T-757/22 – Puma/ EUIPO – Road Star Group (Chaussures)

T-757/22 – Puma/ EUIPO – Road Star Group (Chaussures)

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:T:2024:291

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTS (Dritte erweiterte Kammer)

8. Mai 2024(*)

„Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Nichtigkeitsverfahren – Eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das einen Schuh darstellt – Ältere Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Nichtigkeitsgründe – Eigenart – Art. 25 Abs. 1 Buchst. b und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002“

In der Rechtssache T‑757/22,

Puma SE mit Sitz in Herzogenaurach (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwälte M. Schunke und P. Trieb,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch J. Ivanauskas als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO:

Road Star Group mit Sitz in Nupaky (Tschechische Republik),

erlässt

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten F. Schalin (Berichterstatter) sowie der Richterin P. Škvařilová-Pelzl, des Richters I. Nõmm, der Richterin G. Steinfatt und des Richters D. Kukovec,

Kanzler: A. Juhász-Tóth, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2023

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die Puma SE, die Aufhebung der Entscheidung der Dritten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 21. September 2022 (Sache R 1900/2021-3) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 13. April 2021 stellte die Klägerin beim EUIPO einen Antrag auf Nichtigerklärung des auf eine Anmeldung durch die Road Star Group vom 23. August 2017 hin eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters, das in folgenden Ansichten wiedergegeben ist:

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3        Das angegriffene Geschmacksmuster ist zur Verwendung bei folgendem Erzeugnis in Klasse 02.04 des Abkommens von Locarno zur Errichtung einer Internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle vom 8. Oktober 1968 in geänderter Fassung bestimmt: „Fußbekleidung“.

4        Für den Antrag auf Nichtigerklärung wurde der Nichtigkeitsgrund nach Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L 3, S. 1) in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung geltend gemacht.

5        Der Antrag wurde darauf gestützt, dass das angegriffene Geschmacksmuster keine Eigenart habe, und zwar im Hinblick auf u. a. die nachstehend wiedergegebenen älteren Geschmacksmuster und Erzeugnisse:

–        das ältere Geschmacksmuster Nr. 1286116-0005 (im Folgenden: D 1):

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–        das ältere Geschmacksmuster Nr. 1286116-0006 (im Folgenden: D 2):

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–        das ältere Geschmacksmuster Nr. 1286116-0003 (im Folgenden: D 3):

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–        das ältere Geschmacksmuster Nr. 1286116-0002 (im Folgenden: D 4):

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–        das ältere Geschmacksmuster Nr. 1286116-0001 (im Folgenden: D 5):

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–        das im Katalog „Run/Train/Fit A/W 2016“ gezeigte Erzeugnis „NRGY v2“ der Marke PUMA (im Folgenden: D 6):

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–        das im Internet auf einer Online-Handelsplattform präsentierte Erzeugnis „Meda NRGY Knit“ (im Folgenden: D 7):

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6        Am 24. September 2021 wies die Nichtigkeitsabteilung den Antrag auf Nichtigerklärung des angegriffenen Geschmacksmusters mit der Begründung zurück, dass dieses Eigenart habe.

7        Am 12. November 2021 legte die Klägerin beim EUIPO gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung Beschwerde ein.

8        Die Beschwerdekammer wies die Beschwerde mit der angefochtenen Entscheidung zurück. Die Beschwerdekammer war im Wesentlichen der Auffassung, dass erstens die älteren Geschmacksmuster D 1 bis D 7 im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden seien. Zweitens stellte sie zur Definition des informierten Benutzers im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 fest, dass dieser eine Person sei, die üblicherweise Schuhe kaufe und dabei einen relativ hohen Grad an Aufmerksamkeit an den Tag lege. Drittens verfüge der Entwerfer bei der Gestaltung von Schuhen und insbesondere in Bezug auf Struktur, Form, Material, Farbe, Muster und Dekoration über ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit. Viertens riefen das angegriffene Geschmacksmuster und die älteren Geschmacksmuster D 1 bis D 7 beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervor. Die Beschwerdekammer kam daher zu dem Ergebnis, dass das angegriffene Geschmacksmuster nicht gemäß Art. 25 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 für nichtig zu erklären sei.

 Anträge der Parteien

9        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das angegriffene Geschmacksmuster für nichtig zu erklären;

–        dem EUIPO die Kosten einschließlich der im Verfahren vor der Beschwerdekammer angefallenen Kosten aufzuerlegen.

10      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin im Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Bestimmung der angefochtenen Handlung

11      Das EUIPO macht geltend, die Klage sei offensichtlich unbegründet, da die Klägerin in der Klageschrift mit ihrem ersten Antrag zum einen die Aufhebung einer anderen als der im vorliegenden Fall tatsächlich geprüften Entscheidung der Beschwerdekammer und zum anderen die Nichtigerklärung eines anderen Geschmacksmusters als desjenigen beantragt habe, dessen Nichtigerklärung sie vor der Beschwerdekammer beantragt habe.

12      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin eingeräumt, dass der erste Klageantrag der Klageschrift einen Fehler enthalte. Aus dem Inhalt der Klageschrift gehe jedoch eindeutig hervor, dass die Klage und die beantragte Nichtigerklärung sich auf die angefochtene Entscheidung und das angegriffene Geschmacksmuster bezögen.

13      Hierzu ist in Übereinstimmung mit der Klägerin festzustellen, dass aus der Klageschrift hervorgeht, dass der vom EUIPO festgestellte Fehler einen Schreibfehler darstellt und dass sich die Klage gegen die angefochtene Entscheidung und gegen das angegriffene Gemeinschaftsgeschmacksmuster richtet, wie sich speziell aus den einleitenden Randnummern der Klageschrift, insbesondere aus deren Rn. 17, und ganz allgemein aus dem gesamten Vorbringen der Klägerin ergibt, die es ermöglichen, sie eindeutig zu identifizieren. Folglich ist der Antrag des EUIPO, die Klage aus diesem Grund abzuweisen, zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des ersten Klageantrags der Klägerin

14      Mit dem zweiten Teil des ersten Klageantrags beantragt die Klägerin, das angegriffene Geschmacksmuster für nichtig zu erklären.

