Vorläufige Fassung
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
DEAN SPIELMANN
vom 22. Mai 2025(1 )
Rechtssache C ‑75/24 P
XH
gegen
Europäische Kommission
„ Rechtsmittel – Öffentlicher Dienst – Beamtin – Angebliches Mobbing während eines Krankheitsurlaubs – Antrag auf Beistand und Entschädigungsantrag – Ablehnung der Anträge “
Einleitung
1. Mit ihrem Rechtsmittel beantragt XH die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 22. November 2023, XH/Kommission (T‑613/21, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2023:739), mit dem dieses ihre Klage auf Aufhebung erstens der Entscheidung D/374/20 der Europäischen Kommission vom 4. Dezember 2020 über die Ablehnung ihres Antrags auf Beistand (im Folgenden: Entscheidung über die Ablehnung des Antrags auf Beistand) und zweitens der Entscheidung Ares(2021) 3466486 der Kommission vom 21. Mai 2021 betreffend die Anrufung des Invaliditätsausschusses (im Folgenden: Entscheidung über die Einleitung eines Invaliditätsverfahrens) einerseits und Ersatz des ihr angeblich entstandenen immateriellen Schadens andererseits sowie auf Verurteilung der Kommission zur Tragung der Kosten abgewiesen hat.
2. Entsprechend dem Ersuchen des Gerichtshofs konzentrieren sich die vorliegenden Schlussanträge auf die Frage der Berücksichtigung von Kontextfaktoren im Rahmen eines auf Mobbingvorwürfen gestützten Antrags auf Beistand gemäß Art. 24 des Statuts der Beamten der Europäischen Union.
Rechtlicher Rahmen
3. Art. 12 des Statuts in der auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbaren Fassung (im Folgenden: Statut) sieht vor, dass sich der Beamte „jeder Handlung und jedes Verhaltens [enthält], die dem Ansehen seines Amtes abträglich sein könnten“.
4. Art. 12a des Statuts hat folgenden Wortlaut:
„(1) Der Beamte enthält sich jeder Form von Mobbing oder sexueller Belästigung.
…
(3) Als ‚Mobbing‘ wird ungebührliches Verhalten bezeichnet, das über einen längeren Zeitraum, wiederholt oder systematisch in Verhaltensweisen, mündlichen oder schriftlichen Äußerungen, Handlungen oder Gesten zum Ausdruck kommt, die vorsätzlich begangen werden und die Persönlichkeit, die Würde oder die physische oder psychische Integrität einer Person angreifen.
…“
5. Art. 24 des Statuts sieht vor:
„Die Union leistet ihren Beamten Beistand, insbesondere beim Vorgehen gegen die Urheber von Drohungen, Beleidigungen, übler Nachrede, Verleumdungen und Anschlägen auf die Person oder das Vermögen, die auf Grund ihrer Dienststellung oder ihres Amtes gegen sie oder ihre Familienangehörigen gerichtet werden.
Sie ersetzt solidarisch den erlittenen Schaden, soweit ihn der Beamte weder vorsätzlich noch grobfahrlässig herbeigeführt hat und soweit er keinen Schadenersatz von dem Urheber erlangen konnte.“
Vorgeschichte des Rechtsstreits
6. Die Rechtsmittelführerin ist eine Beamtin des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF).
7. Bis zum 16. Juni 2020 bekleidete sie eine Stelle als Ermittlerin in der vormals als Referat A bezeichneten Einheit des OLAF. Innerhalb dieses Referats bearbeitete sie als leitende Ermittlerin insbesondere drei laufende Fälle, nämlich die Fälle E, F und G.
8. Am 16. Juni 2020 trat eine interne Neuorganisation des OLAF in Kraft. Infolge dieser Neuorganisation und unter Berücksichtigung der von ihr angegebenen Präferenzen wurde die Rechtsmittelführerin ab diesem Datum einem neuen Referat innerhalb des OLAF, nämlich dem Referat B, zugewiesen.
9. Vom 2. bis zum 22. Juni 2020 war die Rechtsmittelführerin infolge eines ärztlichen Eingriffs im Krankheitsurlaub. Eine Verlängerung dieses Urlaubs wurde für einen zusammenhängenden Zeitraum vom 23. Juni bis zum 31. Oktober 2020 durch Genehmigung im computergestützten Personalverwaltungssystem der Kommission mit der Bezeichnung „Sysper 2“ (im Folgenden: Sysper 2) gewährt, und zwar ein erstes Mal am 23. Juni 2020 für den Zeitraum zwischen diesem Datum und dem 10. Juli 2020, ein zweites Mal am 14. Juli 2020 für den Zeitraum zwischen dem 11. und dem 31. Juli 2020, ein drittes Mal am 4. August 2020 für den Zeitraum zwischen dem 1. und dem 31. August 2020, ein viertes Mal am 1. September 2020 für den Zeitraum zwischen diesem Datum und dem darauffolgenden 30. September und ein fünftes Mal am 1. Oktober 2020 für den Zeitraum zwischen diesem Datum und dem darauffolgenden 31. Oktober.
10. Am 2. Juni 2020 schickte die Rechtsmittelführerin eine E‑Mail an die Mitglieder des Referats A, die eine Zusammenfassung zu Fall E enthielt. In dieser E‑Mail teilte sie mit, dass sie sich im Krankheitsurlaub befinde, vorsorglich und zur Vermeidung von Verzögerungen aber verbunden bleibe und erreichbar sei, was diese drei Fälle betreffe.
11. Am 8. Juni 2020 schickte ein Mitglied des Referats A eine E‑Mail an die Rechtsmittelführerin und die Leiterin des Referats A. Diese E‑Mail betraf die Fälle E, F und G und enthielt Anmerkungen und Vorschläge für die nächsten Schritte. Die Leiterin des Referats A antwortete, dass dieses Mitglied unter Berücksichtigung des Urlaubs der Rechtsmittelführerin die künftige Leiterin des Referats C (im Folgenden: Leiterin des Referats C) konsultieren solle, um zu erfahren, ob sie die fraglichen Fälle vor der Neuorganisation vom 16. Juni 2020 abschließen wolle oder ob sie die für nach diesem Datum vorgesehene Rückkehr der Rechtsmittelführerin aus ihrem Krankheitsurlaub abwarten wolle. Das besagte Mitglied des Referats A schickte eine E‑Mail an die Leiterin des Referats C und setzte die Rechtsmittelführerin und die Leiterin des Referats A in Kopie. Die Rechtsmittelführerin antwortete auf die letztgenannte E‑Mail und erläuterte, sie hoffe, dass alle Fälle unter Berücksichtigung der Neuorganisation des OLAF und ihres Krankheitsurlaubs so schnell wie möglich abgeschlossen werden könnten. Sie wies ferner darauf hin, dass sie trotz ihres Urlaubs offen dafür sei, die endgültigen Vorschläge für die fraglichen Fälle zu erhalten, damit diese zu Ende geführt werden könnten.
12. Ebenfalls am 8. Juni 2020 schickte die Rechtsmittelführerin eine E‑Mail an einen als „Vertrauensperson“ fungierenden Kollegen. In dieser E‑Mail übermittelte die Rechtsmittelführerin ihm den in Nr. 11 der vorliegenden Schlussanträge erwähnten Schriftwechsel und bat ihn um Rat zu ihrer Situation.
