T-58/14 – Stührk Delikatessen Import/ Kommission

T-58/14 – Stührk Delikatessen Import/ Kommission

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

13. Juli 2018()

„Wettbewerb – Kartelle – Markt für Nordseegarnelen in Belgien, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV festgestellt wird – Abstimmung der Preise und Austausch sensibler Geschäftsinformationen – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Geldbußen – Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen von 2006 – Mildernde Umstände – Sehr geringfügige Beteiligung – Zusammenarbeit im Verwaltungsverfahren – Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes – Art. 23 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Ziff. 37 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen von 2006 – Gleichbehandlung – Begründungspflicht“

In der Rechtssache T‑58/14

Stührk Delikatessen Import GmbH & Co. KG mit Sitz in Marne (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J. Sparr,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch H. Leupold, F. Ronkes Agerbeek und P. Van Nuffel als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage gemäß Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2013) 8286 final der Kommission vom 27. November 2013 in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] (Sache AT.39633 – Garnelen), soweit er die Klägerin betrifft, und auf Herabsetzung der ihr in diesem Beschluss auferlegten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen, des Richters L. Calvo-Sotelo Ibáñez-Martín (Berichterstatter) und der Richterin I. Reine,

Kanzler: E. Coulon,

folgendes

Urteil

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, die Stührk Delikatessen Import GmbH & Co. KG, ist eine Gesellschaft deutschen Rechts. Ihre Haupttätigkeit ist der Handel mit Fisch und Garnelen. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Marne (Deutschland) und ist hauptsächlich in Deutschland tätig.

2        Am 14. Januar 2003 erließ die Nederlandse Mededingingsautoriteit (Niederländische Wettbewerbsbehörde, im Folgenden: NMa) eine auf das niederländische Wettbewerbsrecht und Art. 101 AEUV gestützte Entscheidung betreffend verschiedene in der Nordseegarnelenbranche tätige Unternehmen und Unternehmensvereinigungen. Die Entscheidung bezog sich auf Absprachen über den Mindestpreis und Produktionsbeschränkungen für die Zeit zwischen Januar 1998 und Januar 2000 und auf die Behinderung des Marktzugangs neuer Marktteilnehmer bei niederländischen Garnelenauktionen von Oktober bis November 1999. Gegen die Heiploeg BV, die Goldfish BV, die Klaas Puul & Zoon BV und die L. Kok International Seafood BV wurden Geldbußen verhängt.

3        Am 28. Dezember 2004 wurden die gegen mehrere kleinere Marktteilnehmer, darunter L. Kok International Seafood, verhängten Geldbußen im Rahmen einer Verwaltungsbeschwerde aufgehoben und die Geldbußen von Heiploeg, Goldfish und Klaas Puul & Zoon herabgesetzt. Im Übrigen wurde die Entscheidung der NMa von der Rechtbank Rotterdam (Bezirksgericht Rotterdam, Niederlande) und vom College van Beroep voor het bedrijfsleven (Berufungsverwaltungsgericht in Wirtschaftsangelegenheiten, Niederlande) im Wesentlichen bestätigt.

4        Am 13. Januar 2009 teilten die Klaas Puul BV, die Klaas Puul Beheer BV und die Klaas Puul Holding BV (im Folgenden zusammen: Klaas Puul), die verschiedene Arten von Meeresfrüchten verarbeiteten und verkauften, der Europäischen Kommission mit, dass sie die Absicht hätten, einen Antrag auf Erlass der Geldbuße im Zusammenhang mit einem Kartell in der Nordseegarnelenbranche zu stellen. Daraufhin vergab die Kommission an Klaas Puul bis zum 26. Januar 2009 einen Marker im Sinne von Rn. 15 ihrer Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2006, C 298, S. 17, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006), um es Klaas Puul zu gestatten, die erforderlichen Informationen und Beweise einzuholen.

5        Am 26. Januar 2009 stellte Klaas Puul bei der Kommission gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 einen Antrag auf Ermäßigung der Geldbuße. Diese Ermäßigung wurde Klaas Puul am 17. März 2009 unter Vorbehalt gewährt.

6        Vom 24. bis 26. März 2009 führte die Kommission gemäß Art. 20 Abs. 4 und Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) Nachprüfungen in Geschäftsräumen und Privatwohnungen in Belgien, Dänemark, Deutschland und den Niederlanden durch. In der Zeit vom 3. August 2009 bis 9. März 2012 stellte die Kommission mehrere Auskunftsverlangen. Klaas Puul arbeitete weiterhin mit der Kommission zusammen und legte ihr Informationen, Dokumente und Erläuterungen vor.

7        Am 12. Juli 2012 beschloss die Kommission, gegen die Goldfish BV, Heiploeg, die Heiploeg Beheer BV, die Heiploeg Holding BV (im Folgenden zusammen: Heiploeg), die Holding L. J. M. Kok BV, L. Kok International Seafood (im Folgenden zusammen: Kok Seafood), Klaas Puul und die Klägerin ein Verfahren einzuleiten. Am selben Tag erließ sie gegen diese Gesellschaften eine Mitteilung der Beschwerdepunkte.

8        Sämtliche Adressaten dieser Mitteilung beantragten und erhielten in der Folge eine DVD mit allen zugänglichen Dokumenten der Kommissionsakte. Die Dokumente und Erklärungen, die in den Räumlichkeiten der Kommission zugänglich gemacht wurden, wurden nur von Heiploeg eingesehen. Die übrigen Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte beantragten keine Einsichtnahme in diese Dokumente. Sämtliche Adressaten der Mitteilung gaben eine schriftliche Stellungnahme ab und nahmen an der mündlichen Anhörung am 7. Februar 2013 teil.

9        Am 27. November 2013 erließ die Kommission den Beschluss C(2013) 8286 final in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] (Sache AT.39633 – Garnelen) (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

II.    Angefochtener Beschluss

10      Im angefochtenen Beschluss stellte die Kommission fest, dass Heiploeg, Klaas Puul, Kok Seafood und die Klägerin zwischen Juni 2000 und Januar 2009 an zahlreichen Absprachen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen beteiligt gewesen seien und sensible Informationen ausgetauscht hätten. Dadurch hätten sie gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen.

11      Der vom angefochtenen Beschluss betroffene Markt ist der Markt für Nordseegarnelen. Die Kommission stellte fest, dass diese hauptsächlich an Verbraucher in fünf Mitgliedstaaten, nämlich Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich und die Niederlande, geliefert würden. Auf Belgien entfielen etwa 50 % des Gesamtverbrauchs an Nordseegarnelen, auf Deutschland 25 % und auf die Niederlande der überwiegende Teil des verbleibenden Verbrauchs. Die beiden größten Nordseegarnelenhändler in der Europäischen Union seien Heiploeg und Klaas Puul.

12      Das Kartell, auf das sich der angefochtene Beschluss bezieht, betrifft einen einzigen, fortdauernden und komplexen Verstoß gegen Art. 101 AEUV. Nach den Angaben der Kommission bestand dieses Kartell aus Preisabsprachen, abgestimmten Verhaltensweisen und dem Austausch sensibler Informationen zwischen den Lieferanten von Nordseegarnelen. Dem angefochtenen Beschluss zufolge hatte es zum Ziel, gemeinsam das Preisniveau für Nordseegarnelen zu beeinflussen, den Wettbewerb zu beschränken und den Markt zu stabilisieren.

13      Nach der Schilderung im angefochtenen Beschluss beruhte dieses Kartell auf bilateralen Kontakten zwischen den Unternehmen. Die fraglichen Unternehmen, insbesondere Heiploeg und Klaas Puul, hätten seit Langem häufig in Kontakt gestanden, um ihre Geschäfte miteinander zu erörtern. Heiploeg und Klaas Puul hätten insbesondere ihr Marktverhalten offengelegt und koordiniert sowie sensible Geschäftsinformationen ausgetauscht. Vor allem hätten sie Absprachen über die ihren Lieferanten zu zahlenden Preise, die den einzelnen Kunden in Rechnung zu stellenden Preise und die Aufteilung dieser Kunden getroffen.

14      Die Kommission stellte fest, dass auch die Klägerin Preisabsprachen mit Heiploeg getroffen und offen davon Abstand genommen habe, mit Heiploeg und Klaas Puul direkt zu konkurrieren. Schließlich heißt es im angefochtenen Beschluss, Kok Seafood habe mit Heiploeg einen langfristigen Vertrag über den Verkauf ihrer Garnelen an Heiploeg zu einem festen Preis geschlossen, der in Abhängigkeit vom Wiederverkaufspreis Heiploegs festgelegt worden sei. Ziel der Vereinbarung sei insbesondere gewesen, Kok Seafood nicht zu einem Konkurrenten auf dem Garnelenmarkt werden zu lassen.

15      Im angefochtenen Beschluss wurden diese verschiedenen und komplexen Vereinbarungen zwischen den jeweiligen Unternehmen daher als abgestimmtes Marktverhalten in Form von wettbewerbswidrigen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Art. 101 AEUV eingestuft.

16      Die wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen der Klägerin wurden als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung über einen Zeitraum von insgesamt vier Jahren und sieben Monaten (vom 14. März 2003 bis 5. November 2007) angesehen.

17      Bei der Berechnung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße bediente sich die Kommission im angefochtenen Beschluss der in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien) dargelegten Methode. Die Kommission legte zunächst den Grundbetrag der Geldbuße fest, und zwar unter Berücksichtigung der Verkaufsumsätze in den Wirtschaftsjahren 2004 bis 2006 (fünf bis zehn Mio. Euro) nach der Schwere des Verstoßes (16 %), multipliziert mit der Zahl der Jahre, in denen das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war (4,58 im Fall der Klägerin). Sodann fügte die Kommission gemäß Ziff. 25 der Leitlinien einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 16 % hinzu. Die Berechnungen führten zu einem Grundbetrag der gegen die Klägerin zu verhängenden Geldbuße in Höhe von 5 636 000 Euro.

18      In Anbetracht dessen, dass sich die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung auf Deutschland beschränkte, sowie der von den übrigen Kartellbeteiligten abweichenden Art ihrer Beteiligung wurde die gegen die Klägerin verhängte Geldbuße gemäß Ziff. 29 der Leitlinien um 15 % herabgesetzt. Im Anschluss wurde die gegen die Klägerin verhängte Geldbuße, ebenfalls gemäß Ziff. 29 der Leitlinien, aufgrund ihrer Zusammenarbeit und der wichtigen Informationen, die sie der Kommission gegeben hatte, um 18 % verringert. Die Geldbuße wurde nach diesen beiden Kürzungen auf 3 766 000 Euro festgesetzt.

19      In Abschnitt 8.4.3 („Anpassung der Geldbuße“) des angefochtenen Beschlusses stellte die Kommission fest, dass der vorliegende Fall insofern außergewöhnlich sei, als alle beteiligten Unternehmen hauptsächlich auf einem einzigen Markt tätig gewesen seien und über einen relativ langen Zeitraum am Kartell teilgenommen hätten.

20      Die Kommission ging davon aus, dass in der Praxis alle Geldbußen die Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes erreichen könnten und die Anwendung dieser Obergrenze eher die Regel als die Ausnahme wäre (538. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Hierzu verwies die Kommission auf Rn. 75 des Urteils vom 16. Juni 2011, Putters International/Kommission (T‑211/08, EU:T:2011:289), aus dem sich ergebe, dass diese Vorgehensweise hinsichtlich des Grundsatzes, wonach eine Geldbuße der jeweiligen Zuwiderhandlung und dem Täter angepasst sein müsse, Probleme aufwerfen könnte, da sie unter bestimmten Umständen dazu führen könne, dass sich keine Differenzierung anhand der Schwere oder wegen mildernder Umstände mehr auf die Höhe einer Geldbuße auswirken könne.

21      Die Erwägungsgründe 541 und 542 des angefochtenen Beschlusses lauten:

„(541)      Im vorliegenden Fall wird der Grundbetrag auf eine Weise angepasst, die sowohl die Konzentration des Gesamtumsatzes in den Verkaufsumsätzen des Produkts, das Gegenstand der Kartellabsprachen ist, berücksichtigt als auch die Unterschiede zwischen den Parteien im Hinblick auf ihre individuelle Beteiligung an der Zuwiderhandlung. Insgesamt werden die Geldbußen so berechnet werden, dass ihre Höhe im Verhältnis zur jeweiligen Zuwiderhandlung steht und gleichzeitig einen ausreichend abschreckenden Effekt erreicht.

(542)      Aufgrund dieser Erwägungen wird die Verringerung der Geldbußen auf alle Parteien angewendet, und angesichts der Tatsache, dass alle Parteien zu einem unterschiedlichen, aber immer großen Ausmaß mit Nordseegarnelen handeln, wird vorgeschlagen, die Geldbuße von Stührk um 70 % zu verringern, die Geldbuße von Heiploeg und Klaas Puul um 75 % und die Geldbuße von Kok Seafood um 80 %.“

22      Nach dieser Anpassung wurde die gegen die Klägerin zu verhängende Geldbuße auf 1 132 000 Euro festgesetzt.

23      Anschließend wandte die Kommission Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 an, wonach die Höhe der Geldbuße 10 % des Gesamtumsatzes des dem Beschluss der Kommission vorausgegangenen Geschäftsjahrs nicht übersteigen darf. Die Höhe der Geldbuße wurde jedoch nicht geändert, denn die Schwelle von 10 % lag über der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße. Somit wurde der Klägerin letztlich eine Geldbuße in Höhe von 1 132 000 Euro auferlegt.

24      Schließlich wies die Kommission hinsichtlich des Antrags der Klägerin vom 17. Februar 2010 auf Anwendung der Kronzeugenregelung darauf hin, dass die Klägerin weder in ihrem Antrag auf Bußgeldermäßigung noch im Rahmen einer Zusammenkunft mit der Kommission am folgenden Tag Informationen beigebracht habe, die über die Informationen, über die die Kommission bereits verfügt habe, hinausgegangen seien und einen wesentlichen Mehrwert gehabt hätten. Die Kommission erläuterte, dass eine Interessenbekundung zur Zusammenarbeit mit ihr nicht den Anforderungen der Kronzeugenregelung genüge. Zudem wies sie darauf hin, dass das Geständnis der Klägerin nicht im Zusammenhang mit einem Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße nach der Kronzeugenregelung erfolgt, aber als mildernder Umstand berücksichtigt worden sei.

25      Der verfügende Teil des angefochtenen Beschlusses lautet:

„Artikel 1

Die folgenden Unternehmen haben gegen Artikel 101 Absatz 1 AEUV verstoßen, indem sie sich in den angegebenen Zeiträumen an einer einzigen fortdauernden Zuwiderhandlung im Bereich der Nordseegarnelenindustrie in der EU beteiligten. Die Zuwiderhandlung bestand in der Festlegung der Verkaufs- und/oder Einkaufspreise und im Austausch sensibler Geschäftsinformationen über Preise, Kunden und Mengen und im Falle einiger Unternehmen auch in der Marktaufteilung und der Zuweisung von Kunden:

(a)      Heiploeg vom 21. Juni 2000 bis zum 13. Januar 2009,

(b)      Klaas Puul vom 21. Juni 2000 bis zum 13. Januar 2009,

(c)      Stührk vom 14. März 2003 bis zum 5. November 2007,

(d)      Kok [Seafood] vom 11. Februar 2005 bis zum 13. Januar 2009.

Artikel 2

Wegen der in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlung werden die folgenden Geldbußen verhängt:

(a)      Heiploeg BV

Goldfish BV

Heiploeg Beheer BV

gesamtschuldnerisch: 14 262 000 [Euro]

Heiploeg BV,

Goldfish BV,

Heiploeg Beheer BV

Heiploeg Holding BV

gesamtschuldnerisch: 12 820 000 [Euro]

(b)      Klaas Puul BV,

Klaas Puul Beheer BV und

Klaas Puul Holding BV

gesamtschuldnerisch: 0 [Euro]

(c)      Stührk Delikatessen Import GmbH & Co. KG: 1 132 000 [Euro]

(d)      L. Kok International Seafood BV und

Holding L. J. M. Kok BV

gesamtschuldnerisch: 502 000 [Euro]

…“

III. Verfahren und Anträge der Parteien

26      Mit Klageschrift, die am 27. Januar 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

27      Am 17. Dezember 2015 hat das Gericht (Neunte Kammer) im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 89 Abs. 3 Buchst. a seiner Verfahrensordnung den Parteien schriftlich einige Fragen gestellt. Die Kommission hat diese Fragen fristgerecht beantwortet. Die Klägerin hat innerhalb der gesetzten Frist nicht geantwortet.

28      Wegen der teilweisen Neubesetzung des Gerichts ist die vorliegende Rechtssache durch Entscheidung des Präsidenten des Gerichts vom 15. April 2016 einem neuen Berichterstatter zugewiesen worden.

29      Mit Schreiben vom 24. Mai 2016 hat die Klägerin dem Gericht mitgeteilt, dass das Amtsgericht Meldorf (Deutschland) das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet habe.

30      Nach einer Neubesetzung der Kammern des Gerichts gemäß Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung ist der Berichterstatter der Vierten Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist.

31      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Vierte Kammer) beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen, und hat den Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 89 der Verfahrensordnung eine schriftliche Frage zur Beantwortung in der mündlichen Verhandlung gestellt.

32      Mit Schreiben, das am 20. März 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin dem Gericht mitgeteilt, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde.

33      Mit Entscheidung des Präsidenten der Vierten Kammer des Gerichts vom 22. März 2017 ist die für den 24. März 2017 anberaumte mündliche Verhandlung annulliert und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben worden.

34      Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung hat das Gericht die Parteien zur schriftlichen Beantwortung einiger Fragen aufgefordert. Die Parteien sind dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.

35      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht eine neue mündliche Verhandlung für den 18. September 2017 anberaumt.

36      Mit Schreiben, die am 31. Juli und am 1. August 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Klägerin und die Kommission dem Gericht mitgeteilt, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werden.

37      Mit Entscheidung des Präsidenten der Vierten Kammer des Gerichts vom 10. August 2017 ist die mündliche Verhandlung annulliert und das mündliche Verfahren gemäß Art. 108 Abs. 2 der Verfahrensordnung geschlossen worden.

38      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit er sie betrifft;

–        hilfsweise, die ihr auferlegte Geldbuße insgesamt aufzuheben;

–        höchst hilfsweise, die ihr auferlegte Geldbuße herabzusetzen und eine Geldbuße festzusetzen, die 188 300 Euro nicht übersteigt;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

39      Die Kommission beantragt,

–        die Klage insgesamt abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

IV.    Rechtliche Würdigung

40      Die Kommission macht zunächst geltend, dass der erste und der zweite Klageantrag unschlüssig seien. Sie beantragt im Wesentlichen, diese beiden Anträge zurückzuweisen, ohne die von der Klägerin hierzu geltend gemachten Klagegründe zu prüfen.

41      Zum ersten Antrag, den angefochtenen Beschluss vollständig für nichtig zu erklären, soweit er die Klägerin betrifft, macht die Kommission geltend, nach der Rechtsprechung könne das Gericht in einer Situation, in der feststehe, dass ein Unternehmen durch sein Verhalten den Tatbestand des Art. 101 AEUV erfüllt habe, aber nicht nachgewiesen sei, dass dieses Verhalten Teil einer weiter reichenden einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung sei, den angefochtenen Beschluss nicht vollständig, sondern nur teilweise für nichtig erklären.

42      Zum zweiten Antrag, die Geldbuße vollständig aufzuheben, trägt die Kommission im Wesentlichen vor, dass eine vollständige Aufhebung der Geldbuße aus den gleichen wie den zum ersten Antrag dargelegten Gründen nicht in Betracht komme.

43      Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Kommission entgegen.

44      Zum ersten Klageantrag ergibt sich aus der Klageschrift, dass die Klägerin die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses begehrt, soweit er sie betrifft. Das Vorbringen der Kommission vermag es aber nicht zu rechtfertigen, einen solchen Antrag auf teilweise Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses als „unschlüssig“ zurückzuweisen und die Klagegründe, auf die er gestützt wird, nicht in der Sache zu prüfen.

45      Hinsichtlich des zweiten Klageantrags, die Geldbuße vollständig aufzuheben, genügt der Hinweis, dass auf das Vorbringen der Kommission im Rahmen der inhaltlichen Prüfung des die Geldbuße betreffenden Abschnitts des angefochtenen Beschlusses eingegangen wird.

46      Die Klägerin macht neun Klagegründe geltend.

47      Die ersten drei Klagegründe betreffen die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung. Geltend gemacht wird im Wesentlichen, dass Beweise für die Zuwiderhandlung bezüglich der Einkaufspreise fehlten (erster Klagegrund), dass die Kommission die von der Klägerin tatsächlich begangene Zuwiderhandlung fehlerhaft bewertet habe (zweiter Klagegrund) und dass sich die Klägerin nicht an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt habe (dritter Klagegrund).

48      Die übrigen sechs Klagegründe betreffen die Berechnung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße. Gerügt werden im Wesentlichen die unrichtige Berechnung der Geldbuße infolge der einheitlichen Festlegung der Schwere der Zuwiderhandlung und des Zusatzbetrags (vierter Klagegrund), die fehlerhafte Berechnung der Geldbuße aufgrund mangelnder Berücksichtigung von Milderungsgründen (fünfter Klagegrund), die fehlerhafte Berechnung der Geldbuße infolge der Weigerung, sie gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 zu ermäßigen (sechster Klagegrund), die Rechtswidrigkeit der Leitlinien (siebter Klagegrund), die fehlerhafte Aufhebung der aus den Leitlinien folgenden Ermessensbindung (achter Klagegrund) und die fehlerhafte Anpassung des Grundbetrags der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße nach Ziff. 37 der Leitlinien (neunter Klagegrund).

A.      Zu den Klagegründen, die sich auf die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung beziehen

49      Die ersten beiden Klagegründe werden zusammen behandelt.

1.      Zu den ersten beiden Klagegründen

a)      Vorbringen der Parteien

1)      Zum ersten Klagegrund: keine Zuwiderhandlung bezüglich der Einkaufspreise

50      Die Klägerin unterteilt diesen Klagegrund in zwei Teile.

51      In Bezug auf den ersten Teil trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass der Austausch von Preisinformationen über die „Fischerpreise“ in Deutschland nicht nachgewiesen sei. Die Kommission habe Beweise herangezogen, aus denen sich ergebe, dass die Büsumer Fischerei-Gesellschaft (im Folgenden: BFG), eine deutsche Tochtergesellschaft von Heiploeg, die Klägerin zwischen März 2003 und November 2007 in lediglich fünf Fällen über „Preise“ informiert habe. Dies alles habe die Klägerin gegenüber der Kommission auch nicht bestritten. Allerdings habe Heiploeg in einigen Fällen gegenüber der Klägerin nur Preise verifiziert, die ihr von Fischern oder von dritter Seite bereits bekannt und somit veröffentlicht gewesen seien. Die Klägerin sei zudem nicht nur Wettbewerber gewesen, sondern habe bei Heiploeg auch Garnelen gekauft.

52      Beispielsweise enthalte die von der Kommission herangezogene E‑Mail vom 12. Januar 2004 zum Teil nur die Preise von Heiploeg, zu denen die Klägerin Garnelen habe einkaufen können, und nicht die Preise, die Heiploeg ihren Fischern gezahlt habe. Außerdem lägen zwischen der ersten Kontaktaufnahme seitens Heiploeg im Januar 2004 und den folgenden Kontakten im September 2005 sowie im März und Mai 2007 ein bis zwei Jahre. Überdies seien die E‑Mails vom 16. September 2005, vom 30. März 2007 und vom 3. Mai 2007, in denen von Anrufen von Heiploeg die Rede sei, jeweils an einem Freitag verfasst worden. Freitags werde traditionell der Fischerpreis auf Basis der Auktionspreise, die öffentlich seien, den Fischern bekannt gegeben.

53      Zu weiteren Beweisen, insbesondere den E‑Mails vom 20. Mai und 26. Juli 2005, habe die Kommission selbst festgestellt, dass nicht klar sei, von wem die Klägerin diese Preisinformationen erhalten habe. Anders als in den oben genannten Fällen ließen sich den von der Kommission angeführten E‑Mails keine Hinweise darauf entnehmen, dass der Klägerin die Informationen von einem Wettbewerber mitgeteilt worden seien. Die von der Kommission angesprochenen Preise habe die Klägerin von dritter Seite, insbesondere von Herrn T. von der Fischer-Genossenschaft Büsum eG, erhalten, die in keinerlei rechtlicher Verbindung zu BFG oder Heiploeg stehe. Die Kommission habe somit Beweise, insbesondere eine E‑Mail vom 28. April 2003, fehlerhaft ausgewertet.

