Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)
10. Juli 2025(* )
„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Verfahren zur Vergabe von Konzessionen – Richtlinie 2014/23/EU – Art. 4 Abs. 2 – Nicht wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse – Art. 19 – Soziale und andere besondere Dienstleistungen – Anwendungsbereich dieser Bestimmungen – Betrieb einer öffentlichen Apotheke “
In der Rechtssache C‑715/23
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Državna revizijska komisija za revizijo postopkov oddaje javnih naročil (Staatliche Kommission für die Überprüfung von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge, Slowenien) mit Entscheidung vom 23. November 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 23. November 2023, in dem Verfahren
Farmacija d.o.o.
gegen
Občina Benedikt,
Beteiligter:
M. N.,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten I. Jarukaitis, der Richter N. Jääskinen (Berichterstatter), A. Arabadjiev und M. Condinanzi sowie der Richterin R. Frendo,
Generalanwalt: R. Norkus,
Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2024,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Farmacija d.o.o., vertreten durch K. Zdolšek, Odvetnica,
– der slowenischen Regierung, vertreten durch N. Pintar-Gosenca und A. Vran als Bevollmächtigte,
– der tschechischen Regierung, vertreten durch L. Halajová, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
– der griechischen Regierung, vertreten durch K. Georgiadis, V. Karra und S. Papaioannou als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Kraner, L. Malferrari und G. Wils als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. März 2025
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 und Art. 19 der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. 2014, L 94, S. 1, berichtigt in ABl. 2015, L 114, S. 3, ABl. 2018, L 82, S. 17, und ABl. 2022, L 192, S. 37).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Farmacija d.o.o., einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, und der Občina Benedikt (Gemeinde Benedikt, Slowenien) über die von der Gemeinde Benedikt erteilte Genehmigung zum Betrieb einer Filialapotheke auf ihrem Gebiet ohne vorherige Veröffentlichung einer Konzessionsbekanntmachung.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 In den Erwägungsgründen 6 und 36 der Richtlinie 2014/23 heißt es:
„(6) Mitgliedstaaten können gemäß den Grundsätzen der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung, Transparenz und des freien Personenverkehrs im AEUV nach wie vor entscheiden, ob Dienstleistungen als Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse oder als nichtwirtschaftliche Dienste von allgemeinem Interesse oder in Form einer Kombination aus beidem erbracht werden. … Darüber hinaus betrifft diese Richtlinie weder die Finanzierung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse noch Beihilfen, die – insbesondere auf sozialem Gebiet – von den Mitgliedstaaten im Einklang mit den Wettbewerbsvorschriften der Union gewährt wurden. Zweckmäßigerweise ist klarzustellen, dass nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse nicht in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen sollten.
…
(36) Diese Richtlinie sollte nicht für bestimmte von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbrachte Notfalldienste gelten, da der spezielle Charakter dieser Organisationen nur schwer gewahrt werden könnte, wenn die Dienstleistungserbringer nach den in dieser Richtlinie festgelegten Verfahren ausgewählt werden müssten. … Daher sollte klargestellt werden, dass für unter die CPV-Referenznummer 85143000-3 fallende Dienstleistungen, die ausschließlich im Einsatz von Krankenwagen zur Patientenbeförderung bestehen, die besondere Regelung für soziale und andere [besondere] Dienstleistungen (im Folgenden ‚Sonderregelung‘) gelten sollte. …“
4 Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2014/23 bestimmt:
„(1) Diese Richtlinie enthält Bestimmungen für die Verfahren von öffentlichen Auftraggebern und Auftraggebern zur Beschaffung im Wege von Konzessionen, deren geschätzter Wert mindestens dem in Artikel 8 festgelegten Schwellenwert entspricht.
…
(4) Vereinbarungen, Beschlüsse oder andere Rechtsinstrumente, die die Übertragung von Befugnissen und Zuständigkeiten für die Ausführung öffentlicher Aufgaben zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Auftraggebern oder Verbänden von öffentlichen Auftraggebern oder Auftraggebern regeln und die keine Vergütung für vertragliche Leistungen vorsehen, werden als Angelegenheit der internen Organisation des betreffenden Mitgliedstaats betrachtet und sind als solche in keiner Weise von dieser Richtlinie berührt.“
5 Art. 4 („Freiheit der Festlegung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“) der Richtlinie 2014/23 sieht vor:
„(1) Diese Richtlinie berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten, im Einklang mit dem Unionsrecht festzulegen, was sie als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erachten, wie diese Dienstleistungen unter Beachtung der Vorschriften über staatliche Beihilfen organisiert und finanziert werden und welchen spezifischen Verpflichtungen sie unterliegen sollten. Ebenso wenig berührt diese Richtlinie die Art und Weise, in der die Mitgliedstaaten ihre Systeme der sozialen Sicherheit gestalten.