15      Insoweit ist davon auszugehen, dass die Klägerin mit diesem Antrag gemäß Art. 61 Abs. 3 der Verordnung Nr. 6/2002 einen Abänderungsantrag gestellt hat, der darauf gerichtet ist, dass das Gericht die Entscheidung erlässt, die die Beschwerdekammer hätte erlassen müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Februar 2018, Şölen Çikolata Gıda Sanayi ve Ticaret/EUIPO – Zaharieva [Verpackung für Eistüten], T‑794/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:70, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zur Begründetheit

16      Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 25 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 geltend, da die Beschwerdekammer im Wesentlichen den Schutzumfang der älteren Geschmacksmuster verkannt und zu Unrecht festgestellt habe, dass das angegriffene Geschmacksmuster Eigenart habe.

17      Nach Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 kann ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster für nichtig erklärt werden, wenn es die Voraussetzungen der Art. 4 bis 9 dieser Verordnung, insbesondere die Voraussetzungen in Bezug auf die Neuheit und die Eigenart, nicht erfüllt.

18      Gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 hat ein eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Geschmacksmuster, das der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, vor dem Tag der Anmeldung zur Eintragung bei diesem Benutzer hervorruft.

19      Die Beurteilung der Eigenart eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters erfolgt im Wesentlichen in einer Prüfung in vier Schritten. Zu bestimmen sind erstens der Wirtschaftszweig der Erzeugnisse, in die das Geschmacksmuster aufgenommen oder bei denen es verwendet werden soll, zweitens der informierte Benutzer dieser Erzeugnisse je nach ihrer Zweckbestimmung und mit Bezug auf diesen informierten Benutzer der Grad der Kenntnis vom Stand der Technik sowie der Grad der Aufmerksamkeit in Bezug auf Ähnlichkeiten und Unterschiede beim Vergleich der Geschmacksmuster, drittens der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters, deren Einfluss auf die Eigenart umgekehrt proportional ist, und viertens, unter Berücksichtigung der Eigenart, das Ergebnis des möglichst direkten Vergleichs der Gesamteindrücke, die das angegriffene Geschmacksmuster und das ältere, der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Geschmacksmuster beim informierten Benutzer jeweils hervorrufen (vgl. Urteil vom 13. Juni 2019, Visi/one/EUIPO – EasyFix [Informationsblatthalter für Fahrzeuge], T‑74/18, EU:T:2019:417, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Im Licht dieser Grundsätze ist zu prüfen, ob die Beschwerdekammer im vorliegenden Fall zu Recht feststellen konnte, dass das angegriffene Geschmacksmuster Eigenart habe.

 Zur Offenbarung der älteren Geschmacksmuster, zum informierten Benutzer und zum Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers

21      Was zunächst die Offenbarung der älteren Geschmacksmuster betrifft, hat die Beschwerdekammer in Rn. 18 der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen festgestellt, dass sich zum einen aus Ausdrucken der Datenbank „eSearch“ für die älteren Geschmacksmuster D 1 bis D 5 und zum anderen aus Auszügen aus Katalogen und einer Online-Handelsplattform im Internet für die älteren Geschmacksmuster D 6 und D 7 ergebe, dass diese hinreichend zugänglich gemacht worden seien, um bei der Beurteilung der Gültigkeit des angegriffenen Geschmacksmusters berücksichtigt zu werden.

22      Sodann hat die Beschwerdekammer in Rn. 23 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass das angegriffene Geschmacksmuster dazu bestimmt sei, bei Schuhen verwendet zu werden, so dass der informierte Benutzer aufgrund seines Interesses an Schuhen bei deren Verwendung einen vergleichsweise hohen Grad an Aufmerksamkeit an den Tag lege.

23      Schließlich hat die Beschwerdekammer in Rn. 26 der angefochtenen Entscheidung die Auffassung vertreten, dass der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers hoch sei, da Letztere nur insoweit eingeschränkt sei, als die Schuhe der Ergonomie der Füße folgen, fest sein, einen stabilen Halten ermöglichen und für den Benutzer bequem und sicher sein müssten. Der Entwerfer könne jedoch u. a. Form, Material, Farbe, Muster und dekorative Elemente frei wählen.

24      Diese Feststellungen der Beschwerdekammer, die im Hinblick auf den Akteninhalt dieser Rechtssache zutreffend erscheinen und die im Übrigen von den Parteien nicht beanstandet werden, sind zu bestätigen.

 Zu den relevanten Elementen der in Rede stehenden Geschmacksmuster

25      Die Klägerin macht geltend, dass die älteren Geschmacksmuster D 1 bis D 5 mit der Angabe „Schuhsohlen“ eingetragen seien und dass die in diesen älteren Geschmacksmustern gestrichelt erscheinende grafische Darstellung des übrigen Schuhs dem Betrachter nur zeigen solle, wie die Sohle mit dem übrigen Schuh verbunden sei. Folglich könne der Vergleich des angegriffenen Geschmacksmusters mit den älteren Geschmacksmustern D 1 bis D 5 nur auf der Grundlage der Sohlen der Schuhe vorgenommen werden, die deren wesentlicher Bestandteil seien, da andernfalls dem Schutz dieser Elemente seine Wirkung genommen würde.

26      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

27      Die Klägerin rügt, dass im Rahmen des Vergleichs der Gesamteindrücke der in Rede stehenden Geschmacksmuster zum einen der Schaft des angegriffenen Geschmacksmusters und zum anderen die gestrichelten Elemente der älteren Geschmacksmuster D 1 bis D 5 berücksichtigt worden seien. Diese beiden Rügen sind nacheinander zu prüfen, um die relevanten Elemente zu bestimmen, die im Rahmen des Vergleichs der Gesamteindrücke der fraglichen Geschmacksmuster zu berücksichtigen sind.

