Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Große Kammer)
11. September 2024(* )
„ Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen – Einfrieren von Geldern – Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen, deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren werden – Aufnahme der Namen der Kläger in die Liste – Meldepflicht für Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen, die im Eigentum oder Besitz der Kläger sind oder von ihnen gehalten oder kontrolliert werden – Pflicht zur Zusammenarbeit mit der zuständigen nationalen Behörde – Teilnahme an Tätigkeiten, mit denen die Umgehung restriktiver Maßnahmen bezweckt oder bewirkt wird – Art. 9 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 – Nichtigkeitsklage – Klagebefugnis – Unmittelbare Betroffenheit – Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahme nach sich zieht – Rechtsschutzinteresse – Zulässigkeit – Zuständigkeit des Rates – Verhältnismäßigkeit “
In der Rechtssache T‑635/22,
Mikhail Fridman, wohnhaft in London (Vereinigtes Königreich),
Petr Aven, wohnhaft in Virginia Water (Vereinigtes Königreich),
German Khan, wohnhaft in London,
vertreten durch T. Marembert und A. Bass, Avocats,
Kläger,
gegen
Rat der Europäischen Union, vertreten durch S. Van Overmeire und J. Rurarz als Bevollmächtigte im Beistand von B. Maingain, Avocat,
Beklagter,
unterstützt durch
Königreich Belgien, vertreten durch C. Pochet, M. Van Regemorter und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte,
Republik Lettland, vertreten durch K. Pommere und J. Davidoviča als Bevollmächtigte,
und
Europäische Kommission, vertreten durch H. Krämer, C. Giolito, M. Carpus Carcea und L. Puccio als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
erlässt
DAS GERICHT (Große Kammer),
unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude, der Richter S. Papasavvas und D. Spielmann (Berichterstatter), der Richterinnen M. J. Costeira und K. Kowalik-Bańczyk, der Richter S. Gervasoni und L. Madise, der Richterinnen N. Półtorak und M. Brkan, der Richter I. Gâlea, I. Dimitrakopoulos und D. Kukovec, der Richterin S. Kingston sowie der Richter T. Tóth und S. L. Kalėda,
Kanzler: H. Eriksson, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 2024
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer auf Art. 263 AEUV gestützten Klage beantragen die Kläger, Herr Mikhail Fridman, Herr Petr Aven und Herr German Khan, die Nichtigerklärung der Verordnung (EU) 2022/1273 des Rates vom 21. Juli 2022 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2022, L 194, S. 1, im Folgenden: angefochtene Verordnung), soweit diese sie betrifft, und konkret von Art. 1 Nr. 4 der angefochtenen Verordnung, soweit er Art. 9 der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 des Rates vom 17. März 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2014, L 78, S. 6, berichtigt in ABl. 2014, L 179, S. 81) ändert, indem er darin Pflichten zur Meldung von Geldern und zur Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden einführt (Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 269/2014 in der geänderten Fassung) und die Nichteinhaltung dieser Pflichten einer Umgehung der Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern gleichstellt (Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 269/2014 in der geänderten Fassung) (im Folgenden: angefochtene Bestimmungen).
Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 Die Kläger sind Geschäftsleute mit russischer und israelischer Staatsangehörigkeit im Fall von Herrn Fridman und Herrn Khan sowie mit russischer und lettischer Staatsangehörigkeit im Fall von Herrn Aven.
3 Im März 2014 annektierte die Russische Föderation die Autonome Republik Krim sowie die Stadt Sewastopol und nimmt seitdem kontinuierlich Handlungen vor, die die Lage im Osten der Ukraine destabilisieren. Parallel dazu traten prorussische Separatistenbewegungen in den Regionen Donezk und Lugansk in einen bewaffneten Konflikt mit der ukrainischen Regierung ein.
4 Am 17. März 2014 erließ der Rat der Europäischen Union u. a. auf der Grundlage von Art. 29 EUV den Beschluss 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2014, L 78, S. 16). Am selben Tag erließ er auf der Grundlage von Art. 215 AEUV die Verordnung Nr. 269/2014. In den folgenden Tagen begannen die russischen Streitkräfte Kriegsoperationen in der gesamten Ukraine, die bis zum heutigen Tag andauern.
5 Am 21. Februar 2022 unterzeichnete der Präsident der Russischen Föderation ein Dekret, in dem die selbstproklamierte Unabhängigkeit und Souveränität der „Volksrepublik Donezk“ und der „Volksrepublik Lugansk“ anerkannt wurde, und ordnete die Entsendung russischer Streitkräfte in diese Gebiete an.
6 Am 22. Februar 2022 veröffentlichte der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (im Folgenden: Hoher Vertreter) im Namen der Europäischen Union eine Erklärung, mit der diese Handlungen verurteilt wurden, da sie einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Völkerrecht darstellten. Er kündigte an, dass die Union auf diese jüngsten Verstöße der Russischen Föderation so schnell wie möglich mit zusätzlichen restriktiven Maßnahmen reagieren werde.
7 In diesem Zusammenhang erließ der Rat mehrere Pakete restriktiver Maßnahmen. Die Namen der Kläger wurden im Fall von Herrn Aven und Herrn Fridman durch den Beschluss (GASP) 2022/337 des Rates vom 28. Februar 2022 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2022, L 59, S. 1) und die Durchführungsverordnung (EU) 2022/336 des Rates vom 28. Februar 2022 zur Durchführung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2022, L 58, S. 1) und im Fall von Herrn Khan durch den Beschluss (GASP) 2022/429 des Rates vom 15. März 2022 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2022, L 87 I, S. 44) und die Durchführungsverordnung (EU) 2022/427 des Rates vom 15. März 2022 zur Durchführung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2022, L 87 I, S. 1) aufgenommen und wurden anschließend durchgehend in den Listen der Personen, Organisationen und Einrichtungen, gegen die restriktive Maßnahmen erlassen wurden, im Anhang des Beschlusses 2014/145 und in Anhang I der Verordnung Nr. 269/2014 geführt. Diese restriktiven Maßnahmen waren Gegenstand von Nichtigkeitsklagen vor dem Gericht (Rechtssachen T‑301/22, Aven/Rat, T‑304/22, Fridman/Rat, und T‑333/22, Khan/Rat).
8 Zum Zeitpunkt des Erlasses der oben in Rn. 7 genannten Rechtsakte lautete Art. 2 der Verordnung Nr. 269/2014:
„(1) Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die Eigentum oder Besitz der in Anhang I aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen oder der dort aufgeführten mit diesen in Verbindung stehenden natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen sind oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren.
(2) Den in Anhang I aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen oder den dort aufgeführten mit diesen in Verbindung stehenden natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugute kommen.“
9 Art. 9 der Verordnung Nr. 269/2014 sah vor, dass „[e]s … verboten [ist], wissentlich und vorsätzlich an Tätigkeiten teilzunehmen, mit denen die Umgehung der Maßnahmen nach Artikel 2 bezweckt oder bewirkt wird“.
10 Art. 15 der Verordnung Nr. 269/2014 bestimmte:
„(1) Die Mitgliedstaaten legen für Verstöße gegen diese Verordnung Sanktionen fest und treffen die zur Sicherstellung ihrer Anwendung erforderlichen Maßnahmen. Die vorgesehenen Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.