(2) Nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse fallen nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie.“
6 In Art. 5 Nr. 1 der Richtlinie 2014/23 heißt es:
„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
1. …
b) ‚Dienstleistungskonzession‘ einen entgeltlichen, schriftlich geschlossenen Vertrag, mit dem ein oder mehrere öffentliche Auftraggeber oder Auftraggeber einen oder mehrere Wirtschaftsteilnehmer mit der Erbringung und der Verwaltung von Dienstleistungen betrauen, die nicht in der Ausführung von Bauleistungen nach Buchstabe a bestehen, wobei die Gegenleistung entweder allein in dem Recht zur Verwertung der vertragsgegenständlichen Dienstleistungen oder in diesem Recht zuzüglich einer Zahlung besteht.
Mit der Vergabe einer Bau- oder Dienstleistungskonzession geht auf den Konzessionsnehmer das Betriebsrisiko für die Nutzung des entsprechenden Bauwerks beziehungsweise für die Verwertung der Dienstleistungen über, wobei es sich um ein Nachfrage- und/oder ein Angebotsrisiko handeln kann. Das Betriebsrisiko gilt als vom Konzessionsnehmer getragen, wenn unter normalen Betriebsbedingungen nicht garantiert ist, dass die Investitionsaufwendungen oder die Kosten für den Betrieb des Bauwerks oder die Erbringung der Dienstleistungen, die Gegenstand der Konzession sind, wieder erwirtschaftet werden können. Der Teil des auf den Konzessionsnehmer übergegangenen Risikos umfasst es, den Unwägbarkeiten des Marktes tatsächlich ausgesetzt zu sein, so dass potenzielle geschätzte Verluste des Konzessionsnehmers nicht rein nominell oder vernachlässigbar sind.“
7 Art. 19 („Soziale und andere besondere Dienstleistungen“) der Richtlinie 2014/23 sieht vor:
„Konzessionen zur Erbringung sozialer Dienstleistungen oder anderer in Anhang IV genannter besonderer Dienstleistungen, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, unterliegen ausschließlich den aus Artikel 31 Absatz 3 und aus den Artikeln 32, 46 und 47 erwachsenden Verpflichtungen.“
8 In Anhang IV („Dienstleistungen im Sinne des Artikels 19“) der Richtlinie 2014/23 sind unter den dort genannten Dienstleistungen des Gesundheits- und Sozialwesens und zugehörigen Dienstleistungen die Dienstleistungen mit den Referenznummern 85000000-9 bis 85323000‑9 der Nomenklatur nach dem gemeinsamen Vokabular für öffentliche Aufträge (CPV) aufgeführt, die mit der Verordnung (EG) Nr. 2195/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über das Gemeinsame Vokabular für öffentliche Aufträge (CPV) (ABl. 2002, L 340, S. 1) angenommen wurde; darunter befinden sich auch Dienstleistungen im pharmazeutischen Bereich, die unter die Referenznummer 85149000-5 fallen.
Slowenisches Recht
ZNKP
9 Art. 2 Nr. 18 des Zakon o nekaterih koncesijskih pogodbah (Gesetz über bestimmte Konzessionsverträge) (Uradni list RS Nr. 9/2019) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: ZNKP) bestimmt:
„‚Nicht wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse‘ sind jene nicht wirtschaftlichen Dienstleistungen, die auf gesetzlicher Grundlage als Dienstleistungen von allgemeinem Interesse erbracht werden und nicht auf dem Markt gegen Entgelt angeboten werden; daher unterliegen sie besonderen Gemeinwohlverpflichtungen.“
10 Art. 9 ZNKP sieht vor:
„Das vorliegende Gesetz gilt für Konzessionsverträge, deren geschätzter Wert ohne Mehrwertsteuer … dem in Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2014/23/EU festgelegten Wert entspricht oder diesen übersteigt.“
11 In Art. 10 ZNKP heißt es:
„Die in diesem Gesetz und ebenfalls in speziellen Gesetzen geregelten Konzessionen unterliegen diesem Gesetz und den Bestimmungen der speziellen Gesetze, soweit sie nicht im Widerspruch zu diesem Gesetz stehen.“
12 Art. 11 Abs. 1 ZNKP bestimmt:
„Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf:
1. Konzessionen für nicht wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse. …“
13 Art. 15 ZNKP sieht vor:
„Für Konzessionen über soziale und andere in Anhang IV der Richtlinie 2014/23/EU genannte besondere Dienstleistungen gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes, die die Verpflichtung zur Durchführung von Vorbereitungsmaßnahmen, die Pflicht zur Veröffentlichung der in den Art. 35 und 40 dieses Gesetzes vorgesehenen Bekanntmachungen sowie den Rechtsschutz in Verfahren zur Auswahl des Konzessionsnehmers nach diesem Gesetz regeln.“
Gesetz über die Gesundheitsversorgung
14 Art. 2 des Zakon o zdravstveni dejavnosti (Gesetz über die Gesundheitsversorgung) (Uradni list RS Nr. 9/92) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung bestimmt:
„Die Gesundheitsversorgung erfolgt auf der primären, sekundären und tertiären Ebene.
