Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)
21. November 2024(* )
„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Einfuhren von gegossenen Rohrformstücken, Rohrverschlussstücken und Rohrverbindungsstücken, mit Gewinde, aus verformbarem Gusseisen mit Ursprung in China – Vorläufige Verordnung (EU) Nr. 1071/2012 – Durchführungsverordnung (EU) Nr. 430/2013 – Gültigkeit – Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 – Art. 5 – Einleitung des Untersuchungsverfahrens – Definition der betroffenen Ware – Gegossene Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus Gusseisen mit Kugelgrafit “
In der Rechtssache C‑719/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hof van beroep te Antwerpen (Appellationshof Antwerpen, Belgien) mit Entscheidung vom 6. Oktober 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 24. November 2022, in dem Strafverfahren gegen
Profit Europe NV,
Gosselin Forwarding Services NV,
Beteiligte:
Openbaar Ministerie,
Federale Overheidsdienst Financiën,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. Gratsias, des Präsidenten der Vierten Kammer I. Jarukaitis und des Richters Z. Csehi (Berichterstatter),
Generalanwalt: G. Pitruzzella,
Kanzler: A. Lamote, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 2024,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Profit Europe NV, vertreten durch P. Diaz Gavier, Advocaat,
– der Gosselin Forwarding Services NV, vertreten durch A. Poelmans, Advocaat,
– der belgischen Regierung, vertreten durch S. Baeyens, P. Cottin und C. Pochet als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch P.‑J. Loewenthal, G. Luengo und J. Zieliński als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit der Verordnung (EU) Nr. 1071/2012 der Kommission vom 14. November 2012 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von gegossenen Rohrformstücken, Rohrverschlussstücken und Rohrverbindungsstücken, mit Gewinde, aus verformbarem Gusseisen mit Ursprung in der Volksrepublik China und Thailand (ABl. 2012, L 318, S. 10, im Folgenden: vorläufige Verordnung) und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 430/2013 des Rates vom 13. Mai 2013 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren von gegossenen Rohrformstücken, Rohrverschlussstücken und Rohrverbindungsstücken, mit Gewinde, aus verformbarem Gusseisen mit Ursprung in der Volksrepublik China und Thailand und zur Einstellung des Verfahrens gegenüber Indonesien (ABl. 2013, L 129, S. 1, im Folgenden: endgültige Verordnung) (zusammen im Folgenden: Antidumpingverordnungen).
2 Es ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens gegen die Profit Europe NV und die Gosselin Forwarding Services NV (ehemals Crosstrainer NV, im Folgenden: Gosselin), denen zur Last gelegt wird, bei der Einfuhr von gegossenen Rohrformstücken, Rohrverschlussstücken und Rohrverbindungsstücken, mit Gewinde, aus Gusseisen mit Kugelgrafit mit Ursprung in China mehrere Zuwiderhandlungen gegen zollrechtliche Vorschriften begangen zu haben.
Rechtlicher Rahmen
Unionsvorschriften über die zolltarifliche Einreihung
Zollkodex der Gemeinschaften
3 Art. 20 Abs. 1 bis 3 und 6 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1, im Folgenden: Zollkodex der Gemeinschaften) bestimmte:
„(1) Die bei Entstehen einer Zollschuld gesetzlich geschuldeten Abgaben stützen sich auf den Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften.
(2) Die sonstigen durch besondere Gemeinschaftsvorschriften erlassenen Maßnahmen im Warenverkehr werden gegebenenfalls auf der Grundlage der zolltariflichen Einreihung der betreffenden Waren angewendet.
(3) Der Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften umfasst:
a) die Kombinierte Nomenklatur;
b) jede andere Nomenklatur, die ganz oder teilweise auf der Kombinierten Nomenklatur – gegebenenfalls auch mit weiteren Unterteilungen – beruht und die durch besondere Gemeinschaftsvorschriften zur Durchführung zolltariflicher Maßnahmen im Warenverkehr erstellt worden ist;
…
(6) Die zolltarifliche Einreihung einer Ware ist die nach dem geltenden Recht getroffene Feststellung der für die betreffende Ware maßgeblichen
a) Unterposition der Kombinierten Nomenklatur oder Unterposition einer anderen Nomenklatur im Sinne des Absatzes 3 Buchstabe b) oder
b) Unterposition jeder anderen Nomenklatur, die ganz oder teilweise auf der Kombinierten Nomenklatur – gegebenenfalls auch mit weiteren Unterteilungen – beruht und die durch besondere Gemeinschaftsvorschriften zur Durchführung anderer als zolltariflicher Maßnahmen im Warenverkehr erstellt worden ist.“
– KN
4 Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. 1987, L 256, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 254/2000 des Rates vom 31. Januar 2000 (ABl. 2000, L 28, S. 16) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 2658/87) führt die Europäische Kommission die Kombinierte Nomenklatur (im Folgenden: KN) ein, die den Erfordernissen des Gemeinsamen Zolltarifs, der Statistik des Außenhandels der Europäischen Union sowie anderer Unionspolitiken auf dem Gebiet der Wareneinfuhr oder ‑ausfuhr genügt.
