Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Zehnte erweiterte Kammer)
11. Dezember 2024(* )
„ Schiedsklausel – Finanzhilfevereinbarung betreffend das Projekt TTD.EU (‚European Quality Wines: Taste the Difference‘) – Im Binnenmarkt und in Drittländern durchgeführte Informations- und Absatzförderungsmaßnahmen für Agrarerzeugnisse – Aussetzung der Finanzhilfevereinbarung – Betrugsverdacht im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen, die eine andere Finanzhilfevereinbarung betreffen – Vertragliche Haftung “
In der Rechtssache T‑440/22,
Unione Italiana Vini Servizi Soc. coop. arl (UIV Servizi) mit Sitz in Mailand (Italien), vertreten durch Rechtsanwältin B. Bonafini sowie Rechtsanwälte D. Rovetta und V. Villante,
Klägerin,
gegen
Europäische Exekutivagentur für die Forschung (REA), vertreten durch S. Payan-Lagrou und V. Canetti als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt D. Waelbroeck und Rechtsanwältin A. Duron,
Beklagte,
erlässt
DAS GERICHT (Zehnte erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin O. Porchia (Berichterstatterin) sowie der Richter M. Jaeger, L. Madise, P. Nihoul und S. Verschuur,
Kanzler: P. Cullen, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 2024,
aufgrund des Antrags der REA vom 10. September 2024, die Hauptsache für erledigt zu erklären,
aufgrund des Beschlusses, das mündliche Verfahren wiederzueröffnen,
aufgrund der am 14. Oktober 2024 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichten Stellungnahme der Klägerin zu dem Antrag, die Hauptsache für erledigt zu erklären,
aufgrund der Entscheidungen vom 21. Oktober 2024, die Entscheidung über die Erledigung der Hauptsache dem Endurteil vorzubehalten und das mündliche Verfahren abzuschließen,
folgendes
Urteil
1 Die Klägerin, die Unione Italiana Vini Servizi Soc. coop. arl (UIV Servizi), beantragt mit ihrer Klage nach Art. 272 AEUV erstens, festzustellen, dass die Entscheidung der Europäischen Exekutivagentur für die Forschung (REA), die in ihrem Schreiben vom 2. Mai 2022 enthalten ist und mit der die Finanzhilfevereinbarung Nr. 874904 betreffend das Projekt „European Quality Wines: Taste the Difference – TTD.EU“ ausgesetzt wurde (im Folgenden: Schreiben zur Bestätigung der Aussetzung), ungültig ist, zweitens, der REA aufzugeben, die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung aufzuheben, und drittens, die REA zu verurteilen, der Klägerin eine Entschädigung für den materiellen und immateriellen Schaden zu zahlen, der ihr aufgrund der Aussetzung entstanden sein soll.
Sachverhalt
2 Die Klägerin ist ein italienischer Verband, der seit 1895 auf europäischer und internationaler Ebene Unternehmen des italienischen Weinsektors vertritt. Sie bietet Weinfachleuten ein breites Spektrum von Dienstleistungen an, darunter Beratungsdienste in Bezug auf europäische Finanzierungen und Projekte.
3 Am 6. Dezember 2019 schlossen die Klägerin als Koordinatorin und Begünstigte sowie die spanische Vereinigung Organización Interprofesional del vino de España (OIVE) als Begünstigte mit der Exekutivagentur für Verbraucher, Gesundheit, Landwirtschaft und Lebensmittel (Chafea) die Finanzhilfevereinbarung Nr. 874904 über die Durchführung eines Projekts mit der Bezeichnung „European Quality Wines: Taste the Difference – TTD.EU“ zur Förderung der italienischen und spanischen Weine auf den Märkten Chinas und der Vereinigten Staaten (im Folgenden: TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung). Ab dem 1. April 2021 wurde die REA mit der Durchführung der Maßnahmen, für die die Chafea zuständig war, beauftragt.
4 Die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung wurde im Rahmen der Aufforderung vom 15. Januar 2019 zur Einreichung von Vorschlägen für Finanzhilfen für Informations- und Absatzförderungsmaßnahmen für Agrarerzeugnisse im Binnenmarkt und in Drittländern gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1144/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2019, C 18, S. 4) geschlossen.
5 Die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung hatte gemäß ihrem Art. 3 eine Laufzeit von 36 Monaten ab dem 1. März 2020.
6 Mit Schreiben vom 16. April 2020 teilte die OIVE der Klägerin mit, dass sie ihre Beteiligung an der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung mit Wirkung zum 1. März 2020 beenden wolle.
7 Mit Schreiben vom 29. Mai 2020 beantragte die Klägerin bei der Chafea zum einen, in einer Zusatzvereinbarung zur TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung die Kündigung dieser Finanzhilfevereinbarung durch die OIVE festzustellen, und zum anderen, die Promotora d’Exportacions Catalanes, SA (Prodeca) als Begünstigte aufzunehmen. Diese Zusatzvereinbarung wurde am 6. Juli 2020 mit der Chafea geschlossen.
8 Zwischen dem 24. April und dem 1. November 2020 sowie zwischen dem 18. Januar und dem 22. Mai 2021 wurde das Projekt wegen der Covid‑19-Pandemie gemäß Art. 35 der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung ausgesetzt.
9 Im Februar 2021 schloss die Klägerin die Auswahl der Durchführungsstelle ab, die für die Durchführung der Maßnahmen zur Erreichung der Ziele des Projekts, das Gegenstand der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung war, verantwortlich war. Der Vertrag für die Durchführung der Maßnahmen dieses Projekts wurde an die Ópera Business Dreams SLU vergeben.
10 Am 28. Juli 2021 teilte die Klägerin der REA im Teilnehmerportal mit, dass die Guardia di Finanza di Milano (Finanzpolizei Mailand, Italien) am 27. Mai 2021 bei ihr auf der Grundlage eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmeauftrags, den der Staatsanwalt der Italienischen Republik beim Tribunale di Milano (Gericht Mailand, Italien) am 24. Mai 2021 erwirkt habe, eine Prüfung durchgeführt habe. Diese Prüfung sei im Rahmen eines Strafverfahrens durchgeführt worden, das auf nationaler Ebene gegen den Geschäftsleiter der Klägerin, ihren Finanzleiter und ihren externen Berater sowie gegen die Veronafiere SpA wegen Betrugsverdachts eingeleitet worden sei (im Folgenden: strafrechtliche Ermittlungen). Im Übrigen habe sich diese Prüfung, die sich auf die Finanzhilfevereinbarung Nr. 826012 bezogen habe, deren Koordinatorin und Begünstigte die Klägerin sei, nämlich die Vereinbarung „Native Grapes Academy – NGA“ (im Folgenden: NGA-Finanzhilfevereinbarung), auf das Vertragsverhältnis zwischen Veronafiere und der Klägerin und auf das Nebeneinanderbestehen zweier Hauptverträge zwischen diesen beiden Gesellschaften konzentriert.
11 Am 6. August 2021 fand zwischen der Klägerin und der bei der REA für die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung zuständigen Verantwortlichen eine Besprechung per Videokonferenz statt (im Folgenden: Videokonferenz vom 6. August 2021), in der die Klägerin nähere Angaben zu den strafrechtlichen Ermittlungen machte. Nach den Angaben der Klägerin stellte die bei der REA für die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung zuständige Verantwortliche bei dieser Gelegenheit fest, dass sie, da die strafrechtlichen Ermittlungen eine gesonderte Finanzhilfevereinbarung beträfen, nämlich die NGA-Finanzhilfevereinbarung, es nicht für nötig halte, eine Maßnahme betreffend die Durchführung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung zu ergreifen, deren normale Durchführung somit habe fortgesetzt werden können.
12 Im Anschluss an die Videokonferenz vom 6. August 2021 übermittelte die REA dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) die Angaben der Klägerin. Mit Vermerk vom 13. Januar 2022 wurde der REA mitgeteilt, dass das OLAF am 7. Dezember 2021 eine Untersuchung zu Betrugsvorwürfen und anderen Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung der Finanzhilfevereinbarungen eingeleitet habe, die die Klägerin, Veronafiere und andere Stellen mit der Europäischen Union geschlossen hätten, einschließlich der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung (im Folgenden: OLAF‑Untersuchung). Außerdem wurde in diesem Vermerk darauf hingewiesen, dass im Stadium der Einleitung der Untersuchung keine präventiven Verwaltungsmaßnahmen in Betracht gezogen worden seien.
13 Am 27. Januar 2022 beantragte die Europäische Staatsanwaltschaft in Mailand beim Ermittlungsrichter am Tribunale di Milano (Gericht Mailand) eine Verlängerung der Frist für die strafrechtlichen Ermittlungen um sechs Monate.
14 Die REA teilte der Klägerin mit Schreiben vom 23. Februar 2022 (Az. Ares [2022]1381304) (im Folgenden: Vorabinformationsschreiben) ihre Absicht mit, die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung auf der Grundlage ihres Art. 33.2 auszusetzen. In diesem Schreiben führte die REA Folgendes aus:
„[A]ufgrund der erhaltenen Informationen, wonach gegen Ihre Organisation in Italien strafrechtliche Ermittlungen wegen Betrugsverdachts geführt werden, sind wir der Ansicht, dass die Durchführung [der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung] nicht fortgesetzt werden kann und bis zur Klärung der Situation ausgesetzt werden sollte“.
