C-161/24 – OSA

C-161/24 – OSA

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:C:2025:417

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 5. Juni 2025(1)

Rechtssache C161/24

OSA, z.s., vormals OSA – Ochranný svaz autorský pro práva k dílům hudebním, z.s.

gegen

Úřad pro ochranu hospodářské soutěže

(Vorabentscheidungsersuchen des Krajský soud v Brně [Regionalgericht Brünn], Tschechische Republik)

„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Art. 102 AEUV – Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte – Preise für die Erteilung einer Lizenz über die Bereitstellung urheberrechtlich geschützter Werke – Beherbergungsbetriebe – Berechnungsmethode – Nichtberücksichtigung der Zimmerbelegung – Unangemessene Geschäftsbedingungen – Überhöhte Preise “

I.      Einleitung

1.        Aufgrund der Art ihrer Tätigkeit haben Verwertungsgesellschaften für Urheberrechte und verwandte Schutzrechte häufig de iure oder de facto eine Monopolstellung auf den Märkten für die Erteilung von Genehmigungen für die Nutzung verschiedener Kategorien von Schutzgegenständen inne(2). Nach Ansicht des Gerichtshofs kommt diese Situation einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV gleich(3), was für die Verwertungsgesellschaften u. a. das Verbot einer missbräuchlichen Ausnutzung dieser Stellung nach sich zieht.

2.        Allerdings muss die Kontrolle, ob kein solcher Missbrauch vorliegt, unter Berücksichtigung des besonderen Charakters der Tätigkeit dieser Verwertungsgesellschaften und insbesondere der Spezifität der von ihnen verwalteten Rechte ausgeübt werden. Die vorliegende Rechtssache wird dem Gerichtshof Gelegenheit geben, seine einschlägige Rechtsprechung weiterzuentwickeln und zu präzisieren.

3.        Der Gerichtshof wird daher die im vorliegenden Fall zentrale Frage zu beantworten haben, ob eine Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte mit beherrschender Stellung bei der Festsetzung der Höhe der Gebühren, die sie von Beherbergungsbetrieben für die Erteilung einer Lizenz für die Bereitstellung geschützter Werke über Fernseh- und Rundfunkempfangsgeräte in den Zimmern erhebt, verpflichtet ist, die tatsächliche Belegung der Zimmer dieser Betriebe zu berücksichtigen, um zu vermeiden, dass sie unter Verstoß gegen Art. 102 AEUV einen unangemessenen Preis erzwingt.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

4.        Art. 3 („Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken und Recht der öffentlichen Zugänglichmachung sonstiger Schutzgegenstände“) Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG(4) sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.“

B.      Tschechisches Recht

5.        § 23 des Zákon č. 121/2000 Sb, o právu autorském, o právech souvisejících s právem autorským a o změně některých zákonů (autorský zákon) (Gesetz Nr. 121/2000 Slg. über das Urheberrecht, die verwandten Schutzrechte und die Änderung bestimmter Gesetze) in der zwischen dem 19. Mai 2008 und dem 6. November 2014 geltenden Fassung garantierte Urhebern das Recht auf eine Gebühr für die Nutzung ihrer Werke, die in Privatzimmern untergebrachten Personen mittels Geräten, die technisch in der Lage waren, eine Radio- oder Fernsehsendung zu empfangen, zur Verfügung gestellt wurden. Nach diesem Paragraf durfte die Gebühr für sämtliche Verwertungsgesellschaften insgesamt nicht mehr als 50 % der durch ein Sondergesetz festgesetzten Gebühr für ein Gerät betragen.

6.        § 11 des Zákon č. 143/2001 Sb., o ochraně hospodářské soutěže (Gesetz Nr. 143/2001 Slg. über den Schutz des Wettbewerbs) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung bestimmt:

„Der Missbrauch einer beherrschenden Stellung zum Nachteil anderer Wettbewerber oder Verbraucher ist verboten. Der Missbrauch einer beherrschenden Stellung ist insbesondere

a)      die unmittelbare oder mittelbare Auferlegung unangemessener Bedingungen in Verträgen mit anderen Marktteilnehmern, insbesondere die Auferlegung einer Leistung, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Gegenleistung steht;

…“

III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

7.        Die OSA, z.s., vormals OSA – Ochranný svaz autorský pro práva k dílům hudebním, z.s. (Urheberrechtsvereinigung für die Rechte an musikalischen Werken, Tschechische Republik, im Folgenden: OSA), ist eine Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte in der Tschechischen Republik.

