T-324/21 – Harley-Davidson Europe und Neovia Logistics Services International/ Kommission

T-324/21 – Harley-Davidson Europe und Neovia Logistics Services International/ Kommission

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:T:2023:101

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTS (Achte erweiterte Kammer)

1. März 2023(*)

„Zollunion – Verordnung (EU) Nr. 952/2013 – Bestimmung des nicht präferenziellen Ursprungs bestimmter von Harley-Davidson hergestellter Krafträder – Durchführungsbeschluss der Kommission mit der Aufforderung, Entscheidungen nationaler Zollbehörden über verbindliche Ursprungsauskünfte zu widerrufen – Begriff ‚wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Be- oder Verarbeitung‘ – Anspruch auf rechtliches Gehör“

In der Rechtssache T‑324/21,

Harley-Davidson Europe Ltd mit Sitz in Oxford (Vereinigtes Königreich),

Neovia Logistics Services International mit Sitz in Vilvoorde (Belgien),

vertreten durch Rechtsanwälte O. van Baelen und G. Lebrun, sowie T. Lyons, KC,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch F. Clotuche-Duvieusart und M. Kocjan als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer),

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten S. Papasavvas, der Richter J. Svenningsen, M. Jaeger und C. Mac Eochaidh (Berichterstatter) sowie der Richterin T. Pynnä,

Kanzler: I. Kurme, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 21. September 2022

folgendes

Urteil

1        Mit der vorliegenden Klage nach Art. 263 AEUV begehren die Klägerinnen, die Harley-Davidson Europe Ltd (im Folgenden zusammen mit der Gruppe, zu der sie gehört: Harley-Davidson) und Neovia Logistics Services International (im Folgenden: Neovia), die Nichtigerklärung des an das Königreich Belgien gerichteten Durchführungsbeschlusses (EU) 2021/563 der Kommission vom 31. März 2021 über die Gültigkeit bestimmter Entscheidungen über verbindliche Ursprungsauskünfte (ABl. 2021, L 119, S. 117, im Folgenden: angefochtener Beschluss). Mit diesem Beschluss forderte die Europäische Kommission zum Widerruf zweier Entscheidungen über verbindliche Ursprungsauskünfte (im Folgenden: vUA-Entscheidungen) auf, die zugunsten von Neovia für Rechnung von Harley-Davidson erlassen worden waren und die Einfuhr bestimmter von Harley-Davidson in Thailand hergestellter Kategorien von Krafträdern über Belgien in die Europäische Union betrafen.

I.      Rechtlicher Rahmen

2        Nach Art. 1 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. 2013, L 269, S. 1, im Folgenden: Zollkodex) enthält diese Verordnung den Zollkodex der Union, in dem die allgemeinen Vorschriften und Verfahren festgelegt sind, die auf die in das und aus dem Zollgebiet der Union verbrachten Waren Anwendung finden.

3        Titel II („Grundlagen für die Anwendung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben und sonstiger für den Warenverkehr vorgesehener Maßnahmen“) des Zollkodex enthält u. a. Regeln über die Bestimmung des Ursprungs von Waren, die vor allem dazu dienen, die Einfuhrabgaben und sonstigen Maßnahmen zu bestimmen, die auf bestimmte Waren anwendbar sind.

4        Insbesondere stützen sich gemäß dem in diesem Titel II enthaltenen Art. 56 Abs. 1 des Zollkodex die zu entrichtenden Einfuhr- und Ausfuhrabgaben auf den Gemeinsamen Zolltarif und werden die durch Unionsvorschriften zu bestimmten Bereichen des Warenverkehrs vorgeschriebenen sonstigen Maßnahmen gegebenenfalls entsprechend der zolltariflichen Einreihung der betreffenden Waren angewandt.

A.      Ursprung der Waren

5        Der Zollkodex sieht drei Kategorien von Vorschriften für die Bestimmung des Ursprungs von Waren vor, nämlich Vorschriften über den nicht präferenziellen Ursprung von Waren, Vorschriften über den präferenziellen Ursprung von Waren und Vorschriften zur Bestimmung des Ursprungs bestimmter Waren.

6        Insbesondere sieht Art. 59 des Zollkodex vor, dass die Art. 60 und 61 Vorschriften zur Bestimmung des nicht präferenziellen Ursprungs von Waren für die Anwendung erstens des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ausnahme der Maßnahmen nach Art. 56 Abs. 2 Buchst. d und e, zweitens anderer als zolltariflicher Maßnahmen, die durch Unionsvorschriften zu bestimmten Bereichen des Warenverkehrs festgelegt sind, und drittens sonstiger Unionsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Warenursprung enthalten.

7        So bestimmt Art. 60 des Zollkodex, der den Erwerb des nicht präferenziellen Ursprungs der Waren betrifft:

„(1)      Waren, die in einem einzigen Land oder Gebiet vollständig gewonnen oder hergestellt worden sind, gelten als Ursprungswaren dieses Landes oder Gebiets.

(2)      Waren, an deren Herstellung mehr als ein Land oder Gebiet beteiligt ist, gelten als Ursprungswaren des Landes oder Gebiets, in dem sie der letzten wesentlichen, wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen wurden, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen wurde und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt.“

8        Nach Art. 62 des Zollkodex wird die Kommission ermächtigt, delegierte Rechtsakte gemäß Art. 284 zu erlassen, in denen die Regeln festgelegt werden, nach denen Waren, deren Bestimmung des nicht präferenziellen Ursprungs für die Anwendung der in Art. 59 genannten Unionsmaßnahmen erforderlich ist, gemäß Art. 60 als in einem einzigen Land oder Gebiet vollständig gewonnen oder hergestellt oder als in einem Land oder Gebiet der letzten wesentlichen, wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen wurde und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt, unterzogen angesehen werden.

9        Dementsprechend erließ die Kommission die Delegierte Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom 28. Juli 2015 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 952/2013 mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union (ABl. 2015, L 343, S. 1, im Folgenden: ZKU-DelVO).

10      Art. 33 ZKU-DelVO enthält nähere Angaben zu Be- oder Verarbeitungen, die wirtschaftlich nicht gerechtfertigt sind. Dort heißt es:

„Eine in einem anderen Land oder Gebiet vorgenommene Be- oder Verarbeitung gilt als wirtschaftlich nicht gerechtfertigt, wenn auf der Grundlage der verfügbaren Tatsachen feststeht, dass der Zweck dieser Be- oder Verarbeitung darin bestand, die Anwendung der Maßnahmen gemäß Art. 59 des Zollkodex zu umgehen[, der die Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs und sonstiger zolltariflicher oder nicht tarifärer Unionsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Ursprung von in die Union eingeführten Waren betrifft].

…“

B.      Entscheidungen über den Ursprung

11      In Art. 33 („Entscheidungen über verbindliche Auskünfte“) des Zollkodex heißt es:

„(1)      Die Zollbehörden treffen auf Antrag Entscheidungen über verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA-Entscheidungen) und [vUA-Entscheidungen].

(3)      vZTA- und vUA-Entscheidungen sind ab dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung wirksam wird, drei Jahre lang gültig.

…“

12      Art. 19 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. November 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung Nr. 952/2013 (ABl. 2015, L 343, S. 558) führt einen Austausch von Daten im Zusammenhang mit vUA-Entscheidungen ein und bestimmt insbesondere in seinem Abs. 1, dass „[d]ie Zollbehörden … der Kommission vierteljährlich die relevanten Einzelheiten der vUA-Entscheidungen [übermitteln]“, die sie erlassen haben.

13      Art. 34 Abs. 11 des Zollkodex sieht vor:

„Zur Gewährleistung einer korrekten und einheitlichen zolltariflichen Einreihung oder einer Bestimmung des Ursprungs von Waren kann die Kommission Beschlüsse erlassen, mit denen die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, vZTA- oder vUA-Entscheidungen zu widerrufen.“

14      Art. 37 Abs. 2 des Zollkodex bestimmt u. a., dass die Kommission im Wege von Durchführungsrechtsakten die Beschlüsse erlässt, in denen sie Mitgliedstaaten ersucht, vUA-Entscheidungen zu widerrufen, und dass diese Durchführungsrechtsakte nach dem in Art. 285 Abs. 2 des Zollkodex genannten Beratungsverfahren erlassen werden.

15      Aus diesen Vorschriften ergibt sich, dass die nationalen Zollbehörden im Wesentlichen auf Antrag von Einführern, die Garantien hinsichtlich der Auslegung der Regeln für die Festlegung des nicht präferenziellen Ursprungs von in die Union eingeführten Waren erwirken möchten, Entscheidungen erlassen können, mit denen der geografische Ursprung dieser Waren offiziell anerkannt wird. Zudem kann die Kommission, die darüber von diesen Behörden regelmäßig unterrichtet wird, ihrerseits diese Behörden auffordern, die erlassenen Entscheidungen zu widerrufen, wenn sie nachträglich zur Ansicht gelangt, dass diese Bestimmung des Ursprungs durch diese Zollbehörden nicht korrekt ist.

C.      Handelspolitische Maßnahmen

16      Nach Art. 5 Nr. 36 des Zollkodex sind „handelspolitische Maßnahmen“ als Teil der gemeinsamen Handelspolitik in Form von Unionsvorschriften über den internationalen Handel mit Waren festgelegte nicht tarifäre Maßnahmen.

17      In diesem Zusammenhang hat der Unionsgesetzgeber die Verordnung (EU) Nr. 654/2014 vom 15. Mai 2014 über die Ausübung der Rechte der Union in Bezug auf die Anwendung und die Durchsetzung internationaler Handelsregeln und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 3286/94 des Rates zur Festlegung der Verfahren der Gemeinschaft im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik zur Ausübung der Rechte der Gemeinschaft nach internationalen Handelsregeln, insbesondere den im Rahmen der Welthandelsorganisation vereinbarten Regeln (ABl. 2014, L 189, S. 50) erlassen.

18      Nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 654/2014 erlässt die Kommission Durchführungsrechtsakte, in denen die geeigneten handelspolitischen Maßnahmen festgelegt werden, wenn in den Fällen nach Art. 3 dieser Verordnung Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der Union erforderlich sind.

