Vorläufige Fassung
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
MACIEJ SZPUNAR
vom 22. Mai 2025(1 )
Rechtssache C ‑789/23 [Tatrauskė] (i )
I. J.
gegen
Registrų centras
(Vorabentscheidungsersuchen des Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas [Oberstes Verwaltungsgericht Litauens])
„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Unionsbürgerschaft – Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten – Voraussetzungen für die Eintragung eines in einem anderen Mitgliedstaat geschlossenen Ehevertrags in das nationale Register – Erfordernis, in diesem Vertrag die persönliche Identifikationsnummer mindestens einer der Vertragsparteien anzugeben “
I. Einführung
1. Der litauische Gesetzgeber hat vorgesehen, dass ein im Ausland geschlossener Ehevertrag in das Ehevertragsregister eingetragen werden kann, wenn er die vom litauischen Melderegister vergebene persönliche Identifikationsnummer (im Folgenden: litauische persönliche Identifikationsnummer) mindestens eines der Ehegatten enthält. Die Aufnahme dieser Nummer in den Auszug aus einer in Italien ausgestellten Heiratsurkunde, in der bestätigt wird, dass die Ehegatten den Güterstand der Gütertrennung gewählt haben, ist jedoch nicht möglich. Ist es in einem solchen Fall mit dem Unionsrecht vereinbar, die Eintragung der Angaben über den ehelichen Güterstand, den in Italien verheiratete Unionsbürger, von denen einer eine litauische persönliche Identifikationsnummer hatte, gewählt haben, in das in Litauen geführte Ehevertragsregister allein deshalb zu verweigern, weil das Dokument, das als Grundlage für diese Eintragung diente, diese Nummer nicht enthielt?
2. Diese Frage stellt sich dem vorlegenden Gericht in der vorliegenden Rechtssache. Sie bietet dem Gerichtshof somit die Gelegenheit, seine Rechtsprechung zu den mit der Unionsbürgerschaft verbundenen Rechten im Bereich der Anerkennung bestimmter in einem Mitgliedstaat ausgestellter Urkunden anlässlich ihrer Eintragung in die nationalen öffentlichen Register eines anderen Mitgliedstaats weiterzuentwickeln.
II. Litauisches Recht
3. Art. 3.101 („Ehevertrag“) des Lietuvos Respublikos civilinis kodeksas (Zivilgesetzbuch der Republik Litauen, im Folgenden: Zivilgesetzbuch) bestimmt:
„Der Ehevertrag ist eine von den Ehegatten geschlossene Vereinbarung, die ihre vermögensrechtlichen Rechte und Pflichten während der Ehe sowie im Fall einer Ehescheidung oder einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes (Trennung) festlegt.“
4. Art. 3.103 („Form des Ehevertrags“) des Zivilgesetzbuchs bestimmt:
„1. Der Ehevertrag wird durch notarielle Urkunde geschlossen.
2. Der Ehevertrag sowie seine Änderungen werden in das Ehevertragsregister eingetragen …
3. Der Ehevertrag und seine Änderungen entfalten gegenüber Dritten nur dann Wirkung, wenn der Vertrag und seine Änderungen in das Ehevertragsregister eingetragen wurden. Dies gilt nicht, wenn die Dritten im Zeitpunkt des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts Kenntnis von dem Ehevertrag oder seinen Änderungen hatten.“
5. Die Organisation und Führung des in Art. 3.103 Abs. 2 des Zivilgesetzbuchs genannten Ehevertragsregisters wird durch die Vedybų sutarčių registro nuostatai (Verordnung über das Ehevertragsregister) geregelt, die mit dem Lietuvos Respublikos Vyriausybės 2002 m. rugpjūčio 13 d. nutarimas Nr. 1284 „Dėl Vedybų sutarčių registro nuostatų patvirtinimo“ (Beschluss Nr. 1284 der Regierung der Republik Litauen vom 13. August 2002 „über den Erlass der Verordnung über das Ehevertragsregister“) erlassen wurde. Die auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbare Fassung der Verordnung über das Ehevertragsregister ist die Fassung vom 10. September 2015 in der durch den Beschluss Nr. 773 der Regierung der Republik Litauen vom 8. Juli 2020 geänderten Fassung (im Folgenden: Registerverordnung).
6. Laut den Ziff. 2 und 8 der Registerverordnung „[besteht] [d]er Zweck des Registers … in der Eintragung der in Ziff. 13 der Registerverordnung genannten Ereignisse und Urkunden“ und „[wird] [d]as Register … vom Registrų centras VĮ [(Registerzentrum, Litauen)] geführt“.
7. In Ziff. 13 dieser Verordnung heißt es:
„In das Register eingetragen werden
13.1. Eheverträge,
…
13.3. die im [Zivilgesetzbuch] geregelten Tatbestände der Vermögensaufteilung.“
8. Ziff. 67 der Verordnung bestimmt:
„Ein im Ausland geschlossener Ehevertrag oder Lebensgemeinschaftsvertrag kann in das Register eingetragen werden, wenn er die vom litauischen Melderegister vergebene persönliche Identifikationsnummer mindestens einer der Vertragsparteien enthält.“
9. Ziff. 68 der Verordnung sieht vor:
„Möchten Ehegatten oder in nicht ehelicher Lebensgemeinschaft lebende Personen einen im Ausland beglaubigten Ehevertrag oder Lebensgemeinschaftsvertrag oder im Ausland beglaubigte Änderungen eines solchen Vertrags oder Daten über die Beendigung eines solchen Vertrags eintragen lassen, kann jeweils einer von ihnen die in das Register einzutragenden Daten selbst oder durch eine bevollmächtigte Person postalisch oder elektronisch gemäß dem von der registerführenden Stelle vorgegebenen Verfahren übermitteln.“
10. Mit dem Beschluss Nr. 1263 vom 14. Dezember 2022(2 ) wurde die Registerverordnung mit Wirkung zum 1. Januar 2023 geändert, und seit diesem Datum ist die Eintragung eines im Ausland geschlossenen Ehevertrags oder Lebensgemeinschaftsvertrags nicht mehr an die Voraussetzung geknüpft, dass der Vertrag die litauische persönliche Identifikationsnummer mindestens einer der Vertragsparteien enthält.
