befindliche Art. 20 enthält die Regeln für die Einführung von Kapazitätsberechnungsmethoden nach einem „lastflussgestützten Ansatz“. Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 9 der Verordnung 2015/1222 kann ein solcher Ansatz definiert werden als „eine Methode der Kapazitätsberechnung, bei der die Energieaustausche zwischen [Z]onen durch die Energieflussverteilungsfaktoren und die auf den kritischen Netzelementen verfügbaren Margen begrenzt werden“. Die Kapazitätsberechnungsregion, die Belgien, die Tschechische Republik, Deutschland, Frankreich, Kroatien, Luxemburg, Ungarn, die Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Slowenien und die Slowakei umfasst (im Folgenden: CORE‑Region), folgt einem lastflussgestützten Ansatz.

4        Nach Art. 9 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 2 der Verordnung 2015/1222 mussten die Übertragungsnetzbetreiber (im Folgenden: ÜNB) jeder Kapazitätsberechnungsregion Vorschläge für Kapazitätsberechnungsmethoden in ihrer jeweiligen Region entwickeln und den betreffenden nationalen Regulierungsbehörden (im Folgenden: NRB) zur Genehmigung vorlegen.

5        Gemäß Art. 9 Abs. 10 und 12 der Verordnung 2015/1222 mussten sich die betreffenden NRB sodann bemühen, zu einer Einigung zu gelangen und über die Vorschläge der ÜNB oder gegebenenfalls eine auf Verlangen der NRB von den ÜNB geänderte Fassung dieser Vorschläge zu entscheiden. Nach Art. 9 Abs. 11 und 12 der Verordnung 2015/1222 hatte die ACER, wenn die betroffenen NRB keine solche Einigung erzielen konnten, gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 713/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ABl. 2009, L 211, S. 1) eine Entscheidung über die Vorschläge der ÜNB oder deren geänderte Fassung zu treffen.

6        Am 15. September 2017 legten die ÜNB der CORE‑Region den NRB dieser Region Vorschläge für gemeinsame regionale Methoden zur Berechnung der Kapazität in ihrer Region zur Genehmigung vor.

7        Da die NRB der CORE‑Region keine Einigung über die vorgeschlagenen Methoden erzielten, wurde die ACER befasst. Mit der Entscheidung Nr. 02/2019 vom 21. Februar 2019 (im Folgenden: ursprüngliche Entscheidung) erließ die ACER geänderte Fassungen der gemeinsamen regionalen Kapazitätsberechnungsmethoden für die CORE‑Region, wie in den Anhängen I und II dieser Entscheidung niedergelegt (im Folgenden: streitige Methoden).

8        Am 23. April 2019 legte die BNetzA als in Deutschland zuständige NRB beim Beschwerdeausschuss der ACER Beschwerde gegen die ursprüngliche Entscheidung ein. Diese Beschwerde war auf Art. 19 der Verordnung Nr. 713/2009 gestützt.

9        Mit Klageschrift, die am 2. Mai 2019 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Bundesrepublik Deutschland Klage, die unter dem Aktenzeichen T‑283/19 in das Register eingetragen wurde, auf Aufhebung der ursprünglichen Entscheidung.

10      Am 5. Juni 2019 erließen das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die Verordnung (EU) 2019/943 über den Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. 2019, L 158, S. 54). Diese Verordnung bewirkte nach ihrem ersten Erwägungsgrund eine Neufassung der Verordnung Nr. 714/2009 und gemäß ihrem Art. 70 deren Aufhebung. Die Verordnung 2019/943 wurde am 14. Juni 2019 veröffentlicht und trat somit gemäß ihrem Art. 71 Abs. 1 am 4. Juli 2019 in Kraft. Nach ihrem Art. 71 Abs. 2 Unterabs. 1 sollte die Verordnung 2019/943 grundsätzlich ab dem 1. Januar 2020 gelten. Abweichend davon sollten jedoch gemäß ihrem Art. 71 Abs. 2 Unterabs. 2 ihre Art. 14 und 15 ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung gelten. Dasselbe galt für den Zweck der Umsetzung ihres Art. 14 Abs. 7 und ihres Art. 15 Abs. 2 auch für ihren Art. 16.

11      Mit der Entscheidung A-003-2019 des Beschwerdeausschusses der ACER vom 11. Juli 2019 wurde die Beschwerde der BNetzA gegen die ursprüngliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen.

12      Am 21. September 2019 erhob die BNetzA beim Gericht Klage, die unter dem Aktenzeichen T‑631/19 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen wurde, auf teilweise Aufhebung der ursprünglichen Entscheidung und auf Aufhebung der Entscheidung A-003-2019.

13      Mit Urteil vom 7. September 2022, BNetzA/ACER (T‑631/19, EU:T:2022:509), hob das Gericht die Entscheidung A-003-2019 auf und wies die Klage der BNetzA im Übrigen als unzulässig ab. Das Gericht begründete seine Aufhebung dieser Entscheidung mit einem Rechtsfehler des Beschwerdeausschusses, da er nicht geprüft hatte, ob die streitigen Methoden den Anforderungen der Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 entsprachen, auf die sich die BNetzA in ihrer Beschwerde vor dem Beschwerdeausschuss konkret berufen hatte, denn diese waren bereits anwendbar (siehe oben, Rn. 10).

14      Im Anschluss an dieses Urteil vom 7. September 2022, BNetzA/ACER (T‑631/19, EU:T:2022:509), bestätigte der Beschwerdeausschuss der ACER mit der angefochtenen Entscheidung die ursprüngliche Entscheidung und stellte dabei insbesondere fest, dass die streitigen Methoden mit den Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 im Einklang stünden.

15      Art. 5 Abs. 8 der streitigen Methoden sieht im Licht von Abs. 7 dieses Artikels vor, dass der Vorschlag für eine Liste interner kritischer Netzelemente (critical network elements, im Folgenden: CNE) (mit den dafür zugrunde gelegten Ausfällen), der von den ÜNB der CORE‑Region gemäß den Abs. 5 und 6 dieses Artikels zu übermitteln und alle zwei Jahre zu aktualisieren ist, mindestens Folgendes umfasst:

„a)      eine Liste der vorgeschlagenen internen [kritischen Netzelemente mit den dafür zugrunde gelegten Ausfällen (critical network elements and contingencies, im Folgenden: CNEC)] mit einem maximalen Faktor für die zonenübergreifende Energieflussverteilung [auf Höhe oder oberhalb der Einbeziehungsschwelle] gemäß Abs. 7[, also ≥ 5 %];

b)      eine Folgenabschätzung zur Anhebung der [Einbeziehungsschwelle] … auf 10 % oder mehr; und

c)      für jedes vorgeschlagene interne CNEC eine Analyse, aus der hervorgeht, dass die Einbeziehung des betreffenden internen Netzelements in die Kapazitätsberechnung die wirtschaftlichste Lösung für die Behebung der Engpässe auf dem betreffenden internen Netzelement ist, wobei beispielsweise folgende Alternativen in Betracht gezogen werden:

i)      Anwendung von Entlastungsmaßnahmen;

ii)      Rekonfiguration der Gebotszonen;

iii)      Investitionen in die Netzinfrastruktur in Kombination mit einer oder beiden der vorstehend genannten Lösungen; oder

iv)      eine Kombination dieser Lösungen.“

16      Außerdem ist nach Art. 5 Abs. 8 der streitigen Methoden seitens der ÜNB der CORE‑Region vor der Durchführung der Analyse gemäß Buchst. c eine gemeinsame Abstimmung und Rücksprache mit den NRB dieser Region über die Methodik, die Annahmen und die Kriterien für diese Analyse erforderlich.