5 Die KN in Anhang I der Verordnung Nr. 2658/87 beruht auf dem Harmonisierten System zur Bezeichnung und Codierung der Waren, das vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens, jetzt Weltzollorganisation (WZO), ausgearbeitet und durch das am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossene Internationale Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren eingeführt wurde. Dieses Übereinkommen wurde mit dem dazugehörigen Änderungsprotokoll vom 24. Juni 1986 im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft durch den Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. 1987, L 198, S. 1) genehmigt. Nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2658/87 übernimmt die KN die sechsstelligen Positionen und Unterpositionen des Harmonisierten Systems zur Bezeichnung und Codierung der Waren; nur die siebte und die achte Stelle bilden eigene Unterteilungen.
6 Die KN enthielt sowohl in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 1006/2011 der Kommission vom 27. September 2011 (ABl. 2011, L 282, S. 1) als auch in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 927/2012 der Kommission vom 9. Oktober 2012 (ABl. 2012, L 304, S. 1) eine Position 7307, die wie folgt aufgebaut war:
„7307
Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke (z. B. Bogen, Muffen), aus Eisen oder Stahl:
– gegossen:
7307 11
– – aus nicht verformbarem Gusseisen:
7307 11 10
– – – von der für Druckrohre verwendeten Art
7307 11 90
– – – andere
7307 19
– – andere:
7307 19 10
– – – aus verformbarem Gusseisen
7307 19 90
– – – andere
– andere, aus nicht rostendem Stahl:
…
– andere“
7 Nach Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2658/87 erlässt die Kommission Erläuterungen zur KN.
8 In den am 6. Mai 2011 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten KN-Erläuterungen (ABl. 2011, C 137, S. 1) hieß es zu den Unterpositionen 7307 11 10 und 7307 11 90 der KN:
„Der Begriff ‚nicht verformbares Gusseisen‘ umfasst auch Gusseisen mit Lamellengrafit.
Hierher gehören Rohrform‑, Rohrverschluss- oder Rohrverbindungsstücke wie z. B. Bogen, Winkel, Flansche, T‑Stücke. Sie werden mit den Guss- oder Stahlrohren entweder zusammengeschraubt oder durch Druckkontakte verbunden.“
9 Die Erläuterungen zur Unterposition 7307 19 10 lauteten:
„Verformbares Gusseisen ist ein Zwischenerzeugnis zwischen Gusseisen mit Lamellengrafit und Stahlguss. Es lässt sich leicht gießen und wird nach entsprechender Wärmebehandlung fest und schmiedbar. Während der Wärmebehandlung entweicht der Kohlenstoff teilweise oder ändert seine Verbindung oder seinen Zustand; er schlägt sich schließlich in Form kleiner Knötchen nieder, die den metallischen Zusammenhalt nicht in so großem Maße stören wie die Grafitkörnchen im Gusseisen mit Lamellengrafit.
Beträgt der Kohlenstoffgehalt dieses Erzeugnisses 2 GHT oder weniger, gelten die daraus hergestellten Waren als aus Stahlguss (siehe die Anmerkung 1 zu Kapitel 73), die in Unterposition 7307 19 90 einzureihen sind.
Der Begriff ‚verformbares Gusseisen‘ umfasst auch Gusseisen mit Kugelgrafit.
…“
10 Durch die KN-Erläuterungen, die am 4. Januar 2019 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden (ABl. 2019, C 2, S. 2), wurde zum einen der dritte Absatz der Erläuterung zur Unterposition 7307 19 10 gestrichen. Zum anderen wurde eine neue Erläuterung zur Unterposition 7307 19 90 eingefügt und klargestellt, dass dazu Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke aus Gusseisen mit Kugelgrafit gehören.
– TARIC
11 Art. 2 der Verordnung Nr. 2658/87 sieht vor:
„Von der Kommission wird ein Integrierter Tarif der Europäischen Gemeinschaften, nachstehend ‚Taric‘ genannt, erstellt, der den Erfordernissen des Gemeinsamen Zolltarifs, der Außenhandelsstatistiken, der Handels- und Agrarpolitik sowie sonstiger Politiken der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Wareneinfuhr oder ‑ausfuhr genügt.
Dieser Tarif beruht auf der [KN] und umfasst:
a) die in dieser Verordnung enthaltenen Maßnahmen;
b) die zusätzlichen gemeinschaftlichen Unterteilungen, genannt ‚Unterpositionen Taric‘, die zur Durchführung der in Anhang II aufgeführten besonderen gemeinschaftlichen Maßnahmen notwendig sind;
…“
12 Zu den in Art. 2 dieser Verordnung vorgesehenen Unionsmaßnahmen gehören nach Nr. 5 des Anhangs II dieser Verordnung u. a. Antidumpingzölle.
13 Der TARIC‑Code 7307 19 10 10 galt für gegossene Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus verformbarem Gusseisen.
Antidumpingvorschriften
– Grundverordnung
14 Art. 1 Abs. 1, 2 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates vom 30. November 2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. 2009, L 343, S. 51) (im Folgenden: Grundverordnung) bestimmte:
„(1) Ein Antidumpingzoll kann auf jede Ware erhoben werden, die Gegenstand eines Dumpings ist und deren Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in der Gemeinschaft eine Schädigung verursacht.
(2) Eine Ware gilt als gedumpt, wenn ihr Preis bei der Ausfuhr in die Gemeinschaft niedriger ist als der vergleichbare Preis der zum Verbrauch im Ausfuhrland bestimmten gleichartigen Ware im normalen Handelsverkehr.