8.        Mit Entscheidung vom 18. Dezember 2019 stellte das Úřad pro ochranu hospodářské soutěže (Amt für Wettbewerbsschutz, Tschechische Republik) (im Folgenden: tschechische Wettbewerbsbehörde) fest, dass die OSA zwischen dem 19. Mai 2008 und dem 6. November 2014 im Rahmen von Lizenzen für Dienstleister im Bereich Hotelunterbringung in der Tschechischen Republik ohne sachliche Rechtfertigung Urheberrechtsgebühren für die Aufführung und Darbietung von Werken der Musik, der Literatur, des Dramas, des Musikdramas, der Choreografie, der Pantomime, der audiovisuellen Kunst, der bildenden Künste, der Architektur sowie für die visuellen Komponenten audiovisueller Werke erhoben hatte, deren Berechnung die Belegungsrate der betreffenden Beherbergungsbetriebe nicht berücksichtigte. Laut dieser Entscheidung verlangte die OSA von den Dienstleistern die Zahlung von Gebühren auch für unbelegte Zimmer, in denen keine Nutzung solcher bereitgestellter Werke stattgefunden hatte.

9.        Nach Ansicht der tschechischen Wettbewerbsbehörde hatte die OSA durch ihr Verhalten unangemessene Geschäftsbedingungen auf dem nationalen Markt für die Lizenzierung von Urheberrechten an diesen Werken mit Hilfe von Audio- und audiovisuellen Geräten, die den Empfang von Radio- oder Fernsehsendungen ermöglichen, erzwungen. Sie stellte fest, dass das fragliche Verhalten einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstelle, der nach Art. 102 AEUV und den entsprechenden Bestimmungen des tschechischen Wettbewerbsrechts verboten sei. Sie verurteilte die OSA zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 10 676 000 tschechischen Kronen (CZK) (ca. 429 000 Euro) und untersagte ihr dieses Verhalten.

10.      Die OSA erhob beim Krajský soud v Brně (Regionalgericht Brünn, Tschechische Republik), dem vorlegenden Gericht, Klage gegen die Entscheidung vom 23. November 2020, mit der der Präsident der tschechischen Wettbewerbsbehörde ihre Beschwerde gegen die Entscheidung vom 18. Dezember 2019 zurückgewiesen hatte.

11.      Das vorlegende Gericht führt aus, dass die Parteien übereinstimmend anerkennen, dass die OSA in der Tschechischen Republik ein faktisches Monopol im Bereich der kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten innehat. Während des in der Ausgangsrechtssache in Rede stehenden Zeitraums der Zuwiderhandlung stellte die OSA den Hotels Gebühren für die Möglichkeit der Nutzung von Fernsehen und Radio in ihren Zimmern in Rechnung, unabhängig davon, ob diese belegt waren oder nicht. Die Parteien sind sich hingegen uneinig über die Auslegung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff „Missbrauch einer beherrschenden Stellung“ und deren Anwendung auf den Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits.

12.      Nach Auffassung der OSA hätte die tschechische Wettbewerbsbehörde prüfen müssen, ob ihre Preisbildungspraxis nach den vom Gerichtshof im Urteil United Brands und United Brands Continentaal/Kommission(5)aufgestellten sowie in den Urteilen Autortiesību un komunicēšanās konsultāciju aģentūra – Latvijas Autoru apvienība(6) und SABAM(7)auf den besonderen Kontext von Verwertungsgesellschaften angewandten Kriterien als eine Praxis missbräuchlicher Preise angesehen werden könne.

13.      Das vorlegende Gericht ist jedoch der Ansicht, dass sich der Gerichtshof noch nicht zu der Frage geäußert habe, ob die Nichtberücksichtigung der Zimmerauslastung in Beherbergungsbetrieben bei der Berechnung von Urheberrechtsgebühren einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV darstellen könne.

14.      Als Erstes bezweifelt dieses Gericht im Wesentlichen die Feststellung der OSA, wonach der Ausgangsrechtsstreit durch Anwendung der vom Gerichtshof im Urteil SABAM entwickelten Grundsätze entschieden werden könne. Die OSA sei der Ansicht, dass der Gerichtshof in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, auch über eine Berechnungsmethode zu entscheiden gehabt habe, nach der Urheberrechtsgebühren auch für Werke hätten entrichtet werden müssen, die zwar zur Verfügung gestellt, im Rahmen eines Festivals aber nicht aufgeführt worden seien. Nach Auffassung der OSA könne es zwar unangemessen sein, anlässlich eines Festivals die Zahlung von Gebühren zu verlangen, obwohl dem Publikum dieses Festivals kein Werk aus dem Repertoire der Verwertungsgesellschaft zur Verfügung gestellt worden sei. Es sei jedoch angemessen, die Zahlung einer jährlichen Gebühr für eine solche Zurverfügungstellung in Hotels zu verlangen, und zwar unabhängig von der Belegungsrate des Hotels, außer für Zimmer, die während des gesamten fraglichen Jahres unbelegt geblieben seien.

15.      Als Zweites weist das vorlegende Gericht ferner darauf hin, dass der Gerichtshof offenbar keine konkreten Kriterien festgelegt habe, anhand deren sich bestimmen ließe, ob die Nichtberücksichtigung der Zimmerbelegungsrate bei der Berechnung der Gebühr nach Art. 102 AEUV als eine Praxis überhöhter Preise, wie die OSA geltend macht, oder als eine Praxis zur Erzwingung „unangemessener Geschäftsbedingungen“ im Sinne dieser Vorschrift, wie die tschechische Wettbewerbsbehörde vorträgt, beurteilt werden müsse.