17      Nach Art. 5 Abs. 9 der streitigen Methoden müssen die von den ÜNB der CORE‑Region übermittelten Vorschläge für Listen interner CNEC auch zeigen, dass die ÜNB die in Abs. 8 dieses Artikels genannten Alternativlösungen sorgfältig und unter Berücksichtigung der ihnen zur Verfügung stehenden Umsetzungszeit rechtzeitig im Voraus geprüft haben, so dass diese Lösungen bei Ergehen der Entscheidungen der NRB dieser Region über die Vorschläge angewandt bzw. umgesetzt werden können.

 Anträge der Parteien

18      In der Rechtssache T‑600/23 beantragt die BNetzA,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        der ACER die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

19      In der Rechtssache T‑612/23 beantragt die Bundesrepublik Deutschland,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben, insofern sie Art. 5 Abs. 8 und 9 der streitigen Methoden aufrechterhält;

–        hilfsweise, für den Fall, dass Art. 5 Abs. 8 und 9 der streitigen Methoden untrennbar mit den übrigen Bestimmungen von Art. 5 oder allen übrigen Bestimmungen der streitigen Methoden verbunden sein sollte, alle diese Bestimmungen aufzuheben;

–        der ACER die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

20      Die ACER beantragt in der Rechtssache T‑600/23 und, unterstützt durch die Kommission, in der Rechtssache T‑612/23 im Wesentlichen,

–        die Klagen abzuweisen;

–        der BNetzA und der Bundesrepublik Deutschland die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

21      Nach Anhörung der Parteien entscheidet das Gericht, die Rechtssachen T‑600/23 und T‑612/23 gemäß Art. 68 Abs. 1 seiner Verfahrensordnung zu gemeinsamem Urteil zu verbinden.

 Zum Gegenstand des Rechtsstreits

22      Aus einer Gesamtbetrachtung der Klageschrift in der Rechtssache T‑600/23 ergibt sich, dass die BNetzA damit und ebenso wie die Bundesrepublik Deutschland in der Rechtssache T‑612/23 die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nur beantragt, soweit diese den Erlass von Art. 5 Abs. 8 Buchst. b und c und Abs. 9 der streitigen Methoden betrifft, mit dem den ÜNB der CORE‑Region bestimmte Anforderungen auferlegt werden, die zu beachten sind, wenn sie vorschlagen, dass ein internes Netzelement mit den dafür zugrunde gelegten Ausfällen in die Liste der als Input-Daten in die Kapazitätsberechnung einzubeziehenden CNEC aufgenommen wird (im Folgenden: streitige Bestimmungen).

23      Aus Rn. 5 der Klageschrift in der Rechtssache T‑600/23 geht nämlich hervor, dass „[d]ie Klage … gegen einen bestimmten Aspekt [der ursprünglichen Entscheidung] gerichtet [ist]: den in Art. 5 Abs. 5 bis 9 [dieser Entscheidung] vorgegebenen Mechanismus“, da „[n]ach Ansicht der BNetzA … dieser Mechanismus rechtswidrig [ist], weil er die Anwendung der Kapazitätsberechnung auf interne Netzelemente unmöglich oder zumindest schwerer als normativ vorgesehen macht“. Außerdem geht aus den Rn. 13 und 14 dieser Klageschrift unter der Überschrift „Klagegegenstand“ hervor, dass die BNetzA zwar formal „die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung“ begehrt, dabei aber klarstellt, dass „[d]er geltend gemachte Klagegrund … den durch Art. 5 Abs. 5 bis 9 [der ursprünglichen Entscheidung] vorgegebenen Mechanismus [betrifft], der mit der angefochtenen Entscheidung bestätigt wurde“. Insbesondere gibt die BNetzA in Rn. 14 ihrer Klageschrift an, dass sie „gegen die angefochtene Entscheidung keinen Klagegrund geltend [macht], soweit mit dieser die übrigen Bestimmungen [der ursprünglichen Entscheidung], die Gegenstand ihrer Beschwerde vor dem Beschwerdeausschuss war, bestätigt werden“, und dass sie zwar „diese übrigen Bestimmungen weiterhin für rechtswidrig [hält], … aber mangels praktischer Bedeutung davon ab[sieht], sie im vorliegenden Verfahren anzufechten“. Auch der mit „Zusammenfassung des Klagegrundes“ überschriebene Teil der Klageschrift bestätigt, dass sich das gesamte Vorbringen der BNetzA gegen „den durch Art. 5 Abs. 5 bis 9 [der ursprünglichen Entscheidung] vorgegebenen Mechanismus“ richtet.

24      Daher ist davon auszugehen, dass sowohl mit der Klage in der Rechtssache T‑600/23 als auch mit der Klage in der Rechtssache T‑612/23 die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung begehrt wird, soweit sie den Erlass der streitigen Bestimmungen betrifft.

 Zur Begründetheit

25      Die BNetzA stützt ihre Klage auf einen einzigen Grund, mit dem sie im Wesentlichen einen Verstoß gegen die Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 und gegen Art. 29 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2015/1222 rügt, da die Auslegung dieser Artikel durch den Beschwerdeausschuss in den streitigen Bestimmungen der angefochtenen Entscheidung mit diesen Artikeln selbst sowie mit verschiedenen Bestimmungen des Primärrechts der Union und verschiedenen Grundsätzen des Unionsrechts nicht in Einklang stehe, nämlich mit Art. 194 AEUV, Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dem Grundsatz, dass die wesentlichen Aspekte dem Gesetzgeber vorbehalten seien, dem Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts und der begrenzten Einzelermächtigung, dem Grundsatz der Gleichbehandlung, dem Grundsatz, dass niemand zu Unmöglichem verpflichtet sei, und dem Grundsatz der Rechtssicherheit.

26      Die Bundesrepublik Deutschland stützt ihre Klage auf fünf Gründe. Mit dem ersten, den sie in den Vordergrund stellt, rügt sie einen Verstoß gegen die Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 und gegen Art. 29 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2015/1222. Mit den folgenden, hilfsweise geltend gemachten Klagegründen wird zweitens ein Verstoß gegen die Art. 32 bis 34, Art. 25 und Art. 29 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2015/1222 beanstandet, drittens ein Verstoß gegen Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und Art. 22 der Verordnung (EU) 2017/1485 der Kommission vom 2. August 2017 zur Festlegung einer Leitlinie für den Übertragungsnetzbetrieb (ABl. 2017, L 220, S. 1), viertens ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und fünftens die Unzuständigkeit der ACER sowie ein Verstoß gegen die sich aus den Art. 2 und 4 der Verordnung Nr. 1 des Rates vom 15. April 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. 1958, 17, S. 385) in geänderter Fassung ergebenden formellen Anforderungen.

27      Die BNetzA mit ihrem einzigen Klagegrund und die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen ihres ersten Klagegrundes machen geltend, die streitigen Bestimmungen beruhten auf einer fehlerhaften Auslegung der Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 und von Art. 29 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2015/1222 durch den Beschwerdeausschuss, wonach diese Bestimmungen dem nicht entgegenstünden, dass ein ÜNB, wenn er die Aufnahme eines internen Netzelements (mit den dafür zugrunde gelegten Ausfällen) in die Liste der in die Kapazitätsberechnung einbezogenen internen CNEC vorschlage, zum einen gemäß dem in Art. 5 Abs. 8 Buchst. c der streitigen Methoden genannten Kriterium der wirtschaftlichen Effizienz (im Folgenden: Kriterium der wirtschaftlichen Effizienz) nachweisen müsse, dass die Einbeziehung dieses Elements in die Kapazitätsberechnung unter Berücksichtigung der sonstigen zur Verfügung stehenden Lösungen wie Anwendung von Entlastungsmaßnahmen, Zonenrekonfiguration oder Investitionen in die Netzinfrastruktur die wirtschaftlichste Lösung für die Behebung der Engpässe auf diesem Element sei, und zum anderen eine Folgenabschätzung zur Anhebung der Einbeziehungsschwelle auf 10 % oder mehr vorlegen müsse (im Folgenden: streitige Auslegung).