–       Zu den relevanten Elementen des angegriffenen Geschmacksmusters

28      Nach Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 ist der Vergleich des von einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern hervorgerufenen Gesamteindrucks im Hinblick auf die gesamte Erscheinungsform jedes einzelnen dieser Geschmacksmuster vorzunehmen (Urteil vom 28. Oktober 2021, Ferrari, C‑123/20, EU:C:2021:889, Rn. 46).

29      Nach Art. 25 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 müssen dem Vergleich der von den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern hervorgerufenen Gesamteindrücke jedoch die im angegriffenen Geschmacksmuster offenbarten Merkmale zugrunde gelegt werden, und er darf sich nur auf die tatsächlich geschützten Elemente stützen, ohne die vom Schutz ausgeschlossenen Merkmale – insbesondere technischer Art – zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. November 2021, Eternit/EUIPO – Eternit Österreich [Bauplatte], T‑193/20, EU:T:2021:782, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Dass das ältere Geschmacksmuster zusätzliche Elemente offenbart, die das angegriffene Geschmacksmuster nicht aufweist, ist für den Vergleich der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster insoweit irrelevant (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Juni 2018, Haverkamp IP/EUIPO – Sissel [Kieselstrand Oberflächenmuster], T‑228/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:369, Rn. 38, und vom 10. November 2021, Bauplatte, T‑193/20, EU:T:2021:782, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Daher ist für den Vergleich der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster zu bestimmen, welche Elemente tatsächlich durch das angegriffene Geschmacksmuster geschützt werden und daher insoweit relevant sind (Urteil vom 21. Juni 2018, Kieselstrand Oberflächenmuster, T‑228/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:369, Rn. 37).

32      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das angegriffene Geschmacksmuster mit der Angabe „Fußbekleidung“ eingetragen wurde und dass es, wie oben aus Rn. 2 hervorgeht, verschiedene Ansichten eines vollständigen Schuhmodells aufweist.

33      In Anbetracht der oben in den Rn. 28 bis 31 angeführten Rechtsprechung sind daher beim Vergleich zwischen dem angegriffenen Geschmacksmuster und den älteren Geschmacksmustern alle Elemente zu berücksichtigen, die tatsächlich durch das angegriffene Geschmacksmuster geschützt sind, das einen vollständigen Schuh, bestehend aus Sohle und Schaft, darstellt.

34      Der Vergleich zwischen den in Rede stehenden Geschmacksmustern darf sich daher nicht darauf beschränken, nur die Erscheinungsform der Sohle des angegriffenen Geschmacksmusters mit der Sohle in den älteren Geschmacksmustern D 1 bis D 5, die deren einziger geschützter Teil ist, zu vergleichen.

35      Die Klägerin macht geltend, dass eine solche Lösung zur Folge habe, dass der Schutz nur eines Teils eines Erzeugnisses als Geschmacksmuster in Frage gestellt werde. Die Prüfung des Nichtigkeitsgrundes von Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 folgt jedoch, anders als im Fall des Nichtigkeitsgrundes von Art. 25 Abs. 1 Buchst. e dieser Verordnung oder in einem Verletzungsverfahren, nicht der Logik des Schutzes eines älteren Rechts. Der Nichtigkeitsgrund von Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 betrifft nur die Feststellung, ob das angegriffene Geschmacksmuster die Eintragungsvoraussetzungen der Art. 4 bis 9 dieser Verordnung erfüllt.

36      Legte man, wie es die Klägerin wünscht, anstelle der geschützten Merkmale des angegriffenen Geschmacksmusters diejenigen des älteren Geschmacksmusters zugrunde, liefe dies darauf hinaus, geschützte Merkmale des angegriffenen Geschmacksmusters vom Vergleich auszuschließen. Dies hätte zur Folge, dass nicht geprüft würde, ob dieses Geschmacksmuster in seiner Gesamtheit die Schutzvoraussetzungen erfüllt, was daher gegen Art. 4 der Verordnung Nr. 6/2002 verstieße.

37      Was im Übrigen das Vorbringen der Klägerin betrifft, wonach die Sohle der wesentliche Bestandteil eines Schuhs sei, ist darauf hinzuweisen, dass es nach der Rechtsprechung nicht ausgeschlossen ist, dass beim Vergleich von Geschmacksmustern der von jedem Geschmacksmuster hervorgerufene Gesamteindruck durch bestimmte Merkmale der betreffenden Erzeugnisse oder von Teilen dieser Erzeugnisse geprägt wird. Zur Klärung der Frage, ob ein bestimmtes Merkmal ein Erzeugnis oder einen Teil von ihm prägt, muss der mehr oder weniger starke Einfluss bewertet werden, den die verschiedenen Merkmale des Erzeugnisses oder des betreffenden Teils auf die Erscheinungsform dieses Erzeugnisses oder Teils haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2013, Merlin u. a./HABM – Dusyma [Spiele], T‑231/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:560, Rn. 36).

38      In Übereinstimmung mit dem EUIPO ist jedoch festzustellen, dass die Klägerin nicht angegeben hat, warum die Sohle als wesentlicher Bestandteil eines Schuhs anzusehen sein soll, der allein Grundlage für den Vergleich sein könnte. Selbst wenn man unterstellte, dass dies aus rein technischer Sicht der Fall sei, wäre diese Feststellung im Rahmen des Schutzes eines Geschmacksmusters nicht relevant, da im Gegensatz zu Patenten nur das Erscheinungsbild geschützt ist.