54      Eine E‑Mail der Klägerin vom 16. Juli 2007 an Heiploeg, in der erwähnt werde, dass Heiploeg wegen des Preises für größere Garnelen über die Klägerin verärgert gewesen sei, belege schließlich, dass die Klägerin von Heiploeg keine Einkaufspreise vor deren Bekanntgabe an die Fischer entgegengenommen habe.

55      In Bezug auf den zweiten Teil des vorliegenden Klagegrundes macht die Klägerin geltend, sie habe sich nicht an wettbewerbswidrigen Absprachen über den Kauf von Nordseegarnelen auf niederländischen Fischauktionen beteiligt. Sie habe auch nicht gewusst, dass es solche Absprachen zwischen Heiploeg und Klaas Puul gegeben habe. Die Kommission habe auch nicht nachgewiesen, dass sie von einer Kartellabsprache zwischen Klaas Puul und Heiploeg für die niederländischen Auktionen Kenntnis gehabt habe oder hätte haben müssen.

56      Die Klägerin trägt zunächst vor, ihr sei lediglich bewusst gewesen, dass es ein Duopol von Heiploeg und Klaas Puul gegeben habe und dass die Entscheidung der NMa den Kartellverstößen ein Ende gesetzt habe.

57      Zudem habe sie im August/September 2007 durch das „Schälkonto“ bei Heiploeg wirtschaftlich unter Druck gestanden und versucht, verdeckt Nordseegarnelen auf der Auktion in Lauwersoog (Niederlande) zu kaufen. Als Heiploeg dies bemerkt habe, habe diese die Preise auf ein Niveau getrieben, das für sie nicht mehr wirtschaftlich gewesen sei. Sie habe daraufhin die Teilnahme an den Auktionen eingestellt, um ihren „Schälvertrag“ mit Heiploeg nicht zu gefährden. Sie habe ihre eigene Strategie bei den Auktionen in Lauwersoog nicht an der von Heiploeg ausgerichtet, sondern beabsichtigt, entgegen dem Willen von Heiploeg günstig Nordseegarnelen auf der Auktion zu erwerben.

58      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

2)      Zum zweiten Klagegrund, der sich im Wesentlichen auf die von der Klägerin tatsächlich begangene Zuwiderhandlung bezieht

59      Mit dem zweiten Klagegrund macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die Kommission habe zutreffend festgestellt, dass sie zwischen März 2003 und November 2007 an einer von Heiploeg gesteuerten Preisabstimmung für die Angebote an Aldi-Nord beteiligt gewesen sei. Sie habe in vollem Umfang eingestanden, in dieser Zeit auf Verlangen von Heiploeg Preisinformationen für die Angebotsrunden von Aldi-Nord telefonisch entgegengenommen und die erhaltenen Preisinformationen dem eigenen Angebot an Aldi-Nord zugrunde gelegt zu haben. Wie sie in ihrem vertraulichen Antwortschreiben vom 27. September 2012 und in der mündlichen Anhörung am 7. Februar 2013 dargelegt habe, habe sie jedoch von darüber hinausgehenden Zuwiderhandlungen keine Kenntnis gehabt.

60      Die von ihr begangene Zuwiderhandlung sei sachlich und regional auf den Kunden Aldi-Nord beschränkt gewesen und habe lediglich die Entgegennahme von Preisinformationen und die Einhaltung des von Heiploeg vorgegebenen Preisrahmens beinhaltet. An dem von der Kommission festgestellten überregionalen Kartell habe sie nicht teilgenommen und es auch nicht unterstützt. Lediglich in einer Handvoll von Fällen habe Heiploeg sie über ihre deutsche Tochter BFG unaufgefordert über Preise von Wettbewerbern oder eigene Preisangebote informiert. Sie habe vor dem Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte weder von gemeinsamen Zuwiderhandlungen der niederländischen Beteiligten in Bezug auf andere Kunden als Aldi-Nord Kenntnis gehabt noch von den Umständen, auf denen diese beruht hätten.

61      Zudem habe die Kommission die Einlassung von Klaas Puul nicht berücksichtigt, die belege, dass sie nicht am festgestellten Kartell teilgenommen habe, aber auch, dass in Bezug auf Aldi-Nord eine eigenständige Zuwiderhandlung vorgelegen habe. Auch die angeblichen Preisabstimmungen gegenüber Metro belegten, dass sie nicht im Rahmen einer fortgesetzten und einheitlichen Kartellabsprache gehandelt habe. Mit Ausnahme ihres Verhaltens gegenüber dem Kunden Aldi-Nord habe sie sich am Markt unabhängig und wettbewerbsorientiert verhalten. Schließlich wendet sich die Klägerin gegen die Behauptung der Kommission, dass sie die erlangten Preisinformationen für den Kunden Metro in ihre Preisfindung habe einfließen lassen; die Kommission habe dafür keinerlei Beweise vorgelegt.

62      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

b)      Würdigung durch das Gericht

63      Die ersten beiden Klagegründe der Klägerin richten sich gegen die Art und Weise, in der die Kommission die Beweise gewürdigt hat, die sich zum einen auf eine Zuwiderhandlung bezüglich der Einkaufspreise und zum anderen auf die von der Klägerin tatsächlich begangene Zuwiderhandlung beziehen.

1)      Zur Rechtsprechung bezüglich der Beweiswürdigung

64      Zur Beweiswürdigung durch die Kommission ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und Beweise beizubringen hat, die geeignet sind, das Vorliegen der Tatsachen, die eine Zuwiderhandlung darstellen, rechtlich hinreichend zu belegen (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2014, Eni/Kommission, T‑558/08, EU:T:2014:1080, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65      Was den Umfang der gerichtlichen Kontrolle anbelangt, hat nach ständiger Rechtsprechung das Gericht, wenn es mit einer Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung nach Art. 101 Abs. 1 AEUV befasst ist, generell eine umfassende Prüfung der Frage vorzunehmen, ob die Tatbestandsmerkmale von Art. 101 Abs. 1 AEUV erfüllt sind (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2014, Eni/Kommission, T‑558/08, EU:T:2014:1080, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

66      Hat das Gericht insoweit Zweifel, muss dies dem Unternehmen zugutekommen, an das sich die Entscheidung richtet, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird. Das Gericht kann daher nicht darauf schließen, dass die Kommission das Vorliegen der betreffenden Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn es daran noch Zweifel hat; dies gilt insbesondere im Fall einer Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung, mit der eine Geldbuße verhängt wird (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2014, Eni/Kommission, T‑558/08, EU:T:2014:1080, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67      Im letztgenannten Fall ist nämlich die Unschuldsvermutung zu beachten, die zu den in der Unionsrechtsordnung geschützten Grundrechten gehört und in Art. 48 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verankert ist. Angesichts der Art der betreffenden Zuwiderhandlungen sowie der Art und des Schweregrads der ihretwegen verhängten Sanktionen ist die Unschuldsvermutung insbesondere in Verfahren wegen Verstößen gegen die für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln anwendbar, die zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können. Somit ist es erforderlich, dass die Kommission aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringt, um die feste Überzeugung zu begründen, dass die behauptete Zuwiderhandlung stattgefunden hat (vgl. Urteil vom 17. Mai 2013, Trelleborg Industrie und Trelleborg/Kommission, T‑147/09 und T‑148/09, EU:T:2013:259, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

68      Hervorzuheben ist jedoch, dass nicht jeder von der Kommission erbrachte Beweis notwendigerweise für jeden Teil der Zuwiderhandlung diesen Kriterien entsprechen muss. Es genügt, wenn ein von der Kommission angeführtes Bündel von Indizien bei einer Gesamtbetrachtung dieser Anforderung genügt (vgl. Urteile vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, EU:T:2004:221, Rn. 180 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 12. Dezember 2014, Eni/Kommission, T‑558/08, EU:T:2014:1080, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69      Die von der Kommission im angefochtenen Beschluss zum Nachweis eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV angeführten Indizien sind nicht einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit zu würdigen (Urteile vom 8. Juli 2008, BPB/Kommission, T‑53/03, EU:T:2008:254, Rn. 185, und vom 12. Dezember 2014, Eni/Kommission, T‑558/08, EU:T:2014:1080, Rn. 35).

70      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission das Bestehen einer Zuwiderhandlung in der Praxis oft unter dafür ungünstigen Voraussetzungen nachweisen muss, da seit den Vorgängen, die die Zuwiderhandlung bildeten, mehrere Jahre vergangen sein können und möglicherweise mehrere von der Untersuchung betroffene Unternehmen nicht aktiv mit der Kommission zusammengearbeitet haben. Wenn die Kommission auch notwendigerweise nachweisen muss, dass eine rechtswidrige Preisabsprache getroffen wurde, wäre es überzogen, außerdem zu verlangen, dass sie den speziellen Mechanismus nachweist, mit dem dieses Ziel erreicht werden sollte. Es wäre nämlich für ein Unternehmen, das sich einer Zuwiderhandlung schuldig gemacht hat, zu einfach, sich jeder Sanktion zu entziehen, wenn es sich in einer Situation, in der das Bestehen einer rechtswidrigen Vereinbarung und ihr wettbewerbswidriger Zweck hinreichend bewiesen sind, darauf berufen könnte, dass die vorgelegten Informationen über die Funktionsweise der Vereinbarung zu unbestimmt seien. Die Unternehmen können sich in einer solchen Situation sachgerecht dadurch verteidigen, dass sie zu allen von der Kommission gegen sie angeführten Beweisen Stellung nehmen können (Urteile vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, EU:T:2004:221, Rn. 203, und vom 12. Dezember 2014, Eni/Kommission, T‑558/08, EU:T:2014:1080, Rn. 36).

71      Für die Beweise, die zum Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV herangezogen werden dürfen, gilt im Unionsrecht der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2014, Eni/Kommission, T‑558/08, EU:T:2014:1080, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Was den Beweiswert der verschiedenen Beweisstücke anbelangt, ist das einzige für die Beurteilung der beigebrachten Beweise relevante Kriterium ihre Glaubhaftigkeit (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2014, Eni/Kommission, T‑558/08, EU:T:2014:1080, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73      Nach allgemeinen Beweisgrundsätzen hängt die Glaubhaftigkeit eines Schriftstücks und damit sein Beweiswert von seiner Herkunft, den Umständen seiner Entstehung, seinem Adressaten und seinem Inhalt ab (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2014, Eni/Kommission, T‑558/08, EU:T:2014:1080, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74      Stützt die Kommission ihre Feststellung, dass eine Zuwiderhandlung vorlag, ausschließlich auf das Marktverhalten der Unternehmen, müssen diese lediglich das Vorliegen von Umständen nachweisen, die den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lassen und damit eine andere plausible Erklärung der Tatsachen ermöglichen, aus denen die Kommission auf die Begehung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union geschlossen hat (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2014, Eni/Kommission, T‑558/08, EU:T:2014:1080, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Dagegen müssen die betroffenen Unternehmen in Fällen, in denen sich die Kommission auf Urkundenbeweise gestützt hat, nicht bloß eine plausible Alternative zur Darstellung der Kommission dartun, sondern außerdem aufzeigen, dass die in dem Beschluss, der angefochten wird, angeführten Beweise zum Nachweis der Zuwiderhandlung nicht genügen. Eine solche Beweisführung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2014, Eni/Kommission, T‑558/08, EU:T:2014:1080, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76      Da das Verbot, an wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen und Vereinbarungen teilzunehmen, sowie die Sanktionen, die Zuwiderhandelnden auferlegt werden können, bekannt sind, ist es üblich, dass die Tätigkeiten, mit denen diese Verhaltensweisen und Vereinbarungen verbunden sind, insgeheim ablaufen, dass die Zusammenkünfte heimlich stattfinden und dass die Unterlagen darüber auf ein Minimum reduziert werden. Daher kann von der Kommission nicht gefordert werden, dass sie Schriftstücke vorlegt, die eine Kontaktaufnahme zwischen den beteiligten Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen. Selbst wenn die Kommission solche Schriftstücke entdeckt, handelt es sich normalerweise nur um lückenhafte und vereinzelte Belege, so dass es häufig erforderlich ist, bestimmte Einzelheiten durch Schlussfolgerungen zu rekonstruieren. Das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung kann folglich aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2014, Eni/Kommission, T‑558/08, EU:T:2014:1080, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

77      Bei der Würdigung des Beweiswerts schriftlicher Beweise ist dem Umstand hohe Bedeutung zuzumessen, dass ein Schriftstück in unmittelbarem Anschluss an die Ereignisse oder von einem unmittelbaren Zeugen dieser Ereignisse erstellt wurde (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2014, Eni/Kommission, T‑558/08, EU:T:2014:1080, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78      Aus dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung ergibt sich, dass das betroffene Unternehmen, selbst wenn sich das Fehlen schriftlicher Nachweise im Rahmen der Gesamtbeurteilung des von der Kommission angeführten Bündels von Indizien als relevant erweisen kann, nicht allein deswegen die Behauptungen der Kommission durch eine andere Erklärung des Sachverhalts in Frage stellen kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn aufgrund der von der Kommission beigebrachten Beweise das Vorliegen der Zuwiderhandlung nicht eindeutig und nur durch Auslegung dieser Beweise nachgewiesen werden kann (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2014, Eni/Kommission, T‑558/08, EU:T:2014:1080, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79      Im Übrigen gilt vorbehaltlich des den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern obliegenden Gegenbeweises die Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens berücksichtigen. Dies gilt umso mehr, wenn die Abstimmung während eines langen Zeitraums regelmäßig stattfindet (Urteile vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, EU:C:1999:356, Rn. 121, und vom 8. Juli 1999, Hüls/Kommission, C‑199/92 P, EU:C:1999:358, Rn. 162).

80      Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist auf die spezifischen Argumente der Klägerin einzugehen, die sich darauf beziehen, dass keine Zuwiderhandlung bezüglich der Einkaufspreise und keine über die Abstimmung der Verkaufspreise für Aldi-Nord hinausgehende Zuwiderhandlung vorlägen.

2)      Zum ersten Klagegrund: keine Zuwiderhandlung bezüglich der Einkaufspreise

81      Die Klägerin macht erstens geltend, dass keine Nachweise für den Austausch von Informationen über die den Fischern in Deutschland gezahlten Einkaufspreise vorlägen.

82      Hierzu hat die Kommission zutreffend ausgeführt, dass die Festlegung der Einkaufspreise durch die Klägerin im angefochtenen Beschluss als „flankierende“ Maßnahme zur Koordinierung der Verkaufspreise eingestuft wurde (vgl. Erwägungsgründe 238 und 387 des angefochtenen Beschlusses). Im angefochtenen Beschluss wird außerdem der Ausdruck „einzelne Vereinbarungen über Einkaufspreise“ verwendet (vgl. 254. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Somit ist davon auszugehen, dass die Kommission die in der Abstimmung der Einkaufspreise bestehende Zuwiderhandlung entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht als systematisch einstufen wollte.

83      Zu den oben in Rn. 52 genannten E‑Mails vom 16. September 2005, vom 30. März 2007 und vom 3. Mai 2007 (Anlagen A 4.310, A 4.311 und A 4.312) ist festzustellen, dass die Preise wahrscheinlich – wie von der Klägerin vorgetragen – auf dem Markt bereits bekannt waren, als die Telefongespräche stattfanden, auf die in diesen E‑Mails Bezug genommen wird. Alle diese E‑Mails wurden nämlich an einem Freitag verfasst, und freitags teilten die Fischer ihren eigenen Händlern die Einkaufspreise anderer Händler häufig unmittelbar nach deren Veröffentlichung mit. Wie die Kommission zutreffend hervorhebt, hielten es die Klägerin und Heiploeg, obwohl die Preise bereits bekannt gewesen sein mögen, gleichwohl für erforderlich, die ihnen vorliegenden Informationen zu vergleichen und deren Richtigkeit zu überprüfen, wodurch sich ihre Ungewissheit hinsichtlich der Preise verringerte.

84      Hinsichtlich der oben in Rn. 52 genannten E‑Mail vom 12. Januar 2004 (Anlage A 4.313) kann es mit der Feststellung sein Bewenden haben, dass sich die Kommission nicht auf diese E‑Mail gestützt hat, um den Vorwurf der Abstimmung der Einkaufspreise zwischen der Klägerin und Heiploeg zu begründen. In den Erwägungsgründen 143 bis 180 des angefochtenen Beschlusses – dem die Abstimmung der Einkaufspreise betreffenden Abschnitt des Beschlusses – wird nämlich nicht auf diese E‑Mail Bezug genommen.

85      Was die oben in Rn. 53 genannten E‑Mails vom 20. Mai 2005 und vom 26. Juli 2005 (Anlagen A 4.316 und A 4.317) anbelangt, betont die Klägerin, dass anders als bei den oben in den Rn. 83 und 84 genannten E‑Mails keine Hinweise darauf vorlägen, dass sie die Informationen von einem Wettbewerber erhalten hätte. Die Kommission hat jedoch im 172. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgehoben, dass nicht klar sei, ob die Klägerin diese Preisinformationen von ihren Konkurrenten oder von den Fischern erhalten habe. Somit führt die Kommission zu Recht aus, dass sie ihre Feststellung des Vorliegens einer Abstimmung der Einkaufspreise nicht auf diese E‑Mails gestützt habe.

86      Hinsichtlich der E‑Mail vom 16. Juli 2007 (Anlage A 4.304), in der ein Telefongespräch zwischen der Klägerin und Heiploeg geschildert wird, in dem sich Heiploeg darüber beschwert haben soll, dass die von der Klägerin gezahlten Einkaufspreise zu hoch seien, ist festzustellen, dass – wie die Kommission hervorhebt – der Inhalt der E‑Mail darauf hindeutet, dass es für die Klägerin und Heiploeg nicht ungewöhnlich war, sich hinsichtlich der Einkaufspreise abzustimmen. Denn die Formulierung „meint, dass wir das zukünftig besser abstimmen sollten“ deutet entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht darauf hin, dass vorher keine Abstimmung stattfand, sondern bestätigt vielmehr, dass eine gewisse Abstimmung stattfand, die lediglich verbessert werden sollte. Außerdem ist mit der Kommission darauf hinzuweisen, dass die Klägerin zu dem Telefongespräch vom 16. Juli 2007 in ihrer Stellungnahme vom 27. September 2012 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte der Kommission selbst ausgeführt hat:

„Herr T. Stührk erinnert sich heute noch an den Anruf von Herrn W. [S.]. Er war geradezu wütend und hat für den Wiederholungsfall Konsequenzen angedroht. Für Stührk bestand daher ein kaum zu durchbrechender Preisanpassungszwang. Dieser führte dazu, dass Stührk vereinzelt Absprachen traf, um sicherzugehen, dass nicht noch mehr Fischer ihre Verträge bei Stührk kündigten, und um Sanktionen durch Heiploeg zu vermeiden.“

87      Somit belegt das Vorbringen der Klägerin nicht, dass die im angefochtenen Beschluss zum Nachweis der Zuwiderhandlung bezüglich der Einkaufspreise herangezogenen Beweise unzulänglich waren.

88      In diesem Zusammenhang ist auf die oben in den Rn. 68 und 69 angeführte Rechtsprechung hinzuweisen, wonach nicht jeder der von der Kommission beigebrachten Beweise für sich genommen sämtliche Merkmale einer Zuwiderhandlung zu belegen braucht. Die Kommission muss nämlich hinreichend konkrete und stichhaltige Beweise vorlegen, um nachzuweisen, dass die Zuwiderhandlung tatsächlich stattgefunden hat. Hierfür genügt es aber, dass die vorgelegten Beweise insgesamt diese Anforderung erfüllen.

89      Im vorliegenden Fall hat die Kommission eine Gesamtwürdigung der vorhandenen Beweise vorgenommen und festgestellt, dass die Klägerin von Zeit zu Zeit die Einkaufspreise mit Heiploeg abgestimmt hatte (vgl. Erwägungsgründe 160 bis 180 des angefochtenen Beschlusses). Im Übrigen hat die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 27. September 2012 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte der Kommission selbst eingeräumt, unregelmäßig ihre Einkaufspreise abgestimmt zu haben (Anlage A 9.352, Ziff. 4.1). Somit hat die Kommission ohne einen Beurteilungsfehler angenommen, dass die herangezogenen Beweise ausreichten, um eine Abstimmung der Einkaufspreise nachzuweisen.

90      Schließlich ist zu der oben in Rn. 53 genannten E‑Mail vom 28. April 2003 (Anlage A 4.318) festzustellen, dass die Kommission, wie sie in ihrer Gegenerwiderung einräumt, irrtümlich annahm, dass Herr T. für BFG gearbeitet habe, während er tatsächlich, wie von der Klägerin vorgetragen, für die Fischer-Genossenschaft Büsum, eine von Heiploeg unabhängige Fischereigenossenschaft, tätig war. Gleichwohl ist die Gesamtwürdigung der Kommission bezüglich einer mehrmaligen Absprache zur Abstimmung der Einkaufspreise durch andere Beweise wie die oben in den Rn. 86 und 89 genannten hinreichend belegt. Daher ist der Irrtum der Kommission bezüglich der E‑Mail vom 28. April 2003 insoweit nicht für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses ausschlaggebend.

91      Was zweitens das Vorbringen der Klägerin betrifft, sie habe nicht an wettbewerbswidrigen Absprachen bezüglich des Kaufs von Nordseegarnelen auf niederländischen Auktionen teilgenommen, genügt die Feststellung, dass die Kommission der Klägerin nicht vorgeworfen hat, sich hinsichtlich des Kaufs von Nordseegarnelen auf niederländischen Auktionen in wettbewerbswidriger Weise mit Heiploeg abgesprochen zu haben. Die Vorfälle im August und im September 2007 werden der Klägerin nämlich nicht als Verstoß oder teilweiser Verstoß gegen Art. 101 AEUV zur Last gelegt. Außerdem hat die Kommission festgestellt, dass die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung auf Deutschland beschränkt gewesen sei, und hat die gegen die Klägerin verhängte Geldbuße auf dieser Grundlage festgesetzt (vgl. 487. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Somit kann diese Rüge keinen Erfolg haben.

92      Nach alledem ist der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

3)      Zum zweiten Klagegrund, der sich im Wesentlichen auf die von der Klägerin tatsächlich begangene Zuwiderhandlung bezieht

93      Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die Klägerin geltend, dass die tatsächlich von ihr begangene Zuwiderhandlung auf den Kunden Aldi-Nord beschränkt gewesen sei und lediglich in der Entgegennahme von Preisinformationen und der Einhaltung des von Heiploeg vorgegebenen Preisrahmens bestanden habe. Von anderen Zuwiderhandlungen habe sie keine Kenntnis gehabt.

94      Die Klägerin bestreitet, die für andere Kunden geltenden Verkaufspreise „systematisch“ mit Wettbewerbern abgestimmt und eine Preisabstimmung für ganz Deutschland vorgenommen zu haben.

95      Hierzu ist jedoch festzustellen, dass die Klägerin zum einen – wie oben in Rn. 89 ausgeführt – die Einkaufspreise von Zeit zu Zeit mit Heiploeg abstimmte (vgl. Erwägungsgründe 160 bis 180 des angefochtenen Beschlusses). Zum anderen stimmte sie auch die Verkaufspreise für Metro mehrmals mit Heiploeg ab (vgl. u. a. Erwägungsgründe 87, 101, 247 und 249 des angefochtenen Beschlusses sowie Anlage A 9.351).

96      In einer internen E‑Mail vom 31. Juli 2003 berichtete ein Mitarbeiter der Klägerin nämlich über ein Telefonat, das am Vortag zwischen ihm und einem Mitarbeiter von Heiploeg stattfand und Metro betraf. Dieses Telefonat bezog sich auf eine Preissenkung, die Metro von Heiploeg gefordert hatte. Der Mitarbeiter der Klägerin hielt es daher für möglich, dass Metro auch von der Klägerin eine Preissenkung fordern würde, und wies darauf hin, dass die Gesellschaften „hart“ bleiben müssten und dass „[e]s … notwendig [ist], dass die Absprache mit PL [Heiploeg] funktioniert, da dies auch ein Test für weitere Gespräche bzgl. Aldi ist …“ (vgl. Erwägungsgründe 87 und 247 des angefochtenen Beschlusses sowie Anlage A 4.330).

