Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Neunte erweiterte Kammer)
12. November 2025(1 )
„ Umwelt – Verordnung (EU) 2022/2577 zur Festlegung eines Rahmens für einen beschleunigten Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien – Antrag auf interne Überprüfung – Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 – Zurückweisung des Antrags – Auf der Grundlage von Art. 122 Abs. 1 AEUV erlassener Rechtsakt – Rechtsakt, der nicht Gegenstand einer internen Überprüfung sein kann – Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 – Begriff ‚Verwaltungsakt‘ – Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus – Art. 2 Nr. 2 des Übereinkommens von Aarhus – In ‚gesetzgebender Eigenschaft‘ erlassener Rechtsakt “
In der Rechtssache T‑534/23,
Föreningen Svenskt Landskapsskydd mit Sitz in Koler (Schweden) und die weiteren im Anhang namentlich aufgeführten Kläger(2 ), vertreten durch Rechtsanwalt M. Le Berre,
Kläger,
gegen
Rat der Europäischen Union, vertreten durch R. Boucquey, A. Maceroni und L. Vétillard als Bevollmächtigte,
Beklagter,
unterstützt durch
Europäische Kommission, vertreten durch C. Hermes, G. Gattinara, B. De Meester und C. Valero als Bevollmächtigte,
Streithelferin,
erlässt
DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer)
zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten L. Truchot, der Richter H. Kanninen und M. Sampol Pucurull (Berichterstatter), der Richterin T. Perišin sowie des Richters H. Cassagnabère,
Kanzler: V. Di Bucci,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere der prozessleitenden Maßnahme vom 18. November 2024 und der am 9. Dezember 2024 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichten Antwort der Kommission,
aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und der Entscheidung gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragen die Kläger, Föreningen Svenskt Landskapsskyd und die weiteren im Anhang namentlich aufgeführten juristischen Personen, die Nichtigerklärung des Beschlusses des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2023 (im Folgenden: angefochtener Beschluss), mit dem der von ihnen am 22. Februar 2023 auf der Grundlage von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Union (ABl. 2006, L 264, S. 13) in der durch die Verordnung (EU) 2021/1767 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 2021 (ABl. 2021, L 356, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Aarhus-Verordnung) gestellte Antrag auf interne Überprüfung der Verordnung (EU) 2022/2577 des Rates vom 22. Dezember 2022 zur Festlegung eines Rahmens für einen beschleunigten Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien (ABl. 2022, L 335, S. 36) als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 Die Kläger sind Vereine bzw. Vereinigungen ohne Erwerbszweck, die sich für den Umweltschutz einsetzen.
3 Infolge des Angriffskriegs der Russischen Föderation gegen die Ukraine kam es 2022 zu einer plötzlichen und erheblichen Unterbrechung der Gasflüsse aus Russland, die die Dringlichkeit erkennen ließ, sich von der russischen Versorgung zu lösen und die Versorgungssicherheit in der Europäischen Union zu gewährleisten.
4 In diesem Zusammenhang forderte der Europäische Rat am 20. und am 21. Oktober 2022 in seinen Schlussfolgerungen den Rat der Europäischen Union und die Europäische Kommission auf, dringend konkrete Beschlüsse vorzulegen, insbesondere durch die rasche Vereinfachung von Genehmigungsverfahren, um den Ausbau der erneuerbaren Energien und der Energienetze zu beschleunigen, auch durch Notfallmaßnahmen auf der Grundlage von Art. 122 AEUV. Am 9. November 2022 nahm die Kommission den Vorschlag COM(2022) 591 final für eine Verordnung des Rates zur Festlegung eines Rahmens für einen beschleunigten Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien an, der befristete, verhältnismäßige und außerordentliche Maßnahmen zur Ergänzung der Initiativen zur Bewältigung der Krise auf den Energiemärkten und der bestehenden einschlägigen Rechtsvorschriften der Union vorsieht. Am 24. November 2022 stimmte der Rat einem Textentwurf grundsätzlich zu. Am 22. Dezember 2022 erließ der Rat auf der Grundlage von Art. 122 Abs. 1 AEUV die Verordnung 2022/2577.
5 Wie aus den Erwägungsgründen 3, 4 und 6 der Verordnung 2022/2577 hervorgeht, hielt es der Rat für erforderlich, einige Genehmigungsverfahren für bestimmte Technologien im Bereich der erneuerbaren Energien zu beschleunigen, um den Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien in der Union kurzfristig zu beschleunigen, insbesondere durch die Befreiung von bestimmten im Umweltrecht der Union vorgesehenen Prüfungspflichten.
6 Am 22. Februar 2023 stellten die Kläger beim Rat gemäß Art. 10 Abs. 1 der Aarhus-Verordnung einen Antrag auf interne Überprüfung der Verordnung 2022/2577.
7 Mit dem angefochtenen Beschluss, der den Klägern am 13. Juni 2023 zugestellt wurde, wies der Rat den Antrag auf interne Überprüfung der Verordnung 2022/2577 als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurück.
8 Der Rat wies im Wesentlichen darauf hin, dass die auf der Grundlage von Art. 122 Abs. 1 AEUV erlassene Verordnung 2022/2577 gezielte und vorübergehende Ausnahmen von Rechtsakten einführe, die gemäß einem ordentlichen oder besonderen Gesetzgebungsverfahren im Sinne von Art. 289 Abs. 1 und 2 AEUV erlassen worden seien, und daher nicht unter die Definition eines „Verwaltungsakts“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Aarhus-Verordnung fallen könne. In diesem Zusammenhang wies der Rat darauf hin, dass die Verordnung 2022/2577 zwar nicht als Gesetzgebungsakt im Sinne des AEU-Vertrags angesehen werde, d. h. als Rechtsakt, der gemäß Art. 289 Abs. 1 und 2 AEUV gemäß einem ordentlichen oder besonderen Gesetzgebungsverfahren erlassen worden sei, jedoch aufgrund seines Inhalts und seiner Wirkungen einen Gesetzgebungsakt im Sinne des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (ABl. 2005, L 124, S. 4, im Folgenden: Übereinkommen von Aarhus) darstelle. Hilfsweise wies der Rat den Antrag auf interne Überprüfung der Verordnung 2022/2577 auch als unbegründet zurück.
Anträge der Parteien
9 Die Kläger beantragen,
– den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;
– dem Rat die Kosten aufzuerlegen.
10 Der Rat beantragt,
– die Klage als unbegründet abzuweisen;
– den Klägern die Kosten aufzuerlegen.