13. Am selben Tag schickte die Sekretärin innerhalb des Referats A (im Folgenden: Sekretärin des Referats A) der Rechtsmittelführerin eine E‑Mail betreffend deren Bürowechsel im Zusammenhang mit der in Nr. 8 der vorliegenden Schlussanträge genannten internen Neuorganisation des OLAF. In dieser E‑Mail fragte sie die Rechtsmittelführerin, ob sie es unter Berücksichtigung ihres bis zum 22. Juni 2020 andauernden Krankheitsurlaubs einem Dritten gestatte, sich vor diesem Datum um die Vorbereitung des Umzugs ihrer Sachen zu kümmern. Die Rechtsmittelführerin antwortete noch am selben Tag, dass sie es vorziehe, sich selbst darum zu kümmern.
14. Am 9. Juni 2020 antwortete die Leiterin des Referats C auf die in Nr. 11 der vorliegenden Schlussanträge erwähnten E‑Mails. In ihrer Antwort wies sie darauf hin, dass sie es unter den gegebenen Umständen für sehr schwierig halte, die in Rede stehenden Fälle vor dem 16. Juni 2020 abzuschließen. Sie stellte klar, dass sie den Abschluss von Fall E Mitte Juli für realistisch halte.
15. Am 23. Juni 2020 schickte die Leiterin des Referats C der Rechtsmittelführerin eine E‑Mail, um den Entwurf eines Abschlussberichts im Fall E zu besprechen. In dieser E‑Mail bat sie die Rechtsmittelführerin, sie anzurufen, falls sie verfügbar sei. Noch am selben Tag schickte sie der Rechtsmittelführerin eine Einladung zur Teilnahme an einem Treffen per Videokonferenz für den nächsten Tag, d. h. den 24. Juni 2020. Die Rechtsmittelführerin antwortete auf die E‑Mail am nächsten Tag, dem 24. Juni, und gab an, dass sie noch immer krankgeschrieben sei und die Einladung mit einem Arzttermin zusammenfalle. Am nächsten Tag stehe sie jedoch den ganzen Tag zur Verfügung, um den betreffenden Fall am Telefon zu besprechen.
16. Ebenfalls am 23. Juni 2020 schickte die Rechtsmittelführerin der in Nr. 12 der vorliegenden Schlussanträge erwähnten Vertrauensperson eine E‑Mail, die die Einladung der Leiterin des Referats C zu dem oben in Nr. 15 erwähnten Treffen per Videokonferenz enthielt. In dieser E‑Mail erläuterte sie ihm, dass sie während ihres Krankheitsurlaubs im Krankenhaus gewesen sei und dass die Einladung ihre Fähigkeiten überschreite und vorschriftswidrig sei. Sie bat ihn, „dieses Verhalten als Mobbing zu melden“.
17. Am 30. Juni 2020 schickte die Sekretärin des Referats A der Rechtsmittelführerin eine zweite E‑Mail, um sie zu fragen, ob sie eine Entscheidung über den Umzug ihres Büros getroffen habe.
18. Am 1. Juli 2020 schickte die Leiterin des Referats C der Rechtsmittelführerin zwei E‑Mails, in denen sie ihr Fragen zu Fall E stellte. Die Rechtsmittelführerin antwortete darauf am darauffolgenden 6. Juli.
19. Am 1. August 2020 stellte die Rechtsmittelführerin gemäß den Art. 24, 59 und 60 des Statuts bei der zuständigen Anstellungsbehörde einen Antrag auf Beistand. In ihrem Antrag machte die Rechtsmittelführerin im Wesentlichen geltend, die E‑Mails, die sie während ihres Krankheitsurlaubs erhalten habe, stellten Aufforderungen von Vorgesetzten oder Mitarbeitern des OLAF dar, zu arbeiten oder sich sofort in ihr Büro zu begeben, um den Umzug ihrer Sachen vorzubereiten, was sie als Versuche betrachte, ihren Krankheitsurlaub zu unterbrechen oder zu beenden.
20. Am 26. August 2020 schickte die Leiterin des Referats C der Rechtsmittelführerin eine E‑Mail, die einen neuen Entwurf für einen Abschlussbericht im Fall E enthielt. In dieser E‑Mail fragte die Leiterin des Referats C die Rechtsmittelführerin zum einen, ob sie mit dem Inhalt des Entwurfs einverstanden sei, und zum anderen, ob sie eine Überprüfung beim Europäischen Patentamt (EPA) vornehmen könne. Die Rechtsmittelführerin antwortete ihr, dass sie sich noch im Krankheitsurlaub befinde. In einer zweiten E‑Mail stellte die Leiterin des Referats C klar, dass sie ihre erste E‑Mail geschickt habe, damit sie von der Rechtsmittelführerin nach ihrer Rückkehr bearbeitet werde. Die Rechtsmittelführerin antwortete ihr am darauffolgenden 28. August und führte aus, dass sie es nicht für notwendig halte, ihre Rückkehr abzuwarten, um die fraglichen Berichte fertigstellen zu können.
21. Am 31. August 2020 schickte die Leiterin des Referats C der Rechtsmittelführerin eine E‑Mail und erläuterte ihr, dass sie die drei in Rede stehenden Fälle unter Berücksichtigung der hohen Arbeitsbelastung des betreffenden Untersuchungsteams keinem anderen leitenden Ermittler zuweisen könne und sie daher davon ausgehe, dass die Rechtsmittelführerin diese Fälle nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub wie vereinbart abschließen werde. Noch am selben Tag schickte sie der Rechtsmittelführerin zwei weitere E‑Mails, die einen geänderten Entwurf für einen Abschlussbericht im Fall F bzw. einen neuen Entwurf für einen Abschlussbericht im Fall G enthielten. In diesen beiden E‑Mails stellte sie klar, dass die Rechtsmittelführerin sie erst nach ihrer Rückkehr aus dem Krankheitsurlaub bearbeiten solle.
22. Am 6. September 2020 antwortete die Rechtsmittelführerin, dass ihr Krankheitsurlaub verlängert worden sei und die fraglichen Fälle ohne sie abgeschlossen werden könnten.
23. Am 7. September 2020 unterzeichnete die Rechtsmittelführerin in der Content-Management-Software (OCM) des OLAF elektronisch eine Meldung über das Vorliegen eines Interessenkonflikts in Bezug auf den Fall G.
24. Am 8. September 2020 teilte die Leiterin des Referats C der Rechtsmittelführerin mit, dass sie in zwei der drei in Rede stehenden Fälle einen neuen Ermittler ernannt habe. Darüber hinaus erwähnte sie eine Konsultation, um den dritten Fall, nämlich den in Nr. 23 der vorliegenden Schlussanträge erwähnten Fall G, ohne die Rechtsmittelführerin abzuschließen. Die Leiterin des Referats C bat die Rechtsmittelführerin, ihr die fehlenden Informationen zu diesem dritten Fall zukommen zu lassen, falls sie in der Zwischenzeit aus ihrem Krankheitsurlaub zurückkehre.