39      Im vorliegenden Fall besteht kein Grund zu der Annahme, dass die Sohle rein visuell für den informierten Benutzer ein Merkmal darstellt, das gegenüber dem Rest des Schuhs dominierend wäre. Allenfalls wird die Sohle für den visuellen Gesamteindruck des Schuhs eine ebenso große Bedeutung haben wie der Schaft.

40      Somit ist im Hinblick auf die oben in Rn. 37 angeführte Rechtsprechung nicht davon auszugehen, dass der Gesamteindruck der fraglichen Geschmacksmuster von der Erscheinungsform der Sohlen geprägt wird.

–       Zu den relevanten Elementen der älteren Geschmacksmuster D 1 bis D 5

41      Die Richtlinien des EUIPO für die Prüfung von Anmeldungen eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster stellen, obwohl sie keinen verbindlichen Charakter haben, eine Erkenntnisquelle für die Praxis des EUIPO im Bereich Geschmacksmuster dar (vgl. entsprechend Urteil vom 8. Juni 2022, Muschaweck/EUIPO – Conze (UM), T‑293/21, EU:T:2022:345, Rn. 38). Insoweit heißt es in Nr. 5.4 dieser Richtlinien in ihrer am 31. März 2023 geltenden Fassung:

„[V]isuelle Verzichtserklärungen [sind] ein Hinweis darauf, dass für bestimmte Merkmale des Geschmacksmusters in der Wiedergabe kein Schutz beansprucht wird und keine Eintragung vorgenommen wurde. Sie machen somit Angaben dazu, was nicht geschützt werden soll. Dies kann [u. a.] erreicht werden, [indem] die Merkmale des Geschmacksmusters, für die kein Schutz beansprucht wird, durch gestrichelte Linien, Unschärfe oder Farbschattierungen ausgeschlossen werden …“

42      Im vorliegenden Fall sind die älteren Geschmacksmuster D 1 bis D 5 mit der Angabe „Schuhsohlen“ eingetragen und geben, wie oben in Rn. 5 dargelegt, die Erscheinungsform einer Schuhsohle mit der Erscheinungsform des Schafts eines Schuhs in gestrichelter Linie wieder. Für den in gestrichelter Linie dargestellten Schaft wurde kein Schutz beansprucht.

43      Wie sich aber aus der oben in Rn. 29 angeführten Rechtsprechung ergibt, sind dem Vergleich der von den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern hervorgerufenen Gesamteindrücke die offenbarten und geschützten Merkmale des angegriffenen Geschmacksmusters zugrunde zu legen, die die Erscheinungsform einer Sohle und eines Schuhschafts umfassen.

44      Daher ist zu prüfen, ob die Erscheinungsform des Schuhschafts der älteren Geschmacksmuster D 1 bis D 5 auch beim Vergleich der von den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern hervorgerufenen Gesamteindrücke berücksichtigt werden kann, obwohl es sich nicht um Merkmale handelt, für die Schutz beansprucht wurde.

45      Insoweit geht aus dem 14. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 6/2002 hervor, dass die Eigenart eines Geschmacksmusters nach Art. 25 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 danach beurteilt werden sollte, inwieweit sich der Gesamteindruck, den der Anblick des Geschmacksmusters beim informierten Benutzer hervorruft, deutlich von dem unterscheidet, den der vorbestehende Formschatz bei ihm hervorruft (Urteil vom 16. Juni 2021, Davide Groppi/EUIPO – Viabizzuno [Tischleuchte], T‑187/20, EU:T:2021:363, Rn. 25).

46      Bei der Prüfung des Nichtigkeitsgrundes nach Art. 25 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 hat das ältere Geschmacksmuster nämlich nur die Funktion, den Stand der älteren Technik zu offenbaren. Dieser entspricht dem vorbestehenden Formenschatz der sich auf das fragliche Erzeugnis beziehenden Geschmacksmuster, die am Anmeldetag des betreffenden Geschmacksmusters zugänglich waren. Die Zugehörigkeit eines älteren Geschmacksmusters zu diesem Formenschatz ergibt sich jedoch allein aus seiner Offenbarung (vgl. Urteil vom 16. Juni 2021, Tischleuchte, T‑187/20, EU:T:2021:363, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Somit ist für die Feststellung, ob Elemente eines älteren Geschmacksmusters berücksichtigt werden können, nicht auf den Schutzgegenstand dieses Geschmacksmusters abzustellen, sondern nur darauf, ob diese Elemente offenbart wurden.

48      Insoweit bestimmt Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002, dass ein Geschmacksmuster als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht gilt, wenn es nach der Eintragung oder auf andere Weise bekannt gemacht, oder wenn es ausgestellt, im Verkehr verwendet oder auf sonstige Weise offenbart wurde, und zwar vor dem in Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 genannten Zeitpunkt, es sei denn, dass dies den in der Europäischen Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf nicht bekannt sein konnte.

49      Damit die Zugänglichmachung eines Geschmacksmusters die Offenbarung aller seiner Elemente bewirkt, ist es außerdem unabdingbar, dass diese Elemente bei dieser Offenbarung klar und eindeutig erkennbar sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Oktober 2021, Ferrari, C‑123/20, EU:C:2021:889, Rn. 38 und 39).

50      Im vorliegenden Fall hat die Klägerin nicht bestritten, dass auch die nicht beanspruchten Elemente der älteren Geschmacksmuster D 1 bis D 5, d. h. die Erscheinungsform eines gestrichelten Schuhschafts, gleichzeitig mit dem geschützten Teil dieser Geschmacksmuster offenbart wurden. Außerdem sind die nicht beanspruchten Elemente der älteren Geschmacksmuster D 1 bis D 5 hinreichend klar und deutlich, um ohne Interpretationsaufwand die Erscheinungsform eines Schuhschafts und seiner verschiedenen Teile, wie u. a. Hinterkappe, Schnürsenkel oder auch das Oberteil, wahrzunehmen.