97      Eine weitere interne E‑Mail der Klägerin belegt eine Abstimmung der Verkaufspreise für Metro (vgl. 101. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses und Anlage A 4.332). Diese E‑Mail vom 6. April 2006 nimmt Bezug auf einen Telefonanruf eines Mitarbeiters von Heiploeg, den die Klägerin am Vortag erhielt und dessen Inhalt wie folgt wiedergegeben wird:

„Hans nochmal/05.04.06: Metro: Er hat die Info von Bargelé, dass da wohl doch einer unter EUR 13,30 gräbt. Seiner Meinung nach entweder Bremer oder Rentel. Ich habe ihm mitgeteilt, dass sich an unserer Wahrnehmung bisher nichts geändert hat und wir insofern bis auf weiteres nichts ändern. Er meldet sich ggf. wieder …“

98      Außerdem hat die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 27. September 2012 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte der Kommission angegeben, es sei gelegentlich vorgekommen, dass sie von Wettbewerbern unaufgefordert und unabgestimmt über Angebotspreise informiert worden sei, wie z. B. in der E‑Mail vom 29. März 2005 (vgl. Anlagen A 9.352 und A 4.331). Darüber hinaus ist zum Vorbringen der Klägerin, dass die in dieser E‑Mail enthaltenen Preisinformationen historische Preise betroffen hätten, festzustellen, dass – unabhängig davon, ob dies zutrifft – die Klägerin im Verwaltungsverfahren selbst auf diese E‑Mail Bezug genommen und angegeben hatte, sie sei ein Beispiel für die gelegentliche Übermittlung von Verkaufspreisen durch Wettbewerber. Dem ist implizit zu entnehmen, dass es weitere ähnliche Vorgänge gab.

99      Die Klägerin trägt vor, die Verkaufspreise für Metro, die Heiploeg ihr mitgeteilt habe, seien von ihr bereits autonom festgelegt worden. Die oben in den Rn. 96 bis 98 angeführten E‑Mails belegen aber jedenfalls, dass die Klägerin und Heiploeg die Verkaufspreise für Metro in wettbewerbswidriger Weise festlegten. Eine solche Absprache zwischen Wettbewerbern verstößt nämlich unabhängig davon gegen Art. 101 AEUV, ob ein bestimmtes Preisniveau vereinbart wurde oder ob Informationen über eine zukünftige Vorgehensweise bezüglich der Preise ausgetauscht wurden. Dieses Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

100    Dem Einwand der Klägerin, es habe keine „systematische“ Abstimmung der Verkaufspreise für andere Kunden als Aldi-Nord in Deutschland gegeben, ist mit der Kommission entgegenzuhalten, dass diese der Klägerin im angefochtenen Beschluss keine solche systematische Abstimmung zur Last gelegt hat. Die Kommission hat der Klägerin im angefochtenen Beschluss vorgeworfen, die Verkaufspreise für Aldi-Nord, gelegentlich aber auch für andere Kunden wie Metro, mit Heiploeg abgestimmt zu haben.

101    Zum Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe fehlerhaft angenommen, dass die von ihr begangene Zuwiderhandlung ganz Deutschland betroffen habe, trägt die Kommission vor, dass sie der Klägerin nicht vorgeworfen habe, die Verkaufspreise in „ganz Deutschland“, d. h. bei allen oder fast allen deutschen Abnehmern, koordiniert zu haben. Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission im 356. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, den die Klägerin nach Ansicht der Kommission missverstanden hat, nicht klargestellt hat, ob die angeführten Zuwiderhandlungen nur Aldi-Nord in Deutschland oder ganz Deutschland betrafen. In den Erwägungsgründen des angefochtenen Beschlusses, auf die ihr 356. Erwägungsgrund verweist, werden jedoch Umstände angeführt, die belegen, dass die Zuwiderhandlung der Klägerin in Deutschland nicht nur eine Abstimmung der Verkaufspreise für Aldi-Nord betraf, sondern sich gelegentlich auch auf Verkaufspreise erstreckte, die anderen Kunden wie Metro angeboten wurden, und dass sie auf Deutschland beschränkt war, sich also nicht auf andere Länder wie Belgien, Dänemark, Frankreich oder die Niederlande erstreckte. Dagegen lässt sich diesen Erwägungsgründen nicht entnehmen, dass die Kommission der Klägerin eine Abstimmung der Verkaufspreise für alle deutschen Kunden zur Last gelegt hat (vgl. Erwägungsgründe 85, 86, 88, 89, 99, 101, 107, 109, 111, 113, 114, 120 und 122 des angefochtenen Beschlusses). Daher ist das dahin gehende Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen.

102    Nach alledem ist davon auszugehen, dass die Kommission nachgewiesen hat, dass sich die von der Klägerin begangene Zuwiderhandlung nicht auf eine Abstimmung der Verkaufspreise für Aldi-Nord in Deutschland beschränkte, sondern sich gelegentlich auch auf die Verkaufspreise für andere Kunden wie Metro erstreckte.

103    Schließlich gilt, wie oben in Rn. 79 ausgeführt, vorbehaltlich des den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern obliegenden Gegenbeweises die Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens berücksichtigen. Dies gilt umso mehr, wenn die Abstimmung während eines langen Zeitraums regelmäßig stattfindet.

104    Im vorliegenden Fall macht die Klägerin lediglich geltend, sie habe die erlangten Preisinformationen nicht in ihre Preispolitik gegenüber Metro einfließen lassen, und die Kommission habe in ihrer Klagebeantwortung nicht belegt, dass solche Informationen verwendet worden seien. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es jedoch an der Klägerin, die Vermutung zu widerlegen, wonach Unternehmen, die von ihren Wettbewerbern Preisinformationen oder andere wettbewerbsrelevante Informationen erhalten, diese bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens berücksichtigen (Urteile vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, EU:C:1999:356, Rn. 121, und vom 8. Juli 1999, Hüls/Kommission, C‑199/92 P, EU:C:1999:358, Rn. 162). Somit genügt das Vorbringen der Klägerin nicht, um diese Vermutung widerlegen zu können. Folglich ist dieses Argument zurückzuweisen.

105    Nach alledem ist der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

2.      Zum dritten Klagegrund, mit dem im Wesentlichen geltend gemacht wird, dass sich die Klägerin nicht an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt habe

a)      Vorbringen der Parteien

106    Mit dem dritten Klagegrund, der aus zwei Teilen besteht, macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, erstens habe sie sich nicht an einer angeblichen einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt, und zweitens bilde die Abstimmung der Verkaufspreise für Aldi-Nord in Deutschland keine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung zusammen mit einer etwaigen Abstimmung der Preise für andere Kunden.

107    In Bezug auf den ersten Teil des vorliegenden Klagegrundes macht die Klägerin erstens geltend, sie habe mit den anderen Beteiligten kein gemeinsames wettbewerbswidriges Ziel durch die Entgegennahme und Berücksichtigung von Preisinformationen für Aldi-Nord verfolgt und von den weiter gehenden Zuwiderhandlungen der übrigen Beteiligten keine Kenntnis gehabt.

108    Ihr einziges Interesse hinsichtlich der von Heiploeg initiierten und umgesetzten Mitteilung der gewünschten Angebotspreise habe darin bestanden, Aldi-Nord als neugewonnenen und strategisch wichtigen Abnehmer nicht zu verlieren. Sie habe kein Interesse daran gehabt, den Preis für Nordseegarnelen in der Union zu stabilisieren. Vereinzelte Preisabgleiche bei der Festlegung der Einkaufspreise hätten lediglich dazu gedient, Unruhen und Ausschreitungen unter den Fischern zu vermeiden. Außerdem sei die Abstimmung mit Heiploeg hinsichtlich der von Aldi-Nord verlangten Verkaufspreise nicht auf eine Wettbewerbsbeschränkung gerichtet gewesen, sondern lediglich darauf, Aldi-Nord nicht als Kunden zu verlieren. Da die Kommission diese Umstände nicht berücksichtigt habe, habe sie ihr gegenüber gegen die Unschuldsvermutung verstoßen.

109    Die Rechtsprechung verlange für die Annahme eines „Gesamtplans“ oder eines „gemeinsamen wettbewerbswidrigen Ziels“, dass das jeweilige Unternehmen durch sein Verhalten vorsätzlich zur Erreichung dieses Ziels beigetragen habe. Nach den eigenen Feststellungen der Kommission fehle es bei ihr jedoch an einem vorsätzlichen Beitrag zum festgestellten Kartell, da die Kommission ihren Beitrag zum Kartell nicht als vorsätzlich ansehe. Fehle es nach Auffassung der Kommission aber schon an ihrem vorsätzlichen Beitrag zu dem von der Kommission angenommenen Kartell, scheide ihre Teilnahme an einer einheitlichen Zuwiderhandlung faktisch aus. Jede andere Auslegung würde einen Verstoß gegen den strafrechtlichen Grundsatz nulla poena sine lege bedeuten.

110    Nach ständiger Rechtsprechung habe die Kommission die festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und Beweise beizubringen, die das Vorliegen von Tatsachen, die den Tatbestand einer Zuwiderhandlung erfüllten, rechtlich hinreichend belegten. Insoweit müsse die Kommission darlegen, dass sich die fraglichen Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, auch wenn sie sich auf verschiedene Waren, Dienstleistungen oder Gebiete bezögen, in einen Gesamtplan einfügten, der von den Unternehmen bewusst ausgeführt werde, um ein einziges wettbewerbswidriges Ziel zu erreichen. Die Kommission müsse folglich aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringen, um darzutun, dass die Zuwiderhandlung begangen worden sei. Die Kommission habe jedoch mit den von ihr vorgelegten Beweisen nicht glaubhaft darlegen können, dass die Klägerin mit den anderen Beteiligten ein gemeinsames wettbewerbswidriges Ziel verfolgt habe oder dass sie von den übrigen rechtswidrigen Verhaltensweisen der anderen Beteiligten Kenntnis gehabt habe oder diese vernünftigerweise habe vorhersehen können.

111    Zweitens macht die Klägerin geltend, für die Annahme einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung fehle es an ihrer Interaktion mit den Beteiligten und an einer räumlichen Verbindung der Märkte. Sie habe mit Kok Seafood – bis auf einen einzigen Einkauf im Sommer 2007 – im maßgeblichen Zeitraum in keinem geschäftlichen Kontakt gestanden. Sie habe keine Kenntnis von den Absprachen zwischen Heiploeg und Kok Seafood gehabt und auch nicht haben können, da Kok Seafood Aldi-Nord nicht beliefert habe. Preisinformationen für Klaas Puul habe sie von März 2003 bis November 2007 ausschließlich von Heiploeg erhalten. Im genannten Zeitraum habe es nie einen Austausch von Preisinformationen zwischen ihr und Klaas Puul gegeben.

112    Die nach der Rechtsprechung für die Annahme einer einheitlichen Zuwiderhandlung erforderliche Verknüpfung der Märkte in Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden bestehe nicht. Die Behauptung der Kommission, die Märkte seien allein durch den Aldi-Konzern verbunden, halte einer tatsächlichen und rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Argumentation der Kommission beruhe auf zweifelhaften, weder verifizierten noch wirtschaftlich belegten Aussagen anderer Kartellbeteiligter, die die Kommission späteren Transkripten von Telefonaten zwischen Heiploeg und Kok Seafood entnommen habe. Die Transkripte dieser Telefonate seien von anderen Beteiligten bestritten worden. Außerdem könne der bloße Umstand, dass Preise in anderen geografischen Märkten immer einen allgemeinen Einfluss auf benachbarte Märkte hätten, nicht ausreichen, um eine „kartellrechtliche Verknüpfung“ anzunehmen.

113    Schließlich könnten der Klägerin die von den anderen Beteiligten begangenen Zuwiderhandlungen auch nicht deshalb zugerechnet werden, weil sie von ihnen Kenntnis gehabt habe oder hätte haben müssen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts und des Gerichtshofs könne ein Unternehmen, das nachweislich nur an einem Teil der mit einer Geldbuße belegten Handlungen mitgewirkt habe, ausnahmsweise für eine weitreichendere, fortlaufende Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogen werden, wenn nachgewiesen sei, dass es von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung des wettbewerbswidrigen Ziels an den Tag gelegten Verhalten gewusst habe oder hätte wissen müssen und bereit gewesen sei, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen. Die bloße Tatsache, dass eine gesonderte Vereinbarung, an der ein Unternehmen teilnehme, und ein Gesamtkartell den gleichen Gegenstand hätten, genüge nicht, um ihm die Beteiligung am Gesamtkartell zur Last zu legen. Nur wenn das Unternehmen, als es an dieser Vereinbarung teilgenommen habe, gewusst habe oder hätte wissen müssen, dass es sich durch sein Handeln in das Gesamtkartell eingegliedert habe, könnten ihm die Zuwiderhandlungen der übrigen Unternehmen zugerechnet werden.

114    Im vorliegenden Fall habe die Klägerin aber keine Kenntnis von dem wettbewerbswidrigen Ziel oder den Zuwiderhandlungen der anderen Beteiligten gehabt und habe davon auch keine Kenntnis haben müssen. Die von den übrigen Beteiligten begangenen Handlungen stellten nach Art und Intensität eine völlig andere als die von ihr begangene Zuwiderhandlung dar, da sie lediglich Preisinformationen für Aldi-Nord entgegengenommen und den von Heiploeg vorgegebenen Preisrahmen bei den Angeboten an Aldi-Nord eingehalten habe.

115    In Bezug auf den zweiten Teil des vorliegenden Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass die Abstimmung der Verkaufspreise für Aldi-Nord in Deutschland keine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung zusammen mit einer etwaigen Abstimmung der Verkaufspreise für andere Kunden darstelle. Sie habe ihre tatsächliche Zuwiderhandlung in Form der Entgegennahme von Preisinformationen und deren Berücksichtigung für die Angebotsrunden bei Aldi-Nord zwischen März 2003 und November 2007 zugegeben. Es treffe zu, dass Heiploeg und einige ihrer eigenen Kunden ihr in einem Zeitraum von vier Jahren in drei bis vier Fällen unaufgefordert Verkaufspreisinformationen für andere deutsche Kunden mitgeteilt hätten, aber sie habe nie einem Wettbewerber ihre eigenen Preise mitgeteilt. Diese Vorfälle könnten allenfalls einzelne geringfügige Zuwiderhandlungen darstellen, die in keinem sachlichen oder zeitlichen Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung im Fall von Aldi-Nord stünden.

116    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

b)      Würdigung durch das Gericht

117    Nach ständiger Rechtsprechung kann sich ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht nur aus einer isolierten Handlung ergeben, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem fortgesetzten Verhalten, selbst wenn ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortgesetzten Verhaltens auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen die genannte Vorschrift darstellen könnten. Somit ist, wenn sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen „Gesamtplan“ einfügen, die Kommission berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit aufzuerlegen (vgl. Urteil vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

118    Für den Nachweis der Beteiligung an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein, nämlich das Vorliegen eines Gesamtplans, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wird, der vorsätzliche Beitrag des Unternehmens zu diesem Plan und die (bewiesene oder vermutete) Kenntnis des Unternehmens vom rechtswidrigen Verhalten der anderen Teilnehmer (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 51 und 53).

119    Ein Unternehmen, das sich durch eigene Handlungen, die die Merkmale einer auf ein wettbewerbswidriges Ziel gerichteten Vereinbarung oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV erfüllten und zur Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit beitragen sollten, an einer solchen einheitlichen und komplexen Zuwiderhandlung beteiligt hat, kann somit für die gesamte Zeit seiner Beteiligung an der Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich sein, das andere Unternehmen im Rahmen der Zuwiderhandlung an den Tag legten. Dies ist dann der Fall, wenn das Unternehmen nachweislich durch sein eigenes Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten rechtswidrigen Verhalten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (vgl. Urteil vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

120    Es ist somit möglich, dass sich ein Unternehmen an dem gesamten wettbewerbswidrigen Verhalten, das die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung bildet, unmittelbar beteiligt hat; dann ist die Kommission berechtigt, es für dieses gesamte Verhalten und damit für die Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit zur Verantwortung zu ziehen. Es ist auch möglich, dass sich ein Unternehmen nur an einem Teil des wettbewerbswidrigen Verhaltens, das die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung bildet, unmittelbar beteiligt hat, aber von dem gesamten übrigen rechtswidrigen Verhalten, das die anderen Kartellbeteiligten in Verfolgung der gleichen Ziele beabsichtigten oder an den Tag legten, wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen. In einem solchen Fall ist die Kommission ebenfalls berechtigt, dieses Unternehmen für das gesamte wettbewerbswidrige Verhalten, das eine solche Zuwiderhandlung bildet, und damit für diese Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit zur Verantwortung zu ziehen (Urteil vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 43).

121    Hat sich ein Unternehmen dagegen an einer oder mehreren wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, die eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung bilden, unmittelbar beteiligt, ist aber nicht erwiesen, dass es durch sein eigenes Verhalten zur Erreichung sämtlicher von den anderen Kartellbeteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem gesamten übrigen rechtswidrigen Verhalten, das die genannten Kartellbeteiligten in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag legten, wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen, so ist die Kommission lediglich berechtigt, dieses Unternehmen für die Verhaltensweisen zur Verantwortung zu ziehen, an denen es sich unmittelbar beteiligt hat, sowie für die von den anderen Kartellbeteiligten in Verfolgung der gleichen wie der von ihm verfolgten Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten Verhaltensweisen, bei denen nachgewiesen ist, dass es von ihnen wusste oder sie vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (Urteil vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 44).

122    Dies darf jedoch nicht zu einer Entlastung dieses Unternehmens von seiner Verantwortlichkeit für die Verhaltensweisen führen, an denen seine Beteiligung feststeht oder für die es tatsächlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Die Tatsache, dass sich ein Unternehmen nicht an allen Bestandteilen eines Kartells beteiligt hat oder dass es, soweit es daran beteiligt war, eine untergeordnete Rolle gespielt hat, ist nämlich für den Nachweis des Vorliegens einer Zuwiderhandlung dieses Unternehmens irrelevant, da diese Gesichtspunkte erst bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und gegebenenfalls bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen sind (vgl. Urteil vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

123    Eine solche Aufteilung einer Entscheidung der Kommission, in der ein Gesamtkartell als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung eingestuft wird, kommt jedoch nur in Betracht, wenn das betreffende Unternehmen im Verwaltungsverfahren in die Lage versetzt wurde, zu erkennen, dass ihm auch jede der Verhaltensweisen, aus denen sie besteht, vorgeworfen wird, so dass es sich in diesem Punkt verteidigen konnte, und wenn die Entscheidung insoweit hinreichend klar ist (Urteil vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 46).

124    Sind die oben in Rn. 118 genannten Voraussetzungen erfüllt, ergibt sich daraus folglich für den Unionsrichter, wenn er feststellt, dass die Kommission nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass ein Unternehmen bei seiner Beteiligung an einer der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, aus denen eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung besteht, von den anderen wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, die die anderen Kartellbeteiligten in Verfolgung der gleichen Ziele an den Tag legten, wusste oder sie vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen, als einzige Konsequenz, dass dieses Unternehmen nicht für die anderen Verhaltensweisen und damit die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung insgesamt zur Verantwortung gezogen werden kann und dass die angefochtene Entscheidung nur insoweit als unbegründet anzusehen ist (Urteil vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 47).

125    Da im Übrigen die Feststellung durch den Unionsrichter, dass die Kommission nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass ein Unternehmen bei seiner Beteiligung an einer der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, die eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung bilden, von dem übrigen wettbewerbswidrigen Verhalten, das die anderen Kartellbeteiligten in Verfolgung der gleichen Ziele an den Tag legten, wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen, nicht zu einer Entlastung dieses Unternehmens von seiner Verantwortlichkeit für den Teil des Verhaltens führen darf, in Bezug auf den seine Beteiligung erwiesen ist und für den feststeht, dass es zur Verantwortung gezogen werden kann, muss sich der Unionsrichter auf die teilweise Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung beschränken (Urteil vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 50).

126    Das Vorbringen der Klägerin, sie habe sich nicht an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt, ist im Licht der vorstehend in den Rn. 117 bis 125 angeführten Rechtsprechung zu erörtern.

127    Im Rahmen des dritten Klagegrundes macht die Klägerin in einem ersten Teil geltend, dass die von ihr begangene Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV weder Teil eines umfassenderen Gesamtkartells mit Heiploeg, Klaas Puul und Kok Seafood sei noch als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung mit einem solchen Kartell verbunden sei. In einem zweiten Teil macht sie geltend, etwaige Preisabsprachen mit Heiploeg hinsichtlich anderer deutscher Kunden bildeten keine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung mit der gegen das Wettbewerbsrecht verstoßenden Abstimmung der Verkaufspreise für Aldi-Nord in Deutschland.

128    Zum ersten Teil dieses Klagegrundes ist darauf hinzuweisen, dass – wie oben in Rn. 118 ausgeführt – für den Nachweis der Beteiligung eines Unternehmens an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, nämlich das Vorliegen eines Gesamtplans, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wird, der vorsätzliche Beitrag des Unternehmens zu diesem Plan und seine (bewiesene oder vermutete) Kenntnis vom rechtswidrigen Verhalten der anderen Teilnehmer.

129    Die Klägerin macht geltend, das Vorliegen eines Gesamtplans setze zwingend die Verfolgung eines einheitlichen und völlig übereinstimmenden wirtschaftlichen Ziels, eine Interaktion aller Beteiligten und eine enge Verbindung zwischen den Märkten voraus. Zudem trägt sie vor, die Abstimmung der Verkaufspreise für Aldi-Nord in Deutschland habe nicht das Ziel gehabt, die Preise für Nordseegarnelen zu erhöhen oder zu stabilisieren, sondern nur, diesen strategisch wichtigen Kunden nicht zu verlieren. Sie habe somit keinerlei Interesse an der Festlegung eines Referenzpreises gehabt.

130    Im Licht der oben in den Rn. 119 bis 125 angeführten Rechtsprechung bedeutet die Bezugnahme auf einen Gesamtplan jedoch nicht, dass ein solcher Plan im Voraus entworfen worden sein muss oder dass eine globale, die verschiedenen Bestandteile umfassende Entscheidungsstruktur bestanden haben muss. Jeder Umstand, der gemessen am Ziel der verschiedenen in Rede stehenden Handlungen geeignet ist, ein Komplementaritätsverhältnis zu belegen oder in Frage zu stellen, kann nämlich eine Einstufung der verschiedenen Handlungen als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung ermöglichen.

131    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich die Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV notwendigerweise aus einem Zusammenwirken mehrerer Unternehmen ergeben, die zwar alle Mittäter der Zuwiderhandlung sind, deren Beteiligung aber insbesondere anhand der Merkmale des betroffenen Marktes und der Stellung jedes Unternehmens auf diesem Markt, den verfolgten Zielen und der gewählten oder vorgesehenen Art und Weise der Durchführung verschiedene Formen aufweisen kann. Folglich kann die Verantwortung des einzelnen Unternehmens für die Gesamtzuwiderhandlung einschließlich des Verhaltens, das zwar von anderen beteiligten Unternehmen an den Tag gelegt wurde, aber dieselbe wettbewerbswidrige Bestimmung oder Wirkung hat, nicht allein deshalb ausgeschlossen sein, weil jedes Unternehmen sich auf eine ihm eigene Art und Weise an der Zuwiderhandlung beteiligt (Urteile vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, EU:C:1999:356, Rn. 79 und 80, und vom 6. März 2012, UPM-Kymmene/Kommission, T‑53/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:101, Rn. 53).