III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof
11. Die Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens, I. J., ist Unionsbürgerin und im litauischen Melderegister eingetragen(3 ).
12. Im Jahr 2006 haben die Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens und C. B., ein italienischer Staatsangehöriger, in Italien die Ehe geschlossen. Die Eheschließung wurde in das Eheregister einer italienischen Gemeinde eingetragen. Der Auszug aus der Heiratsurkunde enthält einen Vermerk, wonach in der Heiratsurkunde angegeben sei, dass die Ehegatten den Güterstand der Gütertrennung gewählt hätten.
13. Die Eheschließung wurde bei den Standesämtern in Litauen eingetragen.
14. Am 15. Februar 2022 stellte die Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens beim Registerzentrum einen Antrag auf Eintragung einer rechtlichen Tatsache betreffend ihren ehelichen Güterstand (nämlich die Vermögensaufteilung zwischen den Ehegatten, im Folgenden: Vermögensaufteilung) in das Ehevertragsregister.
15. Mit Entscheidung vom 9. März 2022 lehnte das Registerzentrum diesen Antrag ab und stützte sich dabei insbesondere auf die Ziff. 13, 67 und 68 der Registerverordnung. Das Registerzentrum erklärte, dass der von der Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens vorgelegte Auszug aus der Heiratsurkunde als Ehevertrag in das Ehevertragsregister eingetragen werden könne, wenn die Rechtsmittelführerin einen von einem Notar oder einem anderen zuständigen Amtsträger in Italien beglaubigten Nachtrag (Anhang) zur Heiratsurkunde vorlege, in dem die persönliche Identifikationsnummer mindestens eines der Ehegatten angegeben sei. Das Registerzentrum wies ferner darauf hin, dass natürliche Personen keine Übermittler von Daten im Zusammenhang mit einer Vermögensaufteilung sein könnten und die Vermögensaufteilung daher nicht ins Ehevertragsregister eingetragen werden könne.
16. Die Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens reichte eine Kopie einer E‑Mail zu den Akten, aus der hervorgeht, dass sie beim zuständigen Standesamt in Italien die Ausstellung einer Abschrift der Heiratsurkunde beantragt hatte, die ihre auf ihrem Personalausweis angegebene litauische persönliche Identifikationsnummer enthielt, das Standesamt jedoch die Ausstellung mit der Begründung verweigert hatte, dass diese Nummer nicht in den Auszug aus der Heiratsurkunde aufgenommen werden könne, da es sich um eine Angabe handele, die das Standesamt nicht bescheinigen könne. Die Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens legte ferner eine von einem italienischen Notar ausgestellte Bescheinigung vor, wonach gemäß Art. 162 Abs. 2 des Codice civile (Zivilgesetzbuch) die Wahl des Güterstands der Gütertrennung auch in der Heiratsurkunde erklärt werden könne.
17. Gegen die Entscheidung vom 9. März 2022 erhob die Rechtsmittelführerin Klage beim Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius, Litauen). Mit Urteil vom 29. Juni 2022 wies dieses Gericht die Klage als unbegründet ab. In seiner Entscheidung führte es aus, dass die in Ziff. 67 der Registerverordnung genannten Voraussetzungen für die Eintragung eines im Ausland geschlossenen Ehevertrags in das Ehevertragsregister nicht erfüllt seien und insbesondere, dass im Ehevertrag nicht die litauische persönliche Identifikationsnummer mindestens einer der Vertragsparteien angegeben sei.
18. Die Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens legte gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht Litauens), dem vorlegenden Gericht, ein.
19. Dieses Gericht, das in der Besetzung als erweiterte Kammer entschied, ist der Ansicht, dass die Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens in Wirklichkeit nicht die Vermögensaufteilung, sondern ihren Ehevertrag in das Ehevertragsregister eintragen lassen wolle(4 ), und dass dieser Fall in Ziff. 68 der Registerverordnung geregelt sei, wonach einer der Ehegatten die Eintragung eines im Ausland beglaubigten Ehevertrags in das Ehevertragsregister beantragen könne. Das Gericht stellte ferner fest, dass die Eintragung eines im Ausland geschlossenen Vertrags nach Ziff. 67 der Registerverordnung jedoch an die Voraussetzung geknüpft sei, dass der Vertrag die litauische persönliche Identifikationsnummer mindestens einer der Vertragsparteien enthalte.
20. Hierzu stellt das vorlegende Gericht fest, dass nach italienischem Recht der von den Ehegatten gewählte Güterstand in der Heiratsurkunde angegeben werden könne. Der in Italien ausgestellte Auszug aus der Heiratsurkunde der Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens enthalte jedoch nicht die persönlichen Identifikationsnummern der Ehegatten. Das Fehlen dieser Nummern sei zwar kein Hindernis für die Eintragung der Eheschließung bei den Standesämtern in Litauen gewesen, für die Eintragung des von den Ehegatten geschlossenen Ehevertrags in das Ehevertragsregister sei ihre Angabe jedoch erforderlich.
21. Das vorlegende Gericht stellt sich daher die Frage, ob die in der Registerverordnung festgelegte Regelung möglicherweise die Freizügigkeit der Unionsbürger im Sinne von Art. 21 AEUV beschränkt.
