T-560/22 – Fachverband Eisenhüttenschlacken/ Kommission

T-560/22 – Fachverband Eisenhüttenschlacken/ Kommission

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Language of document : ECLI:EU:T:2024:610

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

11. September 2024(*)

„ EU-Düngeprodukte – Verordnung (EU) 2019/1009 – Delegierte Verordnung (EU) 2022/973 – Zulässiger Grenzwert für Gesamtchrom und Vanadium in EU-Düngeprodukten, die Eisenschlacken als Nebenprodukte verwenden – Kriterien für agronomische Wirksamkeit und Sicherheit bei der Verwendung von Nebenprodukten in Düngeprodukten – Vorsorgeprinzip – Rechtssicherheit – Verhältnismäßigkeit – Begründungspflicht “

In der Rechtssache T‑560/22,

Fachverband Eisenhüttenschlacken e. V. mit Sitz in Duisburg (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt G. Franßen und Professor C. Koenig,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch C. Hermes und R. Lindenthal als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten F. Schalin sowie des Richters I. Nõmm (Berichterstatter) und der Richterin G. Steinfatt,

Kanzler: S. Jund, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 2024

folgendes

Urteil

1        Mit seiner auf Art. 263 AEUV gestützten Klage beantragt der Kläger, der Fachverband Eisenhüttenschlacken e. V., Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der Delegierten Verordnung (EU) 2022/973 der Kommission vom 14. März 2022 zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2019/1009 des Europäischen Parlaments und des Rates durch die Festlegung von Kriterien für agronomische Wirksamkeit und Sicherheit bei der Verwendung von Nebenprodukten in EU-Düngeprodukten (ABl. 2022, L 167, S. 29, im Folgenden: angefochtene Verordnung) in Bezug auf die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. e dieser Verordnung genannten Eisenschlacken für nichtig zu erklären.

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Der Kläger ist ein Verband, dessen Mitglieder Unternehmen sind, die Eisenhüttenschlacken erzeugen oder aufbereiten oder diese in Abstimmung mit dem Erzeuger vermarkten, insbesondere als Bestandteil von kalkhaltigen Düngeprodukten.

3        Am 5. Juni 2019 erließen das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die Verordnung (EU) 2019/1009 mit Vorschriften für die Bereitstellung von EU-Düngeprodukten auf dem Markt und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1069/2009 und (EG) Nr. 1107/2009 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 (ABl. 2019, L 170, S. 1).

4        Art. 4 Abs. 1 der Verordnung 2019/1009 sieht vor:

„Ein EU-Düngeprodukt muss

a)      die Anforderungen in Anhang I für die betreffende Produktfunktionskategorie erfüllen;

b)      die Anforderungen in Anhang II für die betreffende Komponentenmaterialkategorie erfüllen; …“

5        Die Verordnung 2019/1009 sieht in ihrem Anhang I („Produktfunktionskategorien [PFC – Product Function Categories] von EU-Düngeprodukten“) Teil II („Anforderungen für PFC“) unter dem Eintrag „PFC 2: Kalkdüngemittel“ in Nr. 1 vor, dass „[e]in Kalkdüngemittel … ein EU-Düngeprodukt [ist], dessen Funktion es ist, den Säuregehalt des Bodens zu korrigieren“.

6        Die Verordnung 2019/1009 sieht in Anhang II Teil II Komponentenmaterialkategorie 11 („Nebenprodukte im Sinne der Richtlinie 2008/98/EG“) Nrn. 1 und 3 Folgendes vor:

„1.      Ein EU-Düngeprodukt darf Nebenprodukte im Sinne der Richtlinie 2008/98/EG enthalten, mit Ausnahme von …

a)      tierischen Nebenprodukten oder deren Folgeprodukten im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009,

b)      Polymeren,

c)      Kompost und

d)      Gärrückständen.

3.      Ab dem 16. Juli 2022 müssen die Nebenprodukte den durch erlassene delegierte Rechtsakte [festgelegten] Kriterien von Artikel 42 Absatz 7 entsprechen. Ein EU-Düngeprodukt, das nach diesem Datum in Verkehr gebracht wird, darf unter Nummer 1 genannte Nebenprodukte, die diese Kriterien nicht erfüllen, nicht enthalten.“

7        Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009 lautet:

„Bis zum 16. Juli 2022 erlässt die Kommission delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 44, um Anhang II Teil II Komponentenmaterialkategorie 11 Nummer 3 dieser Verordnung durch die Festlegung der Kriterien für agronomische Wirksamkeit und Sicherheit bei der Verwendung von Nebenprodukten im Sinne der Richtlinie 2008/98/EG in EU-Düngeprodukten zu ergänzen. Diese Kriterien tragen aktuellen Herstellungsverfahren, technischen Entwicklungen und den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung.“

A.      Angefochtene Verordnung

8        Auf der Grundlage von Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009 erließ die Europäische Kommission am 14. März 2022 die angefochtene Verordnung.

9        Art. 1 Abs. 1 der angefochtenen Verordnung lautet:

„Nebenprodukte der Komponentenmaterialkategorie 11 gemäß Anhang II Teil II der Verordnung … 2019/1009, die Pflanzen oder Pilze mit Nährstoffen versorgen oder deren Ernährungseffizienz verbessern, müssen die folgenden Kriterien für agronomische Wirksamkeit und Sicherheit erfüllen:

a)      Sie müssen, bezogen auf die Trockenmasse, mindestens 95 % Ammoniumsalze, Sulfatsalze, Phosphatsalze, elementaren Schwefel, Calciumcarbonat oder Calciumoxid oder Mischungen daraus enthalten;

b)      sie müssen als integraler Bestandteil eines Herstellungsverfahrens hergestellt worden sein, bei dem Stoffe und Gemische als Eingangsmaterialien verwendet werden, bei denen es sich nicht um tierische Nebenprodukte oder ihre Folgeprodukte im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates handelt;

c)      sie müssen einen organischen Kohlenstoffgehalt (Corg) von nicht mehr als 0,5 % in der Trockenmasse des Nebenprodukts aufweisen;

d)      sie dürfen nicht mehr als 6 mg/kg Trockenmasse an polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK16) enthalten;

e)      sie dürfen höchstens 20 ng WHO-Toxizitätsäquivalente …/kg Trockenmasse an polychlorierten Dibenzo‑p-dioxinen und Dibenzofuranen (PCDD/PCDF) … enthalten.

Ein EU-Düngeprodukt, das Nebenprodukte enthält oder aus solchen besteht, die Pflanzen oder Pilze mit Nährstoffen versorgen oder deren Ernährungseffizienz verbessern, darf nicht mehr als Folgendes enthalten:

a)      400 mg/kg Trockenmasse an Gesamtchrom (Cr);

b)      2 mg/kg Trockenmasse an Thallium (Tl).“

10      Art. 2 Abs. 1 Buchst. e der angefochtenen Verordnung lautet:

„Die in Artikel 1 festgelegten Kriterien gelten nicht für Nebenprodukte der Komponentenmaterialkategorie 11 gemäß Anhang II Teil II der Verordnung … 2019/1009, bei denen es sich um eines der folgenden Produkte handelt:

e)      Eisenschlacken …“.

11      Art. 2 Abs. 3 der angefochtenen Verordnung lautet:

„Ein EU-Düngeprodukt, das Nebenprodukte enthält oder aus solchen besteht, die in Absatz 1 Buchstaben e und f aufgeführt sind, darf nicht mehr als Folgendes enthalten:

a)      400 mg/kg Trockenmasse an Gesamtchrom (Cr);

b)      2 mg/kg Trockenmasse an Thallium (Tl);

c)      600 mg/kg Trockenmasse an Vanadium (V).“

12      Im zweiten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung heißt es:

„Gemäß Artikel 42 Absatz 7 der Verordnung … 2019/1009 muss die Kommission Anhang II Teil II Komponentenmaterialkategorie 11 Nummer 3 durch die Festlegung der Kriterien für agronomische Wirksamkeit und Sicherheit bei der Verwendung von Nebenprodukten im Sinne der Richtlinie 2008/98/EG in EU-Düngeprodukten ergänzen. Zu diesem Zweck beauftragte die Kommission ihre Gemeinsame Forschungsstelle (JRC) mit der wissenschaftlichen Beratung …“

13      Der neunte Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung lautet:

„Für die Kontaminanten Gesamtchrom, Thallium und Vanadium sollten zusätzliche Grenzwerte festgelegt werden. Einige Nebenprodukte können solche Kontaminanten aufgrund der Besonderheiten ihres Herstellungsverfahrens enthalten. Mit den vorgeschlagenen Grenzwerten für diese Kontaminanten sollte sichergestellt sein, dass die Verwendung von EU-Düngeprodukten, die Nebenprodukte mit solchen Kontaminanten enthalten, nicht zu deren Anreicherung im Boden führt. Die Grenzwerte für solche Kontaminanten sollten – ähnlich den Anforderungen in Anhang I der Verordnung … 2019/1009 – als Konzentration im fertigen Produkt festgelegt werden. Dies ist dadurch gerechtfertigt, dass die Sicherheitskriterien, die als Reaktion auf etwaige bestimmte festgestellte Risiken eingeführt wurden, in der Regel das fertige Produkt und nicht ein Komponentenmaterial betreffen. Dadurch dürften die Konformitätsbewertung und die Marktüberwachung solcher Produkte erleichtert werden, da Prüfungen nur am fertigen Produkt durchgeführt werden sollen.“

B.      Wissenschaftliche Stellungnahmen der JRC

14      Im Jahr 2022 gab die Gemeinsame Forschungsstelle (JRC) eine Stellungnahme zu technischen Empfehlungen für Nebenprodukte und hochreine Materialien als Bestandteile für EU-Düngeprodukte ab, auf die im zweiten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung verwiesen wird (im Folgenden: Stellungnahme der JRC von 2022).

15      In Abschnitt 9.2.5 dieser Stellungnahme mit dem Titel „Eisenschlacken“ („Ferrous slags“) wies die JRC zum einen auf die agronomische Wirksamkeit dieser Schlacken hin, da sie „einen hohen Kalkgehalt enthalten können, der dem von kalkhaltigen Düngeprodukten ähnelt“; zum anderen äußerte sie gleichwohl Bedenken im Zusammenhang mit der Verwendung von Eisenschlacken und verwies insoweit auf die Analyse in ihrer früheren Stellungnahme von 2019 zu technischen Empfehlungen für ausgewählte neue Düngemittel gemäß der Verordnung 2019/1009: Diese Stellungnahme habe u. a. die unter die Komponentenmaterialkategorie 13 fallenden durch thermische Oxidation gewonnenen Materialien und deren Folgeprodukte, darunter Stahlschlacken, betroffen (im Folgenden: Stellungnahme der JRC von 2019).

16      Die JRC wies darauf hin, dass es dreierlei Bedenken im Zusammenhang mit der Verwendung von Eisenschlacken gebe. Erstens stellte sie unter Verweis auf ihre Stellungnahme von 2019 fest, dass die lang andauernden und wiederholten Verwendungen von Eisenschlacken in Böden zu einer Anreicherung von Gesamtchrom und Vanadium in Böden führten, die die Bodenqualitätsstandards mehrerer Mitgliedstaaten überschreiten könnten. Zweitens könnten die Stahlschlacken geringe Mengen an löslichem Chrom(III) und löslichem Vanadium freisetzen, die möglicherweise toxisch für Bodenlebewesen und aquatische Lebewesen wirken könnten. In diesem Zusammenhang erinnerte sie an die vorhersehbaren Konzentrationsschwellen ohne Wirkung (Predicted no-effect concentration, PNEC) für Chrom(III), Chrom(VI) und Vanadium für aquatische Lebewesen und räumte ein, dass zwar keine unmittelbaren toxikologischen Daten für Bodenlebewesen vorlägen, diese aber in gleicher Weise wie aquatische Lebewesen empfindlich seien. Sie wies zwar darauf hin, dass die Auslaugung und der Austrag von Chrom(III) in das Grundwasser und in Oberflächengewässer durch dessen Adsorption in der Bodenmatrix verringert würden, aber die Bodenprozesse noch immer nicht hinreichend untersucht würden und daher negative Auswirkungen auf die Umwelt nicht ausgeschlossen werden könnten. Drittens stellte sie insbesondere in Bezug auf das Vorkommen von Chrom in Schlacken klar, dass Konzentrationen von Chrom(III) in Stahlschlacken den in der Verordnung 2019/1009 für die Produktfunktionskategorie PFC 1 für Düngemittel festgelegten Grenzwert für Chrom(VI) bis zum Vierfachen übersteigen könnten. Daraus schloss sie, dass selbst die geringste Umwandlung von Chrom(III) in Chrom(VI) erhebliche Risiken für die menschliche Gesundheit nach sich ziehen könne. In diesem Rahmen wies sie unter Verweis auf ihre Stellungnahme von 2019 darauf hin, dass wissenschaftliche Studien die Möglichkeit einer Umwandlung von Chrom(III) in Chrom(VI) unter der Einwirkung des in der Atmosphäre vorhandenen Sauerstoffs (Li u. a., 2017) nachgewiesen hätten und dass das so entstehende Chrom(VI) löslich sei.

17      Die JRC schloss daraus, dass angesichts der Konzentrationen von Chrom(III) von 250 mg/kg bis 2 % bis 3 % und Vanadium von 54 mg/kg bis 2,6 % in Eisenschlacken und wegen der geringen biologischen Abbaubarkeit, der Verflüchtigung und der Aufnahme dieser Elemente durch die Pflanzen sich diese Elemente in Böden anreicherten oder in Gewässer freigesetzt werden könnten, was kurz- und langfristig zu Risiken für die Gesundheit oder die Umwelt führen könne. Insoweit hätten einige Mitgliedstaaten auf der Grundlage des Vorsorgeprinzips Bedenken hinsichtlich der Anwendung und Anreicherung von chrom- und vanadiumreichen Eisenschlacken geäußert. Sie verwies auf die empfohlenen Grenzwerte für durch thermische Oxidation gewonnene Materialien von 400 bzw. 600 mg/kg Trockenmasse an Gesamtchrom und Vanadium, die in ihrer Stellungnahme von 2019 vorgesehen wurden, und empfahl, diese auf EU-Düngeprodukte, die Eisenschlacken beinhalten, zu erweitern.

18      Darüber hinaus hat die JRC in Erwiderung auf die Stellungnahmen der Beteiligten begründet, warum sie an ihrer Empfehlung für Grenzwerte für Chrom und Vanadium festhalte. Sie wies darauf hin, dass sie eine eingehende Analyse auf der Grundlage eines Szenarios vorgenommen habe, das die intensivste, aber dennoch realistische Verwendung von Schlacken darstelle, nämlich 5 Tonnen pro Hektar pro Jahr über einen langen Zeitraum mit dem empfohlenen Grenzwert von 400 mg/kg für Chrom. Dies würde zu einer weiteren Chromanreicherung führen, die etwa doppelt so hoch wäre wie die derzeitigen durchschnittlichen Chromkonzentrationen in Böden. Erstens würde eine solche Anreicherung zum Erreichen oder zu einer Überschreitung der Bodenqualitätsstandards mehrerer Mitgliedstaaten führen. Zweitens wies die JRC erneut darauf hin, dass selbst unter Berücksichtigung der geringsten Bioverfügbarkeit von Chrom(III) in Böden der bioverfügbare Anteil von Chrom(III) nahe am PNEC‑Wert läge. Drittens sei die Umwandlung von Chrom(III) in Chrom(VI) unter normalen Bodenbedingungen zwar unwahrscheinlich, doch selbst leichte Transformationen von Schlacken mit Chromkonzentrationen über dem empfohlenen Grenzwert von 400 mg/kg könnten nicht hinnehmbare Risiken für die Umwelt und die menschliche Gesundheit im Zusammenhang mit dem Vorkommen von Chrom(VI) mit sich bringen.