11 Die Kommission beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– den Klägern die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
12 Zur Stützung ihrer Klage tragen die Kläger fünf Klagegründe vor. Mit ihrem ersten Klagegrund machen sie geltend, der Rat habe einen Rechtsfehler begangen, indem er den Antrag auf interne Überprüfung der Verordnung 2022/2577 als unzulässig zurückgewiesen habe. Mit ihrem zweiten Klagegrund machen sie geltend, der Rat habe im angefochtenen Beschluss einen Rechtsfehler im Hinblick auf Art. 10 Abs. 2 der Aarhus-Verordnung begangen, indem er ihren Antrag auf interne Überprüfung mit der Begründung zurückgewiesen habe, dass die Verordnung 2022/2577 keinen Verwaltungsakt im Sinne dieser Verordnung darstelle. Mit ihrem dritten Klagegrund erheben sie die Einrede der Rechtswidrigkeit der Verordnung 2022/2577. Mit ihrem vierten Klagegrund machen die Kläger im Wesentlichen geltend, dass der angefochtene Beschluss mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet sei. Mit ihrem fünften Klagegrund machen sie eine Verletzung der Begründungspflicht geltend.
13 Die Schriftsätze der Kläger lassen vier Teile zur Stützung des ersten Klagegrundes erkennen, mit denen erstens im Wesentlichen ein Begründungsmangel, zweitens im Wesentlichen ein Verstoß gegen Art. 2 Nr. 2 des Übereinkommens von Aarhus und Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Aarhus-Verordnung, drittens ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und g und Art. 10 Abs. 1 der Aarhus-Verordnung und viertens ein Verstoß gegen Art. 289 Abs. 1 bis 3 AEUV und den Grundsatz der Rechtssicherheit geltend gemacht werden.
14 Das Gericht ist der Auffassung, dass zunächst der erste Teil des ersten Klagegrundes, dann zusammen der zweite und der dritte Teil dieses Klagegrundes und schließlich der vierte Teil dieses Klagegrundes zu prüfen sind.
Zum ersten Teil des ersten Klage grundes: Begründungsmangel
15 Zur Stützung des ersten Teils des ersten Klagegrundes, mit dem eine fehlende Verständlichkeit gerügt wird, machen die Kläger in Wirklichkeit eine unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses geltend.
16 Insoweit tragen die Kläger vor, das Vorbringen des Rates im angefochtenen Beschluss, wonach die Verordnung 2022/2577 weder einen „Gesetzgebungsakt“ im Sinne des AEU-Vertrags noch einen „Verwaltungsakt“ im Sinne der Aarhus-Verordnung darstelle, sei widersprüchlich. Die beiden Kategorien von Rechtsakten schlössen sich gegenseitig aus. Im Übrigen bestimme der Rat in diesem Beschluss unter Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit nicht konkret, welcher Art von Rechtsakt die Verordnung 2022/2577 im Sinne des AEU-Vertrags, des Übereinkommens von Aarhus und der Aarhus-Verordnung entsprechen könnte.
17 Der Rat, unterstützt durch die Kommission, tritt dem Vorbringen der Kläger entgegen.
18 Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach Art. 296 Abs. 2 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen der vorgenannten Bestimmung genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Februar 2007, Sison/Rat, C‑266/05 P, EU:C:2007:75, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 3. Mai 2018, Malta/Kommission, T‑653/16, EU:T:2018:241, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).
19 Gleichwohl kann das Fehlen einer Begründung unter Umständen selbst dann festgestellt werden, wenn der fragliche Beschluss bestimmte Begründungselemente enthält. So kommt eine in sich widersprüchliche oder unverständliche Begründung dem Fehlen einer Begründung gleich. Gleiches gilt, wenn die in dem fraglichen Beschluss enthaltenen Begründungselemente so lückenhaft sind, dass sie es dem Adressaten des Beschlusses im Kontext seines Erlasses in keiner Weise ermöglichen, die Erwägungen seines Urhebers nachzuvollziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juni 2020, Kommission/Di Bernardo, C‑114/19 P, EU:C:2020:457, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).
20 Im Übrigen bestimmt Art. 10 Abs. 2 der Aarhus-Verordnung auch, dass die schriftliche Stellungnahme des Organs oder der Einrichtung der Union, das bzw. die mit einem Antrag auf interne Überprüfung eines von ihm bzw. ihr erlassenen Rechtsakts befasst ist, begründet sein muss. Die Begründung muss den Antragsteller in die Lage versetzen, die Gründe für den Beschluss des zuständigen Organs oder der zuständigen Einrichtung zu verstehen (Urteil vom 27. Januar 2021, ClientEarth/EIB, T‑9/19, EU:T:2021:42, Rn. 87).
21 Im vorliegenden Fall hat der Rat, wie aus dem angefochtenen Beschluss hervorgeht, den Antrag auf interne Überprüfung mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dass die Verordnung 2022/2577 keinen Rechtsakt darstelle, der Gegenstand einer internen Überprüfung sein könne, d. h. keinen „Verwaltungsakt“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Aarhus-Verordnung. In diesem Zusammenhang trägt der Rat vor, dass die Verordnung 2022/2577 zwar keinen Gesetzgebungsakt im Sinne der Verträge darstelle, deswegen aber kein „Verwaltungsakt“ im Sinne der Aarhus-Verordnung sei. Die Verordnung 2022/2577 sei aufgrund ihres Inhalts und ihrer Wirkungen untrennbar mit Gesetzgebungsakten verbunden, die vom Anwendungsbereich der Aarhus-Verordnung ausgenommen seien. Darüber hinaus enthalte die Verordnung 2022/2577 Maßnahmen, die von anderen Rechtsakten, einschließlich anderer Gesetzgebungsakte, abweichen könnten.
22 Insoweit reichen die im angefochtenen Beschluss angeführten Gründe aus, um es den Klägern zu ermöglichen, die Gründe zu erkennen, aus denen der Rat den Antrag auf interne Überprüfung der Verordnung 2022/2577 als unzulässig abgelehnt hat, und um es ihnen zu ermöglichen, die Stichhaltigkeit dieser Gründe in Frage zu stellen. Außerdem reichen diese Gründe aus, um dem Gericht eine gerichtliche Kontrolle zu ermöglichen. Somit ist die Begründung der angefochtenen Entscheidung weder widersprüchlich noch unverständlich und lässt die Überlegungen ihres Urhebers klar und eindeutig erkennen.
23 Folglich ist der erste Teil des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.
Zum zweiten und zum dritten Teil des ersten Klagegrundes, mit denen im Wesentlichen ein Verstoß gegen Art. 2 Nr. 2 des Übereinkommens von Aarhus und Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und g sowie Art. 10 Abs. 1 der Aa rhus-Verordnung gerügt wird
24 Zunächst machen die Kläger mit dem zweiten Teil in Wirklichkeit Rechtsfehler geltend, nämlich einen Verstoß gegen Art. 2 Nr. 2 des Übereinkommens von Aarhus und einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Aarhus-Verordnung. Im Übrigen machen die Kläger im Rahmen des dritten Teils einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und g sowie Art. 10 Abs. 1 der Aarhus-Verordnung geltend.