(2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die Bestimmungen nach Absatz 1 unverzüglich nach Inkrafttreten dieser Verordnung mit und melden ihr alle Änderungen dieser Bestimmungen.“
11 Am 3. Juni 2022 erließ der Rat die Verordnung (EU) 2022/880 zur Änderung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2022, L 153, S. 75), da er u. a. der Auffassung war, dass die Bestimmungen über nationale Sanktionen für Verstöße gegen die Maßnahmen der genannten Verordnung präzisiert und verschärft werden sollten (zweiter Erwägungsgrund der Verordnung 2022/880).
12 Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 269/2014 in der geänderten Fassung sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten legen für Verstöße gegen diese Verordnung Sanktionen, gegebenenfalls auch strafrechtliche Sanktionen, fest und treffen alle zur Sicherstellung ihrer Anwendung erforderlichen Maßnahmen. Die vorgesehenen Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Mitgliedstaaten ergreifen ferner geeignete Maßnahmen zur Einziehung der Erträge aus solchen Verstößen.“
13 Am 21. Juli 2022 erließ der Rat u. a. auf der Grundlage von Art. 29 EUV den Beschluss (GASP) 2022/1272 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2022, L 193, S. 219). Mit diesem Beschluss führte er neue Ausnahmen vom Einfrieren von Vermögenswerten und von dem Verbot, benannten Personen und Organisationen Gelder und wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen, ein.
14 Am selben Tag wurde die angefochtene Verordnung u. a. auf der Grundlage von Art. 215 AEUV erlassen. Diese Verordnung präzisiert in ihrem fünften Erwägungsgrund:
„Um eine wirksame und einheitliche Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 zu gewährleisten sowie angesichts der erhöhten Komplexität der Systeme zur Umgehung der Sanktionen, die diese Durchführung behindern, ist es erforderlich, benannte Personen und Einrichtungen, die über Vermögenswerte innerhalb des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats verfügen, zu verpflichten, diese Vermögenswerte zu melden und bei der Überprüfung dieser Meldungen mit der zuständigen Behörde zusammenzuarbeiten. Außerdem ist es angebracht, die Bestimmungen über die Meldepflichten für Wirtschaftsbeteiligte der Union zu verschärfen, um Verstöße gegen das Einfrieren von Vermögenswerten und dessen Umgehung zu begrenzen. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung würde eine Umgehung des Einfrierens von Vermögenswerten darstellen und Strafen nach sich ziehen, wenn die Voraussetzung für die Verhängung solcher Strafen nach den anwendbaren nationalen Vorschriften und Verfahren erfüllt sind.“
15 Mit der angefochtenen Verordnung änderte der Rat die Verordnung Nr. 269/2014, indem er in ihrem Art. 1 Nrn. 1 bis 3 die im Beschluss 2022/1272 vorgesehenen Ausnahmen regelte. In Art. 1 Nr. 4 der angefochtenen Verordnung ist vorgesehen, dass Art. 9 der Verordnung Nr. 269/2014 durch folgenden Text ersetzt wird:
„Artikel 9
(1) Es ist verboten, wissentlich und vorsätzlich an Tätigkeiten teilzunehmen, mit denen die Umgehung der Maßnahmen nach Artikel 2 bezweckt oder bewirkt wird.
(2) Die in Anhang I aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen und Organisationen sind verpflichtet,
a) vor dem 1. September 2022 oder innerhalb von sechs Wochen nach dem Datum der Aufnahme in die Liste in Anhang I, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist, Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen innerhalb des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats, die in ihrem Eigentum oder Besitz sind oder von ihnen gehalten oder kontrolliert werden, an die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem sich diese Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen befinden, zu melden und
b) mit der zuständigen Behörde bei der Überprüfung solcher Informationen zusammenzuarbeiten.
(3) Die Nichteinhaltung von Absatz 2 wird als Teilnahme an Tätigkeiten nach Absatz 1, mit denen die Umgehung der Maßnahmen nach Artikel 2 bezweckt oder bewirkt wird, angesehen.
…“
Anträge der Parteien
16 Die Kläger beantragen,
– die angefochtene Verordnung, soweit diese sie betrifft, in dem oben in Rn. 1 genannten Umfang für nichtig zu erklären;
– dem Rat die Kosten aufzuerlegen.
17 Der Rat beantragt,
– die Nichtigkeitsklage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen;
– den Klägern die Kosten aufzuerlegen.
18 Das Königreich Belgien, die Republik Lettland und die Europäische Kommission beantragen, die Klage als unzulässig oder, hilfsweise, als unbegründet abzuweisen.
Rechtliche Würdigung
Zur Zulässigkeit der Klage
19 Der Rat macht, unterstützt durch das Königreich Belgien, die Republik Lettland und die Kommission, geltend, dass die Kläger von den angefochtenen Bestimmungen nicht unmittelbar und individuell betroffen seien. Ihre Namen seien nämlich im Fall von Herrn Aven und Herrn Fridman durch den Beschluss 2022/337 und die Durchführungsverordnung 2022/336 und im Fall von Herrn Khan durch den Beschluss 2022/429 und die Durchführungsverordnung 2022/427 in die streitigen Listen, mit denen ihnen restriktive Maßnahmen auferlegt worden seien, aufgenommen worden; diese Rechtsakte beträfen die Kläger individuell und unmittelbar und seien Gegenstand von Nichtigkeitsklagen gewesen (siehe oben, Rn. 7).
20 Die Kommission fügt hinzu, dass die angefochtene Verordnung keine Maßnahme darstelle, die die Kläger unmittelbar betreffe und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehe. Insbesondere Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 269/2014 in der geänderten Fassung erfordere eine Einzelfallprüfung und eine Umsetzung der Sanktionen durch das nationale Recht.
21 Das Königreich Belgien fügt hinzu, dass davon auszugehen sei, dass die der Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten unterliegenden Vermögenswerte der Kläger bereits durch die im Rahmen der Klagen in den Rechtssachen T‑301/22, Aven/Rat, T‑304/22, Fridman/Rat, und T‑333/22, Khan/Rat, angefochtenen Rechtsakte eingefroren worden seien. Daher hätten die Kläger kein Interesse daran, die vorliegende Klage zu erheben, es sei denn, sie hätten die gegen sie gerichteten restriktiven Maßnahmen umgangen, in der Hoffnung, dies mit der vorliegenden Klage weiterhin tun zu können.
22 Die Republik Lettland hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die angefochtenen Bestimmungen eine allgemein und abstrakt umschriebene Gruppe von Personen beträfen und die Kläger keinen weiteren Umstand vorgetragen hätten, der belege, dass sie von dem angefochtenen Rechtsakt stärker betroffen oder individualisiert seien als andere Personen, die zu dieser Gruppe gehörten.
23 Die Kläger treten diesem Vorbringen entgegen.
24 Es ist daran zu erinnern, dass gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV jede natürliche oder juristische Person unter den Bedingungen nach den Abs. 1 und 2 gegen die an sie gerichteten (erste Variante) oder sie unmittelbar und individuell betreffenden (zweite Variante) Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen (dritte Variante), Klage erheben kann.