15 Am 22. März 2022 nahm die Klägerin zu dem Vorabinformationsschreiben Stellung. Sie machte insbesondere geltend, dass sie als juristische Person an keinem Strafverfahren beteiligt sei und die von der REA genannten strafrechtlichen Ermittlungen zwei ihrer Beschäftigten beträfen.
16 Mit dem Schreiben zur Bestätigung der Aussetzung bestätigte die REA ihre Absicht, die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung ab dem 8. Mai 2022 auszusetzen, und wies die Ausführungen in der Stellungnahme der Klägerin zurück. Hierbei wies sie insbesondere darauf hin, dass die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung auf ihren Art. 33.2.1 Buchst. a gestützt werde. Nach Auffassung der REA waren nämlich die natürlichen Personen, gegen die die strafrechtlichen Ermittlungen geführt wurden, berechtigt, die Klägerin zu vertreten oder in ihrem Namen zu entscheiden, was die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung gemäß ihrem Art. 33.2.1 Buchst. a rechtfertige. Außerdem führte die REA aus, sie könne, auch wenn die strafrechtlichen Ermittlungen noch andauerten und zurzeit keine Beweise für Unregelmäßigkeiten oder Betrug vorlägen, zum Schutz der finanziellen Interessen der Union die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung im Fall eines Betrugsverdachts aussetzen, wie es in der genannten Bestimmung vorgesehen sei.
17 Mit E‑Mail vom 6. Mai 2022 bat die Klägerin um ein Treffen mit der REA in Brüssel (Belgien), um das Schreiben zur Bestätigung der Aussetzung zu erörtern und zu versuchen, eine gütliche Einigung zu erzielen.
18 Am 24. Mai 2022 wurde im Rahmen der Untersuchung des OLAF (siehe oben, Rn. 12) eine Vor-Ort-Kontrolle in den Räumlichkeiten der Klägerin in Italien durchgeführt, um zu überprüfen, ob sie im Rahmen unionsfinanzierter Projekte, zu denen das Projekt gehörte, das Gegenstand der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung war, Unregelmäßigkeiten begangen hatte.
19 Am 25. Mai 2022 setzte die REA auf der Grundlage von Art. 31.1 Buchst. c der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung die Fälligkeit der Zahlungen aufgrund eines Zweifels an der Förderfähigkeit der in den Jahresabschlüssen angegebenen Kosten, der zusätzliche Kontrollen, Inspektionen, Audits oder Untersuchungen erfordere, aus.
20 Mit E‑Mail vom 30. Mai 2022 lehnte die REA die Bitte der Klägerin um ein Treffen (siehe oben, Rn. 17) ab. Die REA sei, da die Untersuchung des OLAF andauere, nicht in der Lage, konkrete Fragen zu besprechen, die die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung oder die Untersuchung des OLAF selbst beträfen.
21 Am 12. Juli 2022 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.
Sachverhalt und Verfahren nach Klageerhebung
22 Am 12. Juli 2022 beantragte die Europäische Staatsanwaltschaft in Mailand beim Ermittlungsrichter am Tribunale di Verona (Gericht Verona, Italien) die präventive Beschlagnahme eines Betrags in Höhe von 2 085 810,96 Euro bei der Klägerin. Am 13. September 2022 gab der Ermittlungsrichter beim Tribunale di Verona (Gericht Verona) diesem Antrag statt und ordnete die präventive Beschlagnahme des Betrags in Höhe von 2 085 810,96 Euro bei der Klägerin an, sowie, falls sich die Beschlagnahme dieses Betrags als unmöglich erweisen sollte, die Beschlagnahme von Vermögenswerten der Klägerin in Höhe dieses Betrags.
23 Mit Schreiben vom 23. September 2022 stellte die Klägerin beim Tribunale di Verona (Gericht Verona) einen Antrag auf Überprüfung der von diesem Gericht angeordneten präventiven Beschlagnahme.
24 Am 2. Februar 2023 beantragte der Staatsanwalt der Corte dei conti (Rechnungshof, Italien) der Region Lombardei (Italien) eine vorläufige Beschlagnahme der Vermögenswerte und Bankkonten der Klägerin, um die Unionsmittel im Rahmen der NGA-Finanzhilfevereinbarung zu schützen. Der Richter der Corte dei conti (Rechnungshof) der Region Lombardei genehmigte mit dem Beschluss Nr. 2/2023 vom 13. Februar 2023 die Beschlagnahme in Höhe von 2,085 Mio. Euro bis zur Bestätigung oder Änderung des Beschlusses nach einer mündlichen Verhandlung, die für den 16. März 2023 vorgesehen war. Nachdem die Klägerin diesen Betrag am 23. Februar 2023 gezahlt hatte, wurde der Beschluss der Corte dei conti (Rechnungshof) der Region Lombardei über die Beschlagnahme aufgehoben und das Verfahren beendet.
25 Mit einer Antwort auf eine prozessleitende Maßnahme des Gerichts haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass die Untersuchung des OLAF am 12. Dezember 2022 abgeschlossen worden sei. Insoweit haben die Parteien auch ausgeführt, dass das OLAF auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Untersuchung finanzielle Empfehlungen an die REA gerichtet habe, deren Umsetzung in Bezug auf die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht zu Durchführungsmaßnahmen geführt habe.
26 Am 10. September 2024 hat die REA den Antrag gestellt, die Hauptsache für erledigt zu erklären, in dem sie das Gericht darüber informierte, dass die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung aufgehoben worden sei. In diesem Rahmen hat sie ein Schreiben vom 13. Mai 2024 vorgelegt, mit dem sie der Klägerin mitgeteilt habe, dass nach der Analyse der Ergebnisse der Untersuchung des OLAF und dem jüngsten Ergebnis der strafrechtlichen Ermittlungen die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung aufgehoben werden könne.
27 Nach der Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens am 14. Oktober 2024 hat die Klägerin ihre Stellungnahme zum Antrag der REA, die Hauptsache für erledigt zu erklären, eingereicht. In dieser Stellungnahme hat sie zwar bestätigt, dass die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung aufgehoben worden sei und ihre Durchführung wieder aufgenommen worden sei, sich jedoch aus verschiedenen Gründen gegen den genannten Antrag, die Hauptsache für erledigt zu erklären, ausgesprochen.
28 Erstens habe die REA den Antrag, die Hauptsache für erledigt zu erklären, sehr spät gestellt, so dass er als unzulässig zurückzuweisen sei.
29 Zweitens habe die REA zwar „formal“ die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung aufgehoben, nun habe sie aber mitgeteilt, dass ihrer konkreten Umsetzung „technische Hindernisse“ entgegenstünden. Des Weiteren bringt die Klägerin insoweit vor, dass die formale „Reaktivierung“ der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung durch die REA ein Eingeständnis der Fehlerhaftigkeit ihrer ursprünglichen Aussetzung darstelle, zumal sich die Umstände der vorliegenden Rechtssache seit ihrem Beginn nicht geändert hätten.
30 Drittens ist die Klägerin der Auffassung, dass die REA, anstatt beim Gericht den Antrag zu stellen, die Hauptsache für erledigt zu erklären, sie hätte kontaktieren können, um die Wiederaufnahme der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung und ihre Auswirkungen auf die vorliegende Rechtssache zu besprechen. Die REA habe, indem sie gehandelt habe, ohne die Klägerin zuvor zu informieren, bösgläubig gehandelt.
31 Viertens meint die Klägerin, sie habe ein Interesse daran, dass das Gericht über den Schadensersatzantrag und damit über die Frage entscheide, ob die ursprüngliche Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung rechtmäßig gewesen sei. An der Anerkennung der Rechtswidrigkeit der Aussetzung durch das Gericht bestehe für sich genommen ein Rechtsschutzinteresse, sie stelle eine wesentliche Form der Wiedergutmachung in Form der Wiederherstellung des Rufs der Klägerin auf dem Weinmarkt dar.
Anträge der Parteien
32 Die Klägerin beantragt nach dem letzten Stand ihrer Schriftsätze im Wesentlichen,
– festzustellen, dass die im Schreiben zur Bestätigung der Aussetzung enthaltene Entscheidung über die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung ungültig ist;
– der REA aufzugeben, die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung aufzuheben;
– die REA zu verurteilen, Schadensersatz in Höhe von 500 000 Euro an die Klägerin zu zahlen;
– festzustellen, dass der Streitgegenstand fortbesteht;
– der REA die Kosten aufzuerlegen.
33 Die REA beantragt nach dem letzten Stand ihrer Schriftsätze im Wesentlichen,
– festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist;
– hilfsweise, die Klage als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
Zur Schiedsklausel
34 Art. 41.2 Abs. 1 der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung enthält eine Schiedsklausel im Sinne von Art. 272 AEUV, die dem Gericht und, im Rechtsmittelverfahren, dem Gerichtshof eine ausschließliche Zuständigkeit für alle Streitigkeiten über die Auslegung, Anwendung oder Gültigkeit dieser Vereinbarung, die nicht gütlich beigelegt werden können, zuweist.