19      Schließlich hat die JRC betont, sie habe die alternativen Empfehlungen für die Festlegung der von der Sachverständigengruppe der Kommission formulierten Kriterien bewertet. Zum einen sei sie den Empfehlungen, die Festlegung von Grenzwerten für Chrom auszuschließen, nicht gefolgt, und habe insoweit erstens auf die Bedeutung des Vertrauens in EU-Düngeprodukte, zweitens auf die Richtigkeit des Ansatzes einiger Mitgliedstaaten, den Einsatz chromreicher Düngeprodukte, die die Qualität ihrer Böden gefährden könnten, abzulehnen, und schließlich auf die weiterhin bestehende Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, die dies wünschen, verwiesen, das Inverkehrbringen und die Verwendung von Materialien mit höheren Chromkonzentrationen in ihrem Hoheitsgebiet zuzulassen. Zum anderen sei sie unter Berufung auf die geringere Bioverfügbarkeit von Chrom in Schlacken im Vergleich zu anderen Materialien auch nicht den Empfehlungen zur Einführung strengerer Grenzwerte entsprechend bestimmten bestehenden Rechtsvorschriften gefolgt.

II.    Anträge der Parteien

20      Der Kläger beantragt,

–        Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung für nichtig zu erklären, soweit er die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. e dieser Verordnung genannten Eisenschlacken betrifft;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

21      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

A.      Zur Zulässigkeit

22      Ohne ausdrücklich eine Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, stellt die Kommission die Klagebefugnis des Klägers mit der Begründung in Frage, dass seine Mitglieder von der angefochtenen Verordnung nicht im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV unmittelbar betroffen seien. Bei der Verordnung 2019/1009, die durch die angefochtene Verordnung ergänzt werde, handele es sich um eine optionale Harmonisierung, da sie die Herstellung und das Inverkehrbringen von Produkten, die nicht ihren spezifischen Angaben entsprächen, nicht verbiete, sondern lediglich die Verwendung der CE‑Kennzeichnung betreffe. Im Wesentlichen könne die fehlende Verwendung der CE‑Kennzeichnung möglicherweise nur zu einer Verschlechterung der Voraussetzungen für den Zugang zum Binnenmarkt führen, was nicht ausreiche, um die unmittelbare Betroffenheit nachzuweisen. Daraus folge, dass die angefochtene Verordnung keine verbindlichen Rechtswirkungen für die Mitglieder des Klägers erzeuge und daher nicht davon ausgegangen werden könne, dass sie diese unmittelbar betreffe.

23      Der Kläger ist der Auffassung, dass seine Klage zulässig sei.

24      Die Klagen von Vereinigungen oder Gruppierungen sind insbesondere dann zulässig, wenn sie die Interessen von Personen wahrnehmen, die selbst klagebefugt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. März 2010, Forum 187/Kommission, T‑189/08, EU:T:2010:99, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Die Zulässigkeit einer Klage, die von einer natürlichen oder juristischen Person gegen eine nicht an sie gerichtete Handlung erhoben wird, steht nach Art. 263 Abs. 4 AEUV unter der Bedingung, dass dieser Person eine Klagebefugnis zuerkannt wird. So kann eine solche Person gegen einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, klagen, sofern dieser Rechtsakt sie unmittelbar betrifft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Oktober 2018, Internacional de Productos Metálicos/Kommission, C‑145/17 P, EU:C:2018:839, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Als Erstes ist festzustellen, dass die angefochtene Verordnung – was im Übrigen von der Kommission nicht bestritten wird – einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter darstellt und keine Durchführungsmaßnahmen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV nach sich zieht.

27      Als Zweites erfordert die in Art. 263 Abs. 4 AEUV genannte Voraussetzung, dass eine natürliche oder juristische Person von dem mit der Klage angefochtenen Rechtsakt unmittelbar betroffen sein muss, dass zwei Kriterien kumulativ erfüllt sind, nämlich zum einen, dass sich die beanstandete Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung des Einzelnen auswirkt, und zum anderen, dass sie den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Mai 1998, Glencore Grain/Kommission, C‑404/96 P, EU:C:1998:196, Rn. 41, und vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 42).

28      Es ist darauf hinzuweisen, dass das zweite Kriterium nicht relevant ist, wenn es um eine Maßnahme geht, die, wie dies hier der Fall ist, im Hinblick auf den Kläger keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2022, Grünig/Kommission, T‑746/20, EU:T:2022:836, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das erste Kriterium ist entgegen dem Vorbringen der Kommission erfüllt.

29      Erstens legt nämlich Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung Grenzwerte für den Höchstgehalt an Chrom und Vanadium fest, den Düngeprodukte, die aus Eisenschlacken bestehen oder diese enthalten, enthalten dürfen, um „EU-Düngeprodukte“ zu sein, d. h. in den Anwendungsbereich der Verordnung 2019/1009 zu fallen.

30      Zweitens bringt der Umstand, dass ein Düngeprodukt in den Anwendungsbereich der Verordnung 2019/1009 fällt, erhebliche Vorteile in Bezug auf die Vermarktung mit sich. Zum einen ist dies nach Art. 2 Nr. 2 und Art. 18 dieser Verordnung Voraussetzung für die Anbringung der CE‑Kennzeichnung. Zum anderen genießt ein Düngeprodukt, das in den Anwendungsbereich der Verordnung 2019/1009 fällt, einen erleichterten freien Warenverkehr in der Union, da nach Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung die Mitgliedstaaten „die Bereitstellung von EU-Düngeprodukten, die dieser Verordnung entsprechen, auf dem Markt aus Gründen der Zusammensetzung, Etikettierung oder anderen von dieser Verordnung abgedeckten Aspekten [nicht behindern]“.

31      Folglich können Mitglieder des Klägers, die Düngeprodukte vertreiben, die aus Eisenschlacken bestehen oder diese enthalten, deren Chrom- oder Vanadiumgehalt die in Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung festgelegten Grenzwerte überschreitet, nicht in den Genuss der Vorschriften der Verordnung 2019/1009 und insbesondere des in ihrem Art. 3 Abs. 1 vorgesehenen erleichterten freien Warenverkehrs in der Union kommen.

32      Es ist jedoch festzustellen, dass es sich im Sinne der oben in Rn. 27 angeführten Rechtsprechung „unmittelbar auf die Rechtsstellung“ von Unternehmen, die Düngeprodukte herstellen oder vermarkten, auswirkt, wenn diese Unternehmen von den Vorteilen einer rechtlichen Regelung über den Warenverkehr von EU-Düngeprodukten in der Union ausgeschlossen werden, in deren Rahmen sich die Mitgliedstaaten insbesondere nicht aus Gründen, die mit der Zusammensetzung dieser Produkte zusammenhängen, ihrer Bereitstellung auf dem Markt widersetzen können.

33      Dass ein Düngeprodukt, das vom Anwendungsbereich der Verordnung 2019/1009 ausgeschlossen ist, weiterhin in den Verkehr gebracht werden kann, schließt es daher nicht aus, dass die Unternehmen, die es herstellen oder vermarkten, angesichts des Umfangs der Vorteile, die sich aus der Inanspruchnahme der in dieser Verordnung eingeführten rechtlichen Regelung ergeben könnten, von diesem Ausschluss unmittelbar betroffen sind.

34      Daraus folgt, dass die Mitglieder des Klägers das erste Kriterium der Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit im Sinne der oben in Rn. 27 angeführten Rechtsprechung erfüllen.

35      Da eine Klage der Mitglieder des Klägers auf Nichtigerklärung von Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung zulässig gewesen wäre, ist die Klage des Klägers nach der oben in Rn. 24 angeführten Rechtsprechung zulässig.

B.      Zur Begründetheit

36      Der Kläger stützt seine Klage auf sieben Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund werden ein Ermächtigungsmissbrauch und eine Überschreitung der Ermächtigung in Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009 geltend gemacht. Mit dem zweiten Klagegrund wird eine Verletzung des Vorsorgeprinzips und der Pflicht zur Berücksichtigung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse gemäß Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009 geltend gemacht. Mit dem dritten Klagegrund wird ein Verstoß gegen die Verpflichtung gerügt, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen. Mit dem vierten und dem fünften Klagegrund werden ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit bzw. ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht. Schließlich macht der Kläger mit dem sechsten und dem siebten Klagegrund die Verletzung der Begründungspflicht und im Wesentlichen die Unrichtigkeit der Begründung der angefochtenen Verordnung geltend.

1.      Zum ersten Klagegrund: Ermächtigungsmissbrauch und Überschreitung der der Kommission durch die Verordnung 2019/1009 übertragenen Ermächtigung

37      Mit dem ersten Klagegrund macht der Kläger geltend, die Kommission habe beim Erlass von Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung das Ziel des Gesundheits- und Umweltschutzes nicht berücksichtigen dürfen. Zum einen stelle diese Berücksichtigung einen Ermächtigungsmissbrauch dar. Zum anderen überschreite sie die Grenzen der Ermächtigung in Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009.

38      Nach Ansicht der Kommission ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

39      Zur ersten Rüge, mit der ein Ermächtigungsmissbrauch geltend gemacht wird, genügt der Hinweis, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Maßnahme ermessensmissbräuchlich ist, wenn sie zu anderen als den angegebenen Zwecken erlassen worden ist (vgl. Urteil vom 4. Dezember 2018, Janoha u. a./Kommission, T‑517/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:874, Rn. 110 und die dort angeführte Rechtsprechung), d. h. zu anderen als den vom Urheber genannten Zwecken.

40      Es ist jedoch festzustellen, dass das vom Kläger beanstandete Ziel des Gesundheits- und Umweltschutzes dasjenige Ziel ist, das die Kommission als Grund für Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung angeführt hat. Insoweit genügt der Hinweis, dass es im neunten Erwägungsgrund dieser Verordnung heißt, dass mit der Festlegung zusätzlicher Grenzwerte für die Kontaminanten Gesamtchrom und Vanadium sichergestellt werden soll, dass „die Verwendung von EU-Düngeprodukten, die Nebenprodukte mit solchen Kontaminanten enthalten, nicht zu deren Anreicherung im Boden führt“, und dass dieser Erwägungsgrund auf „Sicherheitskriterien [Bezug nimmt], die als Reaktion auf etwaige bestimmte festgestellte Risiken eingeführt wurden“. Solche Angaben können vernünftigerweise als Hinweis auf das Ziel verstanden werden, negative Auswirkungen auf die Gesundheit und die Umwelt zu vermeiden, die sich aus der Anreicherung von Materialien im Boden ergeben, für die in dieser Verordnung Grenzwerte festgelegt werden, wie etwa für Gesamtchrom und Vanadium.

41      Folglich hat die Kommission beim Erlass von Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung nicht den behaupteten Ermächtigungsmissbrauch begangen, so dass die erste Rüge zurückzuweisen ist.

42      Im Rahmen einer zweiten Rüge macht der Kläger ebenfalls im Wesentlichen geltend, dass Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung die Grenzen der der Kommission durch Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009 übertragenen Ermächtigung zum Erlass delegierter Rechtsakte überschreite, weil dieser Artikel ausschließlich zur Festlegung der „Kriterien für agronomische Wirksamkeit und Sicherheit“ ermächtige, die die Berücksichtigung der Gesundheit und der Umwelt nicht umfassten.

43      Zur Stützung seiner Auslegung der Verordnung 2019/1009 macht der Kläger erstens insbesondere geltend, dass die chemische Sicherheit bereits aufgrund der Registrierung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe, zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. 2006, L 396, S. 1) gewährleistet sei, auf die Komponentenmaterialkategorie 11 Nr. 2 in Anhang II der Verordnung 2019/1009 verweise.

44      Zweitens falle der Gesundheits- und Umweltschutz nicht unter den in Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009 verwendeten Begriff der „[agronomischen] Sicherheit“. Nur die chemische Sicherheit oder die Verwendung von Stoffen sei gemeint, d. h. die Sicherheit für die Handhabung des Stoffes oder Gemisches, den Umgang mit dem Stoff oder Gemisch und die Verwendung bzw. Anwendung des Stoffes oder Gemisches.

45      Drittens leitet der Kläger daraus ab, dass die fehlende Erwähnung der Kriterien in Bezug auf die Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze sowie die Umwelt in Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009 nicht auf einem redaktionellen Versehen, sondern auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers hinsichtlich des Umfangs der der Kommission eingeräumten Ermächtigung beruhe. Die fehlende Erwähnung sei sachlich gerechtfertigt, da Anhang I Teil II der Verordnung 2019/1009 bereits Anforderungen enthalte, die die kalkhaltigen Düngeprodukte aus der Stahlindustrie hinsichtlich der Grenzwerte für Kontaminanten für die Parameter „Cadmium“, „Chrom(VI)“, „Quecksilber“, „Nickel“, „Blei“ und „Arsen“ erfüllen müssten und die dem Gesundheits- und Umweltschutz ausreichend Rechnung trügen. Art. 2 Abs. 3 der angefochtenen Verordnung führe daher zu einer Doppelregelung in Bezug auf Chrom. Außerdem könne das Ziel, das Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten, nicht zur Rechtfertigung der von der Kommission vorgenommenen Auslegung des Begriffs der „Sicherheit“ herangezogen werden, da es allein Sache des Gesetzgebers sei, den Binnenmarkt mit den Belangen des Gesundheits- und Umweltschutzes beim Erlass der Verordnung 2019/1009 in Einklang zu bringen.

46      Die Kommission tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

47      Mit dieser Rüge macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass der Begriff der „[agronomischen] Sicherheit“ in Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009, dessen Wortlaut oben in Rn. 7 wiedergegeben wird, die Auswirkungen der Verwendung von Nebenprodukten auf die Gesundheit und die Umwelt nicht einschließe, so dass die Festlegung von Grenzwerten für Gesamtchrom und Vanadium durch die Kommission für Düngeprodukte, bei denen Eisenschlacken als Nebenprodukte verwendet würden, die ihr vom Gesetzgeber übertragene Ermächtigung überschreite.

48      Da der Begriff der „[agronomischen] Sicherheit“ in Art. 2 der Verordnung 2019/1009 nicht definiert wird, muss er ausgelegt werden.

49      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur deren Wortlaut zu berücksichtigen, sondern auch der Zusammenhang, in dem sie steht, und die Ziele, die mit der Regelung verfolgt werden, zu der sie gehört (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 2005, VEMW u. a., C‑17/03, EU:C:2005:362, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Als Erstes ist zur systematischen Auslegung von Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009 festzustellen, dass diese Auslegung für ein Verständnis des Begriffs der „[agronomischen] Sicherheit“ spricht, das den Gesundheits- und Umweltschutz einschließt.

51      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 42 der Verordnung 2019/1009 die Fälle und Voraussetzungen aufzählt, unter denen die Anhänge dieser Verordnung durch den Erlass eines delegierten Rechtsakts geändert oder ergänzt werden können. Alle dort vorgesehenen Fälle implizieren, dass der Gesundheits- und Umweltschutz zu berücksichtigen ist.

52      Erstens kann eine solche Berücksichtigung bisweilen dem Grund inhärent sein, dessentwegen die Änderung beabsichtigt wird. Dies ist bei Art. 42 Abs. 6 der Verordnung 2019/1009 der Fall, der die Kriterien der biologischen Abbaubarkeit für Polymere betrifft, die unter die Komponentenmaterialkategorie 9 des Anhangs II fallen, und der Kriterien im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Abbaus dieser Polymere auf die Umwelt festlegt.

