Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)
14. Juni 2023(* )
„Staatliche Beihilfen – Mit der Luftfahrtgesellschaft Ryanair und ihrer Tochtergesellschaft Airport Marketing Services geschlossene Vereinbarungen – Marketingdienstleistungen – Beschluss, mit dem die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt und ihre Rückforderung angeordnet wird – Vorteil – Kriterium des tatsächlichen Bedarfs – Art. 41 und 47 der Charta der Grundrechte – Recht auf Akteneinsicht – Recht auf Anhörung“
In der Rechtssache T‑79/21,
Ryanair DAC mit Sitz in Swords (Irland),
Airport Marketing Services Ltd mit Sitz in Dublin (Irland),
vertreten durch Rechtsanwälte E. Vahida und F.‑C. Laprévote, Rechtsanwältin V. Blanc sowie Rechtsanwälte S. Rating, I.‑G. Metaxas-Maranghidis und D. Pérez de Lamo,
Klägerinnen,
gegen
Europäische Kommission, vertreten durch L. Flynn, J. Carpi Badía und C. Georgieva als Bevollmächtigte,
Beklagte,
unterstützt durch
Rat der Europäischen Union, vertreten durch A. Maceroni und A.‑L. Meyer als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
erlässt
DAS GERICHT (Neunte Kammer)
zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung der Richterinnen M. J. Costeira (Berichterstatterin) und M. Kancheva sowie des Richters P. Zilgalvis,
Kanzler: S. Spyropoulos, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2022
folgendes
Urteil (1 )
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I. Vorgeschichte des Rechtsstreits
A. In Rede stehende Verträge
2 Die Erstklägerin, die Ryanair DAC, vormals Ryanair Ltd, ist eine Fluggesellschaft mit Sitz in Irland, die mehr als 2 000 Flüge täglich durchführt, die 209 Destinationen in 33 Ländern in Europa und Nordafrika verbinden. Die Zweitklägerin, die Airport Marketing Services Ltd (im Folgenden: AMS), ist eine Tochtergesellschaft von Ryanair, die Marketingstrategielösungen erbringt, wobei der Großteil ihrer Tätigkeit im Verkauf von Werbeflächen auf der Website von Ryanair besteht.
3 Der Flughafen Montpellier Méditerranée (im Folgenden: Flughafen Montpellier) liegt circa 7 km vom Zentrum Montpelliers, der Hauptstadt des Départements Hérault in der französischen Region Okzitanien (Occitanie), entfernt. Dieser Flughafen dient dem nationalen und internationalen gewerblichen Flugverkehr.
4 Der Flughafen Montpellier wurde im Zeitraum 1964 bis 2009 von der Industrie- und Handelskammer Montpellier betrieben, die später in die Industrie- und Handelskammer Hérault (im Folgenden: CCIM) eingegliedert wurde. Am 23. Juni 2009 übernahm die Aktiengesellschaft Aéroport Montpellier Méditerranée (im Folgenden: AMM), an der der französische Staat 60 %, die CCIM 25 %, der Départementrat Hérault 7 %, die Region Okzitanien 6,5 %, der Gemeindeverband Pays de l’Or (Communauté d’Agglomération du Pays de l’Or) 1 % und der Gemeindeverband Montpellier Méditerranée Métropole 0,5 % der Anteile hält, den Flughafenbetrieb.
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6 Die Vereinigung für Tourismus- und Wirtschaftsförderung (im Folgenden: APFTE) ist eine Vereinigung, die im Juni 2010 auf Initiative der CCIM in Zusammenarbeit mit mehreren Gebietskörperschaften – nämlich dem Regionalrat der Region Languedoc-Roussillon (heute Region Okzitanien), dem Département Hérault, dem Gemeindeverband Montpellier (heute Gemeindeverband Montpellier Méditerranée Métropole), dem Gemeindeverband Pays de l’Or (Communauté de communes du Pays de l’Or, heute Communauté d’Agglomération du Pays de l’Or), und der Stadt Montpellier (im Folgenden: öffentliche Mitglieder der APFTE) – und unter Beteiligung mehrerer lokaler Unternehmen gegründet wurde.
7 Ziel der APFTE ist laut ihrer Satzung „die Förderung und Entwicklung des Tourismus und der Wirtschaft in der Region durch Werbeaufträge, durch den Kauf von Internet-Werbung und von Marketingdienstleistungen sowie durch andere Mittel der Werbung wie beispielsweise die Teilnahme an Messen und Ausstellungen, um internationale Kunden zu gewinnen“.