Die Gesundheitsversorgung auf der primären Ebene umfasst die medizinische Grundversorgung und die Apothekentätigkeit.“
15 Art. 3 dieses Gesetzes sieht vor:
„Gesundheitsdienstleister sind in- und ausländische juristische und natürliche Personen, die von dem für das Gesundheitswesen zuständigen Ministerium eine Genehmigung zur Ausübung einer Tätigkeit im Bereich der Gesundheitsversorgung erhalten haben.
Der öffentliche Gesundheitsdienst umfasst Gesundheitsdienstleistungen, deren dauerhafte und ununterbrochene Erbringung im öffentlichen Interesse durch den Staat und die Gebietskörperschaften gewährleistet wird und die nach dem Solidaritätsgrundsatz als Pflichtleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nach den Vorschriften über die Gesundheitsversorgung und die Krankenversicherung erbracht und ganz oder teilweise aus öffentlichen Mitteln, hauptsächlich aus der gesetzlichen Krankenversicherung, finanziert werden. Die im vorstehenden Satz genannten Gesundheitsdienstleistungen werden von den Gesundheitsdienstleistern ohne Gewinnerzielungsabsicht als nicht wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse erbracht, so dass der Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben für die Erbringung und Entwicklung der Gesundheitsversorgung verwendet wird.“
16 In Art. 20 Abs. 1 des Gesetzes über die Gesundheitsversorgung heißt es:
„Die Apothekentätigkeit wird nach einem speziellen Gesetz ausgeübt. Für Fragen, die nicht durch ein spezielles Gesetz geregelt sind, gilt das vorliegende Gesetz.“
Gesetz über die Apothekentätigkeit
17 Art. 1 des Zakon o lekarniški dejavnosti (Gesetz über die Apothekentätigkeit) (Uradni list RS, Nr. 85/16) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung bestimmt:
„Dieses Gesetz regelt den Zweck, den Inhalt und die Bedingungen der Ausübung der Apothekentätigkeit, die Organisation, die Voraussetzungen und die Verfahren für die Vergabe und Durchführung von Konzessionen, die pharmazeutischen Fachkräfte und ihre Fachverbände, die Apothekentätigkeit im Netz und die Aufsicht.“
18 Art. 2 Abs. 1 dieses Gesetzes sieht vor:
„Zweck der Apothekentätigkeit ist es, eine qualitativ hochwertige und effiziente Versorgung mit Arzneimitteln und anderen Produkten zur Unterstützung medizinischer Behandlungen und zum Schutz der Gesundheit sowie die Beratung von Patienten und Angehörigen der Gesundheitsberufe über deren sichere, ordnungsgemäße und wirksame Anwendung sicherzustellen.“
19 In Art. 4 Abs. 1 Nr. 8 des Gesetzes über die Apothekentätigkeit heißt es:
„Anbieter einer Apothekentätigkeit ist eine natürliche oder juristische Person, die eine Konzession für die Ausübung einer Apothekentätigkeit nach diesem Gesetz besitzt, eine öffentliche Apothekeneinrichtung, ein Krankenhaus oder ein anderer Anbieter gemäß diesem Gesetz.“
20 Art. 5 dieses Gesetzes bestimmt:
„(1) Die Apothekentätigkeit ist ein öffentlicher Gesundheitsdienst, der eine dauerhafte und ununterbrochene Versorgung der Bevölkerung und der Gesundheitsdienstleister mit Arzneimitteln sowie eine pharmazeutische Behandlung der Patienten sicherstellt.
(2) Die Apothekentätigkeit wird auf der primären, sekundären und tertiären Ebene der Gesundheitsversorgung ausgeübt.
(3) Für den Verteilungsplan für Apotheken nach diesem Gesetz sorgen auf der primären Ebene die Gemeinde oder mehrere Nachbargemeinden zusammen, auf der sekundären und tertiären Ebene der Staat.“
21 Art. 10 Abs. 2 bis 4 und 7 des Gesetzes über die Apothekentätigkeit in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung sieht vor:
„(2) Eine Filialapotheke darf ihre Tätigkeit nur unter der fachlichen Aufsicht der Apotheke ausüben, die sie eingerichtet hat. Der Leiter der Apotheke, die die Filiale eingerichtet hat, ist für den Betrieb der Filiale verantwortlich.
(3) Die Genehmigung zum Betrieb einer Filialapotheke wird von der Gemeinde, auf deren Gebiet die Filiale errichtet wird, nach vorheriger Stellungnahme der Lekarniška zbornica Slovenije [(Apothekerkammer Slowenien)] und mit Zustimmung des Ministeriums erteilt.
(4) Die Erlaubnis, eine Filialapotheke zu betreiben, kann auch für einen begrenzten Zeitraum oder für eine bestimmte Zeit im Jahr (Tourismussaison) erteilt werden.