22. Unter diesen Umständen hat der Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht Litauens) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 21 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union geschlossener Ehevertrag nicht in das Ehevertragsregister eingetragen werden kann, wenn der Vertrag nicht die litauische persönliche Identifikationsnummer mindestens einer der Vertragsparteien enthält und sich die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem der Ehevertrag geschlossen wurde, unter Umständen wie denen des vorliegenden Falles weigern, einen um die entsprechende Angabe zur persönlichen Identifikation ergänzten Auszug aus diesem Vertrag bereitzustellen?
23. Die litauische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Eine mündliche Verhandlung hat nicht stattgefunden.
IV. Würdigung
A. Zur Zulässigkeit
24. Die litauische Regierung hält das Vorabentscheidungsersuchen für unzulässig. Sie macht geltend, dass die seit dem 1. Januar 2023 geltende Regelung nicht verlange, dass ein im Ausland geschlossener Ehevertrag die litauische persönliche Identifikationsnummer mindestens einer der Vertragsparteien enthalten müsse, um in das Ehevertragsregister eingetragen werden zu können. Damit sei die Vorlagefrage unerheblich, und es sei folglich nicht mehr erforderlich, dass der Gerichtshof über diese Frage entscheide.
25. In Beantwortung eines Auskunftsersuchens des Gerichtshofs hat das vorlegende Gericht ausgeführt, dass das Gericht in der Regel die Rechtmäßigkeit und Begründetheit einer Verwaltungsentscheidung anhand der Sach- und Rechtslage überprüfe, die im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung bestanden habe. Daher sei unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die Änderung der betreffenden Regelung als solche für die Prüfung dieses Falles ohne Bedeutung. Das vorlegende Gericht hat ferner darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens das Rechtsmittel nicht zurückgenommen habe und dass sie nach den dem Gericht vorliegenden Informationen nach dem 1. Januar 2023 keinen erneuten Antrag auf Eintragung gestellt habe. Das vorlegende Gericht sei daher weiterhin verpflichtet, dieses Rechtsmittel zu prüfen und, da dieses u. a. auf die Nichtigerklärung der Entscheidung vom 9. März 2022 gerichtet sei, über die Rechtmäßigkeit und die Begründetheit dieser Verwaltungsentscheidung zu befinden.
26. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es allein Sache des mit dem Ausgangsrechtsstreit befassten nationalen Gerichts ist, die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung und die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen, für die eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit gilt. Der Gerichtshof ist folglich grundsätzlich gehalten, über die ihm vorgelegte Frage zu befinden, wenn sie die Auslegung oder die Gültigkeit einer Vorschrift des Unionsrechts betrifft, es sei denn, dass die erbetene Auslegung offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, dass das Problem hypothetischer Natur ist oder dass der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der Frage erforderlich sind(5 ).
27. Im vorliegenden Fall ist die Frage, die die Auslegung von Art. 21 Abs. 1 AEUV betrifft, in Anbetracht der vom vorlegenden Gericht erteilten Auskünfte für den bei diesem Gericht anhängigen Rechtsstreit erheblich und eine Antwort des Gerichtshofs für das vorlegende Gericht erforderlich, um den Ausgangsrechtsstreit in unionsrechtskonformer Weise zu entscheiden.
28. Vor diesem Hintergrund ist die Vorlagefrage meines Erachtens zulässig.
B. Zur Beantwortung der Vorlagefrage
29. Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 21 Abs. 1 AEUV der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der ein in einem anderen Mitgliedstaat geschlossener Ehevertrag allein deshalb nicht in das im erstgenannten Mitgliedstaat geführte Ehevertragsregister eingetragen werden kann, weil er nicht die vom nationalen Melderegister des erstgenannten Mitgliedstaats vergebene persönliche Identifikationsnummer mindestens einer der Vertragsparteien enthält und die zuständigen Behörden des Staates, in dem der Ehevertrag geschlossen wurde, sich weigern, einen Auszug aus diesem Vertrag, der die betreffende Nummer enthält, bereitzustellen.
30. Um diese Frage zu beantworten, ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die Situation der Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens in den sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts und insbesondere der Vorschriften fällt, die die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit durch einen Unionsbürger regeln. Ist dies zu bejahen, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die Anwendung der fraglichen nationalen Regelung eine Beschränkung der Freizügigkeit der Unionsbürger darstellt und, wenn dies bejaht wird, ob diese Beschränkung gerechtfertigt ist.
1. Zum Anwendungsbereich des Unionsrechts
31. Hintergrund der Vorlagefrage im vorliegenden Fall ist die Regelung eines Mitgliedstaats, nämlich der Republik Litauen, über die Führung eines Ehevertragsregisters.
32. Insoweit ist anzumerken, dass nach dem gegenwärtigen Stand des Unionsrechts die Einrichtung von Ehevertragsregistern und die Vorschriften über deren Führung in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen. Zwar werden Fragen der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands auf Unionsebene durch die Verordnung (EU) 2016/1103(6 ) geregelt, doch ist diese Verordnung auf den Ausgangsrechtsstreit nicht anwendbar, da die Republik Litauen nicht an der auf ihrer Grundlage durchgeführten verstärkten Zusammenarbeit teilnimmt. Darüber hinaus enthält diese Verordnung keine Bestimmungen, die sich unmittelbar auf die Führung von Ehevertragsregistern beziehen. Daraus folgt insbesondere, dass die litauischen Gerichte zur Bestimmung des auf den ehelichen Güterstand anzuwendenden Rechts sowie der Voraussetzungen und Folgen der Eintragung von Eheverträgen in diese Register weiterhin die Kollisionsnormen des litauischen Rechts anwenden, deren Inhalt vom vorlegenden Gericht nicht vorgetragen wurde(7 ).
33. Nach ständiger Rechtsprechung müssen die Mitgliedstaaten, auch wenn die Regelung eines Bereichs in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit gleichwohl das Unionsrecht und insbesondere die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die jedem Unionsbürger zuerkannte Freiheit, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten, beachten(8 ).