25 Die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit ist der zweiten und der dritten Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV gemeinsam und hat nach der Rechtsprechung bei jeder dieser Varianten die gleiche Bedeutung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2022, Nord Stream 2/Parlament und Rat, C‑348/20 P, EU:C:2022:548, Rn. 73). Die Voraussetzung, dass eine natürliche oder juristische Person von der klagegegenständlichen Maßnahme unmittelbar betroffen sein muss, verlangt nach ständiger Rechtsprechung, dass zwei kumulative Kriterien erfüllt sind, nämlich zum einen, dass sich die beanstandete Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung dieser Person auswirkt, und zum anderen, dass sie den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergibt (vgl. Urteil vom 22. Juni 2021, Venezuela/Rat [Beeinträchtigung eines Drittstaats], C‑872/19 P, EU:C:2021:507, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 13. September 2018, Rosneft u. a./Rat, T‑715/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:544, Rn. 65).
26 Ferner ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Ausdruck „die … keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV vor dem Hintergrund des Ziels dieser Vorschrift zu sehen, das, wie sich aus ihrer Entstehungsgeschichte ergibt, darin besteht, zu verhindern, dass ein Einzelner gezwungen ist, gegen das Recht zu verstoßen, um Zugang zu den Gerichten zu erlangen. Wenn sich daher ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter auf die Rechtsstellung einer natürlichen oder einer juristischen Person unmittelbar auswirkt, ohne dass Durchführungsmaßnahmen erforderlich sind, besteht die Gefahr, dass diese Person, wenn sie vor den Unionsgerichten keinen Rechtsbehelf einlegen kann, um die Rechtmäßigkeit dieses Rechtsakts mit Verordnungscharakter anfechten zu können, keinen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz hätte. In Ermangelung von Durchführungsmaßnahmen könnte nämlich eine natürliche oder juristische Person – obwohl sie von dem fraglichen Rechtsakt unmittelbar betroffen ist – eine gerichtliche Überprüfung desselben erst, nachdem sie gegen die Bestimmungen dieses Rechtsakts verstoßen hat, erwirken, indem sie im Rahmen der gegen sie vor den nationalen Gerichten eingeleiteten Verfahren die Rechtswidrigkeit dieser Bestimmungen geltend macht (Urteile vom 19. Dezember 2013, Telefónica/Kommission, C‑274/12 P, EU:C:2013:852, Rn. 27, und vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 58). Der Gerichtshof hat im Übrigen wiederholt entschieden, dass es für die Beurteilung, ob ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, auf die Stellung der Person ankommt, die sich auf die Klageberechtigung nach Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV beruft (vgl. Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).
27 Im vorliegenden Fall haben die angefochtenen Bestimmungen Verordnungscharakter im Sinne von Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV, da sie allgemeine Geltung haben und da sie auf der Grundlage von Art. 215 AEUV gemäß dem in dieser Bestimmung vorgesehenen nicht legislativen Verfahren erlassen wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 2021, Venezuela/Rat [Beeinträchtigung eines Drittstaats], C‑872/19 P, EU:C:2021:507, Rn. 92).
28 Ferner betreffen die angefochtenen Bestimmungen die natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen, die in der Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 269/2014 in der geänderten Fassung aufgeführt sind.
29 Zum Zeitpunkt der Erhebung ihrer Klage waren die Namen der Kläger aber in diesem Anhang I aufgeführt, und zwar seit dem 28. Februar 2022 im Fall von Herrn Aven und Herrn Fridman und seit dem 15. März 2022 im Fall von Herrn Khan (siehe oben, Rn. 7).
30 Seit dem 21. Juli 2022, dem Tag des Inkrafttretens der angefochtenen Verordnung, unterliegen die Kläger somit gemäß Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 269/2014 in der geänderten Fassung den in Rede stehenden Verpflichtungen, d. h. der Pflicht, ihre Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen vor dem 1. September 2022 zu melden, und der Pflicht, mit den zuständigen nationalen Behörden zusammenzuarbeiten. Des Weiteren wird gemäß Art. 9 Abs. 3 der genannten Verordnung die Nichteinhaltung dieser Pflichten als eine Teilnahme an Tätigkeiten eingestuft, mit denen die Umgehung der restriktiven Maßnahmen des Einfrierens von Geldern bezweckt oder bewirkt wird.
31 Es ist somit festzustellen, dass die angefochtenen Bestimmungen die Kläger unmittelbar betreffen, da sie sich direkt auf ihre Rechtsstellung auswirken. Denn die Melde- und Kooperationspflichten sowie die Folgen ihrer Nichteinhaltung gelten für die Kläger in ihrer Eigenschaft als Personen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmungen in der Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 269/2014 aufgeführt sind. Darüber hinaus erfordert die Anwendung dieser Bestimmungen auf die Kläger keinen Erlass von Durchführungsmaßnahmen auf Ebene der Union oder der Mitgliedstaaten, was vom Rat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt worden ist, und lässt den mit der Durchführung betrauten Adressaten keinerlei Ermessensspielraum, so dass sich diese Bestimmungen ganz automatisch auf die Rechtsstellung der Kläger auswirken.
32 Daraus folgt, dass die angefochtenen Bestimmungen Rechtsakte mit Verordnungscharakter darstellen, die die Kläger unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen im Sinne der anwendbaren Rechtsprechung nach sich ziehen.
33 Die Bezugnahme des Rates auf das Urteil vom 28. Januar 2016, Azarov/Rat (T‑332/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:48, Rn. 59 und 60), und der Umstand, dass in diesem Urteil die Unzulässigkeit wegen fehlender unmittelbarer Betroffenheit des Klägers bejaht wurde, entkräften diese Feststellung nicht. In dem genannten Urteil richtete sich die Klage nämlich insbesondere gegen Rechtsakte, mit denen die Bestimmungskriterien für das Einfrieren von Geldern geändert wurden, die sich gegen Personen richten, die für die Veruntreuung von Geldern, die dem ukrainischen Staat gehören, verantwortlich sind. Die Klage wurde für unzulässig erklärt, soweit sie gegen diese Rechtsakte gerichtet war, da diese Rechtsakte im Wesentlichen Rechtsfolgen nur für allgemein und abstrakt umschriebene Gruppen von Personen und Einrichtungen hatten und den Kläger in dieser Rechtssache weder individuell noch unmittelbar betrafen.
34 Im vorliegenden Fall hingegen wirken sich die angefochtenen Bestimmungen unmittelbar und unverzüglich auf die Rechtsstellung der Kläger aus, ohne dass die für die Umsetzung der genannten Verpflichtungen zuständigen Behörden Durchführungsmaßnahmen ergreifen müssten. Die Kläger würden daher Gefahr laufen, keinen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz zu erhalten, wenn sie nicht über einen Rechtsbehelf vor den Unionsgerichten verfügten, um die Rechtmäßigkeit der genannten Bestimmungen in Frage zu stellen.
35 Die Kläger sind somit befugt, eine Nichtigkeitsklage gegen die angefochtenen Bestimmungen zu erheben.
36 Das Königreich Belgien bringt vor, dass die Kläger, da davon auszugehen sei, dass alle ihre Vermögenswerte bereits eingefroren worden seien, kein Interesse daran hätten, die vorliegende Klage zu erheben, es sei denn, sie hätten die gegen sie gerichteten restriktiven Maßnahmen umgangen, in der Hoffnung, dies mit der vorliegenden Klage weiterhin tun zu können.