Zu m anwendbaren Recht
35 Wird das Gericht im Rahmen einer Schiedsklausel nach Art. 272 AEUV angerufen, hat es den Rechtsstreit auf der Grundlage des auf den Vertrag anwendbaren materiellen Rechts zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 1986, Kommission/Zoubek, 426/85, EU:C:1986:501, Rn. 4).
36 Im vorliegenden Fall unterliegt der Vertrag gemäß der Klausel über das anwendbare Recht in Art. 41.1 der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung dem geltenden Unionsrecht, das erforderlichenfalls durch belgisches Recht ergänzt wird.
37 Daraus folgt, dass die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung, wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben, den einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts unterliegt, nämlich u. a. dem AEU-Vertrag und der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 (ABl. 2018, L 193, S. 1) (im Folgenden: Haushaltsordnung).
38 Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union bei der Durchführung eines Vertrags an ihre Verpflichtungen aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts gebunden bleiben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2020, ADR Center/Kommission, C‑584/17 P, EU:C:2020:576, Rn. 86). Wenn sich die Parteien in ihrem Vertrag entschließen, dem Unionsrichter mittels einer Schiedsklausel die Zuständigkeit zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit diesem Vertrag zu übertragen, so wird er demnach unabhängig von dem in diesem Vertrag vereinbarten anwendbaren Recht für die Prüfung etwaiger Verstöße gegen die Charta und gegen allgemeine Grundsätze des Unionsrechts zuständig (Urteil vom 16. Juli 2020, Inclusion Alliance for Europe/Kommission, C‑378/16 P, EU:C:2020:575, Rn. 81).
39 Zudem unterliegt die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung, damit Lücken in den Vertragsbestimmungen oder den einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts geschlossen werden, dem in der Vereinbarung bestimmten nationalen Recht, d. h. vorliegend dem belgischen Recht.
40 Daher sind die Regelungen über die Durchführung und die Auslegung von Verträgen nach belgischem Recht, wie es zur Zeit des Abschlusses und der Durchführung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung galt, darzulegen.
41 Art. 1134 Abs. 1 des belgischen Zivilgesetzbuchs (deutsche Übersetzung veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 3. November 2010, S. 65866) bestimmt, dass „Vereinbarungen, die gesetzlich geschlossen worden sind, … als Gesetz für diejenigen [gelten], die sie getroffen haben“, und in Abs. 2 dieser Bestimmung heißt es, dass „[s]ie … nur mit ihrer gegenseitigen Zustimmung oder aus den vom Gesetz erlaubten Gründen widerrufen werden [können]“.
42 Ferner müssen sie nach Art. 1134 Abs. 3 des belgischen Zivilgesetzbuchs gutgläubig erfüllt werden. Art. 1135 des genannten Gesetzbuchs sieht vor, dass „Vereinbarungen … nicht nur zu dem [verpflichten], was darin ausgedrückt ist, sondern auch zu allen Folgen, die der Verbindlichkeit nach ihrer Art durch Billigkeit, Brauch oder Gesetz zuerkannt werden“.
43 In Bezug auf die Auslegung von Verträgen bestimmt Art. 1156 des belgischen Zivilgesetzbuchs, dass „eher der gemeinsamen Absicht der vertragschließenden Parteien als dem Buchstaben nachgegangen werden [muss]“.
44 Außerdem heißt es in Art. 1157 des belgischen Zivilgesetzbuchs: „Ist eine Klausel doppelsinnig, ist sie eher in dem Sinn zu verstehen, in dem sie eine Wirkung haben kann, als in dem Sinn, in dem sie keine Wirkung hätte.“
45 Schließlich bestimmt Art. 1161 des belgischen Zivilgesetzbuchs, dass „[a]lle Klauseln einer Vereinbarung … sich eine durch die andere erklären [lassen], so dass jede in dem Sinne zu verstehen ist, der aus dem ganzen Rechtsgeschäft hervorgeht“, und nach Art. 1162 des belgischen Zivilgesetzbuchs, der den Grundsatz der Auslegung contra proferentem aufstellt, wird ,,[i]m Zweifel … eine Vereinbarung zum Nachteil desjenigen ausgelegt, der etwas ausbedungen hat, und zu Gunsten desjenigen, der die Verbindlichkeit eingegangen ist“.
Zum ersten Klageantrag, der darauf gerichtet ist, dass das Gericht die Ungültigkeit des Schreibens zur Bestätigung der Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung feststellt
46 Zur Stützung ihres ersten Klageantrags trägt die Klägerin die folgenden vier Klagegründe vor:
– erstens die Rechtswidrigkeit des Schreibens zur Bestätigung der Aussetzung und die fehlerhafte Anwendung von Art. 33.2.1 Buchst. a der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung;
– zweitens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit;
– drittens die Rechtswidrigkeit des Schreibens zur Bestätigung der Aussetzung und die Nichtanwendung von Art. 33.2.1 Buchst. b der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung;
– viertens einen Verstoß gegen den in Art. 41 der Charta verankerten Grundsatz der guten Verwaltung, gegen die allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit sowie gegen die Begründungspflicht nach Art. 296 Abs. 2 AEUV.
47 Vor der Prüfung dieser Klagegründe ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung das Klageinteresse des Klägers im Hinblick auf den Klagegegenstand bei Klageerhebung gegeben sein muss; andernfalls wäre die Klage unzulässig. Ebenso wie das Klageinteresse muss auch der Streitgegenstand bis zum Erlass der gerichtlichen Entscheidung weiter vorliegen – andernfalls ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt –, was voraussetzt, dass die Klage der Partei, die sie erhoben hat, im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (vgl. Urteil vom 7. Juni 2007, Wunenburger/Kommission, C‑362/05 P, EU:C:2007:322, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).
48 Vorliegend ist die Aufhebung der Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung (siehe oben, Rn. 26), die im Übrigen nicht mit einer Rücknahme der Aussetzungsentscheidung gleichzusetzen ist, nicht geeignet, die Klägerin zufriedenzustellen, da diese mit ihrer Klage erreichen möchte, dass das Gericht den Rechtsstreit zwischen ihr und der REA über die Anwendung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung entscheidet und die Ungültigkeit der Entscheidung über die Aussetzung der Vereinbarung feststellt. Da die Durchführung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung nunmehr fortgesetzt werden soll, ist die Klage insbesondere geeignet, der Klägerin insoweit einen Vorteil zu verschaffen, als sie es ermöglicht, die Auslegung von Art. 33.2.1 der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung zu klären und zu verhindern, dass sich der behauptete Verstoß künftig wiederholt.
49 Daher ist der Antrag der REA, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, in Bezug auf den ersten Klageantrag zurückzuweisen.
50 Zunächst sind somit der erste und der dritte Klagegrund gemeinsam zu prüfen, mit denen die Rechtswidrigkeit des Schreibens zur Bestätigung der Aussetzung, die fehlerhafte Anwendung von Art. 33.2.1 Buchst. a der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung und die Nichtanwendung von Art. 33.2.1 Buchst. b der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung geltend gemacht werden.
51 Mit dem ersten und dem dritten Klagegrund bestandet die Klägerin im Wesentlichen, die REA habe gegen Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. i der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung verstoßen, da sie erstens als juristische Person nicht Gegenstand der strafrechtlichen Ermittlungen gewesen sei, die zwei ihrer Beschäftigten, d. h. natürliche Personen, die nicht entscheidungsbefugt gewesen seien, betroffen hätten. Zweitens hätten die beiden natürlichen Personen, die von den strafrechtlichen Ermittlungen betroffen gewesen seien, in Anbetracht dessen, dass sich die strafrechtlichen Ermittlungen zum Zeitpunkt der Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung noch im Vorstadium befunden hätten, nicht als „eines Betrugs verdächtigte Personen“ im Sinne von Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. i der Finanzhilfevereinbarung eingestuft werden können. Drittens habe der Betrugsverdacht nicht die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung, sondern die NGA-Finanzhilfevereinbarung betroffen, so dass die REA die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung auf deren Art. 33.2.1 Buchst. b hätte stützen müssen, der Art. 202 Abs. 2 der Haushaltsordnung entspreche; die Voraussetzungen für seine Anwendung seien jedoch vorliegend nicht erfüllt.
52 Die REA habe hierdurch gegen den in Art. 48 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgelegten Grundsatz der Unschuldsvermutung verstoßen und die maßgeblichen Tatsachen offenkundig falsch beurteilt. Sie habe bei der Durchführung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung auch gegen den Grundsatz von Treu und Glauben sowie gegen die Pflicht zur vorherigen Unterrichtung und zur „Warnung“ nach belgischem Recht verstoßen, so dass im Übrigen aus unionsrechtlicher Sicht ein Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit vorliege. Nach den Ausführungen der Klägerin teilte die REA ihr bei der Videokonferenz vom 6. August 2021 nämlich mit, dass die strafrechtlichen Ermittlungen keine Auswirkungen auf die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung hätten, die daher ohne Schwierigkeiten fortgesetzt werden könne. Anschließend habe die REA beschlossen, ihren Standpunkt unvermittelt und ohne Erklärung zu ändern, ohne die Klägerin hierüber zuvor in Kenntnis zu setzen, und ihr unmittelbar das Vorabinformationsschreiben übermittelt.