132    Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission ausgeführt, sämtliche Handlungen der Kartellbeteiligten hätten zum Ziel gehabt, das Preisniveau für Nordseegarnelen zu beeinflussen, den Wettbewerb zu beschränken und den Markt zu stabilisieren (vgl. 386. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Denn alle Beteiligten hätten die Erhöhung oder zumindest die Stabilisierung der Preise für Nordseegarnelen angestrebt (vgl. 387. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

133    Die Klägerin macht hierzu geltend, sie habe nicht das gleiche Ziel verfolgt wie die anderen Beteiligten, da es ihr nicht darum gegangen sei, die Verkaufspreise zu erhöhen oder zu stabilisieren, sondern darum, ihren Kunden Aldi-Nord in Deutschland nicht zu verlieren. Gewiss ist es möglich, dass sich die Klägerin, wie sie vorträgt, auf die Abstimmung der Verkaufspreise mit Heiploeg eingelassen hat, um einen Preiskampf zu vermeiden und so diesen Kunden zu behalten. Gleichwohl schließt dies nicht aus, dass ein gemeinsames Ziel verfolgt wurde, das darin bestand, das Niveau des Verkaufspreises zu erhöhen oder zu stabilisieren. Die Erhöhung oder Stabilisierung des Verkaufspreisniveaus war nämlich das Mittel zur Erreichung des behaupteten Primärziels, den Kunden Aldi-Nord in Deutschland nicht zu verlieren (vgl. Erwägungsgründe 87, 88, 101 und 112 bis 114 des angefochtenen Beschlusses sowie Anlagen A 4.330, A 4.313, A 4.332 und B1). Somit hat die Kommission nicht gegen die oben in Rn. 108 angeführte Unschuldsvermutung verstoßen.

134    Im Übrigen ist zum Vorbringen der Klägerin bezüglich des Fehlens einer Verbindung zwischen den betreffenden geografischen Märkten festzustellen, dass die Klägerin keinen Beweis beigebracht hat, der die Schlussfolgerungen des angefochtenen Beschlusses überzeugend in Frage zu stellen vermag. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die verschiedenen Handlungen der an der Zuwiderhandlung Beteiligten ein einziges Produkt betrafen, die meisten der betreffenden Unternehmen auf mehreren Märkten tätig waren, die individuellen Verhaltensweisen der Beteiligten zu einem gewissen Grad komplementär waren und die beteiligten natürlichen Personen sehr häufig dieselben waren. Ferner ist zu den Erklärungen der anderen Kartellbeteiligten, insbesondere den Notizen zu den Telefongesprächen zwischen Heiploeg und Kok Seafood, die die Kommission u. a. verwendet hat, um ihre Schlussfolgerung zu untermauern, dass Verbindungen zwischen den betroffenen geografischen Märkten bestanden hätten, darauf hinzuweisen, dass das Gericht es kürzlich als nicht dargetan angesehen hat, dass die Kommission gegen Art. 101 AEUV oder gegen Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verstieß, indem sie die streitigen Mitschnitte der Telefongespräche oder die zugehörigen Notizen verwertete (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Goldfish u. a./Kommission, T‑54/14, EU:T:2016:455, Rn. 125 und 129). Daher ist auch diese Rüge zurückzuweisen.

135    Somit ist die Kommission in Anbetracht aller Umstände, die ein Komplementaritätsverhältnis zwischen den Beteiligten belegen, und angesichts des Ziels der verschiedenen Handlungen der Klägerin zutreffend zu dem Schluss gelangt, dass diese Handlungen Teil eines Gesamtplans waren, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wurde.

136    Zum Vorbringen der Klägerin, sie habe nicht vorsätzlich zu dem Gesamtplan beigetragen, ist darauf hinzuweisen, dass in den beiden Erwägungsgründen des angefochtenen Beschlusses, auf die sich die Klägerin dabei stützt, nämlich den Erwägungsgründen 413 und 414, lediglich zum einen das Vorbringen der Klägerin wiedergegeben und zum anderen verneint wird, dass ihr Verhalten als gesonderte Zuwiderhandlung anzusehen sei. Diesen Erwägungsgründen ist keineswegs zu entnehmen, dass die Kommission den Beitrag der Klägerin zum Kartell als nicht vorsätzlich gewertet hat.

137    Wie oben in Rn. 119 ausgeführt, genügt es insoweit, wenn die Kommission nachweist, dass das Unternehmen durch sein eigenes Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten rechtswidrigen Verhalten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (vgl. Urteile vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

138    Wie im Rahmen der Prüfung der ersten beiden Klagegründe festgestellt worden ist, hat die Klägerin aber im vorliegenden Fall die Verkaufspreise und gelegentlich auch die Einkaufspreise in Kenntnis der Sachlage und mit Vorbedacht mit Heiploeg abgestimmt und damit vorsätzlich zur Verwirklichung des gemeinsamen Ziels der Kartellbeteiligten beigetragen, das Preisniveau für Nordseegarnelen zu beeinflussen, den Wettbewerb zu beschränken und den Markt zu stabilisieren (vgl. Erwägungsgründe 386 bis 388 des angefochtenen Beschlusses).

139    Somit ist das Vorbringen der Klägerin, sie habe nicht vorsätzlich zu dem Gesamtplan beigetragen, unzutreffend und daher zurückzuweisen.

140    Zum Vorbringen der Klägerin, sie habe von dem über ihr eigenes Verhalten hinausgehenden rechtswidrigen Verhalten der anderen Kartellbeteiligten weder Kenntnis gehabt noch haben müssen, ist darauf hinzuweisen, dass es, wie oben in Rn. 120 ausgeführt, nach der Rechtsprechung auch möglich ist, dass sich ein Unternehmen nur an einem Teil des wettbewerbswidrigen Verhaltens, das die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung bildet, unmittelbar beteiligt hat, aber von dem gesamten übrigen rechtswidrigen Verhalten, das die anderen Kartellbeteiligten in Verfolgung der gleichen Ziele beabsichtigten oder an den Tag legten, wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen. In einem solchen Fall ist die Kommission ebenfalls berechtigt, dieses Unternehmen für das gesamte wettbewerbswidrige Verhalten, das eine solche Zuwiderhandlung bildet, und damit für diese Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit zur Verantwortung zu ziehen (Urteil vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 43).

141    Im vorliegenden Fall geht aus dem 100. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervor, dass Klaas Puul angegeben hat, mit der Klägerin bis November 2005 gelegentlich direkte Vereinbarungen über die Verkaufspreise für Aldi-Nord in Deutschland getroffen zu haben. Zwar bestreitet die Klägerin, direkte Kontakte mit Klaas Puul gehabt zu haben, doch hat sie jedenfalls mehrfach über Heiploeg Informationen zu den Preisabsichten von Klaas Puul erhalten. Dieser Umstand, den die Kommission in den Erwägungsgründen 88 und 99 des angefochtenen Beschlusses anführt, wird von der Klägerin in der Klageschrift bestätigt, wo sie in Rn. 157 einräumt, zwischen März 2003 und November 2007 von Heiploeg Preisinformationen für Klaas Puul erhalten zu haben. Außerdem trägt die Klägerin in Rn. 160 der Klageschrift vor, dass sie zu keinem Zeitpunkt gewusst habe, ob es sich um die wirklichen Verkaufspreise von Klaas Puul gehandelt habe, dies jedoch aufgrund des aus Heiploeg und Klaas Puul bestehenden niederländischen Duopols und der persönlichen Beziehung zwischen dem Geschäftsführer von Klaas Puul, Herrn M., und dem damaligen Geschäftsführer von Heiploeg, Herrn N., angenommen habe.

142    Die Klägerin hätte somit daraus den Schluss ziehen können, dass Heiploeg die Informationen zu den Preisabsichten von Klaas Puul direkt von Klaas Puul erhalten hatte, und konnte daher nicht behaupten, nicht gewusst zu haben, dass die Abstimmung der Verkaufs- und Einkaufspreise mit Heiploeg über das Verhältnis zwischen ihr und Heiploeg hinausging und zumindest auch Klaas Puul darin einbezogen war.

143    Außerdem wurde die Klägerin von einem niederländischen Kunden über die Preisentwicklung auf dem niederländischen Markt auf dem Laufenden gehalten (vgl. Erwägungsgründe 122 und 400 des angefochtenen Beschlusses). Die Preise von Heiploeg und Klaas Puul in den Niederlanden glichen sich aber. Daraus kann daher geschlossen werden, dass sich die von der Klägerin vermutete Abstimmung zwischen Heiploeg und Klaas Puul nicht auf Deutschland beschränkte, sondern auch auf die Niederlande erstreckte.

144    Darüber hinaus wurde die Klägerin von Heiploeg gelegentlich auch über die Preispolitik informiert, die Heiploeg in Belgien anzuwenden beabsichtigte (vgl. 85. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Auch wenn, wie die Klägerin in der Klageschrift zutreffend hervorhebt, Klaas Puul in der E‑Mail, auf die in diesem Erwägungsgrund Bezug genommen wird, nicht erwähnt wird, belegt diese E‑Mail gleichwohl, dass die Klägerin hätte wissen können, dass sich die Abstimmung ihrer Preise mit denen von Heiploeg in ein größeres Kartell einfügte, das nicht auf Deutschland beschränkt war. Zudem ist zu beachten, dass die Klägerin selbst Kunden in Belgien hatte und diese Informationen daher auch für sie von Interesse waren (vgl. Anlage B.2, Antwort der Klägerin vom 4. Januar 2010 auf ein Auskunftsersuchen der Kommission [ID 918/5]).

145    Schließlich ist hinsichtlich der Kenntnis davon, dass der Preis von Aldi-Belgien, der Einfluss auf die Preise in Deutschland gehabt haben soll, „Referenzcharakter“ hatte, festzustellen, dass sich die Kommission hauptsächlich auf die Stellungnahme vom 27. September 2012 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte gestützt hat (vgl. Erwägungsgründe 413 und 414 des angefochtenen Beschlusses). In dieser Stellungnahme wird u. a. auf eine E‑Mail vom 18. Dezember 2008 Bezug genommen, in der ein Telefongespräch erwähnt wird, in dem Aldi-Nord wissen ließ, dass ihr Einkaufspreis in Zukunft an den von Aldi-Belgien anzupassen sei. Diese E‑Mail wurde jedoch, wie die Klägerin vorträgt, im Dezember 2008 und damit außerhalb des Zeitraums der von der Klägerin begangenen Zuwiderhandlung (14. März 2003 bis 15. November 2007, vgl. Erwägungsgründe 449 und 450 des angefochtenen Beschlusses) versendet. Es ist daher nicht angebracht, diesen Beweis zu berücksichtigen.

146    Jedenfalls belegen die vorgenannten Beweise für sich allein, dass die Klägerin von der Abstimmung der Verkaufspreise durch Heiploeg und Klaas Puul Kenntnis hatte.

147    Im Licht dieser Erwägungen ist der erste Teil des dritten Klagegrundes als unbegründet anzusehen, da die Kommission frei von Beurteilungsfehlern zu dem Ergebnis gekommen ist, dass sich die Klägerin an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligte und insoweit nicht gegen die Unschuldsvermutung verstoßen hat.

148    In Bezug auf den zweiten Teil des vorliegenden Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Abstimmung der Verkaufspreise für Aldi-Nord in Deutschland stelle keine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung zusammen mit einer etwaigen Abstimmung der Verkaufspreise für andere Kunden dar.

149    Hierzu ist dem angefochtenen Beschluss zu entnehmen, dass die Klägerin wusste, dass sie mit der Abstimmung der Verkaufspreise zum einen für Aldi-Nord in Deutschland und zum anderen für Metro einen vorsätzlichen Beitrag zu einem Gesamtplan leistete, dessen Ziel es war, das Preisniveau für Nordseegarnelen zu beeinflussen, den Wettbewerb zu beschränken und den Markt zu stabilisieren. Aus den Erwägungsgründen 87, 88, 101 und 112 bis 114 des angefochtenen Beschlusses geht nämlich hervor, dass die Klägerin und Heiploeg das gemeinsame Ziel verfolgten, das Niveau der Verkaufspreise für Aldi-Nord zu erhöhen oder zu stabilisieren. Den Erwägungsgründen 87, 101 und 247 des angefochtenen Beschlusses ist zu entnehmen, dass die Klägerin und Heiploeg gegenüber Metro das gleiche Ziel verfolgten.

150    Ferner wird im 87. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses eine interne E‑Mail der Klägerin vom 31. Juli 2003 angeführt (siehe oben, Rn. 96), in der einer ihrer Mitarbeiter von einem Telefongespräch berichtete, das er am Vortag mit einem Mitarbeiter von Heiploeg geführt hatte:

„Gestern hat sich [P. L.] von BFG [Heiploeg] bei mir gemeldet. Angeblich fordert die Metro von ihm eine Preisreduzierung für die Nordseekrabben. Ich habe ihm bestätigt, dass wir auf keinen Fall reduzieren werden. Er will auch keine Reduzierung akzeptieren. Es kann sein, dass die Metro es noch einmal bei uns versuchen wird … Wir müssen dann ‚hart‘ bleiben. Es ist notwendig, dass die Absprache mit [P. L.] funktioniert, da dies auch ein Test für weitere Gespräche bzgl. Aldi ist …“

151    Diese E‑Mail zeigt, dass für die Klägerin durchaus ein enger Zusammenhang zwischen der Abstimmung der Verkaufspreise, die Aldi-Nord in Deutschland angeboten wurden, und der Abstimmung der Metro angebotenen Verkaufspreise bestand.

152    Somit ist der zweite Teil des dritten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

153    Folglich ist festzustellen, dass sich die von der Klägerin begangene Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV in ein größeres Gesamtkartell mit Heiploeg, Klaas Puul und Kok Seafood einfügte und mit diesem Kartell als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung im Sinne der Rechtsprechung verbunden war. Zudem war die Abstimmung der Verkaufspreise für Aldi-Nord in Deutschland und für andere deutsche Kunden Teil dieser einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung.

154    Somit ist der dritte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen. Daher ist der Antrag, den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit er die von der Klägerin begangene Zuwiderhandlung betrifft, zurückzuweisen.

B.      Zu den Klagegründen, die hinsichtlich der Berechnung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße geltend gemacht werden

155    Mit der zweiten Gruppe von Klagegründen trägt die Klägerin Rügen und Argumente vor, die sowohl die Rechtmäßigkeit der Berechnung der gegen sie verhängten Geldbuße als auch deren Angemessenheit in Frage stellen. Dabei sind diese Rügen und Argumente ohne klare Trennung sowohl auf die teilweise Nichtigerklärung von Art. 2 des angefochtenen Beschlusses, soweit er die Klägerin betrifft, als auch auf seine Abänderung im Rahmen der Ausübung der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung gerichtet.

156    Nach der Rechtsprechung wird die Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Entscheidungen der Kommission ergänzt durch die dem Unionsrichter durch Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 im Einklang mit Art. 261 AEUV eingeräumte Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung. Diese Befugnis ermächtigt den Richter über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zwangsmaßnahme hinaus dazu, die Beurteilung der Kommission durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß die verhängte Geldbuße oder das verhängte Zwangsgeld aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen (vgl. Urteil vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission, C‑386/10 P, EU:C:2011:815, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die in den Verträgen vorgesehene Kontrolle impliziert somit, dass der Unionsrichter sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht eine Kontrolle vornimmt und befugt ist, die Beweise zu würdigen, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären und die Höhe der Geldbußen zu ändern. Es ist daher nicht ersichtlich, dass die in Art. 263 AEUV vorgesehene Rechtmäßigkeitskontrolle, ergänzt um die in Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung hinsichtlich der Höhe der Geldbuße, gegen den in Art. 47 der Charta verankerten Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes verstößt (vgl. Urteil vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission, C‑386/10 P, EU:C:2011:815, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

157    Um die Höhe der zu verhängenden Geldbuße festzusetzen, hat das Gericht selbst die Umstände des Einzelfalls und die Art der fraglichen Zuwiderhandlung zu beurteilen. Dies setzt nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 für jedes mit einer Geldbuße belegte Unternehmen die Berücksichtigung von Schwere und Dauer der betreffenden Zuwiderhandlung unter Wahrung u. a. der Begründungspflicht sowie der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der individuellen Sanktionsfestsetzung und der Gleichbehandlung voraus, ohne dass das Gericht an die von der Kommission in ihren Leitlinien definierten Vorgaben gebunden wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 90).

1.      Zum vierten Klagegrund: unrichtige Berechnung der Geldbuße infolge der einheitlichen Feststellung der Zuwiderhandlung und des Zusatzbetrags

a)      Vorbringen der Parteien

158    Mit diesem Klagegrund macht die Klägerin geltend, die von der Kommission vorgenommene Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und die daran anknüpfende prozentuale Bemessung des Grundbetrags und des Abschreckungszuschlags mit je 16 % seien nach Art und Ausmaß ihrer Beteiligung am Kartell fehlerhaft.

159    Die Klägerin rügt einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der sich aus der Bemessung des variablen Teils des Grundbetrags der Geldbuße mit 16 % ergebe. Nach dem Vorbringen der Kommission mache es keinen Unterschied, ob die Zuwiderhandlung in einer bloßen erzwungenen Entgegennahme von Preisinformationen für einen Kunden in Norddeutschland (Aldi-Nord) oder in einem Kartell für Preis- und Mengenabsprachen sowie zur Kundenaufteilung in Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden bestehe. Die Kommission sei der Ansicht, dass diese beiden Sachverhalte gleich zu behandeln seien. Messe die Kommission aber ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung einen solchen Prozentsatz zu, müsse sie die wesentlich schwereren Tatbeiträge der anderen Beteiligten entsprechend höher bewerten. Daher sei der angefochtene Beschluss rein willkürlich und verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zudem habe die Kommission von dem ihr eingeräumten Ermessen insoweit keinen Gebrauch gemacht.

160    Sodann rügt die Klägerin einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Habe sich ein Unternehmen nicht an allen Bestandteilen eines Kartells beteiligt oder habe seine Beteiligung eine weniger bedeutende Rolle gespielt, müsse die Kommission diesen Umstand bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und gegebenenfalls bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigen. Die fraglichen Zuwiderhandlungen unterschieden sich aber in Art, Umfang und Intensität erheblich.

161    Allein die Eigenschaft als Wiederholungstäter ermögliche nach Ziff. 28 der Leitlinien eine Erhöhung um 100 %. Im vorliegenden Fall hätten Klaas Puul und Heiploeg kurz nach der Entscheidung der NMa eine erneute Zuwiderhandlung auf demselben Produktmarkt begangen. Hinzu kämen die Rolle von Heiploeg und Klaas Puul als Anführer sowie der von Heiploeg auf die Klägerin ausgeübte Zwang. Sie habe auf dem Markt für Nordseegarnelen einen Anteil von gerade einmal 3,4 %, während der Marktanteil von Heiploeg und Klaas Puul jeweils etwa 40 % betrage. Selbst auf ihrem Heimatmarkt Deutschland erreiche sie nur einen Marktanteil von 10 %. Dies habe die Kommission nicht berücksichtigt. Bei der ihr zur Last gelegten Zuwiderhandlung könne es sich daher insbesondere im Vergleich zu Heiploeg nur um einen minderschweren, nicht aber um einen besonders schweren Verstoß handeln. Da diese Umstände von der Kommission nicht hinreichend berücksichtigt worden seien, verstoße der Beschluss der Kommission auch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.

162    Des Weiteren rügt die Klägerin einen Verstoß gegen den Grundsatz der individuellen Zumessung von Strafen und Sanktionen. Sie habe sich weder an Preisabsprachen noch an Marktaufteilungsabreden oder Mengenbeschränkungen beteiligt, und zwar auf keinem Markt. Sie habe lediglich Preisinformationen für Aldi-Nord, also allein für den norddeutschen Markt, entgegengenommen. Sie habe auch nicht an irgendwelchen Absprachen für die Märkte in Belgien, Dänemark, Frankreich und den Niederlanden teilgenommen, die die anderen Beteiligten intensiv vorgenommen hätten. Außerdem habe sie aktiv Wettbewerb betrieben und ihren Konkurrenten Kunden abgeworben. Sie habe somit weder an der Kundenaufteilung zwischen Heiploeg und Klaas Puul noch an der Marktaufteilung teilgenommen.

163    Die Klägerin wirft der Kommission vor, die Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens überschritten zu haben, indem sie trotz der von ihr selbst festgestellten völlig unterschiedlichen Beteiligung an der Zuwiderhandlung bei allen Unternehmen den gleichen Prozentsatz zugrunde gelegt habe. Eine Abwägung des Umstands, dass die Klägerin Preisvorgaben für lediglich einen regionalen Kunden in Deutschland, nämlich Aldi-Nord, beachtet habe, gegen die Absprachen der anderen Beteiligten hätte ergeben müssen, dass der Prozentsatz bei ihr um mindestens zwei Drittel hätte gesenkt werden müssen.

164    Bei der Bemessung der Schwere der Zuwiderhandlung sei die Intensität der tatsächlichen wirtschaftlichen Auswirkung dieser Zuwiderhandlung zu berücksichtigen. Unterstellt, der Preis von Aldi-Belgien wäre ein „Referenzpreis“ für ganz Europa gewesen und hätte daher auch den Preis von Aldi-Nord bestimmt – was die Klägerin bestreite –, hätte der Umstand, dass sie Verkaufspreise für Aldi-Nord entgegengenommen und berücksichtigt habe, nach der Logik der Kommission keine oder allenfalls geringe wirtschaftliche Auswirkungen. Ferner würden die wirtschaftlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung gegenüber Aldi-Nord durch die Nachfragemacht von Aldi-Nord weiter marginalisiert, wenn nicht sogar vollständig aufgehoben. Außerdem sei der Preisrahmen, der Aldi-Nord habe angeboten werden können, nach oben hin durch die günstigen asiatischen Garnelen begrenzt gewesen. Aldi-Nord habe demzufolge durch die Zuwiderhandlung keinen hohen finanziellen Schaden erleiden können. Daher dürfe der gegen die Klägerin festgesetzte Grundbetrag 5 % bis 6 % nicht übersteigen, wenn er bei Heiploeg 16 % betrage.

165    Schließlich macht die Klägerin geltend, angesichts ihres Verhaltens sei ein Abschreckungszuschlag von 16 % ebenfalls nicht geboten gewesen. Sie habe nämlich ihre Mitwirkung an den wettbewerbswidrigen Handlungen, an denen Heiploeg beteiligt gewesen sei, freiwillig aufgegeben. Habe aber ein Unternehmen seine Mitwirkung an einem wettbewerbswidrigen Verhalten, zu dem es überdies gezwungen worden sei, eingestellt, bedürfe es offensichtlich keiner gesonderten Abschreckung mehr. Sollte das Gericht die Verhängung eines Abschreckungszuschlags als angemessen ansehen, dürfe dieser daher 5 % bis 6 % nicht übersteigen.

166    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

b)      Würdigung durch das Gericht

167    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Kommission habe bei der Berechnung der gegen sie verhängten Geldbuße verschiedene Fehler und Verstöße begangen, und trägt hierzu vor, die Kommission habe bei der Bestimmung der Koeffizienten von 16 %, die sie in den Erwägungsgründen 494 bis 498, 502 und 503 des angefochtenen Beschlusses festgelegt habe, Fehler begangen.

168    Es sind jedoch insbesondere zwei verschiedene Problemstellungen zu unterscheiden, nämlich zum einen die Frage, ob das Vorgehen gegen die Klägerin im Vergleich zum Vorgehen gegen die anderen Kartellbeteiligten angemessen war (Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und gegen den Grundsatz der individuellen Strafzumessung), und zum anderen die Frage, ob der von der Kommission angewandte Prozentsatz für sich genommen in angemessenem Verhältnis zum Verhalten der Klägerin stand (Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit).

169    Alle von der Klägerin gerügten Verstöße betreffen somit unter verschiedenen Blickwinkeln die zur Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße gemäß den Ziff. 21 bis 23 sowie Ziff. 25 der Leitlinien herangezogenen Multiplikatoren von 16 % des Umsatzes, den die Klägerin mit dem Verkauf von Nordseegarnelen in Deutschland erzielte. Daher sind erstens die in den Leitlinien aufgestellten Regeln für die Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße zu rekapitulieren, zweitens sind die Gründe darzustellen, mit denen die Kommission die Festsetzung eines Multiplikators von 16 % gerechtfertigt hat, und drittens ist zu prüfen, ob sie dabei die von der Klägerin gerügten Fehler und Verstöße begangen hat.

170    Erstens ist zu den Regeln für die Berechnung der Geldbuße darauf hinzuweisen, dass gemäß den Ziff. 9 bis 11 der Leitlinien die Methode der Kommission für die Festsetzung der Geldbußen zwei Stufen umfasst. Zuerst setzt die Kommission für jedes einzelne Unternehmen und jede einzelne Unternehmensvereinigung einen Grundbetrag fest. Anschließend wird dieser Betrag unter Berücksichtigung der erschwerenden oder mildernden Umstände, die die Beteiligung des betreffenden Unternehmens kennzeichnen, nach oben oder unten angepasst.