16.      Selbst wenn diese zweite Annahme zuträfe, wäre nach Ansicht des vorlegenden Gerichts noch der Maßstab zu bestimmen, anhand dessen festgestellt werden kann, ob eine Geschäftsbedingung unangemessen ist. Die OSA vertritt insoweit die Auffassung, dass drei kumulative Kriterien erfüllt sein müssten, nämlich dass diese Bedingung a) nicht mit dem Zweck des Vertrags in Zusammenhang stehe oder nicht erforderlich sei, um die erwartete Wirkung zu erreichen, b) für die andere Vertragspartei nachteilig sei und c) weder geeignet noch angemessen sei. Dagegen hebt die tschechische Wettbewerbsbehörde hervor, dass weder die Europäische Kommission noch die Unionsgerichte diese Kriterien angewandt hätten und es im vorliegenden Fall ausreichend sei, wenn geprüft werde, ob die fragliche Geschäftsbedingung gerechtfertigt und verhältnismäßig sei.

17.      Auch für den Fall, dass die erste Annahme zugrunde gelegt werden sollte, bliebe nach Ansicht des vorlegenden Gerichts zu klären, ob davon ausgegangen werden könne, dass die Preisbildungspraxis der OSA insoweit gegen Art. 102 AEUV verstoße, als sie überhöhte Preise erzwinge. Die Auslegung des Gerichtshofs verschaffe Klarheit darüber, ob und wie die aus dem Urteil United Brands hervorgegangenen Kriterien im Kontext der vorliegenden Rechtssache angewandt werden könnten.

18.      Unter diesen Umständen beschloss das Krajský soud v Brně (Regionalgericht Brünn), das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Kann Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV dahin ausgelegt werden, dass es eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne dieses Artikels darstellt, wenn eine Verwertungsgesellschaft in einem Mitgliedstaat ein faktisches Monopol innehat und von Betreibern von Beherbergungsbetrieben für die Erteilung einer Lizenz für die Bereitstellung urheberrechtlich geschützter Werke über Fernseh- und Rundfunkempfangsgeräte, die sich in für die private Beherbergung von Gästen bestimmten Zimmern befinden, Preise verlangt, die die tatsächliche Belegung der jeweiligen Zimmer der betreffenden Unterkunft nicht berücksichtigen?

2.      Falls die erste Frage bejaht wird: Ist eine solche Praxis unter dem Gesichtspunkt a) der Anwendung unangemessener Geschäftsbedingungen oder b) der Anwendung überhöhter Preise zu bewerten?

a)      Wenn der richtige Maßstab die Anwendung unangemessener Geschäftsbedingungen ist: Mit welchem konkreten Test sind diese zu beurteilen?

b)      Wenn der richtige Maßstab die Anwendung überhöhter Preise ist: Mit welchem konkreten Test sind diese zu beurteilen – nach dem allgemeinen „United Brands Test“ oder einer modifizierten Version davon?

3.      Ist für den Nachweis eines Verstoßes gegen Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV in Bezug auf das in der ersten Frage genannte Verhalten der Nachweis tatsächlicher oder potenzieller negativer Auswirkungen auf den Wettbewerb (einschließlich Auswirkungen auf das Verbraucherwohl und ausbeuterischer Wirkungen des Verhaltens des marktbeherrschenden Unternehmens) erforderlich?

4.      Ist es für den Nachweis eines Verstoßes gegen Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV in Bezug auf das in der ersten Frage genannte Verhalten erforderlich, eine erhebliche Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union durch dieses Verhalten nachzuweisen, oder genügt die begründete Erwartung, dass eine solche Beeinträchtigung eintreten könnte, und es ist nicht erforderlich, deren tatsächliches Ausmaß zu prüfen?

19.      Schriftliche Erklärungen sind von der OSA, der tschechischen Wettbewerbsbehörde, der französischen und der spanischen Regierung sowie der Kommission vorgelegt worden.

20.      Diese Beteiligten haben auch an der Sitzung vom 13. März 2025 teilgenommen.

21.      Dem Ersuchen des Gerichtshofs folgend werden sich die vorliegenden Schlussanträge auf die Prüfung der beiden ersten Fragen beschränken.

IV.    Würdigung

22.      Mit seinen beiden ersten Fragen, die meines Erachtens zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof im Wesentlichen wissen, ob Art. 102 AEUV dahin auszulegen ist, dass es, wenn eine Verwertungsgesellschaft mit beherrschender Stellung bei der Festsetzung der Höhe der Gebühren, die sie für die Erteilung einer Lizenz für die Bereitstellung urheberrechtlich geschützter Werke über Fernseh- und Rundfunkempfangsgeräte, die sich in für die private Beherbergung von Gästen bestimmten Zimmern befinden, erhebt, die tatsächliche Belegung der Beherbergungsbetriebe nicht berücksichtigt, entweder eine Praxis überhöhter Preise oder eine Praxis der Erzwingung sonstiger unangemessener Geschäftsbedingungen darstellt.