8 Im Zeitraum 2010 bis 2018 schloss die APFTE mit den Klägerinnen drei Serien an Verträgen über Marketingdienstleistungen (im Folgenden: in Rede stehende Verträge).
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B. Verwaltungsverfahren
13 Am 23. März 2017 ging bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde der Fluggesellschaft Air France ein, die geltend machte, dass die APFTE Ryanair im Zeitraum 2010 bis 2015 eine rechtswidrige staatliche Beihilfe in Form von Verträgen über Marketingdienstleistungen zur Unterstützung des von ihr durchgeführten Flugverkehrs zum und vom Flughafen Montpellier gewährt habe.
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C. Angefochtener Beschluss
18 Nach Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens erließ die Kommission am 2. August 2019 den Beschluss C(2019) 5729 final über die von Frankreich durchgeführte staatliche Beihilfe SA.47867 2018/C (ex 2017/FC) zugunsten von Ryanair und AMS (im Folgenden: ursprünglicher Beschluss). Am 13. Oktober 2020 berichtigte die Kommission den ursprünglichen Beschluss durch den Beschluss C(2020) 6938 final (im Folgenden: Berichtigung). Am 19. November 2020 wurde der angefochtene Beschluss, der dem ursprünglichen Beschluss in der berichtigten Fassung entspricht, im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.
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21 Drittens stellte die Kommission im Rahmen der Beurteilung des wirtschaftlichen Vorteils fest, dass die Verbindungen zwischen den von AMM geschlossenen Verträgen über Flughafendienstleistungen, deren Zweck es gewesen sei, die finanziellen und betrieblichen Bedingungen der von Ryanair durchgeführten gewerblichen Flüge zum und vom Flughafen Montpellier festzulegen, und den in Rede stehenden, von der APFTE geschlossenen Verträgen nicht ausreichten, um eine gemeinsame Analyse zu rechtfertigen, und beschloss, die in Rede stehenden Verträge getrennt zu prüfen. Sie führte aus, dass die APFTE beim Abschluss dieser Verträge eine Zielsetzung der Regionalpolitik verfolge, ausschließlich als Träger der öffentlichen Gewalt handele und nicht damit rechne, einen finanziellen Gewinn im Sinne eines marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsbeteiligten zu erzielen; der Erwerb von Marketingdienstleistungen entspreche keinem tatsächlichen Bedarf, sondern diene vielmehr dazu, die Flüge von Ryanair vom und zum Flughafen Montpellier zu subventionieren, so dass das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsbeteiligten keine Anwendung finde. Selbst wenn dieses Kriterium Anwendung fände, wäre es nicht erfüllt, da die gemäß den in Rede stehenden Verträgen gezahlten Preise nicht dem Marktpreis entsprächen. Angesichts dieser Elemente verschafften die in Rede stehenden Verträge Ryanair einen wirtschaftlichen Vorteil.
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24 Die Kommission gelangte zu dem Schluss, dass die in Rede stehenden Verträge eine staatliche Beihilfe gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellten.
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II. Anträge der Parteien
28 Die Klägerinnen beantragen,
– den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;
– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
29 Die Kommission, unterstützt durch den Rat, beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.
III. Rechtliche Würdigung
A. Zur Begründetheit
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2. Zum zweiten Klagegrund: Rechtsfehler, offensichtlicher Beurteilungsfehler und unzureichende Begründung, da die Kommission zu dem Schluss gelangt sei, dass das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsbeteiligten keine Anwendung finde
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d) Zum vierten Teil: Widerspruch im angefochtenen Beschluss bei der Anwendung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsbeteiligten
136 Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, einerseits festgestellt zu haben, dass das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsbeteiligten keine Anwendung finde, und es andererseits im Rahmen der Prüfung, ob die APFTE einen „tatsächlichen Bedarf“ habe, Marketingdienstleistungen bei den Klägerinnen zu erwerben, und ob der gezahlte Preis dem Marktpreis entspreche, angewandt zu haben. Aus der Rechtsprechung und der Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 [AEUV] (ABl. 2016, C 262, S. 1) ergebe sich, dass das Kriterium des „tatsächlichen Bedarfs“ eine Variante des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsbeteiligten sei, das nur unter außergewöhnlichen Umständen angewandt werden dürfe, und dass der Vergleich des Preises einer Transaktion mit dem Marktpreis ein typisches Element des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsbeteiligten sei. Daher bestehe eine Unstimmigkeit in der Begründung des angefochtenen Beschlusses.
