T-449/14 – Nexans France und Nexans/ Kommission

T-449/14 – Nexans France und Nexans/ Kommission

Language of document : ECLI:EU:T:2018:456

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

12. Juli 2018()

„Wettbewerb – Kartelle – Europäischer Markt für Stromkabel – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV festgestellt wird – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Rechtswidrigkeit der Nachprüfungsentscheidung – Angemessene Frist – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit – Gesamtschuldnerische Haftung für die Zahlung der Geldbuße – Hinreichender Beweis für die Zuwiderhandlung – Dauer der Zuwiderhandlung – Geldbußen – Verhältnismäßigkeit – Gleichbehandlung – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung“

In der Rechtssache T‑449/14

Nexans France SAS mit Sitz in Courbevoie (Frankreich),

Nexans SA mit Sitz in Courbevoie,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt G. F. Forwood sowie M. Powell, A. Rogers und A. Oh, Solicitors,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch C. Giolito, H. van Vliet und A. Biolan, dann durch C. Giolito und H. van Vliet als Bevollmächtigte im Beistand von B. Doherty, Barrister,

Beklagte,

wegen eines auf Art. 263 AEUV gestützten Antrags auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2014) 2139 final der Kommission vom 2. April 2014 in einem Verfahren nach Artikel [101 AEUV] sowie nach Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache AT.39610 – Stromkabel), soweit er die Klägerinnen betrifft, und auf Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbußen

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. M. Collins, der Richterin M. Kancheva (Berichterstatterin) und des Richters R. Barents,

Kanzler: C. Heeren, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2017

folgendes

Urteil

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

A.      Klägerinnen und betroffene Branche

1        Bei den Klägerinnen, Nexans France SAS und deren Muttergesellschaft Nexans SA, handelt es sich um französische Gesellschaften, die in der Herstellung und Lieferung von unter der Erde sowie unter Wasser verlegten Stromkabeln (im Folgenden: Erd- und Unterwasserkabel) tätig sind.

2        Erd- und Unterwasserkabel werden zur unterirdischen bzw. unterseeischen Übertragung und Verteilung von Strom verwendet. Sie werden in drei Kategorien eingeordnet: Niederspannung, Mittelspannung und Hoch- bzw. Höchstspannung. Hoch- und Höchstspannungskabel werden vorwiegend im Rahmen von Projekten verkauft, die sowohl die Lieferung des Stromkabels nebst Zusatzausrüstung als auch die Verlegung und die weiteren erforderlichen Dienstleistungen beinhalten. Die Kabel werden weltweit an große nationale Netzbetreiber und andere Stromversorgungsunternehmen verkauft, meist im Rahmen von Ausschreibungen.

B.      Verwaltungsverfahren

3        Mit Schreiben vom 17. Oktober 2008 übermittelte die schwedische Gesellschaft ABB AB der Kommission der Europäischen Gemeinschaften eine Reihe von Erklärungen und Unterlagen über wettbewerbsbeschränkende Geschäftspraktiken in der Branche der Herstellung und Lieferung von Erd- und Unterwasserkabeln. Diese Erklärungen und Unterlagen wurden im Rahmen eines Antrags auf Erlass der Geldbußen im Sinne der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2006, C 298, S. 17, im Folgenden: Kronzeugenregelung) eingereicht.

4        Vom 28. Januar bis zum 3. Februar 2009 nahm die Kommission infolge der Erklärungen von ABB Nachprüfungen in den Räumlichkeiten der Prysmian SpA, der Prysmian Cavi e Sistemi Energia Srl und der Klägerinnen vor.

5        Am 2. Februar 2009 stellten die japanischen Gesellschaften Sumitomo Electric Industries Ltd, Hitachi Cable Ltd und J‑Power Systems Corp. einen gemeinsamen Antrag auf Erlass der Geldbuße nach Rn. 14 der Kronzeugenregelung, hilfsweise auf Herabsetzung der Geldbuße nach Rn. 27 dieser Regelung. In der Folge gaben sie gegenüber der Kommission weitere mündliche Erklärungen ab und übermittelten ihr weitere Unterlagen.

6        Im Laufe der Untersuchung sandte die Kommission mehrere Auskunftsverlangen nach Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) und Rn. 12 der Kronzeugenregelung an Unternehmen der Branche der Herstellung und Lieferung von Erd- und Unterwasserkabeln.

7        Am 30. Juni 2011 leitete die Kommission ein Verfahren ein und nahm eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an, die an folgende Rechtssubjekte gerichtet war: Pirelli & C. SpA, Prysmian Cavi e Sistemi Energia, Prysmian, The Goldman Sachs Group, Inc., Sumitomo Electric Industries, Hitachi Cable, J‑Power Systems, Furukawa Electric Co. Ltd, Fujikura Ltd, Viscas Corp., SWCC Showa Holdings Co. Ltd, Mitsubishi Cable Industries Ltd, Exsym Corp., ABB, ABB Ltd, Brugg Kabel AG, Kabelwerke Brugg AG Holding, nkt cables GmbH, NKT Holding A/S, Silec Cable SAS, Grupo General Cable Sistemas, SA, Safran SA, General Cable Corp., LS Cable & System Ltd, Taihan Electric Wire Co. Ltd und die Klägerinnen.

8        Vom 11. bis 18. Juni 2012 nahmen alle Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte, mit Ausnahme von Furukawa Electric, an einer Verwaltungsanhörung vor der Kommission teil.

9        Mit Urteilen vom 14. November 2012, Nexans France und Nexans/Kommission (T‑135/09, EU:T:2012:596), und vom 14. November 2012, Prysmian und Prysmian Cavi e Sistemi Energia/Kommission (T‑140/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:597), erklärte das Gericht die zum einen an die Klägerinnen, zum anderen an Prysmian und Prysmian Cavi e Sistemi Energia gerichteten Nachprüfungsentscheidungen teilweise für nichtig, soweit sie andere Stromkabel als Hochspannungsunterwasser- und ‑erdkabel und das zu diesen anderen Kabeln gehörende Material betrafen; im Übrigen wurden die Klagen abgewiesen. Am 24. Januar 2013 legten die Klägerinnen ein Rechtsmittel gegen das erstgenannte Urteil ein. Mit Urteil vom 25. Juni 2014, Nexans und Nexans France/Kommission (C‑37/13 P, EU:C:2014:2030), wies der Gerichtshof dieses Rechtsmittel zurück.

10      Am 2. April 2014 erließ die Kommission den Beschluss C(2014) 2139 final in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] sowie nach Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache AT.39610 – Stromkabel) (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

C.      Angefochtener Beschluss

1.      In Rede stehende Zuwiderhandlung

11      Nach Art. 1 des angefochtenen Beschlusses haben sich mehrere Unternehmen in unterschiedlichen Zeiträumen an einer einzigen und fortdauernden Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV „in Bezug auf Erd- und/oder Unterwasserkabel für Hoch- und Höchstspannung“ beteiligt. Im Wesentlichen hat die Kommission festgestellt, die führenden europäischen, japanischen und südkoreanischen Hersteller von Unterwasser- und Erdkabeln hätten sich von Februar 1999 bis Ende Januar 2009 an einem Netz zwei- und mehrseitiger Zusammenkünfte beteiligt und Kontakte hergestellt, die darauf abgezielt hätten, bei Projekten im Zusammenhang mit Hoch- und Höchstspannungserd- und ‑unterwasserkabeln in bestimmten Gebieten den Wettbewerb einzuschränken, indem sie sich auf die Aufteilung von Märkten und Kunden verständigt und damit den normalen Wettbewerbsprozess verfälscht hätten (Erwägungsgründe 10 bis 13 und 66 des angefochtenen Beschlusses).

12      Das Kartell habe aus zwei Hauptkonfigurationen bestanden, die ein Gesamtkartell gebildet hätten. Konkreter habe das Kartell aus zwei Teilen bestanden:

–        der „A/R-Kartellkonfiguration“, zu der die im Allgemeinen als „R‑Mitglieder“ bezeichneten europäischen Unternehmen, die als „A‑Mitglieder“ bezeichneten japanischen Unternehmen und die als „K‑Mitglieder“ bezeichneten südkoreanischen Unternehmen gehört hätten. Diese Konfiguration habe dem Ziel gedient, Gebiete und Kunden unter den europäischen, japanischen und südkoreanischen Herstellern aufzuteilen. Die Aufteilung sei gemäß einer Absprache über das „Heimatgebiet“ erfolgt, nach der die japanischen und die südkoreanischen Hersteller bei Projekten im „Heimatgebiet“ der europäischen Hersteller von Geboten abgesehen hätten, während letztere Hersteller auf den japanischen und den südkoreanischen Markt verzichtet hätten. Hinzugekommen sei die Aufteilung von Projekten in den „Ausfuhrgebieten“ – d. h. der restlichen Welt mit Ausnahme namentlich der Vereinigten Staaten –, für die über einen bestimmten Zeitraum eine „60/40‑Quote“ gegolten habe, was bedeutet habe, dass 60 % der Projekte den europäischen Herstellern und die übrigen 40 % den asiatischen Herstellern vorbehalten worden seien;

–        der „europäischen Kartellkonfiguration“, die die Aufteilung von Gebieten und Kunden durch die europäischen Hersteller bei Projekten im europäischen „Heimatgebiet“ bzw. bei den europäischen Herstellern zugeteilten Projekten vorgesehen habe (vgl. Abschnitt 3.3 des angefochtenen Beschlusses, insbesondere dessen Erwägungsgründe 73 und 74).

13      Die Kartellteilnehmer hätten sich zum Austausch von Informationen verpflichtet, um die Einhaltung der Aufteilungsvereinbarungen überwachen zu können (Erwägungsgründe 94 bis 106 und 111 bis 115 des angefochtenen Beschlusses).

14      Mit Rücksicht auf ihre jeweilige Rolle bei der Verwirklichung des Kartells teilte die Kommission die verschiedenen Kartellteilnehmer in drei Gruppen ein. Zunächst definierte sie die Kerngruppe des Kartells, zu der zum einen die europäischen Unternehmen Nexans France, die nacheinander am Kartell beteiligten Tochterunternehmen von Pirelli & C., vormals Pirelli SpA (im Folgenden: Pirelli), und Prysmian Cavi e Sistemi Energia, zum anderen die japanischen Unternehmen Furukawa Electric, Fujikura und ihr Gemeinschaftsunternehmen Viscas sowie Sumitomo Electric Industries, Hitachi Cable und ihr Gemeinschaftsunternehmen J‑Power Systems gehört hätten (Erwägungsgründe 545 bis 561 des angefochtenen Beschlusses). Sodann bezeichnete die Kommission eine Gruppe von Unternehmen, die nicht zur Kerngruppe gehört hätten, aber auch nicht als Randbeteiligte des Kartells angesehen werden könnten; hierzu zählte sie ABB, Exsym, Brugg Kabel und das von der Sagem SA, Safran und Silec Cable gebildete Konsortium (Erwägungsgründe 562 bis 575 des angefochtenen Beschlusses). Schließlich betrachtete die Kommission Mitsubishi Cable Industries, SWCC Showa Holdings, LS Cable & System, Taihan Electric Wire und nkt cables als Randbeteiligte des Kartells (Erwägungsgründe 576 bis 594 des angefochtenen Beschlusses).

2.      Verantwortlichkeit der Klägerinnen

15      Nexans France wurde für die unmittelbare Beteiligung an der Zuwiderhandlung im Zeitraum vom 13. November 2000 bis zum 28. Januar 2009 verantwortlich gemacht. Nexans wurde für haftbar erklärt, weil sie vom 12. Juni 2001 bis zum 28. Januar 2009 die Muttergesellschaft von Nexans France gewesen sei (Erwägungsgründe 712 und 714 des angefochtenen Beschlusses).

3.      Verhängte Geldbußen

16      In Art. 2 Buchst. c und d des angefochtenen Beschlusses wird gegen Nexans France (für den Zeitraum vom 13. November 2000 bis zum 11. Juni 2001) eine Geldbuße von 4 903 000 Euro sowie „gesamtschuldnerisch“ gegen Nexans France und Nexans (für den Zeitraum vom 12. Juni 2001 bis zum 28. Januar 2009) eine Geldbuße von 65 767 000 Euro verhängt.

17      Zur Bemessung der Höhe der Geldbußen wandte die Kommission Art. 23 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1/2003 und die in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß [dieser Vorschrift] (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006 für die Festsetzung von Geldbußen) dargelegte Methode an.

18      Was erstens den Grundbetrag der Geldbußen anging, ermittelte die Kommission zunächst nach Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 für die Festsetzung von Geldbußen den angemessenen Umsatz (Erwägungsgründe 963 bis 994 des angefochtenen Beschlusses) und setzte dann gemäß den Ziff. 22 und 23 dieser Leitlinien den die Schwere der Zuwiderhandlung widerspiegelnden Anteil an diesem Umsatz fest. Insoweit war sie der Auffassung, dass die Zuwiderhandlung ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Wettbewerbsverstößen gehöre, weshalb für ihre Schwere ein Prozentsatz von 15 % angemessen sei. Zudem erhöhte sie den schwerebezogenen Prozentsatz aufgrund des kumulierten Marktanteils und der fast weltweiten, u. a. den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) umfassenden Ausdehnung des Kartells für alle Adressaten um 2 %. Im Übrigen ging sie davon aus, dass das Verhalten der europäischen Unternehmen für den Wettbewerb schädlicher gewesen sei als dasjenige der anderen Unternehmen, da die europäischen Unternehmen über ihre Beteiligung an der „A/R-Kartellkonfiguration“ hinaus auch im Rahmen der „europäischen Kartellkonfiguration“ Kabelprojekte unter sich aufgeteilt hätten. Daher setzte sie den aufgrund der Schwere der Zuwiderhandlung zu berücksichtigenden Umsatzanteil für die europäischen Unternehmen auf 19 % und für die anderen Unternehmen auf 17 % fest (Erwägungsgründe 997 bis 1010 des angefochtenen Beschlusses).

19      Als Multiplikator für die Dauer der Zuwiderhandlung legte die Kommission in Bezug auf Nexans France für den Zeitraum vom 13. November 2000 bis zum 28. Januar 2009 die Zahl 8,16 und in Bezug auf Nexans für den Zeitraum vom 2. Juni 2001 bis zum 28. Januar 2009 die Zahl 7,58 zugrunde. Außerdem rechnete sie für Nexans France zum Grundbetrag der Geldbußen einen zusätzlichen Betrag („Eintrittsgebühr“) in Höhe von 19 % des Umsatzes hinzu. Der so errechnete Betrag belief sich auf 70 670 000 Euro (Erwägungsgründe 1011 bis 1016 des angefochtenen Beschlusses).

20      Was zweitens die Anpassungen des Grundbetrags der Geldbußen anging, stellte die Kommission außer im Fall von ABB keine erschwerenden Umstände fest, die den Grundbetrag der gegen die Kartellteilnehmer jeweils festgesetzten Geldbuße hätten beeinflussen können. Im Bereich der mildernden Umstände entschied sie hingegen, die jeweilige Rolle der verschiedenen Unternehmen bei der Verwirklichung des Kartells in die Höhe der Geldbußen einfließen zu lassen. So verringerte sie den Grundbetrag der Geldbuße gegen die Randbeteiligten des Kartells um 10 % und den Grundbetrag der Geldbuße gegen die Unternehmen, die sich in mittlerem Ausmaß am Kartell beteiligt hatten, um 5 %. Ferner gewährte sie Mitsubishi Cable Industries und SWCC Showa Holdings – für den Zeitraum vor der Gründung von Exsym – sowie LS Cable & System und Taihan Electric Wire eine zusätzliche Ermäßigung in Höhe von 1 %, da sie von bestimmten Teilen der einzigen und fortdauernden Zuwiderhandlung keine Kenntnis gehabt hätten und dafür nicht verantwortlich seien. Den zur Kerngruppe des Kartells gehörenden Unternehmen, einschließlich der Klägerinnen, wurde hingegen keinerlei Verringerung des Grundbetrags der Geldbuße gewährt (Erwägungsgründe 1017 bis 1020 des angefochtenen Beschlusses). Überdies gewährte die Kommission Mitsubishi Cable Industries in Anwendung der Leitlinien von 2006 für die Festsetzung von Geldbußen eine zusätzliche Ermäßigung in Höhe von 3 % der gegen sie verhängten Geldbuße wegen wirksamer Mitarbeit außerhalb des Anwendungsbereichs der Kronzeugenregelung (1041. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

II.    Verfahren und Anträge der Parteien

21      Die Klägerinnen haben mit Klageschrift, die am 17. Juni 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

22      Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 seiner Verfahrensordnung hat das Gericht (Achte Kammer) den Parteien Fragen zur schriftlichen Beantwortung gestellt und die Kommission zur Vorlage bestimmter Schriftstücke aufgefordert.