25. Am 11. September 2020 erhielt die Rechtsmittelführerin eine E‑Mail von einem Kollegen aus dem Referat C, in der dieser ihr zu ihrem Sieg in einem Fall gratulierte, der vom Gericht behandelt worden war. Am 17. September 2020 erhielt die Rechtsmittelführerin von demselben Kollegen eine weitere E‑Mail, die einen Hyperlink zum Urteil des Gerichts enthielt.
26. Am 18. September 2020 schickte die Leiterin des Referats C der Rechtsmittelführerin eine E‑Mail, in der sie ihr mitteilte, dass sie die in Nr. 23 der vorliegenden Schlussanträge erwähnte Meldung eines Interessenkonflikts gesehen habe. Um eine Entscheidung über diese Meldung treffen zu können, ersuchte sie die Rechtsmittelführerin darüber hinaus um zusätzliche Informationen über den fraglichen Interessenkonflikt. Die Rechtsmittelführerin antwortete auf dieses Ersuchen am darauffolgenden 20. September.
27. Am 25. September 2020 schickte die Leiterin des Referats C der Rechtsmittelführerin eine E‑Mail, um sie darüber zu informieren, dass der Interessenkonflikt akzeptiert werde und sie von ihrem letzten laufenden Fall abgezogen worden sei. Sie stellte daher fest, dass die Rechtsmittelführerin in ihrem Referat keine Fälle mehr habe.
28. Am 28. Oktober 2020 übersandte der Leiter des Referats HR.AMC.5 der Kommission dem Ärztlichen Dienst dieses Organs eine Mitteilung, um die Einleitung eines Invaliditätsverfahrens gegen die Rechtsmittelführerin zu beantragen. Dieser Antrag wurde damit begründet, dass die kumulierten Krankheitsurlaube der Rechtsmittelführerin in der Zeit von November 2017 bis Oktober 2020, d. h. einem Zeitraum von drei Jahren, eine Dauer von zwölf Monaten überschritten hätten.
29. Am 4. Dezember 2020 erließ die zuständige Anstellungsbehörde die in Nr. 19 der vorliegenden Schlussanträge erwähnte Entscheidung über die Ablehnung des Antrags der Rechtsmittelführerin auf Beistand.
30. Am 28. Februar 2021 legte die Rechtsmittelführerin gemäß Art. 90 Abs. 2 des Statuts Beschwerde gegen die Entscheidung über die Ablehnung des Antrags auf Beistand ein.
31. Am 6. Mai 2021 fand eine Videokonferenz zwischen der Rechtsmittelführerin einerseits sowie dem Untersuchungs- und Disziplinaramt (IDOC) und dem Referat HR.E.2 (Beschwerden und Fallbearbeitung) der Kommission andererseits statt. Am 10. Mai 2021 wurde der Rechtsmittelführerin eine Zusammenfassung der von ihr während dieser Videokonferenz vorgebrachten Argumente übermittelt. Am 11. Mai 2021 nahm die Rechtsmittelführerin zu dieser Zusammenfassung Stellung und übermittelte Dokumente.
32. Am 21. Mai 2021 erließ die Generaldirektorin der Generaldirektion Humanressourcen und Sicherheit der Kommission die Entscheidung über die Einleitung eines Invaliditätsverfahrens, mit der sie den Invaliditätsausschuss mit dem Fall der Rechtsmittelführerin befasste und einen Arzt benannte, der die Kommission gemäß Anhang II Art. 7 des Statuts vertreten sollte.
33. Am 31. Mai 2021 legte die Rechtsmittelführerin gemäß Art. 90 Abs. 2 des Statuts Beschwerde gegen die Entscheidung über die Einleitung eines Invaliditätsverfahrens ein.
34. Am 2. Juli 2021 erließ die zuständige Anstellungsbehörde aufgrund des Fehlens eines Anscheinsbeweises für die Behauptungen der Rechtsmittelführerin die Entscheidung R/138/21 über die Zurückweisung ihrer Beschwerde gegen die Entscheidung über die Ablehnung des Antrags auf Beistand (im Folgenden: Entscheidung R/138/21 über die Zurückweisung der Beschwerde). Darüber hinaus lehnte die zuständige Anstellungsbehörde den Antrag auf Entschädigung für den erlittenen Schaden ab.
35. Am 30. September 2021 erließ die zuständige Anstellungsbehörde die Entscheidung R/301/21 über die Zurückweisung ihrer Beschwerde gegen die Entscheidung über die Einleitung eines Invaliditätsverfahrens (im Folgenden: Entscheidung R/301/21 über die Zurückweisung der Beschwerde), mit der sie feststellte, dass die von der Rechtsmittelführerin gegen die Entscheidung über die Einleitung eines Invaliditätsverfahrens eingelegte Beschwerde unzulässig sei.
Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
36. Mit Klageschrift, die am 19. Oktober 2021 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Rechtsmittelführerin beim Gericht Klage nach Art. 270 AEUV auf erstens Aufhebung der Entscheidung der Kommission vom 4. Dezember 2020 über die Ablehnung ihres Antrags auf Beistand und der Entscheidung R/138/21 über die Zurückweisung der diesbezüglichen Beschwerde. Zweitens war ihre Klage auf die Aufhebung der Entscheidung der Kommission vom 21. Mai 2021 über die Einleitung eines Invaliditätsverfahrens und der Entscheidung R/301/21 über die Zurückweisung der diesbezüglichen Beschwerde gerichtet. Die Klage der Rechtsmittelführerin zielte darüber hinaus auf die Verurteilung der Kommission zur Zahlung von 20 000 Euro als Ersatz für den angeblich erlittenen immateriellen Schaden sowie zur Tragung der Kosten ab.
37. Mit dem angefochtenen Urteil wies das Gericht die Klage der Rechtsmittelführerin in vollem Umfang ab.
38. Als Erstes stellte das Gericht fest, dass die Entscheidung über die Einleitung eines Invaliditätsverfahrens keine Handlung war, die den Standpunkt der Kommission endgültig festlegte, sondern eine vorbereitende Handlung für eine endgültige Entscheidung, die am Ende des Invaliditätsverfahrens getroffen wird. Da diese Entscheidung keine die Rechtsmittelführerin beschwerende Maßnahme im Sinne von Art. 90 Abs. 2 des Statuts darstellte, war ihr Aufhebungsantrag daher als unzulässig zurückzuweisen.
39. Als Zweites wies das Gericht den Antrag auf Aufhebung der Entscheidung über die Ablehnung des Antrags auf Beistand als unbegründet zurück.
40. Das Gericht war mit vier Klagegründen befasst.
41. Mit dem ersten Klagegrund wurde ein Verstoß gegen die Art. 12a und 24 des Statuts, die Fürsorgepflicht, die Art. 7 und 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie den Grundsatz der guten Verwaltung geltend gemacht. Der erste Teil dieses Klagegrundes wurde aus der Nichteinhaltung des Grundsatzes hergeleitet, wonach das mutmaßliche Opfer nicht verpflichtet ist, Beweise für Mobbing vorzulegen. Der zweite Teil betraf die Nichtberücksichtigung der von der Rechtsmittelführerin vorgelegten Beweise, konkret ihrer medizinischen Dokumente, durch die zuständige Anstellungsbehörde. Der dritte Teil wurde damit begründet, dass die zuständige Anstellungsbehörde ihre Beurteilung ausschließlich auf die Schlussfolgerungen des mutmaßlichen Mobbers gestützt und sich geweigert habe, ihre Kontroll- und Beistandszuständigkeit auszuüben. Mit dem vierten Teil wurde ein Verstoß gegen Art. 41 der Charta und den Grundsatz der guten Verwaltung unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt.