19      Auf der Grundlage der Verordnung Nr. 654/2014 und insbesondere ihres Art. 4 Abs. 1 hat die Kommission insbesondere die Durchführungsverordnung (EU) 2018/886 vom 20. Juni 2018 über bestimmte handelspolitische Maßnahmen in Bezug auf bestimmte Waren mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika und zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 2018/724 (ABl. 2018, L 158, S. 5) erlassen.

II.    Vorgeschichte des Rechtsstreits

20      Im Juni 2018 führte die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika zusätzliche Zölle in Höhe von 25 % bzw. 10 % auf die Einfuhren von Stahl und auf die Einfuhren von Aluminium aus der Union ein (im Folgenden: gemäß Section 232 des Gesetzes von 1962 über die Ausweitung des Handels festgesetzte Zölle), um die nationale Produktion dieser Waren zu fördern und zu steigern.

21      Als Reaktion auf die Einführung der gemäß Section 232 des Gesetzes von 1962 über die Ausweitung des Handels festgesetzten Zölle erließ die Kommission am 20. Juni 2018 die Verordnung 2018/886, die die Anwendung zusätzlicher Zölle auf die Einfuhr von Waren mit Ursprung in den Vereinigten Staaten, wie sie in den Anhängen I und II dieser Verordnung aufgeführt sind, vorsieht.

22      Nach Art. 2 Buchst. a und Anhang I der Verordnung 2018/886 sollten auf Waren mit dem KN-Code 8711 50 00, nämlich „Krafträder … mit Hubkolbenverbrennungsmotor mit einem Hubraum von mehr als 800 cm3“, in der ersten Stufe zusätzliche Zölle in Höhe von 25 % angewandt werden, und zwar ab 22. Juni 2018.

23      Zudem wurden nach Art. 2 Buchst. b und Anhang II der Verordnung 2018/886, die ebenfalls Waren mit dem KN-Code 8711 50 00 umfassten, auf diese Waren in einer zweiten Stufe im Wesentlichen spätestens ab 1. Juni 2021 weitere zusätzliche Zölle in Höhe von 25 % erhoben.

24      Nach der Veröffentlichung der Verordnung 2018/886 im Amtsblatt der Europäischen Union erfuhr Harley-Davidson, ein auf den Bau von Krafträdern spezialisiertes amerikanisches Unternehmen, mithin von der Anwendung zusätzlicher Zölle auf ihre aus den Vereinigten Staaten in die Union eigeführten Waren in Höhe von 25 % ab 22. Juni 2018, sodann von weiteren 25 % spätestens ab 1. Juni 2021, zusätzlich zu dem vertragsmäßigen Zollsatz von 6 %, somit eines Gesamtzollsatzes in Höhe von 31 % ab 22. Juni 2018, sodann in Höhe von 56 % ab spätestens 1. Juni 2021 für ihre Krafträder.

25      Am 25. Juni 2018 legte Harley-Davidson der Securities and Exchange Commission (Börsenaufsichtsbehörde, Vereinigte Staaten, im Folgenden: SEC) einen Bericht auf dem Formblatt 8-K (Form 8-K Current Report, im Folgenden: Formblatt 8-K) vor. Dieses Formblatt 8‑K diente dazu, ihre Anteilseigner über die Anwendung der oben in Rn. 24 genannten zusätzlichen Zölle und ihre Auswirkungen auf ihre Tätigkeit in Kenntnis zu setzen. Auf diesem Formblatt teilte Harley-Davidson mit, dass sie beabsichtige, die Produktion bestimmter Krafträder, die für den Unionsmarkt bestimmt seien, von den Vereinigten Staaten auf ihre internationalen Anlagen in einem anderen Land zu verlagern, um die in Rede stehenden handelspolitischen Maßnahmen der Union zu umgehen.

26      Im Formblatt 8-K führte Harley-Davidson insbesondere Folgendes aus:

„Die Europäische Union hat auf verschiedene in den Vereinigten Staaten hergestellte Waren, darunter Harley-Davidson-Krafträder, Zölle eingeführt. Diese Zölle, die am 22. Juni 2018 in Kraft getreten sind, wurden als Reaktion auf die Zölle auferlegt, die die Vereinigten Staaten auf die Ausfuhr von Stahl und Aluminium aus der [Union] in die Vereinigten Staaten auferlegt hat.

In der Folge sind die Zölle der [Union] auf Harley-Davidson-Krafträder, die aus den Vereinigten Staaten ausgeführt werden, von 6 % auf 31 % gestiegen. Harley-Davidson schätzt, dass diese Zölle Zusatzkosten von ungefähr 2 200 US-Dollar pro aus den Vereinigten Staaten in die [Union] ausgeführtem Kraftrad verursachen werden.

Um die erheblichen Kosten dieser Zollbelastung langfristig zu bewältigen, wird Harley-Davidson einen Plan umsetzen, der darauf abzielt, die Produktion von für die [Union] bestimmten Krafträdern von den Vereinigten Staaten auf ihre internationalen Anlagen zu verlagern, um die Zollbelastung zu umgehen. Harley-Davidson erwartet, dass für die Steigerung der Produktion in den internationalen Fabriken zusätzliche Investitionen erforderlich sein werden und dass es bis zum vollständigen Abschluss mindestens neun bis 18 Monate dauern könnte.“

27      Nach der Veröffentlichung des Formblatts 8-K entschied sich Harley-Davidson für ihre Fabrik in Thailand als Produktionsstätte für bestimmte ihrer für den Unionsmarkt bestimmten Krafträder.

28      Harley-Davidson wollte Zusicherungen hinsichtlich der Bestimmung des Ursprungslands der in ihrem Werk in Thailand hergestellten und für den Unionsmarkt bestimmten Krafträder erwirken. Deshalb stellten Harley-Davidson und Neovia, ein Intermediär, der für Harley-Davidson logistische Unterstützungsleistungen im Rahmen ihrer Einfuhren von Krafträdern über Belgien in die Union erbringt, am 25. Januar 2019 gemeinsam bei den belgischen Zollbehörden zwei erste förmliche Anträge auf vUA-Entscheidungen betreffend zwei Kraftrad‑Familien. Drei weitere Anträge auf vUA-Entscheidungen betreffend drei weitere Kraftrad‑Familien wurden später gestellt.

29      Am 31. Januar 2019 nahmen die belgischen Behörden an einem Treffen mit der Kommission zu den Anträgen auf vUA-Entscheidungen teil, bei dem es um die Einfuhr von zwei Kraftrad‑Familien in die Union ging, die im Werk von Harley-Davidson in Thailand zusammengesetzt wurden. Am Ende dieses Treffens gab die Kommission eine informelle Stellungnahme ab, wonach das Kriterium der wirtschaftlichen Rechtfertigung im Sinne von Art. 33 ZKU-DelVO aufgrund der Angaben im Formblatt 8-K nicht erfüllt sein könnte.

30      Die belgischen Behörden ersuchten um eine Diskussion mit den Mitgliedstaaten über die Anwendbarkeit von Art. 33 ZKU-DelVO, die beim Treffen der Zollexpertengruppe, Bereich „Warenursprung“, am 8. April 2019 stattfand. Bei diesem Treffen erklärten die belgischen Behörden, dass das Land geändert worden sei, in dem einige von Harley-Davidson hergestellte Krafträder zusammengesetzt würden, und dass diese Verlagerung erfolgt sei, weil auf die Waren mit Ursprung im vorherigen Herstellungsland, nämlich den Vereinigten Staaten, zusätzliche Zölle eingeführt worden seien. Im Protokoll dieses Treffens heißt es: „Einige Delegierte haben bestätigt, dass auf der Grundlage der verfügbaren Informationen der Ursprung nach Art. 33 ZKU-DelVO ermittelt werden muss, während andere nicht dieser Ansicht waren. Nach Ansicht der [Kommission] kann Art. 33 Anwendung finden, zumal der Hersteller in öffentlichen Erklärungen angegeben habe, dass der Zweck der Verlagerungsmaßnahme die Umgehung der Anwendung der Maßnahmen in der Union sei.“ Trotz Ersuchens der belgischen Behörden gab die Kommission jedoch zu keinem Zeitpunkt eine förmliche Stellungnahme zur Anwendbarkeit von Art. 33 ZKU-DelVO auf den vorliegenden Fall ab.

31      Am 24. Juni 2019 erließen die belgischen Zollbehörden in Anwendung von Art. 33 Abs. 1 des Zollkodex zwei vUA-Entscheidungen, mit denen sie anerkannten und bescheinigten, dass bestimmte Kategorien von in die Union eingeführten Harley-Davidson-Krafträdern, die den oben in Rn. 28 genannten beiden Kraftrad-Familien entsprachen, ihren Ursprung in Thailand hatten. Die drei weiteren Anträge auf Erlass von vUA-Entscheidungen, die ebenfalls oben in Rn. 28 angeführt sind, erfuhren später dieselbe Behandlung durch die belgischen Zollbehörden.

32      Die in Rede stehenden vUA-Entscheidungen wurden der Kommission von den belgischen Zollbehörden am 21. August 2019 zur Kenntnis gebracht.

33      Am 5. Oktober 2020 teilte die Kommission den belgischen Behörden ihre Absicht mit, sie aufzufordern, die beiden ersten vUA-Entscheidungen zu widerrufen. Am 13. November 2020 antworteten die belgischen Behörden der Kommission, dass sie dieser Aufforderung zum Widerruf entgegenträten.

34      Am 22. Dezember 2020 leitete die Kommission ein förmliches Verfahren im Hinblick auf den Erlass des angefochtenen Beschlusses ein. Am 5. März 2021 legte die Kommission den Entwurf des angefochtenen Beschlusses allen nationalen Delegationen des Ausschusses für den Zollkodex, Bereich „Warenursprung“, im Rahmen des Beratungsverfahrens und im schriftlichen Verfahren vor. Vier Mitgliedstaaten übermittelten Stellungnahmen zum Entwurf des angefochtenen Beschlusses und wandten sich gegen die von der Kommission in diesem Entwurf vertretene Ansicht.