23.      Ich erinnere daran, dass dem Ausgangsrechtsstreit eine Entscheidung der tschechischen Wettbewerbsbehörde zugrunde liegt, mit der der OSA eine Geldbuße auferlegt worden ist, weil sie ihre beherrschende Stellung missbraucht haben soll, indem sie bei der Festsetzung der Höhe ihrer Gebühren die tatsächliche Belegung der Beherbergungsbetriebe nicht berücksichtigt hat. Insbesondere hat diese Behörde die Auffassung vertreten, dass die OSA damit die Zahlung von Gebühren für eine nicht erbrachte Dienstleistung verlangt habe, da es in den unbelegten Zimmern der Beherbergungsbetriebe keine öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke gegeben habe.

24.      Im Licht der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff „öffentliche Wiedergabe“ bin ich jedoch der Ansicht, dass eine solche Überlegung falsch ist und somit nicht die Schlussfolgerung der tschechischen Wettbewerbsbehörde stützen kann, wonach die OSA ihre beherrschende Stellung bereits deshalb missbraucht habe, weil sie bei der Festsetzung der Höhe ihrer Gebühren die tatsächliche Belegung der Beherbergungsbetriebe nicht berücksichtigt habe (A).

25.      Es bleibt noch zu klären, ob und gegebenenfalls inwieweit diese Nichtberücksichtigung in Anbetracht der Prüfung der Praxis der Festsetzung der Höhe der von der OSA bei den Beherbergungsbetrieben erhobenen Gebühren anhand von Art. 102 AEUV gleichwohl eine gewisse Relevanz haben kann, was ich im zweiten Teil meiner Würdigung tun werde (B).

A.      Irrelevanz der Belegung eines Hotelzimmers für die Bewertung der öffentlichen Wiedergabe eines Werks und ihre Folgen für die Einstufung als „Missbrauch einer beherrschenden Stellung“

26.      Nach Auffassung der tschechischen Wettbewerbsbehörde hat die OSA durch die Erhebung von Gebühren ohne Gegenleistung ihre beherrschende Stellung missbraucht, da in den unbelegten Zimmern der Beherbergungsbetriebe kein geschütztes Werk öffentlich wiedergegeben worden sei.

27.      Wie die OSA und die Kommission geltend machen, steht eine solche Beurteilung jedoch nicht im Einklang mit dem Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ geschützter Werke im Sinne der Richtlinie 2001/29, wie er in der Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgelegt wird.

28.      Ich weise insoweit darauf hin, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 den Urhebern das – präventive – Recht verleiht, jede öffentliche Wiedergabe ihrer Werke zu erlauben oder zu verbieten. Die Urheber sind somit insbesondere in der Lage, aus der Nutzung ihrer Werke in Form einer öffentlichen Wiedergabe Einkünfte zu erzielen(8).

29.      Wie die Kommission hervorhebt, ist der Begriff „öffentliche Wiedergabe eines Werks“ ein autonomer Begriff des Unionsrechts. Auch wenn er in den Bestimmungen der Richtlinie 2001/29 selbst nicht definiert wird, heißt es in deren 23. Erwägungsgrund, dass der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ auf jegliche Wiedergabe an die Öffentlichkeit abzielt, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist. Das Recht der öffentlichen Wiedergabe sollte jegliche drahtgebundene oder drahtlose Übertragung oder Weiterverbreitung eines Werks, einschließlich der Rundfunkübertragung, umfassen. Der 27. Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergänzt, dass eine bloße Bereitstellung der Einrichtungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken, selbst keine öffentliche Wiedergabe darstellt.

30.      Der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ ist außerdem Gegenstand einer umfangreichen Rechtsprechung. So hat der Gerichtshof sehr klar entschieden, dass es eine öffentliche Wiedergabe darstellt, wenn ein Hotel seinen Gästen Zugang zu geschützten Gegenständen verschafft, indem es Fernsehgeräte in den Zimmern aufstellt und mittels dieser Geräte das von der zentralen Antenne empfangene Fernsehsignal verbreitet(9). Unter diesen Umständen scheint mir kein Zweifel daran zu bestehen, dass es eine öffentliche Wiedergabe darstellt, wenn die Beherbergungsbetriebe in der Ausgangsrechtssache Fernseh- oder Rundfunkempfangsgeräte in den Zimmern aufstellen und deren Signal verbreiten. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob alle Zimmer des Beherbergungsbetriebs belegt gewesen sind.

31.      Die tschechische Wettbewerbsbehörde macht geltend, das in Rede stehende Publikum bestehe in Wirklichkeit nicht aus sämtlichen Gästen des Hotels, sondern aus Gästen jedes Zimmers einzeln betrachtet. Da der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ nicht nur eine Handlung der Wiedergabe eines geschützten Werks, sondern auch eine Öffentlichkeit voraussetze, für die diese Wiedergabe bestimmt sei(10), ergebe sich daraus, dass es bei Nichtbelegung eines Hotelzimmers keine Öffentlichkeit gebe, der das geschützte Werk zugänglich gemacht werde.