53 Die REA tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
54 Als Erstes macht die REA geltend, dass die beiden von den strafrechtlichen Ermittlungen betroffenen Beschäftigten der Klägerin als Geschäftsleiter und Finanzleiter der Klägerin befugt seien, sie zu vertreten oder in ihrem Namen zu entscheiden, und dass Art. 33.2.1 Buchst. a der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung die Möglichkeit vorsehe, diese Vereinbarung wegen des gegenüber natürlichen Personen, die befugt seien, den Begünstigten zu vertreten oder in seinem Namen zu entscheiden, bestehenden Verdachts auf wesentliche Fehler, Unregelmäßigkeiten oder Betrug auszusetzen. Daraus folge, dass der Betrugsverdacht gegen die beiden Beschäftigten der Klägerin die Aussetzung der Finanzhilfevereinbarung gerechtfertigt habe. Im Übrigen ergebe sich aus den Informationen betreffend die Mitteilung vom 12. Dezember 2022 über den Abschluss des Vorstadiums der strafrechtlichen Ermittlungen, dass auch die Klägerin als juristische Person von den strafrechtlichen Ermittlungen betroffen gewesen sei.
55 Als Zweites macht die REA geltend, sie habe entgegen dem Vorbringen der Klägerin die Unschuldsvermutung hinsichtlich der von den strafrechtlichen Ermittlungen betroffenen Beschäftigten beachtet, da sie diese im Rahmen dieser Ermittlungen als „Beschuldigte“ und nicht als „Angeklagte“ angesehen habe.
56 Nach Ansicht der REA ist nämlich im Hinblick auf das italienische Strafprozessrecht zwischen der Situation eines „Beschuldigten“ und der eines „Angeklagten“ zu unterscheiden. Gemäß Art. 60 der italienischen Strafprozessordnung erhalte ein Beschuldigter den Status eines Angeklagten, wenn ihm in einer Anklageschrift eine Straftat zugerechnet werde, nachdem die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren abgeschlossen habe. Vorliegend seien die von den strafrechtlichen Ermittlungen betroffenen Beschäftigten der Klägerin jedoch zum Zeitpunkt der Einleitung des Aussetzungsverfahrens nicht angeklagt gewesen und nicht als „Angeklagte“ im Sinne von Art. 60 der italienischen Strafprozessordnung angesehen worden. Die REA weist darauf hin, dass sie sich im Wesentlichen auf den Umstand gestützt habe, dass die fraglichen Beschäftigten der Klägerin in ihrer Eigenschaft als natürliche Personen, die befugt seien, die Klägerin zu vertreten oder in ihrem Namen zu entscheiden, in Italien Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen gewesen und am 7. Juli 2021 förmlich in das Register der Straftaten eingetragen worden seien, um zu der Feststellung zu gelangen, dass diese Beschäftigten im Sinne von Art. 33.2.1 Buchst. a der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung des Betrugs verdächtigt würden, und daher die Finanzhilfevereinbarung auszusetzen.
57 Des Weiteren solle Art. 33.2.1 Buchst. a der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung die finanziellen Interessen der Union schützen, indem er es gestatte, eine Vereinbarung, mit der einem Begünstigten Finanzhilfen gewährt würden, auszusetzen, wenn dieser Begünstigte einen Betrug begangen habe oder eines Betrugs verdächtigt werde. Mit dieser Bestimmung, die sich in allen Muster-Finanzhilfevereinbarungen finde, werde Art. 131 Abs. 3 der Haushaltsordnung umgesetzt. Nach Auffassung der REA wäre der Zweck der in Art. 33.2.1 Buchst. a der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung vorgesehenen Aussetzung gefährdet, wenn, wie die Klägerin vortrage, der Grundsatz der Unschuldsvermutung es erfordern würde, dass die Aussetzung erst dann stattfinden könne, wenn der Angeklagte von einem Strafgericht für schuldig befunden worden sei.
58 Des Weiteren weist die REA in der Erwiderung darauf hin, dass die von der Klägerin vertretene Auslegung, wonach nur das Projekt ausgesetzt werde könne, in Bezug auf das eine Unregelmäßigkeit oder Betrug geltend gemacht worden sei, weder durch die anwendbaren Vorschriften noch durch die Rechtsprechung gestützt werde. Die strafrechtlichen Ermittlungen wegen Betrugsverdacht hätten zwar die NGA-Finanzhilfevereinbarung betroffen, doch sei die REA davon ausgegangen, dass sich der Verdacht auch auf die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung erstrecken könne.
59 Als Drittes wiederholt die REA das Vorbringen, wonach sie bei der Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung nicht von einer falschen Annahme ausgegangen sei. Es sei erwiesen, dass die beiden von den strafrechtlichen Ermittlungen betroffenen Beschäftigten der Klägerin sowohl zu dem Zeitpunkt, als die REA das Vorabinformationsschreiben versandt habe, als auch zu dem Zeitpunkt, zu dem sie das Schreiben zur Bestätigung der Aussetzung versandt habe, nach italienischem Strafrecht des Betrugs verdächtig gewesen seien.
60 Als Viertes macht die REA zunächst geltend, sie habe die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung im Einklang mit dem durch die Art. 1134 und 1156 des belgischen Zivilgesetzbuchs garantierten Grundsatz von Treu und Glauben angewandt. Sie habe Art. 33.2.2 der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung eingehalten, wonach sie, wenn sie beabsichtige, die Durchführung der Vereinbarung auszusetzen, dem Begünstigten ihre Absicht und die Gründe dafür förmlich mitteilen und ihn auffordern müsse, innerhalb von 30 Tagen nach dieser Mitteilung Stellung dazu nehmen. Sie habe ihre vertraglichen Verpflichtungen dadurch erfüllt, dass sie der Klägerin am 23. Februar 2022 ein Vorabinformationsschreiben übersandt habe, in dem sie ihr unter Angabe von Gründen ihre Absicht mitgeteilt habe, die Vereinbarung auszusetzen, und sie aufgefordert habe, innerhalb der gesetzten Frist Stellung zu nehmen.
61 Sodann fügt die REA hinzu, es treffe zwar tatsächlich zu, dass die Klägerin sie im Juli 2021 entsprechend ihrer Mitteilungspflicht nach Art. 12 der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung über die in Italien geführten strafrechtlichen Ermittlungen informiert habe und dass die bei der REA für die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung zuständige Verantwortliche und die Klägerin an einer Videokonferenz teilgenommen hätten, doch habe die REA in dieser Konferenz keine förmliche Stellungnahme zu den Folgen der strafrechtlichen Ermittlungen abgegeben.
62 Insoweit weist die REA zum einen in der Erwiderung darauf hin, dass sie in Betracht gezogen habe, die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung im Licht der Gesichtspunkte, mit denen sich die strafrechtlichen Ermittlungen befasst hätten, auszusetzen. Die Tatsache, dass sie zum Zeitpunkt des Vorabinformationsschreibens Kenntnis von der Untersuchung des OLAF gehabt habe, sei ohne Bedeutung, da sie zur Geheimhaltung der betreffenden Untersuchungen verpflichtet sei und das Vorabinformationsschreiben nicht auf diese Untersuchung Bezug nehme und nicht mit ihr im Zusammenhang stehe.
63 Zum anderen hat die REA in der mündlichen Verhandlung – in Fortführung ihres Vorbringens in der Klagebeantwortung – geltend gemacht, dass sie, nachdem sie im Januar 2022 über die Einleitung der Untersuchung des OLAF informiert worden sei, die den Verdacht eines von der Klägerin begangenen Betrugs verstärkt habe, die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung in Betracht gezogen habe.
64 Außerdem macht die REA geltend, dass der Klägerin entgegen ihrem Vorbringen durch den Versand des Vorabinformationsschreibens mehrere Monate nach der Videokonferenz vom 6. August 2021 kein schwerer Schaden entstanden sei, da die Klägerin zwischen dem Versand des Vorabinformationsschreibens am 23. Februar 2022 und dem Wirksamwerden der Aussetzung am 7. Mai 2022 Zeit gehabt habe, die Aussetzung vorzubereiten und einen Plan auszuarbeiten, um ihre Folgen abzumildern.
65 Was ferner das Vorbringen betrifft, wonach die REA ein Treffen mit der Klägerin abgelehnt und sich geweigert habe, während des Aussetzungsverfahrens und nach der Aussetzungsentscheidung die Angelegenheit zu prüfen, weist die REA auch darauf hin, dass sie entgegen dem Vorbringen der Klägerin nach dem Beginn des Aussetzungsverfahrens nicht zu einem Treffen mit der Klägerin verpflichtet gewesen sei. Ferner sei die REA nicht berechtigt, Gespräche mit dem Begünstigten einer Finanzhilfevereinbarung zu führen, wenn es eine laufende Untersuchung des OLAF gebe, die diesen Begünstigten betreffe.