28      Nach Ansicht der BNetzA und der Bundesrepublik Deutschland ist die streitige Auslegung nicht mit einer am Wortlaut orientierten, systematischen und teleologischen Auslegung der Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 und von Art. 29 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2015/1222 vereinbar, aus der klar hervorgehe, dass in die Kapazitätsberechnung alle internen Netzelemente (mit den dafür zugrunde gelegten Ausfällen), die durch den zonenübergreifenden Handel beeinflusst würden, einfließen müssten, unabhängig davon, ob diese Elemente strukturelle Engpässe aufwiesen oder nicht.

29      Hierzu ist vorab festzustellen, dass Art. 5 Abs. 8 der streitigen Methoden vorgibt, dass der Vorschlag für eine Liste der internen CNEC, den die ÜNB der CORE‑Region den NRB dieser Region oder in Ermangelung einer Einigung zwischen den NRB oder auf deren gemeinsames Ersuchen hin der ACER zur Genehmigung vorlegen müssen, außer der Liste der vorgeschlagenen internen CNE mit einem Energieflussverteilungsfaktor (power transfer distribution factor, im Folgenden: PTDF) von ≥ 5 % (Art. 5 Abs. 8 Buchst. a) noch eine Folgenabschätzung zur Anhebung der Einbeziehungsschwelle auf 10 % oder mehr (Art. 5 Abs. 8 Buchst. b) und eine Analyse der wirtschaftlichsten Lösung für die Behebung von Engpässen (Art. 5 Abs. 8 Buchst. c) umfassen muss. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die ÜNB nach Art. 5 Abs. 9 der streitigen Methoden im Wesentlichen bei der Vorlage des betreffenden Vorschlags nachweisen müssen, dass sie die in Abs. 8 dieses Artikels genannten Alternativlösungen sorgfältig und rechtzeitig im Voraus geprüft haben, so dass diese bei Ergehen der Entscheidungen der NRB dieser Region über den Vorschlag angewandt bzw. umgesetzt werden können. Daraus folgt, dass die streitigen Bestimmungen für die Aufnahme eines internen Netzelements in die Liste der bei der Kapazitätsberechnung zu berücksichtigenden internen CNEC den ÜNB Anforderungen (im Folgenden: streitige Anforderungen) auferlegen, die über die Übermittlung der Liste der internen CNEC, die das PTDF‑Kriterium erfüllen, im Sinne von Art. 5 Abs. 8 Buchst. a der streitigen Methoden hinausgehen.

30      Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass Art. 14 der Verordnung 2019/943 Regeln für die Überprüfung der Gebotszonen festlegt, um zu verhindern, dass sie strukturelle und langfristige Engpässe im Übertragungsnetz aufweisen. Art. 15 dieser Verordnung regelt die Möglichkeit für Mitgliedstaaten mit festgestellten strukturellen Engpässen in ihren Netzen, in Zusammenarbeit mit ihren NRB Aktionspläne zu erarbeiten, um schrittweise bis spätestens zum 31. Dezember 2025 die Mindestkapazitätsniveaus zu erreichen, die die ÜNB für den zonenübergreifenden Handel zur Verfügung stellen müssen. Art. 16 der Verordnung 2019/943 regelt diese Mindestkapazitätsniveaus, indem er u. a. vorsieht, dass bei Anwendung des lastflussgestützten Ansatzes diese Mindestkapazität, nämlich 70 %, den Mindestanteil der die Betriebssicherheitsgrenzwerte einhaltenden Kapazität eines zonenübergreifenden oder internen CNE festlegt, der unter Berücksichtigung von Ausfallvarianten als Input für die koordinierte Kapazitätsberechnung gemäß der Verordnung 2015/1222 heranzuziehen ist. Die gesamte restliche Kapazität, also 30 %, kann für Zuverlässigkeitsmargen, Ringflüsse und interne Stromflüsse verwendet werden.

31      Außerdem bestimmt Art. 29 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2015/1222, dass der koordinierte Kapazitätsberechner für die Zwecke der koordinierten Kapazitätsberechnung die CNE außer Acht lässt, die durch den zonenübergreifenden Handel nicht signifikant beeinflusst werden.

32      Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob die streitige Auslegung, wie die BNetzA und die Bundesrepublik Deutschland im Wesentlichen vortragen, gegen die Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 und gegen Art. 29 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2015/1222 verstößt, indem sie es der ACER erlaubt, die streitigen Anforderungen in die streitigen Methoden aufzunehmen.

33      Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen sind, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. Urteile vom 7. Juni 2005, VEMW u. a., C‑17/03, EU:C:2005:362, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 9. März 2023, ACER/Aquind, C‑46/21 P, EU:C:2023:182, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Als Erstes ist zu prüfen, ob sich aus dem Wortlaut der Bestimmungen der Verordnungen 2019/943 und 2015/1222 ergibt, dass die ACER die streitigen Anforderungen in die streitigen Methoden aufnehmen konnte, ohne damit einen Fehler zu begehen.

35      Die BNetzA und die Bundesrepublik Deutschland machen im Wesentlichen geltend, dass sich im Wortlaut der Bestimmungen der Verordnungen 2019/943 und 2015/1222 keine Legitimation dafür finde, die Einbeziehung eines durch den zonenübergreifenden Handel signifikant beeinflussten internen Netzelements in die Kapazitätsberechnung von der Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsanalyse und einer Folgenabschätzung zur Anhebung der Einbeziehungsschwelle abhängig zu machen.

36      Die ACER hält die streitigen Anforderungen nicht für unvereinbar mit einer am Wortlaut orientierten Auslegung der Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 und von Art. 29 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2015/1222.

37      Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass CNE nach Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) Nr. 69 der Verordnung 2019/943 „ein Netzelement entweder innerhalb einer [Z]one oder zwischen [Z]onen [bezeichnet], das bei der Kapazitätsberechnung berücksichtigt wird und die Strommenge, die [zwischen Zonen] ausgetauscht werden kann, begrenzt“. Wie die BNetzA und die Bundesrepublik Deutschland zu Recht ausführen, ergibt sich aus dieser Definition nicht, dass im Kontext der Verordnung 2019/943 andere Anforderungen an die Einstufung interner Netzelemente (mit den dafür zugrunde gelegten Ausfällen) als die der signifikanten Beeinflussung durch den zonenübergreifenden Handel in die streitigen Methoden aufgenommen werden und so dazu führen könnten, dass bestimmte Elemente, die den zonenübergreifenden Handel aufgrund des Einflusses struktureller Engpässe signifikant begrenzen, nicht als kritisch angesehen und von der Kapazitätsberechnung sowie der Anwendung der Regeln dafür ausgenommen würden.

38      Im Übrigen bestätigt Art. 16 Abs. 4 der Verordnung 2019/943, dass die den Marktteilnehmern zur Verfügung zu stellende maximale zonenübergreifende Kapazität außer den „Verbindungsleitungen“ die „Übertragungsnetze, die durch die grenzüberschreitenden Kapazitäten beeinflusst werden“, betrifft, d. h. alle internen Netzelemente, die eine nicht unerhebliche Auswirkung auf die besagte Kapazität haben und diese somit begrenzen können.