34. In diesem Zusammenhang ist erstens daran zu erinnern, dass der Gerichtshof wiederholt festgestellt hat, dass der Unionsbürgerstatus dazu bestimmt ist, der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu sein(9 ), und dass sich ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der in seiner Eigenschaft als Unionsbürger von seinem Recht, sich in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Herkunftsmitgliedstaat frei zu bewegen und aufzuhalten, Gebrauch gemacht hat, auf die mit dieser Eigenschaft verbundenen Rechte, insbesondere die in Art. 21 Abs. 1 AEUV vorgesehenen, berufen kann, und zwar gegebenenfalls auch gegenüber seinem Herkunftsmitgliedstaat(10 ).
35. In Bezug auf die besonderen Rechte, die mit der Unionsbürgerschaft verbunden sind, ist zweitens auch daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung eine nationale Regelung, durch die bestimmte Angehörige eines Mitgliedstaats allein deswegen benachteiligt werden, weil sie von ihrer Freiheit, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben und sich dort aufzuhalten, Gebrauch gemacht haben, eine Beschränkung der Freiheiten darstellt, die Art. 21 Abs. 1 AEUV jedem Unionsbürger zuerkennt(11 ).
36. Im vorliegenden Fall wurde der Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens, einer Unionsbürgerin, nachdem sie von ihrer Freiheit, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben und sich dort aufzuhalten, Gebrauch gemacht hatte, die Eintragung des von ihr in Italien geschlossenen Ehevertrags in das litauische Ehevertragsregister mit der Begründung verweigert, dass der Vertrag nicht die litauische persönliche Identifikationsnummer mindestens eines der Ehegatten enthalte. Es gibt jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass nach litauischem Recht die Angabe dieser Nummer im Ehevertrag eine Voraussetzung für dessen Bestehen oder Gültigkeit ist.
37. Im Übrigen ergibt sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen, dass die Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens, wenn sie ihren Ehevertrag in Litauen geschlossen hätte, keinesfalls verpflichtet gewesen wäre, den Vertrag beim Registerzentrum zum Zweck seiner Eintragung in das in Rede stehende Register einzureichen. In Litauen wird diese Eintragung nämlich auf Antrag des Notars vorgenommen, der die notarielle Urkunde errichtet hat und der dafür verantwortlich ist, die Identität der Vertragsparteien korrekt festzustellen und die nach der Registerverordnung erforderlichen Daten zu übermitteln(12 ).
38. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass zum einen unstreitig ist, dass die Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens ein Interesse daran hat, dass die Angaben zu ihrem ehelichen Güterstand in das litauische Ehevertragsregister eingetragen werden, und dass zum anderen die Weigerung, diese Angaben einzutragen, eine unmittelbare Folge der Anwendung einer Vorschrift des nationalen Rechts war, die ausschließlich auf im Ausland geschlossene Verträge anwendbar ist. Diese Weigerung stand also im Zusammenhang damit, dass die Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens von ihrem Recht, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben und sich dort aufzuhalten, Gebrauch gemacht hatte.
39. Unter diesen Umständen fällt die Situation der Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens meines Erachtens in den Anwendungsbereich von Art. 21 Abs. 1 AEUV.
2. Zur Be schränkung der Freizügigkeit von Unionsbürgern
a) Zu den Ehevertragsregistern
40. Der Gerichtshof hatte bisher noch keine Gelegenheit, Art. 21 Abs. 1 AEUV im Hinblick auf die Bestimmungen des nationalen Rechts über die Führung von Ehevertragsregistern auszulegen.
41. Er hatte jedoch bereits Gelegenheit, diese Vorschrift im Hinblick auf Bestimmungen des nationalen Rechts auszulegen, die sich auf die Eintragung verschiedener Angaben zu der Identität von Personen und ihrem Status in nationale Register beziehen. Der Gerichtshof hat sich insbesondere zur Umschreibung des Nachnamens einer Person(13 ) oder ihrer Geschlechtsidentität(14 ) in Personenstandsurkunden in einem Fall geäußert, in dem es Unterschiede zwischen den Eintragungen dieser Angaben in Registern gab, die in verschiedenen Mitgliedstaaten geführt wurden.
42. In Bezug auf Nachnamen stellte der Gerichtshof u. a. fest, dass die Weigerung der Behörden eines Mitgliedstaats, den Namen eines Unionsbürgers so anzuerkennen und in die Personenstandsregister einzutragen, wie er in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt wurde, geeignet ist, die Ausübung des in Art. 21 AEUV verankerten Rechts, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zu behindern, weil eine Abweichung zwischen den beiden Namen, die für dieselbe Person verwendet werden, zu Missverständnissen und Nachteilen führen kann, da viele alltägliche Handlungen im öffentlichen wie im privaten Bereich den Nachweis der eigenen Identität erfordern(15 ). Dasselbe gilt für die Weigerung der Behörden eines Mitgliedstaats, die Geschlechtsidentität zu ändern und anzuerkennen, die einer ihrer Angehörigen in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig erworben hat(16 ).
43. Es stellt sich somit die Frage, ob die Rechtsprechung des Gerichtshofs, auf die ich vorstehend Bezug genommen habe(17 ), auf den vorliegenden Fall übertragbar ist. Um diese Frage zu beantworten, muss geprüft werden, ob Ehevertragsregister mit Personenstandsregistern oder Melderegistern vergleichbar sind.
44. Zunächst ist festzustellen, dass die rechtlichen Regelungen, die in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten im Bereich des ehelichen Güterstands getroffen wurden, erheblich voneinander abweichen. Die nationalen Rechtsordnungen weisen zwar Ähnlichkeiten auf, doch die einzelnen von ihnen eingeführten Mechanismen unterscheiden sich erheblich(18 ).