37 Es ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person von der Voraussetzung abhängig ist, dass sie ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Ein solches Interesse setzt voraus, dass die Nichtigerklärung dieser Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann und der Rechtsbehelf der Partei, die ihn eingelegt hat, damit im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2014, Stichting Woonlinie u. a./Kommission, C‑133/12 P, EU:C:2014:105, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Beschluss vom 18. Januar 2023, Seifert/Rat, T‑166/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:13, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das Rechtsschutzinteresse eines Klägers muss bestehend und gegenwärtig sein und darf sich nicht auf eine zukünftige und hypothetische Situation beziehen (vgl. Urteil vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission, C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
38 Im vorliegenden Fall aber behalten die Kläger unabhängig davon, ob sie oder andere Personen die betreffenden Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen gemeldet oder eingefroren und gegebenenfalls mit den zuständigen Behörden zusammengearbeitet haben, bzw. unabhängig davon, ob die genannten Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen eingefroren worden sind oder nicht, ein Interesse daran, die Nichtigerklärung der angefochtenen Bestimmungen zu erreichen, die ihnen Melde- und Kooperationspflichten auferlegen, deren Nichteinhaltung für sie schwerwiegende Folgen haben kann. Das Rechtsschutzinteresse wird nämlich weder dadurch beseitigt, dass eine klagende Partei die von ihr beanstandeten Verpflichtungen erfüllt hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. September 1985, Hoogovens Groep/Kommission, 172/83 und 226/83, EU:C:1985:355, Rn. 19, und vom 15. Dezember 1999, Kesko/Kommission, T‑22/97, EU:T:1999:327, Rn. 55 bis 65), noch dadurch, dass sie von einem Dritten erfüllt worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. März 1979, Simmenthal/Kommission, 92/78, EU:C:1979:53, Rn. 32). Daher ist das Rechtsschutzinteresse der Kläger weiterhin gegeben, ohne dass sie, wie es das Vorbringen des Königreichs Belgien impliziert, dartun müssten, dass sie gegen ihre Pflichten verstoßen haben. Das Vorbringen des Königreichs Belgien ist folglich zurückzuweisen.
39 Außerdem steht fest, dass die Erfüllung der Meldepflicht nicht das Erlöschen aller in den angefochtenen Bestimmungen vorgeschriebenen Pflichten nach sich zieht. Denn sobald die Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen bei der zuständigen nationalen Behörde gemeldet sind, verpflichtet Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 269/2014 in der geänderten Fassung die Personen, die die Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen gemeldet haben, die in ihrem Eigentum oder Besitz sind oder von ihnen gehalten oder kontrolliert werden, mit dieser nationalen Behörde bei jeder Überprüfung zusammenzuarbeiten. Daraus folgt, dass die Kläger weiterhin ein bestehendes und gegenwärtiges Interesse daran haben, gegen Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 269/2014 in der geänderten Fassung vorzugehen.
40 Was Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 269/2014 in der geänderten Fassung betrifft, so ist die Einstufung der Teilnahme als eine Umgehung der darin vorgesehenen restriktiven Maßnahmen wesensgleich mit den in Art. 9 Abs. 2 dieser Verordnung vorgesehenen Pflichten, so dass die Kläger ein bestehendes und gegenwärtiges Interesse an einer Klage gegen diese Bestimmungen haben.
41 Folglich ist das Vorbringen des Königreichs Belgien, dass die Kläger kein Interesse an der Erhebung der vorliegenden Klage hätten, zurückzuweisen.
42 Aus dem Vorstehenden folgt, dass die vorliegende Klage zulässig ist.
Zur Begründetheit
43 Die Kläger machen zwei Klagegründe geltend. Mit dem ersten rügen sie das Fehlen einer Rechtsgrundlage und einen Verstoß gegen Art. 215 AEUV sowie einen Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit, mit dem zweiten das Fehlen einer Rechtsgrundlage und einen Verstoß gegen die Art. 4, 5, 25 und 40 EUV sowie gegen die Art. 3, 4, 82, 83 und 215 AEUV mit der Begründung, dass sich der Rat zum Strafrechtsgesetzgeber erhoben habe.
Zum ersten Klagegrund: Fehlen einer Rechtsgrundlage und Verstoß gegen Art. 215 AEUV sowie Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit
44 Die Kläger machen im Wesentlichen geltend, dass der Wortlaut von Art. 215 AEUV zwar nicht abschließend sei, aber eng ausgelegt werde, und der Rat den Personen, die auf der Grundlage dieser Bestimmung sanktioniert würden, keine positiven Verpflichtungen auferlegen könne. Die Pflicht, die Beschaffenheit ihres Vermögens offenzulegen, sei eine Form der Sanktion und keine „restriktive Maßnahme“ im Sinne von Art. 215 AEUV. Im Übrigen würden, selbst wenn der Rat positive Pflichten begründen könnte, die in Rede stehenden Melde- und Kooperationspflichten seine sachliche Zuständigkeit überschreiten.
45 Darüber hinaus bringen sie vor, dass die in Rede stehenden Pflichten in die Privatsphäre eingreifen würden sowie dass sie überzogen und unbestimmt seien, da sie auf vagen und undefinierten Begriffen beruhten. Außerdem hätten sie eine extraterritoriale Reichweite.
46 Der Rat, unterstützt durch das Königreich Belgien, die Republik Lettland und die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.
47 Es ist daran zu erinnern, dass für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gemäß Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV besondere Bestimmungen und Verfahren gelten und dass sie „vom Europäischen Rat und vom Rat einstimmig festgelegt und durchgeführt [wird], soweit in den Verträgen nichts anderes vorgesehen ist“. Im Übrigen wird diese Politik vom Hohen Vertreter und von den Mitgliedstaaten gemäß den Verträgen durchgeführt. Gemäß Art. 29 EUV „erlässt [der Rat] Beschlüsse, in denen der Standpunkt der Union zu einer bestimmten Frage geografischer oder thematischer Art bestimmt wird“.
48 Die restriktiven Maßnahmen werden im Rahmen der GASP durch einen einstimmigen Beschluss des Rates auf der Grundlage von Art. 29 EUV angenommen, und ihre Durchführung erfolgt im Rahmen des AEU-Vertrags durch eine Verordnung, die gemäß Art. 215 AEUV vom Rat mit qualifizierter Mehrheit auf gemeinsamen Vorschlag des Hohen Vertreters und der Kommission erlassen wird. Zum einen zielt Art. 215 Abs. 1 AEUV darauf ab, dass der Rat Maßnahmen erlässt, die für die in einem Beschluss nach Titel V Kapitel 2 EUV vorgesehene vollständige oder teilweise Aussetzung oder Einschränkung der Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zu einem oder mehreren Drittländern erforderlich sind. Zum anderen kann der Rat gemäß Art. 215 Abs. 2 AEUV, wenn dies in einem gemäß Titel V Kapitel 2 EUV angenommenen Beschluss vorgesehen ist, nach dem Verfahren von Abs. 1 restriktive Maßnahmen gegen natürliche oder juristische Personen sowie Gruppierungen oder nicht staatliche Einheiten erlassen.