…
(4) Im Sinne dieser Verordnung ist ‚gleichartige Ware‘ eine Ware, die mit der betreffenden Ware identisch ist, d. h., ihr in jeder Hinsicht gleicht, oder, wenn es eine solche Ware nicht gibt, eine andere Ware, die zwar der betreffenden Ware nicht in jeder Hinsicht gleicht, aber Merkmale aufweist, die denen der betreffenden Ware sehr ähnlich sind.“
15 In Art. 5 („Einleitung des Verfahrens“) dieser Verordnung hieß es:
„(1) Vorbehaltlich von Absatz 6 wird eine Untersuchung zur Feststellung des Vorliegens, des Umfangs und der Auswirkungen angeblicher Dumpingpraktiken auf einen schriftlichen Antrag eingeleitet, der von einer natürlichen oder juristischen Person oder einer Vereinigung ohne Rechtspersönlichkeit, die im Namen eines Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft handelt, gestellt wird.
…
(2) Ein Antrag nach Absatz 1 muss Beweise für das Vorliegen von Dumping und für eine Schädigung sowie für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den angeblich gedumpten Einfuhren und der angeblichen Schädigung enthalten. Der Antrag enthält die folgenden dem Antragsteller üblicherweise zur Verfügung stehenden Informationen:
a) Name des Antragstellers und Beschreibung des Volumens und des Wertes der Gemeinschaftsproduktion der gleichartigen Ware durch den Antragsteller. Wird ein schriftlicher Antrag im Namen eines Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft gestellt, so ist zur Identifizierung des Wirtschaftszweigs, in dessen Namen der Antrag gestellt wird, eine Liste aller bekannten Gemeinschaftshersteller der gleichartigen Ware oder aller Zusammenschlüsse von Gemeinschaftsherstellern der gleichartigen Ware und, soweit möglich, eine Beschreibung des Volumens und des Wertes der auf diese Hersteller entfallenden Gemeinschaftsproduktion der gleichartigen Ware vorzulegen;
b) vollständige Beschreibung der angeblich gedumpten Ware, Namen der fraglichen Ursprungs- oder Ausfuhrländer, Namen aller bekannten Ausführer oder ausländischen Hersteller sowie eine Liste der bekannten Einführer der betreffenden Ware;
c) Informationen über die Preise, zu denen die betreffende Ware zum Verbrauch auf den Inlandsmärkten der Ursprungs- oder Ausfuhrländer verkauft wird (oder, soweit angemessen, Informationen über die Preise, zu denen die Ware aus den Ursprungs- oder Ausfuhrländern an ein oder mehrere Drittländer verkauft wird, oder über den rechnerisch ermittelten Wert der Ware), sowie Informationen über die Ausfuhrpreise oder, soweit angemessen, über die Preise, zu denen die Ware erstmals an einen unabhängigen Käufer in der Gemeinschaft weiterverkauft wird;
d) Informationen über die Entwicklung des Volumens der angeblich gedumpten Einfuhren, die Auswirkungen dieser Einfuhren auf die Preise der gleichartigen Ware auf dem Gemeinschaftsmarkt und folglich auf den Wirtschaftszweig der Gemeinschaft, so wie sie sich beispielsweise in den in Artikel 3 Absätze 3 und 5 aufgeführten relevanten Faktoren und Indizes widerspiegeln, die die Lage des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft beeinflussen.
(3) Die Kommission prüft, soweit möglich, die Richtigkeit und die Stichhaltigkeit der dem Antrag beigefügten Beweise, um festzustellen, ob genügend Beweise vorliegen, um die Einleitung einer Untersuchung zu rechtfertigen.
…
(9) Stellt sich nach Konsultationen heraus, dass genügend Beweise vorliegen, um die Einleitung eines Verfahrens zu rechtfertigen, so eröffnet die Kommission innerhalb von 45 Tagen nach der Antragstellung ein Verfahren und veröffentlicht eine Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union . …
(10) Die Bekanntmachung über die Einleitung des Verfahrens kündigt die Einleitung einer Untersuchung an, bezeichnet die betroffenen Waren und die betroffenen Länder, enthält eine Zusammenfassung der eingegangenen Informationen und den Hinweis, dass alle sachdienlichen Informationen der Kommission zu übermitteln sind; darin werden die Fristen festgesetzt, innerhalb deren interessierte Parteien sich selbst melden, ihren Standpunkt schriftlich darlegen und Informationen unterbreiten können, wenn solche Standpunkte und Informationen während der Untersuchung berücksichtigt werden sollen; ferner wird die Frist festgesetzt, innerhalb deren interessierte Parteien bei der Kommission einen Antrag auf Anhörung nach Artikel 6 Absatz 5 stellen können.