45. Während also der Grundsatz, dass die Ehegatten die Möglichkeit haben, einen anderen als den gesetzlichen Güterstand zu wählen, in allen Mitgliedstaaten anerkannt zu sein scheint, können die Regelungen betreffend die Publizität von Eheverträgen, in denen diese Wahl dokumentiert ist, unterschiedlich sein. Insoweit sehen einige Rechtsordnungen die Eintragung von Eheverträgen in ein spezielles, zu diesem Zweck eingerichtetes öffentliches Register vor, andere nicht(19 ). Darüber hinaus lassen einige der erstgenannten Rechtsordnungen die Eintragung von im Ausland geschlossenen Eheverträgen zu(20 ), während andere dies nicht vorsehen(21 ).
46. Die Einrichtung eines öffentlichen Ehevertragsregisters ist untrennbar mit den Vorschriften des nationalen Rechts über die Bestimmung des Eigentümers eines während der Ehe erworbenen Vermögensgegenstands und über die Haftung der Ehegatten für die während der Ehe entstandenen Verpflichtungen verbunden. Wenn eine Rechtsordnung vorsieht, dass die Ehegatten durch den Abschluss eines Ehevertrags von einem gesetzlichen Güterstand abweichen können, sieht sie regelmäßig auch vor, dass dieser Vertrag Dritten gegenüber nur dann Wirkung entfaltet, wenn diese von ihm Kenntnis hatten. Ein Ehevertragsregister ist ein Instrument zur Gewährleistung der Publizität dieser Verträge, das einen wichtigen Beitrag zum Schutz der vermögensrechtlichen Interessen der Ehegatten und allgemein zur Rechtssicherheit leistet. Grundsätzlich bewirkt die Eintragung eines Ehevertrags in ein solches Register nämlich, dass dieser Vertrag Dritten gegenüber Wirkung entfaltet, unabhängig davon, ob diese tatsächlich Kenntnis von seinem Abschluss hatten oder nicht.
47. Dies ist im litauischen Recht der Fall. Wie in Art. 3.103 Abs. 3 des Zivilgesetzbuchs festgelegt ist, entfalten ein Ehevertrag und seine Änderungen Dritten gegenüber nur dann Wirkung, wenn der Vertrag und seine Änderungen in das Ehevertragsregister eingetragen wurden, es sei denn, die Dritten hatten im Zeitpunkt des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts Kenntnis von dem Vertrag und seinen Änderungen. Art. 3.103 des Zivilgesetzbuchs enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Möglichkeit, einen Ehevertrag in das betreffende Register eintragen zu lassen, vom Ort des Vertragsschlusses oder von anderen Umständen abhängig ist, die eine Anknüpfung für die Bestimmung des auf den ehelichen Güterstand anzuwendenden Rechts darstellen können.
48. Daraus folgt, dass nach litauischem Recht die Eintragung eines Ehevertrags in das betreffende Register u. a. bewirkt, dass dieser Vertrag Dritten gegenüber Wirkung entfaltet. Die Eintragung kann somit Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Ehegatten gegenüber Dritten haben.
49. Allerdings ist zu beachten, dass die Bedeutung der Eintragung eines Ehevertrags in das betreffende Register nicht mit der Bedeutung vergleichbar ist, die der Eintragung des Namens oder des Geschlechts einer Person in das nationale Personenstandsregister zukommt. Die Folgen dieser Eintragungen sind unterschiedlicher Natur.
50. Erstens sind Ehevertragsregister keine Quelle für Informationen über den Personenstand, und daher begründet die Tatsache, dass ein Ehevertrag nicht in das betreffende Register eingetragen ist, keine Gefahr von Missverständnissen in Bezug auf die Angaben zum Personenstand; wenn ein Ehevertrag nicht in das Register eingetragen ist, wird davon ausgegangen, dass auf die vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten der gesetzliche Güterstand anzuwenden ist. Zweitens existiert ein solches Register nicht in allen Rechtsordnungen der Union, die für Ehegatten die Möglichkeit vorsehen, einen Ehevertrag zu schließen. Drittens hängt die Gültigkeit eines Ehevertrags regelmäßig nicht von seiner Eintragung in das Ehevertragsregister ab. Viertens und letztens ist zumindest im litauischen Recht die Eintragung eines Ehevertrags in dieses Register nicht die einzige Möglichkeit, sicherzustellen, dass ein Ehevertrag Dritten gegenüber Wirkung entfaltet: Bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts mit einer Person hat die Unterrichtung dieser Person über die Existenz eines Ehevertrags dieselbe Wirkung, wenn auch nur inter partes .
51. Diese Unterschiede machen deutlich, dass die Rechtsprechung zur Eintragung des Namens oder Geschlechts einer Person, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, in die nationalen Personenstandsregister nicht auf die Eintragung von Eheverträgen in Ehevertragsregister übertragbar ist.
52. Das kann jedoch nicht bedeuten, dass die Weigerung, einen in einem anderen Mitgliedstaat geschlossenen Vertrag in das Ehevertragsregister einzutragen, keine Beschränkung des in Art. 21 Abs. 1 AEUV verankerten Rechts, sich in einem anderen Mitgliedstaat frei zu bewegen und aufzuhalten, darstellt.
b) Zu den Auswirkungen der Vorschriften über die Eintragung in das Ehevertragsregister auf das Recht der Unionsbürger auf Freizügigkeit
53. Es ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung eine nationale Regelung, die bestimmte eigene Staatsangehörige allein deswegen benachteiligt, weil sie von ihrer Freiheit, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben und dort aufzuhalten, Gebrauch gemacht haben, eine Beschränkung der Freiheiten darstellt, die Art. 21 Abs. 1 AEUV jedem Unionsbürger zuerkennt(22 ). Der Gerichtshof hat außerdem entschieden, dass die vom AEU-Vertrag eröffneten Erleichterungen der Freizügigkeit und des freien Aufenthalts ihre volle Wirkung nicht entfalten könnten, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats von ihrer Wahrnehmung durch Hindernisse abgehalten werden könnte, die seinem Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat infolge einer Regelung seines Herkunftsstaats entgegenstehen, die Nachteile daran knüpft, dass er von diesen Erleichterungen Gebrauch gemacht hat(23 ).