171    Was insbesondere die erste Stufe der Methode zur Festsetzung der Geldbußen nach den Ziff. 21 bis 23 der Leitlinien betrifft, wird der maßgebliche Anteil am Umsatz (im Folgenden: Multiplikator „Schwere der Zuwiderhandlung“) innerhalb einer Bandbreite von 0 % bis 30 % festgesetzt. Dabei werden mehrere Umstände berücksichtigt, u. a. die Art der Zuwiderhandlung, der kumulierte Marktanteil sämtlicher beteiligter Unternehmen, der Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes und die etwaige Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis. Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung der Märkte oder Einschränkung der Erzeugung gehören ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Verstößen. Nach Ziff. 25 der Leitlinien fügt die Kommission zur Abschreckung einen Anteil von 15 % bis 25 % des Umsatzes hinzu, anhand dessen ein Zusatzbetrag berechnet werden kann (im Folgenden: Multiplikator „Zusatzbetrag“), und berücksichtigt hierbei die oben genannten Faktoren.

172    Was zweitens die Bestimmung des von der Kommission im angefochtenen Beschluss festgesetzten Multiplikators „Schwere der Zuwiderhandlung“ betrifft, lauten die Erwägungsgründe 494 bis 498 des angefochtenen Beschlusses:

„(494)      Der Grundbetrag wird als Betrag zwischen 0 % und 30 % des Umsatzwerts des Unternehmens bestimmt, der sich nach der Schwere des Verstoßes richtet. Die Kommission hat im Zusammenhang mit der Schwere des Verstoßes eine Reihe von Faktoren berücksichtigt, wie die Art der Zuwiderhandlung, den kumulierten Marktanteil sämtlicher beteiligter Unternehmen, den Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes und die etwaige Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis.

(495)      Horizontale Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung der Märkte und Einschränkung der Erzeugung gehören ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Wettbewerbsverstößen; für den Umsatzanteil ist daher grundsätzlich ein Betrag am oberen Ende dieser Bandbreite anzusetzen.

(496)      Darüber hinaus beabsichtigt die Kommission im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass der kumulierte Marktanteil der an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen sehr hoch war.

(497)      Heiploeg wendet ein, dass die Zuwiderhandlung in sporadischen Vorkommnissen bestand, die nicht als besonders schwerer Verstoß gegen Artikel 101 AEUV betrachtet werden können. Es wurde jedoch bereits erläutert, warum dieses Argument nicht gültig ist und dass die Zuwiderhandlung weitaus umfassender und daher schwerwiegender ist als von Heiploeg behauptet.

(498)      Aufgrund der besonderen Umstände dieses Falls und unter Berücksichtigung der in den Erwägungsgründen (495) und (496) erläuterten Kriterien sollte der Umsatzanteil, der zur Berechnung der Schwere des Verstoßes zu berücksichtigen ist, für alle Adressaten des vorliegenden Beschlusses 16 % betragen.“

173    Zum Multiplikator „Zusatzbetrag“ hat die Kommission in den Erwägungsgründen 502 und 503 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt:

„(502)      Unabhängig von der Dauer der Beteiligung der Unternehmen an der Zuwiderhandlung fügt die Kommission einen Betrag zwischen 15 % und 25 % des Umsatzes zum Grundbetrag hinzu, um die Unternehmen von vornherein von der Beteiligung an horizontalen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung von Märkten oder Mengeneinschränkungen abzuschrecken.

(503)      Aufgrund der besonderen Umstände dieses Falls und unter Berücksichtigung der in den Erwägungsgründen (495) und (496) erläuterten Kriterien sollte der Umsatzanteil, der zur Berechnung des Zusatzbetrags zu berücksichtigen ist, für alle Adressaten des vorliegenden Beschlusses 16 % betragen.“

174    Aus den in den Erwägungsgründen 494 bis 498, 502 und 503 des angefochtenen Beschlusses angeführten Gründen ergibt sich somit, dass die Kommission die Anwendung des Multiplikators „Schwere der Zuwiderhandlung“ und des Multiplikators „Zusatzbetrag“ von 16 % im Wesentlichen damit begründete, dass sich die im angefochtenen Beschluss mit einer Geldbuße belegten Unternehmen an einer horizontalen Vereinbarung zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung der Märkte und Einschränkung der Erzeugung beteiligt hätten, die ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Wettbewerbsverstößen gehöre, und dass der kumulierte Marktanteil dieser Unternehmen sehr hoch gewesen sei.

175    In den Erwägungsgründen 414 und 487 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission jedoch ausgeführt, dass die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung auf Deutschland beschränkt gewesen sei.

176    Zudem hat sie im 525. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt:

„(525)      Die Beteiligung von Stührk war tatsächlich auf Deutschland beschränkt, wo Stührks Beteiligung darüber hinaus von einem anderen Charakter war als das wettbewerbswidrige Verhalten der Hauptbeteiligten am Kartell. Stührk hat nie an ausdrücklichen Preisabsprachen mit Wettbewerbern teilgenommen, wurde aber bei Heiploeg über dessen Preise informiert und richtete [ihre] eigene Preisstrategie dann an diesen Informationen aus. Die Akte enthält Beweise dafür, dass Stührk versuchte, Garnelen in den Niederlanden zu kaufen, wobei [ihr] jedoch zu verstehen gegeben wurde, dass dies nicht möglich sei. Auch die Erfahrung von Stührk bei der Übernahme des Kunden Superunie in den Niederlanden veranlasste das Unternehmen nicht dazu, den Wettbewerb außerhalb Deutschlands zu intensivieren. Stührk war darüber hinaus nicht an den Absprachen zur Marktaufteilung beteiligt.“

177    Dies veranlasste die Kommission, den Grundbetrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße anhand des von ihr auf dem deutschen Markt erzielten Umsatzes zu berechnen.

178    Außerdem veranlassten die Erwägungen im 525. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses die Kommission, die Geldbuße der Klägerin aufgrund mildernder Umstände um 15 % zu ermäßigen.

179    Die von der Klägerin gerügten Fehler und Verstöße sind im Licht dieser Erwägungen zu prüfen.

1)      Zur Pflicht, den Grundbetrag der Geldbuße anhand der individuellen Rolle der Klägerin zu ermitteln

180    Zum einen ist hinsichtlich des von der Klägerin gerügten Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und den Grundsatz der individuellen Strafzumessung darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung vorliegt, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt (Urteil vom 30. September 2009, Hoechst/Kommission, T‑161/05, EU:T:2009:366, Rn. 79; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 13. Dezember 1984, Sermide, 106/83, EU:C:1984:394, Rn. 28).

181    Zum anderen ist die Kommission nach der Rechtsprechung gemäß dem Grundsatz der individuellen Strafzumessung verpflichtet, bei der Beurteilung der relativen Schwere der Kartellbeteiligung jedes der Zuwiderhandelnden die Tatsache zu berücksichtigen, dass einige Zuwiderhandelnde gegebenenfalls nicht für sämtliche Teile des Kartells verantwortlich gemacht wurden (vgl. Urteil vom 19. Mai 2010, Chalkor/Kommission, T‑21/05, EU:T:2010:205, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung).

182    Zunächst ist festzustellen, dass einige der Argumente, die die Klägerin hierzu geltend gemacht hat, keinen Erfolg haben können.

183    Dies gilt für das Argument der Klägerin, dass die Kommission gegen Heiploeg und Klaas Puul eine höhere Geldbuße hätte festsetzen müssen, da diese Unternehmen angesichts einer früheren Entscheidung der NMa als Wiederholungstäter anzusehen seien.

184    Nach der Rechtsprechung des Gerichts kann sich ein Teilnehmer an einer Zuwiderhandlung grundsätzlich nicht auf einen mildernden Umstand berufen, den er mit dem Verhalten der anderen Teilnehmer an dieser Zuwiderhandlung begründet (Urteil vom 29. November 2005, Union Pigments/Kommission, T‑62/02, EU:T:2005:430, Rn. 125).

185    Folglich stellt im vorliegenden Fall eine etwaige Wiederholungstäterschaft von Heiploeg und Klaas Puul oder deren fehlende Berücksichtigung bei der Bemessung der Geldbuße keinen Umstand dar, der hätte herangezogen werden müssen, um den Grundbetrag der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße herabzusetzen (vgl. entsprechend Urteil vom 14. Mai 2014, Reagens/Kommission, T‑30/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:253, Rn. 285 und 286).

186    Auch das Argument, das die Klägerin daraus herleitet, dass ihre Zuwiderhandlung keine oder nur geringe wirtschaftliche Auswirkungen gehabt habe, kann keinen Erfolg haben. Hierzu ist auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu verweisen, wonach die Frage nach der konkreten Auswirkung einer Zuwiderhandlung auf den Markt kein entscheidendes Kriterium für die Bestimmung der Höhe der Geldbußen ist (Urteil vom 8. Dezember 2011, KME Germany u. a./Kommission, C‑272/09 P, EU:C:2011:810, Rn. 34). Zudem können horizontale Preisabsprachen oder Marktaufteilungen allein aufgrund ihrer Art als besonders schwere Verstöße angesehen werden, ohne dass die Kommission die konkrete Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt nachweisen müsste. In diesem Fall ist die konkrete Tragweite der Zuwiderhandlung nur ein Kriterium neben anderen, anhand dessen die Kommission, wenn es messbar ist, den Ausgangsbetrag der Geldbuße über dem voraussichtlichen Mindestbetrag ansetzen kann (Urteil vom 13. Juni 2013, Versalis/Kommission, C‑511/11 P, EU:C:2013:386, Rn. 83).

187    Festzustellen ist jedoch, dass die Kommission im Rahmen der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung zwar anerkannt hat, dass die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung sowohl in geografischer Hinsicht als auch hinsichtlich der rechtswidrigen Verhaltensweisen sehr geringfügig war, diese Umstände aber bei der Festlegung des Multiplikators „Schwere der Zuwiderhandlung“ und des Multiplikators „Zusatzbetrag“, die bei allen im angefochtenen Beschluss mit einer Geldbuße belegten Unternehmen auf 16 % festgesetzt wurden, nicht berücksichtigt hat.

188    Die Kommission räumt ein, den Prozentsatz für die Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung und des Zusatzbetrags bei allen Adressaten des angefochtenen Beschlusses einheitlich auf 16 % festgesetzt zu haben, obwohl die Tatbeteiligung der Klägerin oder die Schwere der von ihr begangenen Zuwiderhandlung im Vergleich zu anderen Adressaten wie Heiploeg und Klaas Puul geringer gewesen sei. Die Kommission rechtfertigt diese Vorgehensweise aber damit, dem Umstand, dass die Handlungen der Klägerin weniger schwerwiegend seien, angemessen Rechnung getragen zu haben, indem sie der Klägerin mildernde Umstände zugebilligt und ihr eine entsprechende Ermäßigung der Geldbuße gewährt habe.

189    Mithin stellt sich die Frage, ob die Kommission bei der Ermittlung der Schwere der von der Klägerin begangenen Zuwiderhandlung auf jede Differenzierung zwischen den an der Zuwiderhandlung Beteiligten und auf jede Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls verzichten durfte.

190    Hierzu ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass der Gerichtshof es zugelassen hat, dass die Kommission die relative Schwere der Beteiligung eines Unternehmens an einer Zuwiderhandlung und die besonderen Umstände des Falles bei der Anpassung des Grundbetrags anhand mildernder und erschwerender Umstände berücksichtigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 101 bis 104).

191    In den Fällen, in denen die Kommission diesen Ansatz wählt, muss die Beurteilung der mildernden und erschwerenden Umstände jedoch eine angemessene Berücksichtigung der relativen Schwere der Beteiligung an einer einheitlichen Zuwiderhandlung und einer etwaigen Veränderung dieser Schwere im Laufe der Zeit ermöglichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 104).

192    Diese Befugnis steht nicht nur im Einklang mit der Rechtsprechung, da sie jedenfalls gebietet, dass bei der Bemessung der Geldbuße das individuelle Verhalten des betreffenden Unternehmens berücksichtigt wird, sondern ist von der Kommission auch in den Leitlinien vorgesehen. Während nämlich nach Ziff. 20 der Leitlinien die Schwere der Zuwiderhandlung in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände zu beurteilen ist, sieht Ziff. 27 der Leitlinien ferner vor, dass die Kommission bei der Bestimmung der Höhe der Geldbuße Umstände berücksichtigen kann, die zu einer Erhöhung oder Ermäßigung des Grundbetrags führen, und dabei in einer Gesamtperspektive sämtliche einschlägigen Umstände zu würdigen hat. Eine beispielhafte Aufzählung erschwerender und mildernder Umstände ist in den Ziff. 28 und 29 der Leitlinien enthalten (Urteil vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 105).

193    Im Licht all dessen wird das Vorbringen der Klägerin, die relative Schwere ihres Tatbeitrags sei geringer als die anderer beteiligter Unternehmen, und mehrere spezifische Umstände hätten berücksichtigt werden müssen, im Rahmen der Rügen geprüft, die sich gegen die fehlerhafte Beurteilung der mildernden Umstände durch die Kommission richten. Daher sind die Rügen des Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und den Grundsatz der individuellen Strafzumessung zurückzuweisen, und die Argumente der Klägerin sind bei der Prüfung des fünften Klagegrundes (siehe unten, Rn. 200 ff.) zu berücksichtigen.

2)      Zum gerügten Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

194    Zum gerügten Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist darauf hinzuweisen, dass die Anwendung dieses Grundsatzes im Rahmen von Verfahren, die von der Kommission zur Ahndung von Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln eingeleitet wurden, bedeutet, dass die Geldbußen nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen, d. h. zur Einhaltung dieser Regeln, stehen dürfen und dass der Betrag der Geldbuße, die gegen ein Unternehmen wegen einer wettbewerblichen Zuwiderhandlung verhängt wird, so zu bemessen ist, dass er zu der Zuwiderhandlung bei deren Gesamtwürdigung und unter besonderer Berücksichtigung ihrer Schwere in angemessenem Verhältnis steht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, EU:T:2004:221, Rn. 532). Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt insbesondere, dass die Kommission die Geldbuße in angemessenem Verhältnis zu den Faktoren festsetzen muss, die sie bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt hat, und dass sie diese Faktoren dabei schlüssig und objektiv gerechtfertigt bewerten muss (Urteile vom 27. September 2006, Jungbunzlauer/Kommission, T‑43/02, EU:T:2006:270, Rn. 226 bis 228, und vom 28. April 2010, Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, T‑446/05, EU:T:2010:165, Rn. 171).

195    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass sich die Klägerin an einer Zuwiderhandlung beteiligt hat, die, wie sich im Rahmen der Prüfung des ersten und des zweiten Klagegrundes gezeigt hat, in der Festlegung von Verkaufs- oder Einkaufspreisen sowie im Austausch sensibler Geschäftsinformationen über Preise bestand, und dass diese Zuwiderhandlung ganz Deutschland betraf.

196    Wie Ziff. 23 der Leitlinien zu entnehmen ist, gehören Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen zur Festsetzung von Preisen ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln. Daher ist nach den Ziff. 21 und 23 der Leitlinien der Multiplikator, der die Schwere der Zuwiderhandlung widerspiegelt, im oberen Bereich einer Bandbreite von 0 % bis 30 % festzulegen. Das Gleiche gilt für die Bestimmung des nach Ziff. 25 der Leitlinien zur Abschreckung hinzuzufügenden Betrags in Höhe von 15 % bis 25 % des Umsatzes.

197    Die Kommission war daher im Einklang mit den Ziff. 21 bis 23 und 25 der Leitlinien zu der Annahme berechtigt, dass die Multiplikatoren „Schwere der Zuwiderhandlung“ und „Zusatzbetrag“ in Höhe von 16 % dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprachen.

198    Daher ist die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als unbegründet zurückzuweisen.

199    Nach alledem ist der vierte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

2.      Zum fünften Klagegrund: fehlerhafte Berechnung der Geldbuße infolge unzureichender Berücksichtigung der mildernden Umstände

a)      Vorbringen der Parteien

200    Mit diesem Klagegrund, der aus sechs Teilen besteht, macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, erstens sei ihre nur geringfügige Beteiligung an der Zuwiderhandlung nicht berücksichtigt worden, zweitens sei eine Ermäßigung ihrer Geldbuße um 15 % kein genügender Ausgleich für die Festlegung eines einheitlichen Prozentsatzes bei der Bestimmung der Multiplikatoren „Schwere der Zuwiderhandlung“ und „Zusatzbetrag“, drittens habe sie sich bloß fahrlässig am Gesamtkartell beteiligt, viertens sei die Politik der Kommission und der deutschen Behörden auf dem vorgelagerten Fischereimarkt nicht berücksichtigt worden, fünftens sei ihre freiwillige Beendigung der Zuwiderhandlung gegenüber Aldi-Nord in Deutschland nicht berücksichtigt worden, und sechstens habe sie ein umfassendes Geständnis abgelegt und vollständig mit der Kommission kooperiert.

201    In Bezug auf den ersten Teil des vorliegenden Klagegrundes weist die Klägerin darauf hin, dass die Kommission gemäß Ziff. 29 der Leitlinien eine erwiesenermaßen nur geringfügige Beteiligung des Unternehmens als mildernden Umstand zu berücksichtigen habe, wenn sich das Unternehmen durch eigenes Wettbewerbsverhalten auf dem Markt weitgehend dem Kartell entzogen habe. Sie sei nur ein kleiner Akteur auf dem Nordseegarnelenmarkt und von Heiploeg wirtschaftlich unter Druck gesetzt worden. Zudem habe sie versucht, auf den von Heiploeg und Klaas Puul beherrschten niederländischen Auktionen sowohl offen als auch verdeckt Nordseegarnelen zu kaufen. Ferner sei sie bestrebt gewesen, Kunden zu gewinnen, die von den anderen Beteiligten beliefert worden seien, und habe ihre Verkaufspreise gegenüber anderen Abnehmern als Aldi-Nord stets autonom bestimmt. Schließlich habe die Kommission in der Vergangenheit auf die Verhängung einer Geldbuße verzichtet, wenn die Beteiligung eines Unternehmens an einer Zuwiderhandlung nur gering gewesen sei.

202    In Bezug auf den zweiten Teil des vorliegenden Klagegrundes trägt die Klägerin vor, durch eine Herabsetzung des Grundbetrags um nur 15 % wegen ihrer geringfügigen Beteiligung habe die Kommission gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit und den Grundsatz der der individuellen Schuld angepassten Strafzumessung sowie gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen. Die Kommission habe u. a. bei der Ermittlung des Grundbetrags die Schwere der Zuwiderhandlung nicht individuell, sondern einheitlich bemessen. Zwar stehe es der Kommission frei, eine einheitliche oder individuelle Festsetzung des Grundbetrags vorzunehmen, doch müsse sie bei der Anpassung des Grundbetrags die relative Schwere des Tatbeitrags angemessen berücksichtigen. Sie habe nur im nördlichen Teil eines der betroffenen Länder gehandelt. Die an Aldi-Nord verkaufte Menge von Nordseegarnelen habe deutlich unter 25 % der Gesamtmenge gelegen. Sie habe nicht an Mengen-, Kunden- oder Preisabsprachen auf anderen Märkten teilgenommen, sich nicht an der Manipulation der Preise auf den niederländischen Auktionen beteiligt und von diesen Vorgängen keine Kenntnis gehabt. Mit Ausnahme von Aldi-Nord habe sie auf allen Märkten und bei allen Kunden Wettbewerb betrieben. Zudem habe sie diese Zuwiderhandlung freiwillig eingestellt. Daher hätte der Grundbetrag um mindestens 50 % angepasst werden müssen und kein Zusatzbetrag festgesetzt werden dürfen.

203    In Bezug auf den dritten Teil des vorliegenden Klagegrundes weist die Klägerin darauf hin, dass die Geldbuße gemäß Ziff. 29 der Leitlinien zu mindern sei, wenn das Unternehmen Beweise dafür beibringe, dass die Zuwiderhandlung fahrlässig begangen worden sei. Sie habe vorgetragen und ausführlich dargelegt, dass ihr das von der Kommission festgestellte Kartell nicht bekannt gewesen sein könne. Im Übrigen trete die Kommission ihrem Vorbringen nicht entgegen, wonach ihre vermeintliche – tatsächlich überhaupt nicht gegebene – Beteiligung am Kartell nicht vorsätzlich erfolgt sei. Zu rügen sei daher, dass die Kommission diesen Gesichtspunkt nicht als mildernden Umstand berücksichtigt habe.

204    In Bezug auf den vierten Teil des vorliegenden Klagegrundes vertritt die Klägerin die Auffassung, dass die Kommission die regulierenden Eingriffe in den vorgelagerten Fischereimarkt bei der Berechnung ihrer Geldbuße als mildernde Umstände hätte berücksichtigen müssen. Insbesondere die gemeinsame Fischereipolitik und einige Eingriffe des Landwirtschaftsministeriums des Landes Schleswig-Holstein (Deutschland) und der Landwirtschaftskammer des Landes Niedersachsen (Deutschland) hätten den Wettbewerb zwischen den Fischern beschränkt, was zu einem wettbewerblichen Ungleichgewicht zulasten der Nordseegarnelenhändler geführt habe. Außerdem habe die Kommission in anderen Fällen Unternehmen, die eine Zuwiderhandlung auf regulierten Märkten begangen hätten, eine Bußgeldminderung von bis zu 60 % gewährt. Die Kommission müsse ihr Ermessen ausüben und begründen, warum sie trotz der unstreitigen Regulierung und der zum Teil massiven Einflussnahme der Politik auf die Bildung der Einkaufspreise auf dem Nordseegarnelenmarkt keine Milderung der Geldbuße vornehme.

205    In Bezug auf den fünften Teil des vorliegenden Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Kommission hätte bei der Berechnung ihrer Geldbuße berücksichtigen müssen, dass sie ihre Zuwiderhandlung im November 2007 freiwillig beendet habe. Im Jahr 2007 habe sie die im Jahr 2003 an Aldi-Nord gelieferten Mengen von 118 t um mehr als die Hälfte reduziert. Daher sei sie Ende 2007 nicht mehr zwingend auf das Geschäft mit Aldi-Nord angewiesen gewesen und habe wieder ohne Einfluss von Heiploeg autonom handeln können. Die Kommission verkenne daher mit der Annahme, dass sie ihr Verhalten nicht freiwillig eingestellt habe, den Grundsatz in dubio pro reo.

206    In Bezug auf den sechsten Teil des vorliegenden Klagegrundes trägt die Klägerin vor, ihrem Geständnis und ihrer umfänglichen Kooperation mit der Kommission seien im angefochtenen Beschluss nicht hinreichend Rechnung getragen worden. Der angefochtene Beschluss stütze sich nämlich im Wesentlichen auf ihr Geständnis, und sie habe als einzige Beteiligte (mit Ausnahme des Kronzeugen) die von ihr begangene Zuwiderhandlung vollumfänglich eingeräumt. Allein aufgrund ihres Geständnisses hätte ihr daher eine Ermäßigung von mindestens 30 % gewährt werden müssen.

207    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

b)      Würdigung durch das Gericht

208    Mit dem fünften Klagegrund, der aus sechs Teilen besteht, wendet sich die Klägerin im Wesentlichen gegen die unzureichende Berücksichtigung mildernder Umstände durch die Kommission.

209    Hierzu ist einleitend auf Ziff. 29 der Leitlinien hinzuweisen, die lautet:

„Der Grundbetrag der Geldbuße kann verringert werden, wenn die Kommission mildernde Umstände wie beispielsweise die nachstehend aufgeführten feststellt:

–        vom Unternehmen nachgewiesene Beendigung des Verstoßes nach dem ersten Eingreifen der Kommission, außer im Falle geheimer Vereinbarungen oder Verhaltensweisen (insbesondere von Kartellen);

–        vom Unternehmen beigebrachte Beweise, dass die Zuwiderhandlung aus Fahrlässigkeit begangen wurde;

–        vom Unternehmen beigebrachte Beweise, dass die eigene Beteiligung sehr geringfügig war und sich das Unternehmen der Durchführung der gegen die Wettbewerbsregeln verstoßenden Vereinbarungen in dem Zeitraum, in dem [es] ihnen beigetreten war, in Wirklichkeit durch eigenes Wettbewerbsverhalten auf dem Markt entzogen hat; der bloße Umstand einer kürzeren Beteiligung im Vergleich zu den übrigen Unternehmen wird nicht als mildernder Umstand anerkannt, da er bereits im Grundbetrag zum Ausdruck kommt;

–        aktive Zusammenarbeit des Unternehmens mit der Kommission außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen und über seine rechtliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit hinaus;

–        Genehmigung oder Ermutigung des wettbewerbswidrigen Verhaltens durch die Behörden oder geltende Vorschriften.“

210    Des Weiteren lauten die Erwägungsgründe 525 bis 529 des angefochtenen Beschlusses:

„(525)      Die Beteiligung von Stührk war tatsächlich auf Deutschland beschränkt, wo Stührks Beteiligung darüber hinaus von einem anderen Charakter war als das wettbewerbswidrige Verhalten der Hauptbeteiligten am Kartell. Stührk hat nie an ausdrücklichen Preisabsprachen mit Wettbewerbern teilgenommen, wurde aber bei Heiploeg über dessen Preise informiert und richtete [ihre] eigene Preisstrategie dann an diesen Informationen aus. Die Akte enthält Beweise dafür, dass Stührk versuchte, Garnelen in den Niederlanden zu kaufen, wobei [ihr] jedoch zu verstehen gegeben wurde, dass dies nicht möglich sei. Auch die Erfahrung von Stührk bei der Übernahme des Kunden Superunie in den Niederlanden veranlasste das Unternehmen nicht dazu, den Wettbewerb außerhalb Deutschlands zu intensivieren. Stührk war darüber hinaus nicht an den Absprachen zur Marktaufteilung beteiligt.