49 Nach der Rechtsprechung ist es, wie sich aus den Art. 24 und 29 EUV ergibt, grundsätzlich Sache des Rates, einstimmig den Gegenstand der restriktiven Maßnahmen festzulegen, die die Union im Bereich der GASP erlässt. Wegen des breiten Spektrums der in Art. 3 Abs. 5 EUV und Art. 21 EUV sowie den speziellen Vorschriften über die GASP, insbesondere den Art. 23 und 24 EUV, genannten Ziele und Felder der GASP verfügt der Rat bei der Festlegung des Gegenstands der restriktiven Maßnahmen über einen großen Spielraum (Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 88).
50 Was Art. 215 AEUV betrifft, der ein Bindeglied zwischen den Zielen des EU-Vertrags im Bereich der GASP und dem mit wirtschaftlichen Sanktionen verbundenen Handeln der Union gemäß dem AEU-Vertrag schafft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juli 2012, Parlament/Rat, C‑130/10, EU:C:2012:472, Rn. 59), so können auf seiner Grundlage vom Rat mit qualifizierter Mehrheit auf gemeinsamen Vorschlag des Hohen Vertreters und der Kommission Verordnungen erlassen werden, um restriktive Maßnahmen, die in den Anwendungsbereich des AEU-Vertrags fallen, umzusetzen und insbesondere deren einheitliche Anwendung in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten (Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 89).
51 Die auf der Grundlage von Art. 29 EUV erlassenen Beschlüsse legen also den Standpunkt der Union in Bezug auf die zu erlassenden restriktiven Maßnahmen fest, während die auf der Grundlage von Art. 215 AEUV erlassenen Verordnungen nach ihren Zielen und ihrem Inhalt an diese Beschlüsse anknüpfen und das Instrument darstellen, um diesen auf Unionsebene Wirkung zu verleihen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Juli 2012, Parlament/Rat, C‑130/10, EU:C:2012:472, Rn. 72 und 76, und vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 90).
52 Im vorliegenden Fall wurden die angefochtenen Bestimmungen auf der Grundlage von Art. 215 AEUV, genauer gesagt von Art. 215 Abs. 2 AEUV, erlassen, was auch von den Hauptparteien anerkannt wird.
53 Es ist darauf hinzuweisen, dass nach dem fünften Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung die angefochtenen Bestimmungen erlassen wurden, um „der erhöhten Komplexität der Systeme zur Umgehung der Sanktionen, die [die] Durchführung [der restriktiven Maßnahmen] behindern“, zu begegnen. Um eine wirksame und einheitliche Anwendung der Verordnung zu gewährleisten, hat der Rat daher betont, dass es erforderlich sei, „benannte Personen und Einrichtungen, die über Vermögenswerte innerhalb des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats verfügen, zu verpflichten, diese Vermögenswerte zu melden und bei der Überprüfung dieser Meldungen mit der zuständigen Behörde zusammenzuarbeiten“.
54 In diesem Zusammenhang hat der Rat zum einen hervorgehoben, dass im Vergleich zu den Regelungen über restriktive Maßnahmen, die mit Blick auf die Situation in anderen Ländern umgesetzt worden seien, die Zahl der Personen, die von den restriktiven Maßnahmen betroffen seien, die im Rahmen der Regelung zur Situation in der Ukraine erlassen worden seien, noch nie so groß gewesen sei, und zum anderen, dass diese restriktiven Maßnahmen umgangen oder sogar verletzt worden seien, um ihre tatsächliche Anwendung zu verhindern. Wie aus den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung hervorgeht, war die Einführung der in Rede stehenden Verpflichtungen auch durch den Umstand motiviert, dass zuvor nur wenige Mitgliedstaaten nationale Rechtsvorschriften erlassen hatten, die solche Verpflichtungen, insbesondere die Meldepflicht, vorsahen.
55 Daraus folgt, dass die angefochtenen Bestimmungen im vorliegenden Fall eingeführt wurden, um die einheitliche Anwendung der Verordnung Nr. 269/2014 im Gebiet der Union zu gewährleisten und Strategien zur Umgehung der restriktiven Maßnahmen zu vereiteln, die insbesondere durch den Rückgriff auf komplexe Rechts- und Finanzsysteme ermöglicht werden.
56 Sie stellen somit keine restriktiven Maßnahmen als solche dar, sondern Maßnahmen, die an den Beschluss 2014/145 anknüpfen, da sie geeignet sind, auf Unionsebene eine wirksame und einheitliche Umsetzung der in diesem Beschluss vorgesehenen restriktiven Maßnahmen zu gewährleisten.
57 Daraus folgt, dass der Rat die angefochtenen Bestimmungen zu Recht auf der Grundlage von Art. 215 AEUV erlassen hat.
58 Diese Feststellung wird durch das Vorbringen der Kläger nicht entkräftet.
59 Erstens machen die Kläger geltend, dass der Rat den Personen, die auf der Grundlage von Art. 215 Abs. 2 AEUV sanktioniert würden, keine positiven Pflichten auferlegen könne.
60 Allerdings ist Art. 215 AEUV, selbst wenn der Rat, wie die Kläger betonen, nicht frei ist, jede beliebige Maßnahme im Bereich der GASP zu erlassen, nicht abschließend, wie die Kläger einräumen. Dass in Art. 215 Abs. 2 AEUV nur auf restriktive Maßnahmen Bezug genommen wird, hat daher nicht zur Folge, dass die in dieser Bestimmung vorgesehenen Maßnahmen auf Unterlassungspflichten beschränkt sind. Denn wie oben in Rn. 50 ausgeführt, soll diese Bestimmung dem Rat die Möglichkeit geben, einen im Bereich der GASP gefassten Beschluss umzusetzen, um dessen einheitliche Anwendung in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Folglich sind restriktive Maßnahmen zwar grundsätzlich durch Verbote oder Beschränkungen gekennzeichnet, doch kann ihre Umsetzung auch Handlungspflichten wie im vorliegenden Fall mit sich bringen, die nicht allein deshalb grundsätzlich ausgeschlossen werden können, weil es sich um positive Pflichten handelt.
61 Zweitens ist das Vorbringen der Kläger zurückzuweisen, dass die angefochtenen Bestimmungen, insbesondere die Pflicht, die Beschaffenheit ihres Vermögens offenzulegen, eine Form von Sanktion seien und keine restriktive Maßnahme begründen würden.
62 Denn zum einen geht aus den Rn. 52 bis 57 oben hervor, dass die angefochtenen Bestimmungen eine Pflicht zur Meldung von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen und eine Kooperationspflicht auferlegen, die keine Sanktionen, sondern Maßnahmen darstellen, die die Umsetzung der restriktiven Maßnahmen des Einfrierens von Geldern zum Ziel haben. Zum anderen führen diese Bestimmungen an sich keine Sanktionen ein. Zwar sieht Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 269/2014 in der geänderten Fassung, wie die Kläger betonen, vor, dass die Nichteinhaltung dieser Melde- und Kooperationspflichten als Teilnahme an Tätigkeiten gilt, mit denen die Umgehung der Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern bezweckt oder bewirkt wird, wobei diese Teilnahme ihrerseits nach Art. 9 Abs. 1 verboten ist. Diese Bestimmung stellt jedoch eine rechtliche Qualifikation der Nichteinhaltung der genannten Pflichten dar, ohne eine Sanktion zu begründen.
