C-83/24 P – Riviera und Riviera Pharma & Cosmetics/ Österreich

C-83/24 P – Riviera und Riviera Pharma & Cosmetics/ Österreich

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:C:2024:713

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer)

3. September 2024(*)

„ Rechtsmittel – Art. 181 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Mangelnde Klarheit und Genauigkeit der Rechtsmittelgründe – Offensichtlich unzulässiges Rechtsmittel “

In der Rechtssache C‑83/24 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 1. Februar 2024,

„Riviera“ Erzeugung chemischer und kosmetischer Produkte, Robert Schrenk eU mit Sitz in Tulln (Österreich),

Riviera Pharma & Cosmetics GmbH mit Sitz in Tulln,

vertreten durch Rechtsanwalt A. Krautschneider,

Rechtsmittelführerinnen,

andere Partei des Verfahrens:

Republik Österreich,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin O. Spineanu-Matei sowie des Richters J.‑C. Bonichot (Berichterstatter) und der Richterin L. S. Rossi,

Generalanwalt: A. M. Collins,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 181 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragen „Riviera“ Erzeugung chemischer und kosmetischer Produkte, Robert Schrenk eU und die Riviera Pharma & Cosmetics GmbH die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts der Europäischen Union vom 29. November 2023, Riviera und Riviera Pharma & Cosmetics/Österreich (T‑1034/23, im Folgenden: angefochtener Beschluss, EU:T:2023:771), mit dem das Gericht ihre Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV auf Aufhebung eines Urteils des Oberlandesgerichts Wien (Österreich) vom 25. April 2023 sowie eines Beschlusses des Handelsgerichts Wien (Österreich), soweit darin Punkt 4 des Urteils ON26 (Rechnungsführung) für vollstreckbar erklärt wird, wegen offensichtlicher Unzuständigkeit (im Folgenden: streitige Entscheidungen) abgewiesen hat.

 Klage vor dem Gericht und angefochtener Beschluss

2        Mit Klageschrift, die am 13. Oktober 2023 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhoben die Rechtsmittelführerinnen Klage gegen die Republik Österreich und beantragten, die streitigen Entscheidungen aufzuheben.

3        In Rn. 6 des angefochtenen Beschlusses wies das Gericht darauf hin, dass seine Zuständigkeiten in Art. 256 AEUV, der durch Art. 51 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union präzisiert werde, aufgezählt würden, und dass es nach diesen Bestimmungen nur für Klagen zuständig sei, die nach Art. 263 AEUV gegen Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Europäischen Union erhoben würden. In Rn. 7 dieses Beschlusses stellte es fest, dass die Urheber der streitigen Entscheidungen weder Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union, sondern nationale Gerichte seien.

4        Das Gericht wies die Klage der Rechtsmittelführerinnen daher wegen offensichtlicher Unzuständigkeit ab.

 Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien des Rechtsmittelverfahrens

5        Mit Schriftsatz, der am 1. Februar 2024 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist (im Folgenden: ursprünglicher Schriftsatz), haben die Rechtsmittelführerinnen ein Rechtsmittel gegen den angefochtenen Beschluss eingelegt.

6        Da der ursprüngliche Schriftsatz nicht die in der Verfahrensordnung des Gerichtshofs vorgesehenen Mindestanforderungen hinsichtlich der Angabe des Tages der Zustellung des angefochtenen Beschlusses, der Bezeichnung der anderen Parteien vor dem Gericht, der Rechtsgründe, auf die sich das Rechtsmittel stützt, und der gestellten Anträge erfüllte, wurden die Rechtsmittelführerinnen zur Behebung der Mängel aufgefordert.

7        Mit Schriftsatz, der am 6. Februar 2024 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, haben die Rechtsmittelführerinnen die Mängel des ursprünglichen Schriftsatzes behoben. Sie greifen den angefochtenen Beschluss in vollem Umfang an und geben als Beklagte die Republik Österreich und das Bundesministerium für Justiz (Österreich) sowie als Streithelferin die BODE Chemie GmbH an.

8        Die Rechtsmittelführerinnen beantragen „die Einleitung des Verfahrens gemäß der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und gemäß der Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Union aufzutragen“.