(526)      In der konkreten Situation des vorliegenden Falls wird daher vorgeschlagen, in Bezug auf Stührk die Geldbuße um 15 % zu verringern.

(527)      Darüber hinaus zeigte sich Stührk durch das Eingeständnis der Zuwiderhandlung sehr kooperativ. In Randnummer 29 der Leitlinien für Geldbußen heißt es: ‚Der Grundbetrag der Geldbuße kann verringert werden, wenn die Kommission mildernde Umstände wie beispielsweise die nachstehend aufgeführten feststellt: … aktive Zusammenarbeit des Unternehmens mit der Kommission außerhalb des Anwendungsbereichs der Kronzeugenmitteilung und über seine rechtliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit hinaus‘.

(528)      Stührk hat nicht nur die Zuwiderhandlung eingestanden, sondern auch in nützlicher Weise Ereignisse bestätigt, die Klaas Puul als Unternehmen, das einen Bußgelderlass nach der Kronzeugenregelung beantragt hat, dargelegt hatte, die jedoch von Heiploeg bestritten wurden. Dies hat die Glaubwürdigkeit der Ausführungen von Klaas Puul und die Fundiertheit des Beschlusses der Kommission im Allgemeinen enorm gestärkt.

(529)      Da neben Klaas Puul keine weitere Partei einen Antrag auf Bußgelderlass nach der Kronzeugenregelung gestellt hat, haben dieses Eingeständnis und die genannten bestätigenden Aussagen einen außerordentlichen Umstand geschaffen, der es der Kommission ermöglicht hat, das Vorliegen der Zuwiderhandlung leichter festzustellen, insbesondere vor dem Hintergrund der Anfechtungen vonseiten Heiploegs. In der konkreten Situation des vorliegenden Falls wird daher vorgeschlagen, in Bezug auf Stührk die Geldbuße um weitere 18 % zu verringern.“

1)      Zum ersten Teil des fünften Klagegrundes

211    In Bezug auf den ersten Teil des vorliegenden Klagegrundes, wonach die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung sehr geringfügig gewesen sei und sie versucht habe, sich auf dem Markt wettbewerbskonform zu verhalten, ist festzustellen, dass nach Ziff. 29 dritter Gedankenstrich der Leitlinien das betreffende Unternehmen Beweise dafür beibringen muss, dass die eigene Beteiligung sehr geringfügig war und dass es sich der Durchführung der gegen die Wettbewerbsregeln verstoßenden Vereinbarungen in dem Zeitraum, in dem es ihnen beigetreten war, in Wirklichkeit durch eigenes Wettbewerbsverhalten auf dem Markt entzogen hat. Zudem reicht der bloße Umstand, dass eine Beteiligung im Vergleich zu den übrigen Unternehmen kürzer war, nicht aus, um als mildernder Umstand anerkannt zu werden, da er bereits im Grundbetrag zum Ausdruck kommt.

212    Nach der Rechtsprechung ist bei der Zubilligung mildernder Umstände wegen effektiver Nichtanwendung der rechtswidrigen Vereinbarungen zu prüfen, ob die vom betreffenden Unternehmen vorgebrachten Umstände belegen können, dass es sich im Zeitraum seiner Teilnahme an den rechtswidrigen Vereinbarungen tatsächlich deren Durchführung entzog, indem es sich auf dem Markt wettbewerbskonform verhielt, oder dass es sich zumindest den Verpflichtungen zur Umsetzung dieses Kartells so eindeutig und nachdrücklich widersetzte, dass dadurch sogar dessen Funktionieren selbst gestört wurde (Urteil vom 30. November 2011, Quinn Barlo u. a./Kommission, T‑208/06, EU:T:2011:701, Rn. 231).

213    Im vorliegenden Fall kann das Vorbringen der Klägerin, sie habe sich unabhängig und wettbewerbskonform verhalten, jedoch keinen Erfolg haben. Wie oben in den Rn. 82 bis 104 ausgeführt, ist nämlich erwiesen, dass die Klägerin ihre Verkaufspreise für Aldi-Nord in Deutschland und gelegentlich für andere Kunden wie Metro sowie manchmal ihre Einkaufspreise mit Heiploeg abstimmte. Zudem lässt das autonome Verhalten, das die Klägerin bei der Festlegung der Preise für andere Kunden an den Tag gelegt haben soll, nicht den Schluss zu, dass sie sich den Vereinbarungen über die Abstimmung der Preise mit Heiploeg entzog. Sie hat vielmehr die von Heiploeg erhaltenen Preisinformationen genutzt und in ihre Preispolitik gegenüber den Kunden Aldi-Nord in Deutschland und Metro eingebunden.

214    Zu dem Argument der Klägerin, sie habe sich wegen ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von Heiploeg und des von Heiploeg ausgeübten Drucks nicht wettbewerbskonformer verhalten können, ist festzustellen, dass dies, wie im 523. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, nicht als mildernder Umstand im Sinne von Ziff. 29 dritter Gedankenstrich der Leitlinien anzusehen ist. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Unternehmen, das mit anderen Unternehmen an wettbewerbswidrigen Handlungen teilnimmt, nicht geltend machen, diese Teilnahme beruhe auf dem von den anderen Beteiligten ausgeübten Zwang. Statt an den betreffenden Handlungen teilzunehmen, hätte es nämlich den zuständigen Behörden den Zwang, dem es ausgesetzt war, anzeigen und bei der Kommission Beschwerde nach der Verordnung Nr. 1/2003 erheben können (vgl. Urteil vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T‑38/02, EU:T:2005:367, Rn. 164 und die dort angeführte Rechtsprechung).

215    Schließlich ist auch das Argument der Klägerin zurückzuweisen, dass die Kommission in der Vergangenheit auf die Verhängung einer Geldbuße verzichtet habe, wenn die Beteiligung eines Unternehmens an einer Zuwiderhandlung sehr geringfügig gewesen sei. Hierzu genügt der Hinweis, dass nach der Rechtsprechung allein daraus, dass die Kommission in ihrer früheren Entscheidungspraxis bestimmte Gesichtspunkte bei der Festlegung der Höhe der Geldbuße als mildernde Umstände angesehen hat, nicht abgeleitet werden kann, dass sie verpflichtet wäre, dies in einer späteren Entscheidung ebenfalls zu tun (Urteil vom 9. September 2011, Deltafina/Kommission, T‑12/06, EU:T:2011:441, Rn. 303). Die Klägerin kann sich daher nicht auf die Anwendung eines mildernden Umstands in einem anderen Verfahren berufen, um daraus einen Fehler der Kommission im vorliegenden Fall herzuleiten.

216    Daher ist der erste Teil dieses Klagegrundes zurückzuweisen.

2)      Zum zweiten Teil des fünften Klagegrundes

217    In Bezug auf den zweiten Teil des fünften Klagegrundes trägt die Klägerin vor, die Kommission habe durch die Berücksichtigung ihrer geringfügigen Beteiligung mit einer Milderung von nur 15 % des Grundbetrags gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit und den Grundsatz der individuellen Strafzumessung sowie gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen. Die Kommission habe u. a. die Schwere der Zuwiderhandlung bei der Ermittlung des Grundbetrags nicht individuell, sondern einheitlich bemessen. Zwar stehe es der Kommission frei, eine einheitliche oder individuelle Festsetzung des Grundbetrags vorzunehmen, doch müsse sie bei dessen Anpassung die relative Schwere des Tatbeitrags angemessen berücksichtigen.

218    Die Klägerin trägt vor, sie habe nur im nördlichen Teil eines der betroffenen Länder gehandelt, und die an Aldi-Nord verkaufte Menge von Nordseegarnelen habe deutlich unter 25 % der Gesamtmenge gelegen. Sie habe nicht an Mengen-, Kunden- oder Preisabsprachen auf anderen Märkten teilgenommen, sich nicht an der Manipulation der Preise auf den niederländischen Auktionen beteiligt und von diesen Vorgängen keine Kenntnis gehabt.

219    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass es der Kommission, wie oben in Rn. 190 ausgeführt, zwar freistand, die relative Schwere der Beteiligung eines Unternehmens an einer Zuwiderhandlung und die besonderen Umstände des Falles bei der Anpassung des Grundbetrags anhand mildernder und erschwerender Umstände zu berücksichtigen, doch musste die Beurteilung der mildernden und erschwerenden Umstände eine angemessene Berücksichtigung der relativen Schwere der Beteiligung an einer einheitlichen Zuwiderhandlung und einer etwaigen Veränderung dieser Schwere im Laufe der Zeit ermöglichen.

220    Im vorliegenden Fall war die Beteiligung der Klägerin am Kartell, wie die Kommission im 525. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses feststellt, „tatsächlich auf Deutschland beschränkt, wo Stührks Beteiligung darüber hinaus von einem anderen Charakter war als das wettbewerbswidrige Verhalten der Hauptbeteiligten am Kartell“.

221    Zudem hat die Kommission im angefochtenen Beschluss klargestellt, dass die Klägerin nie an ausdrücklichen Preisabsprachen mit Wettbewerbern teilgenommen habe, aber von Heiploeg über deren Preise informiert worden sei und ihre eigene Preisstrategie an diesen Informationen ausgerichtet habe. Außerdem habe sich die Klägerin nicht an Absprachen zur Marktaufteilung beteiligt.

222    Wie oben in den Rn. 187 und 188 ausgeführt, wurde diese Beteiligung an der Zuwiderhandlung, die sowohl in geografischer Hinsicht als auch hinsichtlich der rechtswidrigen Verhaltensweisen sehr geringfügig war, bei der Festlegung der Multiplikatoren „Schwere der Zuwiderhandlung“ und „Zusatzbetrag“, die für alle im angefochtenen Beschluss mit einer Geldbuße belegten Unternehmen auf 16 % festgesetzt wurden, nicht berücksichtigt.

223    Festzustellen ist jedoch, dass diese sehr geringfügige Beteiligung an der Zuwiderhandlung die Kommission dazu veranlasste, zum einen den Grundbetrag der Geldbuße ausschließlich für die Klägerin anhand ihres auf dem deutschen Markt erzielten Umsatzes zu berechnen und ihr zum anderen eine Ermäßigung der Geldbuße um 15 % aufgrund eines mildernden Umstands zu gewähren.

224    Unter diesen Umständen kann nicht geltend gemacht werden, dass diese Ermäßigung im Hinblick auf die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung und der individuellen Strafzumessung nicht ausreichend sei. Folglich ist dieser Teil des fünften Klagegrundes zurückzuweisen.

3)      Zum dritten Teil des fünften Klagegrundes

225    In Bezug auf den dritten Teil dieses Klagegrundes weist die Klägerin darauf hin, dass die Geldbuße gemäß Ziff. 29 der Leitlinien zu mindern sei, wenn das Unternehmen Beweise dafür beibringe, dass die Zuwiderhandlung aus Fahrlässigkeit begangen worden sei. Die Klägerin gibt an, vorgetragen und ausführlich dargelegt zu haben, dass ihr das von der Kommission festgestellte Kartell nicht bekannt gewesen sein könne. Im Übrigen trete die Kommission ihrem Vorbringen nicht entgegen, wonach ihre vermeintliche – tatsächlich überhaupt nicht gegebene – Beteiligung am Kartell nicht vorsätzlich erfolgt sei. Die Klägerin wirft der Kommission daher vor, diesen Gesichtspunkt nicht als mildernden Umstand berücksichtigt zu haben.

226    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung für die Erfüllung des Tatbestands einer vorsätzlich und nicht bloß fahrlässig begangenen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln nicht erforderlich ist, dass sich das Unternehmen des Verstoßes gegen diese Regeln bewusst war. Es genügt, dass das Unternehmen sich nicht in Unkenntnis darüber befinden konnte, dass sein Verhalten einen Verstoß gegen den Wettbewerb im Binnenmarkt bezweckte (vgl. Urteile vom 11. Juli 1989, Belasco u. a./Kommission, 246/86, EU:C:1989:301, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 14. Dezember 2006, Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, T‑259/02 bis T‑264/02 und T‑271/02, EU:T:2006:396, Rn. 205 und die dort angeführte Rechtsprechung).

227    In Anbetracht der Handlungen, die die streitige Zuwiderhandlung bildeten, liegt es aber auf der Hand, dass sich die Mitarbeiter oder die Mitglieder der Geschäftsleitung der Klägerin, die für sie im Rahmen des Kartells Informationen über Verkaufs- oder Einkaufspreise entgegennahmen und anschließend ihre Preise an diesen Informationen ausrichteten, nicht in Unkenntnis darüber befinden konnten, dass ihr Verhalten einen Verstoß gegen den Wettbewerb im Binnenmarkt bezweckte. Dies ist nämlich die unmittelbare und sofortige Folge von Preisfestsetzungen zwischen verschiedenen Teilnehmern auf denselben Märkten, die sämtlich Gegenstand der im angefochtenen Beschluss mit einer Geldbuße belegten Zuwiderhandlung sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Dezember 2012, Novácke chemické závody/Kommission, T‑352/09, EU:T:2012:673, Rn. 86). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin sehr wohl Kenntnis von einer Abstimmung der Verkaufspreise zwischen Heiploeg und Klaas Puul hatte (siehe oben, Rn. 145).

228    Daher ist dieser Teil des fünften Klagegrundes zurückzuweisen.

4)      Zum vierten Teil des fünften Klagegrundes

229    In Bezug auf den vierten Teil dieses Klagegrundes, mit dem die Klägerin im Wesentlichen geltend macht, dass die Kommission die regulierenden Eingriffe in den vorgelagerten Fischereimarkt bei der Berechnung ihrer Geldbuße als mildernde Umstände hätte berücksichtigen müssen, kann es mit der Feststellung sein Bewenden haben, dass selbst unter der Annahme, dass der Wettbewerb auf einem vorgelagerten Markt – dem der Nordseegarnelenfischer – beschränkt ist, dies ein Kartell auf dem nachgelagerten Markt – dem der Käufer von Nordseegarnelen – nicht rechtfertigen kann. Denn diejenigen, die mit diesen Erzeugnissen handeln, sind keineswegs von der Verpflichtung befreit, die Wettbewerbsregeln der Union einzuhalten.

230    Somit ist dieser Teil des fünften Klagegrundes zurückzuweisen.

5)      Zum fünften Teil des fünften Klagegrundes

231    In Bezug auf den fünften Teil dieses Klagegrundes, mit dem die Klägerin geltend macht, die Kommission hätte bei der Berechnung ihrer Geldbuße berücksichtigen müssen, dass sie ihre Zuwiderhandlung im November 2007 freiwillig beendet habe, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung ein mildernder Umstand nach Ziff. 29 erster Gedankenstrich der Leitlinien nicht gewährt werden kann, wenn die Zuwiderhandlung bereits vor dem ersten Eingreifen der Kommission beendet worden war oder wenn die Unternehmen schon vor diesem Zeitpunkt die klare Entscheidung getroffen hatten, sie zu beenden (vgl. Urteil vom 3. September 2009, Prym und Prym Consumer/Kommission, C‑534/07 P, EU:C:2009:505, Rn. 105 und die dort angeführte Rechtsprechung).

232    Somit hat die Kommission es zu Recht abgelehnt, die Entscheidung der Klägerin, die die Zuwiderhandlung bildenden Absprachen zu beenden, als mildernden Umstand einzustufen, da diese Entscheidung vor – und unabhängig von – einem Eingreifen der Kommission getroffen worden war. Ob die Klägerin die Zuwiderhandlung freiwillig oder unfreiwillig beendete, ändert daran nichts.

233    Daher ist dieser Teil des fünften Klagegrundes zurückzuweisen.

6)      Zum sechsten Teil des fünften Klagegrundes

234    In Bezug auf den sechsten Teil dieses Klagegrundes trägt die Klägerin vor, ihrem Geständnis und ihrer umfänglichen Kooperation mit der Kommission seien im angefochtenen Beschluss nicht hinreichend Rechnung getragen worden.

235    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Herabsetzung der Geldbuße wegen einer Kooperation im Verwaltungsverfahren auf der Erwägung beruht, dass eine solche Kooperation die Aufgabe der Kommission, eine Zuwiderhandlung festzustellen, erleichtert (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Mai 1998, BPB de Eendracht/Kommission, T‑311/94, EU:T:1998:93, Rn. 325, und vom 14. Mai 1998, Finnboard/Kommission, T‑338/94, EU:T:1998:99, Rn. 363). Daher ist die Herabsetzung einer Geldbuße wegen Kooperation nur gerechtfertigt, wenn das Verhalten eines Unternehmens der Kommission die Wahrnehmung ihrer Aufgabe erleichtert hat, Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Union festzustellen und zu verfolgen (vgl. Urteil vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, EU:T:2004:221, Rn. 499 und die dort angeführte Rechtsprechung).

236    Im vorliegenden Fall lässt nichts den Schluss zu, dass die Kommission einen Ermessensfehler begangen hat, als sie der Klägerin eine Ermäßigung der Geldbuße wegen Kooperation von etwa 18 % gewährte. Insbesondere würdigte die Kommission in den Erwägungsgründen 527 bis 529 des angefochtenen Beschlusses die Kooperation der Klägerin, ohne ihr – aus den in den Erwägungsgründen 550 und 551 des Beschlusses genannten Gründen – eine Ermäßigung der Geldbuße im Rahmen der Kronzeugenregelung gewähren zu können (siehe unten, sechster Klagegrund). Sie erwähnte, dass die Klägerin die Zuwiderhandlung eingeräumt habe und dass sich ihr Vorbringen als nützlich erwiesen habe, um die Zuwiderhandlung von Heiploeg nachzuweisen.

237    Über ihr Geständnis hinaus hat die Klägerin jedoch keine für den Nachweis der Zuwiderhandlung nützlichen Beweise beigebracht. Sämtliche von ihr stammenden schriftlichen Beweise, die zum Nachweis der Zuwiderhandlung von Heiploeg verwendet wurden, hatte die Kommission nämlich bei der Durchsuchung der Geschäftsräume der Klägerin erlangt.

238    Unter diesen Umständen ist der sechste Teil des fünften Klagegrundes zurückzuweisen, da es nicht als offensichtlicher Ermessensfehler der Kommission angesehen werden kann, dass sie es für angemessen hielt, die Geldbuße der Klägerin wegen ihrer Kooperation um 18 % herabzusetzen.

239    Nach alledem ist der fünfte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

3.      Zum sechsten Klagegrund: fehlerhafte Berechnung der Geldbuße infolge der Weigerung, von ihr den Betrag gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 abzuziehen

a)      Vorbringen der Parteien

240    Mit dem sechsten Klagegrund rügt die Klägerin einen Fehler bei der Berechnung der Geldbuße infolge der Weigerung, den Betrag gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 von der Geldbuße abzuziehen.

241    Zunächst macht die Klägerin geltend, gemäß Rn. 26 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 gewähre die Kommission dem Unternehmen, das Beweismittel mit erheblichem Mehrwert vorlege, eine Ermäßigung zwischen 30 % und 50 %. Der Begriff „Mehrwert“ beziehe sich auf das Ausmaß oder die Ausführlichkeit der Beweismittel, die der Kommission dazu verhälfen, ein mutmaßliches Kartell nachzuweisen. Außerdem komme belastenden Beweismitteln, die einen unmittelbaren Sachverhalt beträfen, eine hohe Einstufung zugute, und auch spätere Einlassungen und Geständnisse stellten Beweismittel im Sinne der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 dar.

242    Im vorliegenden Fall habe sie als einzige der Beteiligten einen Antrag auf Ermäßigung der Geldbuße gestellt (Klaas Puul habe einen Antrag auf Erlass gestellt). Somit hätte ihr zumindest eine Ermäßigung der Geldbuße in Höhe von 20 % bis 30 % gewährt werden müssen. In dem Gespräch am 18. Februar 2010 habe sie die Zuwiderhandlungen gegenüber Aldi-Nord umfänglich eingeräumt. Außerdem habe sich die Kommission im angefochtenen Beschluss weitgehend auf ihre Einlassungen gestützt, was deutlich zeige, dass diese einen hohen Mehrwert hätten.

243    Darüber hinaus wirft die Klägerin der Kommission vor, die Verweigerung einer angemessenen Ermäßigung der Geldbuße damit begründet zu haben, dass ihre Einlassung dem Antrag auf Ermäßigung nicht unmittelbar beigefügt worden sei. Dies treffe nicht zu, da ihre Einlassungen bei dem ersten Treffen mit der Generaldirektion (GD) Wettbewerb der Kommission am 18. Februar 2010 und in ihrem Antwortschreiben im Vertrauen und auf der Grundlage des gestellten Antrags auf Ermäßigung der Geldbuße erfolgt seien. Schließlich habe sie auch uneingeschränkt mit der Kommission kooperiert. Die Voraussetzungen der Rn. 23 und 26 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 seien vollständig erfüllt. Die Kommission habe diese Gesichtspunkte bei der Ermäßigung der gegen sie festgesetzten Geldbuße zu Unrecht nicht hinreichend berücksichtigt.

244    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

b)      Würdigung durch das Gericht

245    Mit dem sechsten Klagegrund soll dargetan werden, dass die Geldbuße infolge der Weigerung der Kommission, den Betrag gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 von ihr abzuziehen, falsch berechnet worden sei.

246    Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die Kommission, wie oben im Rahmen des letzten Teils des fünften Klagegrundes ausgeführt, die Einlassungen und die Kooperation der Klägerin nach Maßgabe von Ziff. 29 der Leitlinien und nicht im Rahmen der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 bewertet hat und dass die Geldbuße der Klägerin auf dieser Grundlage um 18 % ermäßigt wurde.

247    Zur Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 ist darauf hinzuweisen, dass nach deren Rn. 23 „Unternehmen, die ihre Beteiligung an einem mutmaßlichen, die Gemeinschaft betreffenden Kartell offenlegen und die die Voraussetzungen in Abschnitt II nicht erfüllen, … eine Ermäßigung der Geldbuße gewährt werden [kann], die andernfalls verhängt worden wäre“.

248    Um eine Ermäßigung der Geldbuße zu erhalten, muss das Unternehmen der Kommission u. a. Beweise für die mutmaßliche Zuwiderhandlung vorlegen, die gegenüber den bereits im Besitz der Kommission befindlichen Beweisen einen erheblichen Mehrwert darstellen, sowie ab dem Zeitpunkt der Antragstellung ernsthaft, in vollem Umfang, kontinuierlich und zügig mit der Kommission zusammenarbeiten (vgl. Rn. 12 und 23 ff. der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006).

249    Außerdem muss nach Rn. 27 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 das Unternehmen bei der Kommission einen förmlichen Antrag stellen und mit ausreichenden Beweisen für das mutmaßliche Kartell versehen. Zudem muss es alle der Kommission freiwillig vorgelegten Beweise klar als Bestandteil eines Antrags im Sinne der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 kennzeichnen.

250    Schließlich kann die Kommission nach Rn. 29 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 Anträge auf Ermäßigung der Geldbuße unberücksichtigt lassen, wenn sie gestellt worden sind, nachdem die Mitteilung der Beschwerdepunkte versendet wurde.