51      Folglich hat die Beschwerdekammer in Rn. 28 der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass die nicht beanspruchten Elemente der älteren Geschmacksmuster D 1 bis D 5 bei der Beurteilung der Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters berücksichtigt werden können.

 Zum Gesamteindruck

52      Die Klägerin macht zum einen geltend, dass das angegriffene Geschmacksmuster und die älteren Geschmacksmuster bei den Sohlen dieselben Merkmale aufwiesen, und zum anderen, dass die Merkmale der Zwischensohle des angegriffenen Geschmacksmusters mit denen des älteren Geschmacksmusters D 7 identisch seien.

53      Hilfsweise macht die Klägerin geltend, dass ein Vergleich aller in Rede stehender Geschmacksmuster nur mit den älteren Geschmacksmustern D 6 und D 7 möglich sei, die denselben Gesamteindruck wie das angegriffene Geschmacksmuster vermittelten. Insoweit beanstandet die Klägerin die Berücksichtigung des im älteren Geschmacksmuster D 6 enthaltenen Streifens mit einer breiten Basis, der in der Waagerechten beginne und sich seitlich zu einer schmaleren Linie verjünge, in Rn. 38 der angefochtenen Entscheidung, da es sich dabei um eine Unionsmarke handele.

54      Außerdem wendet sich die Klägerin gegen die Beurteilung der Beschwerdekammer, wonach die Vielfalt der Muster, die das angefochtene Geschmacksmuster aufweise, einen anderen Gesamteindruck hervorrufe. Diese Vielfalt an Mustern erzeuge nämlich den Eindruck, dass der Schuh gestrickt sei, der auch vom oberen Teil des Schuhs des älteren Geschmacksmusters D 7 hervorgerufen werde.

55      Die Klägerin bestreitet auch, dass sich das angegriffene Geschmacksmuster in der Gestaltung des Schafts unterscheide. In dieser Hinsicht gebe es keine wesentlichen Unterschiede zwischen dem angegriffenen Geschmacksmuster und dem älteren Geschmacksmuster D 6. Außerdem sei die Fersenkappe des angegriffenen Geschmacksmusters durch ihre technische Funktion bedingt, die darin bestehe, das Zusammenfallen des oberen Teils des Schuhs zu verhindern, und falle daher nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 nicht unter den Schutz des Gemeinschaftsgeschmacksmusters. Schließlich wiesen alle in Rede stehenden Geschmacksmuster einen senkrecht an der Fersenkappe befestigten Streifen aus Stoff auf.

56      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

57      Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich die Eigenart eines Geschmacksmusters aus einem Gesamteindruck der Unähnlichkeit oder des Fehlens eines „déjà vu“ aus der Sicht des informierten Benutzers im Vergleich zum vorbestehenden Formschatz älterer Geschmacksmuster, ungeachtet der Unterschiede, die – auch wenn sie über unbedeutende Details hinausgehen – nicht markant genug sind, um diesen Gesamteindruck zu beeinträchtigen, aber unter Berücksichtigung von Unterschieden, die hinreichend ausgeprägt sind, um einen unähnlichen Gesamteindruck hervorzurufen (vgl. Urteil vom 16. Februar 2017, Antrax It/EUIPO – Vasco Group [Thermosiphons für Heizkörper], T‑828/14 und T‑829/14, EU:T:2017:87, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Darüber hinaus muss nach der Rechtsprechung der Vergleich der durch die einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster erweckten Gesamteindrücke synthetischer Art sein und kann sich nicht auf den analytischen Vergleich einer Aufzählung von Ähnlichkeiten und Unterschieden beschränken (Urteil vom 29. Oktober 2015, Roca Sanitario/HABM – Villeroy & Boch [Einhandmischer], T‑334/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:817, Rn. 58).

59      Außerdem sind, da die Wort- und Bildelemente auf den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern unterscheidungskräftige Marken oder Zeichen sind, die auf der Ware angebracht sind, um ihre Herkunft zu bezeichnen, die keine Zier- oder Dekorationsfunktion haben und keine Merkmale des Erzeugnisses darstellen, die den betreffenden Erzeugnissen ihre Erscheinungsform im Sinne von Art. 3 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 6/2002 verleihen, diese Elemente im Rahmen des Vergleichs der Gesamteindrücke für die Feststellung der Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters unerheblich (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. November 2021, Sanford/EUIPO – Avery Zweckform [Etiketten], T‑443/20, EU:T:2021:767, Rn. 80).

60      Vorab ist festzustellen, dass, wie oben in den Rn. 34 und 51 ausgeführt, die in den älteren Geschmacksmustern D 1 bis D 5 enthaltenen Verzichtselemente zu berücksichtigen sind, da diese offenbart wurden und klar und deutlich erkennbar sind und der Vergleich der in Rede stehenden Geschmacksmuster entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht auf einen Vergleich der Sohlen beschränkt werden darf.

61      Außerdem ist, wie oben in Rn. 40 ausgeführt, im Rahmen des Gesamteindrucks zwischen den fraglichen Geschmacksmustern keinem bestimmten Teil des Schuhs eine größere Bedeutung beizumessen.

–       Zum Vergleich zwischen dem angegriffenen Geschmacksmuster und den älteren Geschmacksmustern D 1 und D 2

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62      Die Beschwerdekammer hat in Rn. 30 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass die in Rede stehenden Geschmacksmuster zwar darin übereinstimmten, dass es sich um Schnürschuhe mit abgesenktem Kragen und strukturierter Sohle mit abnehmender Dicke handele, aber hinreichende Unterschiede aufwiesen, um beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorzurufen.