23      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts gemäß Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung ist die Berichterstatterin der Achten Kammer (neue Besetzung) zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist.

24      Die Parteien haben die Fragen des Gerichts fristgerecht beantwortet. Die Kommission hat eines der erbetenen Schriftstücke vorgelegt und beantragt, ihr die Vorlage der anderen vom Gericht erbetenen Schriftstücke – nämlich der Abschriften der mündlichen Erklärungen, die J‑Power Systems im Rahmen ihres zusammen mit Hitachi Cable und Sumitomo Electric Industries gestellten gemeinsamen Antrags auf Erlass der Geldbußen abgegeben hatte – im Wege einer Beweiserhebung aufzugeben. Mit Beweisbeschluss vom 17. Januar 2017 hat der Präsident der Achten Kammer des Gerichts der Kommission aufgegeben, die betreffenden Abschriften vorzulegen. Die Kommission ist diesem Beweisbeschluss am 24. Januar 2017 nachgekommen.

25      Das Gericht hat auf Bericht der Berichterstatterin beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. In der Sitzung vom 21. März 2017 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

26      Die Klägerinnen beantragen,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit er auf bei Nexans France widerrechtlich in Besitz genommene Schriftstücke gestützt ist;

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit darin festgestellt wird, dass Nexans France vor dem 22. Februar 2001 an einer Zuwiderhandlung teilgenommen habe;

–        die gegen sie verhängten Geldbußen auf einen Betrag herabzusetzen, der einer kürzeren Dauer und einem geringeren Schweregrad der Zuwiderhandlung entspricht;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

27      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

III. Entscheidungsgründe

28      Die Klägerinnen beantragen sowohl die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses als auch die Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbußen.

29      Mit ihren Anträgen auf Nichtigerklärung begehren sie die vollständige oder teilweise Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit dieser zum einen auf Schriftstücken beruht, die bei Nexans France widerrechtlich in Besitz genommen worden seien, und zum anderen die Feststellung enthält, dass Nexans France vor dem 22. Februar 2001 an einer Zuwiderhandlung teilgenommen habe.

30      Die Klägerinnen stützen ihre Nichtigkeitsanträge auf zwei Klagegründe. Mit dem ersten rügen sie einen Verstoß gegen Art. 20 Abs. 2 bis 4 der Verordnung Nr. 1/2003, eine Verletzung der Entscheidung der Kommission vom 9. Januar 2009 (im Folgenden: Nachprüfungsentscheidung) und der Verteidigungsrechte sowie einen Verstoß gegen Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta); mit dem zweiten machen sie einen Beurteilungsfehler bei der Festsetzung des Zeitpunkts geltend, von dem an sich Nexans France am Kartell beteiligt habe.

31      Mit ihrem Antrag auf Herabsetzung der ihnen auferlegten Geldbußen wollen sie erreichen, dass das Gericht die Beurteilung der Kommission durch seine eigene ersetzt, um die Fehler zu berücksichtigen, die Letzterer bei der Bemessung dieser Geldbußen in Bezug auf die Dauer der Beteiligung von Nexans France an der Zuwiderhandlung und auf deren Schweregrad unterlaufen seien.

32      Zur Begründung ihres Antrags auf Herabsetzung der ihnen auferlegten Geldbußen machen die Klägerinnen außer dem im Rahmen des zweiten Klagegrundes gerügten Fehler der Kommission hinsichtlich der Dauer der Zuwiderhandlung einen speziellen Klagegrund geltend, mit dem sie einen offensichtlichen Beurteilungsfehler sowie Verletzungen der Begründungspflicht und des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Bestimmung des Schweregrades zur Berechnung der Geldbußen rügen.

A.      Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung

1.      Zum ersten Klagegrund: Fehlen einer Rechtsgrundlage, Verletzung der Nachprüfungsentscheidung und der Verteidigungsrechte sowie Verstoß gegen Art. 20 Abs. 2 bis 4 der Verordnung Nr. 1/2003 und gegen Art. 7 der Charta

33      Die Klägerinnen tragen vor, dass bestimmte Maßnahmen der Kommission anlässlich der unangekündigten Nachprüfung, die sie vom 28. bis zum 30. Januar und am 3. Februar 2009 aufgrund der Nachprüfungsentscheidung hätten dulden müssen, rechtswidrig seien und dass die Informationen, die die Kommission in diesem Rahmen erlangt habe, im Verwaltungsverfahren nicht hätten zugelassen und im angefochtenen Beschluss nicht hätten berücksichtigt werden dürfen.

34      Die Klägerinnen werfen den Inspektoren der Kommission in diesem Kontext vor, Kopien mehrerer Zusammenstellungen von E‑Mails, die auf den Computern von Herrn J. und Herrn R. entdeckt worden seien, sowie eine Kopie der gesamten Festplatte des Computers von Herrn J. angefertigt und diese Kopien mitgenommen zu haben, um sie später in den Räumlichkeiten der Kommission in Brüssel (Belgien) auf für die Untersuchung relevante Angaben zu durchsuchen (im Folgenden: streitige Maßnahmen).

35      Erstens hätten die Bediensteten der Kommission damit die ihnen nach Art. 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 zustehenden Befugnisse überschritten. Diese Bediensteten dürften nach Art. 20 Abs. 2 Buchst. c dieser Verordnung keine Schriftstücke beschlagnahmen oder kopieren, wenn sie diese nicht zuvor geprüft hätten. Andernfalls könnte die Kommission eine Nachprüfung darauf beschränken, einfach das gesamte EDV-System eines Unternehmens samt zahlreicher für die Untersuchung völlig irrelevanter Dokumente zu kopieren, um diese Kopie in ihren Räumlichkeiten in Brüssel nach Belieben zu prüfen.

36      Zweitens habe sich die Kommission dadurch, dass sie diese Daten kopiert habe, um sie später in ihren eigenen Räumlichkeiten in Brüssel zu prüfen, über die Voraussetzungen der Nachprüfungsentscheidung hinweggesetzt, die den räumlichen Geltungsbereich der Nachprüfung auf die Geschäftsräume von Nexans beschränkt habe.

37      Drittens seien die Verteidigungsrechte der Klägerinnen durch die streitigen Maßnahmen insofern verletzt worden, als diese sie bei der Wahrnehmung ihrer Interessen beeinträchtigt hätten. Durch die Verlängerung der Nachprüfung um anderthalb Monate seien sie nämlich daran gehindert worden, ernsthaft zu prüfen, ob es angezeigt sei, einen Antrag auf Erlass der Geldbußen zu stellen, da es ihnen in diesem Zeitraum nicht möglich gewesen sei, zu beurteilen, welchen „erheblichen Mehrwert“ sie gegenüber den bereits im Besitz der Kommission befindlichen Beweismitteln beibringen könnten.

38      Viertens hätte die Kommission, da die Nachprüfung vorliegend zwar in Frankreich begonnen, aber in Belgien fortgeführt worden sei, die belgische Wettbewerbsbehörde gemäß Art. 20 Abs. 3 und 4 der Verordnung Nr. 1/2003 von der Fortsetzung der Nachprüfung in diesem Land unterrichten müssen.

39      Fünftens gehöre das massenhafte Kopieren von Daten, in die die Kommission zuvor keinen Einblick genommen habe, nicht zu deren Befugnissen nach der Verordnung Nr. 1/2003 und stelle daher einen willkürlichen und unverhältnismäßigen Eingriff in die durch Art. 7 der Charta geschützte Privatsphäre dar.

40      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

41      Vor einer Prüfung des Vorbringens der Parteien ist kurz auf den Verlauf der von den Kommissionsbediensteten in den Geschäftsräumen der Klägerinnen durchgeführten Nachprüfung einzugehen.

a)      Zum Verlauf der Nachprüfung

42      Wie aus dem Urteil vom 14. November 2012, Nexans France und Nexans/Kommission (T‑135/09, EU:T:2012:596), hervorgeht, begaben sich die Inspektoren der Kommission in Begleitung der französischen Wettbewerbsbehörde am 28. Januar 2009 in die Geschäftsräume von Nexans France in Clichy (Frankreich), um eine Nachprüfung nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 durchzuführen. Sie hatten dem Unternehmen die an „Nexans und alle von ihr unmittelbar oder mittelbar kontrollierten Unternehmen, einschließlich Nexans France“ gerichtete Nachprüfungsentscheidung sowie die Erläuterungen zu den Nachprüfungen mitgeteilt.

43      Die Inspektoren baten darum, die Unterlagen und Computer bestimmter Mitarbeiter von Nexans France prüfen zu dürfen. Dabei handelte es sich um Herrn R. (stellvertretender Generaldirektor und Marketingleiter – Abteilung Hochspannung), Herrn B. (Generaldirektor – Abteilung Hochspannung) und Herrn J. (Verkaufs- und Marketingleiter im Geschäftsbereich Hochspannung terrestrisch). Den Inspektoren wurde mitgeteilt, dass sich Herr J. im Urlaub befinde und seinen Computer mitgenommen habe und erst am 30. Januar 2009 zurückkehre.

44      Die Inspektoren prüften zunächst in Papierform vorliegende Unterlagen in den Büros der Herren R., B. und J. sowie im Büro von deren gemeinsamer Assistentin. Anschließend brachten sie die Computer der Herren R., B. und D. (Projektleiter – Abteilung Hochspannung) in den ihnen zur Verfügung gestellten Besprechungsraum. Mit Hilfe forensischer Informationstechnologie (im Folgenden: FIT) erstellten sie Bildkopien von den Festplatten dieser Computer und bereiteten sie für eine Indexierung vor, die am nächsten Tag abgeschlossen werden sollte. Am Ende des ersten Tages der Nachprüfung wurden das Büro von Herrn J. und der den Inspektoren zur Verfügung gestellte Besprechungsraum versiegelt. Am zweiten Tag der Nachprüfung wurde die Suche nach Informationen in diesen Kopien fortgesetzt. Am Ende des Tages wurde der ihnen zur Verfügung gestellte Besprechungsraum erneut versiegelt.

45      Am dritten Tag der Nachprüfung konnten die Inspektoren den Laptop von Herrn J. nach dessen Rückkehr ins Büro untersuchen. Am Anfang konnte der Inhalt dieses Computers nicht visualisiert werden, jedoch war es mit Hilfe der FIT möglich, die Dateien, Dokumente und E‑Mails einzusehen, die auf seiner Festplatte gelöscht worden waren, und festzustellen, dass sie für die Untersuchung erheblich waren. Die Inspektoren beschlossen, von dieser Festplatte eine Bildkopie herzustellen. In diesem Stadium der Untersuchung hatten sie aber nicht mehr genügend Zeit, um eine solche Kopie anzufertigen. Sie beschlossen daher, ausgewählte Daten auf Datenaufzeichnungsgeräte zu kopieren, die sie nach Brüssel mitnehmen wollten. Es handelte sich um zwei Zusammenstellungen von E‑Mails, die auf dem Laptop von Herrn J. vorgefunden worden waren und die auf den Datenaufzeichnungsgeräten mit der Bezeichnung JABR 12 und JABR 13 gespeichert wurden. Sie kopierten auch eine Zusammenstellung von auf dem Computer von Herrn R. entdeckten E‑Mails auf zwei Datenaufzeichnungsgeräte mit der Bezeichnung JABR 14 und JABR 15. Diese vier Datenaufzeichnungsgeräte wurden in versiegelte Umschläge gesteckt, die anschließend von einem Vertreter der Klägerinnen unterzeichnet wurden. Die versiegelten Umschläge wurden in die Büros der Kommission in Brüssel gebracht. Der Computer von Herrn J. sowie ein in dessen Büro vorgefundenes Datenaufzeichnungsgerät, das durch ein Passwort gesicherte Dokumente enthielt, wurden in einem Schrank aufbewahrt, der von den Inspektoren versiegelt wurde. Der Inhalt der Festplatten der für die Recherchen verwendeten Computer der Kommission wurde sodann gelöscht, so dass diese Festplatten anschließend keine der während der Nachprüfung verwendeten Dateien mehr enthielten. Die Inspektoren teilten den Klägerinnen mit, dass sie sie über den Zeitpunkt informieren würden, an dem die Nachprüfung fortgesetzt werde. Die Klägerinnen wiesen darauf hin, dass sie es vorzögen, wenn eine etwaige Prüfung der Festplatte des Computers von Herrn J. in den Geschäftsräumen von Nexans France und nicht in den Büros der Kommission stattfände.

46      Die Inspektoren kehrten am Dienstag, dem 3. Februar 2009, in die Geschäftsräume von Nexans France zurück. Sie öffneten den versiegelten Schrank mit dem im Büro von Herrn J. gefundenen Datenaufzeichnungsgerät sowie dem Computer von Herrn J. Sie untersuchten das Datenaufzeichnungsgerät vor Ort, druckten zwei Dokumente aus dem Datenaufzeichnungsgerät aus und behielten diese, woraufhin sie das Datenaufzeichnungsgerät an die Vertreter der Klägerinnen zurückgaben. Anschließend fertigten sie drei Bildkopien von der Festplatte des Computers von Herrn J. an, die sie auf drei Datenaufzeichnungsgeräten speicherten. Die Inspektoren gaben den Vertretern der Klägerinnen eines der drei Datenaufzeichnungsgeräte zurück und legten die beiden anderen in versiegelte Umschläge, die sie nach Brüssel brachten, nachdem sie zur Kenntnis genommen hatten, dass die Klägerinnen die Rechtmäßigkeit dieses Verfahrens beanstandeten. Die Inspektoren wiesen darauf hin, dass die versiegelten Umschläge nur in den Räumlichkeiten der Kommission in Anwesenheit der Vertreter der Klägerinnen geöffnet würden.

47      Am 2. März 2009 wurden die versiegelten Umschläge, die die von der Kommission mitgenommenen Datenaufzeichnungsgeräte enthielten, in Anwesenheit der Anwälte der Klägerinnen in den Büros der Kommission in Brüssel geöffnet. Die in diesen Datenaufzeichnungsgeräten gespeicherten Dokumente wurden geprüft, und die Inspektoren druckten diejenigen Dokumente auf Papier aus, die sie als für die Untersuchung relevant ansahen. Eine zweite Papierkopie dieser Dokumente sowie eine Liste der Dokumente wurde den Anwälten der Klägerinnen übergeben. Die Prüfung aller auf den fraglichen Datenaufzeichnungsgeräten gespeicherten Daten dauerte acht Arbeitstage und wurde am 11. März 2009 abgeschlossen. Das Büro, in dem die Dokumente und die Datenaufzeichnungsgeräte geprüft wurden, wurde in Anwesenheit der Anwälte der Klägerinnen am Ende jedes Arbeitstags versiegelt und am nächsten Tag – ebenfalls in ihrer Anwesenheit – wieder geöffnet. Nach Abschluss dieser Vorgänge wurde der Inhalt der Festplatten der Computer, an denen die Inspektoren der Kommission gearbeitet hatten, gelöscht.

b)      Zum angeblichen Fehlen einer Rechtsgrundlage für die streitigen Maßnahmen

48      Die Klägerinnen machen im Wesentlichen geltend, die Bediensteten der Kommission hätten die dieser nach Art. 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 zustehenden Befugnisse überschritten, als sie eine Bildkopie der Festplatte des Computers von Herrn J. sowie der auf diesem Computer und dem Computer von Herrn R. entdeckten Zusammenstellungen von E‑Mails hergestellt hätten, um diese später in den Räumlichkeiten der Kommission in Brüssel nach für die Untersuchung relevanten Dokumenten zu durchsuchen.