39      Zweitens findet diese Auslegung der Verordnung 2019/943 Bestätigung in Art. 29 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2015/1222, nach dem „[f]ür die Berechnung der zonenübergreifenden Kapazität … für jeden koordinierten Kapazitätsberechner [gilt, dass er] jene kritischen Netzelemente außer Acht [lässt], die durch die Änderungen der Nettopositionen von [Z]onen gemäß der [Kapazitätsberechnungsmethode] nicht signifikant beeinflusst werden“.

40      Insoweit ist, wie sich u. a. aus Art. 2 Abs. 2 Nr. 9, Art. 21 Abs. 1 Buchst. b Ziff. v und Art. 29 Abs. 7 Buchst. b, c und f der Verordnung 2015/1222 ergibt, die Berechnung des PTDF ein mathematisches Instrument zur Messung der Beeinflussung des CNE durch den zonenübergreifenden Handel im Rahmen des lastflussgestützten Ansatzes. Art. 2 Nr. 22 der Verordnung (EU) Nr. 543/2013 der Kommission vom 14. Juni 2013 über die Übermittlung und die Veröffentlichung von Daten in Strommärkten und zur Änderung des Anhangs I der Verordnung Nr. 714/2009 (ABl. 2013, L 163, S. 1) definiert den PTDF als eine Darstellung des physikalischen Lastflusses auf einem CNE, der durch die Veränderung der Nettoposition einer Zone hervorgerufen wird. Wie die ACER in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat und wie sich aus Art. 5 Abs. 7 und Abs. 8 Buchst. a der streitigen Methoden ergibt, hat der Beschwerdeausschuss in der angefochtenen Entscheidung den Vorschlag der ÜNB akzeptiert, bei einem internen Netzelement mit einem PTDF von unter 5 % davon auszugehen, dass es das Kriterium der signifikanten Beeinflussung durch den zonenübergreifenden Handel nicht erfülle.

41      Daraus folgt, dass, wie die Unionsgerichte bereits Gelegenheit hatten, klarzustellen, beim derzeitigen Stand des Unionsrechts davon auszugehen ist, dass die CNE alle internen Netzelemente umfassen, die das Kriterium der signifikanten Beeinflussung durch den zonenübergreifenden Handel, wie an ihrem PTDF gemessen, erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. September 2024, CRE/ACER, T‑446/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:647, Rn. 51, vom 25. September 2024, RTE/ACER, T‑472/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:648, Rn. 52, und vom 25. September 2024, BNetzA/ACER, T‑485/21, EU:T:2024:653, Rn. 47).

42      Wie die BNetzA und die Bundesrepublik Deutschland zu Recht ausführen, ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 29 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2015/1222 nicht, dass im Rahmen der Kapazitätsberechnungsmethode nach Art. 21 dieser Verordnung interne Netzelemente, die durch den zonenübergreifenden Handel, wie an ihrem PTDF gemessen, signifikant beeinflusst werden, als nicht kritisch angesehen und von der Kapazitätsberechnung sowie der Anwendung der Regeln für diese Berechnung ausgenommen werden könnten, weil sie nicht zusätzliche Anforderungen erfüllen, mit denen insbesondere dem Umstand Rechnung getragen werden soll, dass diese Elemente strukturelle Engpässe aufweisen.

43      Drittens ist das Vorbringen der ACER zurückzuweisen, wonach der Verweis in Art. 16 Abs. 8 Unterabs. 1 Buchst. b Satz 2 der Verordnung 2019/943 auf die „auf der Grundlage des Artikels 18 Absatz 5 der Verordnung … Nr. 714/2009 [angenommene] Leitlinie für die Kapazitätsvergabe und das Engpassmanagement“ und somit im Wesentlichen auf die Verordnung 2015/1222 es gestatte, die Einstufung der „internen Netzelemente“ als „kritisch“ und damit ihre Einbeziehung in die Kapazitätsberechnung sowie die Anwendung der Regeln für die Kapazitätsberechnung auf diese Elemente von zusätzlichen Anforderungen abhängig zu machen, wie etwa der Erfüllung des Kriteriums der wirtschaftlichen Effizienz oder der Durchführung einer Folgenabschätzung zur Anhebung der Einbeziehungsschwelle auf 10 % oder mehr.

44      Zunächst ist, soweit sich die ACER im Wesentlichen auf die französische und die BNetzA sowie die Bundesrepublik Deutschland auf die deutsche Fassung von Art. 16 Abs. 8 Unterabs. 1 Buchst. b Satz 2 der Verordnung 2019/943 beziehen, daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung die in einer der Sprachfassungen einer Bestimmung des Unionsrechts verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Bestimmung herangezogen werden oder Vorrang vor den anderen Sprachfassungen beanspruchen kann. Die Bestimmungen des Unionsrechts müssen nämlich im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Rechtstexts der Union voneinander ab, ist die fragliche Bestimmung daher anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung, zu der sie gehört, auszulegen (vgl. Beschluss vom 2. Dezember 2022, Compania Naţională de Transporturi Aeriene Tarom, C‑229/22, EU:C:2022:978, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteile vom 21. März 2024, Cobult, C‑76/23, EU:C:2024:253, Rn. 25, und vom 5. September 2024, BIOR, C‑344/23, EU:C:2024:696, Rn. 45).

45      Vorliegend ist in den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 16 Abs. 8 Unterabs. 1 Buchst. b Satz 2 der Verordnung 2019/943 zu klären, was aus grammatikalischer Sicht Gegenstand der Festlegung „gemäß der auf der Grundlage des Artikels 18 Absatz 5 der Verordnung … Nr. 714/2009 angenommenen Leitlinie für die Kapazitätsvergabe und das Engpassmanagement“ ist. Abgesehen von der deutschen, der bulgarischen und der tschechischen Fassung dieser Bestimmung, die in grammatikalischer Hinsicht eher auf die „Ausfallvarianten“, die die CNE berühren, als, wie von der ACER geltend gemacht, auf die CNE selbst verweisen, können insoweit die übrigen Sprachfassungen dahin verstanden werden, dass sie insgesamt auf den ersten Satzteil und damit auf die Kapazität jedes CNEC, die die Betriebssicherheitsgrenzwerte einhält, verweisen, wovon eine Marge von 70 % für den zonenübergreifenden Handel zur Verfügung gehalten werden muss (margin available for cross-zonal trade; im Folgenden: MACZT von 70 %).

46      Somit bestätigen die Sprachfassungen von Art. 16 Abs. 8 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung 2019/943 mehrheitlich das Verständnis der BNetzA und der Bundesrepublik Deutschland von dieser Bestimmung, wonach der Unionsgesetzgeber darin auf die Festlegung der Kapazität jedes CNEC, die die Betriebssicherheitsgrenzwerte einhält, Bezug nehmen wollte, wovon ein wesentlicher Teil, nämlich die MACZT von 70 %, für den zonenübergreifenden Handel zur Verfügung gehalten werden sollte. Dagegen lässt keine dieser Fassungen die Feststellung, wie von der ACER vertreten, zu, dass diese Bestimmung es den ÜNB, den NRB oder ihr selbst erlauben würde, die Einstufung der „internen Netzelemente“ als „kritisch“ und damit deren Einbeziehung in die Kapazitätsberechnung sowie die Anwendung der Regeln für die Kapazitätsberechnung auf diese Elemente von zusätzlichen Anforderungen abhängig zu machen.

47      Diese Auslegung wird durch die Vorarbeiten zur Verordnung 2019/943 (Dokumente ST 5834/18 REV 4, ST 5834/18 REV 5 und ST 5070/19) bestätigt, die öffentlich zugänglich sind und sich durch den darin vorgenommenen Verweis im Wesentlichen auf die Verordnung 2015/1222 eindeutig auf die Feststellung der Kapazität jedes CNEC, die die Betriebssicherheitsgrenzwerte einhält, und nicht nur auf die Ausfallvarianten oder die CNE beziehen.