35      Am 29. März 2021 richtete die Kommission einen zusammenfassenden Vermerk an den Ausschuss für den Zollkodex, Bereich „Warenursprung“, in dem sie ausführte, dass die 23 Mitgliedstaaten, die nicht Stellung genommen hätten, stillschweigend ihre Zustimmung zum Entwurf des angefochtenen Beschlusses erteilt hätten.

36      Am 31. März 2021 erließ die Kommission den angefochtenen Beschluss, den sie dem Königreich Belgien am 6. April 2021 zur Kenntnis brachte und der am folgenden Tag im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde. Mit diesem Beschluss wurden die belgischen Behörden aufgefordert, die ersten beiden vUA-Entscheidungen zu widerrufen.

37      Im angefochtenen Beschluss führte die Kommission aus:

„(6)      Nach der Veröffentlichung der handelspolitischen Maßnahmen der Europäischen Union hat [Harley-Davidson] der [SEC] am 25. Juni 2018 mittels … [des] Formblatts 8-K … mitgeteilt, dass [sie] beabsichtigt, die Produktion bestimmter Krafträder, die für den Markt der Europäischen Union bestimmt sind, von den Vereinigten Staaten von Amerika auf [ihre] internationalen Anlagen in einem anderen Land zu verlagern, um die handelspolitischen Maßnahmen der Europäischen Union zu umgehen.

(7)      Auch wenn die Umgehung handelspolitischer Maßnahmen nicht unbedingt der einzige Grund für die Verlagerung der Produktion ist, sind die Bedingungen nach Artikel 33 Absatz 1 [ZKU-DelVO] auf Grundlage der verfügbaren Informationen erfüllt. Die im letzten Herstellungsland vorgenommene Be- oder Verarbeitung gilt daher als wirtschaftlich nicht gerechtfertigt. …

(9)      Da die Bestimmung des nichtpräferenziellen Ursprungs der Krafträder, die Gegenstand der im Anhang genannten vUA-Entscheidungen sind, nicht auf der Regel nach Artikel 33 Absatz 3 [ZKU-DelVO] beruht, ist die Kommission der Auffassung, dass diese Bestimmung des nichtpräferenziellen Ursprungs nicht mit Artikel 60 Absatz 2 des Zollkodex in Verbindung mit Artikel 33 [ZKU-DelVO] vereinbar ist.“

38      Nach Erlass des angefochtenen Beschlusses teilten die belgischen Behörden den Klägerinnen in einem an Neovia gerichteten Schreiben vom 16. April 2021 mit, dass sie die fünf vUA-Entscheidungen über die Einfuhr von von Harley-Davidson in Thailand hergestellten Krafträdern in die Union widerriefen.

III. Anträge der Parteien

39      Die Klägerinnen beantragen,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        den Zollbehörden der Union eine Anleitung zu geben, welche Konsequenzen aus dem Urteil zu ziehen sind und wie sie zu handeln haben, um diesem Wirkung zu verleihen;

–        diejenigen prozessleitenden Maßnahmen oder Maßnahmen der Beweiserhebung zu erlassen, die das Gericht für angemessen erachtet;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

40      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen,

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

IV.    Rechtliche Würdigung

A.      Zuständigkeit des Gerichts

41      Die Kommission hält den zweiten Antrag der Klägerinnen für unzulässig.

42      Die Klägerinnen sind jedoch der Ansicht, dass es zweckdienlich sein könne, eine Anleitung zu geben, wie dem Urteil nachzukommen sei.

43      Insoweit genügt der Hinweis, dass das Gericht im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle aufgrund von Art. 263 AEUV nicht befugt ist, gegenüber den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union Anordnungen zu erlassen, auch wenn sie die Modalitäten der Durchführung seiner Urteile betreffen (Beschlüsse vom 22. September 2016, Gaki/Kommission, C‑130/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:731, Rn. 14, und vom 19. Juli 2016, Trajektna luka Split/Kommission, T‑169/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:441, Rn. 13).

44      Daraus folgt, dass der zweite Klageantrag wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen ist.

B.      Begründetheit

45      Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf sechs Gründe.

46      Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst den dritten Klagegrund und sodann den vierten, den ersten, den zweiten, den fünften und den sechsten Klagegrund zu prüfen.

1.      Dritter Klagegrund: Missbrauch der Befugnis zum Widerruf, da sie auf einer fehlerhaften Auslegung und Anwendung von Art. 33 ZKU-DelVO beruhe

47      Mit dem dritten Klagegrund machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe Art. 33 ZKU-DelVO rechtsfehlerhaft ausgelegt.

48      Insbesondere sei in den früheren Fassungen der Regelung vorgesehen, dass das Kriterium der wirtschaftlichen Rechtfertigung nicht erfüllt sei, wenn mit einer Be- oder Verarbeitung „nur“ die Umgehung „bezweckt“ werde; ferner sei in den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 33 ZKU-DelVO stets von einem „Zweck“ im Singular die Rede, was zumindest als ein „einziger vorherrschender Zweck“ oder ein „wesentlicher Zweck“ zu verstehen sei. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs habe bestätigt, dass das Vorliegen jedes anderen, nicht mit einer Umgehung in Zusammenhang stehenden Grundes für eine Be- oder Verarbeitung ausreiche, damit das Kriterium der wirtschaftlichen Rechtfertigung erfüllt sei. Insoweit berufen sie sich insbesondere auf das Urteil vom 13. Dezember 1989, Brother International (C‑26/88, EU:C:1989:637), in dem der Gerichtshof entschieden habe, dass „die Verlagerung der Montage aus dem Land der Herstellung der Bestandteile in ein anderes Land, in dem bereits vorhandene Produktionsstätten genutzt werden, für sich gesehen nicht die Vermutung rechtfertigt, dass diese Verlagerung nur die Umgehung von Bestimmungen bezweckt“. Die Kommission habe ihnen nicht die Gelegenheit gegeben, das Vorliegen anderer Zwecke nachzuweisen, und es sei nicht feststellbar, ob die Kommission die Angaben geprüft habe, die sie den belgischen Behörden übermittelt hätten, um nachzuweisen, dass das Kriterium der wirtschaftlichen Rechtfertigung erfüllt sei.

49      Hinsichtlich des letztgenannten Aspekts machen die Klägerinnen geltend, dass die Entscheidung von Harley-Davidson, für den Unionsmarkt bestimmte Krafträder in Thailand herzustellen, auf einer Reihe von starken und legitimen wirtschaftlichen Faktoren beruhe und keine künstliche Entscheidung sei, deren wesentliches Ziel darin bestehe, die zusätzlichen Zölle zu umgehen.

50      Die Klägerinnen vergleichen auch den Begriff der „Umgehung“ im Sinne von Art. 33 ZKU-DelVO mit den Begriffen „[Steuer‑]Umgehung“, „Missbrauch“, „Manipulation“ und „Umgehung“, wie sie von der Rechtsprechung präzisiert worden sind. Indem sie auf verschiedene Urteile des Gerichtshofs verweisen, in denen diese Begriffe vor allem im Steuerrecht und im Antidumpingrecht verwendet und präzisiert worden sind, machen die Klägerinnen geltend, dass zwar die Herstellung von für die Union bestimmten Krafträdern durch Harley-Davidson in Thailand vor allem darauf abziele, die zusätzlichen Zölle zu umgehen, dass jedoch geprüft werden müsse, ob es keinen anderen legitimen wirtschaftlichen Zweck für die Verlagerungsmaßnahme gebe, was die Kommission nicht gemacht habe. Im Wege der Analogie weisen die Klägerinnen ferner darauf hin, dass der Gerichtshof wiederholt bestätigt habe, dass ein Wirtschaftsteilnehmer auf dem Unionsmarkt über eine große Freiheit verfüge und beispielsweise das Recht habe, seine Tätigkeit so zu gestalten, dass er seine Steuerschuld in Grenzen halte.

51      Somit sind die Klägerinnen der Ansicht, dass durch die Art und Weise, wie die Kommission Art. 33 ZKU-DelVO angewandt habe, das Kriterium der wirtschaftlichen Rechtfertigung geändert und ein ursprünglich objektives in ein subjektives Kriterium umgewandelt worden sei. Die von der Kommission vorgenommene Auslegung verändere die Zielsetzung von Art. 60 Abs. 2 des Zollkodex mit der Folge, dass der Ursprung nicht mehr auf der Grundlage von objektiven Faktoren, nämlich der Natur der durchgeführten Be- oder Verarbeitung, sondern auf der Grundlage subjektiver Faktoren, nämlich der Erwägungen oder Gründe des Herstellers, festgestellt werde. Die Beurteilung des „Zwecks“ einer Verlagerungsmaßnahme müsse aber auf einer objektiven Analyse der Umstände und des Kontexts der Maßnahme selbst beruhen, einer Analyse, die die Kommission nicht vorgenommen habe.

52      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

53      Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob die Kommission beim Erlass des angefochtenen Beschlusses auf der Grundlage von Art. 33 ZKU-DelVO einen Rechtsfehler begangen hat, als sie die Ansicht vertrat, dass die Verlagerung der Produktion bestimmter, für den Unionsmarkt bestimmter Kategorien von Harley-Davidson-Krafträdern nach Thailand nicht als „wirtschaftlich gerechtfertigt“ angesehen werden könne, da sie nach Ansicht dieses Organs darauf abzielte, die ab 2018 gegen Waren mit Ursprung in den Vereinigten Staaten erlassenen handelspolitischen Maßnahmen der Union zu umgehen.

54      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen sind, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden. Die Entstehungsgeschichte einer Bestimmung des Unionsrechts kann ebenfalls relevante Anhaltspunkte für ihre Auslegung liefern (vgl. Urteil vom 2. September 2021, CRCAM, C‑337/20, EU:C:2021:671, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55      Nach Art. 60 Abs. 2 des Zollkodex (siehe oben, Rn. 7) muss, damit ein Land oder ein Gebiet für die Zwecke der Anwendung der Unionsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Ursprung eingeführter Waren als Ort des Ursprungs von Waren angesehen wird, die letzte wesentliche Be- oder Verarbeitung an diesem Ort vorgenommen werden und muss sie „wirtschaftlich gerechtfertigt“ sein.