…“
16 Art. 6 („Untersuchung“) Abs. 1 und 5 der Grundverordnung sah vor:
„(1) Nach Einleitung des Verfahrens leitet die Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten eine Untersuchung auf Gemeinschaftsebene ein. Diese Untersuchung erstreckt sich sowohl auf das Dumping als auch auf die Schädigung, die gleichzeitig untersucht werden. …
…
(5) Die interessierten Parteien, die sich gemäß Artikel 5 Absatz 10 selbst gemeldet haben, werden angehört, wenn sie innerhalb der in der Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union festgesetzten Frist eine solche Anhörung schriftlich beantragen und dabei nachweisen, dass sie eine interessierte Partei sind, die wahrscheinlich vom Ergebnis des Verfahrens betroffen sein wird[,] und dass besondere Gründe für ihre Anhörung sprechen.“
17 Art. 7 („Vorläufige Maßnahmen“) Abs. 1 dieser Verordnung bestimmte:
„Vorläufige Zölle können auferlegt werden, wenn ein Verfahren nach Artikel 5 eingeleitet wurde, eine entsprechende Bekanntmachung veröffentlicht wurde und die interessierten Parteien nach Artikel 5 Absatz 10 ausreichend Gelegenheit erhielten, Informationen vorzulegen und Stellungnahmen abzugeben, und wenn vorläufig festgestellt wurde, dass Dumping vorliegt und ein Wirtschaftszweig der Gemeinschaft dadurch geschädigt wird, und wenn das Gemeinschaftsinteresse Maßnahmen zur Beseitigung dieser Schädigung erforderlich macht. Die vorläufigen Zölle werden frühestens 60 Tage, spätestens jedoch neun Monate nach der Einleitung des Verfahrens eingeführt.“
18 Art. 9 („Abschluss ohne Maßnahmen; Einführung endgültiger Zölle“) Abs. 4 der Grundverordnung sah vor:
„Ergibt sich aus der endgültigen Feststellung des Sachverhalts, dass Dumping und eine dadurch verursachte Schädigung vorliegen und im Gemeinschaftsinteresse ein Eingreifen gemäß Artikel 21 erforderlich ist, so führt der Rat auf einen nach Konsultationen im Beratenden Ausschuss von der Kommission unterbreiteten Vorschlag einen endgültigen Antidumpingzoll ein. Der Vorschlag wird vom Rat angenommen, es sei denn, der Rat beschließt innerhalb eines Monats nach dessen Vorlage durch die Kommission mit einfacher Mehrheit, den Vorschlag abzulehnen. Sind vorläufige Zölle eingeführt worden, so wird spätestens einen Monat vor dem Außerkrafttreten dieser Zölle ein Vorschlag für endgültige Maßnahmen unterbreitet. Der Antidumpingzoll darf die festgestellte Dumpingspanne nicht übersteigen, sollte aber niedriger sein als die Dumpingspanne, wenn ein niedrigerer Zoll ausreicht, um die Schädigung des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft zu beseitigen.“
– Vorläufige Verordnung
19 In den Erwägungsgründen 1, 2, 16, 19 und 28 der vorläufigen Verordnung hieß es:
„(1) Am 16. Februar 2012 veröffentlichte die … Kommission … im Amtsblatt der Europäischen Union [(ABl. 2012, C 44, S. 33)] die Bekanntmachung … der Einleitung eines Antidumpingverfahrens betreffend die Einfuhren von gegossenen Rohrformstücken, Rohrverschlussstücken und Rohrverbindungsstücken, mit Gewinde, aus verformbarem Gusseisen mit Ursprung in der Volksrepublik China …, Thailand und Indonesien (,betroffene Länder‘) in die Union (,Einleitungsbekanntmachung‘).
(2) Das Verfahren wurde auf einen Antrag hin eingeleitet, der am 3. Januar 2012 vom ‚Defence Committee of Tube or Pipe Cast Fittings, of Malleable Cast Iron of the European Union‘ … im Namen von Herstellern eingereicht wurde, auf die mehr als 50 % der Gesamtproduktion von gegossenen Rohrformstücken, Rohrverschlussstücken und Rohrverbindungsstücken, mit Gewinde, aus verformbarem Gusseisen (,verformbare Rohrstücke mit Gewinde‘) in der Union entfallen. Der Antrag enthielt Anscheinsbeweise für das Vorliegen von Dumping bei der genannten Ware und für eine dadurch verursachte bedeutende Schädigung; diese Beweise wurden als ausreichend für die Einleitung einer Untersuchung angesehen.
…
(16) Bei der in der Einleitungsbekanntmachung beschriebenen betroffenen Ware handelt es sich um gegossene Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus verformbarem Gusseisen …, die derzeit unter dem KN-Code ex 7307 19 10 eingereiht werden.
…
(19) Die Untersuchung ergab, dass die betroffene Ware und die in der [Volksrepublik] China, Thailand und Indonesien hergestellte und auf dem dortigen Inlandsmarkt verkaufte Ware, die im Vergleichsland Indien hergestellte und auf dem indischen Inlandsmarkt verkaufte Ware sowie die vom Wirtschaftszweig der Union in der Union hergestellte und dort verkaufte Ware dieselben grundlegenden materiellen und technischen Eigenschaften aufweisen. Daher werden diese Waren vorläufig als gleichartig im Sinne des Artikels 1 Absatz 4 der Grundverordnung angesehen (‚gleichartige Ware‘).
…
(28) Die Behörden eines der Mitgliedstaaten wiesen darauf hin, dass nach den Erläuterungen zur [KN] der Begriff ,verformbares Gusseisen‘ auch Gusseisen mit Kugelgrafit umfasst (das duktilem Gusseisen entspricht). Es wurden zwar für den [Untersuchungszeitraum] von keiner interessierten Partei Verkäufe von Gewinderohrstücken aus duktilem Gusseisen angegeben, es gibt aber Belege dafür, dass solche Verkäufe möglich wären. Da diese Rohrstücke dieselben grundlegenden materiellen Eigenschaften aufweisen wie die untersuchten verformbaren Rohrstücke mit Gewinde, erscheint es angezeigt, zu präzisieren, dass Waren aus duktilem Eisen in die Warendefinition für das Verfahren und unter die Maßnahmen fallen.“
20 Art. 1 Abs. 1 dieser Verordnung sah vor:
„Es wird ein vorläufiger Antidumpingzoll eingeführt auf die Einfuhren gegossener Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus verformbarem Gusseisen, die derzeit unter dem KN-Code ex 7307 19 10 (TARIC‑Code 7307 19 10 10) eingereiht werden, mit Ursprung in der Volksrepublik China und in Thailand.“
– Endgültige Verordnung
21 Die Erwägungsgründe 12 und 13 der endgültigen Verordnung lauteten:
„(12) Aus den vorstehenden Gründen erschien es angezeigt, die in der vorläufigen Verordnung festgelegte Warendefinition zu ändern. Daher wird die betroffene Ware endgültig definiert als gegossene Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus verformbarem Gusseisen, die derzeit unter dem KN-Code ex 7307 19 10 eingereiht sind, mit Ausnahme der Grundbestandteile von Klemmfittings mit metrischem ISO/DIN-13-Gewinde und runder Abzweigdosen aus Temperguss, mit Gewinde, die keine Abdeckung haben.
