C-156/23 – Ararat

C-156/23 – Ararat

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:C:2024:892

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

17. Oktober 2024(*)

„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Einwanderungspolitik – Rückführung von Drittstaatsangehörigen, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten – Richtlinie 2008/115/EG – Art. 5 – Grundsatz der Nichtzurückweisung – Vollstreckung einer im Rahmen eines Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes erlassenen Rückkehrentscheidung infolge des illegalen Aufenthalts des betreffenden Drittstaatsangehörigen, der sich aus der Ablehnung eines Antrags auf einen im nationalen Recht vorgesehenen Aufenthaltstitel ergibt – Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, die Vereinbarkeit der Vollstreckung einer solchen Entscheidung mit dem Grundsatz der Nichtzurückweisung zu beurteilen – Art. 13 – Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen in Bezug auf die Rückkehr – Verpflichtung des nationalen Gerichts, bei der Vollstreckung einer Rückkehrentscheidung einen Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung von Amts wegen festzustellen – Umfang – Art. 4, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union “

In der Rechtssache C‑156/23 [Ararat](i)

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Rechtbank Den Haag, zittingsplaats Roermond (Bezirksgericht Den Haag, Sitzungsort Roermond, Niederlande), mit Entscheidung vom 13. März 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 14. März 2023, in dem Verfahren

K,

L,

M,

N

gegen

Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin der Zweiten Kammer K. Jürimäe in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Dritten Kammer sowie der Richter N. Jääskinen, M. Gavalec und N. Piçarra (Berichterstatter),

Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2024,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von K, L, M und N, vertreten durch C. M. G. M. Raafs, Advocaat,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und A. Hanje als Bevollmächtigte,

–        der dänischen Regierung, vertreten durch D. Elkan als Bevollmächtigte,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und A. Hoesch als Bevollmächtigte,

–        der schweizerischen Regierung, vertreten durch V. Michel, Ministerin, und L. Lanzrein als Bevollmächtigten,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Katsimerou, S. Noë und F. Wilman als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Mai 2024

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie des Art. 5 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. 2008, L 348, S. 98).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen K, L, M und N, Drittstaatsangehörigen, auf der einen und dem Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Staatssekretär für Justiz und Sicherheit, Niederlande) auf der anderen Seite über die Rechtmäßigkeit eines Bescheids, mit dem ihr Antrag auf einen im niederländischen Recht vorgesehenen Aufenthaltstitel abgelehnt und die Illegalität ihres Aufenthalts im Hoheitsgebiet des Königreichs der Niederlande festgestellt wurde, sowie der daraus resultierenden Vollstreckung einer Rückkehrentscheidung, die zuvor im Rahmen eines Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes erlassen wurde.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        In den Erwägungsgründen 6, 8, 15 und 23 der Richtlinie 2008/115 heißt es:

„(6)      Die Mitgliedstaaten sollten gewährleisten, dass der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Wege eines fairen und transparenten Verfahrens beendet wird. Im Einklang mit allgemeinen Grundsätzen des EU-Rechts sollten Entscheidungen gemäß dieser Richtlinie auf Grundlage des Einzelfalls und anhand objektiver Kriterien getroffen werden, was bedeutet, dass die Erwägungen über den bloßen Tatbestand des illegalen Aufenthalts hinausreichen sollten. …

(8)      Anerkanntermaßen haben die Mitgliedstaaten das Recht, die Rückkehr illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger sicherzustellen, unter der Voraussetzung, dass faire und effiziente Asylsysteme vorhanden sind, die den Grundsatz der Nichtzurückweisung in vollem Umfang achten.

(15)      Die Mitgliedstaaten sollten entscheiden können, ob die mit der Überprüfung von Entscheidungen in Bezug auf die Rückkehr befasste Prüfinstanz befugt ist, eine eigene Entscheidung in Bezug auf die Rückkehr zu erlassen, die die ursprüngliche Entscheidung ersetzt.

(23)      Die Anwendung dieser Richtlinie erfolgt unbeschadet der Verpflichtungen, die sich aus dem [am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (United Nations Treaty Series, Bd. 189, S. 150, Nr. 2545 [1954]), in der durch das am 31. Januar 1967 in New York geschlossene Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ergänzten Fassung (im Folgenden: Genfer Flüchtlingskonvention)] ergeben.

…“

4        Art. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie enthält gemeinsame Normen und Verfahren, die in den Mitgliedstaaten bei der Rückführung illegal [im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats] aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Einklang mit den Grundrechten als allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschafts- und des Völkerrechts, einschließlich der Verpflichtung zum Schutz von Flüchtlingen und zur Achtung der Menschenrechte, anzuwenden sind.“

5        Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie sieht vor, dass sie Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige findet.

6        Art. 3 der Richtlinie bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnen die Ausdrücke

2.      ‚illegaler Aufenthalt‘: die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Artikel [6 der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (ABl. 2016, L 77, S. 1)] oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats;

3.      ‚Rückkehr‘: die Rückreise von Drittstaatsangehörigen – in freiwilliger Erfüllung einer Rückkehrverpflichtung oder erzwungener Rückführung – in

–        deren Herkunftsland oder

–        ein Transitland gemäß gemeinschaftlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder

–        ein anderes Drittland, in das der betreffende Drittstaatsangehörige freiwillig zurückkehren will und in dem er aufgenommen wird;

4.      ‚Rückkehrentscheidung‘: die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird;

5.      ‚Abschiebung‘: die Vollstreckung der Rückkehrverpflichtung, d. h. die tatsächliche Verbringung aus dem Mitgliedstaat;

…“

7        Art. 5 („Grundsatz der Nichtzurückweisung, Wohl des Kindes, familiäre Bindungen und Gesundheitszustand“) der Richtlinie 2008/115 sieht vor:

„Bei der Umsetzung dieser Richtlinie berücksichtigen die Mitgliedstaaten in gebührender Weise:

a)      das Wohl des Kindes,

b)      die familiären Bindungen,

c)      den Gesundheitszustand der betreffenden Drittstaatsangehörigen,

und halten den Grundsatz der Nichtzurückweisung ein.“

8        Art. 6 („Rückkehrentscheidung“) dieser Richtlinie bestimmt in seinen Abs. 1, 4 und 6:

„(1)      Unbeschadet der Ausnahmen nach den Absätzen 2 bis 5 erlassen die Mitgliedstaaten gegen alle illegal in ihrem Hoheitsgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung.