53      Zweitens werden die Gesundheit und die Umwelt auch in Art. 42 Abs. 1 und 8 berücksichtigt. Art. 42 Abs. 1 betrifft die Anpassung der Anhänge an den technischen Fortschritt. Diese Bestimmung legt in Buchst. b als Voraussetzung fest, dass „wissenschaftliche Belege dafür vorliegen [müssen], i) dass [EU-Düngeprodukte] kein Risiko für die Gesundheit von Mensch, Tier oder Pflanze, für die Sicherheit oder die Umwelt bergen, und ii) dass ihre agronomische Wirksamkeit gewährleistet ist“. Art. 42 Abs. 8 dieser Verordnung betrifft die Anpassung der Anhänge zur Berücksichtigung des wissenschaftlichen Fortschritts. Darin heißt es, dass eine Änderung „erforderlich ist, um zu gewährleisten, dass kein EU-Düngeprodukt, das die Anforderungen dieser Verordnung erfüllt, unter normalen Anwendungsbedingungen ein Risiko für die Gesundheit von Mensch, Tier oder Pflanze, für die Sicherheit oder die Umwelt birgt“.

54      Drittens kommt die Berücksichtigung der für die Gesundheit und die Umwelt bestehenden Risiken auch in den übrigen Fällen zum Ausdruck, in denen Art. 42 der Verordnung 2019/1009 eine Änderung ihrer Anhänge vorsieht. Zum einen verweisen Abs. 2, 4 und 5 auf die in Abs. 1 Buchst. b dieses Artikels genannten Voraussetzungen. Zum anderen verweist Abs. 3 auf Art. 6 der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (ABl. 2008, L 312, S. 3), der u. a. als Voraussetzung vorsieht, dass die Verwendung des Stoffes oder Gegenstands insgesamt nicht zu schädlichen Umwelt- oder Gesundheitsfolgen führt.

55      Es liefe daher der Systematik von Art. 42 der Verordnung 2019/1009 zuwider, wenn der delegierte Rechtsakt, den die Kommission im Zusammenhang mit der Komponentenmaterialkategorie 11 gemäß Abs. 7 dieser Bestimmung erlässt, keinem Kriterium des Gesundheits- und Umweltschutzes unterliegt, während dieser Schutz bereichsübergreifend bei allen delegierten Rechtsakten berücksichtigt wird, die die Kommission zur Änderung oder Ergänzung der Anhänge der Verordnung 2019/1009 zu erlassen hat.

56      Genauer gesagt sollte eine Auslegung des in Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009 enthaltenen Kriteriumsbegriffs der agronomischen Sicherheit im Licht der Abs. 1 und 8 dieser Bestimmung dazu führen, dass die Risiken „für die Gesundheit von Mensch, Tier oder Pflanze, für die Sicherheit oder die Umwelt“ bei diesem Begriff berücksichtigt werden.

57      Als Zweites wird diese Schlussfolgerung durch die teleologische Auslegung der Verordnung 2019/1009 bestätigt. Daraus ergibt sich nämlich, dass die Berücksichtigung der Auswirkungen, die die in ihren Anwendungsbereich fallenden Erzeugnisse auf die Gesundheit und die Umwelt haben, eine wesentliche Erwägung für den Gesetzgeber darstellt. So bezieht sich der dritte Erwägungsgrund der Verordnung 2019/1009 auf die Notwendigkeit, „sicherzustellen, dass Produkte, die in der Union frei verkehren dürfen, Anforderungen genügen, die ein hohes Niveau beim Schutz der öffentlichen Interessen wie etwa Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze, Sicherheit und Umwelt gewährleisten“. Ebenso wird im 53. Erwägungsgrund dieser Verordnung hervorgehoben, dass „EU-Düngeprodukte … nur in Verkehr gebracht werden [sollten], wenn sie ausreichend wirksam sind und kein Risiko für die Gesundheit von Mensch, Tier oder Pflanze, für die Sicherheit oder für die Umwelt bergen, wenn sie ordnungsgemäß gelagert und zweckgebunden oder unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen angewandt werden, das heißt, wenn sich eine solche Anwendung aus einem rechtmäßigen und ohne Weiteres vorhersehbaren menschlichen Verhalten ergeben könnte“. Schließlich wird im 72. Erwägungsgrund dieser Verordnung erneut darauf hingewiesen, dass das Ziel der Verordnung darin besteht, „sicherzustellen, dass der Binnenmarkt funktioniert und die EU-Düngeprodukte auf dem Markt die Anforderungen für ein hohes Niveau in Bezug auf den Schutz der Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze, der Sicherheit und der Umwelt erfüllen“.

58      Unter diesen Umständen liefe es der Absicht des Gesetzgebers zuwider, Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009 dahin auszulegen, dass die Kommission – wenn sie die maßgeblichen Kriterien für die Verwendung eines Stoffes oder Gegenstands festlegt, der bei einem Herstellungsprozess in einem Düngeprodukt entstanden ist – die Auswirkungen der Verwendung dieses Nebenprodukts auf die Gesundheit und die Umwelt nicht berücksichtigen dürfte.

59      Als Drittes ist darauf hinzuweisen, dass auch eine Auslegung des Begriffs der „[agronomischen] Sicherheit“ in Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009 im Licht der Art. 11 und 114 AEUV für die Einbeziehung des Schutzes der Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze, der Sicherheit und der Umwelt spricht. Gemäß Art. 11 AEUV „[müssen d]ie Erfordernisse des Umweltschutzes … bei der Festlegung und Durchführung der Unionspolitiken und ‑maßnahmen insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung einbezogen werden“. Ebenso bestimmt Art. 114 AEUV, der die Rechtsgrundlage dieser Verordnung darstellt, in Abs. 3, dass „[d]ie Kommission … in ihren Vorschlägen nach Absatz 1 in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz von einem hohen Schutzniveau aus[geht] und … dabei insbesondere alle auf wissenschaftliche Ergebnisse gestützten neuen Entwicklungen [berücksichtigt]. Im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse streben das Europäische Parlament und der Rat dieses Ziel ebenfalls an.“

60      Diese Schlussfolgerung wird durch die verschiedenen Argumente des Klägers nicht widerlegt. Insoweit geht zwar aus dem 26. Erwägungsgrund der Verordnung 2019/1009 hervor, dass der Gesetzgeber als Voraussetzung für die Sicherheit von Stoffen, aus denen ein EU-Düngeprodukt besteht, ihre Registrierung nach den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1907/2006 vorsieht, doch schließt dies nicht aus, dass eigenständige Anforderungen aufgestellt werden, mit denen die Sicherheit dieser Stoffe unter dem Gesichtspunkt des Gesundheits- und Umweltschutzes gewährleistet werden soll. Auch der Umstand, dass in Anhang I der Verordnung 2019/1009 Anforderungen u. a. in Bezug auf den Chromgehalt in der Produktfunktionskategorie „Kalkdüngemittel“ aufgeführt sind, schließt nicht aus, dass für die Kategorie von Komponentenmaterialien zusätzliche Anforderungen vorgesehen werden können. Aus einer Zusammenschau der Erwägungsgründe 7 und 9 dieser Verordnung ergibt sich nämlich, dass die Verpflichtung, sowohl die Anforderungen zu erfüllen, die für die betreffende Produktfunktionskategorie gelten, als auch die Anforderungen, die für die betreffende(n) Komponentenmaterialkategorie(n) gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. a und b dieser Verordnung gelten, mit der potenziellen Gefährlichkeit und Variabilität der verschiedenen Komponentenmaterialien zu erklären ist, die in ein und derselben Produktfunktionskategorie vorkommen können. Es ist daher folgerichtig, dass Anforderungen im Hinblick auf den Gesundheits- und Umweltschutz sowohl für die Produktfunktionskategorie als auch für die Komponentenmaterialkategorien festgelegt werden.

61      Nach alledem ist festzustellen, dass der Begriff der „[agronomischen] Sicherheit“ in Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009 dahin zu verstehen ist, dass er die Berücksichtigung des Schutzes der Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanzen, der Sicherheit und der Umwelt umfasst.

62      Daraus folgt, dass die Kommission, indem sie dieses Ziel bei der Festlegung der Grenzwerte für Vanadium und Gesamtchrom in Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung berücksichtigt hat, die Grenzen der Ermächtigung in Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009 nicht überschritten hat.

63      Daher ist die zweite Rüge des Klägers und ist folglich auch der erste Klagegrund zurückzuweisen.

2.      Zum zweiten Klagegrund: Verletzung des Vorsorgeprinzips und Art. 42 Abs. 7 Satz 2 der Verordnung 2019/1009

64      Mit dem zweiten Klagegrund macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass die Kommission bei der Festlegung der Grenzwerte für Chrom und Vanadium gegen das Vorsorgeprinzip verstoßen habe, das durch die Verpflichtung gemäß Art. 42 Abs. 7 Satz 2 der Verordnung 2019/1009, die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu berücksichtigen, konkretisiert werde, und stellt ganz allgemein die Richtigkeit der Bewertungen in den Stellungnahmen der JRC in Frage.

65      Die Kommission tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

a)      Vorbemerkungen

1)      Zu den einschlägigen Rechtsgrundsätzen

66      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs bedeutet das Vorsorgeprinzip, das einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, dass bei Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken u. a. für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt Schutzmaßnahmen getroffen werden können, ohne dass abgewartet werden müsste, dass das Bestehen und die Schwere dieser Risiken vollständig dargelegt werden. Erweist es sich als unmöglich, das Vorliegen oder den Umfang des behaupteten Risikos mit Sicherheit festzustellen, weil die Ergebnisse der durchgeführten Studien unschlüssig sind, die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadens für die Umwelt jedoch fortbesteht, falls das Risiko eintreten sollte, rechtfertigt das Vorsorgeprinzip den Erlass beschränkender Maßnahmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Mai 2021, Bayer CropScience und Bayer/Kommission, C‑499/18 P, EU:C:2021:367, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67      Darüber hinaus hat das Gericht bereits darauf hingewiesen, dass innerhalb des Verfahrens, das mit dem Erlass geeigneter Maßnahmen zur Vermeidung bestimmter potenzieller Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt aufgrund des Vorsorgeprinzips durch ein Organ endet, sich drei aufeinanderfolgende Schritte unterscheiden lassen: erstens die Ermittlung der potenziell abträglichen Wirkungen, die sich aus einem Vorgang ergeben, zweitens die Bewertung der mit diesem Vorgang verbundenen Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt und drittens, wenn die ermittelten potenziellen Gefahren die Schwelle der gesellschaftlichen Akzeptanz überschreiten, das Risikomanagement durch den Erlass geeigneter Schutzmaßnahmen (vgl. Urteil vom 17. März 2021, FMC/Kommission, T‑719/17, EU:T:2021:143, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

68      Der zweite Schritt, in dem es um die Bewertung der Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt geht, besteht für das Organ, das sich mit potenziell abträglichen Wirkungen eines Vorgangs konfrontiert sieht, in der wissenschaftlichen Einschätzung dieser Gefahren und der Feststellung, ob diese die gesellschaftliche Akzeptanz überschreiten. Damit die Organe eine solche Einschätzung der Gefahren vornehmen können, müssen sie daher zum einen über eine wissenschaftliche Bewertung der Gefahren verfügen und zum anderen das Gefahrenniveau festlegen, das für die Gesellschaft nicht mehr hinnehmbar erscheint (Urteil vom 17. Mai 2018, Bayer CropScience u. a./Kommission, T‑429/13 und T‑451/13, EU:T:2018:280, Rn. 112).

69      Was erstens die wissenschaftliche Risikobewertung betrifft, so wird sie als ein Verfahren definiert, mit dem so weit wie möglich eine Gefahr ermittelt und beschrieben, eine Abschätzung des Risikos vorgenommen und das Risiko umschrieben wird (vgl. Urteil vom 17. Mai 2018, Bayer CropScience u. a./Kommission, T‑429/13 und T‑451/13, EU:T:2018:280, Rn. 113 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70      Da es sich um ein wissenschaftliches Verfahren handelt, muss das Organ die wissenschaftliche Risikobewertung wissenschaftlichen Experten übertragen (vgl. Urteil vom 17. Mai 2018, Bayer CropScience u. a./Kommission, T‑429/13 und T‑451/13, EU:T:2018:280, Rn. 115 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Von einer wissenschaftlichen Risikobewertung kann nicht verlangt werden, dass sie den Organen zwingende wissenschaftliche Beweise für das tatsächliche Vorliegen des Risikos und die Schwere der potenziellen nachteiligen Wirkungen im Fall seiner Verwirklichung liefert. Die Anwendung des Vorsorgeprinzips erfolgt nämlich definitionsgemäß in einem Kontext wissenschaftlicher Unsicherheit. Außerdem darf eine vorbeugende Maßnahme oder umgekehrt ihre Rücknahme oder Abschwächung nicht von dem Nachweis abhängig gemacht werden, dass keinerlei Risiken bestehen, weil ein solcher Nachweis im Allgemeinen aus wissenschaftlicher Sicht nicht erbracht werden kann, da es in der Praxis ein Risikoniveau „null“ nicht gibt. Eine vorbeugende Maßnahme darf indessen nicht mit einer rein hypothetischen Betrachtung des Risikos begründet werden, die auf wissenschaftlich noch nicht verifizierte bloße Vermutungen gestützt ist (vgl. Urteil vom 17. Mai 2018, Bayer CropScience u. a./Kommission, T‑429/13 und T‑451/13, EU:T:2018:280, Rn. 116 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Die Risikobewertung muss nämlich auf den besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten beruhen und ist in einer unabhängigen, objektiven und transparenten Art und Weise vorzunehmen (vgl. Urteil vom 17. Mai 2018, Bayer CropScience u. a./Kommission, T‑429/13 und T‑451/13, EU:T:2018:280, Rn. 117 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass sich eine vollständige wissenschaftliche Risikobewertung wegen der Unzulänglichkeit der verfügbaren wissenschaftlichen Daten als unmöglich erweisen kann. Dies kann indessen die zuständige Behörde nicht daran hindern, aufgrund des Vorsorgeprinzips vorbeugende Maßnahmen zu treffen. In diesem Fall müssen die wissenschaftlichen Experten trotz der verbleibenden wissenschaftlichen Ungewissheit eine wissenschaftliche Risikobewertung vornehmen, die der zuständigen öffentlichen Stelle eine so zuverlässige und fundierte Information vermittelt, dass diese Stelle die volle Tragweite der aufgeworfenen wissenschaftlichen Frage erfassen und ihre Politik in Kenntnis der Sachlage bestimmen kann (vgl. Urteil vom 17. Mai 2018, Bayer CropScience u. a./Kommission, T‑429/13 und T‑451/13, EU:T:2018:280, Rn. 118 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74      Wenn es sich als unmöglich erweist, das Bestehen oder den Umfang des behaupteten Risikos mit Sicherheit festzustellen, weil die Ergebnisse der durchgeführten Studien unzureichend, nicht schlüssig oder ungenau sind, die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadens jedoch fortbesteht, falls das Risiko eintritt, rechtfertigt das Vorsorgeprinzip den Erlass beschränkender Maßnahmen, wenn sie objektiv und nicht diskriminierend sind (vgl. Urteil vom 17. Mai 2018, Bayer CropScience u. a./Kommission, T‑429/13 und T‑451/13, EU:T:2018:280, Rn. 119 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Mithin kann eine vorbeugende Maßnahme nur dann getroffen werden, wenn das Risiko, ohne dass seine Existenz und sein Umfang durch zwingende wissenschaftliche Daten „in vollem Umfang“ nachgewiesen worden wären, auf der Grundlage der zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Maßnahme verfügbaren wissenschaftlichen Daten gleichwohl hinreichend dokumentiert erscheint (vgl. Urteil vom 17. Mai 2018, Bayer CropScience u. a./Kommission, T‑429/13 und T‑451/13, EU:T:2018:280, Rn. 120 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76      In einem solchen Zusammenhang entspricht somit der Begriff „Risiko“ dem Grad der Wahrscheinlichkeit nachteiliger Wirkungen für das von der Rechtsordnung geschützte Gut aufgrund der Zulassung bestimmter Maßnahmen oder bestimmter Verfahren. Dagegen wird der Begriff „Gefahr“ gemeinhin in einem weiteren Sinne verwendet und bezeichnet jedes Produkt oder Verfahren, das eine nachteilige Wirkung für die menschliche Gesundheit oder jedes andere von der Rechtsordnung geschützte Gut haben kann (vgl. Urteil vom 17. Mai 2018, Bayer CropScience u. a./Kommission, T‑429/13 und T‑451/13, EU:T:2018:280, Rn. 121 und die dort angeführte Rechtsprechung).