42. Der zweite Klagegrund war auf einen Verstoß gegen die Art. 12a, 24, 59 und 60 des Statuts gestützt, und die Rechtsmittelführerin hob in diesem Zusammenhang hervor, dass von ihr während ihres Krankheitsurlaubs eine Arbeit mit unerreichbaren Zielen verlangt worden sei.
43. Mit dem dritten Klagegrund sollte beanstandet werden, dass ein Invaliditätsverfahren zu einem Zeitpunkt eingeleitet worden war, zu dem der Krankheitsurlaub der Rechtsmittelführerin angeblich nicht die erforderliche Dauer erreicht hatte.
44. Der vierte Klagegrund war auf die Missachtung ihres Privatlebens und ihrer Gesundheit gestützt.
45. Erstens wies das Gericht den vierten Teil des ersten Klagegrundes als unzulässig, da der Anspruch auf rechtliches Gehör vor der Verwaltung nicht geltend gemacht worden war, jedenfalls aber als unbegründet zurück(2 ).
46. Zweitens prüfte das Gericht den ersten Teil des ersten Klagegrundes betreffend die Beweisführung im Rahmen eines auf angebliches Mobbing gestützten Antrags auf Beistand gemäß Art. 24 des Statuts. In Rn. 78 des angefochtenen Urteils wies das Gericht darauf hin, dass die Verwaltung, wenn sie nach Art. 90 Abs. 1 des Statuts mit einem Antrag auf Beistand im Sinne von Art. 24 dieses Statuts befasst ist, aufgrund der Beistandspflicht mit aller gebotenen Energie eingreifen muss, falls sie es mit einem Vorfall zu tun hat, der mit der Ordnung und Ruhe des Dienstes unvereinbar ist. Außerdem muss sie mit der nach den Umständen des Falles gebotenen Schnelligkeit und Sorgfalt reagieren, um den Sachverhalt zu ermitteln und in Kenntnis der Sachlage daraus die angemessenen Konsequenzen zu ziehen. Zu diesem Zweck reicht es aus, wenn der Beamte oder Bedienstete, der den Schutz seines Organs beansprucht, einen Anscheinsbeweis dafür erbringt, dass die Angriffe, denen er nach eigenen Angaben ausgesetzt ist, tatsächlich stattgefunden haben. Liegt ein solcher Beweis vor, ist es Sache des betreffenden Organs, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, insbesondere eine Verwaltungsuntersuchung durchführen zu lassen, um in Zusammenarbeit mit dem Beschwerdeführer den der Beschwerde zugrunde liegenden Sachverhalt zu ermitteln.
47. In den Rn. 80 und 94 des angefochtenen Urteils stellte das Gericht fest, dass es, wenn die Behauptungen im Antrag auf Beistand, wie im vorliegenden Fall, Mobbing betreffen, in Anbetracht der Definition in Art. 12a Abs. 3 des Statuts Sache des Antragstellers ist, einen Anscheinsbeweis dafür zu erbringen. In den Rn. 82 bis 85 des angefochtenen Urteils wies das Gericht das aus dem Urteil CN/Parlament(3 ) hergeleitete Argument der Rechtsmittelführerin ausdrücklich zurück und hob die besonderen Umstände jenes Urteils hervor, aus dem hervorging, dass das Parlament über zahlreiche andere als die von CN vorgetragenen Gesichtspunkte verfügt hatte, die aufgrund der Fürsorgepflicht hätten berücksichtigt werden müssen. Es entschied, dass die Anstellungsbehörde im vorliegenden Fall rechtsfehlerfrei die Ansicht vertreten hatte, die Rechtsmittelführerin müsse „Gesichtspunkte vortragen, die das Vorhandensein eines Anscheinsbeweises für das Mobbing belegen“(4 ).
48. Drittens wies das Gericht den zweiten und den dritten Teil des ersten Klagegrundes sowie den zweiten und den dritten Klagegrund betreffend die Hinlänglichkeit der zum Nachweis des behaupteten Mobbings vorgelegten Beweise zurück. In den Rn. 94 bis 129 des angefochtenen Urteils entschied es nach einer Prüfung der einzelnen Gesichtspunkte und einer anschließenden gesamtheitlichen Betrachtung dieser Gesichtspunkte, dass „die der zuständigen Anstellungsbehörde zur Kenntnis gebrachten Gesichtspunkte nicht geeignet waren, ernsthafte Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 12a des Statuts aufkommen zu lassen, so dass die Anstellungsbehörde zu Recht davon ausgegangen [war], dass die [Rechtsmittelführerin] keinen Anscheinsbeweis für das Vorliegen des Mobbings erbracht hatte, dem sie nach eigenen Angaben ausgesetzt gewesen war“(5 ).
49. Im Rahmen seiner Ausführungen prüfte das Gericht die Argumente, die erstens aus der Entscheidung über die Einleitung eines Invaliditätsverfahrens, zweitens aus der angeblichen Verpflichtung der Rechtsmittelführerin, während ihres Krankheitsurlaubs zu arbeiten, drittens aus der angeblichen Verpflichtung der Rechtsmittelführerin, sich an ihren Arbeitsplatz zu begeben, um mit ihrem Büro umzuziehen, viertens aus der angeblichen Nichtberücksichtigung der von der Rechtsmittelführerin vorgelegten medizinischen Elemente durch die zuständige Anstellungsbehörde und fünftens aus dem angeblich unangemessenen Verhalten eines Kollegen der Rechtsmittelführerin in Bezug auf einen vom Gericht behandelten Fall hergeleitet wurden, bevor es eine gesamtheitliche Betrachtung der von der Rechtsmittelführerin vorgebrachten Tatsachen vornahm.
50. Nachdem es das aus der Entscheidung über die Einleitung eines Invaliditätsverfahrens hergeleitete erste Argument als neu und damit unzulässig zurückgewiesen hatte(6 ), prüfte das Gericht das zweite Argument, das auf die angebliche Verpflichtung der Rechtsmittelführerin gestützt war, während ihres Krankheitsurlaubs zu arbeiten. Es führte den Inhalt der verschiedenen Schriftwechsel während des Krankheitsurlaubs der Rechtsmittelführerin in den Rn. 99 bis 106 des angefochtenen Urteils auf und analysierte ihn.