48      Soweit die Parteien den Inhalt von Art. 16 Abs. 8 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung 2019/943 auch im Licht des 31. Erwägungsgrundes dieser Verordnung verstanden wissen möchten, ist sodann darauf hinzuweisen, dass, obwohl der Wortlaut eines Erwägungsgrundes eines Gesetzgebungsakts der Union herangezogen werden kann, um eine Bestimmung dieses Gesetzgebungsakts zu präzisieren, und er ein wichtiges Auslegungsinstrument darstellt (vgl. Urteil vom 19. Dezember 2019, Puppinck u. a./Kommission, C‑418/18 P, EU:C:2019:1113, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung), die Erwägungsgründe eines Gesetzgebungsakts der Union nach ständiger Rechtsprechung als solche rechtlich nicht verbindlich sind. Solche Erwägungsgründe können weder herangezogen werden, um von den eigentlichen Bestimmungen des betreffenden Gesetzgebungsakts abzuweichen, noch, um diese Bestimmungen in einem Sinn auszulegen, der ihrem Wortlaut offensichtlich widerspricht (contra legem) (vgl. Urteil vom 19. Juni 2014, Karen Millen Fashions, C‑345/13, EU:C:2014:2013, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Hier kann also der Inhalt des 31. Erwägungsgrundes der Verordnung 2019/943 nicht zu einer Contra-legem-Auslegung von Art. 16 Abs. 8 Unterabs. 1 Buchst. b dieser Verordnung führen, der sich nach der oben in Rn. 46 gewonnenen Erkenntnis aus der einheitlichen Auslegung auf die Feststellung der Kapazität jedes CNEC, die die Betriebssicherheitsgrenzwerte einhält, bezieht, von der ein wesentlicher Teil, nämlich die MACZT von 70 %, für den zonenübergreifenden Handel zur Verfügung gehalten werden muss.

50      Im Übrigen bestätigen neben der deutschen Fassung die Fassungen des 31. Erwägungsgrundes der Verordnung 2019/943 in allen anderen Sprachen der Union, einschließlich der bulgarischen und der tschechischen Fassung, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Verweis im Wesentlichen auf die Verordnung 2015/1222 auf die Feststellung der Kapazität jedes CNEC, die die Betriebssicherheitsgrenzwerte einhält, Bezug nehmen wollte, von der ein wesentlicher „Prozentsatz“, nämlich die MACZT von 70 %, für den zonenübergreifenden Handel zur Verfügung gehalten werden muss.

51      Hinzuzufügen ist, dass der von der ACER angeführte Umstand, dass es in den Fassungen in allen Sprachen der Union mit Ausnahme der deutschen Fassung heißt, dass diese Feststellung gemäß oder nach dem „[Auswahlverfahren] nach der Verordnung … 2015/1222“ zu erfolgen hat, nicht bedeutet, dass sich diese Feststellung auf die streitigen Anforderungen stützen kann. Vielmehr kommt in dieser mittelbaren Bezugnahme auf das oben in Rn. 39 angeführte Auswahlverfahren von Art. 29 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2015/1222 der Wille des Unionsgesetzgebers zum Ausdruck, den Ansatz anzuwenden, der in dieser Bestimmung für die Auswahl der CNE festgelegt wird, d. h. einen Ansatz, der auf dem Kriterium der signifikanten Beeinflussung der internen Netzelemente durch den zonenübergreifenden Handel, wie an ihrem PTDF gemessen, beruht. Aus dieser Bezugnahme folgt somit nicht, dass die Einstufung der „internen Netzelemente“ als „kritisch“ und damit ihre Einbeziehung in die Kapazitätsberechnung sowie die Anwendung der Regeln für die Kapazitätsberechnung auf sie von anderen Anforderungen als derjenigen der signifikanten Beeinflussung durch den zonenübergreifenden Handel abhängig gemacht werden könnten.

52      Nach alledem kann die ACER daher nicht damit durchdringen, dass sich aus dem Wortlaut von Art. 16 Abs. 8 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung 2019/943 im Licht des 31. Erwägungsgrundes dieser Verordnung ergebe, dass andere Anforderungen als diejenige der signifikanten Beeinflussung durch den zonenübergreifenden Handel in die streitigen Methoden aufgenommen werden könnten, um die internen Netzelemente zu bestimmen, die als „kritisch“ anzusehen seien und als solche in die Liste der in die Kapazitätsberechnung einbezogenen CNEC aufgenommen werden und den Regeln für diese Berechnung unterliegen müssten.

53      Soweit die ACER außerdem vorbringt, Art. 21 („Kapazitätsberechnungsmethode“) der Verordnung 2015/1222, der von der Kommission auf eine Befugnisübertragung durch den Unionsgesetzgeber hin erlassen worden sei, lege nur die Bestandteile fest, die die Kapazitätsberechnungsmethode u. a. im Fall des lastflussgestützten Ansatzes „mindestens“ enthalten müsse, ohne auszuschließen, dass diese Methode weitere, in dieser Bestimmung nicht ausdrücklich vorgesehene Bestandteile enthalten könne, ist festzustellen, dass dies es nicht erlauben kann, in den streitigen Methoden die Kriterien zu ändern, die in den einschlägigen Vorschriften festgelegt sind, um die internen Netzelemente zu bestimmen, die als „kritisch“ angesehen werden können und als solche in die Liste der in die Kapazitätsberechnung einbezogenen CNEC aufgenommen werden und den Regeln für diese Berechnung unterliegen können.

54      Dass zum einen nach Art. 21 Abs. 4 der Verordnung 2015/1222 alle ÜNB in jeder Kapazitätsberechnungsregion u. a. im Fall des lastflussgestützten Ansatzes, soweit möglich und spätestens bis zum 31. Dezember 2020, harmonisierte Input-Daten für die Kapazitätsberechnung verwenden müssen, und dass zum anderen die CNEC, die gemäß Art. 2 Nr. 69 der Verordnung 2019/943 bei der Kapazitätsberechnung berücksichtigt werden und die Strommenge, die zwischen Zonen ausgetauscht werden kann, begrenzen, Input-Daten bei dem Prozess „der [Berechnung der Kapazität], die für durch zonenübergreifenden Austausch ausgelöste Lastflüsse verfügbar ist“, sind, der in Art. 16 Abs. 8 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung 2019/943 genannt ist und mit der gemäß Art. 20 Abs. 2 der Verordnung 2015/1222 erlassenen lastflussgestützten Kapazitätsberechnungsmethode eingerichtet wird, lässt schließlich nicht den Schluss zu, dass die Auswahl der internen Netzelemente, die als „kritisch“ angesehen werden müssten und als solche in die Liste der in die Kapazitätsberechnung einbezogenen CNEC aufgenommen werden und den Regeln für diese Berechnung unterliegen müssten, von anderen Anforderungen abhängig gemacht werden kann als derjenigen der signifikanten Beeinflussung durch den zonenübergreifenden Handel.

55      Insoweit unterscheidet sich die Situation von derjenigen, die die technische Umsetzung des vom Unionsgesetzgeber und auf Befugnisübertragung hin von der Kommission in Art. 2 Nr. 69 der Verordnung 2019/943 und Art. 29 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2015/1222 aufgestellten Kriteriums der signifikanten Beeinflussung durch den zonenübergreifenden Handel durch die ÜNB, die NRB oder die ACER über die Bestimmung des im Rahmen der streitigen Methoden zu berücksichtigenden relevanten PTDF betrifft. In Rn. 112 der ursprünglichen Entscheidung hat die ACER selbst festgestellt, dass das Kriterium der signifikanten Beeinflussung ein wichtiger, in Art. 29 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2015/1222 ausdrücklich vorgegebener Gesichtspunkt für die Festlegung der endgültigen Liste der in die Kapazitätsberechnung einzubeziehenden CNEC sei.