49      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 „[z]ur Anwendung der Artikel [101] und [102] des Vertrags … über die in dieser Verordnung vorgesehenen Befugnisse [verfügt]“.

50      Gemäß Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 kann die Kommission zur Erfüllung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben bei Unternehmen und Unternehmensvereinigungen alle erforderlichen Nachprüfungen vornehmen.

51      Die Befugnisse der Kommission bei Nachprüfungen sind in Art. 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 namentlich wie folgt geregelt:

„Die mit den Nachprüfungen beauftragten Bediensteten der Kommission und die anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen sind befugt,

b)       die Bücher und sonstigen Geschäftsunterlagen, unabhängig davon, in welcher Form sie vorliegen, zu prüfen;

c)       Kopien oder Auszüge gleich welcher Art aus diesen Büchern und Unterlagen anzufertigen oder zu erlangen;

d)       betriebliche Räumlichkeiten und Bücher oder Unterlagen jeder Art für die Dauer und in dem Ausmaß zu versiegeln, wie es für die Nachprüfung erforderlich ist;

…“

52      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Bediensteten der Kommission bei der Verwendung der FIT im Rahmen von Nachprüfungen eine Bildkopie der Festplatte eines Computers oder eine Kopie der auf einem digitalen Datenträger gespeicherten Daten anfertigen. Wie die Kommission nämlich in ihren Schriftsätzen ohne Widerspruch seitens der Klägerinnen darlegt, besteht die Verwendung dieser Technologie darin, dass auf der Festplatte eines Computers oder auf einem anderen digitalen Datenträger mit Hilfe einer besonderen Software anhand von Stichworten nach den für den Gegenstand der Nachprüfung relevanten Informationen gesucht wird. Für diese Recherche muss zunächst eine sogenannte „Indexierung“ vorgenommen werden, wobei die Software sämtliche Buchstaben und Wörter auf der Festplatte eines Computers oder auf einem anderen digitalen Datenträger, der Gegenstand der Nachprüfung ist, in einen Katalog aufnimmt. Die Dauer der Indexierung hängt vom Umfang des betreffenden digitalen Datenträgers ab, dies nimmt jedoch im Allgemeinen viel Zeit in Anspruch. Die Bediensteten der Kommission fertigen deshalb normalerweise eine Kopie der Daten an, die sich auf dem digitalen Datenträger des der Nachprüfung unterworfenen Unternehmens befinden, um die dort gespeicherten Daten zu indexieren. Bei der Festplatte eines Computers kann diese Kopie die Form einer Bildkopie annehmen. Mit Hilfe dieser Bildkopie lässt sich eine exakte Kopie des Inhalts der der Nachprüfung unterzogenen Festplatte mit allen Daten herstellen, die sich beim Kopiervorgang auf dieser Festplatte befinden, einschließlich der scheinbar gelöschten Dateien.

53      In diesem Zusammenhang ist erstens festzustellen, dass die Herstellung einer Kopie der Daten, die auf einem digitalen Datenträger des der Nachprüfung unterzogenen Unternehmens gespeichert sind, zu den der Kommission nach Art. 20 Abs. 2 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 1/2003 zustehenden Befugnissen gehört, da diese Kopie, wie oben in Rn. 52 dargelegt, zum Zweck der Indexierung angefertigt wird und mit Hilfe dieser Indexierung anschließend nach für die Untersuchung relevanten Daten gesucht werden soll.

54      Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen ist Art. 20 Abs. 2 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 1/2003 nämlich nicht zu entnehmen, dass die Befugnis der Kommission, Kopien oder Auszüge aus den Büchern und Geschäftsunterlagen eines überprüften Unternehmens anzufertigen oder zu erlangen, auf die von ihr bereits kontrollierten Bücher und Geschäftsunterlagen beschränkt wäre.

55      Außerdem könnte eine solche Auslegung die praktische Wirksamkeit von Art. 20 Abs. 2 Buchst. b dieser Verordnung beeinträchtigen, da die Kontrolle der Bücher und Geschäftsunterlagen des überprüften Unternehmens unter bestimmten Umständen die vorherige Anfertigung von Kopien dieser Bücher oder Unterlagen erforderlich machen oder wie im vorliegenden Fall durch eine solche Anfertigung erleichtert werden kann.

56      Es ist daher festzustellen, dass die Bediensteten der Kommission die Bildkopie der Festplatte des Computers von Herrn J. sowie Kopien der auf diesem Computer und auf dem Computer von Herrn R. entdeckten Zusammenstellungen von E‑Mails bei ihrer Anwendung der FIT angefertigt haben, mit deren Hilfe nach den für die Untersuchung relevanten Informationen gesucht werden sollte, so dass die Anfertigung dieser Kopien von den Befugnissen nach Art. 20 Abs. 2 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 1/2003 gedeckt war.

57      Soweit die Argumentation der Klägerinnen zweitens dahin verstanden werden sollte, dass sie den Bediensteten der Kommission den Vorwurf machen, diese hätten die Kopien der auf dem Computer von Herrn R. und dem Computer von Herrn J. entdeckten Zusammenstellungen von E‑Mails sowie die Bildkopie der Festplatte des letzteren Computers zu den Ermittlungsakten genommen, ohne zuvor sicherzustellen, dass die in diesen Kopien enthaltenen Dokumente für den Gegenstand der Nachprüfung relevant waren, kann diese Argumentation keinen Erfolg haben.

58      Wie aus den vorstehenden Rn. 42 bis 47 nämlich hervorgeht, haben die Kommissionsbediensteten, erst nachdem sie bei der in den Räumlichkeiten der Kommission in Brüssel in Anwesenheit der Vertreter der Klägerinnen erfolgten Kontrolle der Dokumente in den Kopien der auf dem Computer von Herrn R. und dem Computer von Herrn J. entdeckten Zusammenstellungen von E‑Mails sowie in der Bildkopie der Festplatte des letzteren Computers festgestellt hatten, dass einige dieser Dokumente prima facie für den Gegenstand der Nachprüfung relevant waren, eine Papierkopie der betreffenden Dokumente in die Ermittlungsakten aufgenommen.

59      Die Kommissionsbediensteten haben somit entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen die Dokumente in den Kopien der auf dem Computer von Herrn R. und dem Computer von Herrn J. entdeckten Zusammenstellungen von E‑Mails sowie in der Bildkopie der Festplatte des letzteren Computers nicht unmittelbar und ohne vorherige Prüfung ihrer Relevanz für den Gegenstand der Nachprüfung in die Ermittlungsakten aufgenommen.

60      Soweit die Klägerinnen drittens geltend machen, die Kommissionsbediensteten seien nicht befugt gewesen, die Bildkopie der Festplatte des Computers von Herrn J. sowie die Kopien der auf diesem Computer und dem Computer von Herrn R. entdeckten Zusammenstellungen von E‑Mails in den Räumlichkeiten der Kommission nach für die Untersuchung relevanten Informationen zu durchforsten, ist darauf hinzuweisen, dass Art. 20 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1/2003, anders als die Klägerinnen geltend machen, nicht die Regelung enthält, dass die Prüfung der Bücher und sonstigen Geschäftsunterlagen der einer Nachprüfung unterzogenen Unternehmen ausschließlich in deren Räumlichkeiten zu erfolgen hat, wenn diese Nachprüfung wie im vorliegenden Fall nicht in der ursprünglich dafür vorgesehenen Zeitspanne abgeschlossen werden konnte. Nach dieser Bestimmung muss die Kommission bei der Prüfung der Dokumente in ihren Räumlichkeiten den überprüften Unternehmen nur dieselben Garantien gewährleisten, die sie bei einer Prüfung vor Ort zu beachten hat.

61      In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen auf eine Frage des Gerichts eingeräumt, dass sie der Kommission nicht vorwerfen, bei der in ihren Räumlichkeiten in Brüssel vorgenommenen Prüfung der Bildkopie der Festplatte des Computers von Herrn J. sowie der Kopien der auf diesem Computer und dem Computer von Herrn R. entdeckten Zusammenstellungen von E‑Mails anders gehandelt zu haben, als wenn sie diese Prüfung in den Räumlichkeiten der Klägerinnen durchgeführt hätte. Die Klägerinnen haben lediglich beklagt, dass sie deshalb, weil diese Prüfung in den Räumlichkeiten der Kommission stattgefunden habe, nicht von ihren Fachkräften unterstützt worden seien, die der Kommission Erklärungen zu den bei dieser Gelegenheit überprüften Dokumenten hätten liefern können.

62      Insoweit genügt der Hinweis, dass die Klägerinnen nicht behaupten, die Kommission habe sich einer Unterstützung ihrer Vertreter durch bestimmte Mitarbeiter bei der Prüfung der betreffenden Kopien in den Räumlichkeiten der Kommission widersetzt.

63      Jedenfalls ist daran zu erinnern, dass – wie sich aus der Schilderung des Sachverhalts in den vorstehenden Rn. 46 und 47 ergibt – die fraglichen Kopien in versiegelten Umschlägen nach Brüssel gebracht wurden, dass die Öffnung der Umschläge mit diesen Kopien und deren Prüfung zu dem mit den Klägerinnen vereinbarten Zeitpunkt und in Anwesenheit von deren Vertretern erfolgte, dass die Räumlichkeiten der Kommission, in denen diese Prüfung stattfand, durch die Anbringung von Siegeln ordnungsgemäß geschützt waren, dass die aus den Daten erstellten Dokumente, deren Aufnahme in die Ermittlungsakten von der Kommission beschlossen worden war, ausgedruckt und aufgelistet wurden, dass den Klägerinnen eine Kopie dieser Dokumente übergeben wurde und dass die Bildkopie der Festplatte des Computers von Herrn J. sowie die Kopien der auf diesem Computer und dem Computer von Herrn R. entdeckten Zusammenstellungen von E‑Mails nach Abschluss der Prüfung endgültig gelöscht wurden.

64      In Anbetracht dessen ist festzustellen, dass die Kommission bei der Nachprüfung ihre Befugnisse nach Art. 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht überschritten hat. Die dahin gehende Rüge der Klägerinnen ist folglich zurückzuweisen.

c)      Zur angeblichen Verletzung der Nachprüfungsentscheidung

65      Soweit die Klägerinnen im Kern geltend machen, die Bediensteten der Kommission hätten dadurch, dass sie die Bildkopie der Festplatte des Computers von Herrn J. sowie die Kopien der auf diesem Computer und dem Computer von Herrn R. entdeckten Zusammenstellungen von E‑Mails in den Räumlichkeiten der Kommission nach für die Untersuchung relevanten Informationen durchsucht hätten, den Geltungsbereich der Nachprüfungsentscheidung verletzt, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Begründung dieser Entscheidung die den Kommissionsbediensteten durch Art. 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verliehenen Befugnisse eingrenzt (Urteil vom 18. Juni 2015, Deutsche Bahn u. a./Kommission, C‑583/13 P, EU:C:2015:404, Rn. 60).

66      Im vorliegenden Fall heißt es in Art. 1 Abs. 2 der Nachprüfungsentscheidung zu deren räumlicher Geltung:

„Die Nachprüfung kann an allen Orten, die vom Unternehmen kontrolliert werden, stattfinden, insbesondere in den Büros mit folgender Adresse: 4-10 Rue Mozart, 92110 Clichy, Frankreich.“

67      Aus der Nachprüfungsentscheidung geht somit hervor, dass die Nachprüfung „an allen Orten, die [von den Klägerinnen] kontrolliert w[u]rden“, stattfinden „[konnte]“, insbesondere in ihren Büros in Clichy, nicht aber, wie die Klägerinnen behaupten, dass sie ausschließlich in ihren Räumlichkeiten erfolgen durfte. Die Nachprüfungsentscheidung machte es der Kommission daher nicht unmöglich, die Nachprüfung in Brüssel fortzusetzen.

68      Zur zeitlichen Geltung der Nachprüfungsentscheidung war in deren Art. 2 der Zeitpunkt festgelegt, an dem die Nachprüfung beginnen konnte, nicht aber der Zeitpunkt, zu dem sie abgeschlossen werden musste.

69      Der Umstand, dass kein Enddatum für die Nachprüfung festgelegt wurde, bedeutet zwar nicht, dass diese unbegrenzt lange andauern konnte, denn die Kommission musste insoweit nach Art. 41 Abs. 1 der Charta eine angemessene Frist einhalten.

70      Die Klägerinnen machen im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes jedoch nicht geltend, dass der Zeitraum von einem Monat zwischen der in ihren Räumlichkeiten durchgeführten Nachprüfung und deren Fortsetzung in Brüssel unangemessen gewesen wäre.

71      Hieraus folgt, dass die Nachprüfungsentscheidung entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen die Bediensteten der Kommission nicht daran gehindert hat, in deren Räumlichkeiten in Brüssel die Suche nach für die Untersuchung relevanten Daten in den Bildkopien der Festplatten der Computer bestimmter Mitarbeiter von Nexans France fortzusetzen.

72      Angesichts dessen ist festzustellen, dass die Kommission durch den Erlass der streitigen Maßnahmen während der Nachprüfung auch nicht den Geltungsbereich der Nachprüfungsentscheidung verletzt hat. Somit sind die dahin gehenden Rügen der Klägerinnen zurückzuweisen.

d)      Zur angeblichen Verletzung der Verteidigungsrechte

73      Die Klägerinnen tragen vor, die Auswahl der für den Gegenstand der Nachprüfung relevanten Dokumente sei zwischen dem 3. Februar und dem 2. März 2009, dem Tag der Öffnung der versiegelten Umschläge mit den Datenaufzeichnungsgeräten, auf die die Zusammenstellungen von E‑Mails bestimmter Mitarbeiter von Nexans France und die Bildkopie der Festplatte des Computers von Herrn J. kopiert worden seien, unterbrochen worden, wodurch sie daran gehindert worden seien, ernsthaft zu prüfen, ob es angezeigt sei, einen Antrag auf Erlass der Geldbußen zu stellen, da es ihnen in diesem Zeitraum nicht möglich gewesen sei, den Mehrwert der anderen Informationen zu bestimmen, über die sie verfügt hätten. Dadurch habe die Kommission ihre Verteidigungsrechte verletzt.

74      In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass nach Rn. 10 der Kronzeugenregelung ein Erlass der Geldbuße „nur dann gewährt [wird], wenn die Kommission zum Zeitpunkt der Vorlage [der Informationen und Beweismittel] nicht bereits über ausreichende Beweismittel verfügte, um eine Nachprüfung im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Kartell anzuordnen oder eine solche Nachprüfung bereits durchgeführt hatte“.

75      Wie das Gericht in Rn. 93 des Urteils vom 14. November 2012, Nexans France und Nexans/Kommission (T‑135/09, EU:T:2012:596), bestätigt hat, verfügte die Kommission im vorliegenden Fall über hinreichende Beweismittel, um die in den Räumlichkeiten von Nexans durchgeführte Nachprüfung über Hochspannungsunterwasser- und ‑erdkabel anzuordnen. Den Klägerinnen hätten somit nach der Kronzeugenregelung ihre Geldbußen nicht erlassen werden können.