9        Außerdem ersucht der Rechtsanwalt der Rechtsmittelführerinnen gemäß § 19a der Rechtsanwaltsordnung vom 15. Juli 1868 (RGBl. Nr. 96/1868) „um Bezahlung sämtlicher Kosten zu seinen Handen“.

 Zum Rechtsmittel

10      Nach Art. 181 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs kann der Gerichtshof das Rechtsmittel oder Anschlussrechtsmittel, wenn es ganz oder teilweise offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, jederzeit auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts ganz oder teilweise durch mit Gründen versehenen Beschluss zurückweisen.

11      Diese Bestimmung ist in der vorliegenden Rechtssache anzuwenden.

12      Zur Stützung ihres Rechtsmittels machen die Rechtsmittelführerinnen als einzigen Rechtsmittelgrund einen Verstoß gegen Art. 263 AEUV geltend.

 Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen

13      Die Rechtsmittelführerinnen machen im Wesentlichen geltend, dass das Gericht ihre Klage zu Unrecht wegen offensichtlicher Unzuständigkeit abgewiesen habe.

14      Die nationalen Gerichte seien als Unionsmarkengerichte Einrichtungen der Union im Sinne von Art. 263 AEUV. Außerdem würde die Aufstellung dieser Gerichte sowohl im Amtsblatt der Europäischen Union als auch im Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich veröffentlicht, und die Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) weise diesen Gerichten Aufgaben zu.

15      Im Übrigen sei in Bezug auf eine „Einrichtung“ „nach semantischem Verständnis“ nicht wesentlich, wer die ausführenden Beamten bezahle, sondern wer die betreffende Einrichtung tatsächlich begründet habe. In diesem Zusammenhang führen die Rechtsmittelführerinnen zum Vergleich soziale Einrichtungen an, die zum Teil von privaten Vereinen finanziert würden.

 Würdigung durch den Gerichtshof

16      Das Rechtsmittel weist auch nach der in Rn. 7 des vorliegenden Beschlusses genannten Mängelbehebung verschiedene Lücken in Bezug auf die genaue Bezeichnung der Parteien, die Angabe der Anträge der Rechtsmittelführerinnen sowie die Angabe der geltend gemachten Rechtsargumente auf.

17      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsmittelschrift nach Art. 168 Abs. 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichtshofs die Bezeichnung der anderen Parteien der betreffenden Rechtssache vor dem Gericht enthalten muss. Im vorliegenden Fall benennen die Rechtsmittelführerinnen in der Rechtsmittelschrift BODE Chemie als Streithelferin.

18      Nach Art. 142 der Verfahrensordnung des Gerichts kann die Streithilfe vor diesem Gericht nur die völlige oder teilweise Unterstützung der Anträge einer Hauptpartei zum Gegenstand haben. Nach Art. 143 dieser Verfahrensordnung muss der Beteiligte, der dem Verfahren als Streithelfer beitreten möchte, einen Antrag auf Zulassung zur Streithilfe stellen; dieser führt zu einer Entscheidung oder einem Beschluss des Präsidenten des Gerichts oder des Präsidenten der betreffenden Kammer des Gerichts, die gemäß Art. 144 der Verfahrensordnung über diesen Antrag entscheiden.

19      Weder aus den Akten der Rechtssache vor dem Gericht noch aus dem angefochtenen Beschluss geht jedoch hervor, dass BODE Chemie gemäß den in der Verfahrensordnung des Gerichts vorgesehenen Förmlichkeiten in der Rechtssache, in der dieser Beschluss ergangen ist, die Eigenschaft einer Streithelferin erlangt hätte.

20      Daher ist das Rechtsmittel, soweit es BODE Chemie als Streithelferin betrifft, offensichtlich unzulässig.

21      Zweitens muss die Rechtsmittelschrift gemäß Art. 168 Abs. 1 Buchst. e der Verfahrensordnung des Gerichtshofs die Anträge des Rechtsmittelführers enthalten. Außerdem sieht Art. 169 Abs. 1 dieser Verfahrensordnung vor, dass die Rechtsmittelanträge auf die vollständige oder teilweise Aufhebung der Entscheidung des Gerichts in der Gestalt der Entscheidungsformel gerichtet sein müssen.