56      In der Verordnung 2015/1222 gibt es jedoch keine ausdrückliche Grundlage in Entsprechung zu derjenigen, die sich in Art. 29 Abs. 3 Buchst. b dieser Verordnung für das Kriterium der signifikanten Beeinflussung findet, um zu rechtfertigen, dass im Rahmen der fraglichen Methode auch ein Kriterium dafür festgelegt wird, unter welcher Voraussetzung die internen Netzelemente, die die zwischen Zonen austauschbare Strommenge begrenzen, in die Liste der in den Kapazitätsberechnungsprozess einbezogenen CNEC aufgenommen werden sollten, und um so die Annahme der streitigen Anforderungen durch die ACER zu rechtfertigen. Im Übrigen haben sich die ACER und der Beschwerdeausschuss in den Rn. 109 und 112 der ursprünglichen Entscheidung und in den Rn. 47, 48 und 52 der angefochtenen Entscheidung darauf beschränkt, als Grundlage für das Kriterium der wirtschaftlichen Effizienz auf Nr. 1.7 des Anhangs I der Verordnung Nr. 714/2009 zu verweisen, hinsichtlich deren der Beschwerdeausschuss in Rn. 46 der angefochtenen Entscheidung richtigerweise festgestellt hat, dass sie für dieses Kriterium keine gültige Rechtsgrundlage mehr darstellen könne, da sie nicht mehr anwendbar sei (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. September 2022, BNetzA/ACER, T‑631/19, EU:T:2022:509, Rn. 76 bis 85).

57      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 9 Abs. 7 und Art. 20 Abs. 2 der Verordnung 2015/1222 genannten gemeinsamen Methoden die Festlegung einer Methode für die koordinierte Kapazitätsberechnung für eine Region durch die ÜNB zum Gegenstand haben. Nach Art. 21 Abs. 1 dieser Verordnung muss der von den ÜNB ausgearbeitete Vorschlag für eine Methode „mindestens“ bestimmte Bestandteile enthalten, darunter namentlich „Methoden für die Berechnung der Input-Daten für die Kapazitätsberechnung“, welche die in Art. 21 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i bis iv der Verordnung 2015/1222 aufgezählten Parameter umfassen müssen. Die letztgenannten Bestimmungen betreffen die Festlegung der Zuverlässigkeitsmarge, die Festlegung der Betriebssicherheitsgrenzwerte, der für die Kapazitätsberechnung relevanten Ausfälle und der Vergabebeschränkungen die angewandt werden können, die Festlegung der Erzeugungsverlagerungsschlüssel und die Festlegung der bei der Kapazitätsberechnung zu berücksichtigenden Entlastungsmaßnahmen.

58      Mit den streitigen Methoden werden diese Bestimmungen umgesetzt. Genauer findet sich Art. 5 dieser Methoden, der die streitigen Anforderungen enthält, in Titel 3 der Methoden, der den „Input-Daten für die Kapazitätsberechnung“ gewidmet ist. Er dient somit der Umsetzung von Art. 21 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2015/1222 und hat gemäß seiner Überschrift die Festlegung der internen CNEC durch die ÜNB zum Gegenstand, die nach Art. 4 Abs. 8 dieser Methoden den ersten Schritt des Kapazitätsberechnungsprozesses darstellt.

59      Wie aber oben in Rn. 29 ausgeführt, schreibt Art. 5 Abs. 8 der streitigen Methoden vor, dass der Vorschlag für eine Liste der internen CNEC, den die ÜNB der CORE‑Region vorlegen müssen, außer der Liste der vorgeschlagenen internen CNE mit einem PTDF von ≥ 5 % noch eine Folgenabschätzung zur Anhebung der Einbeziehungsschwelle auf 10 % oder mehr und eine Analyse der wirtschaftlichsten Lösung für die Behebung von Engpässen umfassen muss.

60      Die Verpflichtung, in den Vorschlag für eine Liste der internen CNEC eine solche Folgenabschätzung und eine solche Analyse aufzunehmen, geht über die in Art. 21 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2015/1222 festgelegten Parameter für die Berechnung der Input-Daten für die Kapazitätsberechnung hinaus und entspricht nicht den mit dieser Bestimmung verfolgten Zielen. Denn auch wenn sich solche Abschätzungen und Analysen auf lange Sicht als relevant erweisen könnten, um strukturelle Engpässe zu beheben, stellen sie doch keine Input-Daten für die Kapazitätsberechnung dar und fließen an sich nicht in den Kapazitätsberechnungsprozess ein, der in erster Linie darauf gründet, dass die ÜNB eine Liste der CNE erstellen, die der Definition seitens des Unionsgesetzgebers in Art. 2 Nr. 69 der Verordnung 2019/943 entsprechen. Die gleiche Feststellung gebietet sich aus denselben Gründen für die in Art. 5 Abs. 9 der streitigen Methoden vorgesehene Verpflichtung, in den Vorschlag für eine Liste der internen CNEC den Nachweis aufzunehmen, dass die in Abs. 8 dieses Artikels genannten Alternativlösungen sorgfältig und rechtzeitig im Voraus geprüft wurden.

61      Folglich ergibt sich aus dem Wortlaut der Bestimmungen der Verordnungen 2019/943 und 2015/1222 nicht, dass die ACER die streitigen Anforderungen in die streitigen Methoden aufnehmen konnte, ohne damit einen Fehler zu begehen.

62      Als Zweites ist zu prüfen, ob der Regelungszusammenhang der Bestimmungen der Verordnung 2019/943 bestätigt, dass die streitigen Anforderungen nicht in die streitigen Methoden aufgenommen werden durften.

63      Die BNetzA und die Bundesrepublik Deutschland machen im Wesentlichen geltend, aus einer systematischen Auslegung der Bestimmungen der Verordnung 2019/943 ergebe sich, dass die Einbeziehung der durch den zonenübergreifenden Handel beeinflussten internen Netzelemente in die Kapazitätsberechnung nicht von einem Kriterium der wirtschaftlichen Effizienz abhängig gemacht werden dürfe.

64      Nach Ansicht der ACER bestätigt eine systematische Auslegung der Bestimmungen der Verordnung 2019/943 im Licht der Grundregel, die der Unionsgesetzgeber in Art. 16 Abs. 8 Unterabs. 1 Satz 1 der Verordnung 2019/943 aufgestellt habe, dass sie die streitigen Anforderungen in die streitigen Methoden habe aufnehmen dürfen. Nach dieser Regel dürften die ÜNB die zonenübergreifende Kapazität nicht zur Behebung interner Engpässe beschränken, was auch durch die Definition einer „Zone“ und die für diese Zonen geltenden Regeln in Art. 2 Nr. 65 bzw. Art. 14 Abs. 1 der Verordnung 2019/943 bestätigt werde. Die Aufnahme der streitigen Anforderungen in die streitigen Methoden sei aber erforderlich gewesen, um die Beachtung dieser Grundregel sicherzustellen.