76      Zwar kann einem Unternehmen, das seine Beteiligung an einem mutmaßlichen, die Union betreffenden Kartell offenlegt und das die Voraussetzungen für den Erlass der Geldbuße nicht erfüllt, nach Rn. 23 der Kronzeugenregelung eine Ermäßigung der Geldbuße gewährt werden, die andernfalls verhängt worden wäre. Um für eine Ermäßigung der Geldbuße in Betracht zu kommen, muss das Unternehmen gemäß Rn. 24 der Kronzeugenregelung der Kommission Beweismittel für die mutmaßliche Zuwiderhandlung vorlegen, die gegenüber den bereits im Besitz der Kommission befindlichen Beweismitteln einen erheblichen Mehrwert darstellen.

77      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die von den Bediensteten der Kommission kopierten Daten sich weiterhin im Besitz der Klägerinnen befanden. Diese waren somit durchaus in der Lage, herauszufinden, welche Informationen sich nicht auf diesen digitalen Kopien befanden und im Hinblick auf den Gegenstand der Nachprüfung gegenüber den bereits im Besitz der Kommission befindlichen Beweismitteln möglicherweise einen erheblichen Mehrwert darstellten.

78      Auch wenn die Kommission, wie die Klägerinnen im Wesentlichen geltend machen, bereits über Computer-Festplatten mit Informationen verfügte, die sie in ihrem Antrag auf Erlass eines Teils der Geldbußen hätten anführen können, ist erneut darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass die Kommission die Zusammenstellungen von E‑Mails bestimmter Mitarbeiter von Nexans France kopiert und eine Bildkopie von der Festplatte des Computers von Herrn J. angefertigt hat, nicht bedeutet, dass sie diese Kopien geprüft und bereits Zugang zu den darin enthaltenen Informationen gehabt hätte. Eine solche Prüfung wurde nämlich erst fortgeführt, nachdem die betreffenden Kopien den versiegelten Umschlägen in Brüssel entnommen worden waren. In diesem Kontext hatten die Klägerinnen immer noch die Möglichkeit, den Inhalt der betreffenden Festplatte und E‑Mails zu prüfen und die Kommission über die Dokumente oder die darin enthaltenen Beweismittel zu unterrichten, die gegenüber den von der Kommission im Rahmen der Untersuchung bereits gesammelten übrigen Beweismitteln einen Mehrwert hätten darstellen können.

79      Die Kommission hat daher die Klägerinnen entgegen deren Vorbringen nicht daran gehindert, zu beurteilen, ob sie einen Antrag auf Erlass eines Teils ihrer Geldbußen stellen sollten.

80      Soweit die Klägerinnen eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte rügen, ist zu beachten, dass die von der Kommission im Abschnitt der Voruntersuchung ergriffenen Ermittlungsmaßnahmen, insbesondere die Nachprüfungsmaßnahmen und Auskunftsverlangen, naturgemäß implizieren, dass die Kommission den Verdacht einer Zuwiderhandlung hegt, und erhebliche Auswirkungen auf die Situation der unter Verdacht stehenden Unternehmen haben können. Folglich muss verhindert werden, dass die Verteidigungsrechte in diesem Abschnitt des Verwaltungsverfahrens in nicht wiedergutzumachender Weise beeinträchtigt werden können, da die getroffenen Ermittlungsmaßnahmen für die Erbringung von Beweisen für rechtswidrige Verhaltensweisen von Unternehmen, die geeignet sind, deren Haftung auszulösen, von entscheidender Bedeutung sein können (vgl. Urteil vom 25. November 2014, Orange/Kommission, T‑402/13, EU:T:2014:991, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

81      Im vorliegenden Fall hat der Umstand, dass die fraglichen elektronischen Daten nicht in den Räumlichkeiten von Nexans France in Clichy, sondern in den Räumlichkeiten der Kommission in Brüssel geprüft wurden, jedoch keine Konsequenzen für die Beachtung der Verteidigungsrechte der Klägerinnen, da es feststeht, dass die Datenaufzeichnungsgeräte mit den darauf gespeicherten Kopien dieser Daten in versiegelten Umschlägen nach Brüssel gebracht worden sind, dass die Kommission den Klägerinnen eine Kopie dieser Daten übergeben hat, dass die Öffnung der Umschläge, in denen die Datenaufzeichnungsgeräte mit diesen Daten enthalten waren, und deren weitere Prüfung zu dem mit den Klägerinnen vereinbarten Zeitpunkt und in Anwesenheit von deren Vertretern vorgenommen worden sind, dass die Räumlichkeiten der Kommission, in denen diese Prüfung stattfand, durch die Anbringung von Siegeln ordnungsgemäß geschützt waren, dass die aus diesen Daten erstellten Dokumente, deren Aufnahme in die Ermittlungsakten von der Kommission beschlossen worden ist, ausgedruckt und aufgelistet worden sind, dass den Klägerinnen eine Kopie dieser Dokumente übergeben worden ist und dass der Inhalt sämtlicher Datenaufzeichnungsgeräte sowie der für ihre Prüfung verwendeten Computer nach Abschluss der Prüfung endgültig gelöscht worden ist.

82      Der Vorwurf der Klägerinnen, ihre Verteidigungsrechte seien verletzt worden, ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

e)      Zum angeblichen Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 und 4 der Verordnung Nr. 1/2003

83      Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, die Prüfung der Kopie der Zusammenstellungen von E‑Mails bestimmter Mitarbeiter von Nexans France und der Bildkopie der Festplatte des Computers von Herrn J. in ihren Räumlichkeiten in Brüssel fortgesetzt zu haben, ohne zuvor die belgische Wettbewerbsbehörde davon zu unterrichten.

84      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 eine Nachprüfungsentscheidung „nach Anhörung der Wettbewerbsbehörde des Mitgliedstaats [erlässt], in dessen Hoheitsgebiet die Nachprüfung vorgenommen werden soll“, und nach Art. 20 Abs. 3 dieser Verordnung „die Wettbewerbsbehörde des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Nachprüfung vorgenommen werden soll, über die Nachprüfung rechtzeitig vor deren Beginn [unterrichtet]“.

85      Nach der im 24. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 dargelegten ratio legis von Art. 20 Abs. 3 und 4 dieser Verordnung sollen die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten in die Lage versetzt werden, bei der Ausübung der Nachprüfungsbefugnisse, die der Kommission nach Art. 20 Abs. 1 der Verordnung zustehen, aktiv mitzuwirken.

86      In diesem Sinne sieht Art. 20 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1/2003 vor, dass „[d]ie Bediensteten der Wettbewerbsbehörde des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Nachprüfung vorgenommen werden soll, oder von dieser Behörde entsprechend ermächtigte oder benannte Personen … auf Ersuchen dieser Behörde oder der Kommission die Bediensteten der Kommission und die anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen aktiv [unterstützen]“ und dass „[s]ie … hierzu über die in Absatz 2 genannten Befugnisse [verfügen]“.

87      Im vorliegenden Fall ist es unbestritten, dass die Kommission die Autorité de la concurrence (Wettbewerbsbehörde, Frankreich) vor Erlass der Nachprüfungsentscheidung angehört hat. Ebenso wenig ist bestritten, dass die Kommission diese Behörde rechtzeitig vor der Nachprüfung in den Räumlichkeiten von Nexans France unterrichtet hat. Außerdem steht fest, dass die Inspektoren der Kommission die Nachprüfung in den Räumlichkeiten von Nexans France in Begleitung von Vertretern dieser Behörde vorgenommen haben.

88      Es ist somit festzustellen, dass die Kommission im vorliegenden Fall die Vorschriften von Art. 20 Abs. 3 und 4 der Verordnung Nr. 1/2003 beachtet hat.

89      Die Argumentation der Klägerinnen kann an dieser Feststellung nichts ändern.

90      Aus Art. 20 Abs. 3 und 4 der Verordnung Nr. 1/2003 ergibt sich nämlich entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht, dass die Kommission im vorliegenden Fall verpflichtet gewesen wäre, die belgische Wettbewerbsbehörde „anzuhören“ oder „rechtzeitig zu unterrichten“, als sie aus praktischen Erwägungen beschloss, die im Rahmen einer Nachprüfung gemäß Art. 20 der Verordnung Nr. 1/2003 im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats begonnene Prüfung von Dokumenten in ihren Räumlichkeiten in Brüssel fortzusetzen. Eine solche Verpflichtung besteht nur, wenn die Kommission eine Nachprüfung in den Räumlichkeiten eines in Belgien ansässigen Unternehmens durchführen will.

91      Der Vorwurf der Klägerinnen, die Kommission habe gegen Art. 20 Abs. 3 und 4 der Verordnung Nr. 1/2003 verstoßen, ist somit als unbegründet zurückzuweisen.

f)      Zum angeblichen Verstoß gegen Art. 7 der Charta

92      Die Klägerinnen tragen im Wesentlichen vor, da die Kommission mit den streitigen Maßnahmen die ihr nach der Verordnung Nr. 1/2003 zustehenden Befugnisse überschritten habe, hätten diese Maßnahmen auch gegen das Gebot verstoßen, wonach Schutz gegen willkürliche und unverhältnismäßige hoheitliche Eingriffe in die Privatsphäre einer natürlichen oder juristischen Person zu gewähren sei.

93      Wie in der vorstehenden Rn. 64 festgestellt wurde, hat die Kommission mit den streitigen Maßnahmen jedoch nicht ihre Befugnisse nach der Verordnung Nr. 1/2003 überschritten. Soweit die Klägerinnen die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 7 der Charta an die vorherige Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 koppeln, ist diese Rüge folglich als unbegründet zurückzuweisen.

94      Im Übrigen beruht, falls in dem Vorwurf eines Verstoßes gegen Art. 7 der Charta eine eigenständige Rüge zu sehen sein sollte, die entsprechende Argumentation der Klägerinnen auf derselben Prämisse wie ihr Vorbringen zur Rüge eines Verstoßes gegen Art. 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, dass nämlich die Kommissionsbediensteten eine Kopie der auf den Computern von Herrn R. und Herrn J. entdeckten Zusammenstellungen von E‑Mails sowie eine Bildkopie der Festplatte des Computers von Herrn J. angefertigt und diese Kopien ohne vorherige Prüfung der Relevanz der darin enthaltenen Dokumente für den Gegenstand der Nachprüfung unmittelbar zu den Ermittlungsakten genommen hätten.

95      Diese Prämisse trifft jedoch, wie oben in den Rn. 48 bis 72 bereits festgestellt wurde, nicht zu, so dass die Argumentation der Klägerinnen zum Verstoß gegen Art. 7 der Charta unbegründet ist.

96      Das Vorbringen der Klägerinnen, die bei der Nachprüfung in ihren Räumlichkeiten von der Kommission beschlagnahmten Dokumente dürften zur Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht verwendet werden, da sie widerrechtlich erlangt worden seien, ist daher zurückzuweisen.

97      Zurückzuweisen ist auch das Vorbringen, mit dem die Klägerinnen geltend machen, der angefochtene Beschluss könne deshalb nicht auf die Dokumente gestützt werden, die bei der von der Kommission in den Räumlichkeiten von Prysmian durchgeführten Nachprüfung beschlagnahmt worden seien, weil die Kommission dieselbe Methode zur Erfassung dieser Dokumente wie bei ihrer Nachprüfung in den Räumlichkeiten der Klägerinnen angewandt habe. Selbst wenn nämlich die Dokumente am Ende der Nachprüfung in den Räumlichkeiten von Prysmian nach derselben Methode wie in der vorliegenden Rechtssache in die Akten aufgenommen worden sein sollten, worauf sich die Argumentation der Klägerinnen beschränkt, genügt der Hinweis, dass das Vorbringen der Klägerinnen zur Rechtswidrigkeit dieser Methode vom Gericht als unbegründet zurückgewiesen wurde.

98      Nach alledem wurden die Kopien der in Rede stehenden elektronischen Daten nicht widerrechtlich erlangt, so dass die Kommission ihre Schlussfolgerungen zum Vorliegen der im angefochtenen Beschluss festgestellten Zuwiderhandlung entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen auf diese Daten stützen durfte.

99      Folglich ist der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

2.      Zum zweiten Klagegrund: Beurteilungsfehler bei der Bestimmung des Beginns der Beteiligung der Klägerinnen an der Zuwiderhandlung

100    Nach Ansicht der Klägerinnen hat die Kommission zu Unrecht angenommen, dass Nexans France ab dem 13. November 2000 an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei. Diese Beteiligung habe erst am 22. Februar 2001 begonnen, als einige Mitarbeiter von Nexans, nämlich Herr R. und Herr J., in London (Vereinigtes Königreich) an einem A/R-Treffen über die Zuteilung von Projekten im Bereich der Erd- und Unterwasserkabel teilgenommen hätten.

101    Durch die in den Akten enthaltenen Beweise werde bei gesamtheitlicher Betrachtung rechtlich nicht hinreichend belegt, dass Mitarbeiter von Nexans France an dem A/R-Treffen vom 29. November 2000 in Kuala Lumpur (Malaysia) teilgenommen hätten.

102    Obwohl die Kommission den Klägerinnen zu Recht keine Zuwiderhandlung vor dem 13. November 2000 zur Last lege, leite sie ihre Beteiligung an der nach diesem Zeitpunkt begangenen Zuwiderhandlung daraus her, dass diese bereits seit dem 18. Februar 1999 bestanden habe. Entgegen den Ausführungen im 1064. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses sei aber rechtlich nicht hinreichend dargetan, dass diese Zuwiderhandlung zumindest seit diesem Zeitpunkt begangen worden sei.

103    Die Kommission habe sich insoweit nur auf die von einigen Kronzeugen, nämlich Sumitomo Electric Industries, Hitachi Cable und J‑Power Systems, beigebrachten Beweismittel gestützt, bei denen es sich um bloße Beweise vom Hörensagen handle, deren Glaubwürdigkeit selbst die Kommission in Zweifel ziehe. Ebenso wenig glaubwürdig seien die von der Kommission angeführten Erklärungen, die ABB im Rahmen ihres Antrags auf Erlass der Geldbuße abgegeben habe.

104    Anders als aus dem angefochtenen Beschluss hervorgehe, bestätigten die der Kommission vorliegenden Kronzeugenerklärungen, dass das Kartell im Jahr 1999 und bis Anfang des Jahres 2001 noch nicht bestanden habe. Die in den Akten enthaltenen Beweise, die von Sumitomo Electric Industries, Hitachi Cable und J‑Power Systems stammten, belegten nur, dass sich einige Hersteller von Stromkabeln getroffen hätten, wobei es aber nicht zum Abschluss einer Vereinbarung gekommen sei. Die von ABB herrührenden Beweise bezeugten lediglich, dass im Rahmen eines rechtmäßigen Konsortiums der Versuch einer legitimen und wettbewerbsfördernden Zusammenarbeit unternommen worden sei.

105    Schließlich stellen die Klägerinnen die Beweiskraft der direkten Beweise in Frage, die im angefochtenen Beschluss angeführt würden, um zu belegen, dass die Zuwiderhandlung seit dem 18. Februar 1999 begangen worden sei. Bei der Mehrzahl dieser Beweise handle es sich um Notizen in Terminkalendern, die allgemein und wenig verständlich formuliert seien und die keine Informationen über den Inhalt etwaiger Treffen, geschweige denn über deren Teilnehmer enthielten.

106    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

107    Was den Zeitpunkt betrifft, ab dem Nexans France nach Ansicht der Kommission an der Zuwiderhandlung teilgenommen hat, ist festzustellen, dass sowohl Nexans France als auch Nexans aus der Stromkabelsparte der [vertraulich]()-Gruppe und deren Tochtergesellschaften hervorgegangen sind.