25 Die Kläger machen im Wesentlichen geltend, der Rat habe im angefochtenen Beschluss einen Rechtsfehler im Hinblick auf Art. 2 Nr. 2 des Übereinkommens von Aarhus sowie Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und g und Art. 10 Abs. 1 der Aarhus-Verordnung begangen, indem er ihren Antrag auf interne Überprüfung mit der Begründung abgelehnt habe, dass die Verordnung 2022/2577 keinen „Verwaltungsakt“ im Sinne der Aarhus-Verordnung darstelle.
26 In diesem Zusammenhang weisen die Kläger darauf hin, dass die Aarhus-Verordnung für die Organe und Einrichtungen der Union gelte, die in ihrem Art. 2 Abs. 1 Buchst. c definiert seien als „alle öffentlichen Organe, Einrichtungen, Stellen oder Agenturen …, es sei denn, sie handeln in ihrer Eigenschaft als Gericht oder als Gesetzgeber“. Im Übrigen bestimme Art. 2 Nr. 2 des Übereinkommens von Aarhus den Begriff „Behörde“ weit, indem er regele, dass diese Begriffsbestimmung „Gremien oder Einrichtungen, die in … gesetzgebender Eigenschaft handeln“, nicht umfasse.
27 Außerdem definiere Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Aarhus-Verordnung als „Verwaltungsakt“, der Gegenstand eines Überprüfungsantrags nach Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung sein könne, „jeden von einem Organ oder einer Einrichtung der Union angenommenen Rechtsakt ohne Gesetzescharakter …“.
28 Da die Verordnung 2022/2577 vom Rat nicht am Ende eines der in Art. 289 Abs. 1 und 2 AEUV vorgesehenen Gesetzgebungsverfahren und damit nicht in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber erlassen worden sei, stelle sie demnach einen „Verwaltungsakt“ dar, der Gegenstand eines Verfahrens der internen Überprüfung nach Art. 10 Abs. 1 der Aarhus-Verordnung und Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus sein könne, wonach Mitglieder der Öffentlichkeit Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren hätten, um Handlungen von Behörden anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts verstießen.
29 Darüber hinaus machen die Kläger geltend, die Ausführungen des Rates im angefochtenen Beschluss, wonach die Änderung der Definition des Begriffs „Verwaltungsakt“ durch die Verordnung 2021/1767 darauf abgezielt habe, den sachlichen Anwendungsbereich der dem Überprüfungsverfahren unterliegenden Rechtsakte auf Rechtsakte mit allgemeiner Geltung auszudehnen, ohne jedoch Rechtsakte einzubeziehen, die nach dem Übereinkommen von Aarhus als Gesetzgebungsakte einzustufen seien, stehe im Widerspruch zu den Bestimmungen dieser Verordnung. Zum einen definiere nämlich nunmehr die Verordnung 2021/1767 den Begriff „Verwaltungsakt“ als „jeden von einem Organ oder einer Einrichtung der Union angenommenen Rechtsakt ohne Gesetzescharakter“. Zum anderen werde im achten Erwägungsgrund dieser Verordnung auf die Notwendigkeit Bezug genommen, den sachlichen Anwendungsbereich der dem Verfahren der internen Überprüfung unterliegenden Rechtsakte auszuweiten, um auch „Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung“ zu erfassen.
30 Der Rat, unterstützt durch die Kommission, tritt dem Vorbringen der Kläger entgegen.
31 Das Gericht hat zu prüfen, ob der Rat den Antrag auf interne Überprüfung der Verordnung 2022/2577 zu Unrecht mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen hat, dass sich dieser Antrag nicht auf einen Rechtsakt beziehe, der Gegenstand einer solchen Überprüfung nach Art. 10 Abs. 1 der Aarhus-Verordnung sein könne, nämlich einen „Verwaltungsakt“ entsprechend der Definition in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g dieser Verordnung.
32 Um die Begründetheit des ersten Klagegrundes beurteilen zu können, ist daher der Begriff „Verwaltungsakt“ im Sinne der Aarhus-Verordnung und für ihre Anwendung auszulegen.
33 Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts nicht nur deren Wortlaut, sondern auch der Zusammenhang, in den sie sich einfügt, und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden. Die Entstehungsgeschichte einer Bestimmung des Unionsrechts kann ebenfalls relevante Anhaltspunkte für ihre Auslegung liefern (vgl. Urteil vom 29. Juli 2024, Asociaţia Crescătorilor de Vaci „Bălţată Românească“ Tip Simmental, C‑286/23, EU:C:2024:655, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).
34 Was an erster Stelle die wörtliche Auslegung betrifft, ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Aarhus-Verordnung, dass dieser den Verwaltungsakt definiert als „jeden von einem Organ oder einer Einrichtung der Union angenommenen Rechtsakt ohne Gesetzescharakter, der eine rechtliche Wirkung und eine Außenwirkung hat und Bestimmungen enthält, die möglicherweise gegen das Umweltrecht … verstoßen“.
35 Es ist festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber zum einen in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Aarhus-Verordnung nur den Begriff „Verwaltungsakt“ als „Rechtsakt ohne Gesetzescharakter“ definiert hat und zum anderen diesen Begriff in Gegenüberstellung zu dem eines „Rechtsakts mit Gesetzescharakter“ definiert hat, ohne sich jedoch auf die Kategorie der Rechtsakte zu beziehen, die gemäß einem ordentlichen oder besonderen Gesetzgebungsverfahren im Sinne von Art. 289 Abs. 1 und 2 AEUV erlassen wurden.
36 Was an zweiter Stelle die systematische Auslegung betrifft, geht erstens aus den Erwägungsgründen 7 und 11 der Aarhus-Verordnung hervor, dass der Unionsgesetzgeber die Organe und Einrichtungen der Union, die in ihrer Eigenschaft als Gesetzgeber tätig werden, vom Anwendungsbereich des Übereinkommens von Aarhus ausschließen wollte.
37 In diesem Zusammenhang sieht Art. 1 der Aarhus-Verordnung vor, dass diese Verordnung „auf die Organe und Einrichtungen der Union“ Anwendung findet. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung enthält eine Definition des Begriffs „Organe oder Einrichtungen der Union“, die Organe oder Einrichtungen der Union ausschließt, wenn sie in ihrer Eigenschaft als Gericht oder als Gesetzgeber handeln. Aus Art. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Aarhus-Verordnung ergibt sich somit, dass diese Verordnung nicht für Organe und Einrichtungen der Union gilt, wenn sie in ihrer Eigenschaft als Gericht oder als Gesetzgeber handeln.
38 Im Übrigen enthält Art. 10 der Aarhus-Verordnung die Vorschriften für einen Antrag auf interne Überprüfung von Verwaltungsakten.