(13) Da zur betroffenen Ware und zur gleichartigen Ware keine weiteren Stellungnahmen eingingen, werden die Feststellungen in den Erwägungsgründen 17 bis 21 und 23 bis 28 der vorläufigen Verordnung bestätigt.“
22 Art. 1 Abs. 1 der endgültigen Verordnung bestimmte:
„Es wird ein endgültiger Antidumpingzoll auf die Einfuhren gegossener Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus verformbarem Gusseisen, mit Ausnahme von Grundbestandteilen von Klemmfittings mit metrischem ISO/DIN‑13‑Gewinde und runden Abzweigdosen aus Temperguss, mit Gewinde, die keine Abdeckung haben, die derzeit unter dem KN-Code ex 7307 19 10 (TARIC‑Code 7307 19 10 10) eingereiht werden, mit Ursprung in der [Volksrepublik China] und in Thailand eingeführt.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
23 Profit Europe und Gosselin sind zwei belgische Gesellschaften. Profit Europe führt Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke aus Gusseisen ein, Gosselin erbringt Zollanmeldungsdienstleistungen. Beiden wird u. a. vorgeworfen, sie hätten bei der Einfuhr von Rohrformstücken, Rohrverschlussstücken und Rohrverbindungsstücken aus Gusseisen mit Kugelgrafit mit Ursprung in China im Zeitraum vom 19. November 2012 bis zum 30. Juni 2015 Antidumpingzölle in Höhe von 651 954,11 Euro umgangen, indem sie diese Waren unter einer falschen Tarifposition und einer falschen Bezeichnung, nämlich der KN-Unterposition 7307 11 10 für Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke aus nicht verformbarem Gusseisen, angemeldet hätten.
24 Mit Bescheiden vom 30. März 2015 und vom 9. April 2015 hat die Centrale Administratie der Douane en Accijnzen (Generalverwaltung Zoll und Akzisen, Belgien) festgestellt, dass diese Waren in die KN‑Unterposition 7307 19 10 und den TARIC‑Code 7307 19 10 90 („gegossene Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke aus verformbarem Gusseisen ohne Gewinde“) einzureihen seien. Diese Bescheide verwiesen auf die KN-Erläuterungen zur Unterposition 7307 19 10, wonach der Begriff „verformbares Gusseisen“ auch Gusseisen mit Kugelgrafit umfasse, sowie auf die Schlussfolgerungen der vom 30. September bis zum 3. Oktober 2014 abgehaltenen 140. Sitzung des Ausschusses für den Zollkodex, die im Wesentlichen das weite Verständnis dieses Begriffs bestätigten.
25 Da ihre Widersprüche erfolglos blieben, erhob Profit Europe am 10. Mai 2016 bei der Nederlandstalige rechtbank van eerste aanleg Brussel (niederländischsprachiges Gericht Erster Instanz von Brüssel, Belgien) Klage gegen die einzelnen Bescheide.
26 Außerdem wurde am 24. Februar 2017 bei der Rechtbank van eerste aanleg Antwerpen, afdeling Antwerpen (Gericht Erster Instanz Antwerpen, Abteilung Antwerpen, Belgien) gegen Profit Europe und Gosselin ein Strafverfahren eingeleitet, u. a. wegen der Anmeldung von Waren unter einer falschen Tarifposition und unter einer falschen Bezeichnung.
27 Während dieses Strafverfahren lief, ersuchte die Nederlandstalige rechtbank van eerste aanleg Brussel (niederländischsprachiges Gericht Erster Instanz von Brüssel) am 16. Juni 2017 den Gerichtshof in zwei Rechtssachen um Vorabentscheidung. Dazu erging das Urteil vom 12. Juli 2018, Profit Europe (C‑397/17 und C‑398/17, EU:C:2018:564).
28 In diesem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke aus Gusseisen mit Kugelgrafit in die Auffangunterposition 7307 19 90 der KN („andere Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, aus Eisen oder Stahl“) einzureihen sind.
29 Im Anschluss an das Urteil vom 12. Juli 2018, Profit Europe (C‑397/17 und C‑398/17, EU:C:2018:564), gab der belgische Staat seinen bisher vor der Nederlandstalige rechtbank van eerste aanleg Brussel (niederländischsprachiges Gericht Erster Instanz von Brüssel) vertretenen Standpunkt auf, und Profit Europe erhielt eine Prozessentschädigung.