…
(7) Eine Filialapotheke nimmt ihre Apothekentätigkeit erst auf, wenn ihr die Genehmigung gemäß Art. 67 Abs. 1 dieses Gesetzes erteilt worden ist.“
22 In Art. 15 Abs. 1 dieses Gesetzes heißt es:
„Die Ausübung der Apothekentätigkeit wird aus öffentlichen und privaten Mitteln finanziert. Zu den öffentlichen Mitteln im Sinne des vorstehenden Satzes gehören insbesondere:
– die Entgelte für Leistungen im Rahmen der Apothekentätigkeit auf der Grundlage eines Vertrags mit den Krankenversicherungsträgern,
– Zahlungen aus den Haushaltsmitteln,
– Mittel des Gründers.“
23 Art. 27 Abs. 1 des Gesetzes bestimmt:
„Ein öffentlicher Apothekendienst wird auf der primären Ebene von einer Gemeinde oder mehreren Nachbargemeinden zusammen in ihrem jeweiligen Gebiet nach vorheriger Stellungnahme der zuständigen Kammer und mit Zustimmung des Ministeriums eingerichtet.“
24 Art. 39 Abs. 1 und 2 dieses Gesetzes sieht vor:
„(1) Eine Konzession für die Ausübung der Apothekentätigkeit auf der primären Ebene kann unter den in diesem Gesetz festgelegten Bedingungen einer natürlichen Person erteilt werden, die Apothekenbetreiber ist, oder einer juristischen Person, an der der Apothekenbetreiber, der gleichzeitig ihr Leiter oder Leitungsorgan ist, mehr als 50 % des Gesellschaftskapitals hält (im Folgenden: Konzessionsnehmer).
(2) Der Konzessionsnehmer richtet die Apotheken oder Filialapotheken als seine eigenen Organisationseinheiten für die Ausübung der Apothekentätigkeit in den Gebieten ein, für die er eine Konzession oder eine Genehmigung für den Betrieb einer Filialapotheke besitzt, gemäß dem Verteilungsplan für Apotheken auf der primären Ebene, vorbehaltlich der vorherigen Stellungnahme der zuständigen Kammer und der Zustimmung des Ministeriums.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
25 Am 11. März 2022 erteilte die Gemeinde Benedikt ohne vorherige Veröffentlichung einer Konzessionsbekanntmachung M. N. eine unbefristete Genehmigung für den Betrieb einer öffentlichen Filialapotheke auf ihrem Gebiet.
26 Farmacija stellte bei der Gemeinde Benedikt einen Antrag auf Überprüfung dieser Genehmigung. Sie machte im Wesentlichen geltend, diese Gemeinde habe, ohne das geltende Verfahren eingehalten zu haben und unter Verstoß gegen die Richtlinie 2014/23, eine Konzession für den Betrieb einer öffentlichen Apotheke erteilt.
27 Die Gemeinde Benedikt wies den Überprüfungsantrag ohne inhaltliche Prüfung zurück, da sie der Ansicht war, dass Farmacija weder im Vorprüfungsverfahren noch im eigentlichen Überprüfungsverfahren ein Recht zur Einlegung eines Rechtsbehelfs zustehe. Diese Gemeinde vertritt also die Auffassung, dass die Erteilung einer Genehmigung für den Betrieb einer öffentlichen Filialapotheke der Sache nach keine Erteilung einer Dienstleistungskonzession darstelle.
28 Farmacija legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein, die an die Državna revizijska komisija za revizijo postopkov oddaje javnih naročil (Staatliche Kommission für die Überprüfung von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge, Slowenien), das vorlegende Gericht, abgetreten wurde. Vor dieser Kommission vertrat Farmacija erneut den Standpunkt, dass die Gemeinde Benedikt gegen die Richtlinie 2014/23 und den ZNKP verstoßen habe, indem sie die Genehmigung für die Dienstleistungskonzession erteilt habe, ohne das in diesen Rechtstexten festgelegte Verfahren zu befolgen.
29 Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts handelt es sich bei der von der Gemeinde Benedikt erteilten Genehmigung für den Betrieb einer Filialapotheke um die Vergabe einer Konzession für die Ausübung einer Apothekentätigkeit. Das vorlegende Gericht hegt jedoch Zweifel, ob die Dienstleistung der Ausübung einer Apothekentätigkeit in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/23 fällt. Es fragt sich insbesondere, ob eine solche Dienstleistung als nicht wirtschaftliche Dienstleistung von allgemeinem Interesse oder als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse anzusehen ist.
30 Zum einen habe der slowenische Gesetzgeber insoweit festgelegt, dass die Gesundheitsversorgung, zu der die Apothekentätigkeit gehöre, eine nicht wirtschaftliche Dienstleistung von allgemeinem Interesse darstelle. Die wesentliche Rolle der öffentlichen Apotheken für die öffentliche Gesundheit sowie ihre Finanzierung, die sie in eine privilegierte Beziehung zum Staat bringe und sie von anderen Wirtschaftsteilnehmern unterscheide, müssten berücksichtigt werden.
31 Zum anderen habe der Gerichtshof im Urteil vom 14. Juli 2022, ASADE (C‑436/20, EU:C:2022:559), bereits entschieden, dass Dienstleistungen, die gegen Entgelt erbracht würden, wirtschaftliche Tätigkeiten seien. Nach dem nationalen Recht würden Dienstleister, bei denen es sich um öffentliche Apotheken handelt, nicht nur aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern auch aus den Mitteln der Anwender vergütet.