(4)      Die Mitgliedstaaten können jederzeit beschließen, illegal in ihrem Hoheitsgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen wegen Vorliegen eines Härtefalls oder aus humanitären oder sonstigen Gründen einen eigenen Aufenthaltstitel oder eine sonstige Aufenthaltsberechtigung zu erteilen. In diesem Fall wird keine Rückkehrentscheidung erlassen. Ist bereits eine Rückkehrentscheidung ergangen, so ist diese zurückzunehmen oder für die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels oder der sonstigen Aufenthaltsberechtigung auszusetzen.

(6)      Durch diese Richtlinie sollen die Mitgliedstaaten nicht daran gehindert werden, entsprechend ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften und unbeschadet der nach Kapitel III und nach anderen einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts und des einzelstaatlichen Rechts verfügbaren Verfahrensgarantien mit einer einzigen behördlichen oder richterlichen Entscheidung eine Entscheidung über die Beendigung eines legalen Aufenthalts sowie eine Rückkehrentscheidung und/oder eine Entscheidung über eine Abschiebung und/oder ein Einreiseverbot zu erlassen.“

9        Art. 9 („Aufschub der Abschiebung“) dieser Richtlinie sieht in seinem Abs. 1 vor:

„Die Mitgliedstaaten schieben die Abschiebung auf,

a)      wenn diese gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen würde oder

b)      solange nach Artikel 13 Absatz 2 aufschiebende Wirkung besteht.“

10      Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/115 bestimmt: „Rückkehrentscheidungen sowie – gegebenenfalls – Entscheidungen über ein Einreiseverbot oder eine Abschiebung ergehen schriftlich und enthalten eine sachliche und rechtliche Begründung sowie Informationen über mögliche Rechtsbehelfe.“

11      Art. 13 („Rechtsbehelfe“) der Richtlinie 2008/115 bestimmt in Abs. 1 und 2:

„(1)      Die betreffenden Drittstaatsangehörigen haben das Recht, bei einer zuständigen Justiz- oder Verwaltungsbehörde oder einem zuständigen Gremium, dessen Mitglieder unparteiisch sind und deren Unabhängigkeit garantiert wird, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Entscheidungen in Bezug auf die Rückkehr nach Artikel 12 Absatz 1 einzulegen oder die Überprüfung solcher Entscheidungen zu beantragen.

(2)      Die in Absatz 1 genannte Behörde oder dieses Gremium ist befugt, Entscheidungen in Bezug auf die Rückkehr nach Artikel 12 Absatz 1 zu überprüfen, und hat auch die Möglichkeit, ihre Vollstreckung einstweilig auszusetzen, sofern eine einstweilige Aussetzung nicht bereits im Rahmen der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften anwendbar ist.“

 Niederländisches Recht

12      Art. 8:69 der Algemene wet bestuursrecht (Allgemeines Verwaltungsrechtsgesetz) in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung bestimmt:

„(1)      Das Verwaltungsgericht entscheidet auf der Grundlage der Klageschrift, der vorgelegten Unterlagen, der Voruntersuchung und der mündlichen Verhandlung.

(2)      Das Verwaltungsgericht ergänzt die Rechtsgründe von Amts wegen.

(3)      Das Verwaltungsgericht kann den Sachverhalt von Amts wegen ergänzen.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

13      Am 16. März 2011 stellten K und L, zwei Schwestern, sowie ihre Eltern, M und N, die allesamt Drittstaatsangehörige sind, einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 9. August 2012 wurde dieser Antrag mit bestandskräftigem Bescheid abgelehnt, der mit einer Rückkehrentscheidung einherging. Diese Entscheidung wurde erlassen, nachdem die zuständige Verwaltungsbehörde unter Anwendung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung beurteilt hatte, ob die Kläger des Ausgangsverfahrens im Fall der Vollstreckung der Rückkehrentscheidung und der Abschiebung in den Drittstaat eventuell der Gefahr von Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung ausgesetzt wären.

14      Am 10. Mai 2016 stellten die Kläger des Ausgangsverfahrens einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, der in einer nationalen Regelung für langfristig aufhältige Kinder vorgesehen ist. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 16. Juni 2016, der infolge der Zurückweisung ihrer gegen diesen gerichteten Widersprüche am 17. Januar 2017 bestandskräftig wurde, abgelehnt.

15      Am 18. Februar 2019 stellten sie einen neuen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels auf der Grundlage einer anderen nationalen Regelung für langfristig aufhältige Kinder. Mit Bescheid vom 8. Oktober 2019 lehnte der Staatssekretär für Justiz und Sicherheit diesen Antrag ab. Demnach stellte er zum einen fest, dass der Aufenthalt der Kläger des Ausgangsverfahrens im Hoheitsgebiet des Königreichs der Niederlande illegal sei, und zum anderen, dass die Entscheidung vom 9. August 2012 zu vollstrecken sei.