54. Wie ich bereits ausgeführt habe(24 ), hat nach litauischem Recht die Eintragung eines Ehevertrags in das Ehevertragsregister eine konkrete Rechtswirkung, da sie es den Ehegatten ermöglicht, sicherzustellen, dass dieser Vertrag Dritten gegenüber Wirkung entfaltet, unabhängig davon, ob diese von seinem Abschluss Kenntnis haben oder nicht. Die Verweigerung dieser Eintragung hat daher Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Ehegatten nach litauischem Recht, da sie ihnen die Möglichkeit nimmt, eine Maßnahme des nationalen Rechts in Anspruch zu nehmen, die es ihnen ermöglicht, den Schutz ihrer vermögensrechtlichen Interessen sicherzustellen, und die ihnen allgemein unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit zugutekommt. Die Betroffenen haben somit ein Interesse daran, dass ihre Eheverträge in das betreffende Register eingetragen werden.
55. Zwar sind die Mitgliedstaaten nach dem gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht verpflichtet, Ehevertragsregister einzurichten. Existiert jedoch in einem Mitgliedstaat ein solches Register und sieht die anwendbare Regelung das Recht vor, einen in einem anderen Mitgliedstaat geschlossenen Ehevertrag in dieses Register einzutragen(25 ), so müssen die Voraussetzungen für die Eintragung dieses Vertrags so gestaltet werden, dass die Einhaltung der Bestimmungen des AEU-Vertrags, insbesondere von Art. 21 Abs. 1 AEUV, gewährleistet ist. Andernfalls könnten Personen, die in den persönlichen Anwendungsbereich der betreffenden nationalen Regelung fallen, wie insbesondere Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats, davon abgehalten werden, ihre Rechte aus dem Vertrag betreffend die Freizügigkeit und den freien Aufenthalt wahrzunehmen, aus Angst, die Vorteile einer solchen Eintragung zu verlieren.
56. Daraus folgt, dass die Vorschriften über die Eintragung von in einem anderen Mitgliedstaat geschlossenen Eheverträgen in das betreffende Register Auswirkungen auf die Wahrnehmung des Rechts der Unionsbürger auf Freizügigkeit haben können.
c) Zur Voraussetzung der Angabe der persönlichen Identifikationsnummer
57. In seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung stand das litauische Recht der Eintragung eines im Ausland geschlossenen Ehevertrags in das Ehevertragsregister nicht entgegen, machte diese Eintragung jedoch von der Voraussetzung abhängig, dass ein solcher Vertrag die litauische persönliche Identifikationsnummer mindestens eines der Ehegatten enthielt (im Folgenden: fragliche Voraussetzung).
58. Die fragliche Voraussetzung war für in Litauen geschlossene Eheverträge nicht ausdrücklich vorgesehen. Der Grund dafür liegt darin, dass diese Verträge nach dem nationalen Recht durch eine notarielle Urkunde geschlossen werden, was bedeutet, dass die Überprüfung und höchstwahrscheinlich auch die Angabe der persönlichen Identifikationsnummer in diesen Verträgen durch den Notar erfolgt, der auch für die Eintragung dieser Verträge in das Ehevertragsregister und die Übermittlung der dafür erforderlichen Daten verantwortlich ist. Insoweit scheint es auf den ersten Blick keine Diskriminierung von Personen, die einen Ehevertrag im Ausland schließen, gegenüber Personen, die einen Ehevertrag in Litauen schließen, darzustellen, wenn gefordert wird, dass diese Nummer in den im Ausland geschlossenen Eheverträgen zum Zweck ihrer Eintragung in das Ehevertragsregister angegeben werden muss.
59. Die Erfüllung eines Erfordernisses, das in den Vorschriften eines Mitgliedstaats über die Form einer Urkunde vorgesehen ist, kann sich jedoch als schwierig erweisen, wenn diese Urkunde in einem anderen Mitgliedstaat errichtet wird und somit dem Recht dieses anderen Mitgliedstaats unterliegt, das die Erfüllung dieses Erfordernisses nicht zwingend vorsieht. Es kann nämlich für die Betroffenen kompliziert oder sogar unmöglich sein, von einer Behörde eines anderen Mitgliedstaats zu fordern, dass in eine öffentliche Urkunde, die nach den Vorschriften dieses anderen Mitgliedstaats errichtet wird, Angaben aufgenommen werden, deren Aufnahme in den Vorschriften dieses Mitgliedstaats nicht vorgesehen ist.
60. Genau das ist aber vorliegend der Fall. Zum einen wurde der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Ehevertrag, in dem sich die Ehegatten für den Güterstand der Gütertrennung entschieden haben, durch eine einfache Erklärung geschlossen, die in der Heiratsurkunde eingetragen wurde. Dieser Vertrag hat somit nicht die Form einer notariellen Urkunde, und aus diesem Grund war die Aufnahme einer persönlichen Identifikationsnummer der Ehegatten nicht möglich. Zum anderen war es für das Registerzentrum zwar denkbar, den Güterstand der Gütertrennung auf der Grundlage eines in Italien ausgestellten Auszugs aus der Heiratsurkunde einzutragen, aber nur unter der Bedingung, dass ein von einem Notar oder einem anderen zuständigen italienischen Amtsträger beglaubigter Anhang zur Heiratsurkunde ausgestellt wird, in dem die persönliche Identifikationsnummer angegeben ist. Die Ausstellung eines solchen Anhangs war jedoch nach italienischem Recht nicht möglich.