30 Mit Urteil vom 28. März 2019 sprach die Rechtbank van eerste aanleg Antwerpen, afdeling Antwerpen (Gericht Erster Instanz Antwerpen, Abteilung Antwerpen) zum einen Profit Europe und Gosselin in Bezug auf die Vorwürfe betreffend die Anmeldung unter einer falschen Tarifposition und unter einer falschen Bezeichnung frei und wies zum anderen die Steuerklage der Generalverwaltung Zoll und Akzisen ab.
31 Am 16. April 2019 legten das Openbaar Ministerie (Staatsanwaltschaft, Belgien) und der Federale Overheidsdienst Financiën (Föderaler Öffentlicher Dienst Finanzen, Belgien) gegen dieses Urteil Berufung beim Hof van beroep te Antwerpen (Appellationshof Antwerpen, Belgien) ein.
32 Mit Entscheidung vom 18. Juni 2020 ersuchte dieses Gericht den Gerichtshof nach Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung über die Auslegung der Antidumpingverordnungen.
33 Im Urteil vom 15. Juli 2021, Profit Europe und Gosselin Forwarding Services (C‑362/20, EU:C:2021:612), hat der Gerichtshof entschieden, dass diese Verordnungen dahin auszulegen sind, dass die mit diesen Verordnungen eingeführten vorläufigen und endgültigen Antidumpingzölle für gegossene Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus Gusseisen mit Kugelgrafit mit Ursprung in China gelten.
34 Vor dem Hof van beroep te Antwerpen (Appellationshof Antwerpen), dem vorlegenden Gericht in der vorliegenden Rechtssache, machen Profit Europe und Gosselin geltend, dass diese Verordnungen insoweit wegen Verstoßes gegen die Art. 1, 5, 6 und 9 der Grundverordnung ungültig seien, als sie Antidumpingzölle für gegossene Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus Gusseisen mit Kugelgrafit einführten, obwohl sie sich ausschließlich auf solche Stücke aus „verformbarem“ Gusseisen bezögen.
35 Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der in der vorläufigen Verordnung unter der Überschrift „Gleichartige Ware“ genannte Begriff der Waren aus „duktilem Gusseisen“, der auch Gusseisen mit Kugelgrafit umfasse, weder aus dem am 3. Januar 2012 vom „Defence Committee of Tube or Pipe Cast Fittings, of Malleable Cast Iron of the European Union“ eingereichten Antrag noch aus der Einleitungsbekanntmachung stamme, sondern aus der Stellungnahme eines Mitgliedstaats im Anschluss an die Untersuchung durch die Kommission.
36 Daraus schließt das vorlegende Gericht, dass die Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke aus duktilem Gusseisen, das sich gemäß dem Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 2018, Profit Europe (C‑397/17 und C‑398/17, EU:C:2018:564), sowohl in seiner Zusammensetzung als auch in der Art seiner Herstellung von verformbarem Gusseisen unterscheide, nicht Gegenstand einer Antidumpinguntersuchung gewesen seien. Folglich habe die Kommission über keine bezifferten Angaben verfügt, anhand deren sie hätte feststellen können, ob die Einfuhren von Rohrformstücken, Rohrverschlussstücken und Rohrverbindungsstücken aus duktilem Gusseisen in der Union gedumpt wurden, ob dieses Dumping einen Schaden verursacht hat und ob es im Interesse der Union war, in Bezug auf diese Einfuhren Antidumpingmaßnahmen zu ergreifen. Insbesondere gehe aus der vorläufigen Verordnung nicht hervor, dass die Kommission über die erforderlichen Daten verfügt habe, um den Normalwert und den Ausfuhrpreis zu bestimmen und Dumpingspannen zu berechnen.
37 Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die Kommission in Ermangelung dieser Daten die Ergebnisse der ausschließlich auf der Grundlage von Rohrformstücken, Rohrverschlussstücken und Rohrverbindungsstücken aus verformbarem Gusseisen durchgeführten Antidumpinguntersuchung einfach auf Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke aus duktilem Gusseisen ausdehnen durfte.
38 Unter diesen Umständen hat der Hof van beroep te Antwerpen (Appellationshof Antwerpen) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Verstoßen die vorläufige und die endgültige Verordnung gegen die Art. 1, 5, 6 und 9 der Grundverordnung, soweit sie die Einfuhr von gegossenen Rohrformstücken, Rohrverschlussstücken und Rohrverbindungsstücken, mit Gewinde, aus Gusseisen mit Kugelgrafit mit Ursprung in China Antidumpingzöllen unterwerfen, wenn diese Waren weder im Antrag auf Einleitung eines Antidumpingverfahrens noch in der Einleitungsbekanntmachung hinsichtlich der Antidumpingmaßnahme als betroffene Ware eingestuft wurden, kein Beweismaterial zu Dumping, Schädigung und Schadensursache vorgelegt wurde und die Europäische Kommission auf keinerlei Weise den Normalwert der Ware, ihren Ausfuhrpreis, die etwaige Dumpingspanne, die etwaige Schädigung, den Schadensumfang, die Auswirkungen anderer bekannter Faktoren auf die Schädigung, den ursächlichen Zusammenhang zwischen Dumping und Schädigung sowie die Notwendigkeit untersucht hat, diese Waren (gegossene Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus Gusseisen mit Kugelgrafit) im Unionsinteresse Antidumpingzöllen zu unterwerfen?