16      Die Kläger des Ausgangsverfahrens legten gegen den Bescheid vom 8. Oktober 2019 Widerspruch ein, der mit Entscheidung vom 12. November 2020 zurückgewiesen wurde; gegen diese Entscheidung legten sie bei der Rechtbank Den Haag zittingsplaats Roermond (Bezirksgericht Den Haag, Sitzungsort Roermond, Niederlande), dem vorlegenden Gericht, eine Klage ein. Dieses Gericht gab ihrem Antrag auf einstweilige Anordnungen statt, um ihnen die Möglichkeit einzuräumen, die Entscheidung über die Klage im nationalen Hoheitsgebiet abzuwarten, und setzte die Vollstreckung der Entscheidung vom 9. August 2012 aus.

17      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die Verwaltungsbehörde, die die Entscheidung vom 12. November 2020, die Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, erlassen hat, nicht beurteilt habe, ob die Vollstreckung der gegen die Kläger des Ausgangsverfahrens ergangenen Entscheidung vom 9. August 2012 den Grundsatz der Nichtzurückweisung eingehalten habe.

18      Überdies hätten die Kläger des Ausgangsverfahrens mit ihrem Antrag vom 18. Februar 2019 auf Erteilung eines im nationalen Recht vorgesehenen Aufenthaltstitels zum einen die Erlaubnis begehrt, ihr Privatleben in den Niederlanden legal fortführen zu können. Zum anderen sei eines der Argumente zur Stützung dieses Antrags die „Verwestlichung“ von K und L, die im Königreich der Niederlande aufgewachsen seien und die Normen und Werte dieses Mitgliedstaats angenommen hätten, so dass sie – sollten sie in ihr Herkunftsland zurückkehren müssen – befürchteten, sich in einer Situation zu befinden, die der in Art. 5 der Richtlinie 2008/115 verankerte Grundsatz der Nichtzurückweisung verbiete.

19      Dieses Argument sei nicht zur Stützung des am 16. März 2011 gestellten Antrags auf internationalen Schutz geltend gemacht worden, könne aber anhand der Vorschriften über den internationalen Schutz geprüft werden und daher die für die Durchführung einer solchen Prüfung zuständige Behörde dazu veranlassen, K und L gegebenenfalls die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zuzuerkennen. In diesem Zusammenhang verweist das vorlegende Gericht auf die Rechtssache, die dem Urteil vom 11. Juni 2024, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Frauen, die sich mit dem Wert der Geschlechtergleichheit identifizieren) (C‑646/21, EU:C:2024:487), zugrunde lag, die zum Zeitpunkt der Einreichung des Vorabentscheidungsersuchens in der vorliegenden Rechtssache beim Gerichtshof anhängig war.

20      K und L hätten beschlossen, keinen neuen Antrag auf internationalen Schutz mit dem Ziel zu stellen, bei der entsprechenden Behörde ihre vorgebrachte „Verwestlichung“ und damit ihre Befürchtung, deswegen verfolgt zu werden, geltend zu machen, selbst wenn ihnen eine solche Möglichkeit offenstünde, solange die Klage betreffend ihren Antrag auf einen im nationalen Recht vorgesehenen Aufenthaltstitel anhängig sei. Das vorlegende Gericht führt weiter aus, dass das nationale Recht nicht ausschließe, dass K und L ein solches Argument zur Stützung ihres Antrags auf einen im nationalen Recht vorgesehenen Aufenthaltstitel hätten geltend machen können und dass die Behörde, die die Entscheidung vom 12. November 2020 erlassen habe, ihnen auf dieser Grundlage einen „regulären Aufenthaltstitel“ hätte erteilen können.

21      In diesem Zusammenhang fragt sich das vorlegende Gericht erstens, ob Art. 5 der Richtlinie 2008/115, der in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 der Charta „eine klar formulierte Verpflichtung ohne Ausnahme oder Vorbehalt“ für die Mitgliedstaaten enthalte, bei der Umsetzung dieser Richtlinie den Grundsatz der Nichtzurückweisung zu beachten, dahin auszulegen ist, dass die zuständige Verwaltungsbehörde, wenn sie den illegalen Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen feststellt und gegen ihn die Vollstreckung einer Rückkehrentscheidung, die zuvor im Rahmen eines Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes erlassen wurde, anordnet, verpflichtet ist, diese Rückkehrentscheidung im Hinblick auf den Grundsatz der Nichtzurückweisung zu überprüfen, indem sie eine aktualisierte Beurteilung der Gefahr vornimmt, dass der Adressat der Entscheidung im Falle der Abschiebung in den Drittstaat Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung ausgesetzt wird.

22      Hierzu weist das vorlegende Gericht zum einen darauf hin, dass nach der nationalen Rechtspraxis die Abschiebung nicht durch einen von der Rückkehrentscheidung getrennten Bescheid oder Rechtsakt angeordnet werde. Sie verpflichte somit nicht nur den Drittstaatsangehörigen, an den sie gerichtet sei, zur Rückkehr, sondern sie verpflichte die zuständige Verwaltungsbehörde auch dazu, im Fall der Weigerung, dieser Rückkehrverpflichtung nachzukommen, die tatsächliche Verbringung aus dem Mitgliedstaat vorzunehmen.

23      Zum anderen werde zwar nach der nationalen Praxis die Gefahr eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung systematisch im Rahmen eines Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes beurteilt, doch sei dies in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die durch die Ablehnung eines Antrags auf einen im nationalen Recht vorgesehenen Aufenthaltstitel gekennzeichnet sei, nicht der Fall. Diese Ablehnung führe nämlich dazu, dass der betreffende Drittstaatsangehörige illegal aufhältig und zur Rückkehr verpflichtet sei.