66 In Bezug auf das Vorbringen, dass gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit verstoßen worden sein soll, macht die REA geltend, dieses Vorbringen sei unzulässig, und bringt hilfsweise vor, dass sie entgegen dem Vorbringen der Klägerin diese Grundsätze beachtet habe.
67 Was schließlich das Vorbringen betrifft, wonach die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung auf ihren Art. 33.2.1 Buchst. b hätte gestützt werden müssen, der Art. 202 Abs. 2 der Haushaltsordnung widerspiegele, dessen Anwendungsvoraussetzungen jedoch nicht erfüllt seien, hält die REA dieses Vorbringen für gegenstandslos, da vorliegend die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung gemäß ihrem Art. 33.2.1 Buchst. a, der Art. 131 der Haushaltsordnung widerspiegele, ausgesetzt worden sei.
68 Der erste und der dritte Klagegrund werfen im Wesentlichen die Vorfrage auf, ob die REA, wie die Klägerin geltend macht, durch die Entscheidung, die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung auszusetzen, gegen Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. i der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung verstoßen hat.
69 Daher ist Art. 33.2.1 der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung auszulegen, der es der REA ermöglicht, diese auszusetzen.
70 In Art. 33.2.1 der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung heißt es:
„Die Agentur kann die Durchführung der Maßnahme ganz oder teilweise aussetzen, wenn
a) ein Begünstigter (oder eine natürliche Person, die befugt ist, ihn zu vertreten oder in seinem Namen zu entscheiden) Folgendes begangen hat oder ein entsprechender Verdacht besteht:
i) wesentliche Fehler, Unregelmäßigkeiten oder Betrug, oder
ii) eine schwere Pflichtverletzung im Rahmen dieser Vereinbarung oder im Vergabeverfahren (zum Beispiel die Maßnahme nicht ordnungsgemäß durchgeführt, falsche Auskünfte erteilt, verlangte Auskünfte nicht erteilt oder gegen ethische Grundsätze verstoßen hat) oder
b) ein Begünstigter (oder eine natürliche Person, die befugt ist, ihn zu vertreten oder in seinem Namen zu entscheiden) – im Rahmen anderer Finanzhilfen der [Union] oder von Euratom, die ihm unter ähnlichen Bedingungen gewährt wurden – in systemischer oder wiederkehrender Weise Fehler, Unregelmäßigkeiten, Betrug oder schwere Verstöße gegen Pflichten begangen hat, die sich erheblich auf die vorliegende Finanzhilfe auswirken (Ausweitung der Feststellungen, die im Rahmen anderer Finanzhilfen getroffen wurden, auf die vorliegende Finanzhilfe – vgl. Art. 17.5.2).“
71 Vorliegend ist festzustellen, dass die Entscheidung der REA, die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung gemäß deren Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. i auszusetzen, darauf beruhte, dass gegen den Geschäftsleiter und den Finanzleiter der Klägerin wegen Verdachts auf Betrug im Zusammenhang mit der Durchführung einer anderen Finanzhilfevereinbarung als der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung, nämlich der NGA-Finanzhilfevereinbarung, strafrechtliche Ermittlungen geführt wurden.
72 Als Erstes geht aus dem Wortlaut von Art. 33.2.1 Buchst. a der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung hervor, dass die REA die Durchführung dieser Vereinbarung u. a. wegen eines Betrugsverdachts aussetzen kann, der die durch diese Vereinbarung begünstigte Gesellschaft oder „eine natürliche Person, die befugt ist, [sie] zu vertreten oder in [ihrem] Namen zu entscheiden“, betrifft. Daraus folgt, dass, wie die REA zu Recht geltend macht, ein Betrugsverdacht in Bezug auf den Geschäftsleiter und den Finanzleiter der Klägerin grundsätzlich die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung rechtfertigen könnte, da der Geschäftsleiter und der Finanzleiter – wie im vorliegenden Fall – befugt sind, die Klägerin zu vertreten oder in ihrem Namen zu entscheiden.
73 Trotz der Versuche der Klägerin, ihren Geschäftsleiter und ihren Finanzleiter als einfache Beschäftigte ohne Entscheidungsbefugnis darzustellen, geht nämlich aus den Akten hervor, dass es der Finanzleiter der Klägerin war, der sowohl die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung als auch die NGA-Finanzhilfevereinbarung im Namen der Klägerin unterzeichnet hat, und dass es ihr Geschäftsleiter war, der das Schreiben über die vorläufige Auftragsvergabe vom 19. März 2021, mit dem Ópera Business Dreams der Auftrag für die Durchführung der mit der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung verbundenen Maßnahmen erteilt wurde, im Namen der Klägerin unterzeichnet hat.
74 Als Zweites ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. i der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung, dass es, um die Finanzhilfevereinbarung aussetzen zu können, ausreicht, dass der Begünstigte (oder eine natürliche Person, die befugt ist, ihn zu vertreten oder in seinem Namen zu entscheiden) einen wesentlichen Fehler, eine Unregelmäßigkeit oder einen Betrug begangen hat oder „ein entsprechender Verdacht besteht“. Daraus folgt, dass das Vorliegen eines Betrugs oder dessen Nachweis nicht erforderlich ist, damit die REA die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung aussetzen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Dezember 2013, ANKO/Kommission, T‑118/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:641, Rn. 46).
75 Vorliegend ist zu prüfen, ob die REA den Geschäftsleiter und den Finanzleiter der Klägerin mit der Begründung, dass gegen sie strafrechtliche Ermittlungen geführt wurden, als „eines Betrugs verdächtigte Personen“ im Sinne von Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. i der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung einstufen durfte, insbesondere angesichts dessen, dass sich vorliegend zu dem Zeitpunkt, zu dem das Schreiben zur Bestätigung der Aussetzung versandt wurde, die strafrechtlichen Ermittlungen noch in einem Vorstadium befanden.
76 Hierzu trägt die Klägerin vor, dass die REA bei der Auslegung des Begriffs „eines Betrugs verdächtigte Person“ im Sinne von Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. i der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung hätte berücksichtigen müssen, wie dieser Begriff im italienischen Strafrecht angewandt werde, und somit zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, dass die fraglichen Personen nach italienischem Recht nicht aufgrund der strafrechtlichen Ermittlungen als „Verdächtigte“ angesehen werden könnten. Da es sich bei den strafrechtlichen Ermittlungen um eine noch laufende Vorermittlung handele, die noch nicht durch eine Entscheidung, die Rechtssache zur Eröffnung des Hauptverfahrens an das zuständige Gericht zu verweisen, abgeschlossen sei, habe die REA die fraglichen Personen nämlich nicht als eines Betrugs verdächtigte Personen einstufen können. Gemäß Art. 60 der italienischen Strafprozessordnung könne der Betroffene erst dann, wenn die Staatsanwaltschaft die Vorermittlungen abgeschlossen und entschieden habe, die Eröffnung des Hauptverfahrens zu beantragen, förmlich als „angeklagt“ und damit als „eines Betrugs verdächtigt“ angesehen werden.
77 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. i der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung allgemein auf den Verdacht bezieht, dass „wesentliche Fehler, Unregelmäßigkeiten oder Betrug“ begangen wurden, ohne den Ursprung oder die Quelle eines solchen Verdachts näher zu bestimmen. Somit kann das Vorliegen strafrechtlicher Ermittlungen wegen Betrugsverdacht, die gegen die beiden natürlichen Personen geführt werden, die befugt sind, die Klägerin zu vertreten oder in ihrem Namen zu entscheiden, einen „Betrugsverdacht“ im Sinne von Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. i der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung begründen.
78 Ohne auf die Relevanz und die Tragweite von Art. 60 der italienischen Strafprozessordnung für die Auslegung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung einzugehen, kann diese Feststellung im Übrigen nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass sich diese strafrechtlichen Ermittlungen zum Zeitpunkt der Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung nach dem von der Klägerin vertretenen Verständnis des italienischen Strafrechts in einem Vorstadium befanden.
79 Nach dieser Klarstellung ist zu prüfen, ob die REA vorliegend die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung gemäß deren Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. i aussetzen konnte, obwohl sich der Betrugsverdacht gegen den Geschäftsleiter und den Finanzleiter der Klägerin aus strafrechtlichen Ermittlungen ergab, die eine andere Finanzhilfevereinbarung als die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung, nämlich die NGA-Finanzhilfevereinbarung, betrafen.
80 Insoweit streiten die Parteien über die Auslegung von Art. 33.2.1 der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung und insbesondere über den Unterschied zwischen Buchst. a und Buchst. b dieses Artikels.