108    So übertrug eine Tochtergesellschaft von [vertraulich], nämlich die [vertraulich], am 13. November 2000 ihr Erdkabelgeschäft zum größten Teil auf eine ihrer Tochtergesellschaften mit der Bezeichnung Vivalec, die anschließend auf den Namen Nexans France umfirmierte. Dieser Geschäftsübergang beinhaltete auch die Übertragung verschiedener Mitarbeiter, u. a. die von Herrn B., Herrn R. und Herrn J. In den folgenden Monaten wurde die verbliebene Geschäftstätigkeit im Stromkabelbereich der verschiedenen Tochtergesellschaften von [vertraulich] auf deren 100%ige Tochtergesellschaft mit der Bezeichnung [vertraulich] übertragen. Später, jedoch vor dem 12. Juni 2001, wurden Nexans France und [vertraulich] an Nexans, eine neu gegründete Tochtergesellschaft von [vertraulich], veräußert. Am 12. Juni 2001 veräußerte [vertraulich] infolge eines Börsengangs etwa 80 % ihrer Beteiligung an Nexans, die dadurch von der [vertraulich]-Gruppe unabhängig wurde. Anschließend stieß [vertraulich] ihre gesamten Anteile an Nexans ab, die daraufhin zur Muttergesellschaft der Nexans-Gruppe wurde (Erwägungsgründe 709 und 711 des angefochtenen Beschlusses).

109    Die Kommission hat im angefochtenen Beschluss erklärt, die Beweise zeigten, dass sich Mitarbeiter von [vertraulich], die am 13. November 2000 auf Vivalec, die spätere Nexans France, übertragen worden seien, im Zeitraum vom 18. Februar 1999 bis zum 28. Januar 2009 unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligt hätten. Sie habe beschlossen, die Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht an die Unternehmen der aus [vertraulich] und deren Tochtergesellschaften bestehenden Gruppe zu richten. Sie habe auch nicht dazu Stellung genommen, ob Nexans France als Rechtsnachfolgerin von [vertraulich] für die Beteiligung an der Zuwiderhandlung vor dem 13. November 2000 hafte. Hingegen habe sie entschieden, dass Nexans France sich ab diesem Tag an der Zuwiderhandlung beteiligt habe. Nexans hafte als Muttergesellschaft für das Verhalten von Nexans France erst ab dem 12. Juni 2001 (Erwägungsgründe 710, 711 und 912 des angefochtenen Beschlusses).

110    Daraus folgt, dass es sich beim 13. November 2000, an dem Nexans France nach Auffassung der Kommission begonnen hat, an der Zuwiderhandlung teilzunehmen, in Wirklichkeit nur um den Tag handelt, an dem die durch eine nach Ansicht der Kommission bereits bestehende Zuwiderhandlung betroffene Geschäftstätigkeit von [vertraulich] auf Vivalec, die spätere Nexans France, übertragen wurde, wobei auch die in die wettbewerbswidrigen Praktiken verwickelten wichtigsten Mitarbeiter dieser Gesellschaften, nämlich Herr B., Herr R. und Herr J., mit übertragen wurden.

111    Die Prüfung der Begründetheit des vorliegenden Klagegrundes hat sich somit darauf zu konzentrieren, ob die nach Ansicht der Kommission einzige und fortdauernde Zuwiderhandlung, die Gegenstand des angefochtenen Beschlusses ist, schon am 13. November 2000 bestand und ob die betroffenen [vertraulich]-Mitarbeiter, die auf Vivalec, die spätere Nexans France, übertragen wurden, bereits vor diesem Datum an deren Durchführung mitgewirkt hatten, so dass in ihrer Teilnahme an dem A/R-Treffen vom 22. Februar 2001 in London nur eine Fortsetzung ihrer früheren wettbewerbswidrigen Tätigkeiten gesehen werden kann. Dabei braucht nicht geprüft zu werden, ob die Kommission den Beginn der im angefochtenen Beschluss festgestellten Zuwiderhandlung zu Recht auf den 18. Februar 1999 festgelegt hat. Denn im vorliegenden Fall kommt es nicht darauf an, ob mit dieser Zuwiderhandlung am 18. Februar 1999 begonnen wurde, sondern darauf, ob sie jedenfalls schon am 13. November 2000 bestand und ob die in Rede stehenden Mitarbeiter vor diesem Treffen in die betreffende Zuwiderhandlung involviert waren.

112    Was zunächst die Existenz der Zuwiderhandlung vor dem 13. November 2000 anbelangt, ergibt sich aus den Erwägungsgründen 137 bis 157 des angefochtenen Beschlusses, in denen auf die Erklärungen von Sumitomo Electric Industries, Hitachi Cable und J‑Power Systems im Rahmen ihres gemeinsamen Antrags auf Erlass der Geldbußen sowie auf die von ihnen im Rahmen dieses Antrags vorgelegten Schriftstücke aus der betreffenden Zeit verwiesen wird, dass die Vertreter von [vertraulich], insbesondere Herr J. und Herr R., zwischen dem 18. Februar 1999 und dem 22. Februar 2001 an mehreren Treffen teilgenommen haben, bei denen Regeln über die Aufteilung von Unterwasser- und Erdkabel-Projekten in verschiedenen Regionen der Welt ausgearbeitet oder diese Projekte den Kartellmitgliedern zugeteilt werden sollten. Es handelt sich um die A/R-Treffen vom 18. Februar 1999 in Zürich (Schweiz), vom 24. März 1999 in Kuala Lumpur, vom 3. und 4. Juni 1999 in Tokio (Japan), vom 26. Juli 1999 in London und vom 19. Oktober 1999 in Kuala Lumpur. Für das Jahr 2000 erwähnte die Kommission die Veranstaltung von mindestens vier Treffen am 1. und 2. März, am 11. Mai, im Juli und am 29. November (146. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Sie stellte auch fest, dass nach den Notizen in dem von Sumitomo Electric Industries, Hitachi Cable und J‑Power Systems vorgelegten Terminkalender Herr R. und Herr J. an diesen Treffen im Namen von [vertraulich] teilgenommen hatten.

113    Was den Inhalt dieser Treffen betrifft, deuten die von der Kommission im angefochtenen Beschluss angeführten Beweise, vor allem die dort wiedergegebenen Gesprächsnotizen, darauf hin, dass die Ausarbeitung einer Vereinbarung über die Aufteilung der Märkte, namentlich die Einführung einer Vereinbarung über das „Heimatgebiet“ und einer Vereinbarung über die Aufteilung der „Ausfuhrgebiete“ anhand einer zuvor festgelegten Quote, erörtert wurde. Die Kommission beruft sich weiter auf Beweise, die bestätigen, dass Projekte auch schon seit 1999 zugeteilt wurden. Dazu hat sie im angefochtenen Beschluss das Muster eines Positionsblatts reproduziert, d. h. eines Dokuments, anhand dessen die Zuteilungen der Stromkabelprojekte an die verschiedenen Kartellmitglieder vermerkt und gesteuert werden konnten. Der Kommission zufolge wurde bei den erwähnten Treffen auch die Möglichkeit, europäische Unternehmen wie ABB, Brugg Kabel und Sagem in diese Vereinbarungen einzubeziehen, sowie die Notwendigkeit erörtert, einen japanischen Koordinator zu benennen, um eine gute Verständigung zwischen den beiden Seiten des Kartells sicherzustellen.

114    Die Kommission stellt außerdem fest, dass die von Sumitomo Electric Industries, Hitachi Cable und J‑Power Systems im Rahmen ihres gemeinsamen Antrags auf Erlass der Geldbußen vorgelegten Beweise, auf die sie sich stützt, um zu belegen, dass das Kartell vor dem 13. November 2000 bestanden hat, durch die mündlichen Erklärungen von ABB im Rahmen von deren Antrag auf Erlass ihrer Geldbuße sowie durch die von ABB im Rahmen dieses Antrags vorgelegten Schriftstücke aus der betreffenden Zeit bestätigt werden. Sie bezieht sich nämlich in den Erwägungsgründen 149 und 150 des angefochtenen Beschlusses auf die Erklärungen von ABB zu einem Treffen zwischen einem ABB-Mitarbeiter und einem [vertraulich]-Mitarbeiter vom April 2000 und zu Vergeltungsmaßnahmen durch Pirelli, denen sich ABB im Mai 2000 ausgesetzt sah, da sie den Zuschlag für ein Projekt in Italien, dem für Pirelli reservierten Gebiet, erhalten hatte. Auch gibt sie im 151. Erwägungsgrund dieses Beschlusses den Inhalt einer E‑Mail und interner Vermerke wieder, durch die bestätigt wird, dass ABB schon im April 2000 in die „Vereinbarung über das Heimatgebiet“ und in die darauffolgende Aufteilung der europäischen Projekte unter den R‑Kartellmitgliedern einbezogen war.

115    Die von der Kommission angeführten Beweismittel bestätigen auch, dass die Mitarbeiter von [vertraulich] eine bedeutende Rolle bei der Ausarbeitung und für das Funktionieren der Vereinbarungen gespielt haben, aus denen die im angefochtenen Beschluss festgestellte Zuwiderhandlung besteht. Sie waren nicht nur seit dem Treffen vom 18. Februar 1999 in Zürich im Rahmen des Kartells aktiv, sondern verpflichteten sich dazu, wie aus den im 141. Erwägungsgrund dieses Beschlusses wiedergegebenen Gesprächsnotizen zum Treffen vom 26. Juli 1999 in London hervorgeht, andere europäische Unternehmen in das Kartell einzubeziehen. Außerdem können die mündlichen Erklärungen von Sumitomo Electric Industries, Hitachi Cable und J‑Power Systems, wie die Kommission im 154. Erwägungsgrund dieses Beschlusses dargelegt hat, als Bestätigung dafür dienen, dass Herr J., ein Mitarbeiter von [vertraulich], der Verfasser des ersten, im September 2000 erstellten Positionsblatts war, auf das sich die Kommission im angefochtenen Beschluss berufen hat.

116    Dass die Geschäftstätigkeit von [vertraulich] im November 2000 von Vivalec, der späteren Nexans France, übernommen wurde, änderte nichts an der Funktionsweise des Kartells. Das Unternehmen wurde nämlich bei den Kartelltreffen weiterhin von denselben Personen vertreten, wobei diese im Rahmen der Zuwiderhandlung dieselbe Rolle spielten. Vor allem war Herr J. nach November 2000 wie bisher für die Erstellung und Aktualisierung der Positionsblätter verantwortlich sowie als Sekretär der „R‑Gruppe“ für die Kontakte mit der „A‑Seite“ des Kartells zuständig (vgl. u. a. Erwägungsgründe 94, 96, 99 und 211 des angefochtenen Beschlusses).

117    Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das Kartell eine einzige und fortdauernde Zuwiderhandlung darstellt und dass die von der Kommission zusammengetragenen Beweismittel keinen Hinweis auf eine Unterbrechung der Kartelltätigkeit in der Zeit zwischen Anfang 1999 und Anfang 2001 enthalten. Aus dem angefochtenen Beschluss geht auch hervor, dass die Mitarbeiter von [vertraulich], Herr R. und Herr J., sowohl 1999 als auch 2000 bei den Kartelltreffen anwesend waren, obwohl sie möglicherweise, wie die Kommission im 146. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses bemerkt, nicht an allen Treffen des Jahres 2000 teilgenommen hatten.

118    Der Umstand, dass einige Mitglieder des Personals von [vertraulich] bei einem der Treffen des Jahres 2000 möglicherweise gefehlt haben, kann keinen Zweifel daran begründen, dass das betroffene Unternehmen ununterbrochen am Kartell beteiligt war, vor allem angesichts des Inhalts der Notizen zum A/R-Treffen vom 22. Februar 2001 in London, das den Klägerinnen zufolge die Beteiligung von Nexans France am Kartell einleitete. Diese Notizen enthalten eine Anwesenheitsliste, in der neben den Namen der Mitarbeiter von Nexans France, Herrn J. und Herrn R., das Wort „[vertraulich]“ steht, womit darauf hingewiesen wird, dass es sich um ehemalige Mitarbeiter von [vertraulich] handelt. Aus diesen Notizen geht überdies hervor, dass Nexans France ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen hatte, dass der Börsengang von Nexans verschoben, aber bestätigt worden war und dass [vertraulich] künftig ein Telekommunikationsunternehmen sein würde. Die Notizen zu diesem Treffen bestätigen somit entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen, dass die Teilnahme von Nexans France an diesem Treffen nur eine Folge der früheren Kartelltätigkeiten von Herrn J. und Herrn R. war, nachdem die Stromkabelproduktion innerhalb der aus [vertraulich] und ihren Tochtergesellschaften bestehenden Gruppe umstrukturiert worden war.

119    Daraus folgt, dass das von der Kommission im angefochtenen Beschluss festgestellte Kartell spätestens Mitte 2000 bereits installiert und dass [vertraulich], vertreten u. a. durch Herrn R. und Herrn J., eines der Gründungsmitglieder dieses Kartells war. Infolgedessen ist die Kommission zu Recht davon ausgegangen, dass die Beteiligung von Nexans France am Kartell nur eine Fortsetzung der Aktivitäten war, die die Mitarbeiter von [vertraulich] seit Anfang des Jahres 1999 wahrgenommen hatten. Die Kommission konnte somit, ohne einen Fehler zu begehen, feststellen, dass die Beteiligung von Nexans France an dem Kartell am 13. November 2000 begonnen hatte, als Vivalec, die spätere Nexans France, die Geschäftstätigkeit von [vertraulich] im Bereich der Erdkabel, einschließlich der unmittelbar in das Kartell involvierten Mitarbeiter, übernahm.

120    Die Klägerinnen können dieses Ergebnis mit ihrem Vorbringen nicht in Frage stellen.

121    Die Klägerinnen versuchen erstens die Beweiskraft der von der Kommission beschafften Beweismittel zu erschüttern, indem sie diese jeweils isoliert erörtern und analysieren. Sie prüfen getrennt die Erklärungen der Kronzeugen und die aus der betreffenden Zeit stammenden Beweismittel, die von diesen im Rahmen ihrer Anträge auf Erlass der Geldbußen vorgelegt wurden.

122    In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Kommission zwar aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beizubringen hat, um das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV nachzuweisen, dass jedoch nicht jeder der von ihr vorgelegten Beweise diese Kriterien notwendigerweise hinsichtlich jedes Merkmals der Zuwiderhandlung erfüllen muss. Es reicht aus, dass das von der Kommission angeführte Bündel von Indizien bei einer Gesamtwürdigung dieser Anforderung genügt. Daher sind die Indizien, die die Kommission im angefochtenen Beschluss anführt, um einen Verstoß eines Unternehmens gegen diese Bestimmung zu beweisen, nicht einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit zu würdigen (vgl. Urteile vom 17. Mai 2013, Trelleborg Industrie und Trelleborg/Kommission, T‑147/09 und T‑148/09, EU:T:2013:259, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 12. Dezember 2014, Repsol Lubricantes y Especialidades u. a./Kommission, T‑562/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1078, Rn. 152 und 153 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Außerdem muss eine wettbewerbswidrige Verhaltensweise oder Vereinbarung in den meisten Fällen aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (vgl. Urteil vom 17. September 2015, Total Marketing Services/Kommission, C‑634/13 P, EU:C:2015:614, Rn. 26).

123    Im vorliegenden Fall belegen die von der Kommission im angefochtenen Beschluss angeführten Beweise, wie in den vorstehenden Rn. 112 bis 115 dargelegt, dass zwischen den europäischen und den japanischen Herstellern von Unterwasser- und Erdkabeln unerlaubte Kontakte stattfanden, dass eine komplexe Vereinbarung über die Aufteilung der Märkte unter ihnen ausgearbeitet worden war und dass diese Vereinbarung seit Anfang 1999 umgesetzt wurde. Diese Beweise belegen auch, dass die Mitarbeiter von [vertraulich], die zu Vivalec und dann zu Nexans France wurde, bei diesen Kontakten eine Schlüsselrolle spielten.