63 Daraus folgt, dass das Vorbringen der Kläger, die angefochtenen Bestimmungen würden eine Form der Sanktion begründen, zurückzuweisen ist.
64 Die Kläger machen drittens geltend, dass es sich ihnen gegenüber um nie dagewesene Pflichten handele, wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist.
65 Art. 215 Abs. 2 AEUV erlaubt jedoch den Erlass derartiger positiver Pflichten durch den Rat, selbst wenn es sich gegenüber den Klägern um noch nie dagewesene Pflichten handelt, sofern sie sich auf die restriktiven Maßnahmen beziehen, denen die Kläger unterliegen, und soweit sie geeignet sind, diesen Maßnahmen in allen Mitgliedstaaten Wirkung zu verleihen, um ihre wirksame und einheitliche Anwendung in einer Situation zu gewährleisten, die wie die vorliegende durch eine zunehmende Komplexität der Systeme gekennzeichnet ist, die es den von diesen restriktiven Maßnahmen betroffenen Personen und Organisationen ermöglichen, sich den Sanktionen zu entziehen.
66 Aus dem Vorstehenden folgt, dass die angefochtenen Bestimmungen keine Sanktionen, sondern Maßnahmen darstellen, die die Umsetzung restriktiver Maßnahmen gewährleisten, die rechtmäßig auf der Grundlage von Art. 215 Abs. 2 AEUV erlassen wurden. Die Kläger machen daher zu Unrecht geltend, dass der Rat auf der Grundlage dieser Bestimmung sachlich nicht dafür zuständig sei, die in Rede stehenden Pflichten zu erlassen.
67 Viertens machen die Kläger geltend, dass die in Rede stehenden Melde- und Kooperationspflichten die Privatsphäre, zu der das Vermögen als wesentlicher Bestandteil gehöre, verletzten und überzogen seien, da sie „über das reine Vermögen der bestraften Personen hinausgehen“. Sie machen außerdem geltend, dass das Ziel, die Wirksamkeit der restriktiven Maßnahmen zu gewährleisten, nicht rechtfertigen könne, den Personen, die von diesen Maßnahmen betroffen seien, solche Pflichten aufzuerlegen.
68 Es ist daran zu erinnern, dass die Grundrechte nicht uneingeschränkt gelten und ihre Ausübung Beschränkungen unterworfen werden kann, die durch die im Allgemeininteresse liegenden Ziele der Union gerechtfertigt sind, sofern die Beschränkungen tatsächlich diesen im Allgemeininteresse liegenden Zielen entsprechen und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antasten würde (Urteile vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 148, und vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 220).
69 Um mit dem Unionsrecht vereinbar zu sein, muss ein Eingriff in die betreffenden Grundrechte gesetzlich vorgesehen sein, den Wesensgehalt dieser Rechte achten, einer als solcher von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung entsprechen und verhältnismäßig sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 145 und 222 und die dort angeführte Rechtsprechung).
70 Im vorliegenden Fall sind die in Rede stehenden Pflichten als Erstes „gesetzlich vorgesehen“, da sie in der angefochtenen Verordnung festgelegt sind, für die es eine eindeutige Rechtsgrundlage im Unionsrecht, nämlich Art. 215 AEUV, gibt und die hinreichend vorhersehbar ist.
71 Als Zweites sind die in Rede stehenden Pflichten, die auf Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen beschränkt sind, die der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaats unterliegen, den Klägern auferlegt, weil ihre Namen in Anhang I der Verordnung Nr. 269/2014 in der geänderten Fassung aufgeführt sind und sie deshalb Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern unterworfen sind. Da es sich bei der Aufnahme ihrer Namen um eine vorübergehende, reversible und ständig überprüfte Maßnahme handelt, sind die in Rede stehenden, mit der Aufnahme ihrer Namen verbundenen Pflichten aber selbst vorübergehender und reversibler Natur. Folglich ist davon auszugehen, dass diese Pflichten den wesentlichen Inhalt des geltend gemachten Rechts auf Privatsphäre nicht beeinträchtigen.
72 Als Drittes besteht das Ziel der restriktiven Maßnahmen darin, im Einklang mit den Zielen des auswärtigen Handelns der Union nach Art. 21 EUV die Kosten für die Handlungen der Russischen Föderation zu erhöhen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben, eine friedliche Beilegung der Krise zu unterstützen und den Frieden und die internationale Sicherheit zu erhalten. In diesem Zusammenhang sollen die in Rede stehenden Pflichten die Ermittlung von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen, die Eigentum oder Besitz der von restriktiven Maßnahmen betroffenen Personen und Organisationen sind oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, ermöglichen und dadurch die wirksame und einheitliche Umsetzung dieser Maßnahmen gewährleisten, was ein Ziel darstellt, das sich in den Rahmen des allgemeineren Ziels der restriktiven Maßnahmen einfügt. Die Bedeutsamkeit der auf diese Weise verfolgten Ziele ist geeignet, die negativen Folgen zu rechtfertigen, die sich aus dem von den Klägern geltend gemachten Eingriff in das Recht auf Privatsphäre ergeben.
73 Was als Viertes die Geeignetheit und Erforderlichkeit der in Rede stehenden Pflichten anbelangt, ist festzustellen, dass – wie der Rat, das Königreich Belgien, die Republik Lettland und die Kommission betonen – neue Methoden zur Umsetzung der restriktiven Maßnahmen durch die Erforderlichkeit gerechtfertigt waren, die Wirksamkeit und die einheitliche Anwendung der Regelung über restriktive Maßnahmen mit Bezug auf die Lage in der Ukraine zu gewährleisten, insbesondere angesichts der Umgehung der restriktiven Maßnahmen durch die Errichtung immer komplexerer Systeme. Der Rat verweist in diesem Zusammenhang auf die zahlreichen Umgehungsmöglichkeiten durch das Verstecken von Vermögenswerten mit Hilfe von Familienmitgliedern, Scheinfirmen oder Strohmännern. Die Kommission hat auch den Ernst der Lage in der Ukraine, die beispiellosen Risiken für die Sicherheit der Union und ihrer Mitgliedstaaten und die Tatsache hervorgehoben, dass die Regelung über die restriktiven Maßnahmen gegenüber der Russischen Föderation ein Ausmaß angenommen habe, das es bei keiner anderen Regelung gegeben habe, in Anbetracht der Anzahl der Personen und Organisationen, die von diesen Maßnahmen betroffen seien, des Umfangs der von den Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern betroffenen Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen und der zunehmenden Komplexität der rechtlichen und finanziellen Konstruktionen, durch die diese Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen gehalten oder kontrolliert würden, was ihre Ermittlung durch die zuständigen nationalen Behörden besonders erschwere. Darüber hinaus haben die Kläger keine alternativen und weniger einschneidenden Maßnahmen aufgezeigt, mit denen die verfolgten Ziele ebenso wirksam erreicht werden könnten. Die in Rede stehenden Melde- und Kooperationspflichten erscheinen somit als geeignete wie auch erforderliche Umsetzung des Einfrierens von Geldern.