251    Das Vorbringen der Klägerin ist im Licht dieser Gesichtspunkte zu prüfen.

252    Die Klägerin stellte am 17. Februar 2010 einen Antrag auf Ermäßigung der Geldbuße gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 (Anlage B.4). Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission im 550. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorhebt, dass die Klägerin in ihrem Antrag auf Geldbußenermäßigung in keiner Weise neue Informationen beigebracht habe, von denen die Kommission nicht bereits Kenntnis gehabt habe und die als Beweise hätten dienen können. Außerdem habe die Klägerin bei einem Treffen am 18. Februar 2010 keine Informationen mit wesentlichem Mehrwert zur Verfügung gestellt. Sie habe nach den Feststellungen der Kommission lediglich einige allgemeine Angaben zu ihrer Struktur und zum Markt für Nordseegarnelen gemacht.

253    Im 550. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses heißt es ferner, die Kommission habe der Klägerin mitgeteilt, dass ihr Antrag auf Geldbußenermäßigung bis dahin nur eine Interessenbekundung zur Zusammenarbeit mit der Kommission sei und daher die Bedingungen der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 nicht erfülle. Der Klägerin sei daraufhin eine Kopie der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 übermittelt worden. Gleichwohl habe die Klägerin weder weitere Beweise vorgelegt noch weitere Anträge gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 mit ausreichenden Beweisen eingereicht.

254    Somit ist festzustellen, dass die Klägerin keinen Antrag gestellt hatte, der ausreichende Beweise mit erheblichem Mehrwert im Sinne von Rn. 27 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 enthielt.

255    Zudem wird in einem Protokoll des Treffens der Kommission mit der Klägerin vom 18. Februar 2010, das der Klägerin am 22. Februar 2010 übermittelt wurde, erwähnt, dass der Antrag der Klägerin auf Ermäßigung der Geldbuße lediglich eine Interessenbekundung zur Zusammenarbeit mit der Kommission gewesen sei und daher nicht die Anforderungen der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 erfüllt habe (vgl. Anlage B.4). Somit hat die Kommission der Klägerin vor der Bekanntgabe der Mitteilung der Beschwerdepunkte schriftlich mitgeteilt, dass sie die Voraussetzungen für die Gewährung einer Geldbußenermäßigung nicht erfüllt habe.

256    Des Weiteren räumt die Kommission ein, dass das Geständnis der Klägerin für sie nützlich gewesen sei. Sie hebt jedoch zutreffend hervor, dass dieses Geständnis in der Stellungnahme vom 27. September 2012 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte abgegeben wurde, also über zweieinhalb Jahre nach dem Antrag der Klägerin vom 17. Februar 2010 auf Ermäßigung der Geldbuße (vgl. 551. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Daher ist das Argument der Klägerin zurückzuweisen, ihr Geständnis sei im Zusammenhang mit ihrem Antrag auf Geldbußenermäßigung erfolgt.

257    Als die Klägerin zur Mitteilung der Beschwerdepunkte Stellung nahm, wusste sie nämlich, dass die Kommission ihren Antrag auf Geldbußenermäßigung für unzureichend hielt, da die Kommission ihr dies bei dem Treffen vom 18. Februar 2010 mitgeteilt hatte (Anlage B.4). Außerdem enthielt die Stellungnahme der Klägerin zur Mitteilung der Beschwerdepunkte nur einen Verweis auf den zuvor eingereichten Antrag auf Geldbußenermäßigung. Die Klägerin hat der Kommission nicht, wie in Rn. 27 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 vorgeschrieben, klar mitgeteilt, dass ihr Geständnis Bestandteil ihres vorherigen Antrags auf Geldbußenermäßigung war (Anlage A 9.370).

258    Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission Anträge auf Ermäßigung der Geldbuße unberücksichtigt lassen kann, wenn sie gestellt worden sind, nachdem die Mitteilung der Beschwerdepunkte versendet wurde (Rn. 29 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006). Das Geständnis der Klägerin, das nach den Angaben der Kommission der nützlichste Beweis war, wurde aber in ihrer Stellungnahme vom 27. September 2012 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, d. h. nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte, übermittelt. Folglich durfte dieses Geständnis im Rahmen der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 unberücksichtigt bleiben.

259    Mithin war das Geständnis der Klägerin in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht Bestandteil eines Antrags auf Ermäßigung der Geldbuße gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006.

260    Angesichts dessen ist der sechste Klagegrund zurückzuweisen.

4.      Zum siebten Klagegrund: Rechtswidrigkeit der Leitlinien

a)      Vorbringen der Parteien

261    Mit dem siebten Klagegrund macht die Klägerin geltend, dass die Leitlinien rechtswidrig seien.

262    Sie trägt vor, der Gesetzgeber sei beim Erlass der Verordnung Nr. 1/2003 von einer Obergrenze der Geldbuße ausgegangen, in deren Rahmen die Kommission die individuelle Strafzumessung vornehmen müsse. Folglich könnten nur die schwersten Verstöße zu einer Geldbuße von 10 % führen.

263    In den Leitlinien wende die Kommission den Bußgeldrahmen aus Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 aber fehlerhaft an, indem sie den Höchstbetrag der Geldbuße als Kappungsgrenze ansehe. Dies führe u. a. dazu, dass die Verhängung einer Geldbuße von 10 % des Gesamtumsatzes nicht die Ausnahme für die schwersten Kartellverstöße sei, sondern zur Regel werde. Somit werde die Relation zwischen der Höhe der Geldbußen und der individuellen Schuld aufgelöst. Die Leitlinien verstießen daher gegen den von Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgegebenen rechtlichen Rahmen und den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit von Strafen.

264    Zur Stützung ihrer Argumentation führt die Klägerin zudem aus, der Bundesgerichtshof (Deutschland) habe die Leitlinien des Bundeskartellamts, die sich an den Leitlinien der Kommission orientiert und eine Kappungsgrenze vorgesehen hätten, in einem aktuellen Urteil als rechtswidrig beurteilt. Seines Erachtens stelle die 10%-Grenze nämlich die höchste Sanktion dar und dürfe nur ausnahmsweise erreicht werden. Eine andere Auslegung verstoße gegen die Grundsätze der individuellen Strafzumessung und der Bestimmtheit von Strafen.

265    Außerdem seien die Leitlinien wegen der unmittelbaren Anwendbarkeit des Grundsatzes nulla poena sine lege und des Grundsatzes der Strafzumessung anhand der individuellen Schuld, die in Art. 49 der Charta verankert seien, als rechtswidrig anzusehen. Der in den Leitlinien vorgesehene Abwägungsprozess sei zudem undifferenziert. Die Anwendung einer Kappungsgrenze habe nämlich zur Folge, dass gegen alle Unternehmen Geldbußen in gleicher Höhe verhängt würden.

266    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

b)      Würdigung durch das Gericht

267    Im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes vertritt die Klägerin im Wesentlichen die Auffassung, dass die Leitlinien rechtswidrig seien, da sie die Kommission berechtigten, die Grenze von 10 % des Gesamtumsatzes der an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße und bei seiner Anpassung deutlich zu überschreiten. Diese Grenze sei vielmehr als absolute Obergrenze der Geldbußen zu verstehen. Führe die Anwendung der Leitlinien dazu, dass gegen alle betroffenen Unternehmen eine Geldbuße von 10 % festgesetzt werde, stünden die verhängten Geldbußen nicht mehr in Relation zum individuellen Fehlverhalten, und die Leitlinien verstießen folglich gegen den Grundsatz nulla poena sine lege und den Grundsatz der individuellen Strafzumessung.

268    Was zunächst das Argument bezüglich der absoluten Obergrenze für Geldbußen betrifft, genügt die Feststellung, dass die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes nach der Rechtsprechung einem gegenüber dem Zweck der Kriterien von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung gesonderten und eigenständigen Zweck dient, und zwar soll sie die Verhängung von Geldbußen verhindern, die die Unternehmen aufgrund ihrer Größe, wie sie, wenn auch nur annähernd und unvollständig, anhand ihres Gesamtumsatzes ermittelt wird, voraussichtlich nicht werden zahlen können. Diese vom Gesetzgeber festgelegte Grenze gilt daher einheitlich für alle Unternehmen und hängt von ihrer jeweiligen Größe ab, wobei sie überhöhte und unverhältnismäßige Geldbußen verhindern soll. Die einzig mögliche Folge einer solchen Grenze ist, dass die anhand der Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung berechnete Geldbuße auf den zulässigen Höchstbetrag gesenkt wird, wenn sie diesen überschreitet. Ihre Anwendung führt dazu, dass das betreffende Unternehmen nicht die gesamte Geldbuße zahlt, die an sich bei einer auf die genannten Kriterien gestützten Beurteilung verhängt werden müsste (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 2011, Romana Tabacchi/Kommission, T‑11/06, EU:T:2011:560, Rn. 257 und die dort angeführte Rechtsprechung).

269    Somit kann das Argument der Klägerin, dass die Leitlinien rechtswidrig seien, weil sie fälschlich davon ausgingen, dass die in Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 genannte Grenze von 10 % eine Deckelung und keine absolute Obergrenze der Geldbußen sei, keinen Erfolg haben. Im Licht der oben in Rn. 268 angeführten Rechtsprechung ist das Unionsrecht insoweit eindeutig. Die in Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 genannte Grenze von 10 % ist als Deckelung ausgelegt worden, da sie es der Kommission nicht verbietet, bei der Berechnung der Geldbuße Zwischenbeträge heranzuziehen, die 10 % des Umsatzes des betreffenden Unternehmens überschreiten. Daher ist dieses erste Argument zurückzuweisen, ohne dass auf die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eingegangen zu werden braucht.

270    Was zudem das Argument des Verstoßes gegen den Grundsatz nulla poena sine lege und den Grundsatz der individuellen Strafzumessung betrifft, ergibt sich aus einer ständigen Rechtsprechung, dass nur der Endbetrag der festgesetzten Geldbuße die in Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 genannte Obergrenze von 10 % des Umsatzes einhalten muss und dass diese Bestimmung es der Kommission nicht verbietet, bei den verschiedenen Schritten zur Berechnung der Geldbuße zu einem Zwischenbetrag zu gelangen, der über der Obergrenze liegt, solange der Endbetrag der Geldbuße diese Grenze nicht übersteigt. Stellt sich heraus, dass am Ende der Berechnung der Endbetrag der Geldbuße in dem Umfang zu senken ist, in dem er die genannte Obergrenze übersteigt, so ist die Tatsache, dass sich einige Faktoren wie Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung nicht erschöpfend auf den Betrag der verhängten Geldbuße auswirken, daher eine bloße Folge der Anwendung dieser Obergrenze auf den Endbetrag (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 277 bis 279, vom 12. Juli 2012, Cetarsa/Kommission, C‑181/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:455, Rn. 80 und 81, und vom 20. März 2002, HFB u. a./Kommission, T‑9/99, EU:T:2002:70, Rn. 451 bis 453).

271    Die Berücksichtigung mildernder Umstände stellt einen Schritt bei der Berechnung des Endbetrags der Geldbuße dar. Folglich sind die mildernden Umstände nicht anders zu behandeln als die übrigen Berechnungsschritte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2012, Cetarsa/Kommission, C‑181/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:455, Rn. 85).

272    Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Anwendung der in Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 genannten Obergrenze keine Probleme hinsichtlich des Grundsatzes der individuellen Zumessung von Strafen und Sanktionen aufwirft, da ihre tatsächliche Anwendung definitionsgemäß bedeutet, dass sich ein Element der Berechnung, das sich auf die Schwere oder auf mildernde Umstände bezieht, nicht mehr auf die Geldbuße auswirkt. Zudem gilt die fragliche Obergrenze, wie der Gerichtshof wiederholt festgestellt hat, einheitlich für alle Unternehmen und hängt von deren jeweiliger Größe ab (Urteile vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 281, und vom 12. Juli 2012, Cetarsa/Kommission, C‑181/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:455, Rn. 83), so dass bei ihrer Anwendung der Grundsatz der individuellen Zumessung von Strafen und Sanktionen gewahrt ist.

273    Somit hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Leitlinien rechtswidrig sind und dass die Anwendung der in Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Obergrenze dem Grundsatz nulla poena sine lege und dem Grundsatz der individuellen Zumessung von Strafen und Sanktionen zuwiderläuft. Daher greift dieser Klagegrund nicht durch.

5.      Zum achten Klagegrund: Aufhebung der aus den Leitlinien folgenden Ermessensbindung

a)      Vorbringen der Parteien

274    Mit dem vorliegenden Klagegrund macht die Klägerin hilfsweise geltend, die Kommission sei durch die Anwendung von Ziff. 37 der Leitlinien von der Berechnungsmethode, die sie in den Leitlinien zugrunde gelegt habe, abgewichen und habe damit einen Verstoß gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot begangen. Die den Beteiligten gewährten Geldbußenermäßigungen stünden nicht in Relation zu ihren jeweiligen Beiträgen zum Kartell und seien daher willkürlich und rechtswidrig.

275    Die Kommission hält die von der Klägerin erhobene Rüge für überraschend, da sie in Anwendung von Ziff. 37 der Leitlinien die Geldbuße der Klägerin um 70 % gemindert habe. Auch das rechtliche Vorbringen der Klägerin greife nicht durch, da weder die Möglichkeit, im Einzelfall von den Leitlinien abzuweichen, noch ihre Heranziehung im angefochtenen Beschluss rechtsfehlerhaft sei.

b)      Würdigung durch das Gericht

276    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Ziff. 37 der Leitlinien lautet: „In diesen Leitlinien wird die allgemeine Methode für die Berechnung der Geldbußen dargelegt; jedoch können die besonderen Umstände eines Falles oder die Notwendigkeit einer ausreichend hohen Abschreckungswirkung ein Abweichen von dieser Methode oder der in Ziffer 21 festgelegten Obergrenze rechtfertigen.“

277    Wie sich aus der Rechtsprechung ergibt, kann die Kommission von ihren eigenen Leitlinien abweichen, um einem Unternehmen eine außerordentliche Geldbußenermäßigung zu gewähren, doch muss eine solche Abweichung insbesondere mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Januar 2014, SKW Stahl-Metallurgie Holding und SKW Stahl-Metallurgie/Kommission, T‑384/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:27, Rn. 164).

278    Nach dieser Rechtsprechung ist die Kommission berechtigt, Ziff. 37 der Leitlinien anzuwenden und somit von den Leitlinien abzuweichen, sofern die Abweichung mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar bleibt. Das Ermessen der Kommission bei der Abweichung von den Leitlinien wird also durch die Einhaltung dieses Grundsatzes begrenzt.

279    Daraus folgt zum einen, dass das von der Klägerin im Rahmen des achten Klagegrundes geltend gemachte und auf die Aufhebung der aus den Leitlinien folgenden Ermessensbindung gestützte Argument zurückzuweisen ist. Zum anderen ist nach der oben in Rn. 277 angeführten Rechtsprechung zu prüfen, ob die Kommission bei der Abweichung von den Leitlinien den Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet hat. Diese Frage ist Gegenstand des neunten Klagegrundes.

6.      Zum neunten Klagegrund: willkürliche Anpassung des Grundbetrags der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße nach Ziff. 37 der Leitlinien

a)      Vorbringen der Parteien

280    Mit dem neunten Klagegrund macht die Klägerin geltend, die von der Kommission vorgenommene Anpassung der Geldbuße nach Ziff. 37 der Leitlinien sei rein willkürlich erfolgt, so dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung vorliege.

281    Die Klägerin wirft der Kommission vor, die tatsächliche Beteiligung von Klaas Puul und Heiploeg an der Zuwiderhandlung bei der Berechnung der gegen diese Unternehmen verhängten Geldbußen nicht ausreichend berücksichtigt zu haben. Ungeachtet der Hauptrolle dieser beiden Unternehmen im Kartell habe die Kommission ihre Geldbußen stärker ermäßigt als die der Klägerin.

282    Zudem habe die Kommission die Geldbuße von Kok Seafood um 80 % herabgesetzt, obwohl sie über sämtliche Absprachen zwischen Klaas Puul und Heiploeg bestens informiert gewesen sei und von dem Preis, den diese beiden Unternehmen für Aldi-Belgien festgelegt hätten, profitiert habe.

283    Die Klägerin schließt daraus, dass die Kommission ihre individuelle Beteiligung, verglichen mit den anderen am Kartell beteiligten Unternehmen, eingehender hätte berücksichtigen und ihre Geldbuße unabhängig von der Ermäßigung nach Ziff. 29 der Leitlinien gemäß deren Ziff. 37 um 90 % bis 95 % hätte ermäßigen müssen.

284    Die Kommission weist in Bezug auf den neunten Klagegrund zunächst darauf hin, dass die Klägerin die Rügen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung sowie das Gebot der Festlegung einer verhältnismäßigen und der Zuwiderhandlung angemessenen Sanktion erstmals in ihrer Erwiderung erhoben habe. Diese Rügen seien neu und daher als unzulässig zurückzuweisen.

285    Sodann trägt die Kommission vor, die Gewährung der Geldbußenermäßigung auf der Grundlage von Ziff. 37 der Leitlinien sei nicht willkürlich erfolgt. Aus dem 541. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergebe sich, dass für die Höhe der Ermäßigung zwei Faktoren maßgebend gewesen seien: das Verhältnis des Umsatzes mit Nordseegarnelen auf dem relevanten räumlichen Markt zum Gesamtumsatz und die Unterschiede zwischen den Beteiligten im Hinblick auf ihre individuelle Beteiligung an der Zuwiderhandlung.

286    Die Kommission weist auch den Vorwurf der Klägerin zurück, die Geldbußenermäßigung berücksichtige nur die unterschiedlich schweren Tatbeiträge. Vielmehr habe die Kombination der beiden im 541. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses genannten Faktoren dazu geführt, dass die Geldbuße der Klägerin um 70 % verringert worden sei. Angesichts des gegenüber Heiploeg und Klaas Puul geringer wiegenden Tatbeitrags der Klägerin ergäben sich die den anderen Tatbeteiligten gewährten höheren Ermäßigungen aus den im Vergleich zur Klägerin deutlich höheren Anteilen des mit Nordseegarnelen erzielten Umsatzes an ihrem Gesamtumsatz.

287    Sie habe somit dem geringer wiegenden Tatbeitrag der Klägerin auch im Rahmen von Ziff. 37 der Leitlinien ausreichend Rechnung getragen. Andernfalls wäre ihre Geldbuße weniger stark ermäßigt worden.

b)      Würdigung durch das Gericht

288    In Bezug auf den vorliegenden Klagegrund ist zunächst das Argument der Kommission zurückzuweisen, dass die von der Klägerin geltend gemachten Rügen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung sowie das Gebot der Festlegung einer verhältnismäßigen und der Zuwiderhandlung angemessenen Sanktion unzulässig seien, weil sie erstmals in der Erwiderung erhoben worden seien.

289    Aus der Klageschrift geht nämlich klar hervor, dass zwar der Verstoß gegen diese Grundsätze, insbesondere gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes nicht ausdrücklich genannt wird, doch sind sämtliche Argumente der Klägerin darauf gerichtet, die Situation der verschiedenen am Kartell beteiligten Unternehmen zu vergleichen und die Ungleichbehandlung der Klägerin bei der Ermäßigung der Geldbuße gemäß Ziff. 37 der Leitlinien darzutun.

290    Im Übrigen erfordern, wie oben in Rn. 279 ausgeführt, auch die von der Klägerin im Rahmen des achten Klagegrundes geltend gemachten Argumente, dass das Gericht die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung prüft.

291    Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der in den Art. 20 und 21 der Charta verankert ist. Nach ständiger Rechtsprechung verlangt dieser Grundsatz, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteile vom 14. September 2010, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission u. a., C‑550/07 P, EU:C:2010:512, Rn. 54 und 55 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 186, und vom 12. November 2014, Guardian Industries und Guardian Europe/Kommission, C‑580/12 P, EU:C:2014:2363, Rn. 51).

292    Der Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung durch eine unterschiedliche Behandlung setzt somit voraus, dass die betreffenden Sachverhalte in Anbetracht aller sie kennzeichnenden Merkmale vergleichbar sind. Die Merkmale unterschiedlicher Sachverhalte und somit deren Vergleichbarkeit sind u. a. im Licht des Ziels und des Zwecks der Unionsmaßnahme, die die fragliche Unterscheidung einführt, zu bestimmen und zu beurteilen. Im Übrigen sind die Grundsätze und Ziele des Regelungsbereichs zu berücksichtigen, in den die betreffende Maßnahme fällt (vgl. Urteil vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 187 und die dort angeführte Rechtsprechung). Genauer heißt es hierzu in der Rechtsprechung, dass die Kommission in jedem Einzelfall und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs und der Ziele, die mit der Sanktionsregelung der Verordnung Nr. 1/2003 verfolgt werden, die beabsichtigte Wirkung auf das betreffende Unternehmen beurteilen und dabei insbesondere einen Umsatz berücksichtigen muss, der seine tatsächliche wirtschaftliche Situation in dem Zeitraum widerspiegelt, in dem die Zuwiderhandlung begangen wurde (Urteile vom 7. Juni 2007, Britannia Alloys & Chemicals/Kommission, C‑76/06 P, EU:C:2007:326, Rn. 25, vom 12. November 2014, Guardian Industries und Guardian Europe/Kommission, C‑580/12 P, EU:C:2014:2363, Rn. 53, und vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 144).

293    Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob die Kommission Sachverhalte, die nicht vergleichbar waren, gleich behandelt oder vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt hat, als sie die Grundbeträge gemäß Ziff. 37 der Leitlinien ausnahmsweise anpasste.

294    Insoweit sind die Gründe zu prüfen, aus denen die Kommission von der in den Leitlinien vorgesehenen allgemeinen Methode abgewichen ist und eine Anpassung des Geldbußenbetrags vorgenommen hat. Außerdem sind die mit dieser Ermäßigung verfolgten Ziele zu berücksichtigen, die einen Bezug zu den maßgeblichen Kriterien von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 und der Leitlinien aufweisen müssen.

295    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 538 und 539 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, dass der vorliegende Fall insofern außergewöhnlich sei, als alle beteiligten Unternehmen hauptsächlich auf einem einzigen Markt tätig und über einen relativ langen Zeitraum am Kartell beteiligt gewesen seien.

296    Konkret bedeute das, dass alle Geldbußen die Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes erreichen könnten. Dies könnte aber Probleme hinsichtlich des Grundsatzes der individuellen Zumessung von Strafen und Sanktionen aufwerfen und unter bestimmten Umständen dazu führen, dass sich die Schwere der Zuwiderhandlung oder mildernde Umstände nicht mehr im Betrag der Geldbuße niederschlügen.

297    Vor diesem Hintergrund hielt es die Kommission für angebracht, Ziff. 37 der Leitlinien anzuwenden, und nannte als Kriterien für die Berechnung der Geldbußenermäßigung den prozentualen Anteil des mit den von der Zuwiderhandlung betroffenen Produkten erzielten Umsatzes am Gesamtumsatz der Klägerin, die Unterschiede hinsichtlich der individuellen Beteiligung jedes Unternehmens und die Notwendigkeit, trotz allem einen abschreckenden Effekt der Geldbuße sicherzustellen (vgl. 541. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

298    Aus dem 542. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht außerdem hervor, dass die Geldbuße bei der Klägerin um 70 %, bei Heiploeg und bei Klaas Puul um 75 % und bei Kok Seafood um 80 % herabgesetzt wurde.

299    Allein aus der in den Erwägungsgründen 538 bis 542 des angefochtenen Beschlusses dargelegten Begründung, d. h. ohne Heranziehung der zusätzlichen, von der Kommission erst im Lauf des gerichtlichen Verfahrens vorgebrachten Gründe wird jedoch nicht klar, was die Kommission dazu veranlasst hat, bei den betreffenden Unternehmen die oben in Rn. 298 genannten unterschiedlichen Ermäßigungssätze anzuwenden.

300    Erstens erweckt die Kommission in den Erwägungsgründen 538 und 539 des angefochtenen Beschlusses den Eindruck, dass der Hauptgrund für die horizontale Anpassung der Grundbeträge zugunsten der betroffenen Unternehmen darin bestand, dass diese sich wegen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit als „Monoprodukt“-Unternehmen alle in zumindest vergleichbarer Lage befanden.

301    Wie die Kommission selbst dem Gericht mitteilt, entfielen aber auf den Verkauf von Nordseegarnelen 25 % bis 35 % des Gesamtumsatzes von Heiploeg, 35 % bis 45 % des Gesamtumsatzes von Klaas Puul, 90 % bis 100 % des Gesamtumsatzes von Kok Seafood und 22 % des Gesamtumsatzes der Klägerin, wie im Wesentlichen in den Erwägungsgründen 13, 19, 22 und 28 des angefochtenen Beschlusses angegeben ist.