124    Zweitens beruhen die Feststellungen der Kommission zum Vorliegen der Zuwiderhandlung während des Zeitraums von Anfang 1999 bis Anfang 2001 entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht ausschließlich auf den Beweismitteln, die Sumitomo Electric Industries, Hitachi Cable und J‑Power Systems ihr im Rahmen ihres gemeinsamen Antrags auf Erlass ihrer Geldbußen übermittelt haben. Die Kommission stützt ihre Darlegungen zwar meistens auf diese Beweismittel, beruft sich aber auch auf die von ABB vorgelegten Beweismittel, in denen ausdrücklich auf die Beteiligung von [vertraulich] an der Zuwiderhandlung verwiesen wird.

125    Soweit die Klägerinnen meinen, die Kommission habe selbst bestätigt, dass sie sich nur auf die Erklärungen von Sumitomo Electric Industries, Hitachi Cable und J‑Power Systems gestützt habe, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung in deren Anfangsphase festzustellen, missverstehen sie die Bedeutung des 1064. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses. Dieser Erwägungsgrund findet sich im Abschnitt über die zwecks Festsetzung der Geldbuße vorgenommene Beurteilung der gemeinsamen Kooperation, die Sumitomo Electric Industries, Hitachi Cable und J‑Power Systems als zweite Kronzeugen geleistet haben, und die Kommission hat darin nur festgestellt, dass die von diesen Unternehmen übermittelten Informationen zwingende Beweise im Sinne von Rn. 26 der Kronzeugenregelung, d. h. solche mit einem hohen Beweiswert, darstellten. Die Kommission hat auch erklärt, sie habe aufgrund allein dieser Informationen das Vorliegen der Zuwiderhandlung für den Zeitraum vom 18. Februar 1999 bis zum 1. März 2001 beweisen können, was an sich nicht ausschließt, dass sie auch über andere diesen Zeitraum betreffende Beweismittel verfügte, vor allem solche, die sie von ABB erhalten hatte, dem Unternehmen, das sie als erstes kontaktiert und damit begonnen hatte, mit ihr im Rahmen der Kronzeugenregelung zu kooperieren.

126    Drittens besteht entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen kein Anlass, den Wahrheitsgehalt und die Glaubwürdigkeit der Erklärungen von Sumitomo Electric Industries, Hitachi Cable und J‑Power Systems oder von ABB in Zweifel zu ziehen.

127    Denn nach der Rechtsprechung gibt es keine Bestimmung und keinen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts, die es der Kommission verbieten, sich gegenüber einem Unternehmen auf die Aussagen anderer beschuldigter Unternehmen zu berufen. Andernfalls wäre die der Kommission obliegende Beweislast für Verhaltensweisen, die gegen Art. 101 AEUV verstoßen, nicht tragbar und mit der ihr durch den AEU-Vertrag übertragenen Aufgabe, die ordnungsgemäße Anwendung dieser Bestimmung zu überwachen, nicht zu vereinbaren (vgl. Urteil vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T‑38/02, EU:T:2005:367, Rn. 285 und die dort angeführte Rechtsprechung).

128    Auch wenn gegenüber den freiwilligen Angaben der Hauptteilnehmer an einem rechtswidrigen Kartell im Allgemeinen ein gewisses Misstrauen angebracht ist, da die Möglichkeit besteht, dass diese Teilnehmer die Neigung haben, möglichst viel Belastungsmaterial zur Tätigkeit ihrer Wettbewerber zu liefern, so ändert dies nichts daran, dass ein Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung, um einen Erlass oder eine Herabsetzung der Geldbuße zu erreichen, nicht zwangsläufig einen Anreiz schafft, verfälschte Beweise für die Beteiligung der übrigen Mitglieder des Kartells vorzulegen. Denn jeder Versuch einer Irreführung der Kommission könnte die Aufrichtigkeit und Vollständigkeit der Kooperation des Antragstellers in Frage stellen und damit die für ihn bestehende Möglichkeit gefährden, ungeschmälert in den Genuss der Kronzeugenregelung zu gelangen (Urteil vom 12. Juli 2011, Toshiba/Kommission, T‑113/07, EU:T:2011:343, Rn. 94).

129    Im vorliegenden Fall hat die Kommission zwar die Glaubwürdigkeit der Erklärungen von Sumitomo Electric Industries, Hitachi Cable und J‑Power Systems in deren gemeinsamem Antrag auf Erlass der Geldbußen angezweifelt und die Ermäßigung der gegen diese Unternehmen zu verhängenden Geldbußen von 50 % auf 45 % gesenkt. Die Zweifel der Kommission betrafen jedoch nicht den Beginn der Zuwiderhandlung, sondern nur den Zeitpunkt, zu dem J‑Power Systems sich angeblich vom Kartell zurückgezogen hatte, da die Kronzeugen insoweit unterschiedliche Daten nannten. Zur Anfangsphase des Kartells hat die Kommission hingegen im 1064. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erklärt, dass die von Sumitomo Electric Industries, Hitachi Cable und J‑Power Systems vorgelegten Beweise stichhaltig gewesen seien.

130    Ferner können die Erklärungen von Sumitomo Electric Industries, Hitachi Cable und J‑Power Systems entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht als bloße Beweise vom „Hörensagen“ betrachtet werden. Es handelt sich nämlich um Erklärungen der gesetzlichen Vertreter dieser Unternehmen, die im Zusammenhang mit aus der betreffenden Zeit stammenden Beweismitteln wie etwa Auszügen aus Terminkalendern und Notizen zu den Treffen zu sehen sind. Die von Sumitomo Electric Industries, Hitachi Cable und J‑Power Systems herrührenden Beweise werden im Übrigen durch die Beweise bekräftigt, die ABB im Rahmen ihres eigenen Antrags auf Erlass der Geldbuße vorgelegt hat (vgl. oben, Rn. 114).

131    Soweit die Klägerinnen sich außerdem darauf berufen, dass ABB im Rahmen ihrer unter dem Az. T‑445/14 in das Register eingetragenen Klage gegen den angefochtenen Beschluss offensichtlich den Zeitpunkt beanstande, ab dem sie sich nach der Auffassung der Kommission am Kartell beteiligt habe, ist dieses Argument als ins Leere gehend zurückzuweisen, da es keine Bedeutung für den Wert der von diesem Unternehmen mit seinem Antrag auf Erlass der Geldbuße vorgelegten Beweise hat, die bestätigen, dass das Kartell seit Mitte 2000 bestand.

132    Viertens genügt zum Vorbringen der Klägerinnen, ausweislich der Erklärungen der Kronzeugen habe das Kartell in den Jahren 1999 und 2000 noch nicht bestanden, der Hinweis, dass nach der Rechtsprechung eine Vereinbarung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV schon dann vorliegt, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten. Eine Vereinbarung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV kann als geschlossen betrachtet werden, wenn eine grundsätzliche Willensübereinstimmung hinsichtlich einer Wettbewerbsbeschränkung vorliegt, selbst wenn über die spezifischen Elemente der vorgesehenen Beschränkungen noch verhandelt wird (vgl. Urteil vom 16. Juni 2011, Solvay/Kommission, T‑186/06, EU:T:2011:276, Rn. 85 und 86 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

133    Aus der Rechtsprechung ergibt sich im Übrigen, dass jeder Unternehmer nach dem Grundgedanken der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Markt zu betreiben gedenkt. Dieses Selbständigkeitspostulat nimmt den Unternehmen zwar nicht das Recht, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Konkurrenten auf intelligente Weise anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, durch die entweder das Marktverhalten eines tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbers beeinflusst oder ein solcher Wettbewerber über das Marktverhalten, zu dem man selbst entschlossen ist oder das man in Erwägung zieht, ins Bild gesetzt wird, wenn die Fühlungnahme bezweckt oder bewirkt, dass Wettbewerbsbedingungen entstehen, die im Hinblick auf die Art der Waren oder erbrachten Dienstleistungen sowie die Bedeutung und Zahl der beteiligten Unternehmen nicht den normalen Marktbedingungen entsprechen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, EU:C:1999:356, Rn. 116 bis 118 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

134    Wie sich aus den vorstehenden Rn. 111 bis 134 ergibt, steht im vorliegenden Fall fest, dass die Vertreter der wichtigsten japanischen und europäischen Hersteller von Unterwasser- und Erdkabeln, einschließlich Nexans France, in den Jahren 1999 und 2000 Treffen veranstaltet haben, um Regeln über die Aufteilung von Unterwasser- und Erdkabel-Projekten in verschiedenen Regionen der Welt auszuarbeiten oder diese Projekte den Kartellmitgliedern zuzuteilen. Auch wenn die Verhandlungen über diese Regeln längere Zeit in Anspruch nahmen, besteht doch kein Zweifel daran, dass es der gemeinsame Wille der Vertreter der an diesen Treffen beteiligten Unternehmen war, die Aufträge für Unterwasser- und Erdkabel-Projekte untereinander aufzuteilen, und dass sie somit eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV geschlossen hatten.

135    Nach alledem ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

136    Es ist deshalb festzustellen, dass es den Klägerinnen nicht gelungen ist, ein rechtswidriges oder fehlerhaftes Verhalten der Kommission nachzuweisen, das es rechtfertigen würde, den angefochtenen Beschluss in vollem Umfang oder teilweise für nichtig zu erklären.

137    Die Anträge auf Nichtigerklärung sind damit zurückzuweisen.

B.      Zu den Anträgen auf Herabsetzung der verhängten Geldbußen

138    Vor einer Prüfung der verschiedenen Anträge der Klägerinnen auf Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbußen ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtmäßigkeitskontrolle durch die dem Unionsrichter durch Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 gemäß Art. 261 AEUV eingeräumte Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ergänzt wird. Diese Befugnis ermächtigt den Richter über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Sanktion hinaus dazu, die Beurteilung der Kommission durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß die verhängte Geldbuße oder das verhängte Zwangsgeld aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nicht einer Prüfung von Amts wegen entspricht und dass das Verfahren vor den Gerichten der Union ein streitiges Verfahren ist. Mit Ausnahme der Gründe zwingenden Rechts, die der Richter von Amts wegen zu berücksichtigen hat, wie etwa das Fehlen einer Begründung der angefochtenen Entscheidung, ist es Sache des Klägers, gegen die Entscheidung Klagegründe vorzubringen und für diese Beweise beizubringen (Urteil vom 8. Dezember 2011, KME Germany u. a./Kommission, C‑389/10 P, EU:C:2011:816, Rn. 130 und 131).

139    Die Klägerinnen beantragen eine Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbußen, weil zum einen der Fehler der Kommission in Bezug auf die Dauer der Beteiligung von Nexans France an der Zuwiderhandlung und zum anderen die Fehler der Kommission bei der Bestimmung des sie betreffenden Schweregrades berücksichtigt werden müssten.

1.      Zum Fehler der Kommission in Bezug auf die Dauer der Beteiligung von Nexans France an der Zuwiderhandlung

140    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Dauer der Beteiligung von Nexans France am Kartell zu den Tatbestandsmerkmalen der Zuwiderhandlung gehört, die die Kommission im angefochtenen Beschluss festgestellt hat, und daher nicht auf der Grundlage von Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 vom Unionsrichter nachgeprüft werden kann (Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 77). Soweit der entsprechende Antrag der Klägerinnen dahin zu verstehen ist, dass das Gericht die Beurteilung der Kommission hinsichtlich des zur Bemessung der Geldbußen der Klägerinnen verwendeten Multiplikators für die Dauer durch seine eigene Beurteilung ersetzen möge, ist im Übrigen festzustellen, dass dieser Antrag nur auf dem Argument beruht, die Kommission habe dadurch einen Fehler begangen, dass sie den 13. November 2000 als Anfangsdatum für die Beteiligung von Nexans France an der Zuwiderhandlung angesehen habe. Dieses Argument geht jedoch in Bezug auf die gegen die Klägerinnen durch Art. 2 Buchst. d des angefochtenen Beschlusses verhängte Geldbuße ins Leere, da ihnen diese Geldbuße wegen der zwischen dem 12. Juni 2001 und dem 28. Januar 2009 festgestellten Beteiligung des von ihnen im Sinne von Art. 101 AEUV gebildeten Unternehmens an der Zuwiderhandlung auferlegt wurde. Zudem hat die Prüfung des zur Stützung der Nichtigkeitsanträge vorgebrachten zweiten Klagegrundes nicht ergeben, dass der Kommission ein Fehler unterlaufen wäre, als sie feststellte, dass Nexans France ab dem 13. November 2000 an der Zuwiderhandlung beteiligt war. Da die Klägerinnen sonst nichts vorgebracht haben, was im vorliegenden Fall eine Änderung der Multiplikatoren rechtfertigen könnte, die die Kommission bei der Errechnung des Grundbetrags der ihnen durch den angefochtenen Beschluss auferlegten Geldbußen angewandt hat, ist der Antrag, mit dem sie wegen des angeblichen Fehlers der Kommission in Bezug auf die Dauer der Beteiligung von Nexans France an der Zuwiderhandlung eine Herabsetzung dieser Geldbußen begehren, zurückzuweisen.

2.      Zum dritten Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler sowie Verletzung der Begründungspflicht und des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Bestimmung des Schweregrades im Rahmen der Bemessung der Geldbußen

141    Der vorliegende Klagegrund besteht aus drei Teilen. Im Rahmen des ersten Teils werfen die Klägerinnen der Kommission vor, dadurch einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen und ihre Begründungspflicht verletzt zu haben, dass sie angesichts der Beweise für die nur teilweise, begrenzte und weitgehend ineffiziente Durchführung des Kartells nicht von einem geringeren Schweregrad ausgegangen sei. Mit dem zweiten Teil tragen sie vor, die Kommission habe diesen Schweregrad zu Unrecht angehoben, um den kumulierten Marktanteil der Parteien zu berücksichtigen. Im Rahmen des dritten Teils machen sie geltend, indem die Kommission ihnen gegenüber einen solchen Schweregrad angewandt habe, habe sie den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt.

142    Vor einer Prüfung der drei Teile dieses Klagegrundes ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1/2003 gegen Unternehmen, die vorsätzlich oder fahrlässig gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen haben, durch Entscheidung Geldbußen verhängen kann, deren Höhe u. a. unter Berücksichtigung der Schwere der Zuwiderhandlung sowie deren Dauer festzusetzen ist.

143    Nach den Ziff. 19 bis 22 der Leitlinien von 2006 für die Festsetzung von Geldbußen ist einer der beiden Faktoren, anhand deren der Grundbetrag der Geldbuße bestimmt wird, der Anteil am relevanten Umsatz, der sich nach der Schwere des Verstoßes richtet. Die Schwere der Zuwiderhandlung wird in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände beurteilt. Bei der Bestimmung des genauen Umsatzanteils berücksichtigt die Kommission mehrere Umstände, u. a. die Art der Zuwiderhandlung, den kumulierten Marktanteil sämtlicher beteiligten Unternehmen, den Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes und die etwaige Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis.

144    Die Kommission verfügt bei der Festsetzung der Geldbußen über ein Ermessen, um die Unternehmen dazu anhalten zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten (vgl. Urteile vom 12. Dezember 2012, Novácke chemické závody/Kommission, T‑352/09, EU:T:2012:673, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 14. März 2013, Dole Food und Dole Germany/Kommission, T‑588/08, EU:T:2013:130, Rn. 662 und die dort angeführte Rechtsprechung). Jedoch kann der Richter bei der Kontrolle der Höhe der Geldbuße weder hinsichtlich der Wahl der Aspekte, die bei der Anwendung der in den Leitlinien von 2006 für die Festsetzung von Geldbußen genannten Kriterien berücksichtigt wurden, noch hinsichtlich der Bewertung dieser Aspekte auf den Ermessensspielraum der Kommission verweisen, um auf eine gründliche sowohl rechtliche als auch tatsächliche Kontrolle zu verzichten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2011, KME Germany u. a./Kommission, C‑272/09 P, EU:C:2011:810, Rn. 102). Außerdem muss die Kommission, wenn sie beschließt, Geldbußen nach dem Wettbewerbsrecht zu verhängen, stets die allgemeinen Rechtsgrundsätze berücksichtigen, zu denen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit in ihrer Auslegung durch die Unionsgerichte gehören (Urteil vom 12. Dezember 2012, Novácke chemické závody/Kommission, T‑352/09, EU:T:2012:673, Rn. 44).