74 Was speziell die Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Pflichten betrifft, zeigt eine Abwägung der betroffenen Interessen, dass die ernsthaften Nachteile, die sich für die Kläger aus diesen Pflichten ergeben, im Hinblick auf die verfolgten, oben in Rn. 72 genannten Ziele des Allgemeininteresses gleichwohl nicht unverhältnismäßig sind. Denn angesichts der überragenden Bedeutung dieser mit den restriktiven Maßnahmen verfolgten Ziele und der Tatsache, dass die streitigen Pflichten geeignet sind, die wirksame und einheitliche Umsetzung dieser Maßnahmen zu gewährleisten, kann der behauptete Eingriff in die Privatsphäre der Kläger nicht als unverhältnismäßig angesehen werden.
75 Daraus folgt, dass das Vorbringen der Kläger bezüglich der Unverhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Pflichten, insbesondere im Hinblick auf ihre Privatsphäre, zurückzuweisen ist.
76 Was schließlich das Vorbringen der Kläger anbetrifft, die beanstandeten Pflichten seien überzogen, weil sie über das reine Vermögen der sanktionierten Personen hinausgehen würden, so ist festzustellen, dass es nicht näher belegt und daher zurückzuweisen ist.
77 Fünftens machen die Kläger geltend, dass die beanstandeten Pflichten gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstießen, da sie auf vagen und nicht definierten Begriffen beruhten, insbesondere was die Bedeutung des Begriffs „Kontrolle“ betreffe.
78 Es ist daran zu erinnern, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt, dass das Unionsrecht klar und präzise und seine Anwendung für alle Betroffenen vorhersehbar ist (Urteil vom 5. März 2015, Europäisch‑Iranische Handelsbank/Rat, C‑585/13 P, EU:C:2015:145, Rn. 93; vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 42).
79 Im vorliegenden Fall sind die Personen, die einem Einfrieren von Geldern unterliegen, nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 269/2014 verpflichtet, „Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen innerhalb des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats, die in ihrem Eigentum oder Besitz sind oder von ihnen gehalten oder kontrolliert werden, an die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem sich diese Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen befinden, zu melden“.
80 Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Verwendung der Begriffe Eigentum, Besitz, Halten oder Kontrolle in Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 269/2014 in der geänderten Fassung an einer solchen Mehrdeutigkeit leidet, dass sie es den von Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern betroffenen Personen nicht erlaubte, etwaige Zweifel bezüglich der Tragweite oder der Bedeutung dieser Begriffe mit hinreichender Sicherheit auszuräumen. Insoweit wurde in Bezug auf Gesellschaften und im spezifischen Kontext der restriktiven Maßnahmen bereits entschieden, dass eine Gesellschaft als „Gesellschaft, die im Eigentum oder unter der Kontrolle einer anderen Einrichtung“ steht, eingestuft werden kann, wenn diese andere Einrichtung in der Lage ist, auf ihre Entscheidungen Einfluss zu nehmen, auch wenn zwischen den beiden Wirtschaftsteilnehmern weder in rechtlicher Hinsicht noch in Bezug auf das Eigentum oder die Kapitalbeteiligung Beziehungen bestehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. September 2019, HTTS/Rat, C‑123/18 P, EU:C:2019:694, Rn. 75).
81 Daraus folgt, dass die in Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 269/2014 in der geänderten Fassung enthaltene Bezugnahme auf die Begriffe Eigentum, Besitz, Halten oder Kontrolle von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen hinreichend klar und verständlich erkennen lässt, was unter diesen Begriffen zu verstehen ist, so dass die betroffenen Personen in der Lage sind, der Meldepflicht nachzukommen.
82 Sechstens machen die Kläger geltend, dass die in Rede stehenden Pflichten eine extraterritoriale Reichweite hätten, da eine Person, die restriktiven Maßnahmen unterliege und sich außerhalb der Union befinde, verfolgt werden könne, wenn sie Fragen einer nationalen Behörde nicht beantworte.
83 Es ist daran zu erinnern, dass die Kläger nach Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 269/2014 in der geänderten Fassung verpflichtet sind, zum einen ihre Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen innerhalb des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats an die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem sich diese Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen befinden, zu melden und zum anderen mit dieser Behörde bei der Überprüfung der Informationen zusammenzuarbeiten. Daraus folgt, dass Vermögenswerte, die nicht der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaats unterliegen, nicht unter diese Verpflichtungen fallen. Was im Übrigen Personen außerhalb der Union anbelangt, so sind nur ihre im Hoheitsgebiet der Union befindlichen Vermögenswerte betroffen, was eine ausreichende Verbindung zur Union darstellt. Somit ist das Vorbringen, das auf die extraterritoriale Reichweite der in Rede stehenden Pflichten gestützt wird, zurückzuweisen.
84 Nach alledem erweisen sich die in Rede stehenden Pflichten nicht als restriktive Maßnahmen, sondern als Maßnahmen, die geeignet sind, die Umsetzung der auf die Kläger angewandten restriktiven Maßnahmen zu gewährleisten. Folglich hat der Rat unter Berücksichtigung des Kontexts und des Ziels, die Wirksamkeit dieser Maßnahmen sicherzustellen, beim Erlass der angefochtenen Bestimmungen weder den Umfang seiner sachlichen Zuständigkeit noch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder den Grundsatz der Rechtssicherheit verkannt.
85 Folglich ist der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.
Zum zweiten Klagegrund: Fehlen einer Rechtsgrundlage und Verstoß gegen die Art. 4, 5, 25 und 40 EUV sowie gegen die Art. 3, 4, 82, 83 und 215 AEUV mit der Begründung, dass sich der Rat als Strafrechtsgesetzgeber betätigt habe
86 Zunächst ist festzustellen, dass der zweite Klagegrund das Fehlen einer Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bestimmungen nennt. Aus der Prüfung des ersten Klagegrundes ergibt sich jedoch, dass im vorliegenden Fall Art. 215 AEUV die einschlägige Rechtsgrundlage der angefochtenen Bestimmungen darstellt. Folglich ist dieses Vorbringen zum Fehlen einer Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bestimmungen zurückzuweisen.
87 Was den zweiten Klagegrund im Übrigen betrifft, so erwähnen die Kläger zwar die Verletzung verschiedener Bestimmungen des EU-Vertrags und des AEU-Vertrags, doch zielt ihre Argumentation im Wesentlichen darauf ab, zu belegen, dass sich der Rat, obwohl er gewusst habe, dass 25 der 27 Mitgliedstaaten die Umgehung von Sanktionen unter Strafe gestellt hätten, durch den Erlass der angefochtenen Bestimmungen als Strafrechtsgesetzgeber betätigt habe, obgleich diese Zuständigkeit bei den Mitgliedstaaten liege.
88 Der Rat, unterstützt durch das Königreich Belgien, die Republik Lettland und die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.
89 Es ist darauf hinzuweisen, dass es bei Rechtsakten, die gestützt auf eine Vorschrift über die GASP angenommen wurden, Sache des Unionsrichters ist, gemäß Art. 40 EUV sowie Art. 275 Abs. 2 erster Satzteil AEUV insbesondere darüber zu wachen, dass die Durchführung dieser Politik die Anwendung der Verfahren und den jeweiligen Umfang der in den Verträgen für die Ausübung der im AEU-Vertrag aufgeführten Zuständigkeiten der Union vorgesehenen Befugnisse der Organe unberührt lässt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).