24      Da die etwaige Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung vom 12. November 2020, mit der die Erteilung des im nationalen Recht vorgesehenen Aufenthaltstitels abgelehnt wurde, durch das vorlegende Gericht die Illegalität des Aufenthalts der Kläger des Ausgangsverfahrens im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats und damit die Vollstreckung der Entscheidung vom 9. August 2012, deren Aussetzung damit endet, festlegen werde, fragt sich das vorlegende Gericht zweitens, ob Art. 5 der Richtlinie 2008/115 in Verbindung nicht nur mit Art. 19 Abs. 2, sondern auch mit Art. 47 der Charta es verpflichte, die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung durch die Verwaltungsbehörde, die die Vollstreckung dieser Rückkehrentscheidung angeordnet hat, zu kontrollieren und gegebenenfalls von Amts wegen die Gefahr einer Verletzung dieses Grundsatzes zu prüfen.

25      In diesem Zusammenhang legt das vorlegende Gericht Zweifel daran dar, dass Art. 8:69 des Allgemeinen Verwaltungsrechtsgesetzes, der allgemein die von Amts wegen auszuübenden Befugnisse des Verwaltungsgerichts festlege, auf den hier in Rede stehenden Bereich anwendbar sei. Nach der nationalen Praxis seien die Gerichte zudem nicht verpflichtet, von Amts wegen einen Verstoß gegen den durch Art. 5 der Richtlinie 2008/115 gewährleisteten Grundsatz der Nichtzurückweisung festzustellen.

26      Das vorlegende Gericht fragt sich daher, ob die Gründe, aus denen der Gerichtshof in seinem Urteil vom 8. November 2022, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Von Amts wegen erfolgende Prüfung der Haft) (C‑704/20 und C‑39/21, EU:C:2022:858), entschieden hat, dass eine Justizbehörde im Rahmen ihrer Kontrolle, ob die sich aus dem Unionsrecht ergebenden Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Inhaftnahme eines Drittstaatsangehörigen beachtet wurden, anhand der ihr zur Kenntnis gebrachten Umstände des Falles, wie sie im bei ihr anhängigen kontradiktorischen Verfahren ergänzt oder aufgeklärt wurden, von Amts wegen zu prüfen hat, ob eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung missachtet wurde, auf die sich die betroffene Person nicht berufen hat, entsprechend für die Verpflichtung gelten, bei der Vollstreckung einer Rückkehrentscheidung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden den Grundsatz der Nichtzurückweisung zu beachten. Darüber hinaus fragt es sich, ob der Umfang der Verpflichtung, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung von Amts wegen festzustellen, so sie bestünde, davon abhängt, ob ihr im Rahmen eines Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes oder eines Verfahrens wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nachgekommen wird, das mit einem Antrag auf einen im nationalen Recht vorgesehenen Aufenthaltstitel eingeleitet wurde.

27      Jedenfalls seien sowohl der uneingeschränkt geltende Grundsatz der Nichtzurückweisung als auch das in Art. 47 der Charta vorgesehene Grundrecht, bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen, nur dann in vollem Umfang gewährleistet, wenn die Justizbehörde verpflichtet sei, von Amts wegen – gegebenenfalls unter Anwendung von Art. 8:69 des Allgemeinen Verwaltungsrechtsgesetzes – zu prüfen, ob die Vollstreckung einer Rückkehrentscheidung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden die Drittstaatsangehörigen, an die sie gerichtet ist, nicht der Gefahr von Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung in diesem Drittstaat aussetzt. Eine nationale Rechtspraxis, in der sich die gerichtliche Kontrolle auf die Beurteilung der vom betreffenden Drittstaatsangehörigen ausdrücklich vorgetragenen Argumente und Gründe beschränke, sei mit der unionsrechtlich garantierten uneingeschränkten Geltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung nicht vereinbar.

28      Unter diesen Umständen hat die Rechtbank Den Haag zittingsplaats Roermond (Bezirksgericht Den Haag, Sitzungsort Roermond) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 47 der Charta in Verbindung mit Art. 4 und Art. 19 Abs. 2 der Charta sowie Art. 5 der Richtlinie 2008/115 dahin auszulegen, dass ein Gericht von Amts wegen auf der Grundlage der ihm zur Kenntnis gebrachten Angaben in der Akte, so wie sie in dem bei ihm anhängigen kontradiktorischen Verfahren ergänzt oder verdeutlicht wurden, die mögliche Nichteinhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung feststellen muss? Hängt der Umfang dieser Pflicht davon ab, ob das kontradiktorische Verfahren durch einen Antrag auf internationalen Schutz eingeleitet wurde, und fällt der Umfang dieser Pflicht daher bei einer Beurteilung des Refoulement-Risikos im Rahmen einer Aufnahme anders aus als bei dessen Beurteilung im Rahmen einer Rückführung?

2.      Ist Art. 5 der Richtlinie 2008/115 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen, dass, wenn eine Rückkehrentscheidung in einem Verfahren erlassen wird, das nicht durch einen Antrag auf internationalen Schutz eingeleitet wurde, die Beurteilung, ob das Refoulement-Verbot einer Rückführung entgegensteht, vor Erlass einer Rückkehrentscheidung vorzunehmen ist, und steht ein festgestelltes Refoulement-Risiko dann dem Erlass einer Rückkehrentscheidung entgegen oder stellt es in dieser Situation ein Abschiebehindernis dar?

