Verhandlungstermin am 31. Juli 2025 um 11:00 Uhr in Sachen I ZR 72/23 (Flughafen Frankfurt-Hahn)
Mitteilung der Pressestelle
Nr. 86/2025
Verhandlungstermin am 31. Juli 2025 um 11:00 Uhr in
Sachen I ZR 72/23 (Flughafen Frankfurt-Hahn)
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die beihilferechtliche Zulässigkeit der Ermäßigung von Flughafenentgelten und der Gewährung von Marketing-Support zu entscheiden.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist die Deutsche Lufthansa AG. Sie hat im Jahr 2006 gegen die Betreibergesellschaft des Flughafens Frankfurt-Hahn Klage erhoben. Deren Gesellschafter waren die Fraport AG und die Länder Rheinland-Pfalz und Hessen. Die Klägerin wendet sich gegen die Konditionen, die die Betreibergesellschaft der Fluggesellschaft Ryanair mit Verträgen aus den Jahren 1999, 2001/2002 und 2005 eingeräumt hatte und die Gegenstand von beihilferechtlichen Prüfverfahren der Europäischen Kommission waren. Sie hält die Ermäßigung von Flughafenentgelten und Gewährung von Marketing-Support für unzulässige staatliche Beihilfen. Nachdem über das Vermögen der Betreibergesellschaft des Flughafens Frankfurt-Hahn im Jahr 2022 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, verlangt die Klägerin von dem nunmehrigen Beklagten, dem Insolvenzverwalter über deren Vermögen, die Rückforderung der Zuwendungen von Ryanair.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Auf die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (vgl. Pressemitteilung Nr. 28/2011 vom 10. Februar 2011). Das Berufungsgericht hat nach einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union die Berufung der Klägerin erneut zurückgewiesen.
Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass der Klägerin die im Wege der Stufenklage geltend gemachten Beseitigungsansprüche gegen den Beklagten zustünden. Zwar könne ein Verstoß gegen das beihilferechtliche Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV Grundlage eines bürgerlichrechtlichen oder wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruchs nach §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB und § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1, §§ 3, 3a UWG sein. Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV sei sowohl ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB als auch eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG. Die Klägerin könne sich auch im nationalen Gerichtsverfahren auf eine Rechtswidrigkeit des Beschlusses der Europäischen Kommission vom 1. Oktober 2014 berufen, mit dem die geprüften Maßnahmen teilweise nicht als Beihilfe qualifiziert und im Übrigen als mit dem Binnenmarkt vereinbar genehmigt worden seien. Von dem verfahrensbeendenden Beschluss der Europäischen Kommission dürfe allerdings nicht ohne Gültigkeitsvorlage nach Art. 267 AEUV abgewichen werden. Die Voraussetzungen für eine solche Gültigkeitsvorlage lägen indes nicht vor. Soweit die Klägerin die Rückführung angeblicher aufgrund des Vertrags aus dem Jahr 2005 in den Jahren 2006 bis 2013 gewährter Beihilfen verlange, sei eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV schon deswegen nicht erforderlich, weil etwaige Beseitigungs- und Rückforderungsansprüche verjährt seien. Hinsichtlich der Verträge aus den Jahren 1999 und 2001/2002 sei eine Gültigkeitsvorlage nicht veranlasst, weil keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Beschlusses der Europäischen Kommission bestünden.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Rückforderungsansprüche weiter.
Vorinstanzen:
LG Bad Kreuznach – Urteil vom 16. Mai 2007 – 2 O 441/06
OLG Koblenz – Urteil vom 25. Februar 2009 – 4 U 759/07
BGH – Urteil vom 10. Februar 2011 – I ZR 136/09 – Flughafen Frankfurt-Hahn
OLG Koblenz – Beschluss vom 30. Mai 2012 – 9 U 759/07
EuGH – Urteil vom 21. November 2013 – C-284/12 – Deutsche Lufthansa
OLG Koblenz – Urteil vom 21. April 2023 – 9 U 759/07
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
Art. 107 Abs. 1 AEUV
(1) Soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.
Art. 108 Abs. 3 AEUV
(3) Die Kommission wird von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig unterrichtet, dass sie sich dazu äußern kann. Ist sie der Auffassung, dass ein derartiges Vorhaben nach Artikel 107 mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist, so leitet sie unverzüglich das in Absatz 2 vorgesehene Verfahren ein. Der betreffende Mitgliedstaat darf die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission einen abschließenden Beschluss erlassen hat.
Art. 267 Abs. 1, Abs. 2 AEUV
(1) Der Gerichtshof der Europäischen Union entscheidet im Wege der Vorabentscheidung
a) über die Auslegung der Verträge,
b) über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union.
(2) Wird eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedstaats gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich, so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen.
§ 3 Abs. 1 UWG
(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
§ 3a UWG
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG
(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. (…)
(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:
1. jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt,
§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. (…)
§ 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen.
Karlsruhe, den 30. April 2025
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501
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