32.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs muss die Öffentlichkeit, an die sich eine Wiedergabe richten soll, aus einer potenziell unbestimmten, aber recht großen Zahl von Personen bestehen, so dass es eine Mindestschwelle gibt, die eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen von diesem Begriff ausschließt(11). Der Gerichtshof hat darüber hinaus betont, dass die kumulative Wirkung zu beachten ist, die sich aus der Zugänglichmachung der geschützten Werke bei den nicht nur gleichzeitigen, sondern auch aufeinanderfolgenden Adressaten ergibt(12).

33.      Insbesondere in Bezug auf die Gäste der Hotels hat der Gerichtshof entschieden, dass ein umfassender Ansatz geboten ist, bei dem zum einen nicht nur die Gäste zu berücksichtigen sind, die in den Hotelzimmern wohnen, sondern auch die Gäste, die sich in anderen Räumen des Hotels aufhalten und denen ein dort aufgestellter Fernsehapparat zur Verfügung steht. Zum anderen ist der Umstand zu berücksichtigen, dass Hotelgäste gewöhnlich rasch aufeinanderfolgen. Im Allgemeinen geht es um recht viele Personen, so dass diese als Öffentlichkeit anzusehen sind(13).

34.      Anders ausgedrückt sind die Zielgruppe der Wiedergabehandlung, die in der Installation von Fernseh- und Rundfunkempfangsgeräten in den Zimmern durch die Beherbergungsbetriebe besteht, nicht die Gäste jedes Zimmers einzeln betrachtet, sondern die Gäste des Hotels insgesamt.

35.      Allerdings hat der Gerichtshof entschieden, dass, selbst wenn unterstellt wird, dass eine solche Fragmentierung der Gäste eines Hotels angenommen werden kann, um zu ermitteln, ob es eine Öffentlichkeit im Sinne des Begriffs „öffentliche Wiedergabe“ gibt oder nicht, die kumulative Wirkung zu beachten ist, die sich aus der Zugänglichmachung der geschützten Werke für aufeinanderfolgende Adressaten ergibt. Was die Tätigkeit der Hotels betrifft, so wechseln, wie der Gerichtshof hervorgehoben hat, die Gäste jedes Zimmers einzeln betrachtet in der Regel rasch aufeinander, so dass die Zahl der aufeinanderfolgenden Gäste sogar in einer solchen Konstellation groß genug ist, um eine Öffentlichkeit im Sinne des Begriffs „öffentliche Wiedergabe“ darzustellen.

36.      Schließlich geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass es für die Feststellung einer „öffentlichen Wiedergabe“ geschützter Werke unerheblich ist, dass die Gäste, die ihr Fernseh- oder Rundfunkempfangsgerät – wie in der Ausgangsrechtssache – nicht eingeschaltet hatten, tatsächlich keinen Zugang zu den Werken hatten(14). Für die Feststellung einer solchen Wiedergabe braucht somit auch nicht sichergestellt zu werden, dass jedes Zimmer des betreffenden Hotels tatsächlich belegt gewesen ist. Mit anderen Worten besteht die Öffentlichkeit, an die sich die Wiedergabe der geschützten Werke richtet, aus den Gästen des Hotels insgesamt, ohne dass die tatsächliche Belegung der Zimmer dieses Hotels insoweit eine Rolle spielt.

37.      Daraus folgt zum einen, dass es entgegen dem Vorbringen der tschechischen Wettbewerbsbehörde sehr wohl eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 der Richtlinie 2001/29 darstellt, wenn ein Hotel in für die Beherbergung von Gästen bestimmten Zimmern Fernseh- und Rundfunkempfangsgeräte installiert und deren Signal liefert. Die Erteilung der Lizenz für diese öffentliche Wiedergabe stellte eine Dienstleistung der OSA zugunsten der Hotels dar. Von einer Gebühr, die für eine nicht existente Dienstleistung erhoben worden ist, kann somit keine Rede sein.

38.      Zum anderen konnte die tschechische Wettbewerbsbehörde die Feststellung eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung seitens der OSA nicht allein auf die Tatsache stützen, dass diese ohne öffentliche Wiedergabe geschützter Werke die Zahlung von Gebühren verlangt und die tatsächliche Belegung der Beherbergungsbetriebe nicht berücksichtigt haben soll, da eine solche öffentliche Wiedergabe selbst dann stattfindet, wenn ein einzelnes Zimmer tatsächlich nicht belegt ist.