56      Art. 33 („Wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Be- oder Verarbeitung“) ZKU-DelVO sieht in seinem Abs. 1 vor, dass „[e]ine in einem anderen Land oder Gebiet vorgenommene Be- oder Verarbeitung … als wirtschaftlich nicht gerechtfertigt [gilt], wenn auf der Grundlage der verfügbaren Tatsachen feststeht, dass der Zweck dieser Be- oder Verarbeitung darin bestand, die Anwendung der [Unionsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Warenursprung] zu umgehen“.

57      Somit ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 33 ZKU-DelVO, insbesondere aus der Verwendung des Wortes „gilt“ in diesem Artikel, dass die Kommission und die Zollbehörden der Union unter bestimmten Umständen, nämlich wenn der Zweck einer bestimmten Be- oder Verarbeitung darin bestand, die Anwendung der Maßnahmen gemäß Art. 59 des Zollkodex zu umgehen, davon ausgehen müssen, dass die Voraussetzung der wirtschaftlichen Rechtfertigung nicht erfüllt ist.

58      Was sodann gerade die Verwendung des Ausdrucks „der Zweck dieser Be- oder Verarbeitung darin bestand, … zu umgehen“ in Art. 33 ZKU-DelVO betrifft, ist das Gericht der Ansicht, dass die Verwendung des Begriffs „Zweck“ im Singular in Situationen, in denen mit der Verwirklichung einer bestimmen Verlagerungsmaßnahme mehrere Zwecke verfolgt werden, dahin zu verstehen ist, dass er auf den Gedanken eines „hauptsächlichen“ oder „vorherrschenden“ Zwecks verweist. Es ist daher möglich, dass dieser Zweck nicht der einzige ist, aber es ist notwendig, dass er für die Entscheidung, die Produktion auf ein anderes Land oder Gebiet zu verlagern, entscheidend ist.

59      Aus Art. 33 ZKU-DelVO und insbesondere dem Verweis auf „Maßnahmen gemäß Art. 59“ des Zollkodex in Verbindung mit dem 21. Erwägungsgrund der ZKU-DelVO und dem von der Kommission vor Erlass der ZKU-DelVO vorgelegten konsolidierten Entwurf eines delegierten Rechtsakts geht hervor, dass Art. 33 ZKU-DelVO anwendbar ist, wenn die Union handelspolitische Maßnahmen erlassen hat. Diese handelspolitischen Maßnahmen können in zolltariflichen Maßnahmen wie den im vorliegenden Fall erlassenen bestehen, nämlich in zusätzlichen Zöllen für bestimmte Waren mit Ursprung in den Vereinigten Staaten, die mit der Verordnung 2018/886 in Anwendung von Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 654/2014 eingeführt wurden.

60      Somit soll mit Art. 33 ZKU-DelVO sichergestellt werden, dass die handelspolitischen Maßnahmen der Union vollständig durchgeführt werden, indem er für die von solchen Maßnahmen betroffenen Waren den Erwerb eines neuen Ursprungs verhindert, wenn der hauptsächliche oder vorherrschende Zweck einer Be- oder Verarbeitung, wie einer Verlagerung der Produktion in ein anderes Land oder Gebiet, darin bestand, die Anwendung dieser Maßnahmen zu umgehen.

61      Schließlich bezieht sich der in Art. 33 ZKU-DelVO verwendete Ausdruck „auf der Grundlage der verfügbaren Tatsachen“ auf die tatsächlichen Angaben, über die die Behörde verfügt, die zu prüfen hat, ob der Zweck einer Verlagerungsmaßnahme darin bestand, die Anwendung von Unionsmaßnahmen zu umgehen, die den Ursprung der Waren betreffen.

62      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass Art. 33 ZKU-DelVO dahin auszulegen ist, dass dann, wenn sich auf der Grundlage der verfügbaren Tatsachen feststellen lässt, dass der hauptsächliche oder vorherrschende Zweck einer Verlagerungsmaßnahme darin bestand, die Anwendung von handelspolitischen Maßnahmen der Union zu umgehen, davon auszugehen ist, dass diese Be- oder Verarbeitung grundsätzlich nicht wirtschaftlich gerechtfertigt sein kann.

63      Daher obliegt es dem betreffenden Wirtschaftsteilnehmer, den Beweis dafür zu erbringen, dass der hauptsächliche oder vorherrschende Zweck einer Verlagerungsmaßnahme zu dem Zeitpunkt, zu dem die diesbezügliche Entscheidung gefallen ist, nicht darin bestand, die Anwendung von handelspolitischen Maßnahmen der Union zu umgehen. Ein solcher Beweis unterscheidet sich von der nachträglichen Suche nach einer wirtschaftlichen Rechtfertigung oder danach, ob diese Verlagerungsmaßnahme in wirtschaftlicher Hinsicht vernünftig ist. Könnte nämlich der Nachweis, dass der hauptsächliche oder vorherrschende Zweck einer Verlagerungsmaßnahme nicht darin bestand, die Anwendung handelspolitischer Maßnahmen zu umgehen, durch den bloßen Nachweis des Vorliegens einer wirtschaftlichen Rechtfertigung erbracht werden, würde Art. 33 ZKU-DelVO jede praktische Wirksamkeit genommen.

64      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Akte, dass die verfügbaren Tatsachen im Sinne von Art. 33 ZKU-DelVO die oben in Rn. 26 angeführten Behauptungen von Harley-Davidson im Formblatt 8-K und die von den Klägerinnen den belgischen Zollbehörden zur Stützung ihrer Anträge auf vUA-Entscheidungen übermittelten Angaben sind.

65      Hinsichtlich der den belgischen Zollbehörden übermittelten Angaben tragen die Klägerinnen vor, sie hätten im Herbst 2018 eine Zusammenfassung verschiedener Gründe vorgelegt, aus denen die Produktion in Thailand ihrer Ansicht nach „wirtschaftlich gerechtfertigt“ gewesen sei; diese Zusammenfassung hätten sie am 26. März 2019, also neun Monate nach der Veröffentlichung des Formblatts 8-K, durch zusätzliche Erläuterungen vervollständigt.

66      Aus der Analyse der im Anhang der vorliegenden Klage vorgelegten Dokumente ergibt sich, dass diese von den Klägerinnen im Rahmen ihres Schriftwechsels mit den belgischen Zollbehörden ausgearbeitet wurden, um vUA-Entscheidungen zu erwirken, die den thailändischen Ursprung der von Harley-Davidson hergestellten und für den Unionsmarkt bestimmten Krafträder anerkennen. Dieser Schriftwechsel begann im September 2018, also einige Monate nach der Veröffentlichung des Formblatts 8-K, mit dem die in Rede stehende Verlagerungsmaßnahme öffentlich angekündigt wurde. Diese Dokumente, die weder aus der Zeit vor dem Formblatt 8-K noch aus der Zeit stammen, in der das Formblatt 8-K erstellt wurde, und die allein zu dem Zweck ausgearbeitet wurden, von den belgischen Zollbehörden den thailändischen Ursprung der von Harley-Davidson hergestellten Krafträder anerkennen zu lassen, erlauben keine entscheidenden Rückschlüsse darauf, ob es tatsächlich eine Entscheidung über die Verlagerung der Produktion von für den Unionsmarkt bestimmten Krafträdern nach Thailand gegeben hat, die vor der Einführung der zusätzlichen Zölle getroffen wurde (vgl. oben, Rn. 21) oder auf einer ganz und gar rationalen wirtschaftlichen Überlegung beruhte, die nichts mit der Einführung dieser zusätzlichen Zölle zu tun hatte.

67      Daraus folgt, dass Harley-Davidson auf der Grundlage der verfügbaren Tatsachen, nämlich ihrer eigenen Behauptungen im Formblatt 8-K, um „die erheblichen Kosten [der durch die Einführung der zusätzlichen Zölle entstandenen] Zollbelastung langfristig zu bewältigen, … einen Plan [umgesetzt hat], der darauf abzielt[e], die Produktion von für die [Union] bestimmten Krafträdern von den Vereinigten Staaten auf ihre internationalen Anlagen zu verlagern“. So zeigt sich bei Durchsicht des Formblatts 8-K, dass die Einführung der zusätzlichen Zölle der Auslöser für die Ankündigung der in Rede stehenden Verlagerungsentscheidung war. Die Klägerinnen haben im Übrigen in der mündlichen Verhandlung in Beantwortung einer Frage des Gerichts eingeräumt, dass das Inkrafttreten dieser zusätzlichen Zölle die Entscheidung, die für den Unionsmarkt bestimmte Produktion nach Thailand zu verlagern, „beschleunigt“ habe.

68      Zudem ist es den Klägerinnen weder mit Hilfe der sich aus ihrem Schriftwechsel mit den belgischen Zollbehörden ergebenden Beweise noch mit Hilfe der im Rahmen des vorliegenden Verfahrens eingereichten Schriftsätze noch in Beantwortung der Fragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung gelungen, nachzuweisen, dass die Entscheidung, die Produktion von für den Unionsmarkt bestimmten Harley-Davidson-Krafträdern nach Thailand zu verlagern, vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2018/886 getroffen wurde oder Teil einer Gesamtstrategie war, um speziell die Kosten der für den Unionsmarkt bestimmten Krafträder durch eine Verlagerung dieser Produktion nach Asien zu senken. Die Klägerinnen haben sich allenfalls mit vagen und abstrakten Behauptungen begnügt, wonach Harley-Davidson seit mehreren Jahren eine Strategie verfolgt habe, um ihre geschäftliche Präsenz außerhalb der Vereinigten Staaten zu erhöhen, wobei sie diese Behauptungen durch die Vorlage von Dokumenten untermauerten, die für die SEC bestimmt waren, aus denen ohne nähere Erläuterungen nur hervorgeht, dass das internationale Wachstum im Wesentlichen Teil einer langfristigen Gesamtstrategie des Unternehmens gewesen sei.