81 Die REA hat nämlich, als sie hierzu in der mündlichen Verhandlung befragt wurde, im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung nach ihrem Art. 33.2.1 Buchst. b dann gerechtfertigt sei, wenn festgestellt werde, dass ein Betrug im Rahmen anderer Vereinbarungen „begangen“ worden sei, dass Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. i aber die Möglichkeit einräume, die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung bei bloßem „Betrugsverdacht“ auszusetzen. Da der Wortlaut von Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. i der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung nicht auf diese Vereinbarung Bezug nehme, könne zudem ein Betrugsverdacht betreffend die Durchführung anderer Finanzhilfevereinbarungen als ein Betrugsverdacht eingestuft werden, der die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung im Sinne dieser Bestimmung rechtfertigen könne. Hätte der Verfasser dieser Vereinbarung nämlich die Möglichkeit ihrer Aussetzung nur auf den Fall eines Betrugsverdachts im Zusammenhang mit der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung beschränken wollen, hätte er dies, wie er es in Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. ii der Finanzhilfevereinbarung getan habe, klargestellt.
82 Demgegenüber vertritt die Klägerin die Auffassung, Art. 33.2.1 der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung sei dahin auszulegen, dass Buchst. a ihre Aussetzung nur bei einem Betrugsverdacht im Zusammenhang mit der Durchführung dieser Vereinbarung rechtfertige, während Buchst. b ihre Aussetzung ermögliche, wenn ein Betrug im Rahmen anderer Vereinbarungen begangen worden sei. Träfe die von der REA vertretene Auslegung zu, bestünde außerdem kein Unterschied zwischen Art. 33.2.1 Buchst. a und Art. 33.2.1 Buchst. b der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung.
83 Insoweit ist hinsichtlich der Auslegung von Art. 33.2.1 der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung darauf hinzuweisen, dass nach Art. 1156 des belgischen Zivilgesetzbuchs bei der Auslegung einer Vereinbarung „eher der gemeinsamen Absicht der vertragschließenden Parteien als dem Buchstaben nachgegangen werden“ muss.
84 Außerdem kann die REA die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung gemäß ihrem Art. 33.2.1 Buchst. a sowohl dann aussetzen, wenn der Begünstigte einen Betrug „begangen hat“, als auch dann, wenn „ein entsprechender Verdacht besteht“.
85 Zwar enthält, wie die REA darlegt, der Wortlaut von Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. i der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung keine Bezugnahme auf diese Vereinbarung, so dass ein Betrugsverdacht betreffend die Durchführung einer anderen Finanzhilfevereinbarung die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung rechtfertigen könnte.
86 Jedoch ist zum einen darauf hinzuweisen, dass Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. ii der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung auf diese Vereinbarung Bezug nimmt, und zum anderen darauf, dass die REA die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung nach ihrem Art. 33.2.1 Buchst. b aussetzen kann, wenn ihr Begünstigter „im Rahmen anderer Finanzhilfen der [Union] oder von Euratom, die ihm unter ähnlichen Bedingungen gewährt wurden … [einen] Betrug … begangen hat“.
87 So lässt eine Gesamtbetrachtung von Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. i und ii sowie Buchst. b der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung gemäß Art. 1161 des belgischen Zivilgesetzbuchs, wonach „[a]lle Klauseln einer Vereinbarung … sich eine durch die andere erklären [lassen], so dass jede in dem Sinne zu verstehen ist, der aus dem ganzen Rechtsgeschäft hervorgeht“, den Schluss zu, dass die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung nach ihrem Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. i gerechtfertigt ist, wenn der Begünstigte (oder eine natürliche Person, die befugt ist, ihn zu vertreten oder in seinem Namen zu entscheiden) im Rahmen der Durchführung dieser Vereinbarung einen Betrug begangen hat oder eines Betrugs verdächtigt wird. Dagegen erlaubt Art. 33.2.1 Buchst. b der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung deren Aussetzung, wenn der Begünstigte (oder eine natürliche Person, die befugt ist, ihn zu vertreten oder in seinem Namen zu entscheiden) bei der Durchführung einer anderen Vereinbarung einen Betrug begangen hat, sofern nachgewiesen wird, dass der Betrug erhebliche Auswirkungen auf die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung hat.
88 Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass diese Auslegung es entsprechend Art. 1157 des belgischen Zivilgesetzbuchs (siehe oben, Rn. 44) ermöglicht, Art. 33.2.1 Buchst. b der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung praktische Wirksamkeit zu verleihen.
89 Wie die Klägerin nämlich zu Recht geltend macht, läuft die von der REA vorgeschlagene Auslegung von Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. i der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung (siehe oben, Rn. 81) darauf hinaus, die Bestimmung in Art. 33.2.1 Buchst. b der Vereinbarung bedeutungslos zu machen, da der Fall, dass die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung wegen eines im Rahmen einer anderen Finanzhilfevereinbarung begangenen Betrugs ausgesetzt wird – nach der Auslegung der REA – bereits in Art. 33.2.1 Buchst. a vorgesehen sein könnte, so dass die Regelung in Art. 33.2.1 Buchst. b nicht erforderlich gewesen wäre.
90 Zum anderen steht diese Auslegung mit dem in Art. 1162 des belgischen Zivilgesetzbuchs verankerten Grundsatz der Auslegung contra proferentem im Einklang, wonach „[i]m Zweifel … eine Vereinbarung zum Nachteil desjenigen ausgelegt [wird], der etwas ausbedungen hat, und zu Gunsten desjenigen, der die Verbindlichkeit eingegangen ist“. Folglich ist Art. 33.2.1 Buchst. a der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung zum Nachteil der REA, die sie ausbedungen hat, und zugunsten der Klägerin, die sie eingegangen ist, auszulegen.
91 Folglich ist festzustellen, dass der bloße Betrugsverdacht betreffend die Durchführung einer anderen Vereinbarung als der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung, an der die Klägerin beteiligt war, nicht als Betrugsverdacht im Sinne von Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. i der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung eingeordnet werden kann, mit dem die Aussetzung dieser Vereinbarung gerechtfertigt werden kann.
92 Des Weiteren hätte, wie oben in Rn. 87 ausgeführt, ein Betrug bei der Durchführung einer anderen Finanzhilfevereinbarung als der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung die Aussetzung der Letzteren rechtfertigen können, wenn die in ihrem Art. 33.2.1 Buchst. b genannten Voraussetzungen, nämlich die Begehung eines Betrugs mit erheblichen Auswirkungen auf die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung, erfüllt gewesen wären, was vorliegend nicht der Fall war. Da die REA die Entscheidung, die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung auszusetzen, nicht auf ihren Art. 33.2.1 Buchst. b gestützt hat – mit der Begründung, dass ein Betrug nicht nachgewiesen sei –, hat sie nämlich nicht geprüft, ob vorliegend die zweite Voraussetzung erfüllt war, nämlich ob dieser Betrug erhebliche Auswirkungen auf die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung hatte.
93 Die weiteren Argumente der REA können diese Schlussfolgerung nicht entkräften.
94 Was erstens das Vorbringen betrifft, wonach die REA im Wesentlichen entschieden habe, die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung auszusetzen, nachdem sie über die Einleitung der Untersuchung des OLAF informiert worden sei, die eine Reihe von Finanzhilfevereinbarungen, die von der Klägerin unterzeichnet worden seien, betroffen habe, darunter die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung, ist zunächst festzustellen, dass dieses Vorbringen durch die Tatsache, die die REA selbst in der Erwiderung anerkannt hat (siehe oben, Rn. 62), widerlegt wird, dass sowohl im Vorabinformationsschreiben als auch im Schreiben zur Bestätigung der Aussetzung die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung allein mit dem Ermittlungsverfahren begründet wurde, das gegen den Geschäftsleiter und den Finanzleiter der Klägerin eingeleitet wurde. Auf die Untersuchung des OLAF wurde in beiden Dokumenten nicht Bezug genommen.
95 Im Übrigen ist insoweit darauf hinzuweisen, dass in dem Vermerk vom 13. Januar 2022, mit dem das OLAF die REA über die Einleitung seiner Untersuchung informierte, die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung nicht als präventive Verwaltungsmaßnahme in Betracht gezogen wurde (siehe oben, Rn. 12).
96 Somit ermöglicht der Akteninhalt (siehe oben, Rn. 94) die Feststellung, dass die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung allein mit dem Ermittlungsverfahren wegen Verdacht des Betrugs bei der Durchführung der NGA-Finanzhilfevereinbarung begründet wurde.
97 Zwar hat die REA wie jedes Organ, jede Einrichtung und jede sonstige Stelle der Union gemäß Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. September 2013 über die Untersuchungen des OLAF und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (Euratom) Nr. 1074/1999 des Rates (ABl. 2013, L 248, S. 1) sicherzustellen, dass die Vertraulichkeit der durch das OLAF durchgeführten Untersuchungen gewahrt wird.
98 Aus der Rechtsprechung ergibt sich jedoch, dass die in Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2013 aufgestellte Regelung der Vertraulichkeit der Untersuchungen des OLAF in ihrem Kontext und insbesondere im Licht des zwölften Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 883/2013 auszulegen ist, wonach bei den Untersuchungen des OLAF die Grundfreiheiten in vollem Umfang gewahrt bleiben müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Juni 2019, Dalli/Kommission, T‑399/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:384, Rn. 169).