39.      Mit der vorstehenden Schlussfolgerung, wonach die Nichtberücksichtigung der tatsächlichen Belegung der Beherbergungsbetriebe bei der Festsetzung der Höhe der Gebühren durch die OSA als solche keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV darstellen kann, lässt sich jedoch nicht abschließend klären, ob diese Nichtberücksichtigung gleichwohl Auswirkungen auf die umfassendere Analyse eines etwaigen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung haben kann, was Gegenstand des zweiten Teils meiner Würdigung sein wird.

B.      Irrelevanz der tatsächlichen Belegung eines Beherbergungsbetriebs für die Feststellung eines etwaigen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung bei der Festsetzung der Höhe von Gebühren durch eine Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte

1.      Praxis im Sinne des Verbots unangemessener Preise

40.      Art. 102 Abs. 2 AEUV führt verschiedene Praktiken auf, die einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen können, darunter die Erzwingung unangemessener Preise oder Geschäftsbedingungen. Die tschechische Wettbewerbsbehörde und die OSA streiten über die Frage, ob die Festsetzung der Höhe von Gebühren durch eine Verwertungsgesellschaft als Praxis betreffend die Erzwingung unangemessener Preise oder als Erzwingung sonstiger unangemessener Geschäftsbedingungen anzusehen ist, wobei die Prüfung der Praxis je nach dieser Einstufung unterschiedlich ausfällt.

41.      Der OSA, der Kommission und der französischen Regierung folgend scheint mir klar zu sein, dass sich die in Rede stehende Praxis auf die Preise bezieht, die die OSA als Verwertungsgesellschaft von Beherbergungsbetrieben für die Erteilung einer Lizenz für die Bereitstellung urheberrechtlich geschützter Werke über Fernseh- und Rundfunkempfangsgeräte in den Zimmern dieser Betriebe verlangt.

42.      Die von der tschechischen Wettbewerbsbehörde geltend gemachte Tatsache, dass die Methode zur Festsetzung der Höhe dieser Gebühren von der OSA im Jahr 2008 einseitig geändert worden ist, kann an der vorstehenden Feststellung nichts ändern, da eine Änderung der Geschäftsbedingungen stets die von der OSA verlangten Preise betrifft.

43.      Es ist somit durchaus angebracht, die fragliche Praxis anhand der Rechtsprechung zu unangemessenen Preisen im besonderen Kontext der Erteilung von Lizenzen durch Verwertungsgesellschaften zu prüfen.

2.      Rechtsprechung zu unangemessenen Preisen im Rahmen der Festsetzung der Höhe von Gebühren durch Verwertungsgesellschaften

44.      Wie das vorlegende Gericht bemerkt, hat der Gerichtshof in seinem Grundsatzurteil United Brands einen Preis als „überhöht“ im Sinne von Art. 102 AEUV definiert, „der in keinem angemessenen Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung steht“(15). Für die Feststellung, ob ein solcher überhöhter Preis vorliegt, hat der Gerichtshof in diesem Urteil einen zweistufigen Test eingeführt, wonach zum einen zu ermitteln ist, ob ein übertriebenes Missverhältnis zwischen den tatsächlich entstandenen Kosten und dem tatsächlich verlangten Preis besteht, und bejahendenfalls zum anderen zu prüfen ist, ob ein Preis erzwungen wurde, der, sei es absolut, sei es im Vergleich zu den Konkurrenzdienstleistungen, unangemessen ist(16).

45.      Die Definition eines „überhöhten Preises“, die sich seit dem Urteil United Brands nicht verändert hat, gilt auch für Praktiken der Festsetzung der Höhe von Gebühren durch Verwertungsgesellschaften(17).

46.      Wie der Gerichtshof hervorgehoben hat, geht es in einem solchen Kontext nämlich darum, zu prüfen, ob die von der Verwertungsgesellschaft mit beherrschender Stellung verlangten Gebühren in einem vernünftigen Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Wert der von ihr erbrachten Leistung stehen, die beinhaltet, dass die Verwertungsgesellschaft den Nutzern das von ihr verwaltete Repertoire urheberrechtlich geschützter Musikwerke zur Verfügung stellt(18).

47.      Der Gerichtshof beschränkt die Möglichkeit zum Nachweis eines überhöhten Preises jedoch nicht auf die Erfüllung dieser Testbedingungen. Er erkennt nämlich eindeutig an, dass sich auch mit anderen Methoden ermitteln lässt, ob ein Preis übertrieben hoch ist(19). Insbesondere in Bezug auf die von Verwertungsgesellschaften auferlegten Gebühren können diese Methoden an einem Vergleich zwischen dem Preis, dessen Angemessenheit bestritten wird, und Bezugsgrößen wie etwa denjenigen Preisen ansetzen, die das Unternehmen mit beherrschender Stellung in der Vergangenheit für gleiche Dienstleistungen auf demselben relevanten Markt verlangte, oder etwa denjenigen Preisen, die dieses Unternehmen für andere Dienstleistungen verlangte, oder auch denjenigen Preisen, die andere Unternehmen für die gleiche Dienstleistung oder für andere vergleichbare Dienstleistungen auf anderen nationalen Märkten verlangten, soweit dieser Vergleich auf einheitlicher Grundlage vorgenommen wird(20).