69      Die Klägerinnen haben kein Dokument, wie etwa Kopien von Entscheidungen des Verwaltungsrats von Harley-Davidson, vorgelegt, aus dem hervorginge, dass die spezifische Entscheidung, die Produktion der für den Unionsmarkt bestimmten Krafträder nach Thailand zu verlagern, vor der Einführung der in Rede stehenden zusätzlichen Zölle getroffen wurde. Vielmehr ergibt sich aus einem der von den Klägerinnen vorgelegten Dokumente, das oben in Rn. 68 angeführt, vom 28. Februar 2019 datiert und für die SEC bestimmt ist, dass die Produktion von Krafträdern in der Fabrik in Thailand erst im Laufe des Jahres 2018 begonnen hatte und dass diese Produktion zumindest bis 31. Dezember 2018 ausschließlich für bestimmte asiatische Märkte und nicht für den Unionsmarkt bestimmt war.

70      Es kann jedenfalls festgestellt werden, dass für Harley-Davidson deshalb, weil sie auf dem Formular 8-K nur angab, dass sie durch die Verlagerung ihrer Produktion die sich aus dem Inkrafttreten der zusätzlichen Zölle ergebende „Zollbelastung [habe] umgehen“ wollen, der hauptsächliche oder vorherrschende Zweck darin bestand, die Anwendung dieser handelspolitischen Maßnahme zu umgehen. Aus Gegenstand und Inhalt des Formblatts 8-K geht klar hervor, dass dieses Formblatt, das vom 25. Juni 2018 datiert, als unmittelbare Reaktion auf die Veröffentlichung der Verordnung 2018/886 nur fünf Tage nach dieser Veröffentlichung und drei Tage nach ihrem Inkrafttreten veröffentlicht wurde. Das Gericht stellt fest, dass zwischen dem Inkrafttreten der Verordnung 2018/886 und der Ankündigung der in Rede stehenden Verlagerungsmaßnahme ein zeitlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher zeitlicher Zusammenhang ist nach der Rechtsprechung geeignet, die Vermutung zu rechtfertigen, dass mit einer Verlagerungsmaßnahme die Umgehung der Anwendung handelspolitischer Maßnahmen bezweckt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Dezember 1989, Brother International, C‑26/88, EU:C:1989:637, Rn. 29).

71      Aus der Rechtsprechung ergibt sich auch, dass folglich bei Vorliegen eines solchen zeitlichen Zusammenhangs dem betreffenden Wirtschaftsteilnehmer der Nachweis obliegt, dass die Produktionsvorgänge aus einem sachgerechten Grund und nicht zu dem Zweck, den Folgen der betreffenden Bestimmungen zu entgehen, in dem Land stattgefunden haben, in das die Produktion verlagert worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Dezember 1989, Brother International, C‑26/88, EU:C:1989:637, Rn. 29). Wie oben in den Rn. 65 bis 68 ausgeführt, ist es den Klägerinnen jedoch nicht gelungen, den Nachweis zu erbringen, dass es vor oder gleichzeitig mit der Bekanntgabe der Entscheidung über die Verlagerung nach Thailand einen sachgerechten Grund gegeben hat, der die Behauptung stützt, dass diese Verlagerung eine andere Rechtfertigung als die Umgehung der Folgen der Einführung zusätzlicher Zölle hätte haben können.

72      Somit ist ersichtlich, dass die Einführung der zusätzlichen Zölle der Auslöser für die in Rede stehende Entscheidung über die Verlagerung war, die durch die Veröffentlichung des Formblatts 8-K offenkundig wurde, und dass diese Entscheidung angesichts des Kontexts zumindest hauptsächlich oder vorherrschend auf der Absicht beruhte, die durch diese Zölle verursachte finanzielle Belastung zu umgehen.

73      Daraus folgt, dass die Kommission keinen Fehler begangen hat, als sie den Schluss zog, dass der hauptsächliche Zweck dieser Verlagerung darin bestanden habe, die in den zusätzlichen Zöllen bestehende handelspolitische Maßnahme zu umgehen.

74      Folglich geht das gesamte Vorbringen der Klägerinnen zum Vorliegen einer wirtschaftlichen Rechtfertigung der in Rede stehenden Verlagerungsmaßnahme ins Leere, da eine solche Rechtfertigung von der Kommission im vorliegenden Fall nicht zu suchen war. Gleiches gilt für das Vorbringen der Klägerinnen betreffend das tatsächliche Vorliegen und die Wesentlichkeit der Produktionsvorgänge in Thailand.

75      Zum Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe ein ursprünglich objektives Kriterium in ein subjektives Kriterium umgewandelt, genügt der Hinweis, dass die Feststellung im angefochtenen Beschluss, dass die Verlagerung der Be- oder Verarbeitung nach Thailand zumindest hauptsächlich vorgenommen worden sei, um die Anwendung der handelspolitischen Maßnahmen der Union zu umgehen, eine Feststellung ist, die auf objektiven Beweisen beruht. Insoweit war die Kommission im Rahmen ihrer Prüfung des Verhaltens von Harley-Davidson zur Feststellung einer möglichen Umgehung dieser handelspolitischen Maßnahmen verpflichtet, sich auf sämtliche relevanten und verfügbaren Tatsachen zu stützen. In diesem Zusammenhang konnte sich die Kommission veranlasst sehen, die von diesem Unternehmen verfolgte Strategie zu beurteilen. In diesem Rahmen durfte die Kommission subjektive Faktoren anführen, nämlich die der in Rede stehenden Strategie zugrunde liegenden Motive, da diese Faktoren klar, eindeutig und objektiv aus dem Formblatt 8-K hervorgingen. So konnte das Vorliegen einer Absicht, die in Rede stehenden handelspolitischen Maßnahmen zu umgehen, entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen einer der objektiven tatsächlichen Umstände sein, die bei der Bestimmung, ob eine solche Umgehung vorlag, berücksichtigt werden konnten.

76      Nach alledem ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

2.      Vierter Klagegrund: Rechtswidrigkeit von Art. 33 ZKU-DelVO

77      Im Rahmen des vierten Klagegrundes machen die Klägerinnen geltend, Art. 33 ZKU-DelVO sei rechtswidrig, da er über den Rahmen einer Regelung hinausgehe, die im Wege eines delegierten Rechtsakts nach Art. 290 AEUV erlassen werden könne, und da er gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit verstoße.

a)      Erster Teil des vierten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 290 AEUV

78      Die Klägerinnen machen geltend, diese Vorschrift überschreite –unabhängig davon, wie Art. 33 ZKU-DelVO auszulegen sei –, die Grenzen einer delegierten Rechtsvorschrift. Insoweit bringen sie im Wesentlichen vor, das Kriterium der „wirtschaftlichen Rechtfertigung“ könne nicht als ein Kriterium angesehen werden, das nähere Angaben dazu mache, wie eine wesentliche Vorschrift anzuwenden sei; vielmehr handle es sich dabei um eine grundlegende Regel für die Bestimmung des Ursprungs. Als solche müsse die Regel von Art. 33 ZKU-DelVO neben Art. 60 Abs. 2 des Zollkodex, der die allgemeine Regel für die Bestimmung des Ursprungs von Waren enthalte, die in mehr als einem Land bearbeitet würden, im Primärrecht enthalten sein.

79      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

80      Die in Art. 290 AEUV vorgesehene Möglichkeit, Befugnisse zu übertragen, soll dem Gesetzgeber erlauben, sich auf die wesentlichen Elemente einer Regelung sowie auf ihre nicht wesentlichen Elemente, deren gesetzliche Regelung er für sachgerecht hält, zu konzentrieren und der Kommission die Aufgabe anzuvertrauen, bestimmte nicht wesentliche Elemente des erlassenen Gesetzgebungsakts zu „ergänzen“ oder aber solche Elemente im Rahmen einer ihr eingeräumten Ermächtigung zu „ändern“ (vgl. Urteil vom 11. Mai 2017, Dyson/Kommission, C‑44/16 P, EU:C:2017:357, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

81      Die wesentlichen Bestimmungen einer Materie sind deshalb in der Grundregelung zu erlassen und können nicht Gegenstand einer Übertragung von Durchführungsbefugnissen sein (vgl. Urteil vom 11. Mai 2017, Dyson/Kommission, C‑44/16 P, EU:C:2017:357, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

82      Wesentliche Aspekte einer Grundregelung sind nach der Rechtsprechung diejenigen, deren Erlass politische Entscheidungen erfordert, die in die eigene Zuständigkeit des Unionsgesetzgebers fallen (vgl. Urteil vom 11. Mai 2017, Dyson/Kommission, C‑44/16 P, EU:C:2017:357, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

83      Die Bestimmung der Aspekte einer Materie, die als wesentlich einzustufen sind, muss sich nach objektiven Gesichtspunkten richten, die Gegenstand einer gerichtlichen Kontrolle sein können, und verlangt, die Merkmale und die Besonderheiten des betreffenden Sachgebiets zu berücksichtigen (vgl. Urteil vom 11. Mai 2017, Dyson/Kommission, C‑44/16 P, EU:C:2017:357, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

84      Im vorliegenden Fall sieht Art. 60 des Zollkodex Regeln für die Bestimmung des nicht präferenziellen Ursprungs der Waren vor, die unterschiedlich sind, je nachdem, ob die Waren in einem einzigen Land oder Gebiet gewonnen oder hergestellt worden sind oder ob an ihrer Herstellung mehr als ein Land oder Gebiet beteiligt war. Diese zwei Kategorien von Regeln werden in Abs. 1 bzw. in Abs. 2 dieses Art. 60 festgelegt.

85      Im vorliegenden Fall geht es nur um die zweite Kategorie von Regeln.

86      Zudem erließ die Kommission, was diese zweite Kategorie von Regeln betrifft, Art. 33 ZKU-DelVO gemäß der Ermächtigung nach Art. 62 in Verbindung mit Art. 284 des Zollkodex. Somit ermächtigt dieser Art. 62 dieses Organ, delegierte Rechtsakte zu erlassen, um im Wesentlichen die Regeln für die Durchführung der in Art. 60 Abs. 2 des Zollkodex vorgesehenen Voraussetzungen festzulegen.