63      Hierzu hat die Beschwerdekammer in Rn. 31 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass das angegriffene Geschmacksmuster verschiedene Muster aufweise, wie z. B. parallele Linien und Punkte, während die älteren Geschmacksmuster D 1 und D 2 zwei unterschiedliche Aufnäher an der Fersenkappe und der Zehenkappe hätten. Außerdem weise das angegriffene Geschmacksmuster eine überdimensionierte Fersenkappe und drei Ösenpaare auf den Quartierflügeln auf, während die älteren Geschmacksmuster D 1 und D 2 über eine kleinere Fersenkappe und fünf Ösenpaare verfügten, die sich näher an der Oberseite des Schuhs befänden.

64      Die Beschwerdekammer hat in Rn. 32 der angefochtenen Entscheidung auch festgestellt, dass die fraglichen Geschmacksmuster weitere Unterschiede im Bereich der Sohle aufwiesen. Insbesondere bestehe die Sohle des angegriffenen Geschmacksmusters im Gegensatz zu den älteren Geschmacksmustern D 1 und D 2 aus zwei Schichten, rage über die Ferse hinaus und habe eine spitz zulaufende Untersohle, die sich an der Zehenkappe nach oben wölbe.

65      Den vorstehenden Feststellungen der Beschwerdekammer ist zuzustimmen.

66      Die in Rede stehenden Geschmacksmuster mögen zwar bestimmte visuelle Merkmale gemeinsam haben, insbesondere was die Struktur der Sohle des älteren Geschmacksmusters D 1 betrifft. Allerdings unterscheidet sich das angefochtene Geschmacksmuster von den älteren Geschmacksmustern D 1 und D 2 vor allem durch das Dekor des Schafts, das Vorhandensein einer Untersohle, einen abgerundeten Kragen ohne scharfe Einschnitte und eine stilisierte Fersenkappe, die bis zur Mitte des Schuhs reicht. Diese wesentlichen Unterschiede reichen aus, um den in Rede stehenden Geschmacksmustern einen unterschiedlichen Gesamteindruck zu verleihen, der einem informierten Benutzer, der einen erhöhten Aufmerksamkeitsgrad an den Tag legt, nicht entgehen wird.

67      Die Argumente der Klägerin können die vorstehenden Feststellungen nicht in Frage stellen.

68      Die Klägerin hat sich nämlich ausschließlich auf einen Vergleich zwischen den Sohlen in den fraglichen Geschmacksmustern gestützt und dabei geltend gemacht, dass diese eine Reihe gemeinsamer Merkmale aufwiesen, wie insbesondere eine Sohle, die sich vom Fersenbereich bis zur Schuhspitze hin verjünge, wo sie sich leicht nach oben wölbe, eine styroporartige Oberfläche, verschiedene einfarbig weiße Einzelmodule, die nebeneinander angeordnet seien, eine Struktur, die sich einheitlich über die gesamte Seitenansicht der Sohle erstrecke, und eine Sohle, die auf einer Untersohle liege und an der Ferse leicht überstehe.

69      Die oben in Rn. 66 festgestellten Unterschiede sind jedoch bedeutsamer als die von der Klägerin genannten gemeinsamen Merkmale und reichen aus, um bei den fraglichen Geschmacksmustern einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorzurufen. Diese Feststellung stützt sich insbesondere darauf, dass die Beurteilungen der Beschwerdekammer anders als die der Klägerin nicht allein auf dem Vergleich der Sohlen beruhen und dass die Schäfte der fraglichen Geschmacksmuster erhebliche Unterschiede aufweisen, die beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorrufen können.

–       Zum Vergleich zwischen dem angegriffenen Geschmacksmuster und den älteren Geschmacksmustern D 3 bis D 5

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70      Die Beschwerdekammer hat in Rn. 35 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass das angegriffene Geschmacksmuster im Gegensatz zu den älteren Geschmacksmustern D 3 bis D 5 eine Fersenkappe mit einem Muster aus parallelen Linien, ein mit einer Vielzahl von Linien und kontrastierenden Punkten verziertes Oberteil, eine mit einem Hahnentrittmuster verzierte Zehenkappe, einen abgesenkten Kragen ohne sichtbare Zunge oder Lasche im Bereich der Achillessehne und zwei Reihen von drei Ösen mit über Kreuz gebundenen Schnürsenkeln aufweise. Die älteren Geschmacksmuster D 3 bis D 5 seien mit zwei sich deutlich abhebenden Aufnähern auf dem Schaft, einer gesonderten Zunge und einer Lasche im Bereich der Achillessehne sowie fünf Paar Ösen mit gerade gebundenen Schnürsenkeln ausgestattet.

71      Speziell in Bezug auf die Sohle hat die Beschwerdekammer in Rn. 36 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass sich die Sohle des angegriffenen Geschmacksmusters aus zwei unterschiedlichen Schichten zusammensetze, dass sie hinten einen ausgeprägten Überstand aufweise und dass sie entlang einer glatten Linie in den Schaft übergehe. Dagegen bestünden die Sohlen der älteren Geschmacksmuster D 3 bis D 5 aus einer einzigen Schicht mit einem gezackten Rand am Übergang zum Schaft und einem kleineren Überstand als beim angegriffenen Geschmacksmuster. Darüber hinaus hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass die Untersohle des angegriffenen Geschmacksmusters glatt erscheine und die Schuhspitze und den Absatz bedeckte, während die Untersohle des älteren Geschmacksmusters D 4 nicht durchgängig sei und die des älteren Geschmacksmusters D 3 ein Profil aufweise. Das ältere Geschmacksmuster D 5 habe dagegen nur eine Laufsohle ohne Profil.

72      Die Beschwerdekammer hat daher in Rn. 37 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass sich der Gesamteindruck, den das angegriffene Geschmacksmuster beim informierten Benutzer hervorrufe, von dem Gesamteindruck unterscheide, den die älteren Geschmacksmuster D 3 bis D 5 hervorriefen.