51. In diesem Zusammenhang hob das Gericht hervor, dass der Schriftverkehr vom 8. und 9. Juni 2020 keine Aufforderung zur Ausführung einer bestimmten Arbeit enthielt, dass die E‑Mails vom 1. Juli 2020 aus einer Informationsanfrage bestanden, wobei klargestellt wurde, dass die Antwort erst nach der Rückkehr der Rechtsmittelführerin aus dem Krankheitsurlaub erwartet werde, und dass der Schriftverkehr in einem höflichen und respektvollen Ton formuliert war. Zur Anfrage vom 23. Juni 2020 stellte das Gericht fest, dass diese Anfrage bezüglich der Teilnahme an einer Videokonferenz vom Tag nach dem ursprünglich für die Rückkehr der Rechtsmittelführerin aus dem Krankheitsurlaub vorgesehenen Datum datierte und die Leiterin des Referats C noch nichts von der Verlängerung des Urlaubs wusste. In Bezug auf die Anfragen vom 26. und 31. August 2020 hob das Gericht hervor, dass die Ausführung der Arbeit, wie die Leiterin des Referats C klargestellt hatte, erst nach dem Ende des Krankheitsurlaubs der Rechtsmittelführerin verlangt wurde.
52. Vor diesem Hintergrund kam das Gericht zu dem Schluss, dass es zwar grundsätzlich unangemessen ist, einen Beamten oder Bediensteten im Krankheitsurlaub zur Ausführung bestimmter präziser Aufgaben aufzufordern, dass aber im vorliegenden Fall „ein solches Verhalten der Leiterin des Referats C nicht als Mobbing eingestuft werden kann“(7 ).
53. In den Rn. 107 und 108 des angefochtenen Urteils stellte das Gericht ferner fest, dass die Anfrage der Leiterin des Referats C im Zusammenhang mit dem Fall G, was die angebliche Verpflichtung der Rechtsmittelführerin angeht, auch nach deren Meldung eines Interessenkonflikts in Bezug auf diesen Fall zu arbeiten und Zugang zu den Akten zu haben, unangemessen war, ein solches Verhalten für sich allein aber kein Mobbing darstellen kann. Denn zum einen war der Rechtsmittelführerin die Möglichkeit belassen worden, der Anfrage der Leiterin des Referats C nicht nachzukommen, und zum anderen ging aus den Akten nicht hervor, dass diese darauf bestanden hätte, die angeforderten Auskünfte zu erhalten.
54. Schließlich hob das Gericht in Bezug auf das Argument der Rechtsmittelführerin, wonach die zuständige Anstellungsbehörde während ihres Krankheitsurlaubs eine Vertretung hätte vorsehen müssen, hervor, dass die Vorgänge letztlich allesamt ohne ihr Tätigwerden abgeschlossen worden waren und die Verwaltung, da ihr Krankheitsurlaub ursprünglich am 22. Juni 2020 enden sollte, nicht hatte voraussehen können, dass dieser sukzessive bis Ende Oktober 2020 verlängert werden würde(8 ).
55. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die zuständige Anstellungsbehörde keinen Beurteilungsfehler begangen hatte, als sie davon ausgegangen war, dass die untersuchten Tatsachen keinen Anscheinsbeweis für Mobbing darstellten(9 ).
56. Die übrigen von der Rechtsmittelführerin angeführten individuellen Verhaltensweisen wurden vom Gericht, das die Ansicht vertrat, dass sie keinen Anscheinsbeweis für Mobbing darstellten, nacheinander zurückgewiesen. In Rn. 126 des angefochtenen Urteils wies das Gericht auch das Argument der Rechtsmittelführerin zurück, wonach es sich bei den geltend gemachten Verhaltensweisen um ein einheitliches Ganzes handle, das den Tatbestand von Mobbing erfülle. So hob das Gericht in Rn. 127 des angefochtenen Urteils hervor, dass „in einem besonderen Kontext, der insbesondere durch die Neuorganisation des OLAF und die aufeinanderfolgenden Verlängerungen des Krankheitsurlaubs der [Rechtsmittelführerin] gekennzeichnet ist, über die die beschuldigten Personen nicht im Voraus informiert waren“, in Ermangelung eines Anscheinsbeweises „die Behauptung der [Rechtsmittelführerin] nicht genügen kann, um ernsthafte Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass die mutmaßlichen Mobber im Rahmen ein und desselben gemeinschaftlichen Mobbingverhaltens gehandelt haben sollen“.
57. Viertens wies das Gericht den vierten Klagegrund zurück, der auf eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens und des Rechts auf Gesundheit gestützt war(10 ).
58. Als Drittes und Letztes wies das Gericht den Entschädigungsantrag und die beantragten Beweiserhebungen zurück und damit die Klage in vollem Umfang ab(11 ).
Anträge der Parteien
59. Mit Schriftsatz, der am 29. Januar 2024 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat die Rechtsmittelführerin Rechtsmittel gegen das angefochtene Urteil eingelegt, mit dem sie beantragt,
– das angefochtene Urteil aufzuheben,
– die Entscheidung über die Ablehnung des Antrags auf Beistand und die Entscheidung R/138/21 über die Zurückweisung der Beschwerde aufzuheben,
– die Entscheidung über die Einleitung eines Invaliditätsverfahrens und die Entscheidung R/301/21 über die Zurückweisung der Beschwerde aufzuheben,
– den Ersatz des ihr entstandenen Schadens anzuordnen,
– die Kommission zur Erstattung der Kosten im Zusammenhang mit dem vorliegenden Rechtsmittel und dem Verfahren vor dem Gericht zu verurteilen sowie
– für den Fall, dass sich die Aufhebung des angefochtenen Urteils als unmöglich erweist, die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen.
60. Die Kommission beantragt,
– das Rechtsmittel zurückzuweisen und
– der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.
Analyse
61. Zur Stützung ihres Rechtsmittels trägt die Rechtsmittelführerin u. a. vor, das Gericht suggeriere im angefochtenen Urteil eine „allein auf dem Opfer lastende hohe Beweislast“, obwohl Mobbing „subtil und systemisch“ sein könne. Sie beruft sich auf die „kumulative Wirkung des Kontexts“ und die „umfassendere Verpflichtung des Organs [der Union], alle verfügbaren Informationen zu prüfen und das Wohlergehen der Beamten zu schützen“.
62. Die Kommission macht geltend, die Rechtsmittelführerin versuche mit ihren vagen Behauptungen über das Beweisniveau in Wirklichkeit, den Gerichtshof dazu zu bringen, die vom Gericht vorgenommene Tatsachen- und Beweiswürdigung zu revidieren, was nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels falle.
63. Wie ich einleitend erwähnt habe, werden sich die vorliegenden Schlussanträge nach einem Überblick über die geltenden Beweislastregeln auf die Bedeutung von Kontextfaktoren im Rahmen eines Antrags auf Beistand nach Art. 24 des Statuts und sodann auf ihre Berücksichtigung im vorliegenden Fall konzentrieren.
Zur Beweisführung bei einem Antrag auf Beistand im Fall von Mobbingvorwürfen
64. Es sei darauf hingewiesen, dass ein Beamter oder Bediensteter, der der Ansicht ist, dass ein Verhalten eines Vorgesetzten, Kollegen oder Untergebenen gegen die in Art. 12a Abs. 1 des Statuts enthaltene Verpflichtung verstößt, sich jeder Form von Mobbing oder sexueller Belästigung zu enthalten, um den Beistand des Organs im Sinne von Art. 24 des Statuts, der dem diesbezüglichen Schutz der Beamten der Union dient, ersuchen kann.