87      Daraus folgt, dass im Hinblick auf die allgemeine Systematik des Zollkodex die im vorliegenden Fall geprüfte Voraussetzung der wirtschaftlichen Rechtfertigung im Zollkodex selbst vorgesehen ist und nur eine der Voraussetzungen darstellt, die in einer der Regeln für den Erwerb des nicht präferenziellen Ursprungs vorgesehen sind.

88      Was in diesem Zusammenhang den Umfang der der Kommission in Art. 62 des Zollkodex übertragenen Befugnis anlangt, Regeln „festzulegen“, so verleiht diese Vorschrift der Kommission die Befugnis, den Zollkodex im Sinne von Art. 290 AEUV zu „ergänzen“. So wird die Kommission zwar durch diesen Artikel nicht ermächtigt, die bereits im Zollkodex erlassenen Elemente zu ändern, doch wird sie dadurch ermächtigt, den Zollkodex durch die Ausarbeitung von Elementen zu ergänzen, die vom Gesetzgeber nicht definiert worden sind, wobei sie verpflichtet bleibt, die im Zollkodex erlassenen Vorschriften zu beachten.

89      Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Regeln für die Bestimmung des Ursprungs wesentliche Elemente des Zollkodex darstellen, soll Art. 33 ZKU-DelVO mithin Art. 60 des Zollkodex durch eine Reihe von Klarstellungen lediglich ergänzen. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Art. 33 die Grenzen der der Kommission durch Art. 62 des Zollkodex übertragenen Befugnis überschreitet oder dass die Kommission eine wesentliche Regel des Zollkodex geändert hat.

90      Da zudem Art. 33 ZKU-DelVO, wie sich aus dem 21. Erwägungsgrund der ZKU-DelVO ergibt, nur die wirksame Anwendung der nach anderen Vorschriften des Unionsrechts eingeführten handelspolitischen Maßnahmen sicherstellen soll, ist davon auszugehen, dass beim Erlass dieses Artikels an sich keine politischen Entscheidungen getroffen wurden, die in die eigene Zuständigkeit des Unionsgesetzgebers fallen.

91      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der erste Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen ist.

b)      Zweiter Teil des vierten Klagegrundes: Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit

92      Die Klägerinnen machen geltend, dass die Einführung einer so wesentlichen Änderung des rechtlichen Kriteriums der „wirtschaftlichen Rechtfertigung“ durch einen delegierten Rechtsakt mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, insbesondere mit denen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit, unvereinbar sei.

93      Insoweit tragen sie vor, die Kommission habe dadurch, dass sie in Art. 33 ZKU-DelVO davon ausgegangen sei, dass bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Rechtfertigung einer Verlagerungsmaßnahme eine Vielzahl von Gründen berücksichtigt werden könne, in dieses Kriterium eine mit dem objektiven Charakter der Grundverordnung unvereinbare Form der Subjektivität eingeführt. Die Kommission habe auch keinen Grund, das Kriterium, wie es im Primärrecht oder in der Rechtsprechung definiert worden sei, zu erweitern und zu ändern.

94      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

95      Das Gericht stellt fest, dass die Argumentation der Klägerinnen auf der Annahme beruht, dass Art. 33 ZKU-DelVO vorsieht, dass für die Zwecke der Feststellung, ob eine „wirtschaftliche Rechtfertigung“ vorliegt, eine Vielzahl von Gründen berücksichtigt werden kann und dass die Bewertung der jeweiligen Wichtigkeit dieser verschiedenen Gründe allein im Ermessen der Kommission liegt. Diese Annahme beruht jedoch auf einer fehlerhaften Auslegung von Art. 33 ZKU-DelVO.

96      Wie bereits oben in den Rn. 54 bis 63 dargelegt, sieht Art. 33 ZKU-DelVO vor, dass es genügt, wenn „der Zweck“, d. h der hauptsächliche oder vorherrschende Zweck, einer Verlagerungsmaßnahme darin besteht, die Anwendung von handelspolitischen Maßnahmen der Union zu umgehen, damit davon ausgegangen werden kann, dass diese Verlagerungsmaßnahme im Sinne der anwendbaren Regelung wirtschaftlich nicht gerechtfertigt ist.

97      Folglich ist festzustellen, dass Art. 33 ZKU-DelVO entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht vorsieht, dass für die Feststellung, ob eine „wirtschaftliche Rechtfertigung“ vorliegt, eine „Vielzahl von Gründen“ gegeneinander abgewogen oder berücksichtigt werden muss, sondern dass er nur vorsieht, dass eine solche Rechtfertigung grundsätzlich nicht vorliegen kann, wenn eine Strategie vorhanden ist, mit der hauptsächlich die Anwendung handelspolitischer Maßnahmen der Union umgangen werden soll.

98      Daraus folgt, dass die Argumentation der Klägerinnen zurückzuweisen ist.

99      Nach alledem sind der zweite Teil des vierten Klagegrundes und damit der vierte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

3.      Erster Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht und des dem Erlass des angefochtenen Beschlusses vorausgehenden Beratungsverfahrens

100    Im Rahmen des ersten Klagegrundes machen die Klägerinnen zum einen geltend, die Kommission habe gegen wesentliche Verfahrensgrundsätze verstoßen, da der angefochtene Beschluss keine Begründung bzw. eine unzureichende Begründung enthalte, und tragen zum anderen vor, die Kommission habe das dem Erlass des angefochtenen Beschlusses vorausgehende Beratungsverfahren nicht beachtet.

a)      Erster Teil des ersten Klagegrundes: Verletzung der Begründungspflicht

101    Die Klägerinnen machen geltend, der angefochtene Beschluss teile ihnen weder mit, was die Kommission von den Montagevorgängen in Thailand halte, noch, was die Kommission über die Gründe denke, die Harley-Davidson dazu veranlasst hätten, ihre Waren in Thailand herzustellen, noch, wie die Kommission das Kriterium der wirtschaftlichen Rechtfertigung angewandt habe, so dass das Gericht nicht in der Lage sei, seine Kontrolle auszuüben.

102    Die Klägerinnen tragen auch vor, der angefochtene Beschluss enthalte keine Erläuterungen zu den Gründen, weshalb die Position der Kommission eine andere sei als die der belgischen Zollbehörden, und die im siebten Erwägungsgrund dieses Beschlusses angestellten Überlegungen stellten bloß eine kategorische Erklärung dar. Insoweit machen sie geltend, in Anbetracht der technischen Komplexität der Materie, der beträchtlichen Investitionen, die auf dem Spiel stünden, und wegen der Neuartigkeit eines Beschlusses wie des angefochtenen Beschlusses sei eine klare Argumentation besonders wichtig.

103    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

104    Nach ständiger Rechtsprechung hängt der Umfang der Begründungspflicht von der Art des in Rede stehenden Rechtsakts und dem Kontext ab, in dem er erlassen wurde. Die Begründung muss die Überlegungen des Organs so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass es den Betroffenen möglich ist, Kenntnis von den Gründen für die getroffene Maßnahme zu erlangen, damit sie ihre Rechte verteidigen und prüfen können, ob die Entscheidung in der Sache begründet ist oder nicht, und dass der Unionsrichter die ihm obliegende Rechtmäßigkeitskontrolle wahrnehmen kann. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen von Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet. Insbesondere braucht die Kommission nicht auf alle Argumente einzugehen, die die Betroffenen vor ihr geltend gemacht haben, sondern es reicht aus, wenn sie die Tatsachen und rechtlichen Erwägungen anführt, denen nach dem Aufbau der Entscheidung eine wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. Urteil vom 12. Mai 2011, Région Nord-Pas-de-Calais und Communauté d’agglomération du Douaisis/Kommission, T‑267/08 und T‑279/08, EU:T:2011:209, R. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

105    Im vorliegenden Fall hat die Kommission im angefochtenen Beschluss und mit den oben in Rn. 37 wiedergegebenen Worten den Grund angegeben, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass bestimmte Kategorien von Krafträdern, die von Harley-Davidson hergestellt und aus Thailand in die Union eingeführt wurden, als Ursprungsland Thailand haben, nämlich die Tatsache, dass diese Produktion in Thailand nicht wirtschaftlich gerechtfertigt sei, da dadurch vor allem die ab 2018 gegen Waren mit Ursprung in den Vereinigten Staaten erlassenen handelspolitischen Maßnahmen der Union umgangen werden sollten.

106    Zudem warf die Kommission den belgischen Zollbehörden im neunten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses vor, Art. 33 ZKU-DelVO nicht richtig angewandt zu haben, da sie in den beiden vUA-Entscheidungen Thailand als Ursprungsland der in Rede stehenden Krafträder akzeptiert hätten.

107    Somit enthält der angefochtene Beschluss insoweit eine hinreichende Begründung, als er die Gründe anführt, aus denen die Kommission der Ansicht war, dass die belgischen Zollbehörden vUA-Entscheidungen erlassen hatten, die nicht mit den zollrechtlichen Vorschriften der Union im Einklang standen.

108    Zudem fallen einige der oben in Rn. 102 angeführten Argumente der Klägerinnen mit der Beanstandung der Begründetheit des angefochtenen Beschlusses zusammen. Bei der Verpflichtung, Entscheidungen zu begründen, handelt es sich um ein wesentliches Formerfordernis, das von der Frage der sachlichen Richtigkeit der Begründung zu unterscheiden ist. Die Begründung einer Entscheidung soll förmlich die Gründe zum Ausdruck bringen, auf denen diese Entscheidung beruht. Weisen die Gründe Fehler auf, so beeinträchtigen diese die materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung, nicht aber deren Begründung, die, obwohl sie fehlerhafte Gründe enthält, zureichend sein kann (vgl. Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 181 und die dort angeführte Rechtsprechung).