99 Insoweit ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es in Art. 33.2.2 der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung heißt: „Die Agentur unterrichtet, bevor sie die Durchführung [der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung] aussetzt, den betreffenden Koordinator oder Begünstigten förmlich über ihre Absicht, die Durchführung auszusetzen, sowie über ihre Gründe und fordert ihn auf, innerhalb von 30 Tagen nach Zugang der Mitteilung dazu Stellung zu nehmen.“
100 Folglich war die REA zwar nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2013 verpflichtet, die Vertraulichkeit der Untersuchung des OLAF sicherzustellen, doch war sie gemäß Art. 33.2.2 der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung auch verpflichtet, der Pflicht zur Begründung der Entscheidung über die Aussetzung dieser Vereinbarung nachzukommen, um es der Klägerin zu ermöglichen, sich zu verteidigen.
101 In diesem Kontext und unter Berücksichtigung des Akteninhalts (siehe oben, Rn. 94) kann die Pflicht zur Vertraulichkeit im Hinblick auf die Untersuchung des OLAF, auf die sich die REA im Übrigen nach Einreichung der Klageschrift allgemein berufen hat, somit nicht davon überzeugen, dass die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung wegen eines Betrugsverdachts betreffend die Durchführung dieser Vereinbarung und nicht der NGA-Finanzhilfevereinbarung erfolgte.
102 Zweitens ist zu dem Vorbringen, wonach die REA bei der Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung aus Gründen der Vorsicht gehandelt habe, um die finanziellen Interessen der Union zu schützen, festzustellen, dass die Pflicht der REA zur wirtschaftlichen Haushaltsführung in Bezug auf die Unionsmittel, die ihr als Agentur gemäß Art. 317 AEUV obliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Februar 2024, Greenspider/Eismea, T‑733/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:104, Rn. 39), sie nicht dazu berechtigt, die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung unter Verstoß gegen deren Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. i auszusetzen.
103 Somit ist festzustellen, dass die REA gegen Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. i der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung verstoßen hat, indem sie entschieden hat, die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung deshalb auszusetzen, weil der Geschäftsleiter und der Finanzleiter der Klägerin, d. h. zwei natürliche Personen, die befugt waren, die Klägerin zu vertreten oder in ihrem Namen zu entscheiden, im Rahmen einer anderen Finanzhilfevereinbarung als der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung des Betrugs verdächtigt wurden.
104 Folglich ist nach alledem dem ersten und dem dritten Klagegrund, die zur Stützung des ersten Klageantrags geltend gemacht werden, stattzugeben, ohne dass es erforderlich wäre, über die weiteren von der Klägerin zur Stützung dieser Klagegründe vorgebrachten Argumente oder über die anderen zur Stützung dieses Antrags vorgebrachten Klagegründe zu entscheiden.
Zum zweiten Klageantrag, der darauf gerichtet ist, der REA aufzugeben, die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung aufzuheben
105 Hinsichtlich des zweiten Klageantrags ist darauf hinzuweisen, dass die REA mit Schreiben vom 10. September 2024 das Gericht darüber informiert hat, dass die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung aufgehoben worden sei und sie mit der Klägerin vereinbart habe, die Durchführung der Vereinbarung wieder aufzunehmen, was die Klägerin bestätigt hat (siehe oben, Rn. 26 und 27). Der zweite Antrag ist daher erledigt.
Zum dritten Klageantrag, der darauf gerichtet ist, die REA zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 500 000 Euro zu zahlen
106 Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr aufgrund der Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung ein schwerer wirtschaftlicher Schaden entstanden sei, und verlangt von der REA Schadensersatz in Höhe von 500 000 Euro, wobei der Betrag im Laufe des Verfahrens näher bestimmt werden könne.
107 Die Klägerin macht auf der Grundlage eines Gutachtens eines von ihr beauftragten Sachverständigen (im Folgenden: Sachverständigengutachten) geltend, dass die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung negative wirtschaftliche Auswirkungen auf ihre Durchführung – wenn sie wieder aufgenommen werde – haben könnte. Die Ziele und das Budget der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung blieben zwar unverändert. Doch der internationale wirtschaftliche und geopolitische Kontext, der u. a. durch eine Erhöhung der Rohstoff- und Energiepreise sowie durch Transport- und Logistikschwierigkeiten gekennzeichnet sei, führe wahrscheinlich zu einer Überarbeitung der Kostenvoranschläge, die die Klägerin im Januar 2022 für Messen, Workshops, Konferenzen und andere Veranstaltungen erhalten habe. Dies zwinge sie dazu, die Tätigkeiten in einem im Verhältnis zur ursprünglichen Planung deutlich reduzierten Umfang durchzuführen und auf die Durchführung bestimmter Tätigkeiten und letztlich der gesamten TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung zu verzichten.
108 Außerdem macht die Klägerin, die ihren Ausführungen nach national, weltweit und auf Unionsebene ein anerkannter professioneller Akteur im Weinsektor ist, geltend, dass die übereilte Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung ihren Ruf und ihr Ansehen hinsichtlich geschäftlicher Zuverlässigkeit, Glaubwürdigkeit, Fairness sowie Treu und Glauben in ihren Beziehungen zu den Partnern schädige.
109 Des Weiteren stehe der entstandene Schaden fest, da die Bewertung der negativen Folgen, die sich aus der Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung ergeben könnten, in der Klageschrift detailliert dargelegt worden sei.
110 Außerdem bestehe entgegen dem Vorbringen der REA ein kausaler Zusammenhang zwischen den entstandenen Schäden und dem Verhalten der REA, da der Klägerin ohne die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung kein Schaden entstanden wäre.
111 Die REA tritt diesem Vorbringen entgegen und hält den Antrag auf Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens für offensichtlich unbegründet.
112 Zunächst ist festzustellen, dass die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung zwar aufgehoben wurde (siehe oben, Rn. 26), die Wiederaufnahme der Durchführung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung es der Klägerin aber nicht ermöglicht, ein Ergebnis zu erreichen, das dem entspricht, das sie mit der Stellung des Antrags auf Ersatz des Schadens, der ihr durch die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung entstanden sein soll, anstrebt.
113 Somit ist über den Schadensersatzantrag der Klägerin zu entscheiden.
114 Vorab ist festzustellen, dass der Schadensersatzanspruch der Klägerin ausschließlich vertraglicher Art ist.
115 Nach Art. 340 Abs. 1 AEUV bestimmt sich die vertragliche Haftung der Union nach dem Recht, das auf den betreffenden Vertrag anzuwenden ist. Dieses ist vorliegend, wie bereits oben in Rn. 36 festgestellt, das geltende Unionsrecht, das erforderlichenfalls durch das belgische Recht ergänzt wird.
116 Folglich unterliegt, wie oben in den Rn. 37 und 38 ausgeführt, die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung den einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts, d. h. vorliegend dem AEU-Vertrag, der Charta und der Haushaltsordnung und, um Lücken in den vertraglichen Bestimmungen oder den einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts zu schließen, dem in der Vereinbarung bezeichneten nationalen Recht, d. h. vorliegend dem belgischen Recht.
117 Daher ist in diesem Zusammenhang mangels einschlägiger Vorschriften des Unionsrechts auf die Voraussetzungen für die vertragliche Haftung nach belgischem Recht, wie es zum Zeitpunkt des Abschlusses und der Durchführung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung galt, hinzuweisen.
118 Als Erstes bestimmt Art. 1142 des belgischen Zivilgesetzbuchs, der zu Buch III Titel 3 („Verträge oder vertragliche Schuldverhältnisse im Allgemeinen“) gehört, dass „[j]ede Verbindlichkeit, etwas zu tun oder nicht zu tun, … im Falle der Nichterfüllung von Seiten des Schuldners zu einem Schadensersatz [führt]“.
119 Als Zweites wird nach Art. 1147 des belgischen Zivilgesetzbuchs „[d]er Schuldner …, wenn dazu Grund besteht, entweder aufgrund der Nichterfüllung der Verbindlichkeit oder aufgrund der verzögerten Erfüllung dieser Verbindlichkeit jedes Mal zur Zahlung eines Schadenersatzes verurteilt, wenn er nicht nachweist, dass die Nichterfüllung auf eine fremde Ursache, die ihm nicht zugerechnet werden kann, zurückzuführen ist, auch wenn von seiner Seite keine Bösgläubigkeit vorliegt“.
120 Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass der Tatbestand, der die vertragliche Haftung nach dem belgischen Zivilgesetzbuch begründet, die einem der Vertragspartner zuzurechnende vollständige oder teilweise Nichterfüllung des Vertrags ist. Um Ersatz für Schäden zu erhalten, die durch die Nichterfüllung eines Vertrags entstanden sind, unabhängig davon, ob es sich um Vermögensschäden handelt, obliegt es demjenigen, der den Schadensersatz beansprucht, einen Kausalzusammenhang zwischen der Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtungen und dem entstandenen Schaden nachzuweisen (vgl. Urteil vom 4. Mai 2017, Meta Group/Kommission, T‑744/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:304, Rn. 270 und die dort angeführte Rechtsprechung).