39 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Rechtsakt ohne Gesetzescharakter“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Aarhus-Verordnung und der Begriff „von den in ihrer Eigenschaft als Gericht oder als Gesetzgeber handelnden Organen oder Einrichtungen der Union erlassene Rechtsakte“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung miteinander verknüpft sind. Der Anwendungsbereich von Art. 10 dieser Verordnung kann nämlich nicht über den der Verordnung selbst hinausgehen, wie er insbesondere in ihrem Art. 1 und in ihrem Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und g definiert ist.
40 Da Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Aarhus-Verordnung deren Anwendung auf Organe oder Einrichtungen der Union ausschließt, wenn sie in ihrer Eigenschaft als Gericht oder als Gesetzgeber handeln, können die in diesem Rahmen erlassenen Rechtsakte keine Verwaltungsakte im Sinne der Aarhus-Verordnung darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. September 2020, Mellifera/Kommission, C‑784/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:630, Rn. 81).
41 Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass der Verordnung 2021/1767 zwar den Anwendungsbereich des Verfahrens der internen Überprüfung ausweiten wollte, um das Unionsrecht mit den Bestimmungen des Übereinkommens von Aarhus in Einklang zu bringen, dass er aber diesen Ausschluss von Rechtsakten mit Gesetzescharakter vom Anwendungsbereich dieses besonderen Rechtsbehelfsverfahrens nicht ändern wollte, wie insbesondere der achte Erwägungsgrund dieser Verordnung zeigt, wonach in den Anwendungsbereich von Art. 10 der Aarhus-Verordnung nur „Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung“ einbezogen werden müssen.
42 Im achten Erwägungsgrund der Verordnung 2021/1767 wird zwar auf die Notwendigkeit hingewiesen, den Anwendungsbereich des in der Aarhus-Verordnung festgelegten Verfahrens der internen Überprüfung auf Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung auszuweiten. Allerdings wird in diesem Erwägungsgrund nicht auf die in Art. 289 Abs. 1 und 2 AEUV vorgesehenen Gesetzgebungsverfahren Bezug genommen, um die Rechtsakte mit Gesetzescharakter, die vom Anwendungsbereich der Aarhus-Verordnung ausgenommen sind, zu definieren.
43 Drittens ist auch darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof zu Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der Aarhus-Verordnung, der den Begriff „Umweltrecht“ definiert, entschieden hat, dass der Umstand, dass diese Bestimmung in bestimmten Sprachfassungen auf die „Gesetzgebung“ oder „jede gesetzliche Bestimmung“ Bezug nimmt, nicht bedeuten kann, dass der Begriff „Umweltrecht“ für die Zwecke der Anwendung dieser Verordnung auf Gesetzgebungsakte im Sinne von Art. 289 Abs. 3 AEUV beschränkt wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Juli 2023, EIB und Kommission/ClientEarth, C‑212/21 P und C‑223/21 P, EU:C:2023:546, Rn. 85).
44 Somit ergibt sich aus der oben in Rn. 43 angeführten Rechtsprechung, dass der Gerichtshof den Begriff „Rechtsvorschriften“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der Aarhus-Verordnung nicht in dem genauen und formalistischen Sinne ausgelegt hat, der sich aus Art. 289 AEUV für Gesetzgebungsakte ergibt.
45 Unter diesen Umständen trifft es zwar zu, dass ein Gesetzgebungsakt im Sinne von Art. 289 AEUV kein Verwaltungsakt im Sinne und für die Anwendung der Aarhus-Verordnung ist, doch ergibt sich aus der oben in den Rn. 36 bis 44 dargelegten systematischen Auslegung nicht, dass der in Art. 2 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung verwendete Begriff „Eigenschaft als Gesetzgeber“ völlig mit der Kategorie der Gesetzgebungsakte im Sinne von Art. 289 AEUV übereinstimmt.
46 An dritter Stelle ist zur teleologischen Auslegung darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Bestimmungen des Unionsrechts nach Möglichkeit im Licht des Völkerrechts – das Bestandteil der Rechtsordnung der Union und für deren Organe bindend ist – auszulegen sind, insbesondere wenn mit ihnen ein von der Union geschlossener völkerrechtlicher Vertrag durchgeführt werden soll (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Januar 2015, Evans, C‑179/13, EU:C:2015:12, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 6. Juli 2023, EIB und Kommission/ClientEarth, C‑212/21 P und C‑223/21 P, EU:C:2023:546, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).
47 Insoweit geht aus Art. 3 Abs. 5 EUV hervor, dass die Union einen Beitrag zur „strikten Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts“ leistet.
48 Somit soll die Aarhus-Verordnung die Bestimmungen von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus in Bezug auf die Organe der Union umsetzen (vgl. Urteil vom 6. Juli 2023, EIB und Kommission/ClientEarth, C‑212/21 P und C‑223/21 P, EU:C:2023:546, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).
49 Zwar kann Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus nicht zum Zweck der Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Art. 10 Abs. 1 der Aarhus-Verordnung geltend gemacht werden, doch steht diese Feststellung dem nicht entgegen, dass die Bestimmungen dieser Verordnung nach der in Rn. 46 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung so weit wie möglich im Licht des Übereinkommens von Aarhus ausgelegt werden (vgl. Urteil vom 6. Juli 2023, EIB und Kommission/ClientEarth, C‑212/21 P und C‑223/21 P, EU:C:2023:546, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).
50 Eine solche Auslegung stellt nämlich ein wesentliches Mittel dar, um gemäß dem im dritten Erwägungsgrund der Aarhus-Verordnung zum Ausdruck gebrachten Willen des Unionsgesetzgebers sicherzustellen, dass die Bestimmungen des Unionsrechts mit denen dieses Übereinkommens vereinbar bleiben (Urteil vom 6. Juli 2023, EIB und Kommission/ClientEarth, C‑212/21 P und C‑223/21 P, EU:C:2023:546, Rn. 69).
51 Insoweit ergibt sich aus Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu Gerichten, dass jede Vertragspartei sicherstellt, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen.
52 Der Begriff der „überprüfbaren Handlung“ wird jedoch im Rahmen von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus nicht definiert.
53 Der auf den ersten Blick äußerst weite Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus muss indessen eingeschränkt werden. Der sachliche Anwendungsbereich dieser Bestimmung wird nämlich durch Art. 2 Nr. 2 dieses Übereinkommens begrenzt, aus dem hervorgeht, dass es auf Rechtsakte mit Gesetzescharakter keine Anwendung findet. Nach dieser Bestimmung schließt der Begriff der „Behörde“, deren umweltrechtswidrige Handlungen angefochten werden können, Gremien oder Einrichtungen aus, die in gerichtlicher oder gesetzgebender Eigenschaft handeln (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Juli 2023, EIB und Kommission/ClientEarth, C‑212/21 P und C‑223/21 P, EU:C:2023:546, Rn. 70).