109    Daraus folgt, dass der erste Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen ist.

b)      Zweiter Teil des ersten Klagegrundes: Nichtbeachtung des dem Erlass des angefochtenen Beschlusses vorausgehenden Beratungsverfahrens

110    Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission sei verpflichtet gewesen, vor Erlass des angefochtenen Beschlusses den zuständigen Beratenden Ausschuss zu konsultieren; die Konsultation dieses Ausschusses bloß im Wege eines schriftlichen Verfahrens sei im vorliegenden Fall unzureichend gewesen, und zwar umso mehr, als die Kommission keine tatsächlichen und rechtlichen Umstände mitgeteilt habe, um es den Mitgliedern des Ausschusses zu ermöglichen, sich eine Meinung zu bilden. Außerdem hätte der Umstand, dass im Rahmen der im schriftlichen Verfahren durchgeführten Konsultation vier Mitgliedstaaten Einwände gegen den Entwurf des angefochtenen Beschlusses geäußert hätten, die Kommission dazu veranlassen müssen, diese Stellungnahmen im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. 2011, L 55, S. 13), „so weit wie möglich“ zu berücksichtigen.

111    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

112    Aus Art. 285 des Zollkodex ergibt sich, dass der Ausschuss für den Zollkodex ein Ausschuss im Sinne der Verordnung Nr. 182/2011 ist. Zudem ergibt sich aus Art. 37 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 des Zollkodex in Verbindung mit Art. 285 Abs. 2 und 6 dieses Kodex, dass Beschlüsse wie der angefochtene Beschluss, mit dem die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, vUA-Entscheidungen zu widerrufen, nach dem Beratungsverfahren gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 182/2011 erlassen werden.

113    Art. 4 („Beratungsverfahren“) der Verordnung Nr. 182/2011 bestimmt:

„(1) Findet das Beratungsverfahren Anwendung, so gibt der Ausschuss – erforderlichenfalls auf der Grundlage einer Abstimmung – seine Stellungnahme ab. Im Falle einer Abstimmung gibt der Ausschuss seine Stellungnahme mit der einfachen Mehrheit seiner Mitglieder ab.

(2) Die Kommission beschließt über den zu erlassenden Entwurf des Durchführungsrechtsakts; wobei sie so weit wie möglich das Ergebnis der Beratungen im Ausschuss und die abgegebene Stellungnahme berücksichtigt.“

114    Was im vorliegenden Fall die Rüge des Rückgriffs auf ein schriftliches Verfahren betrifft, so untersagt keine Vorschrift der Verordnung Nr. 182/2011 der Kommission, ein Beratungsverfahren nach dieser bestimmten Modalität durchzuführen. Vielmehr ist in Art. 3 Abs. 5 der Verordnung Nr. 182/2011 ausdrücklich vorgesehen, dass im Rahmen eines Beratungsverfahrens die Stellungnahme des Ausschusses im schriftlichen Verfahren eingeholt werden kann.

115    Zur Rüge, dass der Beratende Ausschuss keine hinreichenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zur Verfügung gehabt habe, als er den Entwurf des angefochtenen Beschlusses geprüft habe, ist festzustellen, dass die Klägerinnen diese Rüge nicht untermauert haben und dass jedenfalls die Mitgliedstaaten, die in erster Linie betroffen sind, hierzu keine Kritik geäußert haben, so dass es keine Beweise gibt, die den Schluss zulassen, dass die Delegationen ihre Standpunkte nicht in Kenntnis der Sachlage einnehmen konnten. Daher ist diese Rüge zurückzuweisen.

116    Was die Berücksichtigung der Stellungnahmen der Mitgliedstaaten anbelangt, die sich gegen den Entwurf des Beschlusses aussprachen, ist festzustellen, dass das in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 182/2011 vorgesehene Erfordernis nicht verbindlich ist. So ist die Kommission, die einen Ermessensspielraum behält, an die Stellungnahme des Ausschusses nicht gebunden und erst recht nicht an die abweichenden Minderheitsmeinungen mancher seiner Mitglieder.

117    Mit der Formulierung „wobei sie so weit wie möglich … berücksichtigt“ in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 182/2011 wird der nicht verbindliche Charakter des Ergebnisses der Beratungen im Ausschuss einschließlich der nur von einigen seiner Mitglieder geäußerten Meinungen und der abschließenden Stellungnahme dieses Ausschusses hervorgehoben. Wären solche Ergebnisse oder Meinungen verbindlich, würde es nämlich nicht ausreichen, dass die Kommission sie so weit wie möglich berücksichtigt, weil sie dann Gefahr liefe, den Wortlaut und den Zweck von Art. 4 der Verordnung Nr. 182/2011 zu verfälschen, sondern müsste sie ihnen Folge leisten (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Beschluss vom 9. Juli 2019, VodafoneZiggo Group/Kommission, T‑660/18, EU:T:2019:546, Rn. 44). Diese Feststellung wird durch einen Vergleich mit dem in Art. 5 dieser Verordnung vorgesehenen Prüfverfahren bestätigt, da dieses Verfahren, wie sich aus ihrem elften Erwägungsgrund ergibt, sicherstellen soll, dass die Kommission keine Durchführungsrechtsakte erlassen kann, die nicht mit der Stellungnahme des zuständigen Ausschusses im Einklang stehen. Das bedeutet, dass die Stellungnahme des zuständigen Ausschusses für die Kommission nicht verbindlich ist, wenn – wie im vorliegenden Fall – das Beratungsverfahren Anwendung findet.

118    Wie die Klägerinnen jedoch zu Recht geltend machen, ist von der Rechtsprechung bereits anerkannt worden, dass die Verpflichtung, „so weit wie möglich“ die Stellungnahmen zu berücksichtigen, eine Begründungspflicht in dem Sinne aufstellt, dass die Kommission Abweichungen vom Ergebnis der Beratungen im Ausschuss und der abgegebenen Stellungnahme erläutern können muss (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Beschluss vom 9. Juli 2019, VodafoneZiggo Group/Kommission, T‑660/18, EU:T:2019:546, Rn. 47).

119    Insoweit ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss am Ende des oben in den Rn. 34 und 35 beschriebenen Verwaltungsverfahrens erlassen wurde. Insbesondere übermittelte die Kommission den Entwurf des angefochtenen Beschlusses den Delegationen des am 5. März 2021 befassten Ausschusses, und vier Mitgliedstaaten übersandten Stellungnahmen, in denen sie Einwände gegen den von der Kommission in diesem Entwurf vertretenen Standpunkt äußerten.

120    Aus dem zusammenfassenden Vermerk, den die Kommission am 29. März 2021 an den Ausschuss für den Zollkodex, Bereich „Warenursprung“, richtete (vgl. oben, Rn. 34), geht hervor, dass 23 Mitgliedstaaten keine Stellungnahme zum Entwurf des angefochtenen Beschlusses abgegeben hatten. Somit hatte eine große Mehrheit der Delegationen ihre stillschweigende Zustimmung zu diesem Entwurf des angefochtenen Beschlusses gemäß Art. 3 Abs. 5 der Verordnung Nr. 182/2011 erteilt, so dass die Stellungnahme des Ausschusses zum Entwurf des angefochtenen Beschlusses als befürwortende Stellungnahme angesehen werden konnte, in Bezug auf die die Kommission daher keine Abweichung erläutern musste.

121    Aus dem Protokoll des Treffens der Zollexpertengruppe, Bereich „Warenursprung“, vom 20. April 2021 geht hervor, dass von den vier Delegationen, die gegen den Entwurf des angefochtenen Beschlusses Einwände erhoben hatten, zumindest drei genaue und detaillierte Bedenken geäußert hatten.

122    Diese Delegationen äußerten vor allem Vorbehalte hinsichtlich dessen, dass im Entwurf des angefochtenen Beschlusses nicht geprüft werde, ob diese Verlagerungsmaßnahme insgesamt wirtschaftlich vernünftig sei, und im Hinblick darauf, ob der Begriff „Zweck“ im Sinne von Art. 33 ZKU-DelVO dahin zu verstehen sei, dass er auf ein einziges Ziel oder eine ausschließliche Zielsetzung und nicht nur auf einen Zweck von mehreren verweise.

123    Somit können diese Vorbehalte unter den Begriff „Ergebnis der Beratungen im Ausschuss“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 182/2011 fallen, das die Kommission im Sinne eben dieser Vorschrift „so weit wie möglich“ berücksichtigen muss.

124    Im siebten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses heißt es jedoch: „Auch wenn die Umgehung handelspolitischer Maßnahmen nicht unbedingt der einzige Grund für die Verlagerung der Produktion ist, sind die Bedingungen nach Artikel 33 Absatz 1 [ZKU-DelVO] auf Grundlage der verfügbaren Informationen erfüllt.“

125    Damit hat die Kommission implizit, aber notwendigerweise die Frage beantwortet, ob der Begriff „Zweck“ im Sinne von Art. 33 ZKU-DelVO dahin zu verstehen ist, dass er auf einen Zweck von mehreren verweist, indem sie die Ansicht vertrat, dass dieser Zweck mithin neben anderen Zwecken bestehen könne. Zudem hat sie ebenfalls implizit, aber notwendigerweise zu Recht die Ansicht vertreten, dass es nicht erforderlich sei, zur Frage Stellung zu beziehen, ob diese Verlagerung der in Rede stehenden Verlagerungsmaßnahme insgesamt wirtschaftlich vernünftig sei, nachdem festgestellt worden sei, dass der hauptsächliche oder vorherrschende Zweck einer Verlagerungsmaßnahme in der Umgehung von handelspolitischen Maßnahmen der Union bestanden habe.

126    Nach alledem sind der zweite Teil des ersten Klagegrundes und damit der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

4.      Zweiter Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler

127    Die Klägerinnen machen geltend, der angefochtene Beschluss beruhe auf einem offensichtlichen Fehler bei der Beurteilung der relevanten Tatsachen, da die Kommission nicht sämtliche Kontextelemente berücksichtigt habe und da der Kontext, der Inhalt und der Gegenstand des Formblatts 8-K nicht richtig beurteilt worden seien.

a)      Erster Teil des zweiten Klagegrundes: keine Analyse aller relevanten Tatsachen

128    Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen zu haben, da sie nicht alle relevanten Tatsachen – insbesondere den Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung von Harley-Davidson getroffen worden sei, bestimmte Produktionen nach Thailand zu verlagern, die dieser Entscheidung zugrunde liegenden geschäftlichen und wirtschaftlichen Gründe sowie die Natur der in Thailand durchgeführten Vorgänge und Be- oder Verarbeitungen – geprüft habe.