145    Im vorliegenden Fall hat die Kommission im angefochtenen Beschluss, insbesondere in dessen Erwägungsgründen 997 bis 1010, zum Grundbetrag der Geldbuße und zur Beurteilung der Schwere ausgeführt, die Zuwiderhandlung gehöre ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Wettbewerbsverstößen, was die Anwendung eines Prozentsatzes von 15 % rechtfertige. Zudem hat sie diesen Prozentsatz aufgrund des kumulierten Marktanteils und der fast weltweiten, u. a. den gesamten EWR umfassenden geographischen Ausdehnung des Kartells für alle Adressaten um 2 % erhöht. Im Übrigen ist sie davon ausgegangen, dass das Verhalten der europäischen Unternehmen, einschließlich der Klägerinnen, für den Wettbewerb schädlicher gewesen sei als dasjenige der anderen Unternehmen, da die europäischen Unternehmen über ihre Beteiligung an der „A/R-Kartellkonfiguration“ hinaus auch im Rahmen der „europäischen Kartellkonfiguration“ dieses Kartells Kabelprojekte unter sich aufgeteilt hätten. Daher hat sie den aufgrund der Schwere der Zuwiderhandlung zu berücksichtigenden Umsatzanteil für die europäischen Unternehmen auf 19 % und für die anderen Unternehmen auf 17 % festgesetzt.

146    Die drei von den Klägerinnen angeführten Teile sind unter Berücksichtigung dieser Ausführungen zu prüfen.

a)      Zum ersten Teil des dritten Klagegrundes

147    Die Klägerinnen tragen vor, sie hätten im Verwaltungsverfahren Argumente vorgebracht, aus denen sich ergebe, dass die meisten Umsätze mit Stromkabeln durch die im angefochtenen Beschluss festgestellte Zuwiderhandlung unberührt geblieben seien. Mit ihrer Weigerung, den Anteil am relevanten Umsatz herabzusetzen, um diesem nur teilweisen und weitgehend ineffizienten Vollzug der Zuwiderhandlung Rechnung zu tragen, habe die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen und den angefochtenen Beschluss hinsichtlich des von ihnen gestellten Antrags auf Milderung des Schweregrades unzureichend begründet.

148    Erstens machen die Klägerinnen geltend, die Vereinbarung über das „Heimatgebiet“ habe sich auf den europäischen Markt nicht auswirken können, da die japanischen Unternehmen aus technologischen und logistischen Gründen keine wirkliche Bedrohung für die europäischen Hersteller auf diesem Markt gewesen seien. Daher hätten die im angefochtenen Beschluss erwähnten europäischen Ausschreibungen, auch wenn es die Vereinbarung nicht gegeben hätte, zu keinem anderen Ergebnis geführt.

149    Zweitens habe das Kartell nur einen sehr kleinen Teil des Umsatzes mit Stromkabeln in Europa betroffen. Die Klägerinnen hätten im fraglichen Zeitraum mehr als 4 000 Verkäufe von unter die Zuwiderhandlung fallenden Stromkabeln in Europa getätigt. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte sei aber nur von weniger als 100 Fällen die Rede gewesen, in denen Ausschreibungen manipuliert worden seien. Es gebe keinen einheitlichen europäischen Markt für Unterwasser- und Erdkabel, auf dem alle Verkäufe in derselben Weise und unter denselben Wettbewerbsbedingungen abgewickelt würden. Deshalb könne die Kommission keine Extrapolation einiger weniger Stromkabelprojekte, insbesondere solcher für Betreiber von Übertragungsnetzen, vornehmen, um so das Vorliegen einer Zuwiderhandlung auf einem großen Markt darzutun. Die Kommission habe auch nicht nachgewiesen, dass die Zuwiderhandlung Auswirkungen auf die den Kunden in Rechnung gestellten Preise oder auf die von den Verbrauchern gezahlten Preise gehabt hätte.

150    Drittens fehle es hinsichtlich der meisten Stromkabelverkäufe, die in den Anwendungsbereich des angefochtenen Beschlusses fielen, an Beweisen für einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV.

151    Viertens behaupten die Klägerinnen, selbst wenn es Beweise für eine Vereinbarung zwischen den Konkurrenten über den Verkauf von Stromkabeln geben sollte, habe diese Vereinbarung in den meisten Fällen nicht umgesetzt werden können. Unter den mit Beispielen verdeutlichten Gründen für die gescheiterte Umsetzung der Vereinbarung nennen sie den Fall eines Projekts, das wegen der Annullierung der im Rahmen des Kartells besprochenen Ausschreibung nicht realisiert worden sei, den Fall einer zulässigen Zusammenarbeit zwischen den Stromkabelproduzenten, den Fall eines Kunden, der u. a. an einer patentierten Technologie eines bestimmten Herstellers interessiert gewesen sei und deshalb keine Konkurrenzangebote habe einholen wollen sowie den Fall, in dem ein kartellfremdes Unternehmen den Zuschlag für ein Projekt erhalten habe, obwohl dieses Projekt zwischen den Kartellmitgliedern erörtert worden sei. Sie meinen auch, ihre interne Struktur habe die Umsetzung der Vereinbarung verhindert, da ihre Mitarbeiter, die an den Kartelltreffen teilgenommen hätten, häufig keinen Kontakt zu den Teams gehabt hätten, von denen die Angebote vorbereitet worden seien. Zudem seien die ursprünglichen Kontakte zwischen den Konkurrenten wegen der sehr langen Vorbereitungszeit für Stromkabelprojekte sowie der Änderungen der Kunden und Angebotsspezifikationen unwirksam geblieben.

152    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

1)      Zum angeblichen Beurteilungsfehler

153    Mit ihrem Vorbringen werfen die Klägerinnen der Kommission im Kern vor, bei der Bemessung der Geldbußen außer Acht gelassen zu haben, dass die Zuwiderhandlung nur begrenzte oder gar überhaupt keine realen Auswirkungen auf den relevanten Markt gehabt habe. Sie machen namentlich geltend, dass die Zuwiderhandlung die meisten der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angeführten Umsätze mit Stromkabeln „unberührt“ gelassen habe oder dass die Vereinbarung sich nicht „auf die Kunden habe auswirken können“, vor allem nicht auf die ihnen in Rechnung gestellten Preise. Schließlich hätten kartellfremde tatsächliche Umstände die Auswirkungen des Kartells abgeschwächt.

154    Mit einigen Argumenten machen die Klägerinnen auch geltend, das Vorliegen der Vereinbarung sei nicht bewiesen. In ihrer Antwort auf diese Argumente nimmt die Kommission ebenfalls zur Beweisführung für das Vorliegen eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV Stellung, insbesondere zu der Frage, ob die Auswirkungen einer Zuwiderhandlung dargetan werden müssen, die in einer Marktaufteilung besteht und somit als bezweckter Verstoß qualifiziert werden kann. Die Kommission vertritt im Wesentlichen die Ansicht, da es sich bei der im angefochtenen Beschluss festgestellten Zuwiderhandlung um einen bezweckten Verstoß handle, habe sie im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2012, Expedia, C‑226/11, EU:C:2012:795, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung) deren Auswirkungen nicht nachweisen müssen. Sie verweist zudem auf die Rechtsprechung, wonach auch eine teilweise Umsetzung einer wettbewerbswidrigen Zwecken dienenden Vereinbarung genügt, um auszuschließen, dass diese Vereinbarung sich nicht auf den Markt ausgewirkt hat (Urteil vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T‑38/02, EU:T:2005:367, Rn. 148).

155    In der Erwiderung haben die Klägerinnen ihr Vorbringen dahin gehend klargestellt, dass ihre Argumente zur begrenzten Umsetzung der Zuwiderhandlung und zur fehlenden Auswirkung der Zuwiderhandlung auf die Preise die Schwere der Zuwiderhandlung, nicht aber die Feststellung ihres Vorliegens beträfen. Eine wettbewerbswidrige Vereinbarung, die nicht vollständig umgesetzt worden sei und jedenfalls keinen Einfluss auf die von den Kunden gezahlten Preise habe, müsse als weniger gravierend angesehen werden als eine Vereinbarung, die vollständig umgesetzt worden sei und den Kunden wegen der dadurch verursachten Preissteigerungen einen Schaden zufüge.

156    Dazu ist festzustellen, dass die meisten der in den vorstehenden Rn. 153 bis 155 wiedergegebenen Argumente der Klägerinnen auf einer Verwechslung zwischen dem Begriff „Umsetzung“ der Zuwiderhandlung in Ziff. 22 der Leitlinien von 2006 für die Festsetzung von Geldbußen und dem Ausdruck „konkrete Auswirkungen auf den Markt“ beruhen, die von der Kommission, sofern sie messbar waren, bei der Bemessung der Geldbuße nach den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien von 1998 für die Festsetzung von Geldbußen), berücksichtigt werden konnten. Nach dem Wortlaut von Ziff. 22 der auf den Sachverhalt des vorliegenden Falles anwendbaren Leitlinien von 2006 für die Festsetzung von Geldbußen ist die Kommission nicht unbedingt verpflichtet, die konkrete Auswirkung auf den Markt bzw. das Fehlen einer solchen Auswirkung als erschwerenden oder mildernden Faktor bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung im Rahmen der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen. Es genügt, dass die von der Kommission festgelegte Höhe des zu berücksichtigenden Umsatzanteils wie im vorliegenden Fall durch andere Umstände gerechtfertigt wird, die für die Bestimmung der Schwere nach dieser Vorschrift relevant sein können, wie etwa die Art der Zuwiderhandlung, den kumulierten Marktanteil sämtlicher beteiligten Unternehmen und den Umfang des räumlichen Marktes.

157    Das Vorbringen der Klägerinnen, das Kartell habe aus von den Kartellmitgliedern nicht zu vertretenden Gründen seine Wirkungen nicht entfalten bzw. die erhofften Ergebnisse nicht erbringen können, ist daher zurückzuweisen.

158    Soweit die Argumentation der Klägerinnen dahin zu verstehen sein sollte, dass sie meinen, die Kommission habe die Umsetzung der Zuwiderhandlung nicht dargetan, kann auch dieses Vorbringen nicht durchgreifen.

159    Das einzige Argument der Klägerinnen, das die Umsetzung der Zuwiderhandlung zu betreffen scheint, besteht nämlich in der Behauptung, dass Nexans France wegen ihrer internen Organisation die Vereinbarungen nicht habe umsetzen können, da die Mitarbeiter, die an den Kartelltreffen teilgenommen hätten, keinen Kontakt zu den Teams gehabt hätten, von denen die Angebote vorbereitet worden seien. Dieses Argument kann jedoch keinen Erfolg haben, da die angebliche Unmöglichkeit einer Umsetzung der mit den fraglichen Vereinbarungen verbundenen Verhaltensmaßregeln nicht genügt, um die – auf die im angefochtenen Beschluss angeführten und von den Klägerinnen nicht bestrittenen Beweise gestützte – Feststellung der Kommission zu widerlegen, wonach Nexans France ebenso wie die anderen Kartellmitglieder die Vereinbarung über das „Heimatgebiet“ im Allgemeinen beachtet und sich daran beteiligt hat, die in den „Ausfuhrgebieten“ zu realisierenden Stromkabelprojekte zwischen den asiatischen und den europäischen Herstellern aufzuteilen und die in den „Ausfuhrgebieten“ zu realisierenden Stromkabelprojekte, die den europäischen Herstellern zugeteilt worden waren, unter Letzteren aufzuteilen sowie eine Aufteilung der im „Heimatgebiet“ der europäischen Hersteller zu realisierenden Stromkabelprojekte vorzunehmen.

2)      Zur angeblichen Verletzung der Begründungspflicht

160    Was den gerügten Begründungsmangel anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass die nach Art. 296 AEUV erforderliche Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (Urteil vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 147 und die dort angeführte Rechtsprechung).

161    Im vorliegenden Fall hat die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen im 1007. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses in Erwiderung auf die von den Klägerinnen im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Argumente dargelegt, aus welchem Grund die einzige und fortdauernde Zuwiderhandlung ihres Erachtens vollständig umgesetzt worden war. Die Kommission hat nämlich ausgeführt, die Unionsgerichte hätten bestätigt, dass „eine unvollständige Umsetzung von Kartellvereinbarungen nicht bedeutet, dass die kollusiven Vereinbarungen tatsächlich nicht umgesetzt wurden“, und dass der Umstand, dass „die Kommission keine Beweise für die Kollusion in Bezug auf jeden von dem Kartell erfassten Mitgliedstaat oder jede von dem Kartell erfasste Vertragspartei hat, [nicht] bedeutet …, dass die Vereinbarung nicht umgesetzt wurde“.

162    Des Weiteren hat die Kommission im 1006. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses in Erwiderung auf das von den Klägerinnen ebenfalls im Verwaltungsverfahren vorgebrachte Argument, wonach sich die Zuwiderhandlung nicht auf den Wettbewerb im EWR ausgewirkt habe, ausgeführt, dass es für die Verhängung der Geldbußen nicht erforderlich war, die Auswirkungen der durch den angefochtenen Beschluss geahndeten Absprachen zu beweisen oder das Ausmaß ihrer Auswirkungen auf den Markt oder den Wettbewerb zu berücksichtigen, da diese Absprachen eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV darstellten.

163    Der Umstand, dass die Rechtsprechung irrelevant ist, auf die die Kommission in Fn. 1413 die Erläuterung im 1006. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses gestützt hat, und dass diese Erläuterung keine geeignete Rechtfertigung für die Weigerung darstellt, bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung darauf Rücksicht zu nehmen, dass diese sich im EWR angeblich nicht ausgewirkt hat (siehe oben, Rn. 156), ist gegenstandslos, soweit die vorliegende Rüge darauf gestützt ist.

164    Bei der Begründungspflicht handelt es sich nämlich nach ständiger Rechtsprechung um ein wesentliches Formerfordernis, das von der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört. Rügen und Argumente, die sich gegen die materielle Rechtmäßigkeit dieses Aktes richten, gehen folglich im Rahmen eines Klagegrundes, mit dem eine fehlende oder unzureichende Begründung gerügt wird, ins Leere (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. März 2001, Frankreich/Kommission, C‑17/99, EU:C:2001:178, Rn. 35 bis 38, und vom 15. Juni 2005, Corsica Ferries France/Kommission, T‑349/03, EU:T:2005:221, Rn. 52 und 59).

165    Der erste Teil des dritten Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.

b)      Zum zweiten Teil des dritten Klagegrundes

166    Die Klägerinnen tragen vor, aus den Erwägungsgründen 998 bis 1010 des angefochtenen Beschlusses ergebe sich, dass die Kommission wegen der Größe des kumulierten Marktanteils aller Unternehmen und wegen der räumlichen Ausdehnung der Zuwiderhandlung bei allen Unternehmen den Umsatzanteil um 2 % heraufgesetzt habe. Die Erhöhung wegen der Größe des kumulierten Marktanteils sei nicht gerechtfertigt, da eine Reihe von Teilnehmern im Verlauf der Zuwiderhandlung gewechselt habe und insbesondere bestimmte Unternehmen die Zuwiderhandlung erst lange nach dem 18. Februar 1999 begangen und davon bereits vor dem Enddatum des 28. Januar 2009 Abstand genommen hätten.