73      Den vorstehenden Feststellungen der Beschwerdekammer ist zuzustimmen.

74      Die in Rede stehenden Geschmacksmuster mögen zwar bestimmte visuelle Merkmale gemeinsam haben. Das angefochtene Geschmacksmuster unterscheidet sich jedoch von den älteren Geschmacksmustern D 3 bis D 5 vor allem durch das Dekor des Schafts, durch die stärker verjüngte Form der Sohle, durch eine Linie, die die Zwischensohle in der Mitte in zwei Hälften teilt, durch einen abgerundeten Kragen ohne scharfe Einschnitte, durch eine stilisierte Fersenkappe, die bis zur Mitte des Schuhs reicht, und schließlich durch das Fehlen einer abstehenden Zunge. Diese wesentlichen Unterschiede reichen aus, um den in Rede stehenden Geschmacksmustern einen unterschiedlichen Gesamteindruck zu verleihen, der einem informierten Benutzer, der einen erhöhten Aufmerksamkeitsgrad an den Tag legt, nicht entgehen wird.

75      Die Argumente der Klägerin können die vorstehenden Feststellungen nicht in Frage stellen.

76      Die von der Klägerin angeführten gemeinsamen Merkmale der in Rede stehenden Geschmacksmuster, wie sie oben in Rn. 68 mutatis mutandis wiedergegeben sind, können nämlich den unterschiedlichen Gesamteindruck dieser Geschmacksmuster nicht aufwiegen. Diese Feststellung stützt sich insbesondere darauf, dass die Beurteilungen der Beschwerdekammer nicht allein auf dem Vergleich der Sohlen beruhen und dass die Schäfte der fraglichen Geschmacksmuster erhebliche Unterschiede aufweisen, die beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorrufen können.

77      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin unterscheiden sich auch die Merkmale der Sohle im angegriffenen Geschmacksmuster erheblich von denen der älteren Geschmacksmuster D 3 bis D 5, wie oben aus Rn. 71 hervorgeht. Außerdem ist diese in dem angegriffenen Geschmacksmuster stärker verjüngt.

–       Zum Vergleich zwischen dem angegriffenen Geschmacksmuster und den älteren Geschmacksmustern D 6 und D 7

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78      In Rn. 38 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass sich die in Rede stehenden Geschmacksmuster im Dekor des Schafts unterschieden. Das ältere Geschmacksmuster D 6 habe auf der Seite einen Streifen mit einer breiten Basis, der in der Waagerechten beginne und sich seitlich zu einer schmaleren Linie verjünge. Das ältere Geschmacksmuster D 7 zeige seitlich eine durchgehende, dreieckige Platte in einer kontrastierenden Farbe mit einem Rand von mehreren parallelen Linien. Das angegriffene Geschmacksmuster weise dagegen eine Vielzahl von Mustern auf dem gesamten Schaft auf.

79      Die Beschwerdekammer hat außerdem in Rn. 39 der angefochtenen Entscheidung zur Gestaltung des Schafts festgestellt, dass das angegriffene Geschmacksmuster einen abgesenkten Kragen ohne Zunge oder sichtbare Lasche im Bereich der Achillessehne und eine überdimensionierte Fersenkappe aufweise. Dagegen hätten die älteren Geschmacksmuster D 6 und D 7 einen hohen Kragen, eine hohe Zunge, eine große Lasche auf der Höhe der Achillessehne und ein breites Band an der Vorderseite der Zunge, um die Schnürsenkel zu fixieren, sowie eine Zuglasche. Der Schaft des angegriffenen Geschmacksmusters sei auch stärker gewölbt und dicker, im Gegensatz zu dem schmaleren und engeren Schaft der älteren Geschmacksmuster D 6 und D 7.

80      In Bezug auf die Unterseite der Sohlen hat die Beschwerdekammer in Rn. 40 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass das angegriffene Geschmacksmuster ein spezifisches Muster aufweise, das aus Dreiecken an der Ferse und an der Spitze bestehe und von einer dunklen glatten Untersohle umgeben sei, während die Sohle des älteren Geschmacksmusters D 6 eine Reihe von Streifen und Linien und das ältere Geschmacksmuster D 7 eine profilierte Untersohle habe.

81      Die Beschwerdekammer hat daher in Rn. 41 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass sich aufgrund dieser Unterschiede der Gesamteindruck, den das angegriffene Geschmacksmuster beim informierten Benutzer hervorrufe, von dem Gesamteindruck unterscheide, den die älteren Geschmacksmuster D 6 und D 7 hervorriefen.

82      Den vorstehenden Feststellungen der Beschwerdekammer ist zuzustimmen.

83      Die in Rede stehenden Geschmacksmuster mögen zwar bestimmte visuelle Merkmale gemeinsam haben, insbesondere im Bereich der Sohle. Das angefochtene Geschmacksmuster unterscheidet sich jedoch von den älteren Geschmacksmustern D 6 und D 7 vor allem durch das Dekor des Schafts, durch einen tiefen abgerundeten Kragen ohne scharfe Einschnitte, durch eine stärker stilisierte Fersenkappe, die bis zur Mitte des Schuhs reicht, und schließlich durch das Fehlen einer abstehenden Zunge. Diese wesentlichen Unterschiede reichen aus, um den in Rede stehenden Geschmacksmustern einen unterschiedlichen Gesamteindruck zu verleihen, der einem informierten Benutzer, der einen erhöhten Aufmerksamkeitsgrad an den Tag legt, nicht entgehen wird.