65. Bei Mobbingvorwürfen besteht die Beistandspflicht insbesondere in der Pflicht der Verwaltung, den Beistandsantrag, in dem Mobbing behauptet wird, ernsthaft, schnell und unter vollständiger Wahrung der Vertraulichkeit zu prüfen und den Antragsteller über die Behandlung seiner Beschwerde zu informieren(12 ).
66. Dazu genügt es, dass der Beamte oder Bedienstete, der die Anstellungsbehörde um Schutz ersucht, einen Anscheinsbeweis dafür erbringt, dass die Angriffe, denen er ausgesetzt zu sein behauptet, wirklich stattgefunden haben.
67. Allerdings kann ein Organ nicht verpflichtet sein, eine Verwaltungsuntersuchung aufgrund bloßer, nicht mit einem Beweis untermauerter Behauptungen durchzuführen. Bei der Prüfung, ob und in welchem Ausmaß sich der geltend gemachte Sachverhalt tatsächlich zugetragen hat, muss das Organ außerdem darauf achten, die Rechte der Personen, die in einem Antrag auf Beistand beschuldigt sind und Gegenstand der Untersuchung sein können, zu wahren(13 ).
68. Wenn die Vorwürfe im Antrag auf Beistand, wie im vorliegenden Fall, Mobbing betreffen, ist es daher Sache des Antragstellers, einen Anscheinsbeweis für dieses Mobbing, d. h. in Anbetracht der Definition in Art. 12a Abs. 3 des Statuts für „ungebührliches Verhalten …, das über einen längeren Zeitraum, wiederholt oder systematisch in Verhaltensweisen, mündlichen oder schriftlichen Äußerungen, Handlungen oder Gesten zum Ausdruck kommt, die vorsätzlich begangen werden und die Persönlichkeit, die Würde oder die physische oder psychische Integrität [des Antragstellers] angreifen“(14 ), zu erbringen.
69. Die Unionsgerichte müssen die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung über die Ablehnung eines Antrags auf Beistand wie der vorliegenden anhand der Gesichtspunkte prüfen, die dem Organ zum Zeitpunkt seiner Entscheidung insbesondere durch den Antragsteller zur Kenntnis gebracht worden sind(15 ).
70. Dies kann bedeuten, dass weitere der Verwaltung zur Verfügung stehende Gesichtspunkte selbst dann berücksichtigt werden müssen, wenn sie nicht vom Antragsteller dargelegt worden sind. So hat das Gericht für den öffentlichen Dienst in dem von der Rechtsmittelführerin angeführten Urteil CN/Parlament entschieden, dass die Verwaltung, wenn sie über andere als die vom Kläger bereitgestellten Informationen verfügt, sämtliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen hat, die für ihre Entscheidung über den Antrag auf Beistand maßgeblich sein könnten(16 ).
71. Daher müssen die Unionsgerichte im Rahmen einer Klage gegen die Ablehnung eines Antrags auf Beistand ermitteln, ob das betreffende Organ in Anbetracht sämtlicher Gesichtspunkte, die für seine Entscheidung über den Antrag auf Beistand maßgeblich sein könnten , unabhängig davon, ob sie vom Kläger stammen oder nicht, gegebenenfalls einen Beurteilungsfehler begangen hat, als es den Beistandsantrag abgelehnt hat, ohne eine Verwaltungsuntersuchung einzuleiten.
72. Außerdem kann Mobbing definitionsgemäß das Ergebnis einer Gesamtheit von unterschiedlichen Verhaltensweisen sein, die für sich allein genommen nicht notwendigerweise Mobbing darstellen würden, die jedoch bei einer gesamtheitlichen Betrachtung unter Berücksichtigung des Kontexts, auch aufgrund ihrer zeitlichen Häufung, als solches angesehen werden könnten. Bei der Prüfung der Frage, ob die von einem Kläger geltend gemachten Verhaltensweisen Mobbing darstellen, sind diese Tatsachen daher sowohl isoliert als auch in ihrer Gesamtheit als Bestandteile eines durch die Verhaltensweisen eines Mitarbeiters gegenüber einem anderen Mitarbeiter geschaffenen globalen Arbeitsumfelds zu prüfen(17 ). Darüber hinaus ist der gesamte relevante tatsächliche Kontext zu berücksichtigen, was Entscheidungen (wie z. B. Beurteilungen oder Entscheidungen, eine Person nicht zu befördern oder sie zu versetzen) umfassen kann, selbst wenn sie nicht rechtzeitig angefochten worden sind(18 ). Die gleiche Logik, alle Umstände sowohl isoliert als auch in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen, gilt im Übrigen auch, wenn das Organ nach Einleitung einer Untersuchung(19 ) oder im Rahmen einer Haftungsklage(20 ) über das Vorliegen von Mobbing entscheidet.
73. Im vorliegenden Fall geht aus dem angefochtenen Urteil hervor, dass das Gericht im Einklang mit diesen Grundsätzen eine solche sorgfältige Beurteilung vorgenommen hat.
74. Im Rahmen seiner Ausführungen hat es nämlich zum einen die von der Rechtsmittelführerin geltend gemachten einzelnen Gesichtspunkte im Zusammenhang mit erstens der Entscheidung über die Einleitung eines Invaliditätsverfahrens, zweitens der auferlegten Verpflichtung, während ihres Krankheitsurlaubs zu arbeiten, drittens der Verpflichtung, sich an ihren Arbeitsplatz zu begeben, um mit ihrem Büro umzuziehen, viertens der Nichtberücksichtigung der von der Rechtsmittelführerin vorgelegten medizinischen Elemente durch die zuständige Anstellungsbehörde und fünftens dem angeblich unangemessenen Verhalten eines Kollegen der Rechtsmittelführerin berücksichtigt(21 ). Zum anderen hat es in den Rn. 126 bis 129 des angefochtenen Urteils eine gesamtheitliche Betrachtung der von der Rechtsmittelführerin vorgebrachten Tatsachen vorgenommen.
75. Daher bin ich keineswegs von der Argumentation der Rechtsmittelführerin überzeugt, wonach das Gericht gegen die im vorliegenden Fall geltenden Beweisregeln verstoßen habe, weil es nicht alle verfügbaren Gesichtspunkte berücksichtigt habe.
Zur Bedeutung von Kontextfaktoren
76. Was insbesondere die im angefochtenen Urteil berücksichtigten Kontextfaktoren betrifft, so hat das Gericht im Wesentlichen u. a. auf eine mangelnde Informationsweitergabe innerhalb der Dienststelle hingewiesen. In den Rn. 105 und 114 dieses Urteils hat es nämlich ausgeführt, dass die Leiterin des Referats C, von der einige der streitigen E‑Mails stammten, nicht über die Verlängerung des Krankheitsurlaubs der Rechtsmittelführerin informiert war.
77. Es stellt sich daher möglicherweise die Frage, welche Bedeutung einem Kontextfaktor wie einer administrativen Störung oder einem behördlichen Versagen – wenn man den vom Gericht im vorliegenden Fall festgestellten Informationsmangel überhaupt als solche(n) bezeichnen kann – im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf Beistand wegen Mobbings beizumessen ist.
78. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass eine Tatsachenwürdigung, die – abgesehen von Verfälschungen oder offensichtlichen Beurteilungsfehlern – allein in die Zuständigkeit des Gerichts fällt, auch die Beurteilung von Kontextfaktoren umfasst. Die Frage, ob bestimmte Arten von Fakten bei der Mobbingprüfung berücksichtigt werden können oder nicht, bzw. nur in einem bestimmten Umfang, stellt nämlich eine Rechtsfrage dar, die vom Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren überprüft werden kann(22 ).
79. Sodann ist daran zu erinnern, dass die Definition von „Mobbing“ im Sinne von Art. 12a Abs. 3 des Statuts auf einen Vorgang verweist, der notwendigerweise Verlaufscharakter hat und wiederholte oder fortgesetzte Vorgehensweisen voraussetzt, die „vorsätzlich“ – im Gegensatz zu „zufällig“ – begangen werden. Um unter den Begriff „Mobbing“ zu fallen, müssen diese Verhaltensweisen, mündlichen oder schriftlichen Äußerungen, Handlungen oder Gesten zudem bewirken, dass die Persönlichkeit, die Würde oder die physische oder psychische Integrität einer Person angegriffen werden(23 ). Demgegenüber wird nicht verlangt, dass die Verhaltensweisen, mündlichen oder schriftlichen Äußerungen, Handlungen oder Gesten mit dem Vorsatz vorgenommen worden sind, die Persönlichkeit, die Würde oder die physische oder psychische Integrität einer Person anzugreifen. Es kann mit anderen Worten Mobbing im Sinne von Art. 12a Abs. 3 des Statuts vorliegen, ohne dass der Mobber durch sein Vorgehen das Opfer in Misskredit bringen oder seine Arbeitsbedingungen absichtlich verschlechtern wollte. Es genügt, dass seine Handlungen, sofern sie willentlich begangen wurden, objektiv derartige Folgen hatten. Der in Art. 12a Abs. 3 des Statuts verwendete Begriff „vorsätzlich“ kann mithin nicht so ausgelegt werden, dass er den Nachweis einer Schädigungsabsicht verlangt, um ein Verhalten als Mobbing einstufen zu können(24 ).
80. Daher ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Definition, dass Mobbing auf ungebührliches Verhalten abzielt, also auf individuelle Verhaltensweisen und nicht auf ein Versagen oder etwaige Störungen des Organs.
81. Allerdings fügen sich dieses Verhalten und diese individuellen Verhaltensweisen in einen Kontext ein, der nicht außer Acht gelassen werden darf und gegebenenfalls für die Feststellung eines Falles von Mobbing unterschiedliche Bedeutung haben kann. Mobbing ist nämlich ein komplexes Problem(25 ), das Ergebnis mehrerer – sowohl endogener (bezogen auf die beteiligten Personen) als auch exogener (bezogen auf das Arbeitsumfeld) – Faktoren sein kann.
82. Ohne alle möglichen Fälle erschöpfend abdecken zu können, kann meines Erachtens insoweit zwischen Kontextfaktoren, die durch das Verhalten des mutmaßlichen Mobbers erzeugt werden und ihm zuzurechnen sind, einerseits, und solchen unterschieden werden, die nichts mit seiner Person zu tun haben und ihm nicht zuzurechnen sind, andererseits(26 ).
83. Beispielsweise kann ein Abteilungsleiter durch seine Persönlichkeit, seinen brutalen Führungsstil oder seine missbräuchlichen organisatorischen Entscheidungen ein „belästigendes“, pathogenes Umfeld in seiner Abteilung schaffen(27 ); in diesem Fall kann der so erzeugte Kontext nicht dazu dienen, seine individuellen Verhaltensweisen zu rechtfertigen. Folglich lässt sich nicht grundsätzlich ausschließen, dass ein solcher Kontextfaktor unter bestimmten Umständen dazu beiträgt, die fraglichen Verhaltensweisen im Rahmen eines Antrags auf Beistand nach Art. 24 des Statuts als Mobbing einzustufen.
84. Demgegenüber können exogene tatsächliche Kontextfaktoren, die einem Abteilungsleiter nicht zuzurechnen sind, wie beispielsweise organisatorische Schwierigkeiten aufgrund von Krankheitsurlauben in einer Abteilung bzw. Umstrukturierung oder administrative Störungen zwar relevante Gesichtspunkte im Rahmen der Beurteilung eines individuellen Verhaltens darstellen, indem sie dieses aufklären, stellen jedoch nicht von vornherein Faktoren dar, die mit einem derartigen Verhalten zusammenhängen und als solche in dessen Einstufung als Mobbing einfließen. So kann die Umstrukturierung einer Abteilung (exogener Faktor, der in das Ermessen(28 ) eines Organs fiele) selbst dann ein „belästigendes“ individuelles Verhalten eines Abteilungsleiters gegenüber einem Mitglied seiner Abteilung beleuchten (das beispielsweise aus Verhaltensweisen oder Handlungen besteht, die in ihrer Gesamtheit Mobbing darstellen), wenn die Umstrukturierung als solche kein Tatbestandsmerkmal für belästigendes Verhalten ist.
85. Im Übrigen ist Gegenstand der zum Schutz der Beamten der Union konzipierten Beistandspflicht gemäß Art. 24 des Statuts die Verteidigung der Beamten und Bediensteten durch ihr Organ gegen Angriffe Dritter und nicht gegen Handlungen des Organs selbst, für deren Überprüfung andere Bestimmungen des Statuts gelten(29 ). In diesem Zusammenhang sollte vermieden werden, dass unter dem Deckmantel des Mobbings in Wirklichkeit z. B. schlechte Arbeitsbedingungen angeprangert werden(30 ). Die Beistandspflicht greift somit nicht, wenn es darum geht, institutionelle Mängel oder Fehlfunktionen, die mit dem fraglichen individuellen Verhalten nichts zu tun haben, als solche zu beheben. Ich möchte hinzufügen, dass diese exogenen Fehlfunktionen durchaus justiziabel sind, da etwaige Schäden mit einer Haftungsklage geltend gemacht werden können, sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt sind(31 ).
86. Folglich stellt ein institutioneller oder administrativer Missstand, der dem mutmaßlichen Mobber nicht zuzurechnen ist, im Rahmen eines Antrags auf Beistand nach Art. 24 des Statuts meines Erachtens einen Kontextfaktor dar, dessen Bedeutung von Fall zu Fall beurteilt werden muss und der bei der Prüfung der etwaigen Missbräuchlichkeit der fraglichen individuellen Handlungen durch das Gericht eine mehr oder weniger wichtige Rolle spielen kann.