167    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

168    Dazu ist festzustellen, dass das Kartell – obwohl sich, wie die Klägerinnen bemerken, nicht alle Kartellunternehmen während des gesamten relevanten Zeitraums an der Kartelltätigkeit beteiligt haben – während des größten Teils seines Bestehens die wichtigsten europäischen und japanischen Hersteller von Unterwasser- und Erdkabeln für Hoch- und Höchstspannung umfasste. Außerdem wurde das Kartell von Ende 2001 bis 2006 durch die Teilnahme kleinerer europäischer Lieferanten wie Brugg Kabel, nkt cables, Safran und Silec Cable sowie von Ende 2002 bis Mitte 2005 durch die Teilnahme der südkoreanischen Lieferanten verstärkt. Überdies ist, wie die Kommission ohne Widerspruch seitens der Klägerinnen erklärt, die Zahl der auf dem relevanten Markt tätigen Unternehmen, an die der angefochtene Beschluss nicht adressiert war, sehr gering. Unter diesen Umständen ist nach eingehender Prüfung festzustellen, dass die Kommission, ohne einen Fehler zu begehen, zu der Einschätzung kommen durfte, dass alle Adressaten des angefochtenen Beschlusses zusammen genommen fast die Gesamtheit der auf dem EWR-Markt der Unterwasser- und Erdkabel für Hoch- und Höchstspannung tätigen Unternehmen darstellten. Die Kommission konnte auch zu Recht davon ausgehen, dass dieser Umstand sowie die von den Klägerinnen unbestrittene nahezu weltweite räumliche Ausdehnung des Kartells die Zuwiderhandlung gravierender machten und folglich den zu berücksichtigenden Umsatzanteil um 2 % erhöhten.

169    Der zweite Teil des dritten Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.

c)      Zum dritten Teil des dritten Klagegrundes

170    Die Klägerinnen sind der Ansicht, die von der Kommission vorgenommene Unterscheidung zwischen den europäischen und den japanischen Unternehmen hinsichtlich des für die Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigten Umsatzanteils verletze den Gleichbehandlungsgrundsatz.

171    Der Umsatzanteil, den die Kommission auf die europäischen Unternehmen angewandt habe, sei 2 % höher als der Umsatzanteil gewesen, den sie auf die anderen Unternehmen angewandt habe. Zur Begründung dieser Unterscheidung habe die Kommission im 999. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass zusätzlich zu den Aufteilungsmechanismen der „A/R-Kartellkonfiguration“ „bei EWR-Projekten eine weitere Aufteilung unter den europäischen Herstellern nach der europäischen Kartellkonfiguration statt[fand]“. Nach Auffassung der Kommission habe „[d]ieser Teil des Kartells, an dem ausschließlich die europäischen Hersteller beteiligt waren, … zusätzlich zu der Marktaufteilungsvereinbarung der europäischen, japanischen und koreanischen Hersteller zu einer weiteren Beschränkung des Wettbewerbs [geführt] und … somit die Schwere der Zuwiderhandlung [erhöht]“, so dass „[w]egen der durch die europäische Kartellkonfiguration verursachten zusätzlichen Wettbewerbsverzerrung … der schwerebezogene Prozentsatz bei den Unternehmen, die an diesem Teil des Kartells beteiligt waren, um 2 % erhöht werden [sollte]“.

172    Die Klägerinnen beanstanden diese Unterscheidung zum einen deshalb, weil die „europäische Kartellkonfiguration“ nicht allein von den europäischen Unternehmen umgesetzt worden sei. Aus dem angefochtenen Beschluss gehe nämlich hervor, dass sich die japanischen und die südkoreanischen Unternehmen an Diskussionen über bestimmte Projekte europäischer Kunden beteiligt hätten. Zum anderen habe die Kommission nicht dargetan, auf welche Weise diese Konfiguration „zu einer weiteren Beschränkung des Wettbewerbs geführt“ habe und welche „zusätzliche Wettbewerbsverzerrung“ durch diese Konfiguration verursacht worden sei.

173    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

174    In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Kommission nach ständiger Rechtsprechung in jedem Einzelfall, wenn sie die Festsetzung von Geldbußen nach dem Wettbewerbsrecht beschließt, die allgemeinen Rechtsgrundsätze einhalten muss, zu denen der Grundsatz der Gleichbehandlung in seiner Auslegung durch die Unionsgerichte gehört. Dieser Grundsatz besagt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteile vom 27. Juni 2012, Bolloré/Kommission, T‑372/10, EU:T:2012:325, Rn. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 19. Januar 2016, Mitsubishi Electric/Kommission, T‑409/12, EU:T:2016:17, Rn. 108 und die dort angeführte Rechtsprechung).

175    Was die Beurteilung der Schwere des Verhaltens der europäischen Unternehmen im Vergleich zum Verhalten der asiatischen, insbesondere der japanischen, Unternehmen betrifft, ist daran zu erinnern, dass die Kommission das im angefochtenen Beschluss behandelte Kartell als eine aus zwei Konfigurationen, nämlich der „A/R-Kartellkonfiguration“ und der „europäischen Kartellkonfiguration“, bestehende einzige und fortdauernde Zuwiderhandlung qualifiziert hat. Die erste dieser Konfigurationen beinhaltete eine Absprache über das „Heimatgebiet“, wonach sich die japanischen und die südkoreanischen Unternehmen verpflichteten, das für die R-Mitglieder des Kartells reservierte europäische „Heimatgebiet“ zu verlassen, und Letztere sich im Gegenzug verpflichteten, dem japanischen und südkoreanischen „Heimatgebiet“ fernzubleiben, sowie eine Aufteilung der Projekte im größten Teil der restlichen Welt, d. h. in den sogenannten „Ausfuhrgebieten“. Ausweislich der vorstehenden Rn. 12 sollten im Rahmen der zweiten dieser Konfigurationen die Projekte im europäischen „Heimatgebiet“ und die Projekte, die in den „Ausfuhrgebieten“ der europäischen Seite zugeteilt worden waren, zwischen den europäischen Unternehmen aufgeteilt werden.

176    Die Gründe, aus denen die Kommission der Auffassung war, die beiden Kartellkonfigurationen stellten eine einzige Zuwiderhandlung dar, finden sich in den Erwägungsgründen 527 bis 619 des angefochtenen Beschlusses. In diesem Rahmen stellte die Kommission zu der Voraussetzung, wonach ein einziges einheitliches Ziel verfolgt wurde, das diese Kartellkonfigurationen miteinander verband, im 534. Erwägungsgrund dieses Beschlusses Folgendes fest:

„Die europäische Kartellkonfiguration (wie auch die Aufteilung zwischen den asiatischen Unternehmen) war der allgemeinen nahezu weltweiten Absprache untergeordnet und diente zu ihrer Umsetzung. In diesen europäischen R-Treffen berichtete der europäische Koordinator über die Inhalte der in den A/R-Treffen geführten Gespräche … Dazu organisierten die Parteien kurz nach den A/R-Treffen häufig R-Treffen … In den Treffen … der R-Seite … bekundeten die Parteien ihr Interesse an Projekten in den Ausfuhrgebieten, die dann in den A/R-Treffen diskutiert wurden. Entsprechend wurden auch die Parteien der A/R-Treffen über die wichtigsten Diskussionen in der europäischen Kartellkonfiguration unterrichtet … Die europäische Kartellkonfiguration und die Absprachen waren insoweit ein wesentlicher Bestandteil des Gesamtplans.“

177    Die Kommission machte die meisten japanischen und südkoreanischen Unternehmen dafür verantwortlich, sich an dem Gesamtkartell, einschließlich seiner europäischen Konfiguration, beteiligt zu haben. Sie stellte vor allem fest, dass die in der Kerngruppe des Kartells organisierten japanischen Unternehmen, d. h. Sumitomo Electric Industries, Hitachi Cable und ihr Gemeinschaftsunternehmen J‑Power Systems sowie Furukawa Electric, Fujikura und ihr Gemeinschaftsunternehmen Viscas, für dieses Kartell in vollem Umfang verantwortlich waren.

178    Im 537. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses differenzierte die Kommission jedoch hinsichtlich des Umfangs, in dem die verschiedenen Unternehmen am Kartell mitgewirkt hatten. Sie führte nämlich aus:

„Die Kerngruppe der beteiligten Unternehmen (Nexans, Pirelli/Prysmian, Furukawa [Electric], Fujikura und Viscas, Sumitomo [Electric Industries], Hitachi [Cable] und [J‑Power Systems]) war bei Unterwasserkabel- und Erdkabel-Projekten identisch, und diese Kerngruppe befolgte den Grundsatz des Heimatgebiets und die Absprache über die Aufteilung von Projekten in den Ausfuhrgebieten gleichermaßen. Während die japanischen und koreanischen Unternehmen aus offensichtlichen Gründen nicht in der europäischen Kartellkonfiguration involviert waren, waren Nexans und Pirelli/Prysmian in beiden Konfigurationen aktiv.“

179    Aus dieser Feststellung zog die Kommission im von den Klägerinnen beanstandeten 999. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses den Schluss, die von den europäischen Unternehmen begangene Zuwiderhandlung müsse als gravierender gewertet werden als die von den japanischen Unternehmen begangene, weshalb der für die Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße verwendete Umsatzanteil bei den europäischen Unternehmen wegen deren Verwicklung in die „europäische Kartellkonfiguration“ um 2 % zu erhöhen sei.

180    Selbst wenn jedoch das Vorbringen der Klägerinnen, die japanischen Unternehmen seien in gleicher Weise wie die europäischen Unternehmen an der „europäischen Kartellkonfiguration“ beteiligt gewesen, zutreffen sollte, könnte dadurch nicht die Schlussfolgerung der Kommission in Frage gestellt werden, wonach die Aufteilung der Projekte innerhalb des EWR ein weiterer Umstand war, der es verdiente, durch einen die Schwere der Zuwiderhandlung widerspiegelnden zusätzlichen Prozentsatz geahndet zu werden.

181    Zusätzlich zu der „A/R-Kartellkonfiguration“, innerhalb deren die europäischen und die asiatischen Unternehmen u. a. vereinbarten, dem jeweils anderen „Heimatgebiet“ fernzubleiben, teilten die europäischen Hersteller, einschließlich der Klägerinnen, die verschiedenen den R-Mitgliedern des Kartells zugewiesenen Stromkabelprojekte untereinander auf. Eine solche Aufteilung betraf insbesondere, wie aus dem 73. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, sowohl die im Rahmen dieser Konfiguration vorgenommene Zuteilung der Projekte in den „Ausfuhrgebieten“ als auch die Zuteilung der den R-Mitgliedern nach der Vereinbarung über das „Heimatgebiet“ vorbehaltenen Projekte, d. h. der Projekte, die sich im „Heimatgebiet“ der europäischen Hersteller befanden. Obwohl die Aufteilung der Projekte innerhalb dieser Konfiguration und die Aufteilung der Projekte innerhalb der „europäischen Kartellkonfiguration“ eng miteinander verbunden waren, wie die Kommission im 534. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses dargelegt hat, beinhaltete die „europäische Kartellkonfiguration“ eine zusätzliche Absprache über die Aufteilung der Projekte, die über die Aufteilungsregeln innerhalb der „A/R-Kartellkonfiguration“ hinausging.

182    Zudem steht es entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen außer Zweifel, dass durch die Aufteilung der Projekte für Erd- und Unterwasser-Hochspannungskabel innerhalb der „europäischen Kartellkonfiguration“ die durch die „A/R-Kartellkonfiguration“ im EWR verursachte Beeinträchtigung des Wettbewerbs verstärkt wurde.

183    Es war daher gerechtfertigt, wie die Kommission vorträgt, dass bei der Beurteilung der Schwere des Verhaltens der Hersteller, die an der „europäischen Kartellkonfiguration“ beteiligt waren, insbesondere der europäischen Hersteller, der dem Wettbewerb innerhalb des EWR zugefügte zusätzliche Schaden berücksichtigt wurde.

184    Soweit die Klägerinnen der Kommission im Kern vorwerfen, einen Beurteilungsfehler begangen zu haben, weil sie angenommen habe, dass die japanischen Unternehmen sich an der „europäischen Kartellkonfiguration“ nicht in gleichem Umfang wie die europäischen Unternehmen beteiligt hätten, hat dieses Vorbringen somit keine Bedeutung für die Frage, ob der Gleichbehandlungsgrundsatz den Klägerinnen gegenüber verletzt wurde.

185    Ein solches Vorbringen könnte nämlich, sofern es begründet wäre, nur eine Erhöhung des für die japanischen Unternehmen festgesetzten Umsatzanteils rechtfertigen.

186    Dagegen ist dieser Umstand in Bezug auf den Umsatzanteil irrelevant, der für die Klägerinnen festgesetzt wurde, um die Schwere ihrer Verhaltensweise zu berücksichtigen, denn der Gleichbehandlungsgrundsatz begründet keinen Anspruch auf die diskriminierungsfreie Anwendung einer rechtswidrigen Behandlung (Urteil vom 11. September 2002, Pfizer Animal Health/Rat, T‑13/99, EU:T:2002:209, Rn. 479).

187    Folglich ist der dritte Teil des dritten Klagegrundes und damit dieser Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

188    Da die von den Klägerinnen zur Stützung ihrer Abänderungsanträge vorgebrachten Klagegründe und Argumente zurückgewiesen worden sind und da nichts ersichtlich ist, was im vorliegenden Fall eine Herabsetzung der Geldbußen rechtfertigen könnte, sind die auf eine solche Herabsetzung gerichteten Anträge abzuweisen.

189    Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

IV.    Kosten

190    Nach Art.134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Nexans France SAS und die Nexans SA tragen die Kosten.

Collins

Kancheva

Barents

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Juli 2018.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis

I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

A. Klägerinnen und betroffene Branche

B. Verwaltungsverfahren

C. Angefochtener Beschluss

1. In Rede stehende Zuwiderhandlung

2. Verantwortlichkeit der Klägerinnen

3. Verhängte Geldbußen

II. Verfahren und Anträge der Parteien

III. Entscheidungsgründe

A. Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung

1. Zum ersten Klagegrund: Fehlen einer Rechtsgrundlage, Verletzung der Nachprüfungsentscheidung und der Verteidigungsrechte sowie Verstoß gegen Art. 20 Abs. 2 bis 4 der Verordnung Nr. 1/2003 und gegen Art. 7 der Charta

a) Zum Verlauf der Nachprüfung

b) Zum angeblichen Fehlen einer Rechtsgrundlage für die streitigen Maßnahmen

c) Zur angeblichen Verletzung der Nachprüfungsentscheidung

d) Zur angeblichen Verletzung der Verteidigungsrechte

e) Zum angeblichen Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 und 4 der Verordnung Nr. 1/2003

f) Zum angeblichen Verstoß gegen Art. 7 der Charta

2. Zum zweiten Klagegrund: Beurteilungsfehler bei der Bestimmung des Beginns der Beteiligung der Klägerinnen an der Zuwiderhandlung

B. Zu den Anträgen auf Herabsetzung der verhängten Geldbußen

1. Zum Fehler der Kommission in Bezug auf die Dauer der Beteiligung von Nexans France an der Zuwiderhandlung

2. Zum dritten Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler sowie Verletzung der Begründungspflicht und des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Bestimmung des Schweregrades im Rahmen der Bemessung der Geldbußen

a) Zum ersten Teil des dritten Klagegrundes

1) Zum angeblichen Beurteilungsfehler

2) Zur angeblichen Verletzung der Begründungspflicht

b) Zum zweiten Teil des dritten Klagegrundes

c) Zum dritten Teil des dritten Klagegrundes

IV. Kosten



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