22      Im vorliegenden Fall beantragen die Rechtsmittelführerinnen „die Einleitung des Verfahrens gemäß der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und gemäß der Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Union aufzutragen“. Gemäß den in der vorstehenden Randnummer angeführten Bestimmungen müssen die Rechtsmittelanträge aber zumindest auf die Aufhebung der Entscheidung des Gerichts, die angefochten wird, gerichtet sein. Folglich ist zu prüfen, ob die – auch nach Mängelbehebung rudimentären – Äußerungen in der Rechtsmittelschrift dahin ausgelegt werden können, dass sie zumindest einen Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses enthalten.

23      Hierzu ist festzustellen, dass dieser Antrag zwar rudimentäre Züge hat, die Rechtsmittelführerinnen den Beginn der Darstellung des einzigen von ihnen vorgebrachten Rechtsmittelgrundes jedoch dahin ergänzen, dass „[d]er Beschluss vollinhaltlich angefochten [wird]“. Somit enthält das Rechtsmittel einen Antrag auf Aufhebung dieses Beschlusses.

24      Allerdings geht drittens aus Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie aus den Art. 168 Abs. 1 Buchst. d und Art. 169 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs hervor, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Punkte der Begründung des Urteils oder des Beschlusses, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss; anderenfalls ist das Rechtsmittel oder der betreffende Rechtsmittelgrund unzulässig (Urteil vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung ein Rechtsmittel, das diese Merkmale nicht aufweist, nicht Gegenstand einer rechtlichen Beurteilung sein kann, die es dem Gerichtshof erlaubte, die ihm in dem betreffenden Bereich zukommende Aufgabe zu erfüllen und seine Rechtmäßigkeitskontrolle durchzuführen (Urteil vom 11. Januar 2024, Foz/Rat, C‑524/22 P, EU:C:2024:23, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Im vorliegenden Fall beschränken sich die Rechtsmittelführerinnen auf den summarischen Hinweis, dass die nationalen Gerichte Einrichtungen der Union seien, weil sie erstens Unionsmarkengerichte seien, sie zweitens im Amtsblatt der Europäischen Union aufgeführt würden, drittens ihnen durch die Verordnung 2017/1001 Aufgaben zugewiesen würden und viertens die Union sie tatsächlich eingerichtet habe.

27      Es ist jedoch festzustellen, dass diese Ausführungen nicht dem Erfordernis genügen, die geltend gemachten rechtlichen Argumente im Rechtsmittel genau zu bezeichnen. Jedenfalls reichen die Ausführungen nicht aus, um darzutun, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, indem es sich für unzuständig erklärt hat, über eine Nichtigkeitsklage gegen die streitigen Entscheidungen zu befinden, weil diese von nationalen Gerichten erlassen worden seien.

28      Was im Übrigen den Antrag betrifft, dass „[g]emäß § 19a [der Rechtsanwaltsordnung] … der gezeichnete Rechtsanwalt um Bezahlung sämtlicher Kosten zu seinen Handen [ersucht]“, ist darauf hinzuweisen, dass die Verfahrensordnung des Gerichtshofs die Kosten des Rechtsmittelverfahrens unter Ausschluss der Anwendung nationaler Vorschriften regelt. Ein solcher auf das österreichische Recht gestützter Antrag ist daher offensichtlich unzulässig.

29      Nach alledem ist das Rechtsmittel als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen.

 Kosten

30      Gemäß Art. 137 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, wird über die Kosten in dem das Verfahren beendenden Beschluss entschieden.

31      Da der vorliegende Beschluss vor Zustellung der Rechtsmittelschrift an die andere Partei des Verfahrens ergeht und dieser damit keine Kosten entstehen konnten, sind den Rechtsmittelführerinnen ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) beschlossen:

1.      Das Rechtsmittel wird als offensichtlich unzulässig zurückgewiesen.

2.      „Riviera“ Erzeugung chemischer und kosmetischer Produkte, Robert Schrenk eU und die Riviera Pharma & Cosmetics GmbH tragen ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 3. September 2024.

Der Kanzler

 

Die Kammerpräsidentin

A. Calot Escobar

 

O. Spineanu-Matei



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