137 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Das Kriterium des „tatsächlichen Bedarfs“ sei keine Variante des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsbeteiligten. In ihrer Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe werde in dem dieses Kriterium betreffenden Teil ausgeführt, dass „… außergewöhnliche Umstände vorliegen [können], unter denen der Erwerb von Waren oder Dienstleistungen durch eine Behörde möglicherweise nicht als den Marktbedingungen entsprechend anzusehen ist, obwohl er zu Marktpreisen erfolgte“, ein Ansatz, der vom Gericht bestätigt worden sei.
138 Außerdem sei der angefochtene Beschluss weder inkohärent noch unklar. Im 180. Erwägungsgrund dieses Beschlusses werde nämlich klargestellt, dass der Erwerb der Marketingdienstleistungen nicht geeignet sei, einem „tatsächlichen Bedarf“ zu entsprechen, sondern dazu diene, die Flüge von Ryanair vom und zum Flughafen Montpellier zu subventionieren. Im Folgenden werde ausgeführt, dass das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsbeteiligten, selbst wenn es Anwendung fände, nicht erfüllt wäre, da der Preis der Marketingdienstleistungen nicht dem Marktpreis entspreche. Nach Ansicht der Kommission widerspricht der zweite Teil der Analyse dem ersten nicht, sondern ergänzt ihn lediglich, indem hilfsweise das Vorbringen der Klägerinnen und anderer Beteiligter im förmlichen Prüfverfahren geprüft werde.
139 Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass, wie sich aus Rn. 69 oben ergibt, als staatliche Beihilfen Maßnahmen gleich welcher Art gelten, die unmittelbar oder mittelbar Unternehmen begünstigen oder die als ein wirtschaftlicher Vorteil anzusehen sind, den das begünstigte Unternehmen unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte.
140 Darüber hinaus erfolgt die Beurteilung der Bedingungen, unter denen ein solcher Vorteil gewährt wurde, wie sich aus Rn. 71 oben ergibt, grundsätzlich unter Anwendung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsbeteiligten.
141 Der Ausgangspunkt für die Feststellung, ob dieses Kriterium anzuwenden ist, muss der wirtschaftliche Charakter der Maßnahme des Staates sein, und nicht wie dieser Staat subjektiv zu handeln gedachte oder welche Handlungsalternativen er in Erwägung gezogen hat, bevor er die fragliche Maßnahme erließ (Urteil vom 20. September 2017, Kommission/Frucona Košice, C‑300/16 P, EU:C:2017:706, Rn. 27).
142 Art. 107 Abs. 1 AEUV unterscheidet nämlich nicht nach den Gründen oder Zielen der staatlichen Maßnahmen (Urteile vom 2. Juli 1974, Italien/Kommission, 173/73, EU:C:1974:71, Rn. 27, und vom 13. Februar 2003, Spanien/Kommission, C‑409/00, EU:C:2003:92, Rn. 46). Die Art der Ziele und die Gründe einer staatlichen Maßnahme sind als solche unerheblich für deren Einstufung als staatliche Beihilfe (Urteile vom 8. Dezember 2011, France Télécom/Kommission, C‑81/10 P, EU:C:2011:811, Rn. 17, und vom 25. Januar 2022, Kommission/European Food u. a., C‑638/19 P, EU:C:2022:50, Rn. 122).
143 Wenn das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsbeteiligten zur Anwendung kommt, ist zu prüfen, ob dieselbe Maßnahme unter normalen Marktbedingungen von einem privaten Wirtschaftsbeteiligten, der sich in einer möglichst ähnlichen Lage befindet wie der Staat, getroffen worden wäre. Das in einem bestimmten Fall konkret anzuwendende Kriterium muss insbesondere anhand der Art des Vorhabens des betreffenden Mitgliedstaats bestimmt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. März 2018, Kommission/FIH Holding und FIH Erhvervsbank, C‑579/16 P, EU:C:2018:159, Rn. 52 und 55).
144 In diesem Rahmen hat die Kommission eine Gesamtwürdigung vorzunehmen und dabei jeden im betreffenden Fall erheblichen Anhaltspunkt zu berücksichtigen, der es ihr ermöglicht, festzustellen, ob das begünstigte Unternehmen derartige Bedingungen offenkundig nicht bei einem privaten Wirtschaftsbeteiligten erhalten hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2018, BTB Holding Investments und Duferco Participations Holding/Kommission, T‑100/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:900, Rn. 264 und die dort angeführte Rechtsprechung).
145 Für diese Analyse sind nur die Vorteile und Verpflichtungen zu berücksichtigen, die mit der Eigenschaft des Mitgliedstaats als privater Wirtschaftsbeteiligter zusammenhängen, nicht aber jene, die sich an seine Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt knüpfen (vgl. Urteil vom 6. März 2018, Kommission/FIH Holding und FIH Erhvervsbank, C‑579/16 P, EU:C:2018:159, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).