302    Die Prämisse, von der die Kommission im 538. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeht, dass nämlich die meisten der betroffenen Unternehmen ihre Verkäufe auf einem einzigen Markt getätigt hätten (wirtschaftliche Tätigkeit als Monoprodukt-Unternehmen), erscheint somit fehlerhaft, da in Wirklichkeit offenbar nur eines der betroffenen Unternehmen (Klaas Puul) seine Verkäufe hauptsächlich auf einem einzigen Markt tätigte.

303    Unter diesen Umständen lässt sich nicht nachvollziehen und beurteilen, ob sich die Klägerin und die anderen betroffenen Unternehmen in vergleichbaren oder unterschiedlichen Situationen befanden und ob die Kommission sie gleich oder unterschiedlich behandelt hat. Entgegen den Ausführungen im 538. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses dürfte auf der Grundlage der von der Kommission selbst beigebrachten Informationen davon auszugehen sein, dass sich die betreffenden Unternehmen nicht in vergleichbaren Situationen befanden und dass die Prämisse, auf die die Kommission die Anwendung von Ziff. 37 der Leitlinien stützte, unzutreffend war. Zwar ist es möglich, dass im Rahmen dieser außerordentlichen Ermäßigung der Geldbuße die Unterschiede zwischen den auf Nordseegarnelen entfallenden Anteilen des Umsatzes der betroffenen Unternehmen durch andere Umstände ausgeglichen wurden, doch enthält der angefochtene Beschluss insoweit keine Erläuterung.

304    Zweitens bleiben, wenn man allein von der in den Erwägungsgründen 541 und 542 des angefochtenen Beschlusses dargelegten Begründung ausgeht, Zweifel, wie die von der Kommission zur Ermittlung der auf die Geldbußen der verschiedenen Kartellbeteiligten anzuwendenden Ermäßigung herangezogenen Kriterien richtig zu verstehen sind. Der angefochtene Beschluss scheint sich in seiner Gesamtwürdigung auf drei kumulative Kriterien zu stützen, nämlich die Konzentration des Gesamtumsatzes auf den Verkauf von Nordseegarnelen der Beteiligten (d. h. das Verhältnis zwischen den weltweiten Verkäufen von Nordseegarnelen der Kartellbeteiligten und ihrem weltweiten Gesamtumsatz), die Unterschiede zwischen den Kartellbeteiligten hinsichtlich ihrer individuellen Beteiligung an der Zuwiderhandlung und die Notwendigkeit, trotzdem einen abschreckenden Effekt der Geldbuße sicherzustellen.

305    Insoweit ist hinsichtlich des ersten Kriteriums darauf hinzuweisen, dass sich die den anderen Kartellbeteiligten gewährten höheren Ermäßigungen offenbar daraus ergeben, dass die Verkäufe von Nordseegarnelen einen höheren Anteil an ihrem Gesamtumsatz ausmachten als bei der Klägerin. Nach dem von der Kommission im vorliegenden Fall offenbar gewählten Ansatz wurde der Grundbetrag der Geldbuße umso stärker verringert, je „kartellisierter“ die Produktion war.

306    Ein Unternehmen, bei dem ein wesentlicher Teil der Produktion von kollusiven Absprachen betroffen ist, zieht daraus jedoch einen proportional größeren Nutzen als ein „Multiprodukt“-Unternehmen, dessen Produktion nur zu einem kleinen Teil von diesen Absprachen betroffen ist. Daraus ließe sich der Schluss ziehen, dass der Grundbetrag der Geldbuße im erstgenannten Fall einem höheren Prozentsatz des Gesamtumsatzes entspricht als im letztgenannten Fall.

307    Da die Kommission annahm, dass die Verkäufe von Nordseegarnelen einen recht geringen Prozentsatz des Gesamtumsatzes der Klägerin ausmachten, wird aus dem angefochtenen Beschluss nicht deutlich, aus welchen Gründen sie beschloss, die Klägerin bei der gemäß Ziff. 37 der Leitlinien gewährten außerordentlichen Ermäßigung der Geldbuße gegenüber den anderen betroffenen Unternehmen zu benachteiligen.

308    In Bezug auf das zweite oben in Rn. 304 genannte Kriterium geht zudem aus dem angefochtenen Beschluss nicht klar hervor, ob die Kommission mit ihrem Hinweis auf die Unterschiede zwischen den Kartellbeteiligten hinsichtlich ihrer individuellen Beteiligung an der Zuwiderhandlung implizit Bezug auf die Situation der Klägerin nehmen wollte, deren geringe Beteiligung an der Zuwiderhandlung bereits zu einer Herabsetzung ihres Grundbetrags um 15 % nach Ziff. 29 der Leitlinien geführt hatte.

309    Daher ist festzustellen, dass auf der Grundlage dieser Begründung des angefochtenen Beschlusses weder die Klägerin in der Lage war, die Begründetheit des Vorgehens der Kommission im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz sachdienlich in Frage zu stellen, noch das Gericht seine volle Rechtmäßigkeitskontrolle hinsichtlich der Einhaltung dieses Grundsatzes hätte ausüben können.

310    Anhand der Erwägungsgründe 541 und 542 des angefochtenen Beschlusses lässt sich nämlich weder nachvollziehen noch beurteilen, ob sich die Klägerin und die anderen betroffenen Unternehmen in vergleichbarer oder unterschiedlicher Lage befanden und ob die Kommission sie gleich oder unterschiedlich behandelt hat. Auf dieser Grundlage lässt sich daher umso weniger überprüfen, ob eine mögliche Gleichbehandlung unterschiedlicher Situationen der betroffenen Unternehmen nach Ziff. 37 der Leitlinien – die im Wesentlichen darauf beruht, dass ihre wirtschaftliche Tätigkeit die eines „Monoprodukt“-Unternehmens ist, und zum Teil auf Billigkeitserwägungen – oder eine mögliche Ungleichbehandlung vergleichbarer Situationen, insbesondere die Anwendung unterschiedlicher Ermäßigungssätze, objektiv gerechtfertigt war. Die im 542. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses dargelegte summarische Begründung konnte im Gegenteil den falschen Eindruck erwecken, dass der Hauptgrund für die horizontale Anpassung der Grundbeträge zugunsten der betroffenen Unternehmen darin bestand, dass sie sich alle wegen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit als „Monoprodukt“-Unternehmen in zumindest vergleichbarer Lage befanden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission, T‑95/15, EU:T:2016:722, Rn. 55). Dies war jedoch bei drei der vier betroffenen Unternehmen nicht der Fall.

311    In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen hält es das Gericht im vorliegenden Fall für geboten, von Amts wegen das Fehlen der Begründung des angefochtenen Beschlusses hinsichtlich der Anwendung von Ziff. 37 der Leitlinien zu prüfen.

312    Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass eine fehlende oder unzureichende Begründung eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Sinne von Art. 260 AEUV darstellt und ein Gesichtspunkt zwingenden Rechts ist, den der Unionsrichter von Amts wegen prüfen muss (vgl. Urteil vom 19. September 2006, Lucchini/Kommission, T‑166/01, EU:T:2006:258, Rn. 144 und die dort angeführte Rechtsprechung).

313    Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei der in Art. 296 Abs. 2 AEUV vorgesehenen Begründungspflicht um ein wesentliches Formerfordernis, das von der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört. Unter diesem Blickwinkel muss die erforderliche Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Insbesondere bei Einzelentscheidungen hat die Begründungspflicht somit neben der Ermöglichung einer gerichtlichen Überprüfung den Zweck, den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob die Entscheidung eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht (vgl. Urteile vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 146 bis 148 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission, C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 114 und 115).

314    Außerdem ist das Begründungserfordernis anhand der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Inhalts des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und des Interesses zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteile vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 150, vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission, C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 116, und vom 5. Dezember 2013, Solvay/Kommission, C‑455/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:796, Rn. 91).

315    Des Weiteren ist die Begründung dem Betroffenen nach der Rechtsprechung grundsätzlich gleichzeitig mit der ihn beschwerenden Entscheidung mitzuteilen. Das Fehlen der Begründung kann nicht dadurch geheilt werden, dass der Betroffene die Gründe für die Entscheidung während des Verfahrens vor den Unionsinstanzen erfährt (Urteile vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 149, und vom 19. Juli 2012, Alliance One International und Standard Commercial Tobacco/Kommission, C‑628/10 P und C‑14/11 P, EU:C:2012:479, Rn. 74).

316    Beschließt die Kommission, von der in den Leitlinien dargelegten allgemeinen Methodik, durch die sie sich in der Ausübung ihres Ermessens bei der Festsetzung der Höhe von Geldbußen selbst gebunden hat, abzuweichen, indem sie sich, wie im vorliegenden Fall, auf Ziff. 37 der Leitlinien stützt, sind diese Begründungserfordernisse umso strenger zu beachten (Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission, T‑95/15, EU:T:2016:722, Rn. 48). Nach ständiger Rechtsprechung stellen die Leitlinien nämlich Verhaltensnormen dar, die einen Hinweis auf die zu befolgende Verwaltungspraxis enthalten, von der die Kommission im Einzelfall nicht ohne Angabe von Gründen abweichen kann, die insbesondere mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. Mai 2013, Quinn Barlo u. a./Kommission, C‑70/12 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:351, Rn. 53, und vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission, C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Begründung muss umso genauer sein, als sich Ziff. 37 der Leitlinien nur vage auf die „besonderen Umstände eines Falles“ bezieht und der Kommission somit einen weiten Ermessensspielraum einräumt, wie im vorliegenden Fall eine ausnahmsweise Anpassung der Grundbeträge der Geldbußen der betroffenen Unternehmen vorzunehmen. In einem solchen Fall kommt der Beachtung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt und zu denen die Begründungspflicht gehört, umso größere Bedeutung zu (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission, T‑95/15, EU:T:2016:722, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

317    Daraus folgt, dass die Kommission im vorliegenden Fall verpflichtet war, hinreichend klar und genau zu erläutern, wie sie ihr Ermessen auszuüben gedachte, einschließlich der verschiedenen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, die sie zu diesem Zweck berücksichtigt hatte. Im Einzelnen umfasst die Begründungspflicht wegen der Verpflichtung der Kommission, bei der Festsetzung der Geldbußen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten, den sie zum Nachteil der Klägerin verletzt haben soll, sämtliche relevanten Umstände, damit beurteilt werden kann, ob sich die betroffenen Unternehmen, bei denen die Grundbeträge ihrer Geldbußen angepasst wurden, in einer vergleichbaren Situation befanden, ob die Sachverhalte gleich oder unterschiedlich behandelt wurden und ob ihre etwaige Gleich- oder Ungleichbehandlung objektiv gerechtfertigt war (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission, T‑95/15, EU:T:2016:722, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

318    Da das Gericht beschlossen hat, von Amts wegen zu prüfen, ob die Kommission ihre Begründungspflicht erfüllt hat, hat es die Parteien im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme nach Art. 89 der Verfahrensordnung aufgefordert, zu dieser Frage schriftlich Stellung zu nehmen. Insbesondere hat es die Parteien gebeten, sich zur Auswirkung des Urteils vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722), auf die vorliegende Rechtssache zu äußern, insbesondere in Bezug auf eine etwaige Unzulänglichkeit der Begründung des angefochtenen Beschlusses hinsichtlich der Anwendung von Ziff. 37 der Leitlinien.

319    In Beantwortung dieser Frage hat die Kommission geltend gemacht, sie habe im angefochtenen Beschluss zur Ermittlung der Höhe der jeweiligen Ermäßigung der Geldbuße der Kartellbeteiligten auf der Grundlage von Ziff. 37 der Leitlinien kumulativ, im Rahmen einer Gesamtschau, auf zwei Kriterien abgestellt: zum einen auf die Konzentration des Gesamtumsatzes der Parteien in ihren Verkaufsumsätzen mit Nordseegarnelen (d. h. das Verhältnis der weltweiten Umsätze der Kartellbeteiligten mit Nordseegarnelen zu deren weltweiten Gesamtumsätzen) und zum anderen auf die Unterschiede zwischen den Kartellbeteiligten im Hinblick auf ihre individuelle Beteiligung an der Zuwiderhandlung.

320    Der angefochtene Beschluss enthält nach Ansicht der Kommission alle erforderlichen Informationen, um seine Begründung in Bezug auf die nach Ziff. 37 der Leitlinien gewährte Geldbußenermäßigung nachzuvollziehen.

321    Erstens enthalte der angefochtene Beschluss alle erforderlichen Informationen zur Bestimmung der jeweiligen Konzentration des Gesamtumsatzes der Adressaten in ihren Verkaufsumsätzen mit den kartellierten Produkten. Der angefochtene Beschluss enthalte – anders als der angefochtene Beschluss in der Rechtssache, in der das Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission (T‑95/15, EU:T:2016:722), ergangen sei – für alle Adressaten Angaben zu ihren weltweiten Gesamtumsätzen und ihren weltweiten Umsätzen mit Nordseegarnelen. Daraus ließen sich ohne Mühe die von der Kommission in ihrer Gegenerwiderung und ihrer Antwort auf die Fragen des Gerichts vom 17. Dezember 2015 übermittelten Prozentangaben errechnen. Auch die Klägerin habe diese Prozentangaben und die von der Kommission für ihre Berechnung herangezogene Methode nachvollziehen können. Dass die jeweiligen Prozentangaben im angefochtenen Beschluss nicht explizit aufgeführt seien, sei demnach unschädlich.

322    Zweitens enthalte der angefochtene Beschluss alle zur Bestimmung der Unterschiede zwischen den Kartellbeteiligten im Hinblick auf ihre individuelle Beteiligung an der Zuwiderhandlung erforderlichen Informationen. Die umfassenden Erwägungen dazu seien in den Abschnitten des angefochtenen Beschlusses zur Dauer der Zuwiderhandlung und zu den mildernden Umständen enthalten. So sei der Grundbetrag der Geldbuße der Klägerin – anders als bei Heiploeg und Klaas Puul – wegen mildernder Umstände erheblich reduziert worden. Daraus ergebe sich, dass der individuelle Tatbeitrag der Klägerin als geringer angesehen worden sei als der von Heiploeg und Klaas Puul.

323    Das Vorbringen der Kommission vermag nicht zu überzeugen.

324    Zum einen deutet die in den Erwägungsgründen 538 bis 542 des angefochtenen Beschlusses enthaltene Begründung der Kommission, wie oben in den Rn. 299 bis 310 ausgeführt, darauf hin, dass der Hauptgrund für die horizontale Anpassung der Grundbeträge zugunsten der betroffenen Unternehmen darin bestand, dass sie sich wegen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit als „Monoprodukt“-Unternehmen alle in einer zumindest vergleichbaren Lage befanden.

325    Zudem erschweren es entgegen dem Vorbringen der Kommission die im angefochtenen Beschluss enthaltenen Informationen über den mit dem Verkauf von Nordseegarnelen erzielten Gesamtumsatz der betreffenden Unternehmen noch mehr, die Begründung des angefochtenen Beschlusses nachzuvollziehen. Die Kommission gibt nämlich an, den Erwägungsgründen 13, 19, 22 und 28 des angefochtenen Beschlusses sei zu entnehmen, dass der Verkauf von Nordseegarnelen 25 % bis 35 % des Gesamtumsatzes von Heiploeg, 35 % bis 45 % des Gesamtumsatzes von Klaas Puul, 90 % bis 100 % des Gesamtumsatzes von Kok Seafood und 22 % des Gesamtumsatzes der Klägerin ausmache.

326    Folglich erscheint die von der Kommission im 538. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zugrunde gelegte Annahme, dass die betroffenen Unternehmen ihre Verkäufe überwiegend auf einem einzigen Markt getätigt hätten, unzutreffend.

327    Daher lässt sich nicht nachvollziehen und beurteilen, ob sich die Klägerin und die anderen betroffenen Unternehmen in vergleichbarer oder unterschiedlicher Lage befanden und ob die Kommission sie gleich oder unterschiedlich behandelt hat. Entgegen der Feststellung im 538. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses legen die von der Kommission selbst beigebrachten Informationen nahe, dass sich die betroffenen Unternehmen nicht in einer vergleichbaren Lage befanden. Dieser Umstand hätte daher im angefochtenen Beschluss erläutert werden müssen.

328    Auf dieser Grundlage lässt sich umso weniger überprüfen, ob eine mögliche Gleichbehandlung unterschiedlicher Situationen der betroffenen Unternehmen nach Ziff. 37 der Leitlinien – die im Wesentlichen darauf beruht, dass ihre wirtschaftliche Tätigkeit die eines „Monoprodukt“-Unternehmens ist, und zum Teil auf Billigkeitserwägungen – oder eine mögliche Ungleichbehandlung vergleichbarer Situationen, insbesondere die Anwendung unterschiedlicher Ermäßigungssätze, objektiv gerechtfertigt war.

329    Des Weiteren bleiben, wie bereits ausgeführt, Zweifel daran, wie das Kriterium zu verstehen ist, das die Kommission herangezogen hat, um im Rahmen der außerordentlichen Ermäßigung der Geldbuße den „Unterschieden zwischen den Beteiligten hinsichtlich ihrer individuellen Beteiligung an der Zuwiderhandlung“ Rechnung zu tragen. Diese Formulierung scheint nämlich eine zusätzliche Begründung für diese Anpassung zu enthalten, soweit damit zwischen der Schwere oder der Dauer der individuellen Beteiligung der betroffenen Unternehmen an der Zuwiderhandlung differenziert werden soll. Es ist aber nicht ohne Weiteres feststellbar, ob die Kommission damit implizit auf die Situation der Klägerin Bezug nehmen wollte, deren geringe Beteiligung an der Zuwiderhandlung bereits zu einer Herabsetzung ihres Grundbetrags um 15 % nach Ziff. 29 der Leitlinien geführt hatte.

330    Zwar trifft es zu, dass der angefochtene Beschluss alle zur Bestimmung der Unterschiede zwischen den Kartellbeteiligten im Hinblick auf ihre individuelle Beteiligung an der Zuwiderhandlung erforderlichen Informationen enthält, doch geht aus ihm nicht klar hervor, wie sich die individuelle Beteiligung der Kartellbeteiligten an der Zuwiderhandlung auf die Anwendung von Ziff. 37 der Leitlinien auswirkt.

331    Was schließlich das Argument der Kommission betrifft, dass die Festsetzung von Geldbußen keine rein arithmetische Angelegenheit sei, die es erfordern würde, die exakte Bewertung jedes einzelnen hierbei berücksichtigten Kriteriums gesondert zu begründen, genügt der Hinweis, dass diese Begründungserfordernisse, wie oben in Rn. 316 ausgeführt, umso strenger zu beachten sind, wenn die Kommission beschließt, von der in den Leitlinien dargelegten allgemeinen Methodik, durch die sie sich in der Ausübung ihres Ermessens bei der Festsetzung der Höhe von Geldbußen selbst gebunden hat, abzuweichen, indem sie sich, wie im vorliegenden Fall, auf Ziff. 37 der Leitlinien stützt. Diese Begründung muss umso genauer sein, als sich Ziff. 37 der Leitlinien nur vage auf die „besonderen Umstände eines Falles“ bezieht und der Kommission einen weiten Ermessensspielraum einräumt, um wie im vorliegenden Fall eine ausnahmsweise Anpassung der Grundbeträge der Geldbußen der betroffenen Unternehmen vorzunehmen. In einem solchen Fall kommt der Beachtung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt und zu denen die Begründungspflicht gehört, nämlich umso größere Bedeutung zu (Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission, T‑95/15, EU:T:2016:722, Rn. 48).

332    Unter diesen Umständen und insbesondere angesichts der Erwägungsgründe 538 bis 542 des angefochtenen Beschlusses ist festzustellen, dass die im angefochtenen Beschluss dargelegten Gründe weder die Klägerin in die Lage versetzten, die Begründetheit des Vorgehens der Kommission im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz sachdienlich in Frage zu stellen, noch dem Gericht die Ausübung seiner vollen Rechtmäßigkeitskontrolle hinsichtlich der Einhaltung dieses Grundsatzes ermöglichten.

333    Aus alledem ist daher zu schließen, dass der angefochtene Beschluss hinsichtlich der Höhe der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße unzureichend begründet im Sinne von Art. 296 Abs. 2 AEUV ist.

334    Folglich ist Art. 2 Abs. 1 Buchst. c des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären, und im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

V.      Kosten

335    Nach Art. 134 Abs. 3 der Verfahrensordnung trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, jede Partei ihre eigenen Kosten. Das Gericht kann jedoch entscheiden, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt, wenn dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheint.

336    Da der Klage teilweise stattgegeben wird, sind der Kommission ihre eigenen Kosten sowie die Hälfte der Kosten der Klägerin aufzuerlegen. Die Klägerin trägt die Hälfte ihrer eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Art. 2 Abs. 1 Buchst. c des Beschlusses C(2013) 8286 final der Kommission vom 27. November 2013 in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] (Sache AT.39633 – Garnelen) wird für nichtig erklärt.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten und die Hälfte der Kosten der Stührk Delikatessen Import GmbH & Co. KG.

4.      Die Stührk Delikatessen Import GmbH & Co. KG trägt die Hälfte ihrer eigenen Kosten.

Kanninen

Calvo-Sotelo Ibáñez-Martín

Reine

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. Juli 2018.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

H. Kanninen

Inhaltsverzeichnis

I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

II. Angefochtener Beschluss

III. Verfahren und Anträge der Parteien

IV. Rechtliche Würdigung

A. Zu den Klagegründen, die sich auf die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung beziehen

1. Zu den ersten beiden Klagegründen

a) Vorbringen der Parteien

1) Zum ersten Klagegrund: keine Zuwiderhandlung bezüglich der Einkaufspreise

2) Zum zweiten Klagegrund, der sich im Wesentlichen auf die von der Klägerin tatsächlich begangene Zuwiderhandlung bezieht

b) Würdigung durch das Gericht

1) Zur Rechtsprechung bezüglich der Beweiswürdigung

2) Zum ersten Klagegrund: keine Zuwiderhandlung bezüglich der Einkaufspreise

3) Zum zweiten Klagegrund, der sich im Wesentlichen auf die von der Klägerin tatsächlich begangene Zuwiderhandlung bezieht

2. Zum dritten Klagegrund, mit dem im Wesentlichen geltend gemacht wird, dass sich die Klägerin nicht an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt habe

a) Vorbringen der Parteien

b) Würdigung durch das Gericht

B. Zu den Klagegründen, die hinsichtlich der Berechnung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße geltend gemacht werden

1. Zum vierten Klagegrund: unrichtige Berechnung der Geldbuße infolge der einheitlichen Feststellung der Zuwiderhandlung und des Zusatzbetrags

a) Vorbringen der Parteien

b) Würdigung durch das Gericht

1) Zur Pflicht, den Grundbetrag der Geldbuße anhand der individuellen Rolle der Klägerin zu ermitteln

2) Zum gerügten Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

2. Zum fünften Klagegrund: fehlerhafte Berechnung der Geldbuße infolge unzureichender Berücksichtigung der mildernden Umstände

a) Vorbringen der Parteien

b) Würdigung durch das Gericht

1) Zum ersten Teil des fünften Klagegrundes

2) Zum zweiten Teil des fünften Klagegrundes

3) Zum dritten Teil des fünften Klagegrundes

4) Zum vierten Teil des fünften Klagegrundes

5) Zum fünften Teil des fünften Klagegrundes

6) Zum sechsten Teil des fünften Klagegrundes

3. Zum sechsten Klagegrund: fehlerhafte Berechnung der Geldbuße infolge der Weigerung, von ihr den Betrag gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2006 abzuziehen

a) Vorbringen der Parteien

b) Würdigung durch das Gericht

4. Zum siebten Klagegrund: Rechtswidrigkeit der Leitlinien

a) Vorbringen der Parteien

b) Würdigung durch das Gericht

5. Zum achten Klagegrund: Aufhebung der aus den Leitlinien folgenden Ermessensbindung

a) Vorbringen der Parteien

b) Würdigung durch das Gericht

6. Zum neunten Klagegrund: willkürliche Anpassung des Grundbetrags der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße nach Ziff. 37 der Leitlinien

a) Vorbringen der Parteien

b) Würdigung durch das Gericht

V. Kosten


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