77      Was zweitens die Bestimmung des Risikoniveaus betrifft, das für die Gesellschaft nicht hinnehmbar erscheint, so steht dies, unter Wahrung der einschlägigen Rechtsvorschriften, den Organen zu, die für die in der Festlegung des für diese Gesellschaft angemessenen Schutzniveaus bestehende politische Entscheidung zuständig sind. Diese Organe haben die kritische Schwelle für die Wahrscheinlichkeit nachteiliger Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt und für die Schwere dieser potenziellen Wirkungen festzulegen, die ihnen für diese Gesellschaft nicht mehr hinnehmbar erscheint und bei deren Überschreitung im Interesse des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt trotz der verbleibenden wissenschaftlichen Ungewissheit der Rückgriff auf vorbeugende Maßnahmen erforderlich wird (vgl. Urteil vom 17. Mai 2018, Bayer CropScience u. a./Kommission, T‑429/13 und T‑451/13, EU:T:2018:280, Rn. 122 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78      Bei der Bestimmung des für die Gesellschaft nicht hinnehmbar erscheinenden Risikoniveaus sind die Organe durch ihre Pflicht zur Sicherstellung eines hohen Niveaus des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt gebunden. Dieses hohe Schutzniveau muss nicht unbedingt auf das in technischer Hinsicht Höchstmögliche abzielen, um mit Art. 114 Abs. 3 AEUV vereinbar zu sein. Außerdem dürfen diese Organe keine rein hypothetische Betrachtung des Risikos vornehmen und ihre Entscheidungen nicht auf ein „Nullrisiko“ ausrichten (vgl. Urteil vom 17. Mai 2018, Bayer CropScience u. a./Kommission, T‑429/13 und T‑451/13, EU:T:2018:280, Rn. 123 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79      Die Bestimmung des als für die Gesellschaft nicht hinnehmbar angesehenen Risikoniveaus hängt von der Beurteilung der besonderen Umstände jedes Einzelfalls durch die zuständige öffentliche Stelle ab. Insoweit kann die betreffende Stelle insbesondere die Schwere der Auswirkungen, die der Eintritt dieses Risikos auf die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt hat, einschließlich des Umfangs der möglichen nachteiligen Wirkungen, die Dauer, die Reversibilität oder die möglichen Spätfolgen dieser Schäden sowie die mehr oder weniger konkrete Wahrnehmung des Risikos nach dem Stand der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigen (vgl. Urteil vom 17. Mai 2018, Bayer CropScience u. a./Kommission, T‑429/13 und T‑451/13, EU:T:2018:280, Rn. 124 und die dort angeführte Rechtsprechung).

80      Der dritte Schritt, der das Risikomanagement betrifft, umfasst die Gesamtheit der Maßnahmen eines mit einem Risiko konfrontierten Organs, die dieses auf ein für die Gesellschaft hinnehmbar erscheinendes Niveau zurückführen sollen, wie es seiner Pflicht aufgrund des Vorsorgeprinzips zur Gewährleistung eines hohen Niveaus des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt entspricht. Diese Maßnahmen umfassen den Erlass vorläufiger Maßnahmen, die verhältnismäßig, frei von Diskriminierung, transparent und im Vergleich zu entsprechenden bereits erlassenen ähnlichen Maßnahmen kohärent sein müssen (vgl. Urteil vom 17. Mai 2018, Bayer CropScience u. a./Kommission, T‑429/13 und T‑451/13, EU:T:2018:280, Rn. 125 und 126 und die dort angeführte Rechtsprechung).

2)      Zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle durch das Gericht

81      Soweit die Ausübung der der Kommission durch Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009 übertragenen Aufgabe, die Kriterien für die agronomische Wirksamkeit und Sicherheit festzulegen, notwendigerweise die Vornahme komplexer wissenschaftlicher und technischer Beurteilungen umfasst, ist ihr ein weites Ermessen zuzuerkennen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. November 2017, Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a., C‑691/15 P, EU:C:2017:882, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

82      Ebenso hat das Gericht, soweit die Bewertung wissenschaftlicher Studien vom Kläger in Frage gestellt wird, bereits festgestellt, dass der Kommission hinsichtlich dieser Bewertung sowie der Entscheidung, welchen Studien unabhängig von ihrer zeitlichen Abfolge Vorrang vor anderen zukommen soll, ein weites Ermessen einzuräumen ist (Urteil vom 24. Oktober 2018, Deza/Kommission, T‑400/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:712, Rn. 95).

83      Die Ausübung dieses Ermessens ist jedoch nicht der gerichtlichen Kontrolle entzogen. Nach ständiger Rechtsprechung muss der Unionsrichter nämlich im Rahmen dieser Kontrolle insoweit überprüfen, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt von der Kommission zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen (vgl. Urteil vom 18. Juli 2007, Industrias Químicas del Vallés/Kommission, C‑326/05 P, EU:C:2007:443, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

84      Insbesondere dann, wenn sich eine Partei darauf beruft, das zuständige Organ habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, haben die Gerichte der Union zu kontrollieren, ob dieses Organ sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls untersucht hat, auf die die betreffende Beurteilung gestützt ist. Diese sich aus dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung ergebende Sorgfaltspflicht gilt generell für das Handeln der Unionsverwaltung (vgl. Urteil vom 22. November 2017, Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a., C‑691/15 P, EU:C:2017:882, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

85      Darüber hinaus berührt die Beschränkung der Kontrolle durch die Unionsgerichte nicht deren Pflicht, die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz zu prüfen, sowie zu kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. November 2008, Niederlande/Kommission, C‑405/07 P, EU:C:2008:613, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

86      Hinzu kommt, dass ein die Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts rechtfertigender offensichtlicher Irrtum der Kommission bei der Würdigung komplexer Tatsachen nur festgestellt werden kann, wenn die vom Kläger vorgebrachten Beweise ausreichen, um die Sachverhaltswürdigung im Rechtsakt als nicht plausibel erscheinen zu lassen. Abgesehen von dieser Plausibilitätskontrolle darf das Gericht seine Beurteilung komplexer Tatsachen nicht an die Stelle der Beurteilung des Organs setzen, das den Rechtsakt erlassen hat (Urteil vom 17. Mai 2018, Agro u. a./Kommission, T‑584/13, EU:T:2018:279, Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung).

3)      Zu den wissenschaftlichen Stellungnahmen der JRC

87      Als Erstes weist das Gericht darauf hin, dass sich die Kommission, wie sich aus dem zweiten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung ergibt, auf die Stellungnahme der JRC von 2022 gestützt hat, um die Grenzwerte für Chrom und Vanadium in Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c dieser Verordnung festzulegen.

88      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Gründe für einen Rechtsakt nicht nur anhand seines Wortlauts, sondern auch aus dem Kontext, in dem er steht, abgeleitet werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juni 2015, Estland/Parlament und Rat, C‑508/13, EU:C:2015:403, Rn. 61). Aus dem ausdrücklichen Verweis auf die Stellungnahme der JRC von 2022 im zweiten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung ist zu schließen, dass sich die Kommission die darin enthaltenen Gründe zu eigen gemacht hat.

89      Insoweit geht aus den Rn. 14 bis 19 des vorliegenden Urteils hervor, dass sich die Empfehlung zur Festlegung der in Rede stehenden Grenzwerte in der Stellungnahme der JRC von 2022 auf vier Begründungsansätze stützte.

90      Der erste Begründungsansatz wurde auf die Notwendigkeit gestützt, eine Anreicherung von Gesamtchrom und Vanadium in Böden zu vermeiden, da mehrere Mitgliedstaaten über Bodenqualitätsstandards für Gesamtchrom und Vanadium verfügten und diese Anreicherung über oder in der Nähe derjenigen Werte liegen könnte, die von diesen Staaten als besorgniserregend eingestuft worden seien.

91      Der zweite Begründungsansatz wurde auf die Notwendigkeit gestützt, die toxischen Wirkungen auf Bodenlebewesen und aquatische Lebewesen zu vermeiden, die die geringen Mengen an löslichem Chrom(III) und löslichem Vanadium, die durch Schlacken freigesetzt werden könnten, auslösen könnten.

92      Der dritte Begründungsansatz wurde auf die Notwendigkeit gestützt, die Risiken für die menschliche Gesundheit durch die Umwandlung von Chrom(III) in Chrom(VI) zu vermeiden.

93      Schließlich betraf der vierte Begründungsansatz die Grenzwerte für Vanadium und Chrom. In diesem Zusammenhang verwies die JRC auf die im Rahmen der Komponentenmaterialkategorie 13 festgelegten Trockenmasse-Grenzwerte (400 bzw. 600 mg/kg) für Chrom und Vanadium und vertrat die Auffassung, dass sie entsprechend auf EU-Düngeprodukte angewandt werden könnten, die Eisenschlacken enthielten.

94      Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass nicht nur die Stellungnahme der JRC von 2022 im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 3 der angefochtenen Verordnung steht, sondern auch die Stellungnahme der JRC von 2019, die sich auf die unter die Komponentenmaterialkategorie 13 fallenden „[d]urch thermische Oxidation gewonnenen Materialien und deren Folgeprodukte“ bezieht, was die „Stoffe, die in Produktionsprozessen der Eisen- und Stahlindustrie verwendet werden“, und insbesondere die „Eisenschlacken“ einschließt, da in der Stellungnahme von 2022 mehrfach darauf verwiesen wird.

95      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen zu etwaigen Unterschieden zwischen „Stahlschlacken“ und „Eisenschlacken“ befragt worden sind. Daraus ergab sich, dass der Begriff „Eisenschlacken“ zwar insofern weiter sein kann, als er sowohl Hochofenschlacken umfasst, die bei der Herstellung von Roheisen anfallen und als Hüttenkalk als Düngemittel verwendet werden können, als auch die bei der Stahlherstellung anfallenden Stahlschlacken, die in den von den Mitgliedern des Klägers hergestellten kalkhaltigen Düngeprodukten verwendet werden; indessen ist zwischen den Parteien unstreitig, dass im Rahmen der vorliegenden Rechtssache die Ausdrücke „Stahlschlacken“, „Eisenschlacken“ oder auch „Schlacken aus der Eisen- und Stahlindustrie“ als Synonyme anzusehen sind.

4)      Zur Zulässigkeit einer Anlage zur Erwiderung

96      In den Ausführungen in der Erwiderung zum vorliegenden Klagegrund bezieht sich der Kläger bisweilen auf die Anlage C.2, bei der es sich um einen von ihm in Auftrag gegebenen Bericht handelt, der von einem Agrarwirtschafts- und Umweltingenieur zu Chrom und Vanadium als Bestandteil von Düngemitteln auf Basis von Stahlwerksschlacken erstellt wurde (im Folgenden: Sachverständigengutachten). Die Kommission äußert Zweifel an der Zulässigkeit dieses Gutachtens im Hinblick auf Art. 85 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts, da es im Stadium der Erwiderung vorgelegt worden sei.

97      Der Kläger hält dieses Gutachten für zulässig.

98      Nach Art. 76 Buchst. f der Verfahrensordnung muss die Klageschrift gegebenenfalls Beweise und Beweisangebote enthalten.

99      Darüber hinaus bestimmt Art. 85 Abs. 1 der Verfahrensordnung, dass Beweise und Beweisangebote im Rahmen des ersten Schriftsatzwechsels vorzulegen sind. Art. 85 Abs. 2 der Verfahrensordnung fügt hinzu, dass die Hauptparteien für ihr Vorbringen noch in der Erwiderung oder in der Gegenerwiderung Beweise oder Beweisangebote vorlegen können, sofern die Verspätung der Vorlage gerechtfertigt ist. Im letztgenannten Fall entscheidet das Gericht gemäß Art. 85 Abs. 4 der Verfahrensordnung über die Zulässigkeit der vorgelegten Beweise oder Beweisangebote, nachdem den anderen Parteien Gelegenheit gegeben wurde, dazu Stellung zu nehmen.

100    Die Präklusionsvorschrift des Art. 85 Abs. 1 der Verfahrensordnung betrifft nicht den Gegenbeweis und die Erweiterung der Beweisangebote im Anschluss an einen Gegenbeweis der Gegenpartei (vgl. Urteil vom 22. Juni 2017, Biogena Naturprodukte/EUIPO [ZUM wohl, T‑236/16, EU:T:2017:416, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

101    Nach der Rechtsprechung zur Anwendung der Präklusionsvorschrift in Art. 85 Abs. 1 der Verfahrensordnung müssen die Parteien die Verspätung der Vorlage ihrer Beweise oder neuer Beweisangebote begründen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. September 2008, Angé Serrano u. a./Parlament, T‑47/05, EU:T:2008:384, Rn. 54), und das Gericht muss die Befugnis haben, die Stichhaltigkeit dieser Begründung und gegebenenfalls den Inhalt der Beweisangebote zu prüfen, sowie die Befugnis, diese Angebote zurückzuweisen, wenn der Antrag nicht hinreichend begründet ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. April 2005, Gaki Kakouri/Gerichtshof, C‑243/04 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2005:238, Rn. 33, und vom 18. September 2008, Angé Serrano u. a./Parlament, T‑47/05, EU:T:2008:384, Rn. 56).

102    Im vorliegenden Fall ist nach Ansicht des Gerichts in Bezug auf die Vorlage des Sachverständigengutachtens im Stadium der Erwiderung zu berücksichtigen, dass die Begründungsansätze für die Festlegung der Grenzwerte in Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung nicht in ihren Erwägungsgründen, sondern in der Stellungnahme der JRC von 2022 und ihrer früheren Stellungnahme von 2019, auf die die JRC allgemein verwiesen hat, enthalten sind.

103    Daraus ergab sich für den Kläger zwangsläufig eine größere Schwierigkeit bei der Bestimmung der Begründungsansätze für die angefochtene Verordnung, die die verspätete Vorlage des Sachverständigengutachtens rechtfertigen konnten.

104    Das Sachverständigengutachten in Anlage C.2 zur Erwiderung ist daher zulässig.

5)      Zum Vorbringen des Klägers

105    Nach ständiger Rechtsprechung hat das Gericht das Vorbringen eines Klägers anhand seines Inhalts und nicht anhand seiner rechtlichen Einordnung auszulegen (Urteile vom 10. Februar 2009, Deutsche Post und DHL International/Kommission, T‑388/03, EU:T:2009:30, Rn. 54, und vom 6. Juni 2019, Torrefazione Caffè Michele Battista/EUIPO – Battista Nino Caffè (BATTISTINO), T‑221/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:382, Rn. 23).

106    Im vorliegenden Fall stellt das Gericht fest, dass sich der Kläger zum Nachweis des Verstoßes der Kommission gegen das Vorsorgeprinzip, wozu die Verpflichtung zur Berücksichtigung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse gehört, auf eine Argumentation stützt, die in fünf Rügen unterteilt werden kann.

107    Mit einer ersten Rüge macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass die angefochtene Verordnung unzureichend begründet sei, da die Gründe, derentwegen der Grenzwert für Vanadium zugrunde gelegt worden seien, nicht aus der Stellungnahme der JRC von 2022 abgeleitet werden könnten.