61. Folglich entsprach die fragliche Voraussetzung zwar einer Voraussetzung, die für in Litauen geschlossene Eheverträge vorgesehen war, konnte aber unter Umständen von Personen, die über eine litauische persönliche Identifikationsnummer verfügten und in einem anderen Mitgliedstaat einen Ehevertrag geschlossen hatten, nicht erfüllt werden, unabhängig vom Willen der Eheleute und den von ihnen unternommenen Schritten. So sah der litauische Gesetzgeber zwar vor, dass Personen, die über eine litauische persönliche Identifikationsnummer verfügten, einen im Ausland geschlossenen Ehevertrag in das Ehevertragsregister eintragen lassen konnten, knüpfte diese Eintragung jedoch an eine Voraussetzung, die unter Umständen objektiv unmöglich zu erfüllen war und die Personen, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hatten, daran hindern konnte, ihren Ehevertrag in das betreffende Register eintragen zu lassen.
62. Da die fragliche Voraussetzung geeignet war, ein Hindernis für die Eintragung eines in einem anderen Mitgliedstaat geschlossenen Ehevertrags in das litauische Ehevertragsregister durch einen Unionsbürger darzustellen, der über eine litauische persönliche Identifikationsnummer verfügte und berechtigt war, diesen Vertrag nach litauischem Recht eintragen zu lassen, bedeutete diese Voraussetzung meines Erachtens eine Beschränkung der durch Art. 21 Abs. 1 AEUV garantierten Freizügigkeit der Unionsbürger.
3. Zur Rechtfertigung der Be schränkung der Freizügigkeit von Unionsbürger n
63. Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Beschränkung der Freizügigkeit der Unionsbürger, die wie im Ausgangsverfahren von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängig ist, gerechtfertigt sein, wenn sie auf objektiven Erwägungen des Allgemeininteresses beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit dem nationalen Recht legitimerweise verfolgten Zweck steht(26 ). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Maßnahme dann verhältnismäßig, wenn sie zur Verwirklichung des verfolgten Ziels geeignet ist und nicht über das hinausgeht, was zu dessen Erreichung notwendig ist(27 ).
a) Zur Bestimmung einer objektiven Erwägung des Allgemeininteresses
64. Zur Rechtfertigung der fraglichen Voraussetzung führt die litauische Regierung aus, dass mit ihr das Ziel verfolgt worden sei, die korrekte Identifizierung der Personen, die einen Ehevertrag geschlossen hätten, sowie die Genauigkeit und Richtigkeit der im Ehevertragsregister enthaltenen Daten zu gewährleisten, die solange als verbindlich gälten, wie sie nicht gerichtlich angefochten würden. Bei den in Litauen geschlossenen Eheverträgen habe dieses Ziel dadurch erreicht werden können, dass diese Verträge von einem Notar aufgesetzt würden, der dafür verantwortlich sei, mit Hilfe einer speziellen Software die erforderlichen Daten an das Ehevertragsregister zu übermitteln. Die Bereitstellung von Daten zu einem im Ausland geschlossenen Ehevertrag, die nicht von einem litauischen Gericht oder Notar in das System übertragen worden seien, habe hingegen der fraglichen Voraussetzung unterlegen, um die Kontrolle der Genauigkeit, der Richtigkeit und der Aussagekraft dieser Daten zu gewährleisten, da dies von einem Notar oder Gericht weder habe überprüft noch sichergestellt werden können.
65. Ich hege durchaus eine gewisse Sympathie für die von der litauischen Regierung vorgebrachte Begründung. Denn unabhängig von der Funktion der verschiedenen öffentlichen Register auf nationaler Ebene besteht ihr Hauptzweck darin, zur Rechtssicherheit beizutragen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es unerlässlich, dass die eingetragenen Daten korrekt sind.
66. Das Ziel, die Genauigkeit, Richtigkeit und Aussagekraft der in einem öffentlichen Register enthaltenen Daten sicherzustellen und zur Gewährleistung der Rechtssicherheit beizutragen, ist daher meines Erachtens geeignet, ein Ziel des Allgemeininteresses darzustellen, das die Existenz der fraglichen Voraussetzung rechtfertigt.
b) Zur Verhältnismäßigkeit
67. Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob die fragliche Voraussetzung in einem angemessenen Verhältnis zu dem legitimerweise verfolgten Ziel stand.
1) Zur Eignung
68. Meines Erachtens war die fragliche Voraussetzung zur Verwirklichung des verfolgten Ziels geeignet.
69. Anders als bei in Litauen geschlossenen Eheverträgen wurde nämlich die persönliche Identifikationsnummer von Personen, die einen Ehevertrag im Ausland geschlossen hatten, nicht vom Notar an das Ehevertragsregister übermittelt. Diese Nummer musste von einem Beamten des Registerzentrums eingetragen werden. Die Angabe dieser Nummer in den im Ausland geschlossenen Eheverträgen ermöglichte auch ihre Eintragung im Register.
70. Unterstellt, dass die Beamten des Registerzentrums befugt waren, auf das nationale Melderegister zuzugreifen, ermöglichte ihnen die persönliche Identifikationsnummer auch, die Genauigkeit und Richtigkeit anderer personenbezogener Daten der betreffenden Person, die im Ehevertrag angegeben waren, zu überprüfen, indem sie die Daten im Register mit den Daten im Ehevertrag verglichen.
71. Daraus folgt, dass die Angabe der persönlichen Identifikationsnummer geeignet war, das Registerzentrum in die Lage zu versetzen, die Richtigkeit und Vollständigkeit der Daten im Ehevertragsregister zu gewährleisten.