Zur Vorlagefrage
39 Das vorlegende Gericht möchte mit seiner Frage im Wesentlichen wissen, ob die vorläufige Verordnung und die endgültige Verordnung im Hinblick auf die Art. 1, 5, 6 und 9 der Grundverordnung insoweit ungültig sind, als sie die Einfuhren von gegossenen Rohrformstücken, Rohrverschlussstücken und Rohrverbindungsstücken, mit Gewinde, aus Gusseisen mit Kugelgrafit mit Ursprung in China mit Antidumpingzöllen belegen, obwohl sich der Antrag, die Einleitungsbekanntmachung und die anschließende Untersuchung ausschließlich auf gegossene Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus verformbarem Gusseisen bezogen.
40 Nach Art. 1 Abs. 1 der Grundverordnung kann auf eine Ware, die Gegenstand eines Dumpings ist und deren Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in der Union eine Schädigung verursacht, ein Antidumpingzoll erhoben werden. Abs. 2 dieses Artikels präzisiert, dass eine Ware als gedumpt gilt, wenn ihr Preis bei der Ausfuhr in die Union niedriger ist als der vergleichbare Preis der zum Verbrauch im Ausfuhrland bestimmten gleichartigen Ware im normalen Handelsverkehr.
41 Art. 5 der Grundverordnung legt die Voraussetzungen fest, unter denen die Untersuchung zur Feststellung des Vorliegens, des Umfangs und der Auswirkungen etwaiger Dumpingpraktiken eingeleitet wird. Wird die Untersuchung infolge eines Antrags eingeleitet, sieht Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung vor, dass dieser u. a. eine vollständige Beschreibung der angeblich gedumpten Ware sowie Beweise für das Vorliegen von Dumping bei dieser Ware und für eine dadurch verursachte Schädigung eines Wirtschaftszweigs der Union enthalten muss. Art. 5 Abs. 10 der Verordnung bestimmt, dass die Bekanntmachung über die Einleitung des Verfahrens, die die Einleitung einer Untersuchung ankündigt, u. a. die betroffene Ware bezeichnet und eine Zusammenfassung der eingegangenen Informationen enthält.
42 Art. 6 der Grundverordnung legt die während der Untersuchung anzuwendenden Regeln und Verfahren fest.
43 Nach Art. 9 Abs. 4 dieser Verordnung wird ein endgültiger Antidumpingzoll eingeführt, wenn sich aus der endgültigen Feststellung des Sachverhalts ergibt, dass Dumping und eine dadurch verursachte Schädigung vorliegen und im Unionsinteresse ein Eingreifen gemäß Art. 21 derselben Verordnung erforderlich ist.
44 So geht aus Art. 1 und aus Art. 9 Abs. 4 der Grundverordnung hervor, dass nur Waren, die Gegenstand einer Antidumpinguntersuchung waren und für die festgestellt wurde, dass sie zu einem niedrigeren Preis als dem Preis der zum Verbrauch im Ausfuhrland bestimmten gleichartigen Waren in die Union ausgeführt wurden, Antidumpingmaßnahmen unterworfen werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juli 2021, Profit Europe und Gosselin Forwarding Services, C‑362/20, EU:C:2021:612, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).
45 Für die Beantwortung der Vorlagefrage ist daher zu bestimmen, ob die gegossenen Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus Gusseisen mit Kugelgrafit wie von der Grundverordnung verlangt unter die in Nr. 2 der Einleitungsbekanntmachung enthaltene Definition der von der Untersuchung betroffenen Ware fielen.
46 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission infolge des Antrags betreffend die gegossenen Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus verformbarem Gusseisen am 16. Februar 2012 die Einleitungsbekanntmachung veröffentlicht hat, deren Nr. 2 die untersuchte Ware als „gegossene Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus verformbarem Gusseisen“ definiert. In Nr. 3 dieser Bekanntmachung hieß es, dass die angeblich gedumpte Ware daher in die KN‑Unterposition 7307 19 10 einzureihen sei, wobei darauf hingewiesen wurde, dass diese Unterposition „nur informationshalber“ angegeben werde.
47 Wie der Gerichtshof erstens bereits in den Rn. 73 und 74 des Urteils vom 15. Juli 2021, Profit Europe und Gosselin Forwarding Services (C‑362/20, EU:C:2021:612), entschieden hat, ergibt sich aus Art. 20 Abs. 2 des Zollkodex der Gemeinschaften, dass andere durch besondere Vorschriften des Unionsrechts erlassene im Warenverkehr geltende Maßnahmen als die bei Entstehung einer Zollschuld gesetzlich geschuldeten Abgaben, nämlich u. a. Antidumpingzölle, nur „gegebenenfalls“ auf der Grundlage der zolltariflichen Einreihung der betreffenden Waren angewandt werden. Somit kann sich ein Urteil des Gerichtshofs, das – wie beim Urteil vom 12. Juli 2018, Profit Europe (C‑397/17 und C‑398/17, EU:C:2018:564), der Fall – nur die zolltarifliche Einreihung einer Ware betrifft, die im Übrigen von den Antidumpingverordnungen erfasst wird, als solches nicht auf deren Anwendungsbereich auswirken. Das letztgenannte Urteil lässt also nicht den Schluss zu, dass gegossene Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus Gusseisen mit Kugelgrafit nicht von der fraglichen Antidumpinguntersuchung erfasst wurden.
48 Zweitens ist daran zu erinnern, dass während des gesamten Zeitraums zwischen der Antragstellung und dem Erlass der endgültigen Verordnung nach den KN-Erläuterungen zur Unterposition 7307 19 10, zu der gegossene Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke aus verformbarem Gusseisen gehören, der Begriff „verformbares Gusseisen“ im Sinne dieser Unterposition auch Gusseisen mit Kugelgrafit umfasste.