108    Mit einer zweiten Rüge macht der Kläger geltend, dass der Begründungsansatz, der auf eine Überschreitung der von verschiedenen Mitgliedstaaten festgelegten Bodenqualitätsstandards bei einer lang andauernden und wiederholten Verwendung von kalkhaltigen Düngeprodukten aus der Stahlindustrie gestützt werde, zum einen unerheblich und zum anderen rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen sei.

109    Mit einer dritten Rüge stellt der Kläger die Richtigkeit der Methode zur Bestimmung der Anreicherung von Vanadium und Chrom in Böden in Frage.

110    Mit einer vierten Rüge macht der Kläger geltend, dass der Begründungsansatz, der auf das Risiko für Bodenlebewesen und aquatische Lebewesen gestützt werde, dass geringe Mengen von Chrom(III) und Vanadium freigesetzt werden könnten, rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen sei. In diesem Rahmen wendet er sich im Wesentlichen gegen die Schwelle, ab der Chrom(III) und Vanadium toxische Wirkungen haben könnten, und gegen die Möglichkeit, dass bei Freisetzung von Chrom(III) und Vanadium durch Eisenschlacken, die in kalkhaltigen Düngeprodukten verwendet würden, diese Schwelle erreicht werden könnte.

111    Mit der fünften Rüge macht der Kläger schließlich geltend, dass der Begründungsansatz, der darauf gestützt werde, dass Chrom(III) in Chrom(VI) umgewandelt werden könne, der für die menschliche Gesundheit schädlich sei, nicht rechtlich hinreichend belegt sei. In diesem Zusammenhang bezieht er sich sowohl auf die sehr geringe Menge an Chrom(VI) in Eisenschlacken als auch auf die Unmöglichkeit einer Umwandlung von Chrom(III) in Chrom(VI) unter realen Einsatzbedingungen.

b)      Zur ersten Rüge: unzureichende Begründung im Hinblick auf die Festlegung des Grenzwerts für Vanadium in Art. 2 Abs. 3 Buchst. c der angefochtenen Verordnung

112    Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, dass sich die Gründe für die Festlegung des Grenzwerts für Vanadium der Stellungnahme der JRC von 2022 nicht entnehmen ließen. Diese enthalte keine Angaben zu den Bodenqualitätsstandards der Mitgliedstaaten oder zum Vanadium-Gehalt in diesen Böden nach 100 Jahren und keine toxikologischen Daten für Bodenlebewesen in Bezug auf Vanadium.

113    Die Kommission tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

114    Mit dieser ersten Rüge stellt der Kläger in Frage, dass Art. 2 Abs. 3 Buchst. c der angefochtenen Verordnung rechtlich hinreichend begründet sei, da die Gründe, aus denen ein Grenzwert für Vanadium festgelegt worden sei, nicht erläutert worden seien.

115    Nach ständiger Rechtsprechung muss die Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. Urteil vom 12. September 2017, Anagnostakis/Kommission, C‑589/15 P, EU:C:2017:663, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

116    Aus den oben in Rn. 87, 88 und 94 dargelegten Gründen ist das Gericht der Ansicht, dass die Beachtung der Begründungspflicht durch die Kommission unter Berücksichtigung der einschlägigen Passagen der Stellungnahmen der JRC von 2019 und 2022 zu prüfen ist.

117    Es ist festzustellen, dass sich die Gründe für die Festlegung eines Grenzwerts für Vanadium von 600 mg/kg Trockenmasse an Vanadium in Art. 2 Abs. 3 Buchst. c der angefochtenen Verordnung aus der Zusammenschau dieser beiden Stellungnahmen im Einklang mit der oben in Rn. 0 angeführten Rechtsprechung ergeben.

118    So verweist die JRC als Erstes in ihrer Stellungnahme von 2022 auf ihre Stellungnahme von 2019 in Bezug auf die Bodenqualitätsstandards bestimmter Mitgliedstaaten. Aus der darin enthaltenen Tabelle 34 geht indessen hervor, dass sieben Mitgliedstaaten (Tschechische Republik, Finnland, Slowakei, Schweden, Italien, Litauen und Niederlande) über Bodenqualitätsstandards einschließlich Grenzwerten für das Vorkommen von Vanadium in Böden mit einem Medianwert von 200 mg/kg Boden und einem Medianwert von 125 mg/kg für das erste Quartil verfügten.

119    Als Zweites wies die JRC in ihrer Stellungnahme von 2019 auch darauf hin, dass bestimmte Mitgliedstaaten über Normen verfügten, die eine Obergrenze für Chrom und Vanadium in Düngeprodukten vorsähen. In dieser Stellungnahme werde nämlich hervorgehoben, dass Grenzwerte für Vanadium in Finnland (400 mg/kg) und in Österreich (4 500 mg/kg) zum Rechtsrahmen gehörten.

120    Als Drittes ergibt sich aus den Rn. 17 und 0 des vorliegenden Urteils, dass die JRC in ihrer Stellungnahme von 2022 erläutert hat, wie der Grenzwert für Vanadium festgelegt wurde, nämlich durch eine Verdoppelung der gemäß der Komponentenmaterialkategorie 13 festgelegten Grenzwerte für durch thermische Oxidation gewonnene Materialien und deren Folgeprodukte, auf die sich ihre Stellungnahme von 2019 beziehe.

121    Insoweit wird erstens in der Stellungnahme der JRC von 2019 sowohl in Bezug auf Chrom als auch in Bezug auf Vanadium darauf hingewiesen, dass Anwendungsraten von 3 Tonnen pro Hektar und Jahr bei ihrer Bewertung über einen Zeitraum von 100 Jahren und auf der Grundlage einer Boden-Dünger-Mischung von 20 cm berücksichtigt worden seien.

122    Zweitens prüfte die JRC in ihrer Stellungnahme von 2019 die Frage der Toxizität von Vanadium in Stahlschlacken für Bodenlebewesen und aquatische Lebewesen. Insbesondere hob sie auf der Grundlage von drei wissenschaftlichen Studien hervor, dass die Toxizität von Vanadium für Pflanzen hauptsächlich in Nährlösung untersucht worden sei und dass die akute Toxizität ab einem Wert zwischen 1 mg Vanadium und 5 mg Vanadium pro Liter beginne. Ferner wurden auf der Grundlage von zwei wissenschaftlichen Studien Grenzwerte für die Toxizität von Vanadium im Boden für höhere Pflanzen genannt, die zwischen 18 mg und 510 mg Vanadium pro kg mit einem Median von 91 mg Vanadium pro kg in fünf verschiedenen Böden schwankten. Für aquatische Süßwasserorganismen verwies die Stellungnahme der JRC von 2019 auf einen PNEC von 1,2 μg Vanadium pro Liter auf der Grundlage einer wissenschaftlichen Studie.

123    Drittens befasste sich die JRC in ihrer Stellungnahme von 2019 mit der Frage der Freisetzung von Vanadium. In diesem Zusammenhang wies sie u. a. darauf hin, dass Vanadium in der Bodenmatrix mobil sei und dass sein Verbleib vom Bodensäuregehalt, den zu erwartenden potenziellen Oxidations-Reduktionsreaktionen und dem Gehalt an organischem Material abhänge. Sie stellte fest, dass in nicht säurehaltigen Böden lösliches Vanadium hauptsächlich in Form von Vanadium(V) vorhanden sei, das als schädlicher für Biota als Vanadium(IV) angesehen werde. Außerdem erhöhe der Oberflächenabfluss von Feldern das Risiko der Freisetzung von Vanadium bei aquatischen Lebewesen. Schließlich verwies sie auf einen Bericht des niederländischen Nationalen Instituts für öffentliche Gesundheit und Umwelt, in dem festgestellt worden sei, dass die Zufuhr von 25 mg Vanadium pro kg Boden als ernsthaftes Risiko angesehen werde.

124    Viertens hat die JRC ihre Entscheidung, einen Grenzwert von 600 mg/kg Trockenmasse an Vanadium für durch thermische Oxidation gewonnene Materialien – zu denen die Stahlschlacken gehören – zu empfehlen, erstens damit begründet, dass die Toxizität von Vanadium für Bodenlebewesen und aquatische Lebewesen es rechtfertige, den zulässigen Grenzwert für die Konzentration von Vanadium im Boden von 125 mg/kg Boden zu berücksichtigen, der aus den Werten in einigen Mitgliedstaaten abgeleitet worden sei, zweitens mit der Notwendigkeit, die ökotoxischen Wirkungen zu vermeiden, die sich aus der Auslaugung von Vanadium ergeben, und schließlich im Wesentlichen dadurch, dass sich ein solcher Grenzwert nicht negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der fraglichen Materialien auswirken würde.

125    Nach alledem ist festzustellen, dass die Gründe für die Festlegung eines Grenzwerts für Vanadium in Art. 2 Abs. 3 der angefochtenen Verordnung aus der Stellungnahme der JRC von 2022 in Verbindung mit der Stellungnahme von 2019, auf die verwiesen wird, abgeleitet werden können.

126    Die erste Rüge des Klägers ist daher zurückzuweisen.

c)      Zur zweiten Rüge, mit der der Begründungsansatz beanstandet wird, der auf eine Überschreitung der von verschiedenen Mitgliedstaaten festgelegten Bodenqualitätsstandards gestützt wird

127    Der Kläger beanstandet den Begründungsansatz, dass eine lang andauernde und wiederholte Verwendung von kalkhaltigen Düngeprodukten aus der Stahlindustrie zu einer Anreicherung von Gesamtchrom und Vanadium in Böden und zu einer Überschreitung der Bodenqualitätsstandards verschiedener Mitgliedstaaten führen könne.

128    Erstens wirft er der JRC und folglich der Kommission vor, die konkreten Werte für Gesamtchrom und Vanadium für die angeblichen Bodenqualitätsstandards, auf die sich die Stellungnahme beziehe, sowie die betroffenen Mitgliedstaaten und die wissenschaftlichen Erkenntnisse, auf denen diese Standards beruhten, nicht näher anzugeben, keine konkreten Vorgaben für die Probenahme- und Analyseverfahren zu nennen, die nach den nationalen Vorgaben von den Mitgliedstaaten angewandt werden müssten, und die Analysebewertung nicht erläutert zu haben.

129    Zweitens weist der Kläger darauf hin, dass zwar der erste Begründungsansatz den Schutz der Böden vor einer Anreicherung mit Elementen, die nicht zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Effizienz beitrügen, bezwecke, aber in der Stellungnahme der JRC von 2022 keine Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt erwähnt würden. Zudem wirkten sich die kalkhaltigen Düngeprodukte – die geringe Anteile an Chrom und Vanadium enthielten – positiv auf die landwirtschaftliche Effizienz aus.

130    Drittens enthalte dieser Begründungsansatz keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verwendung kalkhaltiger Düngeprodukte aus der Stahlindustrie sicher oder wahrscheinlich zu einer Überschreitung der angeblichen Bodenqualitätsstandards führen würde, insbesondere wegen der fehlenden Bezifferung der Werte dieser Standards.

131    Viertens weist der Kläger unter Berufung auf das Sachverständigengutachten darauf hin, dass Böden in bestimmten Regionen in Europa natürlich bedingte Gehalte an Chrom und Vanadium aufwiesen, die jeweils oberhalb der von der JRC berücksichtigten Grenzwerte lägen.

132    Die Kommission tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

133    Erstens stellt das Gericht fest, dass im ersten Begründungsansatz der Stellungnahme der JRC von 2022 darauf hingewiesen wird, dass einige Mitgliedstaaten über Bodenqualitätsstandards für Gesamtchrom und Vanadium verfügen, um die Böden vor der Kontamination durch Elemente zu schützen, die nicht zur Steigerung der agronomischen Wirksamkeit beitragen, und dass diese Bodenqualitätsstandards durch eine langfristige Anwendung von Eisenschlacken auf ihren Böden überschritten werden können.

134    Darüber hinaus enthält die Stellungnahme der JRC von 2019 einen Abschnitt über Bodenkontrollwerte und zulässige Bodenkonzentrationsgrenzwerte, über das Vorkommen bestimmter Kontaminanten in Böden – darunter Vanadium und Chrom – und ihre Risikoniveaus. Darin findet sich u. a. eine Tabelle mit den bezifferten Werten der Bodenqualitätsstandards entsprechend der Menge der Kontaminanten in verschiedenen Mitgliedstaaten. Daraus folgt, dass Vanadium in sieben Mitgliedstaaten und Chrom in 17 Mitgliedstaaten in ihren Bodenqualitätsstandards entweder als „Warnhinweis“ („warning risk“) oder als „potenziell nicht hinnehmbares Risiko“ („potentially unacceptable risk“) berücksichtigt wird.

135    Zweitens ergibt sich aus den vorstehenden Rn. 57 und 0, dass die Verordnung 2019/1009 bezweckt, ein hohes Gesundheits- und Umweltschutzniveau sicherzustellen, ein Ziel, das von der Kommission beim Erlass der angefochtenen Verordnung zu berücksichtigen war.

136    Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass der Umstand, dass ein beträchtlicher Teil der Mitgliedstaaten über Bodenqualitätsstandards für den Vanadium- und Chromgehalt verfügt, zwar für die Kommission bei ihrer Analyse der Risiken, die sich durch die Verwendung von chrom- und vanadiumhaltigen Nebenprodukten in Düngeprodukten ergeben können, nicht bindend war, doch konnte dies gleichwohl einen Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Risikos für die Gesundheit und die Umwelt darstellen.

137    Insoweit ergibt sich entgegen dem Vorbringen des Klägers aus den Stellungnahmen der JRC von 2019 und 2022, dass die Standards der Mitgliedstaaten ihren Grund in den Risiken für die Gesundheit und die Umwelt haben, die Konzentrationen von Vanadium oder Chrom mit sich bringen könnten.

138    Drittens macht der Kläger zu Unrecht geltend, dass die Stellungnahmen der JRC eine unzureichende Prüfung der Zuverlässigkeit der Standards der Mitgliedstaaten, auf die sie verwiesen, enthielten. Insoweit genügt der Hinweis, dass die JRC eine eigene Analyse der Risiken vorgenommen hat, die Vanadium und Chrom mit sich bringen, so dass der Hinweis auf nationale Standards, mit denen Grenzwerte für die Konzentration von Vanadium und Chrom festgelegt werden, einen zusätzlichen Anhaltspunkt darstellt, den die JRC berücksichtigen konnte, ohne prüfen zu müssen, wie diese Grenzwerte von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden.

139    Schließlich ist viertens auch der Hinweis des Klägers, den er auf das Sachverständigengutachten stützt, das er in seiner Erwiderung vorgelegt hat, nicht überzeugend, wonach das natürliche Vorkommen von Chrom und Vanadium in bestimmten Regionen in der Union höher sei als dasjenige, das sich durch eine lang andauernde Anwendung von Eisenschlacken ergeben könnte. Wie die Kommission im Wesentlichen betont, bringt die Tatsache, dass bestimmte Böden einen hohen natürlichen Gehalt an Vanadium und Chrom aufweisen, nicht die potenziellen Risiken in Wegfall, die ihr Vorkommen in Böden mit sich bringt und die sich durch eine Vermehrung dieses Vorkommens aufgrund der Verwendung von Eisenschlacken noch verschlimmern könnten.