54 Im Übereinkommen von Aarhus ist jedoch nicht festgelegt, unter welchen Umständen die Gremien oder Einrichtungen in gesetzgebender oder gerichtlicher Eigenschaft handeln.
55 Daraus folgt, dass die Verfasser des Übereinkommens von Aarhus in Anbetracht des letzten Satzes seines Art. 2 Nr. 2 ausdrücklich Handlungen von Gremien oder Einrichtungen, die in gerichtlicher oder gesetzgebender Eigenschaft handeln, vom Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 3 dieses Übereinkommens ausgenommen haben, ohne weiter zu definieren, was unter dem Begriff „gesetzgebende Eigenschaft“ zu verstehen ist, und insbesondere ohne es den Parteien dieses Übereinkommens zu überlassen, diesen Begriff durch einen Verweis auf ihr innerstaatliches Recht zu definieren.
56 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass eine wörtliche Auslegung von Art. 2 Nr. 2 des Übereinkommens von Aarhus nicht den Schluss zulässt, dass die Definition des Begriffs „gesetzgebende Eigenschaft“ in das den Vertragsparteien eingeräumte Ermessen fällt. Die Auslegung des Begriffs „Gesetzgebung“ im Sinne eines völkerrechtlichen Instruments muss nämlich seinen autonomen Charakter im Verhältnis zum innerstaatlichen Recht der Vertragsparteien wahren. Somit kann die Auslegung von Art. 2 Nr. 2 des Übereinkommens von Aarhus nicht allein auf das Rechtssystem einer der Parteien dieses Übereinkommens gestützt werden (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen in den verbundenen Rechtssachen Rat und Kommission/Stichting Natuur en Milieu und Pesticide Action Network Europe, C‑404/12 P und C‑405/12 P, EU:C:2014:309, Nr. 30).
57 Diese Auslegung wird durch die Mitteilungen des Ausschusses zur Überwachung der Einhaltung des Übereinkommens von Aarhus (im Folgenden: Aarhus-Ausschuss) bestätigt, der eingesetzt wurde, um zu überprüfen, dass die Parteien dieses Übereinkommens die sich daraus ergebenden Verpflichtungen einhalten. Obwohl diese Mitteilungen keinen normativen Wert haben, gehören sie nämlich zu den Gesichtspunkten, die zur Auslegung dieses Übereinkommens herangezogen werden können (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 7. März 2024, Roheline Kogukond u. a., C‑234/22, EU:C:2024:211, Rn. 39).
58 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich der Aarhus-Ausschuss einer Auslegung von Art. 2 Nr. 2 des Übereinkommens von Aarhus widersetzt, die sich allein auf Verweise auf das Rechtssystem einer der Parteien dieses Übereinkommens stützt. So ist der Ausschuss in seiner Mitteilung ACCC/C/2008/32 zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Feststellung, ob eine Entscheidung, eine Handlung oder eine Unterlassung in gesetzgebender Eigenschaft im Sinne von Art. 2 Nr. 2 dieses Übereinkommens vorgenommen worden sei, ihre Bezeichnung im innerstaatlichen Recht einer Partei des Übereinkommens nicht entscheidend sein könne.
59 Im Übrigen hat der Aarhus-Ausschuss in seinen Mitteilungen ACCC/C/2011/61 und ACCC/C/2014/120 darauf hingewiesen, dass das Übereinkommen von Aarhus zwar nicht klarstelle, unter welchen Umständen ein Gremium oder eine Einrichtung in gesetzgebender Eigenschaft gehandelt habe, dass es aber klar sei, dass dieses Übereinkommen ein Gremium oder eine Einrichtung nur dann ausschließe, wenn es bzw. sie in dieser besonderen Eigenschaft gehandelt habe. So könne ein nationales Parlament einer Vertragspartei, obwohl es ein demokratisch gewähltes Organ sei, als Behörde im Sinne des Übereinkommens von Aarhus angesehen werden, wenn es nicht als Gesetzgeber handele, wenn es z. B. eine Tätigkeit oder ein Projekt genehmige.
60 Der Gerichtshof hatte ebenfalls Gelegenheit, sich zum Begriff „Gremien oder Einrichtungen, die in gerichtlicher oder gesetzgebender Eigenschaft handeln“ zu äußern, und zwar im Rahmen der Auslegung der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. 2003, L 41, S. 26) im Licht des Übereinkommens von Aarhus. Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass eine funktionale Auslegung des Begriffs „Gremien oder Einrichtungen, die in … gesetzgebender Eigenschaft handeln“ vorzunehmen ist, wonach als unter diese Definition fallend die Ministerien angesehen werden können, die nach nationalem Recht damit betraut sind, Gesetzentwürfe vorzubereiten, diese dem Parlament vorzulegen und sich – u. a. mit Stellungnahmen – am Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Februar 2012, Flachglas Torgau, C‑204/09, EU:C:2012:71, Rn. 49).
61 Diese Erwägungen führen daher zu einem funktionalen Ansatz für den Begriff „gesetzgebende Eigenschaft“. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich der funktionale Ansatz nicht nur auf die Natur des betreffenden Gremiums bezieht, d. h. darauf, ob dieses Gremium oder diese Einrichtung traditionell Gesetzgebungsbefugnisse ausübt, sondern auf die Aufgaben, die von dem betreffenden Gremium oder der betreffenden Einrichtung tatsächlich wahrgenommen werden. Somit stellt das organbezogene Kriterium zwar ein Indiz für die Einstufung eines Rechtsakts als Rechtsakt mit Gesetzescharakter im Sinne der Aarhus-Verordnung dar, ist aber für sich genommen nicht entscheidend. Es ist nämlich auch ein Kriterium zu berücksichtigen, das sich auf das Wesen des von dem Gremium oder der Einrichtung erlassenen Rechtsakts bezieht. Dieser Ansatz ist umso mehr gerechtfertigt, als sich das Gesetzgebungsverfahren je nach Partei des Übereinkommens von Aarhus erheblich unterscheiden kann.
62 Daraus folgt, dass bei der Feststellung, ob ein Rechtsakt in gesetzgebender Eigenschaft erlassen wurde, nicht auf einen rein formalen Ansatz, der dem Rechtssystem einer der Parteien des Übereinkommens von Aarhus eigen ist und auf einem rein verfahrensrechtlichen Kriterium beruht, abgestellt werden kann. Somit kann der Begriff „Eigenschaft als Gesetzgeber“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Aarhus-Verordnung nicht dahin ausgelegt werden, dass er sich nur auf Rechtsakte bezieht, die nach einem ordentlichen oder besonderen Gesetzgebungsverfahren gemäß Art. 289 Abs. 1 und 2 AEUV erlassen wurden.