65      Hierzu ist festzustellen, dass nach Art. 16 Abs. 8 Unterabs. 1 Satz 2 und Art. 16 Abs. 8 Unterabs. 1 Buchst. a und b der Verordnung 2019/943 die in Art. 16 Abs. 8 Unterabs. 1 Satz 1 dieser Verordnung aufgestellte Grundregel als erfüllt gilt, wenn die Werte der verfügbaren Kapazität für den zonenübergreifenden Handel bei Grenzen, an denen ein lastflussgestützter Ansatz angewandt wird, die MACZT von 70 % erreichen, wobei die übrige Gesamtmenge von 30 % für Zuverlässigkeitsmargen, Ringflüsse und interne Stromflüsse verwendet werden kann. Der Unionsgesetzgeber hat damit eine Vermutung eingeführt, dass die ÜNB, die die MACZT von 70 % erreichen, ihrer Verpflichtung nachkommen, die zonenübergreifende Kapazität nicht zur Behebung interner Engpässe zu beschränken.

66      So hat er in den Sätzen 4 und 6 des 27. Erwägungsgrundes der Verordnung 2019/943 klar ausgeführt, dass im Rahmen dieser Verordnung „eindeutige Mindestwerte für die verfügbare Kapazität für den zonenübergreifenden Handel festgelegt werden [müssen], um die Auswirkungen von Ringflüssen und internen Engpässen auf den zonenübergreifenden Handel zu verringern und um den Marktteilnehmern einen vorhersehbaren Kapazitätswert zu geben“, während „[d]ie gesamte restliche Kapazität … für Zuverlässigkeitsmargen, Ringflüsse und interne Stromflüsse verwendet werden [kann]“.

67      Die oben in Rn. 65 genannte Vermutung wird weder durch die Definition einer „Zone“ noch durch die für diese Zonen geltenden Regeln in Art. 2 Nr. 65 bzw. Art. 14 Abs. 1 der Verordnung 2019/943, auf deren Inhalt sich die ACER beruft, in Frage gestellt.

68      Zwar ergibt sich aus Art. 2 Nr. 65 und Art. 14 Abs. 1 der Verordnung 2019/943, dass innerhalb einer Zone „Marktteilnehmer ohne Kapazitätsvergabe Energie austauschen können“ und dass diese Zonen grundsätzlich „keine … strukturellen Engpässe aufweisen [dürfen]“.

69      Art. 14 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung 2019/943 präzisiert jedoch, in welchen Fällen strukturelle Engpässe zulässig bleiben, was namentlich dann der Fall ist, wenn „diese strukturellen Engpässe … keine Verringerung der zonenübergreifenden Handelskapazität entsprechend de[n] Anforderungen von Artikel 16 [bewirken]“. Außerdem sieht Art. 14 Abs. 1 Satz 4 dieser Verordnung vor, dass die Zonen in der Union so gestaltet sein müssen, dass größtmögliche wirtschaftliche Effizienz sichergestellt ist und sich gemäß Art. 16 der Verordnung möglichst viele Möglichkeiten zum zonenübergreifenden Handel ergeben, während gleichzeitig die Versorgungssicherheit erhalten bleibt. Wie aber bereits oben in Rn. 65 ausgeführt, gilt nach Art. 16 Abs. 8 der Verordnung 2019/943, dass die ÜNB der CORE‑Region, wenn sie die MACZT von 70 % erreichen und interne Engpässe mit den übrigen 30 % bewältigen, die Maximierung der wirtschaftlichen Effizienz und der Möglichkeiten zum zonenübergreifenden Handel nicht rechtswidrig beeinträchtigen.

70      Des Weiteren hat der Unionsgesetzgeber in Art. 15 der Verordnung 2019/943, auf den Art. 16 Abs. 8 dieser Verordnung verweist, vorgesehen, dass jeder Mitgliedstaat mit festgestellten strukturellen Engpässen in Zusammenarbeit mit seiner NRB gemäß Art. 14 Abs. 7 der Verordnung beschließen kann, einen Aktionsplan mit einem konkreten Zeitplan (im Folgenden: lineare Verlaufskurve) für das Ergreifen von Maßnahmen zur Verringerung dieser Engpässe zu erarbeiten, der es seinen ÜNB ermöglichen soll, die MACZT von 70 % bis zum 31. Dezember 2025 zu erreichen.

71      Am 28. Dezember 2019 legte die Bundesrepublik Deutschland aber der Kommission und der ACER einen Aktionsplan für die Zone der deutschen ÜNB („Aktionsplan Gebotszone“) vor. Nach Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 3 der Verordnung 2019/943 muss die Bundesrepublik Deutschland während der Umsetzung dieses Aktionsplans – auch unter Rückgriff auf Entlastungsmaßnahmen in der CORE‑Region – nur sicherstellen, dass die gemäß Art. 16 Abs. 8 dieser Verordnung für den zonenübergreifenden Handel zur Verfügung gestellte Kapazität mindestens gleich den Werten der linearen Verlaufskurve ist.

72      Wie die ACER in der mündlichen Verhandlung in Beantwortung einer mündlichen Frage des Gerichts eingeräumt hat, haben die Bundesrepublik Deutschland und ihre ÜNB bisher insgesamt die in ihrem Aktionsplan vorgesehene lineare Verlaufskurve befolgt, so dass gemäß der Vermutung in Art. 16 Abs. 8 Satz 1 der Verordnung 2019/943 für sie gelten muss, dass sie die Grundregel eingehalten haben, nach der sie die zonenübergreifende Kapazität nicht beschränken dürfen, um interne Engpässe zu bewältigen.

73      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die ÜNB nach Art. 16 Abs. 4 der Verordnung 2019/943 auf Entlastungsmaßnahmen wie Countertrading oder wie Redispatch im Sinne von Art. 2 Nr. 26 der Verordnung 2019/943 zur Maximierung der verfügbaren Kapazitäten für den zonenübergreifenden Handel nur zurückgreifen müssen, um die Mindestkapazität nach Abs. 8 dieses Artikels zu erreichen, d. h. die MACZT von 70 % oder, wenn ein Aktionsplan läuft, die der linearen Verlaufskurve entsprechenden Werte.

74      Außerdem sollte nach Art. 15 der Verordnung 2019/943, wie überdies aus Satz 6 des 31. Erwägungsgrundes der Verordnung 2019/943 hervorgeht und vom Beschwerdeausschuss in Rn. 60 der angefochtenen Entscheidung selbst zugestanden wurde, eine Zonenrekonfiguration nicht gegen den Willen des betreffenden Mitgliedstaats erfolgen können, solange die Mindestkapazität, d. h. die MACZT von 70 % oder die der linearen Verlaufskurve entsprechenden Werte, erreicht wird.

75      Wird also die Mindestkapazität von den ÜNB erreicht, kommt der Anwendung des Kriteriums der wirtschaftlichen Effizienz, soweit sie bedingt, dass die ÜNB prüfen, ob nicht eine Rekonfiguration ihrer Zone oder die Anwendung von Entlastungsmaßnahmen wirtschaftlichere Lösungen zur Behebung von Engpässen auf ihren internen Netzelementen als die Kapazitätsvergabe wären, in der Praxis keinerlei Relevanz zu, da sie für den betreffenden Mitgliedstaat oder die fraglichen ÜNB rechtlich nicht verbindlich ist. Dies ist auch von der ACER in der mündlichen Verhandlung auf eine mündliche Frage des Gerichts zur etwaigen Rekonfiguration einer Zone eingeräumt worden.

76      Folglich bestätigt die Prüfung des Regelungszusammenhangs der Bestimmungen der Verordnung 2019/943, dass die ACER die streitigen Anforderungen nicht in die streitigen Methoden aufnehmen konnte, ohne damit einen Fehler zu begehen.

77      Als Drittes ist zu prüfen, ob eine teleologische Auslegung der Bestimmungen der Verordnungen 2019/943 und 2015/1222 bestätigt, dass die streitigen Anforderungen nicht in die streitigen Methoden aufgenommen werden durften.

78      Nach Ansicht der BNetzA und der Bundesrepublik Deutschland ist die streitige Auslegung nicht mit einer teleologischen Auslegung der Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 und von Art. 29 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2015/1222 vereinbar.