140    Nach alledem ist die zweite Rüge zurückzuweisen.

d)      Zur dritten Rüge, mit der die Richtigkeit der Methode zur Bestimmung der Anreicherung von Vanadium und Chrom in Böden in Frage gestellt wird

141    Der Kläger bringt vor, dass die von der JRC in ihrer Stellungnahme von 2022 zugrunde gelegte Annahme von fünf Tonnen Düngeprodukten, die pro Hektar und Jahr ausgebracht würden, offensichtlich fehlerhaft sei, da diese Annahme auf ein unrealistisches Szenario gestützt werde. Die Höchstmenge betrage allenfalls eine Tonne Düngeprodukte, die pro Hektar und Jahr ausgebracht werde. In Beantwortung einer an die Kommission gerichteten prozessleitenden Maßnahme weist er darauf hin, dass die Kommission die Studie, auf die sie sich in ihrer Gegenerwiderung beziehe – d. h. die Studie des Verbands Deutscher Landwirtschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsanstalten vom 19. September 2000 (im Folgenden: VDLUFA-Studie) –, falsch verstanden habe, indem sie zum einen Dezitonne und Tonne verwechsele und zum anderen nicht berücksichtigt habe, dass sich die Daten auf einen Fruchtfolgezyklus bezögen und nicht auf jährlicher Basis beruhten. Daraus folge, dass selbst nach dem Dokument, auf das die Kommission Bezug nehme, die Höchstmenge der verwendeten kalkhaltigen Düngeprodukte maximal 0,660 Tonnen pro Hektar und Jahr betrage.

142    Die Kommission räumt ein, dass die Bezugnahme in der Stellungnahme der JRC von 2022 auf fünf Tonnen Düngeprodukte, die pro Hektar ausgebracht würden, auf einem Schreibfehler beruhe, da die genaue Zahl drei Tonnen sei, wie sich aus der Zusammenschau der Stellungnahme von 2022 und der Stellungnahme von 2019 ergebe.

143    Wie bereits oben in Rn. 120 bis 122 ausgeführt, hat die JRC in ihrer Stellungnahme von 2022 den in ihrer Stellungnahme von 2019 verfolgten Ansatz übernommen. In diesem Rahmen hatte die JRC die Heranziehung einer Ausbringungsquote von drei Tonnen pro Hektar und Jahr im Wesentlichen unter Verweis auf zwei Erwägungen gerechtfertigt. Zum einen sei es aufgrund der Vielfalt der unter Komponentenmaterialkategorie 13 fallenden Stoffe schwierig, ein einheitliches Szenario für diese Materialien zugrunde zu legen. Zum anderen habe sich die JRC dafür entschieden, die „obere Bandbreite“ der möglichen Ausbringungsraten zu berücksichtigen, da es ihr dies ermögliche, leichter verfügbare und mittlere Bodenkonzentrationswerte zu berücksichtigen.

144    Dies hat die JRC veranlasst, drei Ausbringungsstufen von drei, fünf und 20 Tonnen pro Hektar und Jahr für die unter die Komponentenmaterialkategorie 13 fallenden Materialien festzulegen, wobei sie auf die „durch thermische Oxidation gewonnene[n] Materialien und deren Folgeprodukte“, zu denen die Stahlschlacken gehören, das niedrigste Niveau angewandt hat. Die JRC hat insoweit auf eine wissenschaftliche Studie über ein Material, das zu den „durch thermische Oxidation gewonnene[n] Materialien und deren Folgeprodukte[n]“ gehört, nämlich Holzasche, hingewiesen, die eine Ausbringung von drei Tonnen dieses Materials pro Hektar und Jahr ausgewiesen habe.

145    Zunächst ist festzustellen, dass sich die Kommission, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen (siehe oben, Rn. 81 und 82), auf Studien stützen durfte, die zur Feststellung des möglichen Vorkommens von Chrom und Vanadium in Böden ein Szenario einer intensiven Verwendung von Düngeprodukten bevorzugen. Nach der oben in Rn. 86 angeführten Rechtsprechung wäre dies nur dann anders, wenn der Kläger Beweise vorlegen würde, die dem in diesen Studien berücksichtigten Szenario die Plausibilität nähmen.

146    Als Zweites ist festzustellen, dass der Kläger keine Beweise vorgelegt hat, die sich ausdrücklich auf die Menge von Düngeprodukten auf der Basis von Eisenschlacken beziehen, die zur Kalkung verwendet werden. Um die Plausibilität des von der JRC gewählten Szenarios in Frage zu stellen, wendet er sich gegen die Auslegung der VDLUFA-Studie durch die Kommission, auf die die Kommission in ihrer Gegenerwiderung Bezug genommen hat und deren Inhalt zwischen den Parteien unstreitig ist.

147    Es ist jedoch festzustellen, dass diese Studie dem von der JRC berücksichtigten Szenario einer Verwendung von drei Tonnen Eisenschlacken pro Hektar und Jahr nicht seine Plausibilität nehmen kann.

148    Erstens bezieht sich der Kläger, um die Plausibilität des von der Kommission zugrunde gelegten Szenarios in Frage zu stellen, auf die in Tabelle 3 der VDLUFA-Studie aufgeführten Werte, die sich nur auf die „Erhaltungskalkung“ beziehen, die gemäß der Definition in Tabelle 2 dieser Studie Böden mit einem geringen Kalkbedarf betrifft – auf den sich die Studie unter Verweis auf Calciumoxid (CaO) bezieht – und bei denen die Kalkdüngung keine oder nur geringe Ertragssteigerungen mit sich bringen würde.

149    Aus Tabelle 2 der VDLUFA-Studie geht jedoch hervor, dass es zwei Konstellationen für eine intensivere Verwendung von kalkhaltigen Düngeprodukten gibt, nämlich zum einen die Kalkung zur Bodensanierung, mit der der pH von versauerten Böden wieder angepasst werden soll, und zum anderen die Bodenkalkung, deren Ziel es ist, eine Erhöhung des pH-Werts der Böden zu erreichen.

150    Zweitens ähneln einige der Werte in Tabelle 3 der VDLUFA-Studie selbst im Rahmen einer bloßen Erhaltungskalkung den von der JRC berücksichtigten Werten. So ist im Hinblick auf die Erhaltungskaltung bestimmter Tonböden vorgesehen, bis zu zwei Tonnen Kalk pro Hektar zu verwenden, d. h. bei Anwendung von Neutralisierungskoeffizienten von 0,5 bis 0,45 für Eisenschlacken – die zwischen den Parteien unstreitig sind – 4 bis 4,5 Tonnen Eisenschlacken. Auch wenn diese Rate je nach Anbauzyklus schwanken kann, kann sie zu Ergebnissen führen, die nicht außer Verhältnis zu der von der JRC zugrunde gelegten Ausbringungsrate von drei Tonnen Eisenschlacken pro Jahr stehen.

151    Drittens beträgt, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, die in der VDLUFA-Studie vorgesehene Höchstmenge für das Ausbringen von Kalk für schwere Böden neun Tonnen pro Hektar, was gemäß den oben in Rn. 150 genannten Neutralisierungskoeffizienten von 0,5 bis 0,45 einer Menge von 18 bis 20 Tonnen Eisenschlacken pro Hektar entsprechen könnte.

152    Nach alledem würde selbst für den Fall, dass die Kommission die VDLUFA-Studie in ihrer Gegenerwiderung falsch verstanden hätte, dies nicht auf eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verordnung hindeuten. Die Prüfung dieser Studie lässt nämlich nicht den Schluss zu, dass die Kommission in der angefochtenen Verordnung die Grenzen ihres weiten Beurteilungsspielraums überschritten hätte, indem sie sich auf die Stellungnahmen der JRC gestützt hat, die die Verwendung einer Menge von drei Tonnen Eisenschlacken pro Hektar und Jahr zugrunde gelegt haben. Mithin ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen.

e)      Zur vierten Rüge, mit der die Richtigkeit des Begründungsansatzes in Frage gestellt wird, dass Vanadium und Chrom in Eisenschlacken ein Risiko für Bodenlebewesen und aquatische Lebewesen mit sich brächten

153    Der Kläger stellt die Richtigkeit der Beurteilungen der JRC in Bezug auf das mit Vanadium und Chrom in Eisenschlacken einhergehende Risiko in Frage. Sein Vorbringen lässt sich in zwei Gruppen von Einwänden unterteilen, die sich zum einen gegen die Beurteilungen in Bezug auf die Bestimmung des PNEC richten, also des Konzentrationsgrads von Chrom(III) und Vanadium, ab dem für Bodenlebewesen und aquatische Lebewesen toxische Wirkungen auftreten könnten, und zum anderen gegen die Beurteilungen in Bezug auf die Aufnahme von Chrom(III) und Vanadium aus Eisenschlacken durch Bodenlebewesen und aquatische Lebewesen.

154    Die Kommission tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

1)      Zur Richtigkeit der Bestimmung der PNEC für Vanadium und Chrom(III)

155    Aus der Zusammenschau der Stellungnahmen der JRC von 2022 und von 2019 geht hervor, dass diese in Bezug auf Chrom(III) einen PNEC von 4,7 μg/l für aquatische Lebewesen und von 3,2 mg Cr/kg für Bodenlebewesen zugrunde gelegt hat. In Bezug auf Vanadium geht aus Rn. 123 des vorliegenden Urteils hervor, dass die JRC die Frage der Toxizität von Vanadium für Bodenlebewesen und aquatische Lebewesen geprüft hat.

156    Gegen diese Analyse bringt der Kläger im Wesentlichen zwei Argumente in Bezug auf Chrom(III) vor. Zum einen sei es falsch, die auf aquatische Lebewesen angewandte Argumentation auf Bodenlebewesen auszuweiten, ohne Beweise oder Anhaltspunkte für eine solche Ausweitung vorzulegen. Zum anderen weist er auf einen unterschiedlichen Ansatz zwischen der Stellungnahme der JRC von 2022 und einem Aktenvermerk der Kommission vom 23. November 2016 über die Begrenzung von Gesamtchrom in Düngeprodukten hin. In Bezug auf Vanadium macht er geltend, dass die JRC nur einen PNEC für aquatische Lebewesen nenne und dass die Annahmen für Bodenlebewesen nicht belegt seien.

157    Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

158    Erstens ist zur Ausweitung der Analyse der Toxizität von Chrom(III) für aquatische Lebewesen auf Bodenlebewesen festzustellen, dass diese in einem Kontext wissenschaftlicher Unsicherheit gerechtfertigt sein kann, da der Kläger selbst einräumt, dass es keine unmittelbaren toxikologischen Daten für Bodenlebewesen gibt.

159    Zweitens macht der Kläger zu Unrecht geltend, dass zwischen dem Aktenvermerk der Kommission von 2016 und der Stellungnahme der JRC von 2022 zur PNEC für Bodenlebewesen ein Unterschied in der Herangehensweise bestehe. Der zugrunde gelegte Grenzwert von 3,2 mg Cr/kg ähnelt nämlich der unteren Bandbreite in diesem Aktenvermerk von 2016.

160    Drittens ergibt sich aus der oben in Rn. 123 wiedergegebenen Passage der Stellungnahme der JRC von 2019, dass die JRC die Toxizität von Vanadium sowohl für Bodenlebewesen als auch für aquatische Lebewesen geprüft und dabei die verschiedenen Grenzwerte für Bodenlebewesen und aquatische Lebewesen, die in den einschlägigen wissenschaftlichen Studien erläutert wurden, erwähnt hat.

161    Die Einwände gegen die Definition der PNEC für Vanadium und Chrom(III) sind daher zurückzuweisen.

2)      Zur Richtigkeit der Beurteilungen in Bezug auf die Aufnahme von Vanadium und Chrom(III) aus Eisenschlacken

162    Der Kläger stellt die Richtigkeit der in den Stellungnahmen der JRC enthaltenen Beurteilungen in Bezug auf die Aufnahme von Vanadium und Chrom(III) durch Bodenlebewesen und aquatische Lebewesen in Frage. Zur Stützung seines Vorbringens beruft er sich auf mehrere wissenschaftliche Studien und Artikel. Neben dem bereits oben in Rn. 0 und 159 erwähnten Aktenvermerk der Kommission von 2016 beruft er sich auf einen Bericht der Kommission aus dem Jahr 2016 über die Auswirkungen der langfristigen Anwendung von Eisenschlacken für die Bodenfruchtbarkeit, die Ernteerträge und die Pflanzengesundheit (im Folgenden: Algermissen-Studie von 2016), einen Bericht der Kommission aus dem Jahr 2006 über die Verwendung von Hochofen- und Stahlschlacken als Kalkungsmittel (im Folgenden: Kühn-Studie von 2006), einen im Jahr 2018 in der Zeitschrift Bodenschutz veröffentlichten Artikel von Dohlen und Steinweg über die Verwendung von Stahlschlacken in Baumaterialien (im Folgenden: Dohlen-Artikel von 2018), einen Risikobewertungsbericht der Kommission aus dem Jahr 2005 über Chromtrioxid, Natriumchromat, Natriumdichromat, Ammoniumdichromat und Kaliumdichromat (im Folgenden: Risikobewertungsbericht 2005), einen im Jahr 2019 vom FehS‑Institut veröffentlichten Artikel von Jochims und Bialucha (im Folgenden Jochims-Artikel von 2019) sowie auf einen 2019 in Applied Geochemistry veröffentlichten Artikel von Gustafsson (im Folgenden: Gustafsson-Artikel von 2019).

163    In den Stellungnahmen der JRC von 2019 und 2022 wird im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass die Adsorption durch die Bodenmatrix zwar die Auslaugung von Vanadium und Chrom aus Eisenschlacken einschränke, die wissenschaftlichen Daten über die Adsorption von Chrom und Vanadium es aber nicht ausschlössen, dass ein geringer Teil davon in Böden und Gewässern verbreitet werde und bioverfügbar sei. Angesichts des hohen Gehalts an Vanadium (54 mg/kg bis 2,6 %) und Chrom(III) (250 mg/kg bis 2 % bis 3 %) in Eisenschlacken wurde festgestellt, dass selbst die Verbreitung einer geringen Menge davon die PNEC übersteigen könnte.

164    Als Erstes ist festzustellen, dass die Stellungnahmen der JRC von 2019 und 2022 gemäß Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009 auf einer umfassenden Analyse der einschlägigen Studien und der neuesten wissenschaftlichen Daten beruhen. Dies gilt namentlich für die Kühn-Studie von 2006, die Algermissen-Studie von 2016 und den Risikobewertungsbericht von 2005, auf die sich der Kläger bezieht und die die JRC in ihrer Stellungnahme von 2019 im Zusammenhang mit der Frage der Auslaugung von Chrom(III) geprüft hat.

165    Soweit der Kläger insofern unter Berufung auf das Sachverständigengutachten die Relevanz einiger wissenschaftlicher Studien, auf die sich die JRC bei der Ausarbeitung der Stellungnahmen von 2019 und 2022 gestützt hat, mit der Begründung in Frage stellt, dass sie auf Ergebnissen beruhten, die in Labors und nicht unter natürlichen Bedingungen erzielt worden seien, oder dass sie theoretischer Natur seien, ist darauf hinzuweisen, dass die Wahl dieser Studien unter den weiten Beurteilungsspielraum bei der Bewertung wissenschaftlicher Studien fällt, auf den oben in Rn. 82 hingewiesen worden ist.

166    Außerdem ist festzustellen, dass die verschiedenen vom Kläger vorgelegten wissenschaftlichen Studien und Artikel nicht belegen können, dass die Kommission dadurch einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hätte, dass sie den Empfehlungen in den Stellungnahmen der JRC von 2019 und 2022 gefolgt ist.

167    Erstens schließen die wissenschaftlichen Studien, auf die sich der Kläger bezieht, die Möglichkeit einer Verbreitung von Vanadium und Chrom, die in Düngeprodukten auf der Grundlage von Eisenschlacken enthalten sind, nicht aus.