32 Im Übrigen fragt sich das vorlegende Gericht, ob von öffentlichen Apotheken erbrachte Dienstleistungen, wie sie in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit in Rede stehen, unter die Wendung „soziale und andere besondere Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 19 der Richtlinie 2014/23 fallen könnten, soweit sie – da die Anbieter der Dienstleistungen vergütet würden – nicht als nicht wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse angesehen werden könnten, was zur Folge hätte, dass diese Dienstleistungen in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fielen.
33 Unter diesen Umständen hat die Državna revizijska komisija za revizijo postopkov oddaje javnih naročil (Staatliche Kommission für die Überprüfung von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Kann die Dienstleistung der Ausübung einer Apothekentätigkeit, deren Hauptgegenstand in der Abgabe verschreibungspflichtiger und nicht verschreibungspflichtiger Humanarzneimittel an den Anwender einschließlich der Beratung des Anwenders über die ordnungsgemäße und sichere Anwendung dieser Arzneimittel besteht, als „nicht wirtschaftliche Dienstleistung von allgemeinem Interesse“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2014/23 eingestuft werden?
2. Kann die Dienstleistung der Ausübung einer Apothekentätigkeit, deren Hauptgegenstand in der Abgabe verschreibungspflichtiger und nicht verschreibungspflichtiger Humanarzneimittel an den Anwender einschließlich der Beratung des Anwenders über die ordnungsgemäße und sichere Anwendung dieser Arzneimittel besteht, unter die sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen im Sinne von Art. 19 der Richtlinie 2014/23 fallen?
Zu den Vorlagefragen
Zur Zulässigkeit
34 Nach Auffassung der slowenischen Regierung ist das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen der Državna revizijska komisija za revizijo postopkov oddaje javnih naročil (Staatliche Kommission für die Überprüfung von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge) unzulässig, da diese Kommission nach den Bestimmungen des nationalen Rechts nicht die zuständige Stelle zur Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits sei und ihr folglich die Eigenschaft eines „Gerichts“ im Sinne von Art. 267 AEUV fehle.
35 Insoweit hängt im Rahmen des durch Art. 267 AEUV geschaffenen Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof die Beurteilung der Frage, ob es sich bei der vorlegenden Einrichtung um ein „Gericht“ handelt, nach ständiger Rechtsprechung von einer Reihe von Merkmalen ab, wie z. B. der gesetzlichen Grundlage der Einrichtung, ihrem ständigen Charakter, der obligatorischen Gerichtsbarkeit, dem streitigen Verfahren, der Anwendung von Rechtsnormen durch die Einrichtung sowie deren Unabhängigkeit (Urteil vom 8. Juni 2017, Medisanus, C‑296/15, EU:C:2017:431, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).
36 Was den vorliegenden Fall betrifft, hat der Gerichtshof bereits im Urteil vom 8. Juni 2017, Medisanus (C‑296/15, EU:C:2017:431), festgestellt, dass die Državna revizijska komisija za revizijo postopkov oddaje javnih naročil (Staatliche Kommission für die Überprüfung von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge) die Kriterien erfüllt, um als „einzelstaatliches Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV eingestuft zu werden.
37 Diese Beurteilung hat der Gerichtshof in seinen Urteilen vom 10. September 2020, Tax-Fin-Lex (C‑367/19, EU:C:2020:685), und vom 10. November 2022, SHARENGO (C‑486/21, EU:C:2022:868), nicht in Frage gestellt, in denen er ebenfalls Vorlagefragen der Državna revizijska komisija za revizijo postopkov oddaje javnih naročil (Staatliche Kommission für die Überprüfung von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge) beantwortet hat.
38 Die slowenische Regierung macht geltend, die vorliegende Rechtssache unterscheide sich von denjenigen, in denen der Gerichtshof die Gerichtseigenschaft der besagten Kommission bereits anerkannt habe, da diese nicht zuständig sei, den Ausgangsrechtsstreit zu entscheiden, woraus folge, dass ihr die Eigenschaft eines „Gerichts“ im Sinne von Art. 267 AEUV fehle.
39 Insoweit geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass es zum einen nicht seine Aufgabe ist, die vom vorlegenden Gericht vorgenommene Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs im Ausgangsverfahren, die im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens in die Zuständigkeit des nationalen Gerichts fällt, in Frage zu stellen, und er auch nicht zu überprüfen hat, ob die Vorlageentscheidung im Einklang mit den nationalen Vorschriften über die Gerichtsorganisation und das gerichtliche Verfahren ergangen ist. Der Gerichtshof ist an die von einem Gericht eines Mitgliedstaats erlassene Vorlageentscheidung gebunden, solange sie nicht aufgrund eines im nationalen Recht eventuell vorgesehenen Rechtsbehelfs aufgehoben worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Juli 2020, Governo della Repubblica italiana [Status der italienischen Friedensrichter], C‑658/18, EU:C:2020:572, Rn. 61, sowie vom 30. September 2020, CPAS de Liège, C‑233/19, EU:C:2020:757, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).