Anwendung im vorliegenden Fall
87. Im angefochtenen Urteil hat das Gericht auf der Grundlage verschiedener Gesichtspunkte entschieden, dass die fraglichen individuellen Verhaltensweisen keine hinreichenden Anscheinsbeweise für Mobbing darstellten. Was insbesondere die Anfragen betrifft, die während des Krankheitsurlaubs der Rechtsmittelführerin per E‑Mail an diese gerichtet wurden, so hat das Gericht den Inhalt des Schriftwechsels zwischen den verschiedenen betroffenen Personen (u. a. der Leiterin des Referats C) und der Rechtsmittelführerin berücksichtigt. Wie es festgestellt hat, ging daraus insbesondere hervor, dass die Antworten erst nach der Rückkehr der Rechtsmittelführerin aus dem Krankheitsurlaub erwartet wurden. Das Gericht hat darüber hinaus den Ton dieses Schriftwechsels betrachtet, der „sowohl höflich als auch respektvoll“ war. Außerdem hat es darauf hingewiesen, dass die Leiterin des Referats C nicht über die Verlängerungen des Krankheitsurlaubs der Rechtsmittelführerin informiert war.
88. Die letztgenannte Feststellung des Gerichts zum Informationsdefizit der Leiterin des Referats C wird von der Rechtsmittelführerin bestritten. Diese trägt nämlich vor, sie habe die Leiterin des Referats C informiert.
89. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs aus Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt, dass allein das Gericht zum einen für die Feststellung der Tatsachen – sofern sich nicht aus den Prozessakten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind – und zum anderen für deren Würdigung zuständig ist. Somit ist die Würdigung der Tatsachen, sofern die ihm vorgelegten Beweise nicht verfälscht wurden, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterliegt(32 ).
90. Soweit die Rechtsmittelführerin insoweit eine Verfälschung der Tatsachen geltend macht, bin ich sodann der Ansicht, dass dieses Argument angesichts der E‑Mails, auf die sie sich beruft, um zu behaupten, dass sie die Leiterin des Referats C über die Verlängerungen ihres Krankheitsurlaubs informiert habe, zurückzuweisen ist. Die E‑Mails vom 2. und 30. Juni 2020 waren nämlich an die Mitglieder des Referats A gerichtet, und die übrigen E‑Mails der Rechtsmittelführerin an die Leiterin des Referats C, mit denen sie dieser mitteilt, dass sie immer noch krankgeschrieben sei (und von denen eine vom Tag nach der ersten Verlängerung datiert), belegen in keiner Weise, dass der Empfängerin die besagte Tatsache zum damaligen Zeitpunkt bekannt gewesen wäre. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die E‑Mail der Leiterin des Referats C vom 31. August 2020, in der sie angegeben hat, nicht zu wissen, bis wann die Rechtsmittelführerin krankgeschrieben war, vom Gericht verfälscht worden wäre.
91. Somit hat das Gericht, ohne die Tatsachen zu verfälschen, in Rn. 105 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass „die E‑Mail vom 23. Juni 2020 zu einem Zeitpunkt versendet worden [war], der dem Tag nach dem ursprünglich für das Ende des Krankheitsurlaubs der Rechtsmittelführerin vorgesehenen Datum, d. h. dem voraussichtlichen Zeitpunkt ihrer Rückkehr ins Büro, entsprach. Außerdem [ging] aus mehreren E‑Mails, insbesondere aus einer E‑Mail vom 31. August 2020, hervor, dass die Leiterin des Referats C nicht über die Verlängerungen dieses Krankheitsurlaubs informiert war, da sie nicht die Vorgesetzte der [Rechtsmittelführerin] war. Sie erläutert darin nämlich, dass sie von der Dauer des Krankheitsurlaubs der [Rechtsmittelführerin] erst nach den einzelnen aufeinanderfolgenden Verlängerungen dieses Urlaubs habe Kenntnis nehmen können, da sie nicht Teil des Einsatzreferats der [Rechtsmittelführerin] gewesen sei und keinen Zugang zu deren in Sysper 2 enthaltener Akte gehabt habe. Im Übrigen geht aus den Prozessakten hervor, dass die [Rechtsmittelführerin] ihren Referatsleiter tatsächlich über die aufeinanderfolgenden Verlängerungen informiert hat. Dagegen war die Leiterin des Referats C nicht unter den Empfängern der E‑Mails“.
92. In diesem Stadium der Ausführungen muss ich meine Zweifel am Inhalt der Argumentation der Rechtsmittelführerin äußern. Ich weise darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung aus Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie Art. 168 Abs. 1 Buchst. d und Art. 169 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs hervorgeht, dass in der Rechtsmittelschrift die beanstandeten Teile der Entscheidung, deren Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnet werden müssen; ansonsten ist das Rechtsmittel oder der betreffende Rechtsmittelgrund unzulässig(33 ).
93. Im vorliegenden Fall frage ich mich insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens, ob die Rechtsmittelführerin hinreichend deutlich vorträgt, dass das vom Gericht in Rn. 105 des angefochtenen Urteils festgestellte Informationsdefizit der Leiterin des Referats C eine Störung oder zumindest einen Kontextfaktor darstelle, dessen „kumulative Wirkung“ nicht hinreichend berücksichtigt worden sei, und welche Konsequenzen sie aus einem solchen Argument zöge.
94. Wie dem auch sei: Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Leiterin des Referats C nicht über die Verlängerungen des Krankheitsurlaubs der Rechtsmittelführerin informiert war, hat das Gericht meiner Meinung nach sämtliche zur Last gelegten Verhaltensweisen anhand aller relevanten Gesichtspunkte des vorliegenden Falles geprüft. Nach meiner Einschätzung hat es dabei den verschiedenen ihm zur Verfügung stehenden Gesichtspunkten einzeln und insgesamt den Beweiswert zuerkannt, der ihnen im Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung, die zuvor in den Nrn. 76 bis 86 der vorliegenden Schlussanträge in Erinnerung gerufen worden ist, zukommt.
95. Die diesbezügliche Argumentation der Rechtsmittelführerin, sofern sie zulässig ist, muss meines Erachtens somit zurückgewiesen werden. Die Frage, ob das Fehlen von Informationen über die Verlängerungen des Krankheitsurlaubs einen administrativen Missstand darstellen könnte, der angeblich zu unangemessenen individuellen Verhaltensweisen geführt hat, zieht wiederum die Haftung des betreffenden Organs in Zweifel und scheint mir daher über den Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits betreffend eine Klage auf Aufhebung der Ablehnung eines Antrags auf Beistand hinauszugehen.
Ergebnis
96. In seinem künftigen Urteil wird der Gerichtshof die verschiedenen vorgebrachten Rechtsmittelgründe zu bewerten haben. In Bezug auf die Frage, die Gegenstand der vorliegenden Schlussanträge ist, schlage ich ihm in Anbetracht des Vorstehenden vor, davon auszugehen, dass ein institutioneller oder administrativer Missstand, der dem mutmaßlichen Mobber nicht zuzurechnen ist, im Rahmen eines Antrags auf Beistand nach Art. 24 des Statuts der Beamten der Europäischen Union einen Kontextfaktor darstellt, dessen Bedeutung das Gericht von Fall zu Fall beurteilen muss, was es im vorliegenden Fall getan hat. Die Frage, ob das Informationsdefizit der Leiterin des Referats C auf einen administrativen Missstand zurückzuführen sein könnte, die in die Verantwortung des fraglichen Organs fällt, geht meines Erachtens über den Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels hinaus.