48.      Mit anderen Worten gibt es nicht nur eine einzige Methode, um festzustellen, ob die von den Verwertungsgesellschaften festgesetzten Gebühren überhöht sind, da die Wahl der am besten geeigneten Analysemethode und ganz allgemein die Beurteilung, ob überhöhte Preise vorliegen, vom jeweiligen Einzelfall abhängt.

49.      Es ist daher unstreitig Sache des nationalen Gerichts, die etwaige Überhöhtheit der Gebühren vor dem Hintergrund des konkreten Falls, mit dem es befasst ist, und unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu ermitteln(21).

50.      Im Rahmen dieser Prüfung und unter Berücksichtigung des Kontexts, in dem sie erfolgt, hebt der Gerichtshof hervor, dass das nationale Gericht die Besonderheiten des Urheberrechts zu berücksichtigen und ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Interesse der Urheber urheberrechtlich geschützter Werke an einer Vergütung für die Nutzung dieser Werke und dem Interesse der Nutzer zu finden hat, diese Werke unter angemessenen Bedingungen nutzen zu können(22).

51.      Um zu prüfen, ob die Höhe der von einer Verwertungsgesellschaft erzwungenen Tarife sowohl im Hinblick auf das Recht der Urheber auf eine billige Vergütung als auch im Hinblick auf die berechtigten Interessen der Nutzer angemessen ist, ist daher nicht nur der wirtschaftliche Wert der Leistung als solcher, die in der kollektiven Rechtewahrnehmung besteht, sondern sind auch die Art und der Umfang der Nutzung der Werke sowie der durch diese Nutzung generierte wirtschaftliche Wert zu berücksichtigen(23).

52.      Dieser Wert hängt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs u. a. von der tatsächlichen Zahl der Personen, die in den Genuss der geschützten Werke kommen, und von der Bedeutung der Nutzung dieser Musikwerke für die Lizenznehmer ab(24).

53.      Anders ausgedrückt muss eine Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung bei den von ihr erhobenen Gebühren berücksichtigen, in welchem quantitativen Umfang urheberrechtlich geschützte Werke tatsächlich genutzt werden(25), wobei die Festsetzung der Höhe dieser Gebühr, die den quantitativen Umfang der tatsächlich genutzten Musikwerke berücksichtigt, gleichwohl immer noch missbräuchlich sein kann, wenn es eine alternative Methode gibt, nach der die Nutzung dieser Werke präziser bestimmt und bemessen werden kann(26).

54.      Ich stelle jedoch fest, dass der Gerichtshof in Bezug auf das Erfordernis der Berücksichtigung des quantitativen Umfangs der tatsächlich genutzten Werke bei der Festsetzung der Höhe einer Gebühr ein gewisses Maß an Verhältnismäßigkeit eingeführt hat, das mit den Besonderheiten des Urheberrechts und der Tätigkeit der Verwertungsgesellschaften zusammenhängt. Die bloße Existenz einer alternativen Methode, die eine präzisere Quantifizierung der genutzten Werke ermöglicht, ist als solche nämlich noch kein Anhaltspunkt dafür, dass die Gebühr überhöht ist. Diese alternative Methode muss außerdem geeignet sein, dasselbe legitime Ziel des Schutzes der Interessen der Urheber zu verwirklichen, ohne dass sie zugleich zu einer unverhältnismäßigen Erhöhung der Kosten der Verwaltung der Vertragsbestände und der Überwachung der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Musikwerke führen würde(27).

55.      Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist zu ermitteln, ob die Tatsache, dass eine Verwertungsgesellschaft bei der Festsetzung der Höhe der Gebühren, die sie für die Erteilung einer Lizenz für die Bereitstellung urheberrechtlich geschützter Werke über Fernseh- und Rundfunkempfangsgeräte, die sich in für die private Beherbergung von Gästen bestimmten Zimmern befinden, erhebt, die tatsächliche Belegung der Beherbergungsbetriebe nicht berücksichtigt hat, einen relevanten Gesichtspunkt für die Feststellung eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung in Form der Erzwingung unangemessener Preise darstellt.

56.      Mit anderen Worten geht es, wie die Kommission und die französische Regierung hervorheben, darum, zu prüfen, ob die Methode zur Berechnung der Höhe der Gebühren, bei der die tatsächliche Belegung der Zimmer nicht berücksichtigt, sondern einem pauschalen Ansatz der Vorzug gegeben wird, einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann, da sie zur Erzwingung unangemessener Preise führen soll.

57.      Ich erinnere insoweit daran, dass eine solche Prüfung letztlich ausschließlich dem vorlegenden Gericht obliegt, das alle relevanten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen hat(28).