40 Zum anderen ist es im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten nach ständiger Rechtsprechung allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Folglich gilt für Fragen, die das Unionsrecht betreffen, eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit, und wenn die gestellten Fragen die Auslegung des Unionsrechts betreffen, ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über sie zu befinden. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts daher nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteile vom 25. Februar 2025, Sąd Rejonowy w Białymstoku et Adoreikė, C‑146/23 und C‑374/23, EU:C:2025:109, Rn. 37 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
41 Im vorliegenden Fall ist es allein Sache des vorlegenden Gerichts, über die Grenzen seiner eigenen Zuständigkeit zu befinden. Im Sinne der angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs stehen die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen ferner auch im Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits, ist keine dieser Fragen hypothetischer Natur und verfügt der Gerichtshof über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben, die für ihre zweckdienliche Beantwortung erforderlich sind.
42 Folglich ist das Vorabentscheidungsersuchen zulässig.
Zur ersten Frage
43 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2014/23 dahin auszulegen ist, dass der Betrieb einer öffentlichen Apotheke, dessen Hauptgegenstand in der Abgabe verschreibungspflichtiger und nicht verschreibungspflichtiger Humanarzneimittel gegen Entgelt sowie in der Beratung über den ordnungsgemäßen und sicheren Gebrauch dieser Arzneimittel besteht, unter die Wendung „nicht wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ im Sinne dieser Bestimmung fällt.
44 Zur Beantwortung dieser Frage gilt es, die Wendung „nicht wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2014/23 auszulegen, der den Anwendungsbereich dieser Richtlinie unter Ausschluss solcher Dienstleistungen festlegt. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung im Licht des sechsten Erwägungsgrunds der Richtlinie 2014/23 geht nämlich hervor, dass „nicht wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ nicht in deren Anwendungsbereich fallen.
45 Insoweit ist zum einen festzustellen, dass die Wendung „nicht wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ weder im AEU-Vertrag noch im Sekundärrecht, insbesondere nicht in der Richtlinie 2014/23, definiert wurde.
46 Zum anderen enthält Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2014/23 zur Bestimmung des Sinns und der Tragweite dieser Wendung auch keinen ausdrücklichen Verweis auf das Recht der Mitgliedstaaten.
47 Nach ständiger Rechtsprechung folgt aus den Anforderungen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitsgrundsatzes, dass die Begriffe einer unionsrechtlichen Bestimmung, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Europäischen Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen, die unter Berücksichtigung des Kontexts der Bestimmung und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels gefunden werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Januar 1984, Ekro, 327/82, EU:C:1984:11, Rn. 11, und vom 13. März 2025, APS Beta Bulgaria und Agentsia za kontrol na prosrocheni zadalzhenia, C‑337/23, EU:C:2025:183, Rn. 49 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
48 Folglich fällt die Frage, ob die im Rahmen der Tätigkeit einer öffentlichen Apotheke erbrachten Dienstleistungen nicht wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im Sinne der Unionsvorschriften darstellen, in den Bereich des Unionsrechts. Somit kann die Einstufung einer solchen Tätigkeit durch den nationalen Gesetzgeber als nicht wirtschaftliche Dienstleistung von allgemeinem Interesse, auf die die slowenische Regierung hingewiesen hat, nicht entscheidend sein (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 2014, Impresa Pizzarotti, C‑213/13, EU:C:2014:2067, Rn. 40, und vom 14. Juli 2022, ASADE, C‑436/20, EU:C:2022:559, Rn. 55 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
49 Wie der Generalanwalt in den Nrn. 59, 61 und 62 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts der Union, der, wie aus Art. 26 Abs. 2 AEUV hervorgeht, u. a. den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassungsfreiheit umfasst, nämlich nur durch ein einheitliches Verständnis der Wendung „nicht wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ gewährleistet werden. Andernfalls bestünde die Gefahr einer uneinheitlichen Anwendung der betreffenden Vorschriften des Unionsrechts, die zu einer Fragmentierung des Binnenmarkts führen könnte. Angesichts der Tatsache, dass die Modalitäten der Tätigkeit der öffentlichen Apotheken aufgrund der Besonderheiten der anwendbaren nationalen Vorschriften von einem Mitgliedstaat zum anderen erheblich variieren können, kann die rechtliche Einordnung ihrer Natur durch die Mitgliedstaaten nicht maßgeblich sein. Folglich kann die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, nicht wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zur Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben und zu organisieren, wie sie im sechsten Erwägungsgrund und in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/23 erwähnt und in Art. 2 des Protokolls (Nr. 26) zu den Verträgen über Dienste von allgemeinem Interesse (ABl. 2016, C 202, S. 307) verankert ist, einer autonomen Auslegung dieser Wendung nicht entgegenstehen.