63 Aus den vorstehenden Rn. 34 bis 62 ergibt sich, dass der Begriff „Verwaltungsakt“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Aarhus-Verordnung jeden Rechtsakt bezeichnet, der von einem Unionsorgan nicht in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber erlassen wurde, und nicht nur, wie die Kläger geltend machen, Gesetzgebungsakte, die gemäß Art. 289 Abs. 1 und 2 AEUV in einem ordentlichen oder besonderen Gesetzgebungsverfahren erlassen wurden.
64 Nach Maßgabe dieser Erwägungen und insbesondere der oben in Rn. 61 genannten Kriterien ist zu prüfen, ob die Verordnung 2022/2577 einen „Verwaltungsakt“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Aarhus-Verordnung in seiner Auslegung im Licht des Übereinkommens von Aarhus darstellt.
65 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Verordnung 2022/2577 vom Rat erlassen wurde, bei dem es sich nach Art. 16 Abs. 1 EUV um ein Organ handelt, dem die Verträge gemeinsam mit dem Parlament Gesetzgebungsaufgaben übertragen haben.
66 Der Rat ist somit ein Organ, das Gesetzgebungsaufgaben wahrnimmt. Wie sich jedoch aus Rn. 61 des vorliegenden Urteils ergibt, ist das organbezogene Kriterium zwar ein Indiz für ein Handeln in der Eigenschaft als Gesetzgeber, doch ist es für sich genommen nicht entscheidend. Denn auch der wesentliche Inhalt der Verordnung 2022/2577 selbst ist zu berücksichtigen.
Zur Natur der vom Rat beim Erlass der Verordnung 2022/2577 ausgeübten Befugnisse
– Zur Rechtsgrundlage der Verordnung 2022/2577
67 Die Verordnung 2022/2577 wurde auf der Grundlage von Art. 122 Abs. 1 AEUV erlassen, der zu Kapitel 1 („Die Wirtschaftspolitik“) in Titel VIII des Dritten Teils des AEU-Vertrags gehört.
68 Art. 122 Abs. 1 AEUV bestimmt: „Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission unbeschadet der sonstigen in den Verträgen vorgesehenen Verfahren im Geiste der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten über die der Wirtschaftslage angemessenen Maßnahmen beschließen, insbesondere falls gravierende Schwierigkeiten in der Versorgung mit bestimmten Waren, vor allem im Energiebereich, auftreten.“
69 Daraus folgt, dass Art. 122 Abs. 1 AEUV den Rat ermächtigt, unter bestimmten Umständen „unbeschadet der sonstigen in den Verträgen vorgesehenen Verfahren“ Maßnahmen zu erlassen.
70 Im Übrigen ermächtigt Art. 122 Abs. 1 AEUV den Rat ausdrücklich, angemessene wirtschaftspolitische Maßnahmen zu ergreifen, mit denen gravierenden Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Energieerzeugnissen begegnet werden soll.
71 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass aus Art. 103 EWG-Vertrag, der anschließend zu Art. 122 AEUV wurde, hervorging, dass der Ausdruck „entsprechende Maßnahmen“, dem nunmehr der Ausdruck „angemessene Maßnahmen“ entspricht, darauf hindeutete, dass der Rat auch mit Bezug auf die Form der Maßnahmen je nach Falllage diejenige wählen durfte, die ihm als die geeignetste erschien, und dass Art. 103 Abs. 2 EWG-Vertrag vorbehaltlich des Erfordernisses einstimmiger Beschlussfassung auf die Ausübung der ihm zustehenden Befugnisse durch den Rat verwies, unter Einschluss seiner Befugnis, der Kommission die Durchführung der von ihm getroffenen Regelungen zu übertragen. So hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 103 EWG-Vertrag dem Rat mit der Ermächtigung, über die der Lage entsprechenden Maßnahmen zu entscheiden, ein weites Ermessen eingeräumt hat, das im Einklang mit dem gemeinsamen Interesse auszuüben ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Oktober 1973, Balkan‑Import-Export, 5/73, EU:C:1973:109, Rn. 18).
72 Im Übrigen zeigt sich, dass der Rat bei der Ausübung der Befugnisse, die in Art. 103 Abs. 2 EWG-Vertrag vorgesehen waren und nunmehr in Art. 122 Abs. 1 AEUV bestimmt sind, wenn er in einer in ständiger Entwicklung begriffenen und nahezu unvorhersehbaren Situation gezwungen war, sofort wirkende Maßnahmen zu ergreifen, eine Gesamtwürdigung der Vor- und Nachteile des einzuführenden Systems vornehmen konnte. Außerdem musste der Rat ständig jenen Ausgleich sicherstellen, den etwaige Widersprüche zwischen verschiedenen wirtschaftspolitischen Zielen, wenn sie isoliert betrachtet wurden, erforderlich machen konnten, und gegebenenfalls dem einen oder anderen unter ihnen den zeitweiligen Vorrang einräumen, den die wirtschaftlichen Gegebenheiten oder Umstände geboten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Oktober 1973, Balkan‑Import-Export, 5/73, EU:C:1973:109, Rn. 21 und 24).
73 Somit ergibt sich aus Art. 122 Abs. 1 AEUV, dessen Bestimmungen im Wesentlichen denen des früheren Art. 103 Abs. 2 EWG-Vertrag entsprechen, dass der Rat bei ihrer Durchführung über ein weites Ermessen verfügt, das für die Ausübung der Aufgabe der Gesetzgebung kennzeichnend ist, um Maßnahmen zu erlassen, mit denen gravierenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten begegnet werden soll, die politische Entscheidungen erfordern, die in die Zuständigkeit des Unionsgesetzgebers fallen, da sie eine Abwägung der in Rede stehenden widerstreitenden Interessen auf der Grundlage vielfältiger Beurteilungen implizieren. Dieses weite Ermessen ist dadurch gerechtfertigt, dass dieses Organ bei der Ausübung dieser Aufgabe komplexe Beurteilungen vorzunehmen hat.
74 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Erlass der wesentlichen Vorschriften einer Materie der Zuständigkeit des Unionsgesetzgebers vorbehalten ist. Daraus folgt, dass Bestimmungen, die die wesentlichen Aspekte einer Grundregelung festlegen und deren Erlass politische Entscheidungen erfordert, die in die eigene Zuständigkeit des Unionsgesetzgebers fallen, nicht in Durchführungsrechtsakten erlassen werden können (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 28. Februar 2023, Fenix International, C‑695/20, EU:C:2023:127, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).
75 Außerdem räumt, wie oben aus Rn. 71 hervorgeht, Art. 103 Abs. 2 EWG-Vertrag, der nunmehr durch Art. 122 Abs. 1 AEUV ersetzt wurde, dem Rat die Möglichkeit ein, der Kommission Durchführungsbefugnisse zu übertragen.