146 Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass eine zugunsten eines Unternehmens getroffene staatliche Maßnahme nicht allein deshalb von vornherein vom Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV ausgenommen werden kann, weil sich die Vertragsparteien zu gegenseitigen Leistungen verpflichten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 1999, BAI/Kommission, T‑14/96, EU:T:1999:12, Rn. 71).
147 Die bloße Tatsache, dass ein Staat Waren und Dienstleistungen erwirbt, die zu Marktbedingungen angeboten worden sein sollen, genügt nämlich nicht dafür, dass diese Maßnahme ein normales Handelsgeschäft darstellt, das zu Bedingungen durchgeführt wird, die ein privater Wirtschaftsbeteiligter akzeptiert hätte. Unter bestimmten Umständen muss objektiv bewiesen werden, dass der Staat tatsächlich darauf angewiesen war, diese Waren und Dienstleistungen zu erwerben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 1999, BAI/Kommission, T‑14/96, EU:T:1999:12, Rn. 74 bis 79).
148 Die Kommission hat ihre Auslegung des tatsächlichen Bedarfs in ihrer Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe erläutert. In Rn. 82 dieser Bekanntmachung, die in Abschnitt 4.2 („Das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten“) enthalten ist, heißt es u. a., dass bei der Prüfung, ob eine Transaktion den Marktbedingungen entspricht, alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden sollten. So können etwa außergewöhnliche Umstände vorliegen, unter denen der Erwerb von Waren oder Dienstleistungen durch eine Behörde möglicherweise nicht als den Marktbedingungen entsprechend anzusehen ist, obwohl er zu Marktpreisen erfolgte.
149 Diese Bekanntmachung kann das Gericht zwar nicht binden, aber gleichwohl als nützliche Anregung dienen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 26. Juli 2017, Tschechische Republik/Kommission, C‑696/15 P, EU:C:2017:595, Rn. 53).
150 Im vorliegenden Fall hat die Kommission in Abschnitt 7.1.3.3 („Anwendbarkeit des Grundsatzes des marktwirtschaftlich handelnden [privaten] Wirtschaftsbeteiligten“) des angefochtenen Beschlusses erstens im Wesentlichen festgestellt, dass die APFTE beim Abschluss der in Rede stehenden Verträge eine Zielsetzung der Regionalpolitik verfolge, ausschließlich als Träger der öffentlichen Gewalt handele und nicht damit rechne, abgesehen von der touristischen Entwicklung der Region einen finanziellen Gewinn im Sinne eines marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsbeteiligten zu erzielen. Ferner entspreche der Erwerb von Marketingdienstleistungen durch die APFTE keinem tatsächlichen Bedarf, sondern diene in Wirklichkeit dazu, die Flüge von Ryanair vom und zum Flughafen Montpellier zu subventionieren. Das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsbeteiligten finde daher keine Anwendung. Zweitens hat die Kommission klargestellt, dass, selbst wenn dieses Kriterium Anwendung fände, die für den Erwerb der Marketingdienstleistungen gezahlten Preise nicht dem Marktpreis entsprächen, so dass dieses Kriterium nicht erfüllt wäre.
151 Die Kommission hat demnach die Auffassung vertreten, dass das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsbeteiligten im vorliegenden Fall aus zwei Gründen keine Anwendung finde, und zwar im Wesentlichen erstens deshalb, weil die APFTE als Träger der öffentlichen Gewalt handele, und zweitens, weil der Erwerb von Marketingdienstleistungen durch die APFTE bei den Klägerinnen keinem tatsächlichen Bedarf entspreche.
152 Wie die Klägerinnen im Wesentlichen geltend machen, war keiner der von der Kommission angeführten Gründe geeignet, die Anwendbarkeit des Grundsatzes des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsbeteiligten auszuschließen.
153 Zum einen ist nämlich, was den ersten Grund anbelangt, d. h., dass die APFTE als Träger der öffentlichen Gewalt handele, die Anwendung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsbeteiligten zwar, wie sich im Wesentlichen aus den Rn. 142 und 145 oben ergibt, unabhängig von den Gemeinwohlzielen zu prüfen, die Verfolgung solcher Ziele schließt aber die Anwendbarkeit dieses Kriteriums nicht aus.