50 Was die Definition der Wendung „nicht wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2014/23 betrifft, ist den Ausführungen des Generalanwalts in Nr. 53 seiner Schlussanträge beizupflichten, dass diese Wendung zwei kumulative Elemente umfasst. Eine solche Dienstleistung muss erstens für Zwecke des Allgemeininteresses erbracht werden und zweitens einen nicht wirtschaftlichen Charakter aufweisen. Um festzustellen, ob die Dienstleistungen öffentlicher Apotheken in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen, ist daher zu prüfen, ob sie einen wirtschaftlichen Charakter aufweisen oder nicht.
51 Insoweit ist die Wendung „nicht wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“, da sie in der Richtlinie 2014/23 enthalten ist, im Licht der Rechtsprechung des Gerichtshofs auszulegen, insbesondere der Rechtsprechung zur Achtung der im AEU-Vertrag verankerten Freiheiten und den sich daraus ergebenden Grundsätzen, wie der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung, der gegenseitigen Anerkennung, der Verhältnismäßigkeit und der Transparenz, die nach dieser Richtlinie zu gewährleisten sind, deren Rechtsgrundlagen Art. 53 Abs. 1 und die Art. 62 und 114 AEUV sind.
52 Insbesondere ist der Begriff „Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2014/23 im Licht der in Art. 56 AEUV verankerten Dienstleistungsfreiheit auszulegen, deren Geltungsbereich auf wirtschaftliche Tätigkeiten beschränkt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 2022, ASADE, C‑436/20, EU:C:2022:559, Rn. 59). Außerdem darf dieser Begriff nicht einschränkend ausgelegt werden, da er den Anwendungsbereich einer der Grundfreiheiten des AEUV-Vertrags garantiert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. April 2000, Deliège, C‑51/96 und C‑191/97, EU:C:2000:199, Rn. 52 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
53 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht ebenfalls hervor, dass die Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt eine „wirtschaftliche Tätigkeit“ ist, wobei das Wesensmerkmal des Entgelts darin besteht, dass es die wirtschaftliche Gegenleistung für die betreffende Leistung darstellt, ohne dass es jedoch von demjenigen bezahlt werden müsste, dem die Leistung zugutekommt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Februar 2017, Kommission/Ungarn, C‑392/15, EU:C:2017:73, Rn. 100, und vom 14. Juli 2022, ASADE, C‑436/20, EU:C:2022:559, Rn. 60).
54 Diese Erwägungen werden durch den Wortlaut der Richtlinie 2014/23 bestätigt. In Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich) dieser Richtlinie heißt es nämlich im Wesentlichen, dass Vereinbarungen, Beschlüsse oder andere Rechtsinstrumente, die die Übertragung von Befugnissen und Zuständigkeiten für die Ausführung öffentlicher Aufgaben regeln, mit denen Wirtschaftsteilnehmer von öffentlichen Auftraggebern oder Auftraggebern betraut werden, vergütet werden müssen, um in den Anwendungsbereich der Richtlinie zu fallen.
55 Was im Besonderen die Tätigkeit einer öffentlichen Apotheke betrifft, hat der Gerichtshof klargestellt, dass es sich dabei um die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit handelt, die in den Anwendungsbereich von Art. 49 AEUV fällt (Urteil vom 19. Dezember 2019, Comune di Bernareggio, C‑465/18, EU:C:2019:1125, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung) und dass ein Apotheker das Ziel verfolgt, Gewinne zu erwirtschaften, selbst wenn davon auszugehen ist, dass er die Apotheke unter Berücksichtigung seiner Ausbildung, seiner Berufserfahrung und der ihm nach den Rechtsvorschriften und berufsrechtlichen Regeln obliegenden Verantwortung betreibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Mai 2009, Apothekerkammer des Saarlandes u. a., C‑171/07 und C‑172-07, EU:C:2009:316, Rn. 37).
56 Diese Feststellung kann nicht durch das Vorbringen der slowenischen Regierung in Frage gestellt werden, wonach die gewinnbringende Tätigkeit einer öffentlichen Apotheke nur ein Begleitumstand, teilweise aus öffentlichen Mitteln finanziert und integraler Bestandteil des auf dem Solidaritätsgrundsatz beruhenden Gesundheitssystems sei. Der einzige entscheidende Faktor für die Einstufung der Tätigkeit einer solchen Apotheke als Dienstleistung wirtschaftlichen Charakters ist nämlich der Umstand, dass die mit dieser Tätigkeit verbundenen Leistungen gegen Entgelt erbracht werden.
57 Da es sich, wie aus den vorstehenden Erwägungen hervorgeht, bei den von öffentlichen Apotheken erbrachten Dienstleistungen nicht um Dienstleistungen nicht wirtschaftlichen Charakters handelt, braucht für die Beurteilung, ob solche Dienstleistungen unter die Wendung „nicht wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2014/23 fallen, nicht geprüft zu werden, ob sie für Zwecke des Allgemeininteresses erbracht werden.