3.      Lebt eine Rückkehrentscheidung wieder auf, wenn sie aufgrund eines neuen Verfahrens ausgesetzt ist, das nicht durch einen Antrag auf internationalen Schutz eingeleitet wurde, oder ist Art. 5 der Richtlinie 2008/115 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen, dass bei Nichtbeurteilung des Refoulement-Risikos in dem Verfahren, das zur erneuten Feststellung des illegalen Aufenthalts führt, eine aktuelle Beurteilung dieses Risikos erfolgen muss, und ist dann eine neue Rückkehrentscheidung zu erlassen? Fällt die Antwort auf diese Frage anders aus, wenn keine ausgesetzte Rückkehrentscheidung vorliegt, sondern eine Rückkehrentscheidung, die über eine geraume Zeit weder vom Drittstaatsangehörigen noch von den Behörden umgesetzt wurde?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur dritten Frage

29      Mit seiner dritten Frage, die als Erstes zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 5 der Richtlinie 2008/115 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen ist, dass er die Verwaltungsbehörde, die einen Antrag auf Erteilung eines im nationalen Recht vorgesehenen Aufenthaltstitels ablehnt und infolgedessen feststellt, dass sich der betreffende Drittstaatsangehörige illegal im Hoheitsgebiet des in Rede stehenden Mitgliedstaats aufhält, verpflichtet, sich der Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung zu vergewissern, indem die zuvor gegen diesen Drittstaatsangehörigen im Rahmen eines Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes erlassene Rückkehrentscheidung, deren Aussetzung nach einer solchen Ablehnung endete, im Hinblick auf diesen Grundsatz überprüft wird.

30      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Hauptziel der Richtlinie 2008/115 – wie aus ihren Erwägungsgründen 2 und 4 hervorgeht – in der Einführung einer wirksamen Rückkehr- und Rückübernahmepolitik unter vollständiger Achtung der Grundrechte und der Würde der Betroffenen besteht (Urteile vom 19. Juni 2018, Gnandi, C‑181/16, EU:C:2018:465, Rn. 48, und vom 22. November 2022, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Abschiebung – Medizinisches Cannabis], C‑69/21, EU:C:2022:913, Rn. 88).

31      Nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115 und vorbehaltlich der in ihrem Art. 2 Abs. 2 vorgesehenen Ausnahmen findet diese Richtlinie auf alle illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältigen Drittstaatsangehörigen Anwendung. Darüber hinaus ergibt sich aus Art. 3 Nr. 2 in Verbindung mit Art. 1 der Richtlinie 2008/115, dass jeder Drittstaatsangehörige, der sich, ohne die Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt zu erfüllen, im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats befindet, schon allein deswegen dort illegal aufhältig ist und in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Juni 2018, Gnandi, C‑181/16, EU:C:2018:465, Rn. 39, vom 3. Juni 2021, Westerwaldkreis, C‑546/19, EU:C:2021:432, Rn. 43 und 44, sowie vom 9. November 2023, Odbor azylové a migrační politiky [Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie], C‑257/22, EU:C:2023:852, Rn. 36).

32      Daraus folgt, dass der Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115 allein unter Bezugnahme auf die Situation des illegalen Aufenthalts, in der sich der Drittstaatsangehörige befindet, definiert wird, unabhängig von den Gründen, die dieser Situation zugrunde liegen, oder den Maßnahmen, die gegen ihn getroffen werden können (Urteil vom 3. Juni 2021, Westerwaldkreis, C‑546/19, EU:C:2021:432, Rn. 45).

33      Im Übrigen ist ein Drittstaatsangehöriger, wenn er, wie die Kläger des Ausgangsverfahrens, in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, grundsätzlich den darin vorgesehenen gemeinsamen Normen und Verfahren im Hinblick auf seine Rückführung zu unterwerfen, sofern sein Aufenthalt nicht gegebenenfalls legalisiert wurde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Februar 2021, M u. a. [Überstellung in einen Mitgliedstaat], C‑673/19, EU:C:2021:127, Rn. 31, sowie vom 22. November 2022, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Abschiebung – Medizinisches Cannabis], C‑69/21, EU:C:2022:913, Rn. 52).

34      In dieser Hinsicht geht aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115 hervor, dass dann, wenn die Illegalität des Aufenthalts erwiesen ist, gegenüber jedem Drittstaatsangehörigen unbeschadet der Ausnahmen nach Art. 6 Abs. 2 bis 5 unter strikter Einhaltung der in Art. 5 der Richtlinie festgelegten Anforderungen eine Rückkehrentscheidung ergehen muss, in der unter den in Art. 3 Nr. 3 der Richtlinie 2008/115 genannten Drittländern dasjenige anzugeben ist, in das dieser Drittstaatsangehörige abzuschieben ist (Urteile vom 22. November 2022, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Abschiebung – Medizinisches Cannabis], C‑69/21, EU:C:2022:913, Rn. 53, und vom 6. Juli 2023, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [Flüchtling, der eine schwere Straftat begangen hat], C‑663/21, EU:C:2023:540, Rn. 46).

35      Art. 5 der Richtlinie 2008/115, der eine für die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Richtlinie geltende allgemeine Regel darstellt, verpflichtet die zuständige nationale Behörde, in jedem Stadium des Rückkehrverfahrens den Grundsatz der Nichtzurückweisung einzuhalten, der als Grundrecht in Art. 18 der Charta in Verbindung mit Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention sowie in Art. 19 Abs. 2 der Charta gewährleistet ist (Urteile vom 22. November 2022, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Abschiebung – Medizinisches Cannabis], C‑69/21, EU:C:2022:913, Rn. 55, und vom 6. Juli 2023, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [Flüchtling, der eine schwere Straftat begangen hat], C‑663/21, EU:C:2023:540, Rn. 49). Folglich kann Art. 5 der Richtlinie 2008/115 angesichts des mit ihm verfolgten Zwecks nicht eng ausgelegt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. März 2021, Belgischer Staat [Rückkehr des Elternteils eines Minderjährigen], C‑112/20, EU:C:2021:197, Rn. 35). Schließlich hat Art. 5 dieser Richtlinie unmittelbare Wirkung, so dass sich ein Einzelner auf ihn berufen kann und er von den Verwaltungsbehörden und Gerichten der Mitgliedstaaten angewandt werden kann (Urteil vom 27. April 2023, M. D. [Verbot der Einreise nach Ungarn], C‑528/21, EU:C:2023:341, Rn. 97).