168    Auch wenn die Algermissen-Studie von 2016 tatsächlich die geringe Wahrscheinlichkeit einer Verbreitung von Chrom und Vanadium in Eisenschlacken hervorhebt, so weist sie darauf hin, dass das „Vorkommen von [Chrom] und [Vanadium] in der Schlacke besonders besorgniserregend ist, da die Bodenprozesse noch nicht hinreichend untersucht sind“, wie die JRC in ihrer Stellungnahme von 2022 hervorgehoben hat. Auch die Kühn-Studie von 2006 zeigte einen Anstieg von Vanadium und Chrom infolge der Verwendung von Düngeprodukten aus Stahlschlacken, zumindest auf nicht gepflügten Wiesen. Außerdem hebt die Passage des Aktenvermerks der Kommission von 2016, auf die sich der Kläger bezieht, hervor, dass sich das in Düngeprodukten enthaltene Chrom langsam verbreite, diese Verbreitung aber nicht ausgeschlossen sei. Schließlich schließt der Risikobewertungsbericht von 2005 entgegen der offenbar vom Kläger vertretenen Auffassung eine Toxizität von Chrom(III) für Bodenlebewesen und aquatische Lebewesen nicht aus.

169    Zweitens ist in Bezug auf die Zeitschriftenartikel, auf die sich der Kläger bezieht, festzustellen, dass ihre Beweiskraft geringer anzusehen ist als die der oben in Rn. 164 und 168 genannten Studien.

170    Nach ständiger Rechtsprechung gilt für die Würdigung des Beweiswerts ordnungsgemäß vorgelegter Beweise der Grundsatz ihrer freien Würdigung durch den Richter, und für die Würdigung ist allein ihre Glaubhaftigkeit maßgeblich. Außerdem ist bei der Beurteilung des Beweiswerts eines Dokuments zu prüfen, wie wahrscheinlich die in ihm enthaltenen Informationen sind, und sind insbesondere die Herkunft des Dokuments, die Umstände seiner Ausarbeitung und sein Adressat zu berücksichtigen, und es ist die Frage zu beantworten, ob es seinem Inhalt nach vernünftig und glaubhaft erscheint (vgl. Urteil vom 16. Mai 2019, GMPO/Kommission, T‑733/17, EU:T:2019:334, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

171    Die oben in Rn. 164 und 168 genannten Studien wurden in einem Rahmen erstellt, der eine strenge und zuverlässige wissenschaftliche Analyse vermuten lässt – durch oder im Auftrag der Kommission im Rahmen eines Forschungsprogramms, wie es bei den Kühn- und Algermissen-Studien von 2006 bzw. 2016 der Fall ist –, oder bei der Bewertung von technischen Empfehlungen wie bei den Stellungnahmen der JRC von 2019 und 2022 sowie ihrem Risikobewertungsbericht von 2005. Bei wissenschaftlichen Studien, die nicht in einem ähnlichen Kontext stehen, ist es Sache der Partei, die sich darauf beruft, Informationen vorzulegen, die es ermöglichen, die wissenschaftliche Genauigkeit dieser Veröffentlichungen und damit ihre Beweiskraft zu bewerten (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 24. Oktober 2018, Deza/Kommission, T‑400/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:712, Rn. 57). Es ist jedoch festzustellen, dass der Kläger zu dem Dohlen-Artikel von 2018, dem Jochims-Artikel von 2019 und dem Gustafsson-Artikel von 2019 keinen entsprechenden Nachweis erbracht hat. Jedenfalls ist in Bezug auf Chrom(III) festzustellen, dass aus dem Vortrag des Klägers selbst hervorgeht, dass der Dohlen-Artikel von 2018 die Bioverfügbarkeit von Chrom(III) nicht ausschließt. Für Vanadium gilt das Gleiche nach dem Gustafsson-Artikel von 2019, der auf das begrenzte Wissen über seine Geochemie in der Biogeosphäre hinweist.

172    Als Zweites bedeutet das Vorsorgeprinzip, wie bereits oben in Rn. 66 ausgeführt, dass bei Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken u. a. für die Umwelt Schutzmaßnahmen getroffen werden können, ohne dass abgewartet werden müsste, dass das Bestehen und die Schwere dieser Risiken vollständig dargelegt werden.

173    Unter diesen Umständen durfte die Kommission folglich angesichts der erheblichen Mengen an Vanadium und Chrom, die in Eisenschlacken enthalten sind, bei der Festlegung der Grenzwerte in Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung die Möglichkeit einer Verbreitung dieser Stoffe in Mengen, die die PNEC überschreiten, berücksichtigen, ohne hierbei einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen.

174    Nach alledem ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen.

f)      Zur fünften Rüge, mit der die Richtigkeit des Begründungsansatzes in Frage gestellt wird, der auf das Risiko für die menschliche Gesundheit durch die Umwandlung von Chrom(III) in Chrom(VI) gestützt wird

175    Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, dass die Möglichkeit einer Umwandlung von Chrom(III) in Chrom(VI) nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen worden sei. Erstens stellt er die Relevanz der beiden Artikel in Frage, auf die die JRC verweist, nämlich einen Artikel von Pillay, von Blottnitz und Petersen über die Entwicklung von Chrom(III)-haltigen Schlacken, der 2003 in der Zeitschrift Chemosphere veröffentlicht wurde, und einen Artikel von Li, Liu, Wang und Gao über die Verfügbarkeit von Chrom, das von Schlacken nach der Entkohlung mit Argon und Sauerstoff freigesetzt werde, der 2017 in der Zeitschrift Enrivon Monit Assess veröffentlicht wurde (im Folgenden: Li-Artikel von 2017): Zur Begründung führt der Kläger aus, dass die fraglichen Studien im Labor durchgeführt worden seien. Er bezieht sich auf zwei weitere Artikel, nämlich einen Artikel von Cheremisina und Schenk über die Stabilität von Chrom in Stahlschlacken, der in der Zeitschrift Steel research international im Jahr 2017 veröffentlicht wurde (im Folgenden: Cheremisina-Artikel von 2017), und einen Artikel von Welp, Kim und Brümmer über die Mobilität und Toxizität von Chrom(III) und Chrom(VI) in Böden, der in der „Schriftenreihe der Forschungsgemeinschaft Eisenhüttenschlacken“ im Jahr 2001 veröffentlicht wurde. Seiner Ansicht nach belegen diese Artikel, dass kalkhaltige Eisenschlacken praktisch kein Chrom(VI), sondern fast ausschließlich Chrom(III) enthielten und dass Chrom(VI) unter realistischen Verwendungsbedingungen nicht aus Chrom(III) gebildet werden könne. Zweitens habe die Kommission in ihrem Aktenvermerk von 2016 die Auffassung des Klägers geteilt, und die JRC räume selbst ein, dass sie über keine Kenntnisse über einen etwaigen Prozess der Umwandlung von Chrom(III) in Chrom(VI) verfüge. Drittens wiederholt er, dass Chrom(III) u. a. aufgrund seiner starken Adsorption kaum bioverfügbar sei.

176    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

177    Es ist darauf hinzuweisen, dass die JRC im Rahmen ihres Begründungsansatzes, der auf das Risiko einer Umwandlung von Chrom(III) in Chrom(VI) gestützt wird, im Wesentlichen darauf hingewiesen hat, dass Eisenschlacken einen hohen Gehalt an Chrom(III) aufwiesen, der weit über dem in Anhang I der Verordnung 2019/1009 für Chrom(VI) festgelegten Grenzwert liege. Sie stellte fest, dass Chrom(III) durch Oxidation in Chrom(VI) umgewandelt werden könne, das erhebliche Risiken für die menschliche Gesundheit mit sich bringe. Laborversuche hätten eine erhebliche Umwandlung von Chrom(III) in Chrom(VI) gezeigt, auch wenn Unsicherheiten darüber bestünden, ob dieses Phänomen auch auf dem Feld stattfinde.

178    Erstens stellt das Gericht fest, dass zwei Aspekte der Argumentation der JRC vom Kläger nicht bestritten werden, nämlich zum einen die Tatsache, dass Chrom(VI) ein hohes Risiko für die menschliche Gesundheit darstellt, und zum anderen der erhebliche Chromgehalt, der in Eisenschlacken vorhanden ist.

179    Zweitens geht es folglich nur darum, inwieweit eine Umwandlung von Chrom(III) in Chrom(VI) unter natürlichen Bedingungen möglicherweise stattfindet.

180    Drittens erscheint es aus ähnlichen Gründen wie den oben in Rn. 165 und 166 dargelegten nicht überzeugend, die Relevanz des Li-Artikels von 2017 und des Artikels von Pillay u. a. von 2003, auf die sich die JRC gestützt hat, mit der Begründung in Frage zu stellen, dass sie sich auf Ergebnisse stützten, die im Labor und nicht unter natürlichen Bedingungen erzielt worden seien. Hierzu ist festzustellen, dass auch der vom Kläger angeführte Cheremisina-Artikel von 2017 die Umwandlung von Chrom(III) in Chrom(VI) unter natürlichen Bedingungen nicht genau prüft, sondern auf einer Simulation mit Hilfe einer Software beruht und sich im Wesentlichen auf die Bildung von Chrom(VI) während des Abkühlungsprozesses von Eisenschlacken bezieht.

181    Viertens ist festzustellen, dass einige Passagen der von den Parteien erörterten Studien zur Feststellung wissenschaftlicher Unsicherheiten Anlass geben könnte. So heißt es in dem Li-Artikel von 2017, auf den in der Stellungnahme der JRC von 2022 verwiesen wird, dass „[d]ie Reifungsfunktion der Schlacke [aus der Raffination von Edelstahl] zur Oxidation von Cr(III) in Cr(VI) während des Lagerungsprozesses führen [könnte] und eine bestimmte Menge Cr(VI) durch Regenwasser ausgewaschen werden [könnte]. Das aus dem Boden und den Gewässern ausgewaschene Cr(III) könnte in der natürlichen Umwelt stärker zu Cr(VI) oxidieren und so zu schwerwiegenden Umweltauswirkungen führen.“ Demgegenüber heißt es im Cheremisina-Artikel von 2017, dass „sechswertiges Chrom nicht unter realistischen Betriebsbedingungen gebildet werden [kann]. Die Wahrscheinlichkeit und das Risiko der Bildung gefährlicher Chromarten in realen Schlacken wurde aus thermodynamischer Sicht, unter Verwendung [der Software] als Werkzeug und unter Berücksichtigung verschiedener Möglichkeiten ihrer Bildung, nicht festgestellt.“

182    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die JRC umfassend die einschlägigen wissenschaftlichen Studien einschließlich den vom Kläger angeführten Cheremisina-Artikel von 2017 geprüft hat. Dies hat sie dazu veranlasst, die wenig wahrscheinliche Umwandlung von Chrom(III) zu Chrom(VI) gegen die erwiesenen Risiken für die menschliche Gesundheit einer solchen Umwandlung, wenn sie erfolgt, abzuwägen.

183    Insoweit ergibt sich aus der oben in Rn. 71 angeführten Rechtsprechung, dass eine rein hypothetische Betrachtung des Risikos, die sich auf bloße wissenschaftlich noch nicht verifizierte Annahmen stützt, zwar nicht zur richtigen Anwendung des Vorsorgeprinzips zählen kann, dass aber die wissenschaftliche Risikobewertung den Organen nicht zwingend schlüssige wissenschaftliche Beweise für das tatsächliche Bestehen des Risikos und die Schwere der potenziellen nachteiligen Wirkungen im Fall der Verwirklichung dieses Risikos liefern muss.

184    In Anbetracht sowohl der Gefährlichkeit von Chrom(VI) als auch des erheblichen Gehalts an Chrom(III) in Eisenschlacken kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie sich auf die Schlussfolgerung der JRC gestützt hat, dass, wenn „unter normalen Bodenbedingungen die Umwandlung von Cr(III) in Cr(VI) wenig wahrscheinlich erscheint, es zu berücksichtigen ist, dass bei Stahlschlacken mit (Gesamt‑)Cr-Konzentrationen, die den empfohlenen Grenzwert von 400 mg/kg überschreiten, selbst geringfügige Umwandlungen zu Cr(VI)-Risiken führen können, die für die Umwelt und die menschliche Gesundheit nicht hinnehmbar sein können.“

185    Was schließlich das Vorbringen des Klägers betrifft, die Kommission habe in ihrem Aktenvermerk von 2016 festgestellt, dass „die Oxidationsreaktion von Cr(III) zu Cr(VI) nur dann möglich [sei], wenn in Böden sehr spezielle Bedingungen auftreten“, und dass „unter normalen Bodenbedingungen die Umwandlung von Cr(III) zu Cr(VI) sehr unwahrscheinlich [zu sein scheine]“, so kann der Kläger auch hiermit nicht nachweisen, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hätte, als sie den Empfehlungen der JRC gefolgt ist. In diesem Aktenvermerk wurde nämlich nur eine andere Abwägung zwischen einerseits der geringen Wahrscheinlichkeit einer solchen Umwandlung und andererseits den erheblichen Risiken für die menschliche Gesundheit, die im Fall einer Verarbeitung auftreten könnten, befürwortet. Nach den Stellungnahmen der JRC durfte die Kommission zu Recht ihren Ansatz ändern.

186    Nach alledem ist die fünfte Rüge und damit der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

3.      Zum fünften Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

187    Im Rahmen seines fünften Klagegrundes weist der Kläger darauf hin, dass die Kommission in ihrem Aktenvermerk von 2016 selbst festgestellt habe, dass die Festlegung eines Grenzwerts für Gesamtchrom dazu führe, kalkhaltige Düngeprodukte aus der Stahlindustrie vom Binnenmarkt für EU-Düngeprodukte auszuschließen, und dass dies unverhältnismäßig wäre. Dies sei aber bei Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung der Fall. In diesem Zusammenhang wirft der Kläger der Kommission vor, dass sie nur berücksichtigt habe, dass es in einigen Mitgliedstaaten Grenzwerte für Chrom und Vanadium gebe, während diese in den meisten Mitgliedstaaten nicht existierten, und dass sie die negativen Auswirkungen eines solchen Ausschlusses für den Gesundheits- und Umweltschutz, für die Erfordernisse der Ressourcenschonung und der Abfallvermeidung, für das Allgemeininteresse an einer sicheren und preisgünstigen Versorgung und die Interessen der Hersteller und Vertreiber von Düngeprodukten nicht berücksichtigt habe.

188    Nach Ansicht der Kommission ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

189    Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemäß Art. 5 Abs. 4 EUV verlangt, dass die Handlungen der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Mai 1984, Denkavit Nederland, 15/83, EU:C:1984:183, Rn. 25), wobei zu beachten ist, dass, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und dass die verursachten Nachteile zu den angestrebten Zielen nicht außer Verhältnis stehen dürfen (Urteil vom 30. April 2019, Italien/Rat [Fangquoten für Schwertfisch im Mittelmeer], C‑611/17, EU:C:2019:332, Rn. 55).

190    Die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf eine Maßnahme umfasst somit drei Elemente. Das erste Element betrifft die Geeignetheit der Maßnahme, d. h. ihre Eignung zur Erreichung des verfolgten legitimen Ziels. Das zweite Element betrifft ihre Erforderlichkeit und bedeutet, dass sich dieses legitime Ziel nicht mit weniger einschneidenden, aber ebenso geeigneten Maßnahmen erreichen lässt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. September 2013, Dansk Jurist- og Økonomforbund, C‑546/11, EU:C:2013:603, Rn. 69). Schließlich betrifft das dritte Element, das zuweilen als „Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne“ bezeichnet wird, ihre Verhältnismäßigkeit, d. h. dass keine Nachteile vorliegen dürfen, die außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. März 2013, Polen/Kommission, T‑370/11, EU:T:2013:113, Rn. 89, und vom 26. September 2014, Romonta/Kommission, T‑614/13, EU:T:2014:835, Rn. 74).

191    Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die gerichtliche Kontrolle der Verhältnismäßigkeit von Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung mit dem Beurteilungsspielraum in Einklang gebracht werden muss, über den die Kommission nach der oben in Rn. 81 angeführten Rechtsprechung verfügt.