58.      Wie die Kommission und die französische Regierung bemerken, sind die Installation von Fernseh- und Rundfunkempfangsgeräten in den Zimmern der Beherbergungsbetriebe und die Lieferung des Signals, das es ermöglicht, den Gästen geschützte Werke zur Verfügung zu stellen, Nebenleistungen zur Haupttätigkeit dieser Betriebe, nämlich der privaten Beherbergung von Gästen. Es handelt sich um zusätzliche Dienstleistungen, die von den Hotels angeboten werden und sich auf deren Standard und damit den Preis der Zimmer auswirken(29). Die Installation wird somit vorgenommen, um daraus einen gewissen Nutzen zu ziehen.

59.      Damit kann nicht bestritten werden, dass die Nutzung geschützter Werke aus dem Repertoire der Verwertungsgesellschaft durch die Hotels einen bestimmten wirtschaftlichen Wert erzeugt.

60.      Außerdem geht, wie ich hervorgehoben habe, aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs eindeutig hervor, dass der Wert dieser Nutzung im wirtschaftlichen Austausch u. a. vom quantitativen Umfang tatsächlich genutzter urheberrechtlich geschützter Werke abhängt.

61.      Entgegen dem Vorbringen der Kommission und der OSA glaube ich jedoch nicht, dass die Ermittlung des quantitativen Umfangs tatsächlich genutzter Werke präziser wird oder auch nur erlaubt ist, wenn die tatsächliche Belegung der Hotelzimmer berücksichtigt wird.

62.      Wie ich in Nr. 36 der vorliegenden Schlussanträge festgestellt habe, sind geschützte Werke nämlich als öffentlich wiedergegeben anzusehen, sobald die Beherbergungsbetriebe Fernseh- und Rundfunkempfangsgeräte in den für die Beherbergung von Gästen bestimmten Zimmern installieren und deren Signal liefern, ohne dass es insoweit darauf ankommt, ob die Gäste tatsächlich Zugang zu den Werken hatten.

63.      Anders ausgedrückt bestimmt sich der quantitative Umfang tatsächlich genutzter Werke, von dem der wirtschaftliche Wert der Nutzung dieser Werke abhängt, nicht nach dem quantitativen Umfang angesehener oder angehörter, sondern nach demjenigen verbreiteter, d. h. dem relevanten Publikum zur Verfügung gestellter, Werke.

64.      Daher lässt sich die Nutzung der geschützten Werke durch die Berücksichtigung der tatsächlichen Belegung der Beherbergungsbetriebe bei der Festsetzung der Höhe von Gebühren weder präzise bestimmen noch bemessen.

65.      Anders verhält es sich jedoch dann, wenn die Anzahl der Fernsehkanäle oder Rundfunkfrequenzen, die Beherbergungsbetriebe ihren Gästen zur Verfügung stellen, oder die Anzahl der Zimmer, in denen Fernseh- oder Rundfunkempfangsgeräte vorhanden sind, bei der Festsetzung der Höhe von Gebühren berücksichtigt werden, um ein Beispiel zu geben. Diese beiden Gesichtspunkte sind meines Erachtens geeignet, den quantitativen Umfang tatsächlich genutzter geschützter Werke genau zu erfassen und folglich die Höhe von Gebühren anzupassen. Das vorlegende Gericht wird somit im Licht des konkreten Falls, mit dem es befasst ist, zu prüfen haben, ob die Methode zur Festsetzung der Höhe der Gebühren durch die OSA u. a. solche Gesichtspunkte einbezieht.

66.      Ich bin daher der Ansicht, dass die Nichtberücksichtigung der tatsächlichen Belegung von Beherbergungsbetrieben durch eine Verwertungsgesellschaft bei der Festsetzung der Höhe der Gebühren, die für die Erteilung einer Lizenz für die Bereitstellung urheberrechtlich geschützter Werke durch Fernseh- und Rundfunkempfangsgeräte, die sich in für die private Beherbergung von Gästen bestimmten Zimmern befinden, erhoben werden, im Licht aller relevanten Umstände des Einzelfalls nicht als relevanter Gesichtspunkt für die Feststellung eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung in Form der Erzwingung unangemessener Preise im Sinne von Art. 102 AEUV angesehen werden kann, was das vorlegende Gericht zu überprüfen haben wird.

V.      Ergebnis

67.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die erste und die zweite Vorlagefrage des Krajský soud v Brně (Regionalgericht Brünn, Tschechische Republik) wie folgt zu beantworten:

Art. 102 AEUV ist dahin auszulegen, dass die Tatsache, dass eine Verwertungsgesellschaft mit beherrschender Stellung bei der Festsetzung der Höhe der Gebühren, die sie für die Erteilung einer Lizenz für die Bereitstellung urheberrechtlich geschützter Werke durch Fernseh- und Rundfunkempfangsgeräte in für die private Beherbergung von Gästen bestimmten Zimmern erhebt, die tatsächliche Belegung der Beherbergungsbetriebe nicht berücksichtigt, als solche keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellt und nicht als relevanter Gesichtspunkt für die Feststellung eines solchen Missbrauchs in Form der Erzwingung unangemessener Preise angesehen werden kann.































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