49 Weiter geht aus diesen Erläuterungen hervor, dass der Begriff „verformbares Gusseisen“ im Sinne der Erläuterungen als Gegensatz zu nicht verformbarem Gusseisen zu verstehen ist.
50 Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Verformbarkeit in der Werkstoffkunde die Fähigkeit eines Werkstoffs bezeichnet, sich unter Druckspannung zu deformieren, und dass sich Gusseisen mit Kugelgrafit bis zu einem gewissen Grad unter Druckspannung verformen lässt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2018, Profit Europe, C‑397/17 und C‑398/17, EU:C:2018:564, Rn. 40 und 43). Somit kann Gusseisen mit Kugelgrafit als „verformbar“ eingestuft werden.
51 Aus den Ausführungen in den Rn. 48 bis 50 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass der Begriff „verformbares Gusseisen“ im Sinne des Antrags und von Rn. 2 der Einleitungsbekanntmachung auch Gusseisen mit Kugelgrafit umfasste, so dass es sich bei gegossenen Rohrformstücken, Rohrverschlussstücken und Rohrverbindungsstücken, mit Gewinde, aus Gusseisen mit Kugelgrafit lediglich um eine Variante der betreffenden „Ware“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b und Abs. 10 der Grundverordnung handelte.
52 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich der Ausdruck „als gedumpt [geltende Ware]“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Grundverordnung nicht notwendigerweise auf eine Ware bezieht, die als homogene Gesamtheit gedacht ist. Für die Bestimmung des Inhalts dieses Ausdrucks in einem konkreten Fall ist vielmehr entscheidend, dass die betreffende Ware eine Gesamtheit von Waren umfasst, die dieselben grundlegenden materiellen und technischen Eigenschaften aufweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. März 2016, Portmeirion Group, C‑232/14, EU:C:2016:180, Rn. 38 bis 42 und 48).
53 Die gegossenen Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde weisen unabhängig davon, ob sie aus „verformbarem Gusseisen“ oder aus „Gusseisen mit Kugelgrafit“ bestehen, dieselben wesentlichen materiellen Eigenschaften auf (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juli 2021, Profit Europe und Gosselin Forwarding Services, C‑362/20, EU:C:2021:612, Rn. 63), so dass sie, wie von der Kommission in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, im Wesentlichen für dieselben Verwendungen bestimmt und austauschbar sind.
54 Somit fielen die gegossenen Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus Gusseisen mit Kugelgrafit sowohl unter die Definition der Ware, die gemäß der Behauptung im Antrag gedumpt war, als auch unter die der untersuchten Ware. Die im Rahmen dieser Untersuchung erhoben Daten sowie die Schlussfolgerungen zu Dumping, Schädigung, ursächlichem Zusammenhang und Unionsinteresse, zu denen die ursprüngliche Untersuchung in Bezug auf die gegossenen Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus verformbarem Gusseisen gelangt ist, betrafen folglich auch die gegossenen Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus Gusseisen mit Kugelgrafit.
55 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass laut dem 28. Erwägungsgrund der vorläufigen Verordnung die Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus „duktilem Gusseisen“ in die Warendefinition für das Verfahren und unter die Maßnahmen fallen, da sie dieselben grundlegenden materiellen Eigenschaften aufweisen wie die verformbaren Rohrstücke mit Gewinde. Zum einen präzisiert dieser 28. Erwägungsgrund in den meisten Sprachfassungen ferner, dass Gusseisen mit Kugelgrafit duktilem Gusseisen entspricht. Zum anderen ergibt sich aus dem 13. Erwägungsgrund der endgültigen Verordnung, dass zur betroffenen Ware keine Stellungnahme eingegangen war, so dass die u. a. im 28. Erwägungsgrund der vorläufigen Verordnung enthaltenen Schlussfolgerungen bestätigt wurden.
56 Aus diesen Feststellungen ergibt sich, dass die Prämisse, auf der die Vorlagefrage beruht, dass nämlich die gegossenen Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke, mit Gewinde, aus Gusseisen mit Kugelgrafit nicht Gegenstand des betreffenden Antidumpingverfahrens waren, unzutreffend ist und daher die Zweifel, die das vorlegende Gericht hinsichtlich der Gültigkeit der Antidumpingverordnungen im Hinblick auf die Art. 1, 5, 6 und 9 der Grundverordnung hegt, unbegründet sind.
57 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass ihre Prüfung nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der Antidumpingverordnungen im Hinblick auf die Art. 1, 5, 6 und 9 der Grundverordnung beeinträchtigen könnte.
Kosten
58 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt:
Die Prüfung der Vorlagefrage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung (EU) Nr. 1071/2012 der Kommission vom 14. November 2012 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von gegossenen Rohrformstücken, Rohrverschlussstücken und Rohrverbindungsstücken, mit Gewinde, aus verformbarem Gusseisen mit Ursprung in der Volksrepublik China und Thailand und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 430/2013 des Rates vom 13. Mai 2013 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren von gegossenen Rohrformstücken, Rohrverschlussstücken und Rohrverbindungsstücken, mit Gewinde, aus verformbarem Gusseisen mit Ursprung in der Volksrepublik China und Thailand und zur Einstellung des Verfahrens gegenüber Indonesien im Hinblick auf die Art. 1, 5, 6 und 9 der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates vom 30. November 2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern beeinträchtigen könnte.
Unterschriften