76 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 122 Abs. 1 AEUV vorgesehene Möglichkeit, der Kommission die Durchführung der vom Rat erlassenen Regelungen zu übertragen, dem Unionsgesetzgeber vorbehalten ist.
77 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs verfügt der Unionsgesetzgeber nämlich über ein Ermessen, wenn er entscheidet, der Kommission eine Durchführungsbefugnis nach Art. 291 Abs. 2 AEUV zu übertragen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2015, Kommission/Parlament und Rat, C‑88/14, EU:C:2015:499, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).
78 Zudem bestimmt Art. 291 Abs. 2 AEUV hinsichtlich der Übertragung einer Durchführungsbefugnis, dass eine solche Befugnis in entsprechend begründeten Sonderfällen dem Rat mit verbindlichen Rechtsakten der Union übertragen wird, wenn es einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieser Rechtsakte bedarf. Im Rahmen der Ausübung der ihm übertragenen Durchführungsbefugnis hat das betreffende Organ den Inhalt des Gesetzgebungsakts zu präzisieren, um seine Umsetzung unter einheitlichen Bedingungen in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2015, Kommission/Parlament und Rat, C‑88/14, EU:C:2015:499, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).
79 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass sich die Tragweite der nach Art. 122 Abs. 1 AEUV erlassenen Rechtsakte von der Tragweite der gemäß den Art. 290 und 291 AEUV erlassenen Durchführungsrechtsakte und delegierten Rechtsakte unterscheidet.
80 Die dem Rat nach Art. 122 Abs. 1 AEUV übertragenen Befugnisse hängen nämlich im Gegensatz zu delegierten Befugnissen und Durchführungsbefugnissen nicht von einer vorherigen Ermächtigung durch einen grundlegenden Gesetzgebungsakt ab. Im Übrigen sind die nach Art. 122 Abs. 1 AEUV erlassenen Rechtsakte im Gegensatz zu delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten, deren Rechtmäßigkeit von dem abhängt, was der Gesetzgeber vorgesehen hat, nicht untrennbar mit den nach Art. 289 Abs. 1 und 2 AEUV erlassenen Rechtsakten verbunden. Außerdem können zwar auch delegierte Rechtsakte Vorschriften eines Gesetzgebungsakts im Sinne von Art. 289 Abs. 3 AEUV ändern, doch ist darauf hinzuweisen, dass sie nur die „nicht wesentlichen“ Regelungen eines nach Art. 289 AEUV erlassenen Rechtsakts ändern können.
81 Ferner bestimmt Art. 291 Abs. 2 AEUV: „Bedarf es einheitlicher Bedingungen für die Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union, so werden mit diesen Rechtsakten der Kommission oder, in entsprechend begründeten Sonderfällen und in den in den Artikeln 24 und 26 des Vertrags über die Europäische Union vorgesehenen Fällen, dem Rat Durchführungsbefugnisse übertragen.“ Es ist darauf hinzuweisen, dass sich der Wortlaut dieses Artikels nicht auf Gesetzgebungsakte im Sinne von Art. 289 Abs. 3 AEUV bezieht, sondern vielmehr den Gesetzgeber, der verbindliche Rechtsakte erlässt, ermächtigt, der Kommission oder – ausnahmsweise – dem Rat Durchführungsbefugnisse zu übertragen.
– Zum Inhalt der Verordnung 2022/2577
82 Es ist darauf hinzuweisen, dass der Erlass der Verordnung 2022/2577 seinen Ursprung im Kontext des Angriffskriegs der Russischen Föderation gegen die Ukraine und der beispiellosen Verringerung der Erdgaslieferungen aus der Russischen Föderation in die Mitgliedstaaten hat, die die Sicherheit und die Versorgung der Union und ihrer Mitgliedstaaten bedrohen und zu einem drastischen Anstieg der Energiepreise in der Union führen.
83 Wie sich aus dem dritten Erwägungsgrund der Verordnung 2022/2577 ergibt, hielt es der Rat in diesem Zusammenhang, um die Belastung der europäischen Verbraucher und Unternehmen durch hohe und volatile Preise und die dadurch verursachten wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten zu verringern, für angebracht, vorübergehende Sofortmaßnahmen zu ergreifen, um den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen.
84 Vor diesem Hintergrund enthält die Verordnung 2022/2577 Vereinfachungsmaßnahmen zur Förderung der Erzeugung erneuerbarer Energien durch die Einführung von Ausnahmen von bestimmten im Umweltrecht der Union vorgesehenen Prüfungspflichten, insbesondere durch die Straffung der Verfahren zur Erteilung bestimmter Genehmigungen.
85 Wie sich aus ihrem Art. 3 Abs. 1 ergibt, sieht die Verordnung 2022/2577 nämlich eine allgemeine Ausnahme von den in Bestimmungen des abgeleiteten Unionsrechts vorgesehenen Genehmigungsverfahren vor, indem sie die Vermutung aufstellt, dass es sich bei der Tätigkeit der Erzeugung erneuerbarer Energien um ein überwiegendes öffentliches Interesse handelt.
86 Konkret sieht Art. 4 der Verordnung 2022/2577, der Maßnahmen zur Beschleunigung des Verfahrens zur Genehmigungserteilung für die Installation von Solarenergieanlagen enthält, eine spezifische Ausnahme von der Pflicht zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen gemäß der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012, L 26, S. 1) vor.
87 Im Übrigen nimmt Art. 6 der Verordnung 2022/2577 Projekte zur Erzeugung erneuerbarer Energien von der Verpflichtung zur Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92 und von den Bewertungen des Artenschutzes gemäß Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 1992, L 206, S. 7) und gemäß Art. 5 der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. 2010, L 20, S. 7) aus.
88 Um die Ziele der Verordnung 2022/2577 umzusetzen, weichen bestimmte in dieser Verordnung vorgesehene Maßnahmen somit vorübergehend und in bestimmten Punkten von den in den oben in den Rn. 86 und 87 genannten Richtlinien enthaltenen Bestimmungen des abgeleiteten Rechts ab, die vor jeder Genehmigung von Projekten, die die Umwelt schädigen können, eine „Abwägung rechtlicher Interessen“ vorschreiben, da, wie oben in Rn. 85 ausgeführt, die Verordnung 2022/2577 bei dieser Abwägung die Anerkennung des Vorrangs der Erzeugung erneuerbarer Energien vorschreibt.
89 Schließlich sieht Art. 9 der Verordnung 2022/2577 eine Überprüfungsklausel zur Bewertung ihrer Auswirkungen vor, die es der Kommission ermöglicht, eine Verlängerung der Geltungsdauer dieser Verordnung vorzuschlagen, wobei eine solche Klausel mit den üblichen Überprüfungsklauseln vergleichbar ist, die in Rechtsakten vorgesehen sind, die nach einem der in Art. 289 Abs. 1 und 2 AEUV vorgesehenen Gesetzgebungsverfahren erlassen werden.