192    Als Erstes stellt der Kläger, soweit er die Berücksichtigung der in den Rechtsvorschriften bestimmter Mitgliedstaaten enthaltenen Grenzwerte für Chrom und Vanadium durch die Kommission beanstandet, die Geeignetheit der in Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung genannten Grenzwerte in Frage, d. h. ihre Eignung, das sowohl aus der Verordnung 2019/1009 als auch aus dem neunten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung hervorgehende Ziel des Gesundheits- und Umweltschutzes zu erreichen. Insoweit ist hervorzuheben, dass sich ein solches Vorbringen mit demjenigen im zweiten Klagegrund überschneidet. Es ist daher von vornherein zurückzuweisen, da sich aus der Prüfung dieses Klagegrundes ergibt, dass die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie davon ausgegangen ist, dass das Vorkommen von Chrom und Vanadium in Eisenschlacken potenziell negative Auswirkungen auf die Gesundheit und die Umwelt haben könnte, wenn die in der angefochtenen Verordnung festgelegten Grenzwerte überschritten würden.

193    Gleiches gilt für den Verweis des Klägers auf die Beurteilung im Aktenvermerk der Kommission von 2016 in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der Festlegung der Grenzwerte für Chrom, der wie bereits oben in Rn. 185 ausgeführt wurde, älter als die Stellungnahmen der JRC von 2019 und von 2022 ist, auf die sich die Kommission für die Festlegung der in Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung genannten Grenzwerte gestützt hat (siehe oben, Rn. 87, 88 und 94).

194    Als Zweites ist festzustellen, dass der Kläger keine weniger einschneidende, aber ebenso geeignete Alternative als die Festlegung der Grenzwerte in Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung vorbringt. Daraus folgt, dass er für diese Grenzwerte die Erforderlichkeit als solche im Sinne der oben in Rn. 190 angeführten Rechtsprechung nicht in Frage stellt.

195    Als Drittes beruht das Vorbringen des Klägers im Wesentlichen auf der Hervorhebung der negativen Auswirkungen der Festlegung dieser Grenzwerte im Hinblick auf andere Ziele, nämlich den Schutz der Umwelt aufgrund des Einsatzes von natürlichem Kalkstein anstelle von Eisenschlacken, die Versorgung der Union mit Düngeprodukten sowie den Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Hersteller und Vertreiber von kalkhaltigen Düngeprodukten aus der Stahlindustrie. Ein solches Vorbringen gehört aus den oben in Rn. 190 dargelegten Gründen zur Prüfung der „Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne“.

196    Was erstens das Vorbringen betrifft, dass Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung angesichts der Nachteile für die Hersteller und Vertreiber von kalkhaltigen Düngeprodukten aus der Stahlindustrie unverhältnismäßig sei, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Vorsorgeprinzip es schon seinem Wesen nach erlaubt, den Erfordernissen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen einzuräumen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. März 2021, FMC/Kommission, T‑719/17, EU:T:2021:143, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

197    Sodann ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger das Ausmaß der durch Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung verursachten Nachteile entstellt, wenn er sich auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit „aufgrund des Verbots silikatischer Kalke der Stahlindustrie“ beruft und geltend macht, dass diese Grenzwerte „silikatische Kalke der Stahlindustrie aus dem EU-Düngeprodukterecht ausschließen“.

198    Zum einen gibt es kein „Verbot“ von Düngeprodukten, deren Gehalt die in Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung festgelegten Grenzwerte überschreitet. Zwar kann, wie oben in Rn. 30 bis 0 ausgeführt, ein solches Düngeprodukt keinen nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung 2019/1009 erleichterten freien Verkehr in der Union genießen. Es verbleibt jedoch die Möglichkeit, es ohne das CE‑Zeichen vorbehaltlich der Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zu vermarkten, da es sich bei dieser Verordnung nur um eine optionale Harmonisierung handelt (vgl. ihren fünften Erwägungsgrund). Hierzu ist festzustellen, dass dieser Umstand aus den oben in Rn. 30 bis 33 dargelegten Gründen zwar nicht ausschließt, dass sich die angefochtene Verordnung auf die Rechtsstellung der Mitglieder des Klägers auswirkt, dass er aber für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Verordnung relevant ist, da er das Ausmaß der durch die angefochtene Verordnung verursachten Nachteile betrifft.

199    Zum anderen ist das Ausmaß der verursachten Nachteile umso geringer, als Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung die Grenzwerte auf das Düngeprodukt und nicht auf das Nebenprodukt, d. h. auf Eisenschlacken, festlegt. Daraus folgt, dass Schlacken, die einen die Grenzwerte überschreitenden Gehalt an Chrom oder Vanadium aufweisen, in Düngeprodukten, die unter die Verordnung 2019/1009 fallen, verwendet werden können, sofern das Düngeprodukt selbst diese Grenzwerte einhält. Die Kommission macht daher zu Recht geltend, dass eine Verdünnung der Eisenschlacken im Düngeprodukt eine Einhaltung der in Art. 2 Abs. 3 festgelegten Grenzwerte ermögliche.

200    Insoweit vermag das gegenteilige Vorbringen des Klägers nicht zu überzeugen. Er weist lediglich darauf hin, ohne dies näher zu begründen, dass die Verdünnung der Chrom- und Vanadiumkonzentrationen durch Mischungen mit anderen Stoffen ausgeschlossen sei, da die Eisenschlacken dadurch ihre düngetauglichen Eigenschaften verlören. Dieser Behauptung wird außerdem vom Kläger selbst widersprochen, wenn er die Umweltkosten des Abbaus von natürlichem Kalkstein hervorhebt. Daraus ergibt sich nämlich, dass es möglich ist, andere Quellen zu erschließen, die über Düngeeigenschaften verfügen, aber mit einer geringeren Vanadium- und Chromkonzentration, die zusammen mit den Eisenschlacken verwendet werden könnten, um ein Düngeprodukt zu erhalten, das die in Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung festgelegten Grenzwerte einhält.

201    Zweitens sind auch die weiteren vom Kläger angeführten Gründe nicht für den Nachweis geeignet, dass Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung offensichtlich unverhältnismäßig wäre.

202    Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass die Abwägung zwischen einerseits dem Risiko, das Chrom und Vanadium in Eisenschlacken mit sich bringen kann, und andererseits den negativen Auswirkungen des Abbaus von natürlichem Kalkstein auf die Umwelt und der Notwendigkeit, die nicht verwendeten Eisenschlacken zu recyceln, oder auch dem Düngemittelbedarf der Union die Grenzen des oben in Rn. 81 und 191 genannten Beurteilungsspielraums der Kommission überschreitet.

203    Folglich ist der fünfte Klagegrund zurückzuweisen.

4.      Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen die Verpflichtung, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen, und zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

204    Im Rahmen seines dritten Klagegrundes weist der Kläger darauf hin, dass die Organe der Union alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls sorgfältig und unparteiisch untersuchen müssten. Folglich habe die Kommission den Untersuchungsgrundsatz dadurch verletzt, dass sie die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse aus den im Rahmen des zweiten Klagegrundes dargelegten Gründen unzureichend und unvollständig geprüft habe. In seiner Erwiderung fügt er im Wesentlichen hinzu, dass die Kommission, indem sie sich allein auf die Stellungnahme der JRC 2022 stütze, gerade gegen ihre Pflicht verstoße, alle relevanten Gesichtspunkte des Falles zu berücksichtigen.

205    Mit seinem vierten Klagegrund macht der Kläger geltend, dass der Erlass der angefochtenen Verordnung in zweifacher Hinsicht gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen habe: Zum einen überschreite nämlich die Festlegung der Grenzwerte für Gesamtchrom und Vanadium aus den im Rahmen des ersten Klagegrundes dargelegten Gründen die Grenzen der Ermächtigungsgrundlage des Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009, und zum anderen entsprächen diese Grenzwerte aus den im zweiten Klagegrund dargelegten Gründen und wegen der Festlegung des Grenzwerts für Chrom(VI) in Anhang I Teil II PFC 2 Nr. 2 Buchst. b der Verordnung 2019/1009 nicht den „aktuellen Herstellungsverfahren, technischen Entwicklungen und den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen“ im Sinne von Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009. Der Kläger macht ebenfalls im Wesentlichen geltend, dass die Verordnung 2019/1009 ein berechtigtes Vertrauen erwecken könne.

206    Diese beiden Klagegründe seien zulässig, da sie die Verletzung anderer als der im Rahmen des ersten und des zweiten Klagegrundes geltend gemachten normativen Tatbestände beträfen.

207    Die Kommission hält den dritten Klagegrund für unzulässig, da er unklar sei und keinen eigenständigen Charakter habe. Jedenfalls sei er als unbegründet zurückzuweisen.

208    Die Kommission hält auch den vierten Klagegrund für unzulässig, da er eine reine Wiederholung des ersten und des zweiten Klagegrundes sei und sich nicht ergebe, wie der Grundsatz der Rechtssicherheit vorliegend hätte verletzt werden können. Jedenfalls sei er aus Gründen, die denjenigen entsprächen, die in der Antwort auf den ersten und zweiten Klagegrund vorgebracht worden seien, unbegründet.

209    Diese beiden Klagegründe sind jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen, ohne dass ihre von der Kommission in Abrede gestellte Zulässigkeit geprüft zu werden braucht.

210    Zum dritten Klagegrund genügt erstens der Hinweis, dass aus dem zweiten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung hervorgeht, dass die Kommission „ihre [JRC] mit der wissenschaftlichen Beratung [beauftragt hat]“, zweitens, dass die Stellungnahmen der JRC von 2019 und 2022 aus den bereits oben in Rn. 87, 88 und 94 dargelegten Gründen zum Kontext der angefochtenen Verordnung gehören, und drittens, dass oben in Rn. 164 festgestellt worden ist, dass sich die JRC gemäß Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009 auf eine umfassende Analyse der einschlägigen Studien und der neuesten wissenschaftlichen Daten gestützt hat. Unter diesen Umständen kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, gegen ihre Verpflichtung verstoßen zu haben, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen.

211    Zum vierten Klagegrund ist festzustellen, dass die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit auf die Rüge gestützt wird, die Kommission habe gegen Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009 verstoßen, weil zum einen die Kriterien „agronomische Wirksamkeit und Sicherheit“ keine Berücksichtigung des Umweltschutzes einschlössen und zum anderen Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht berücksichtige. Das dahin gehende Vorbringen des Klägers ist jedoch bereits im Rahmen seiner ersten beiden Klagegründe geprüft und zurückgewiesen worden. Aus entsprechenden Gründen ist die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes von vornherein zurückzuweisen, da die Verordnung 2019/1009 nicht die ihr vom Kläger zugeschriebene Bedeutung hat.

5.      Zum sechsten Klagegrund, mit dem eine Verletzung der Begründungspflicht gerügt wird, und zum siebten Klagegrund, mit dem im Wesentlichen die Unrichtigkeit der Begründung der angefochtenen Verordnung gerügt wird

212    Im Rahmen seines sechsten Klagegrundes macht der Kläger geltend, dass die Festlegung der Grenzwerte für Gesamtchrom und Vanadium rechtlich nicht ausreichend begründet sei, da sich die dort sowie in der Stellungnahme der JRC von 2022 angeführten Begründungselemente ausschließlich auf den Gesundheits- und Umweltschutz und nicht auf die Kriterien in Art. 42 Abs. 7 der Verordnung 2019/1009 bezögen. In seiner Erwiderung hebt er die Bedeutung der Begründungspflicht hervor und macht geltend, dass die Erwähnung der Stellungnahme der JRC aus dem Jahr 2022 in den Erwägungsgründen 2 und 9 der angefochtenen Verordnung unzureichend sei.

213    Mit seinem siebten Klagegrund macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass die Begründung der angefochtenen Verordnung nicht nur einen Verstoß gegen die Begründungspflicht darstelle, sondern auch unrichtig sei.

214    Nach Ansicht der Kommission sind diese beiden Klagegründe zurückzuweisen.

215    Soweit der Kläger eine unzureichende Begründung rügt, kann sein Vorbringen keinen Erfolg haben. Zum einen gehören die Stellungnahmen der JRC von 2019 und 2022 aus den oben in Rn. 87, 88, 94 und 116 dargelegten Gründen zu dem Kontext, in den sich die angefochtene Verordnung einfügt. Zum anderen ergibt sich sowohl aus den verschiedenen Klagegründen als auch aus ihrer Prüfung, dass der Kläger in der Lage war, die Gründe für die Festlegung der Grenzwerte in Art. 2 Abs. 3 Buchst. a und c der angefochtenen Verordnung nachzuvollziehen, und dass das Gericht seine Kontrollaufgabe gemäß der oben in Rn. 0 angeführten Rechtsprechung wahrnehmen konnte.

216    Soweit der Kläger die Richtigkeit der Begründungsansätze in Frage stellt, auf die sich die Kommission gestützt hat, genügt der Hinweis, dass er mit seinem ersten, seinem zweiten und seinem fünften Klagegrund nicht nachweisen konnte, dass sie rechtswidrig wären.

217    Folglich sind der sechste und der siebte Klagegrund zurückzuweisen, so dass die Klage insgesamt abzuweisen ist.

IV.    Kosten

218    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Der Fachverband Eisenhüttenschlacken e. V. trägt die Kosten.

Schalin

Nõmm

Steinfatt

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. September 2024.

Der Kanzler

 

Der Präsident

V. Di Bucci

 

D. Spielmann

Inhaltsverzeichnis

I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

A. Angefochtene Verordnung

B. Wissenschaftliche Stellungnahmen der JRC

II. Anträge der Parteien

III. Rechtliche Würdigung

A. Zur Zulässigkeit

B. Zur Begründetheit

1. Zum ersten Klagegrund: Ermächtigungsmissbrauch und Überschreitung der der Kommission durch die Verordnung 2019/1009 übertragenen Ermächtigung

2. Zum zweiten Klagegrund: Verletzung des Vorsorgeprinzips und Art. 42 Abs. 7 Satz 2 der Verordnung 2019/1009

a) Vorbemerkungen

1) Zu den einschlägigen Rechtsgrundsätzen

2) Zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle durch das Gericht

3) Zu den wissenschaftlichen Stellungnahmen der JRC

4) Zur Zulässigkeit einer Anlage zur Erwiderung

5) Zum Vorbringen des Klägers

b) Zur ersten Rüge: unzureichende Begründung im Hinblick auf die Festlegung des Grenzwerts für Vanadium in Art. 2 Abs. 3 Buchst. c der angefochtenen Verordnung

c) Zur zweiten Rüge, mit der der Begründungsansatz beanstandet wird, der auf eine Überschreitung der von verschiedenen Mitgliedstaaten festgelegten Bodenqualitätsstandards gestützt wird

d) Zur dritten Rüge, mit der die Richtigkeit der Methode zur Bestimmung der Anreicherung von Vanadium und Chrom in Böden in Frage gestellt wird

e) Zur vierten Rüge, mit der die Richtigkeit des Begründungsansatzes in Frage gestellt wird, dass Vanadium und Chrom in Eisenschlacken ein Risiko für Bodenlebewesen und aquatische Lebewesen mit sich brächten

1) Zur Richtigkeit der Bestimmung der PNEC für Vanadium und Chrom(III)

2) Zur Richtigkeit der Beurteilungen in Bezug auf die Aufnahme von Vanadium und Chrom(III) aus Eisenschlacken

f) Zur fünften Rüge, mit der die Richtigkeit des Begründungsansatzes in Frage gestellt wird, der auf das Risiko für die menschliche Gesundheit durch die Umwandlung von Chrom(III) in Chrom(VI) gestützt wird

3. Zum fünften Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

4. Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen die Verpflichtung, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen, und zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

5. Zum sechsten Klagegrund, mit dem eine Verletzung der Begründungspflicht gerügt wird, und zum siebten Klagegrund, mit dem im Wesentlichen die Unrichtigkeit der Begründung der angefochtenen Verordnung gerügt wird

IV. Kosten



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