121 Wie die REA ausführt, ohne dass ihr die Klägerin im Übrigen widersprochen hätte, müssen in diesem Rahmen drei Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Schaden vertraglichen Ursprungs ersetzt wird, nämlich die Nichterfüllung des Vertrags, ein Schaden und ein Kausalzusammenhang zwischen der Nichterfüllung und dem Schaden (vgl. Urteil vom 4. Mai 2017, Meta Group/Kommission, T‑744/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:304, Rn. 271 und die dort angeführte Rechtsprechung).
122 Zur ersten Voraussetzung ist festzustellen, dass die REA, wie sich aus der Prüfung des ersten Klageantrags ergibt, entschieden hat, die TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung unter Verstoß gegen deren Art. 33.2.1 Buchst. a Ziff. i auszusetzen.
123 Da die drei oben in Rn. 121 genannten Voraussetzungen kumulativ sind (Urteil vom 11. Juni 2015, EMA/Kommission, C‑100/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:382, Rn. 100), ist daher zu prüfen, ob die weiteren oben in Rn. 121 genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
124 In Bezug auf die zweite Voraussetzung beantragt die Klägerin den Ersatz sowohl eines materiellen als auch eines immateriellen Schadens.
125 Insbesondere beantragt die Klägerin, was den materiellen Schaden betrifft, für die negativen Folgen entschädigt zu werden, die sich ihrer Ansicht nach aus der Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung ergeben (siehe oben, Rn. 107).
126 Zwar ist es nachvollziehbar, dass die Klägerin infolge der Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung wahrscheinlich bestimmte Messen, Workshops, Konferenzen und andere Veranstaltungen, die mit Blick auf die Durchführung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung geplant waren, aussetzen oder absagen musste, doch weist sie nicht nach, dass sich die von ihr geltend gemachten materiellen Schäden vorliegend tatsächlich konkretisiert haben.
127 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin das Sachverständigengutachten vom 7. Juli 2022 vorlegt.
128 In diesem Sachverständigengutachten heißt es jedoch, dass zum Zeitpunkt seiner Erstellung „kein tatsächlicher finanzieller Verlust entstanden und keine Anzahlung geleistet worden ist: So ist beispielsweise keine Anzahlung geleistet worden …, es ist keine Vertragsstrafe gezahlt worden und es sind keine Vorauszahlungen geleistet worden“. Aus diesem Grund beschränkt sich das Sachverständigengutachten darauf, die „potenziellen wirtschaftlichen und finanziellen Risiken sowie die Vermögens- und Nichtvermögensrisiken“ zu veranschaulichen, „denen die Klägerin infolge der Aussetzung ausgesetzt sein könnte“.
129 So wird im Sachverständigengutachten beispielhaft ausgeführt, dass Prodeca, die spanische Begünstigte, „sich in der Lage befand, auf die Teilnahme an der Messe für Speisen und Getränke (China Food & Drinks Fair) in Chengdu, China, verzichten zu müssen, die ursprünglich für März geplant war, dann auf April und anschließend auf Juli/August 2022 verschoben wurde“, obwohl sie „die Veranstaltung bereits Anfang Februar 2022 bestätigt und dem Veranstalter eine Anzahlung von 33 500 Euro gezahlt hatte, um den Bereich zu reservieren, in dem der Stand von 85 qm2 errichtet werden sollte“. Die Klägerin legt zwar einen Kostenvoranschlag vor, um zu beweisen, dass eine Anzahlung von 33 500 Euro habe gezahlt werden müssen, um den Bereich zu reservieren, in dem der Stand von 85 qm2 habe errichtet werden sollen, doch legt sie keinen Beweis dafür vor, dass dieser Betrag tatsächlich gezahlt wurde.
130 Außerdem zählt das Sachverständigengutachten eine Reihe von geplanten Fachmessen auf, die später abgesagt oder verschoben worden sein sollen. Was jedoch insbesondere die Veranstaltung „ProWine Shangai“ betrifft, so beschränkt sich das Sachverständigengutachten darauf, eine Schätzung der potenziellen Kosten anzugeben, ohne mit Unterlagen zu beweisen, dass diese Kosten tatsächlich entstanden sind. Ebenso wird der Beweis der geschätzten rein indikativen Kosten für die Teilnahme der Klägerin an den anderen im Sachverständigengutachten genannten Veranstaltungen, die abgesagt worden seien, wie „WineTo Asia Shenzhen“, „Bellavita Chicago Expo“, „Summer Fancy Food edition“ und „Texom in Dallas“, durch Broschüren oder Veranstaltungspläne erbracht, die keine Rechnungen enthalten, die beweisen, dass diese Kosten tatsächlich entstanden sind.
131 Was schließlich die im Sachverständigengutachten angeführte Liste der Workshops, der Veranstaltungen des elektronischen Geschäftsverkehrs zwischen Unternehmen, der Seminare, der Schulungen und der künftigen Fachmessen angeht, ist darauf hinzuweisen, dass es sich um eine bloße, nicht mit einer auch nur indikativen Kostenschätzung versehene Liste von Veranstaltungen handelt, von denen einige im Übrigen vor dem Wirksamwerden der Aussetzung stattgefunden haben.
132 Im Übrigen ist die hierzu in der mündlichen Verhandlung befragte Klägerin, nachdem sie angegeben hatte, dass der von ihr geltend gemachte materielle Schaden als aktueller und bereits entstandener Schaden anzusehen sei, nicht in der Lage gewesen, anzugeben, welche Unterlagen aus der Akte den behaupteten materiellen Schaden und insbesondere die Kosten, die ihr aufgrund der Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung entstanden sein sollen, belegen könnten.
133 Folglich ist festzustellen, dass die Klägerin nicht beweist, dass sich der materielle Schaden, der ihr durch die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung entstanden sein soll, zum Zeitpunkt der Einreichung der Klageschrift tatsächlich konkretisiert hatte. Wie die REA geltend macht, stützt die Klägerin ihr Vorbringen auf bloße Prognosen, was im Übrigen dadurch bestätigt wird, dass sie die Höhe des materiellen Schadens, dessen Ersatz sie beantragt, nicht genau beziffert.
134 Was den immateriellen Schaden betrifft, beantragt die Klägerin, für eine Beeinträchtigung des Rufs und des Ansehens entschädigt zu werden, die sich ihrer Ansicht nach aus der Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung ergeben soll. Sie erbringt jedoch keinen Beweis für einen solchen Schaden.
135 Schließlich und hilfsweise ist in Bezug auf die dritte Voraussetzung für das Vorliegen einer vertraglichen Haftung festzustellen, dass die Klägerin einen Kausalzusammenhang zwischen dem beanstandeten Verhalten der REA und den Schäden, die ihr entstanden sein sollen, nicht zweifelsfrei beweist.
136 In Bezug auf den geltend gemachten materiellen Schaden geht nämlich, selbst wenn man sein Vorliegen unterstellt (siehe oben, Rn. 133), aus dem Sachverständigengutachten hervor, dass „wegen der Covid‑19-Pandemie und der sich daraus ergebenden Aussetzung der Tätigkeiten … das Programm seit seiner Einführung aufgrund der anhaltenden Notwendigkeit von Absagen und Verschiebungen von Veranstaltungen fortwährend den neuen Marktbedürfnissen und den objektiven Schwierigkeiten bei der Durchführung der Tätigkeiten gerecht werden [musste]“. Daher ist nicht auszuschließen, dass zumindest ein Teil der zusätzlichen Kosten, die die Klägerin aufgrund der Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung ihrem Vorbringen nach tragen muss, in Wirklichkeit mit der Covid‑19-Pandemie zusammenhängt.
137 Was den immateriellen Schaden betrifft, sein Vorliegen unterstellt (siehe oben, Rn. 134), ist nicht auszuschließen, dass er mit den strafrechtlichen Ermittlungen und nicht mit der Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung zusammenhängen könnte.
138 Nach alledem ist der dritte Klageantrag zurückzuweisen.
Kosten
139 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die REA mit ihrem Vorbringen im Wesentlichen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Zehnte erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die im Schreiben der Europäischen Exekutivagentur für die Forschung (REA) vom 2. Mai 2022 enthaltene Entscheidung, die Finanzhilfevereinbarung Nr. 874904 betreffend das Projekt „European Quality Wines: Taste the Difference – TTD.EU“ auszusetzen, ist ungültig.
2. Der zweite Antrag, der darauf gerichtet ist, die Aussetzung der Finanzhilfevereinbarung Nr. 874904 betreffend das Projekt „European Quality Wines: Taste the Difference – TTD.EU“ aufzuheben, hat sich erledigt.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die REA trägt die Kosten.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. Dezember 2024.
Unterschriften
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt
Sachverhalt und Verfahren nach Klageerhebung
Anträge der Parteien
Rechtliche Würdigung
Zur Schiedsklausel
Zum anwendbaren Recht
Zum ersten Klageantrag, der darauf gerichtet ist, dass das Gericht die Ungültigkeit des Schreibens zur Bestätigung der Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung feststellt
Zum zweiten Klageantrag, der darauf gerichtet ist, der REA aufzugeben, die Aussetzung der TTD.EU-Finanzhilfevereinbarung aufzuheben
Zum dritten Klageantrag, der darauf gerichtet ist, die REA zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 500 000 Euro zu zahlen
Kosten