36      Allerdings ist gemäß Art. 19 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 4 der Charta unabhängig vom Verhalten der betreffenden Person die Abschiebung, Ausweisung und Auslieferung dieser Person in einen Staat, in dem für sie die ernsthafte Gefahr der Todesstrafe, der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht, uneingeschränkt verboten. Daher können die Mitgliedstaaten einen Ausländer nicht abschieben, ausweisen oder ausliefern, wenn es ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme gibt, dass für ihn die reale Gefahr besteht, im Bestimmungsland einer durch diese beiden Bestimmungen der Charta verbotenen Behandlung ausgesetzt zu werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Juli 2023, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Flüchtling, der eine schwere Straftat begangen hat), C‑663/21, EU:C:2023:540, Rn. 36, und vom 18. Juni 2024, Generalstaatsanwaltschaft Hamm [Ersuchen um Auslieferung eines Flüchtlings an die Türkei], C‑352/22, EU:C:2024:521, Rn. 61) Dieses Verbot spiegelt einen der Grundwerte der Union und ihrer Mitgliedstaaten wider, wie sie in Art. 2 EUV verankert sind, und seine uneingeschränkte Geltung ist eng mit der Achtung der Würde des Menschen verbunden, auf die sich Art. 2 EUV und Art. 1 der Charta beziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru, C‑404/15 und C‑659/15 PPU, EU:C:2016:198, Rn. 85 und 87).

37      Überdies müssen die Mitgliedstaaten es den Betroffenen ermöglichen, sich auf jede nach Erlass der Rückkehrentscheidung eingetretene Änderung der Umstände zu berufen, die insbesondere in Anbetracht von insbesondere Art. 5 der Richtlinie 2008/115 erheblichen Einfluss auf die Beurteilung der Situation des betreffenden Drittstaatsangehörigen haben kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2018, Gnandi, C‑181/16, EU:C:2018:465, Rn. 64).

38      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass Art. 5 der Richtlinie 2008/115 im Licht von Art. 4 und Art. 19 Abs. 2 der Charta in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden die nationale Behörde verpflichtet, vor der Vollstreckung der Rückkehrentscheidung eine aktualisierte Bewertung der Gefahren für den Drittstaatsangehörigen, einer durch diese beiden Bestimmungen der Charta uneingeschränkt verbotenen Behandlung ausgesetzt zu werden, vorzunehmen. Diese Bewertung, die von der zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Rückkehrentscheidung durchgeführten Bewertung getrennt und unabhängig sein muss, muss es der nationalen Behörde ermöglichen, sich unter Berücksichtigung jeder eingetretenen Änderung der Umstände sowie jedes neuen, von diesem Drittstaatsangehörigen gegebenenfalls vorgetragenen Gesichtspunkts zu vergewissern, dass es keine ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Gründe für die Annahme gibt, dass der Drittstaatsangehörige im Fall der Rückkehr in einen Drittstaat dort tatsächlich der Gefahr der Todesstrafe, der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Denn nur eine solche aktualisierte Bewertung ermöglicht es dieser Behörde, sich zu vergewissern, dass die Abschiebung den rechtlichen Voraussetzungen und insbesondere den in Art. 5 der Richtlinie 2008/115 festgelegten Anforderungen entspricht.

39      Sollte die zuständige nationale Behörde nach Abschluss dieser Bewertung zu dem Ergebnis gelangen, dass die Abschiebung des betreffenden Drittstaatsangehörigen diesen der ernsthaften Gefahr der Todesstrafe, der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe aussetzen würde, muss diese Behörde die Abschiebung gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2008/115 aufschieben, solange eine solche Gefahr fortbesteht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Juni 2021, Westerwaldkreis, C‑546/19, EU:C:2021:432, Rn. 59, und vom 22. November 2022, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Abschiebung – Medizinisches Cannabis], C‑69/21, EU:C:2022:913, Rn. 58 und 59).

40      Aus dem Vorstehenden ergibt sich auch, dass eine nationale Regel oder Praxis, nach der die Prüfung der Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung nur im Rahmen eines Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes vorgenommen werden kann, gegen Art. 5 der Richtlinie 2008/115 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 der Charta verstoßen würde. Wie sich nämlich aus den Rn. 30 bis 34 des vorliegenden Urteils ergibt, gilt diese Richtlinie einschließlich ihres Art. 5 für jeden illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen, unabhängig von den dieser Situation zugrunde liegenden Gründen. Darüber hinaus spricht auch das in Rn. 30 des vorliegenden Urteils genannte Ziel einer wirksamen Rückkehrpolitik unter Wahrung der Grundrechte gegen eine solche nationale Regelung oder Praxis.

41      Wie der Generalanwalt in den Nrn. 52 und 57 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausführt, kann daher von K und L nicht verlangt werden, dass sie einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2011, L 337, S. 9) und der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. 2013, L 180, S. 60) stellen, damit ihnen die vollständige Einhaltung des in Art. 5 der Richtlinie 2008/115 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 der Charta verankerten Grundsatzes der Nichtzurückweisung gewährleistet wird.