79      Die ACER entgegnet, eine teleologische Auslegung der Bestimmungen der Verordnung 2019/943 im Licht des Ziels, das der Unionsgesetzgeber im Rahmen dieser Verordnung verfolgt habe, bestätige, dass sie die streitigen Anforderungen in die streitigen Methoden habe aufnehmen dürfen. Ebenso wie mit der Verordnung 2019/943 sei mit diesen Anforderungen nämlich darauf abgezielt worden, das reibungslose Funktionieren des Elektrizitätsbinnenmarkts zu gewährleisten, indem sichergestellt werde, dass systematisch die wirtschaftlichsten und kostenwirksamsten Lösungen bevorzugt würden. Die BNetzA und die Bundesrepublik Deutschland halten dieses Vorbringen für unbegründet.

80      Insoweit ist selbst dann, wenn man mit der ACER davon ausginge, dass die Verordnung 2019/943 bei einer Gesamtbetrachtung ihrer verschiedenen Bestimmungen eine allgemeine Regel enthält, wonach im Rahmen der Anwendung der Vorschriften, die das reibungslose Funktionieren des Elektrizitätsbinnenmarkts gewährleisten sollen, die kostenwirksamsten Lösungen bevorzugt werden sollen, und die ACER auf der Grundlage dieser Regel ermächtigt gewesen wäre, die streitigen Anforderungen in die streitigen Methoden aufzunehmen, daran zu erinnern, dass nach dem Grundsatz, dass die spezielle Vorschrift der allgemeinen Vorschrift vorgeht (lex specialis derogat legi generali), jede Norm mit Allgemeincharakter beschränkt oder ausgeschlossen werden kann, wenn es Spezialnormen gibt, die spezifische Materien regeln (Urteil vom 14. Juli 2005, Le Voci/Rat, T‑371/03, EU:T:2005:290, Rn. 122). Spezielle Bestimmungen gehen somit in den Situationen, die sie spezifisch regeln sollen, den allgemeinen Vorschriften vor (vgl. Urteil vom 22. April 2016, Italien und Eurallumina/Kommission, T‑60/06 RENV II und T‑62/06 RENV II, EU:T:2016:233, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung). Mithin müssten jedenfalls die Bestimmungen über die Kapazitätsvergabe und das Engpassmanagement in den Art. 15 und 16 der Verordnung 2019/943 als spezielle Vorschriften Vorrang vor der allgemeinen Regel haben, auf die sich die ACER beruft.

81      Außerdem geht, wie die BNetzA und die Bundesrepublik Deutschland zu Recht geltend machen, aus der Entstehungsgeschichte der Verordnung 2019/943, mit der die Verordnung Nr. 714/2009 neu gefasst wurde, hervor, dass die in ihren Art. 15 und 16 enthaltenen speziellen Vorschriften vom Unionsgesetzgeber in voller Kenntnis sowohl der Empfehlung Nr. 02/2016 der ACER vom 11. November 2016 über gemeinsame Methoden für die Kapazitätsberechnung und die Aufteilung der Redispatch- und Countertrading-Kosten als auch der Erläuterung der Kommission zu ihrem Vorschlag COM(2016) 861 final vom 30. November 2016 für eine Verordnung des Parlaments und des Rates über den Elektrizitätsbinnenmarkt erlassen wurden, in denen eine systematische Anwendung der kostenwirksamsten Lösungen auf dem Gebiet der Kapazitätsvergabe und des Engpassmanagements befürwortet worden war, wie sie sich laut der ACER und der Kommission aus Anhang I Nr. 1.7 der Verordnung Nr. 714/2009 ergab.

82      Wie aus Art. 16 Abs. 8 der Verordnung 2019/943 im Licht von Satz 4 und Satz 6 ihres 27. Erwägungsgrundes ersichtlich ist, wollte der Unionsgesetzgeber in dieser Verordnung in Anbetracht der verschiedenen beteiligten Interessen einen ausgewogeneren Ansatz als den von der ACER in ihrer Empfehlung und von der Kommission in ihrem Vorschlag unterbreiteten verfolgen, indem er u. a. den ÜNB die Einhaltung von Mindestniveaus für die zonenübergreifende Kapazität aufgibt, die der MACZT von 70 % oder gegebenenfalls und bis längstens zum 31. Dezember 2025 den Werten der linearen Verlaufskurve entsprechen, ihnen aber zugleich erlaubt, die restlichen 30 % zur Bewältigung insbesondere interner Engpässe zu nutzen.

83      Die ACER kann daher nicht damit durchdringen, dass sie in Anwendung einer allgemeinen Regel zugunsten der kostenwirksamsten Lösungen berechtigt gewesen wäre, mittels der streitigen Anforderungen den Anwendungsbereich der Art. 15 und 16 der Verordnung 2019/943 zu beschränken, und der bloße Umstand, dass es im vorliegenden Fall wirtschaftlichere Lösungen als die vom Unionsgesetzgeber beschlossenen gegeben hätte, konnte es nicht rechtfertigen, Letztere außer Acht zu lassen.

84      Folglich bestätigt eine teleologische Auslegung der Bestimmungen der Verordnungen 2019/943 und 2015/1222, dass die ACER die streitigen Anforderungen nicht in die streitigen Methoden aufnehmen konnte, ohne damit einen Fehler zu begehen.

85      Nach alledem verstößt die streitige Auslegung gegen die Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 und gegen Art. 29 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2015/1222, da diese Bestimmungen es nicht erlaubten, in die streitigen Methoden die streitigen Anforderungen aufzunehmen, mit denen Verpflichtungen auferlegt werden, die über die bloße Übermittlung der Liste der internen CNEC, die das PTDF‑Kriterium erfüllen, nach Art. 5 Abs. 8 Buchst. a dieser Methoden hinausgehen.

86      Ohne dass die übrigen Rügen und Argumente der BNetzA für ihren einzigen Klagegrund oder der Bundesrepublik Deutschland für ihren ersten Klagegrund, mit denen jeweils ein Verstoß gegen die Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 und gegen Art. 29 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2015/1222 geltend gemacht wird, sowie die sonstigen, hilfsweise vorgebrachten Klagegründe der Bundesrepublik Deutschland geprüft zu werden brauchen, ist folglich besagtem einzigen Klagegrund und besagtem ersten Klagegrund stattzugeben und die streitigen Bestimmungen der angefochtenen Entscheidung sind auf dieser Grundlage aufzuheben.

 Kosten

87      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

88      Da die ACER mit ihren Anträgen unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen der BNetzA und der Bundesrepublik Deutschland die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Rechtssachen T600/23 und T612/23 werden zu gemeinsamem Urteil verbunden.

2.      Die Entscheidung A-003-2019_R des Beschwerdeausschusses der Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) vom 7. Juli 2023 wird aufgehoben, soweit sie den Erlass von Art. 5 Abs. 8 Buchst. b und c sowie Abs. 9 der gemeinsamen regionalen Methoden für die Berechnung der Day-Ahead- und Intraday-Kapazitäten für die Belgien, die Tschechische Republik, Deutschland, Frankreich, Kroatien, Luxemburg, Ungarn, die Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Slowenien und die Slowakei umfassende Kapazitätsberechnungsregion betrifft, wie sie in den Anhängen I und II der Entscheidung Nr. 02 der ACER vom 21. Februar 2019 niedergelegt sind.

3.      Die ACER trägt die Kosten.

Papasavvas

Škvařilová-Pelzl

Nõmm

Kukovec

 

Meyer

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 1. Oktober 2025.

Der Kanzler

 

Der Präsident

V. Di Bucci

 

M.  van der Woude



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