90 Die Verordnung 2022/2577 stellt somit einen Rechtsakt besonderer Art dar, da sie erstmals die Anerkennung des Vorrangs der Erzeugung erneuerbarer Energien vorsieht, indem sie die Vermutung aufstellt, dass es sich bei der Erzeugung erneuerbarer Energien um ein überwiegendes öffentliches Interesse handelt, und damit von den im abgeleiteten Recht vorgesehenen allgemeinen Genehmigungsverfahren abweicht, die Verpflichtungen hinsichtlich einer Umweltprüfung enthalten.
Ergebnis
91 Aus dem Vorstehenden ergibt sich erstens, dass der Rat beim Erlass der in der Verordnung 2022/2577 enthaltenen Maßnahmen von dem ihm nach Art. 122 Abs. 1 AEUV eingeräumten weiten Ermessen Gebrauch gemacht hat, das für das Handeln in der Eigenschaft als Gesetzgeber im Sinne der Aarhus-Verordnung kennzeichnend ist. Der Rat, der in einer in ständiger Entwicklung begriffenen und unvorhersehbaren Situation gezwungen war, sofort wirkende Maßnahmen zu ergreifen, hat nämlich eine Gesamtwürdigung der Vor- und Nachteile des einzuführenden Systems vorgenommen und für den Ausgleich gesorgt, den etwaige Widersprüche zwischen isoliert betrachteten verschiedenen wirtschaftspolitischen Zielen erforderten, indem er dem einen oder anderen unter ihnen den zeitweiligen Vorrang eingeräumt hat, den die wirtschaftlichen Umstände geboten.
92 Zweitens hängen die dem Rat nach Art. 122 Abs. 1 AEUV übertragenen Sonderbefugnisse nicht von einer vorherigen Ermächtigung durch einen grundlegenden Gesetzgebungsakt ab.
93 Drittens ermächtigt Art. 122 Abs. 1 AEUV den Rat zum Erlass von Rechtsakten, die Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, wobei die Befugnis zum Erlass solcher Maßnahmen dem Unionsgesetzgeber vorbehalten ist.
94 Viertens ändern einige Bestimmungen der Verordnung 2022/2577 darüber hinaus wesentliche Regelungen von Bestimmungen mehrerer Gesetzgebungsakte – im Sinne des AEU-Vertrags – des Unionsrechts. Somit ist die Verordnung 2022/2577 in der Normenhierarchie gegenüber bestimmten Gesetzgebungsakten im Sinne des AEU-Vertrags, nämlich der Richtlinie 2011/92, der Richtlinie 92/43 und der Richtlinie 2009/147, von denen sie abweicht, nicht untergeordnet.
95 Fünftens stellt der Umstand, dass die Verordnung 2022/2577 auf der Grundlage von Art. 122 Abs. 1 AEUV vom Rat und nicht von der Kommission erlassen wurde, einen zusätzlichen Aspekt dar, der belegen kann, dass diese Verordnung kein Durchführungsrechtsakt ist, sondern ein vom Rat als Gesetzgeber erlassener Rechtsakt.
96 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass es eine Reihe von Anhaltspunkten gibt, die belegen können, dass die Befugnisse, die der Rat beim Erlass der Verordnung 2022/2577 auf der Grundlage von Art. 122 Abs. 1 AEUV ausgeübt hat, für die Zwecke der Anwendung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Aarhus-Verordnung zur Gesetzgebungstätigkeit gehören.
97 Folglich stellt die Verordnung 2022/2577 keinen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Aarhus-Verordnung dar.
98 Daher hat der Rat den Antrag der Kläger auf interne Überprüfung der Verordnung 2022/2577 zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.
99 Der zweite und der dritte Teil des ersten Klagegrundes sind daher als unbegründet zurückzuweisen.
Zum vierten Teil des ersten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 289 Abs. 1 bis 3 AEUV und den Grundsatz der Rechtssicherheit
100 Die Kläger machen geltend, selbst wenn die Verordnung 2022/2577 keinen Verwaltungsakt im Sinne der Aarhus-Verordnung darstellen sollte, dann verstoße dies gegen Art. 289 AEUV. Hierzu tragen sie im Wesentlichen vor, dass der Begriff „Rechtsakt mit Gesetzescharakter“ im Sinne dieser Verordnung ein formaler Begriff sei, der durch das Verfahren zum Erlass des betreffenden Rechtsakts definiert werde. Es stehe daher fest, dass die Verordnung 2022/2577 kein Gesetzgebungsakt im Sinne der Aarhus-Verordnung sei, da dieser Rechtsakt nicht nach einem der in Art. 289 Abs. 1 und 2 AEUV genannten Gesetzgebungsverfahren erlassen worden sei.
101 Der Rat, unterstützt durch die Kommission, tritt dem Vorbringen der Kläger entgegen.
102 Dieser Teil ist als ins Leere gehend zurückzuweisen. Denn es steht fest, dass die Verordnung 2022/2577 nicht nach einem der in Art. 289 Abs. 1 und 2 AEUV vorgesehenen Gesetzgebungsverfahren erlassen wurde. Wie sich jedoch aus der Prüfung des zweiten und des dritten Teils des ersten Klagegrundes ergibt, kann der Begriff „Verwaltungsakt“ in der Aarhus-Verordnung nicht durch das Verfahren zum Erlass des betreffenden Rechtsakts definiert werden.
103 Folglich ist der vierte Teil des ersten Klagegrundes und damit der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.
104 Da der erste Klagegrund unbegründet ist und der Rat den Antrag auf interne Überprüfung der Verordnung 2022/2577 zu Recht als unzulässig zurückgewiesen hat, gehen der zweite, der dritte, der vierte und der fünfte Klagegrund, mit denen die Zurückweisung dieses Überprüfungsantrags in der Sache beanstandet werden soll, ins Leere und sind daher zurückzuweisen.
105 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Unionsgerichte insbesondere aus Gründen einer effizienten Rechtspflege davon absehen können, die Stichhaltigkeit von Klagegründen zu prüfen, die als unzulässig oder ins Leere gehend zurückzuweisen sind (Urteil vom 29. September 2022, HIM/Kommission, C‑500/21 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2022:741, Rn. 73).
106 Folglich ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Kosten
107 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag des Rates ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates aufzuerlegen.
108 Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Kommission trägt daher ihre eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Föreningen Svenskt Landskapsskydd und die weiteren im Anhang namentlich aufgeführten Kläger tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates der Europäischen Union.
3. Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.
Truchot
Kanninen
Sampol Pucurull
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. November 2025.
Unterschriften