42      Im vorliegenden Fall hätte daher der Umstand, dass sich K und L auf ihre „Verwestlichung“ beriefen, die zuständige Behörde dazu veranlassen müssen, gemäß Art. 5 der Richtlinie 2008/115 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 der Charta zu prüfen, ob der Grundsatz der Nichtzurückweisung der Vollstreckung der gegen sie ergangenen Rückkehrentscheidung entgegensteht, und gegebenenfalls gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2008/115 die Abschiebung aufzuschieben.

43      Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 5 der Richtlinie 2008/115 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen ist, dass er die Verwaltungsbehörde, die einen auf nationales Recht gestützten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnt und infolgedessen feststellt, dass sich der betreffende Drittstaatsangehörige illegal im Hoheitsgebiet des in Rede stehenden Mitgliedstaats aufhält, verpflichtet, sich der Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung zu vergewissern, indem die zuvor gegen diesen Drittstaatsangehörigen im Rahmen eines Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes erlassene Rückkehrentscheidung, deren Aussetzung nach einer solchen Ablehnung endete, im Hinblick auf diesen Grundsatz überprüft wird.

 Zur ersten Frage

44      Mit seiner ersten Frage, die als Zweites zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 13 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 5 der Richtlinie 2008/115 sowie Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass er ein nationales Gericht, das mit der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts befasst ist, mit dem die zuständige nationale Behörde einen Antrag auf Erteilung eines im nationalen Recht vorgesehenen Aufenthaltstitels abgelehnt und damit die Aussetzung der Vollstreckung einer zuvor im Rahmen eines Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes erlassenen Rückkehrentscheidung beendet hat, verpflichtet, von Amts wegen einen sich aus der Vollstreckung dieser Entscheidung resultierenden etwaigen Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung auf der Grundlage der ihm zur Kenntnis gebrachten Umstände des Falles, so wie sie nach Abschluss eines kontradiktorischen Verfahrens ergänzt oder aufgeklärt wurden, festzustellen.

45      Gemäß Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115 müssen die betreffenden Drittstaatsangehörigen das Recht haben, bei einer zuständigen Justiz- oder Verwaltungsbehörde oder einem zuständigen Gremium, dessen Mitglieder unparteiisch sind und deren Unabhängigkeit garantiert wird, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Entscheidungen in Bezug auf die Rückkehr nach Art. 12 Abs. 1 dieser Richtlinie einzulegen oder die Überprüfung solcher Entscheidungen zu beantragen.

46      Die Merkmale dieses Rechtsbehelfs sind im Einklang mit Art. 47 der Charta, wonach jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht hat, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen, sowie im Einklang mit dem Grundsatz der Nichtzurückweisung, der insbesondere in Art. 19 Abs. 2 der Charta und Art. 5 der Richtlinie 2008/115 verankert ist, zu bestimmen (Urteil vom 30. September 2020, CPAS de Liège, C‑233/19, EU:C:2020:757, Rn. 45). Wie in Rn. 35 des vorliegenden Urteils ausgeführt, verpflichten diese Bestimmungen die nationalen Behörden, diesen Grundsatz in jedem Stadium des Verfahrens vom Zeitpunkt des Erlasses einer Rückkehrentscheidung bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Überprüfung der Vollstreckung dieser Entscheidung zu berücksichtigen.

47      Hierzu ergibt sich aus Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115, dass sowohl die nationalen Verwaltungsbehörden als auch die Justizbehörden, vor denen die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung in Bezug auf die Rückkehr angefochten wird, diese Entscheidung überprüfen und gegebenenfalls die Abschiebung aufschieben können müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. April 2023, M. D. [Verbot der Einreise nach Ungarn], C‑528/21, EU:C:2023:341, Rn. 108). Insoweit können die Mitgliedstaaten, wie es im 15. Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt, entscheiden, ob eine solche Überprüfung diesen Behörden die Befugnis verleihen muss, die ursprüngliche Entscheidung durch ihre eigene Entscheidung in Bezug auf die Rückkehr zu ersetzen.

48      Damit der durch Art. 47 der Charta gewährleistete und in Art. 13 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/115 konkretisierte Rechtsschutz wirksam ist, muss der Rechtsbehelf außerdem notwendigerweise aufschiebende Wirkung haben, wenn er gegen eine Rückkehrentscheidung eingelegt wird, durch deren Vollstreckung der betreffende Drittstaatsangehörige tatsächlich der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein könnte (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Juni 2018, Gnandi, C‑181/16, EU:C:2018:465, Rn. 56, vom 30. September 2020, CPAS de Liège, C‑233/19, EU:C:2020:757, Rn. 46, und vom 27. April 2023, M. D. [Verbot der Einreise nach Ungarn], C‑528/21, EU:C:2023:341, Rn. 109).

49      Daraus folgt, wie der Generalanwalt in Nr. 50 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, dass die in Art. 13 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/115 festgelegten Verfahrensmodalitäten verhindern sollen, dass ein Drittstaatsangehöriger, gegen den eine Rückkehrentscheidung ergangen ist, nicht unter Bedingungen abgeschoben wird, die gegen Art. 5 dieser Richtlinie verstoßen. Sie sollen somit die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung gewährleisten, der, wie in Rn. 36 des vorliegenden Urteils festgestellt, uneingeschränkte Geltung hat. Es ist jedoch Sache der zuständigen nationalen Gerichte, gegebenenfalls von Amts wegen für die Einhaltung dieses Grundsatzes zu sorgen, wenn ihnen zur Kenntnis gebrachte Umstände des Falles darauf schließen lassen, dass er verletzt werden könnte.