72. Somit kann die Eignung der fraglichen Voraussetzung zur Verwirklichung des verfolgten Ziels wohl nicht in Frage gestellt werden.
2) Zur Notwendigkeit
73. Anders verhält es sich bei der Frage nach der Notwendigkeit der fraglichen Voraussetzung.
74. Denn unabhängig von den Vorteilen, die mit der Verwendung persönlicher Identifikationsnummern verbunden sind, ist klar, dass eine solche Nummer nicht die einzige Angabe ist, anhand deren die korrekte Identifizierung der Person, die ihren Ehevertrag in das betreffende Register eintragen lassen möchte, sichergestellt werden kann. Daten wie Vorname, Nachname, Geburtsdatum und ‑ort, gegebenenfalls ergänzt durch die Nummer der Dokumente, die anlässlich des Abschlusses des Ehevertrags verwendet wurden, sind oftmals ausreichend, um Missverständnisse in Bezug auf die Identität der Personen auszuschließen. Somit war im vorliegenden Fall die fragliche Voraussetzung nicht notwendig, um zu überprüfen, ob einer der Ehegatten über eine litauische persönliche Identifikationsnummer verfügte, und um diese Person korrekt zu identifizieren.
75. Zudem wäre es dem litauischen Gesetzgeber möglich gewesen, der Person, die einen Antrag auf Eintragung ihres Ehevertrags stellt, die Möglichkeit einzuräumen, ihre persönliche Identifikationsnummer in einem separaten Dokument, wie z. B. einem Eintragungsformular, zusammen mit einer Kopie ihres Personalausweises anzugeben. Der Vergleich der Daten zur Identifizierung der betroffenen Person, die im Ehevertrag und auf der Kopie des Personalausweises enthalten sind, hätte ausgereicht, um die persönliche Identifikationsnummer, die in das betreffende Register einzutragen war, mit Sicherheit zu bestimmen. Sofern die Beamten des Registerzentrums Zugriff auf das nationale Melderegister hatten, hätte diese Angabe leicht überprüft werden können.
76. Diese Erwägungen werden durch die Eintragung der Heiratsurkunde der Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens bei den litauischen Standesämtern gestützt. Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich nämlich, dass diese Eintragung auf der Grundlage desselben Dokuments vorgenommen wurde, das auch zur Begründung des Antrags auf Eintragung des Ehevertrags in das Ehevertragsregister vorgelegt wurde. Wenn nach nationalem Recht die Angabe der persönlichen Identifikationsnummer für die Zwecke der Eintragung der Heiratsurkunde in das Personenstandsregister nicht zwingend notwendig war, ist schwer nachvollziehbar, warum sie für die Zwecke der Eintragung des Ehevertrags in das Ehevertragsregister zwingend notwendig gewesen sein soll.
77. Entscheidend ist meines Erachtens, dass die Anwendung der fraglichen Voraussetzung das Recht von Personen, die über eine litauische persönliche Identifikationsnummer verfügten, ihren Ehevertrag in das Ehevertragsregister eintragen zu lassen, beschränkt hat, obwohl nach Ziff. 67 der Registerverordnung Personen, die über eine solche Nummer verfügten, das Recht hatten, ihren Ehevertrag eintragen zu lassen. Die Tatsache, dass die Eintragung eines im Ausland geschlossenen Ehevertrags in das Ehevertragsregister nicht von der Voraussetzung abhängig gemacht wurde, dass einer der Ehegatten über eine litauische persönliche Identifikationsnummer verfügte, sondern von der Voraussetzung, dass diese Nummer im Vertrag angegeben war, bewirkte nicht nur, dass der persönliche Anwendungsbereich der fraglichen Regelung auf Personen beschränkt wurde, die über diese Nummer verfügten, sondern auch, dass eine Voraussetzung betreffend den Inhalt der von einer ausländischen Behörde erstellten Urkunde aufgestellt wurde. Da es objektiv unmöglich war, sicherzustellen, dass die ausländischen Behörden diese Voraussetzung beachten würden, war die Eintragung eines im Ausland geschlossenen Ehevertrags in das betreffende Register somit ungewiss und hing vom Wohlwollen dieser Behörden oder von den Formvorschriften des Rechts am Ort des Vertragsschlusses ab.
78. Da die fragliche Voraussetzung bewirkte, dass der Zugang von Personen, die über eine litauische persönliche Identifikationsnummer verfügten, zum Ehevertragsregister beschränkt wurde, ist festzustellen, dass sie über das hinausging, was zur Erreichung des verfolgten Ziels notwendig war.
3) Ergebnis zur Verhältnismäßigkeit
79. Angesichts des Vorstehenden bin ich der Ansicht, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die die fragliche Voraussetzung vorsieht, zur Erreichung des verfolgten Ziels nicht notwendig und somit nicht verhältnismäßig war und dass folglich die Beschränkung der Freizügigkeit der Unionsbürger, die sich aus der Anwendung dieser Voraussetzung ergibt, nicht gerechtfertigt war.
V. Ergebnis
80. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage des Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht Litauens) wie folgt zu beantworten:
Art. 21 Abs. 1 AEUV
ist dahin auszulegen, dass
er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der ein Ehevertrag, den ein Unionsbürger, der von seiner Freiheit, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben und sich dort aufzuhalten, Gebrauch gemacht hat, in diesem anderen Mitgliedstaat geschlossen hat, allein deshalb nicht in das im erstgenannten Mitgliedstaat geführte Ehevertragsregister eingetragen werden kann, weil er nicht die vom nationalen Melderegister dieses erstgenannten Mitgliedstaats vergebene persönliche Identifikationsnummer mindestens einer der Vertragsparteien enthält, obwohl eine dieser Vertragsparteien über eine solche Nummer verfügt.