84      Die Argumente der Klägerin können die vorstehenden Feststellungen nicht in Frage stellen.

85      Die Klägerin macht geltend, dass die in Rede stehenden Geschmacksmuster wegen bestimmter gemeinsamer Merkmale, wie sie oben in Rn. 68 mutatis mutandis wiedergegeben sind, und aufgrund der Tatsache, dass die Profilansicht der Sohle des angegriffenen Geschmacksmusters denselben Gesamteindruck hervorrufe wie die des älteren Geschmacksmusters D 7 und ihre Untersohlen aufgrund der Dreiecke auf dem vorderen und hinteren Drittel des Schuhs fast identisch seien, denselben Gesamteindruck hervorriefen. Die gemeinsamen Merkmale der Sohlen der fraglichen Geschmacksmuster können jedoch den unterschiedlichen Gesamteindruck dieser Geschmacksmuster, der sich insbesondere daraus ergibt, dass sie einen Schaft aufweisen, der in Aufbau und Dekor sehr unterschiedlich ist, nicht aufwiegen.

86      Im Übrigen ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin festzustellen, dass die Beschwerdekammer keinen Beurteilungsfehler begangen hat, indem sie den „Streifen mit einer breiten Basis, der in der Waagerechten beginnt und sich seitlich zu einer schmaleren Linie verjüngt“, und der einer Unionsmarke entspricht, berücksichtigt hat, da dieses Bildzeichen insbesondere aufgrund seiner Größe erheblich zum Erscheinungsbild des älteren Geschmacksmusters D6 und insbesondere seiner Verzierung beiträgt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. November 2021, Etiketten, T‑443/20, EU:T:2021:767, Rn. 80).

87      Zurückzuweisen ist auch das Vorbringen der Klägerin, dass das angegriffene Geschmacksmuster und das ältere Geschmacksmuster D 7 wegen ihres an Strickgewebe erinnernden Stils denselben Eindruck vermittelten. Es ist nämlich festzustellen, dass der gemeinsame Eindruck, der sich aus dem an Strickgewebe erinnernden Stil ergeben soll, weitgehend durch die Vielfalt der Motive des angegriffenen Geschmacksmusters aufgehoben wird, die in starkem Kontrast zu dem älteren Geschmacksmuster D 7 steht, das abgesehen von einem Streifen auf der Ebene der hinteren Kappe und dreieckigen Motiven an den Seiten keine besonderen Motive aufweist.

88      Außerdem unterscheidet sich der Kragen des angegriffenen Geschmacksmusters entgegen dem Vorbringen der Klägerin erheblich von dem des älteren Geschmacksmusters D 6. Anders als dieser hat der Kragen des angegriffenen Geschmacksmusters nämlich keine Zunge und hat eine eher abgerundete Form ohne scharfe Einschnitte.

89      Was ferner das Vorbringen der Klägerin betrifft, wonach die überdimensionierte Fersenkappe des angegriffenen Geschmacksmusters durch seine technische Funktion bestimmt sei, ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster nicht an Erscheinungsmerkmalen eines Erzeugnisses besteht, die ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt sind.

90      Nach der Rechtsprechung ist für die Beurteilung, ob Erscheinungsmerkmale eines Erzeugnisses ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt sind, zu ermitteln, ob diese Funktion der einzige diese Merkmale bestimmende Faktor ist; das Bestehen alternativer Geschmacksmuster ist insoweit nicht ausschlaggebend (Urteile vom 8. März 2018, DOCERAM, C‑395/16, EU:C:2018:172, Rn. 32, und vom 18. November 2020, Tinnus Enterprises/EUIPO – Mystic Products und Koopman International [Vorrichtungen zur Verteilung von Flüssigkeiten], T‑574/19, EU:T:2020:543, Rn. 16).

91      Wird Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens geltend gemacht, ist es Sache der Beschwerdekammer, die vom Antragsteller im Nichtigkeitsverfahren vorgelegten Beweise zu prüfen und sie gegebenenfalls den vom Inhaber des fraglichen Geschmacksmusters beigebrachten Gegenbeweisen gegenüberzustellen und so die Zuverlässigkeit aller von den Parteien vorgelegten Beweise zu beurteilen, um über die Frage zu entscheiden, ob die Erscheinungsmerkmale des fraglichen Erzeugnisses ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt sind (Urteil vom 26. Januar 2022, Unger Marketing International/EUIPO – Orben Wasseraufbereitung [Wasseraufbereiter], T‑325/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:23, Rn. 38).

92      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten, dass die Klägerin im Verfahren vor dem EUIPO weder geltend gemacht hat, dass die Fersenkappe des angegriffenen Geschmacksmusters durch seine technische Funktion bestimmt sei, noch vor dem Gericht Beweise dafür vorgelegt hat, dass diese überdimensionierte Fersenkappe sich ausschließlich aus ihrer technischen Funktion im Sinne der oben in Rn. 90 angeführten Rechtsprechung ergebe. Sie ist daher nicht vom Vergleich zwischen den in Rede stehenden Geschmacksmustern auszuschließen.

93      Was schließlich das Vorbringen der Klägerin betrifft, wonach alle in Rede stehenden Geschmacksmuster einen senkrecht an der Fersenkappe befestigten Stoffstreifen enthielten, ist festzustellen, dass der Stoffstreifen des angegriffenen Geschmacksmusters im Gegensatz zu dem der älteren Geschmacksmuster nicht über die Fersenkappe hinausreicht, was einen Unterschied bewirkt, der dem informierten Benutzer nicht entgehen wird.

94      Die Beschwerdekammer hat daher zu Recht festgestellt, dass das angegriffene Geschmacksmuster einen anderen Gesamteindruck hervorruft als die älteren Geschmacksmuster D 1 bis D 7.

95      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass keines der von der Klägerin geltend gemachten älteren Geschmacksmuster denselben Gesamteindruck hervorruft wie das angegriffene Geschmacksmuster und dass kein Grund für eine Aufhebung oder Abänderung der angefochtenen Entscheidung vorliegt.

96      Nach alledem ist der einzige Klagegrund der Klägerin zurückzuweisen und damit die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

97      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

98      Da eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat und die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Puma SE trägt die Kosten.

Schalin

Škvařilová-Pelzl

Nõmm

Steinfatt

 

      Kukovec

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Mai 2024.

Unterschriften



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