154 Zum anderen ist, was den zweiten Grund betrifft, nämlich, dass die APFTE bei den Klägerinnen Marketingdienstleistungen erwerbe, die keinem tatsächlichen Bedarf entsprächen, bei der Prüfung des tatsächlichen Bedarfs des Staates, Waren und Dienstleistungen zu erwerben, wie sich im Wesentlichen aus den Rn. 146 bis 149 oben ergibt, per definitionem zu analysieren, ob ein privater Wirtschaftsbeteiligter, der sich in einer möglichst ähnlichen Lage befindet wie der Staat, unter normalen Marktbedingungen dasselbe Verhalten an den Tag gelegt hätte. Diese Beurteilung ist, wie sich aus Rn. 143 oben ergibt, von der Anwendung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsbeteiligten abhängig. Somit ließ auch dieser von der Kommission angeführte Grund nicht den Schluss zu, dass die Anwendbarkeit des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsbeteiligten ausgeschlossen ist.
155 Die Kommission ist daher rechtsfehlerhaft zu dem Schluss gelangt, dass das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsbeteiligten im vorliegenden Fall keine Anwendung finde.
156 Im ersten Teil von Abschnitt 7.1.3.4 des angefochtenen Beschlusses („Bestimmung des Ryanair/AMS gewährten Vorteils durch die APFTE“) hat die Kommission jedoch gerade geprüft, ob der Erwerb von Marketingdienstleistungen bei den Klägerinnen einem tatsächlichen Bedarf der APFTE entsprach.
157 Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen kann diese Prüfung der Kommission keinen Widerspruch im angefochtenen Beschluss begründen, der zu seiner Nichtigkeit führen könnte. Ein Widerspruch in der Begründung einer Entscheidung stellt eine Verletzung der Begründungspflicht dar, die zur Nichtigkeit der betreffenden Handlung führen kann, wenn nachgewiesen wird, dass der Adressat der Handlung infolge dieses Widerspruchs die wirklichen Gründe der Entscheidung insgesamt oder zum Teil nicht erkennen konnte und infolgedessen der verfügende Teil der Entscheidung ganz oder teilweise ohne rechtliche Stütze ist (Urteile vom 24. Januar 1995, Tremblay u. a./Kommission, T‑5/93, EU:T:1995:12, Rn. 42, und vom 30. März 2000, Kish Glass/Kommission, T‑65/96, EU:T:2000:93, Rn. 85).
158 Im vorliegenden Fall geht aus den Erwägungsgründen 182 bis 305 des angefochtenen Beschlusses klar hervor, dass die Kommission das Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils festgestellt hat, weil es der APFTE an einem tatsächlichen Bedarf an den in Rede stehenden Verträgen mangele. Die Klägerinnen konnten die wirklichen Gründe des angefochtenen Beschlusses erkennen und die Stichhaltigkeit der von der Kommission dabei zugrunde gelegten Beurteilungen in Frage stellen, was sie im Übrigen in den Rn. 141 bis 239 der Klageschrift und in den Rn. 58 bis 84 der Erwiderung getan haben. Der angefochtene Beschluss ist daher nur dann für nichtig zu erklären, wenn sich herausstellt, dass diese Gründe den verfügenden Teil nicht tragen können, was im Rahmen des vierten Klagegrundes geprüft werden wird.
159 Soweit die Klägerinnen einen Widerspruch im angefochtenen Beschluss in Bezug auf die Frage geltend machen, ob der gemäß den in Rede stehenden Verträgen gezahlte Preis dem Marktpreis entsprach, genügt die Feststellung, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 184, 306 und 307 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, dass es für die Feststellung des Vorliegens eines wirtschaftlichen Vorteils ausreiche, dass es der APFTE an einem tatsächlichen Bedarf an den in Rede stehenden Verträgen mangele, und dass sie hilfsweise geprüft hat, ob der von der APFTE gezahlte Preis dem Marktpreis entsprach, da Ryanair dieses Argument im Rahmen ihrer Stellungnahme im förmlichen Prüfverfahren vorgebracht hatte.
160 Daher sind vorbehaltlich der Prüfung, die im Rahmen der ersten drei Teile des vierten Klagegrundes vorgenommen werden wird, der vierte Teil und damit der zweite Klagegrund insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.
[nicht wiedergegeben ]
IV. Kosten
351 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen neben ihren eigenen Kosten gemäß dem Antrag der Kommission deren Kosten aufzuerlegen.
352 Der Rat trägt gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung seine eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Neunte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Ryanair DAC und die Airport Marketing Services Ltd tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Kommission.
3. Der Rat der Europäischen Union trägt seine eigenen Kosten.
Costeira
Kancheva
Zilgalvis
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Juni 2023.
Unterschriften