90 Im vorliegenden Fall führt Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 269/2014 in der geänderten Fassung die in Rede stehenden Melde- und Kooperationspflichten ein. Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 269/2014 in der geänderten Fassung sieht seinerseits vor, dass die Nichteinhaltung dieser Pflichten als Teilnahme an Tätigkeiten angesehen wird, mit denen die Umgehung der restriktiven Maßnahmen bezweckt oder bewirkt wird. Er verweist insoweit auf Art. 9 Abs. 1 dieser Verordnung, der das Verbot der wissentlichen und vorsätzlichen Teilnahme an solchen Umgehungstätigkeiten vorsieht.
91 Diese Bestimmungen können nicht so verstanden werden, dass sie strafrechtliche Bestimmungen enthielten, selbst wenn man berücksichtigt, dass, wie die Kläger betonen, zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verordnung die Mehrheit der Mitgliedstaaten die Umgehung restriktiver Maßnahmen strafrechtlich ahndete.
92 Insoweit weisen die Kläger darauf hin, dass, wie aus dem Vorschlag der Kommission vom 25. Mai 2022 für einen Beschluss des Rates über die Aufnahme des Verstoßes gegen restriktive Maßnahmen der Union in die Kriminalitätsbereiche nach Artikel 83 Absatz 1 AEUV (COM[2022] 247 final) hervorgehe, dem Rat bewusst gewesen sei, dass die Umgehung von Sanktionen in allen Mitgliedstaaten mit Ausnahme von zweien strafrechtlich geahndet werde. Aus diesem Umstand kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass der Rat durch den Erlass der angefochtenen Bestimmungen die Mitgliedstaaten gezwungen hätte, die Umgehung des Einfrierens von Vermögenswerten strafrechtlich zu ahnden. Dass in den Mitgliedstaaten, die die Umgehung restriktiver Maßnahmen bereits strafrechtlich ahndeten, die bei Verstößen gegen die beiden in Rede stehenden Pflichten verhängten Sanktionen folgerichtig ebenfalls strafrechtlicher Natur waren, ergibt sich nämlich nicht aus den angefochtenen Bestimmungen, sondern beruht auf der Entscheidung der Mitgliedstaaten bezüglich der Sanktionen.
93 Folglich ist das Vorbringen zurückzuweisen, dass der Rat mit dem Erlass der angefochtenen Bestimmungen auf Unionsebene Pflichten begründet habe, die in den Bereich des Strafrechts fielen, und dass er sich dadurch als Strafrechtsgesetzgeber betätigt habe.
94 Diese Feststellung wird durch eine Lektüre von Art. 9 der Verordnung Nr. 269/2014 in der geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 15 dieser Verordnung nicht berührt. Denn aus Art. 15 Abs. 1 dieser Verordnung ergibt sich, dass es die Mitgliedstaaten sind, die für Verstöße gegen die Bestimmungen dieser Verordnung Sanktionen festlegen und alle zur Sicherstellung ihrer Anwendung erforderlichen Maßnahmen treffen. Daraus folgt, dass im Fall eines Verstoßes gegen die in Rede stehenden Pflichten, der als Umgehung der restriktiven Maßnahmen eingestuft wird, die Festlegung der Sanktionsregelung, „gegebenenfalls auch strafrechtliche[r] Sanktionen“ (Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 269/2014 in der geänderten Fassung), in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten verbleibt. Im Übrigen knüpft die den Mitgliedstaaten auferlegte Verpflichtung, eine Sanktionsregelung für den Fall der Nichteinhaltung der genannten Pflichten zu erlassen, nach ihren Zielen und ihrem Inhalt an den Beschluss 2014/145 an, da sie darauf abzielt ist, die einheitliche Anwendung der in diesem Beschluss vorgesehenen restriktiven Maßnahmen umzusetzen. Darüber hinaus lassen die Bestimmungen von Art. 15 der genannten Verordnung den nationalen Behörden die freie Wahl, ob Verstöße gegen diese Verordnung strafrechtlich oder auf andere Weise geahndet werden sollen.
95 An dieser Feststellung ändert sich schließlich auch nichts durch den Erlass des Beschlusses (EU) 2022/2332 des Rates vom 28. November 2022 über die Feststellung des Verstoßes gegen restriktive Maßnahmen der Union als einen die Kriterien nach Artikel 83 Absatz 1 AEUV erfüllenden Kriminalitätsbereich (ABl. 2022, L 308, S. 18) oder durch die Annahme des Vorschlags der Kommission vom 2. Dezember 2022 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Definition von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der Union (COM[2022] 684 final). Abgesehen davon, dass dieser Beschluss und dieser Vorschlag am 21. Juli 2022, dem Tag des Erlasses der angefochtenen Bestimmungen, nicht erlassen bzw. angenommen waren, ist darauf hinzuweisen, dass sich dieser legislative Ansatz, der auf die Harmonisierung des Strafrechts der Mitgliedstaaten abzielt, gerade von dem der im vorliegenden Fall angefochtenen Verordnung unterscheidet, die auf Art. 215 Abs. 2 AEUV gestützt ist und nur die wirksame und einheitliche Umsetzung der Verordnung Nr. 269/2014 gewährleisten soll. Denn im Unterschied zu einer auf der Grundlage von Art. 83 Abs. 1 AEUV erlassenen Richtlinie, die Straftatbestände und strafrechtliche Sanktionen für den Fall der Umgehung restriktiver Maßnahmen festlegt und die die Mitgliedstaaten, an die sie gerichtet ist, hinsichtlich des in strafrechtlicher Hinsicht zu erreichenden Ergebnisses bindet, lässt die Sanktionsregelung in Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 269/2014 in der geänderten Fassung den Mitgliedstaaten die Wahlfreiheit, ob die Sanktionen, die bei einem Verstoß gegen das Verbot der Umgehung restriktiver Maßnahmen zu verhängen sind, strafrechtlicher, verwaltungsrechtlicher oder zivilrechtlicher Natur sein sollen.
96 Da die streitigen Pflichten nicht in den Bereich des Strafrechts fallen, kann dem Rat folglich nicht vorgeworfen werden, gegen Art. 83 AEUV verstoßen zu haben, so dass der Rat entgegen dem Vorbringen der Kläger auch nicht gegen Art. 40 EUV verstoßen hat.
97 Aus alledem folgt, dass der zweite Klagegrund zurückzuweisen ist und damit die Klage insgesamt abzuweisen ist.
Kosten
98 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag des Rates ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates aufzuerlegen.
99 Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Folglich tragen das Königreich Belgien, die Republik Lettland und die Kommission ihre eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Große Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Herr Mikhail Fridman, Herr Petr Aven und Herr German Khan tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates der Europäischen Union.
3. Das Königreich Belgien, die Republik Lettland und die Kommission tragen ihre eigenen Kosten.
Van der Woude
Papasavvas
Spielmann
Costeira
Kowalik-Bańczyk
Gervasoni
Gâlea
Dimitrakopoulos
Kukovec
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. September 2024.
Unterschriften