58 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2014/23 dahin auszulegen ist, dass der Betrieb einer öffentlichen Apotheke, dessen Hauptgegenstand in der Abgabe verschreibungspflichtiger und nicht verschreibungspflichtiger Humanarzneimittel gegen Entgelt sowie in der Beratung über den ordnungsgemäßen und sicheren Gebrauch dieser Arzneimittel besteht, nicht unter die Wendung „nicht wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ im Sinne dieser Bestimmung fällt.
Zur zweiten Frage
59 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 19 der Richtlinie 2014/23 dahin auszulegen ist, dass der Betrieb einer öffentlichen Apotheke, dessen Hauptgegenstand in der Abgabe verschreibungspflichtiger und nicht verschreibungspflichtiger Humanarzneimittel gegen Entgelt sowie in der Beratung über den ordnungsgemäßen und sicheren Gebrauch dieser Arzneimittel besteht, unter die Wendung „soziale und andere besondere Dienstleistungen“ im Sinne dieses Art. 19 fällt.
60 Insoweit ergibt sich aus einer Analyse des Wortlauts von Anhang IV der Richtlinie 2014/23, dass unter der in diesem Anhang enthaltenen Kategorie „Dienstleistungen des Gesundheits- und Sozialwesens und zugehörige Dienstleistungen“ die Dienstleistungen mit den Referenznummern 85000000-9 bis 85323000-9 der Nomenklatur nach dem gemeinsamen Vokabular für öffentliche Aufträge (CPV) aufscheinen. Da Dienstleistungen im pharmazeutischen Bereich der CPV-Referenznummer 85149000-5 entsprechen, sind sie als Teil der „besonderen Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 19 der Richtlinie 2014/23 zu betrachten.
61 Im Übrigen sieht Art. 19 der Richtlinie 2014/23 eine besondere Regelung für Konzessionen zur Erbringung „sozialer Dienstleistungen und anderer … besonderer Dienstleistungen“ vor. Wie es im 36. Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt, ist darin nämlich insofern eine „Sonderregelung“ für solche Dienstleistungen enthalten, als diese von der vollständigen Anwendung der Richtlinie ausgeschlossen sind.
62 So unterliegen gemäß Art. 19 der Richtlinie 2014/23 Konzessionen zur Erbringung sozialer Dienstleistungen oder anderer in ihrem Anhang IV genannter besonderer Dienstleistungen ausschließlich den aus Art. 31 Abs. 3 und aus den Art. 32, 46 und 47 dieser Richtlinie erwachsenden Verpflichtungen. Insbesondere müssen die öffentlichen Auftraggeber und Auftraggeber die geplante Vergabe zum einen lediglich durch eine Vorinformation mitteilen, die gemäß Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2014/23 die in deren Anhang VI genannten Angaben zu enthalten hat. Zum anderen können die in Art. 32 dieser Richtlinie vorgesehenen Zuschlagsbekanntmachungen, die die in Anhang VIII genannten Angaben enthalten müssen, wenn sie solche Dienstleistungen betreffen, vierteljährlich zusammengefasst werden.
63 Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht festzustellen, ob es sich bei der Genehmigung für den Betrieb einer öffentlichen Apotheke, wie sie im Ausgangsrechtsstreit in Rede steht, um eine Konzession im Sinne der Richtlinie 2014/23 handelt und, wenn ja, ob für diese Konzession die vereinfachte Regelung der Vergabe gemäß Art. 19 dieser Richtlinie gilt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. August 2022, Roma Multiservizi und Rekeep, C‑332/20, EU:C:2022:610, Rn. 96).
64 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 19 der Richtlinie 2014/23 dahin auszulegen ist, dass der Betrieb einer öffentlichen Apotheke, dessen Hauptgegenstand in der Abgabe verschreibungspflichtiger und nicht verschreibungspflichtiger Humanarzneimittel gegen Entgelt sowie in der Beratung über den ordnungsgemäßen und sicheren Gebrauch dieser Arzneimittel besteht, unter die Wendung „soziale und andere besondere Dienstleistungen“ im Sinne dieses Art. 19 fällt.
Kosten
65 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe
ist dahin auszulegen, dass
der Betrieb einer öffentlichen Apotheke, dessen Hauptgegenstand in der Abgabe verschreibungspflichtiger und nicht verschreibungspflichtiger Humanarzneimittel gegen Entgelt sowie in der Beratung über den ordnungsgemäßen und sicheren Gebrauch dieser Arzneimittel besteht, nicht unter die Wendung „nicht wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ im Sinne dieser Bestimmung fällt.
2. Art. 19 der Richtlinie 2014/23
ist dahin auszulegen, dass
der Betrieb einer öffentlichen Apotheke, dessen Hauptgegenstand in der Abgabe verschreibungspflichtiger und nicht verschreibungspflichtiger Humanarzneimittel gegen Entgelt sowie in der Beratung über den ordnungsgemäßen und sicheren Gebrauch dieser Arzneimittel besteht, unter die Wendung „soziale und andere besondere Dienstleistungen“ im Sinne dieses Art. 19 fällt.
Unterschriften