50      Wie der Generalanwalt in Nr. 51 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, wäre nämlich der durch Art. 47 der Charta gewährleistete und in Art. 13 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/113 konkretisierte Rechtsschutz weder wirksam noch vollständig, wenn das nationale Gericht nicht verpflichtet wäre, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung von Amts wegen festzustellen, sofern die ihm zur Kenntnis gebrachten Umstände des Falles, wie sie im bei ihm anhängigen kontradiktorischen Verfahren ergänzt oder aufgeklärt wurden, darauf hindeuten, dass die Rückkehrentscheidung auf einer veralteten Bewertung der Gefahren einer nach diesem Grundsatz verbotenen Behandlung beruht, denen der Drittstaatsangehörige im Falle seiner Rückkehr in den betreffenden Drittstaat ausgesetzt wäre und daraus alle Konsequenzen für die Vollstreckung dieser Entscheidung zu ziehen. Eine Beschränkung der Aufgaben des nationalen Gerichts könnte zur Folge haben, dass eine solche Entscheidung vollstreckt wird, selbst wenn solche Angaben darauf hindeuten, dass die betroffene Person Gefahr läuft, in diesem Drittstaat solcher nach Art. 4 der Charta uneingeschränkt verbotenen Behandlung unterworfen zu werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2022, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Von Amts wegen erfolgende Prüfung der Haft], C‑704/20 und C‑39/21, EU:C:2022:858, Rn. 94.)

51      Diese Verpflichtung des nationalen Gerichts, gegebenenfalls von Amts wegen für die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung zu sorgen, besteht in gleicher Weise im Rahmen eines Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes und eines Verfahrens wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, das mit einem Antrag auf Erteilung eines im nationalen Recht vorgesehenen Aufenthaltstitels eingeleitet wurde. Wie sich nämlich aus den Rn. 31 bis 34 des vorliegenden Urteils ergibt, findet die Richtlinie 2008/115, deren Art. 13 Abs. 1 und 2 diese Verpflichtung begründet, auf alle illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältigen Drittstaatsangehörigen Anwendung.

52      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 13 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 5 der Richtlinie 2008/115 sowie Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass er ein nationales Gericht, das mit der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts befasst ist, mit dem die zuständige nationale Behörde einen Antrag auf Erteilung eines im nationalen Recht vorgesehenen Aufenthaltstitels abgelehnt und damit die Aussetzung der Vollstreckung einer zuvor im Rahmen eines Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes erlassenen Rückkehrentscheidung beendet hat, verpflichtet, von Amts wegen einen sich aus der Vollstreckung dieser Entscheidung resultierenden etwaigen Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung auf der Grundlage der ihm zur Kenntnis gebrachten Umstände des Falles, so wie sie nach Abschluss eines kontradiktorischen Verfahrens ergänzt oder aufgeklärt wurden, festzustellen.

 Zur zweiten Frage

53      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 5 der Richtlinie 2008/115 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen ist, dass er die Verwaltungsbehörde, die im Rahmen eines Verfahrens, das nicht durch einen Antrag auf internationalen Schutz eingeleitet wurde, einen Antrag auf Erteilung eines im nationalen Recht vorgesehenen Aufenthaltstitels ablehnt und infolgedessen feststellt, dass sich der antragstellende Drittstaatsangehörige illegal im Hoheitsgebiet des in Rede stehenden Mitgliedstaats aufhält, verpflichtet, gegen ihn keine Rückkehrentscheidung zu erlassen, ohne zuvor die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung beurteilt zu haben.

54      Wie das vorlegende Gericht ausdrücklich einräumt, betrifft diese Frage „den Fall, dass zuvor keine Rückkehrentscheidung ergangen ist“. Da aber im Ausgangsverfahren am 9. August 2012 eine Rückkehrentscheidung gegen die Kläger des Ausgangsverfahrens erlassen worden ist, ist diese Frage hypothetisch und enthält eine Aufforderung an den Gerichtshof, unter Missachtung seiner Aufgabe im Rahmen der mit Art. 267 AEUV eingeführten Zusammenarbeit der Gerichte ein Gutachten zu einer hypothetischen Frage abzugeben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Dezember 1981, Foglia, 244/80, EU:C:1981:302, Rn. 18, und vom 22. Februar 2022, Stichting Rookpreventie Jeugd u. a., C‑160/20, EU:C:2022:101, Rn. 84).

55      Somit ist die zweite Frage unzulässig.

 Kosten

56      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 5 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

ist dahin auszulegen, dass

er die Verwaltungsbehörde, die einen auf nationales Recht gestützten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnt und infolgedessen feststellt, dass sich der betreffende Drittstaatsangehörige illegal im Hoheitsgebiet des in Rede stehenden Mitgliedstaats aufhält, verpflichtet, sich der Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung zu vergewissern, indem die zuvor gegen diesen Drittstaatsangehörigen im Rahmen eines Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes erlassene Rückkehrentscheidung, deren Aussetzung nach einer solchen Ablehnung endete, im Hinblick auf diesen Grundsatz überprüft wird.

2.      Art. 13 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 5 der Richtlinie 2008/115 sowie mit Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta der Grundrechte

ist dahin auszulegen, dass

er ein nationales Gericht, das mit der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts befasst ist, mit dem die zuständige nationale Behörde einen Antrag auf Erteilung eines im nationalen Recht vorgesehenen Aufenthaltstitels abgelehnt und damit die Aussetzung der Vollstreckung einer zuvor im Rahmen eines Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes erlassenen Rückkehrentscheidung beendet hat, verpflichtet, von Amts wegen einen sich aus der Vollstreckung dieser Entscheidung resultierenden etwaigen Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung auf der Grundlage der ihm zur Kenntnis gebrachten Umstände des Falles, so wie sie nach Abschluss eines kontradiktorischen Verfahrens ergänzt oder aufgeklärt wurden, festzustellen.

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