129    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

130    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Argumentation der Klägerinnen die Frage betrifft, ob die Kommission bei der Anwendung von Art. 33 ZKU-DelVO dadurch einen Rechtsfehler begangen hat, dass sie die wirtschaftliche Rechtfertigung für die in Rede stehende Verlagerung nicht untersucht hat. Diese Frage ist jedoch bereits im Rahmen der Analyse des dritten Klagegrundes geprüft worden.

131    Insoweit ergibt sich aus der oben in den Rn. 54 bis 63 durchgeführten Analyse, dass die Kommission, da sie zu Recht auf der Grundlage der ihr zur Verfügung stehenden Informationen festgestellt hat, dass der hauptsächliche Zweck der Verlagerung der Produktion von für den Unionsmarkt bestimmten Harley-Davidson-Krafträdern nach Thailand in der Umgehung der Anwendung der durch die Verordnung 2018/886 eingeführten handelspolitischen Maßnahmen bestanden habe, im Rahmen ihrer Anwendung von Art. 33 ZKU-DelVO rechtsgültig zu dem Ergebnis gelangen konnte, dass diese Be- oder Verarbeitung wirtschaftlich nicht gerechtfertigt sei, ohne dass die Tatsachen in Bezug auf etwaige andere Zwecke der Verlagerungsmaßnahme geprüft zu werden brauchen.

132    Daraus folgt, dass der erste Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen ist.

b)      Zweiter Teil des zweiten Klagegrundes: offensichtlicher Fehler bei der Beurteilung des Kontexts, des Inhalts und des Gegenstands des Formblatts 8-K

133    Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, den Kontext nicht berücksichtigt zu haben, in dem das Formblatt 8-K veröffentlicht worden sei. Insoweit machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe der Formulierung, dass es die in Rede stehende Verlagerung ermöglichen solle, die durch die zusätzlichen Zölle entstehende „Zollbelastung zu umgehen“, zu große Bedeutung beigemessen, obwohl andere Faktoren diese Verlagerung gerechtfertigt hätten. So habe die Kommission unter Ausschluss aller anderen Beweise einer einzigen Erklärung einen absoluten Beweiswert beigemessen, ohne zu berücksichtigen, in welchem Kontext diese Erklärung abgegeben worden sei, an welche Öffentlichkeit sie gerichtet gewesen sei, und wen sie habe beruhigen wollen. Schließlich machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe, obgleich einer der Gründe für die Verlagerung darin bestanden habe, die Anwendung der zusätzlichen Zölle zu umgehen, diesen Zweck nicht gegen die anderen Zwecke abgewogen, die mit der in Rede stehenden Verlagerung verfolgt worden seien.

134    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

135    Im vorliegenden Fall legte Harley-Davidson, wie sich aus dem oben in den Rn. 24 und 25 dargelegten Sachverhalt ergibt, als Reaktion auf das Inkrafttreten der Verordnung 2018/886 der SEC am 25. Juni 2018 das Formblatt 8-K vor, das dazu bestimmt war, ihre Anteilseigner darüber in Kenntnis zu setzen, dass seit dem 22. Juni 2018 zusätzliche Zölle auf ihre aus den Vereinigten Staaten in die Union eingeführten Waren angewandt wurden. In diesem Formblatt teilte Harley-Davidson auch ihre Absicht mit, die Produktion bestimmter Krafträder für den Unionsmarkt von den Vereinigten Staaten auf ihre internationalen Anlagen zu verlagern, um die in Rede stehenden handelspolitischen Maßnahmen der Union zu umgehen.

136    Insbesondere enthält das Formblatt 8-K die folgende Formulierung: „Um die erheblichen Kosten dieser Zollbelastung langfristig zu bewältigen, wird Harley-Davidson einen Plan umsetzen, der darauf abzielt, die Produktion von für die [Union] bestimmten Krafträdern von den Vereinigten Staaten auf ihre internationalen Anlagen zu verlagern, um die Zollbelastung zu umgehen.“

137    Daraus folgt, dass zumindest einer der Faktoren, die zu der in Rede stehenden Verlagerung geführt haben, darin bestand, die Anwendung der zusätzlichen Zölle zu umgehen, was die Klägerinnen nicht bestreiten. Zudem ist oben in den Rn. 64 bis 72 festgestellt worden, dass dieser Wille, die Anwendung der zusätzlichen Zölle zu umgehen, der hauptsächliche oder vorherrschende Zweck der in Rede stehenden Verlagerungsentscheidung war.

138    Folglich kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen zu haben, als sie im angefochtenen Beschluss ausführte, dass „[n]ach der Veröffentlichung der handelspolitischen Maßnahmen der … Union … [Harley-Davidson] der [SEC] am 25. Juni 2018 mittels … [des] Formblatts 8-K … mitgeteilt [hat], dass [sie] beabsichtigt, die Produktion bestimmter Krafträder, die für den Markt der … Union bestimmt sind, von den Vereinigten Staaten … auf [ihre] internationalen Anlagen in einem anderen Land zu verlagern, um die handelspolitischen Maßnahmen der … Union zu umgehen“, während sie gleichzeitig anmerkte, dass „die Umgehung [der in Rede stehenden handelspolitischen] Maßnahmen nicht unbedingt der einzige Grund für die Verlagerung der Produktion ist …“.

139    Was die Frage betrifft, ob von der Kommission andere Faktoren hätten berücksichtigt werden müssen, wie Elemente des Kontexts, der Gegenstand des Formblatts 8-K oder auch die anderen mit der in Rede stehenden Verlagerung verfolgten Zwecke, ist festzustellen, dass es dabei um die Frage geht, ob die Kommission bei der Auslegung von Art. 33 ZKU-DelVO dadurch einen Rechtsfehler begangen hat, dass sie ihre Schlussfolgerung auf die Feststellung gestützt hat, dass der vorherrschende Zweck dieser Verlagerung darin bestanden habe, die Anwendung der zusätzlichen Zölle zu umgehen. Diese Frage ist bereits im Rahmen der Analyse des dritten Klagegrundes und des ersten Teils des vorliegenden Klagegrundes geprüft worden, die zurückgewiesen worden sind.

140    Nach alledem sind der zweite Teil des zweiten Klagegrundes und damit der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

5.      Fünfter Klagegrund: Verstoß gegen die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union

141    Im Rahmen des fünften Klagegrundes machen die Klägerinnen geltend, der angefochtene Beschluss verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, gegen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismäßigkeit und verletze das Recht auf eine gute Verwaltung, die unternehmerische Freiheit und das Eigentumsrecht.

a)      Erster Teil des fünften Klagegrundes: Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes

142    Die Klägerinnen machen geltend, der angefochtene Beschluss sei ebenso wenig vorhersehbar gewesen wie seine Anwendung und seine Auswirkungen, insbesondere was die belgischen Behörden betreffe; dies werde daraus ersichtlich, dass Letztere die fünf den Klägerinnen zuerkannten vUA-Entscheidungen und nicht nur die beiden im angefochtenen Beschluss genannten vUA-Entscheidungen widerrufen hätten. Zudem stelle der Umstand, dass die Kommission die vUA-Entscheidungen nicht zum Zeitpunkt ihres Erlasses widerrufen habe, ein Verhalten dar, das ein legitimes Vertrauen begründet habe. Der Gerichtshof habe bereits entschieden, dass eine Frist von zwei Jahren zwischen der Veröffentlichung einer fehlerhaften Entscheidung und der versuchten Berichtigung durch die Kommission unangemessen sei. Außerdem ergebe sich aus dem Leitfaden der Kommission über verbindliche Ursprungsauskünfte, dass der Widerruf einer vUA-Entscheidung den Voraussetzungen von Art. 22 Abs. 6 des Zollkodex in Bezug auf den Anspruch auf rechtliches Gehör unterliege, so dass sie legitimerweise damit hätten rechnen können, dass sie die Kommission im Rahmen des Verfahrens, das zum Erlass des angefochtenen Beschlusses geführt habe, kontaktieren werde. Schließlich machen sie geltend, es bestehe kein zwingendes öffentliches Interesse, das ihren privaten Interessen hätte vorgehen müssen.

143    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

144    Die gemäß Art. 33 des Zollkodex erlassenen vUA-Entscheidungen sind Entscheidungen, mit denen die nationalen Zollbehörden als Reaktion auf Anträge von Einführern, die Garantien hinsichtlich der Auslegung der Regeln für die Festlegung des Ursprungs einer eingeführten Ware erwirken möchten, den geografischen Ursprung der in die Union eingeführten Waren bescheinigen. Die verbindliche Ursprungsauskunft hat den Zweck, dem Wirtschaftsteilnehmer Sicherheit zu geben, wenn Zweifel hinsichtlich des geografischen Ursprungs einer in die Union eingeführten Ware bestehen, und ihn dadurch während eines bestimmten Zeitraums davor zu schützen, dass die nationalen Zollbehörden ihre Auffassung nachträglich ändern (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 29. Januar 1998, Lopex Export, C‑315/96, EU:C:1998:31, Rn. 28). Eine solche Auskunft bezweckt jedoch nicht und kann nicht bewirken, dass dem Wirtschaftsteilnehmer endgültig garantiert wird, dass der geografische Ursprung, auf den sie sich bezieht, nicht in der Folge geändert wird, insbesondere aufgrund des Widerrufs der vUA-Entscheidung auf Aufforderung der Kommission aus dem in Art. 34 Abs. 11 des Zollkodex vorgesehenen Grund, nämlich der Notwendigkeit der Gewährleistung einer korrekten Bestimmung des Ursprungs von Waren.

145    Zudem hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht gegen eine klare unionsrechtliche Bestimmung angeführt werden kann, so dass das unionsrechtswidrige Verhalten einer für die Anwendung des Unionsrechts zuständigen nationalen Behörde kein berechtigtes Vertrauen eines Wirtschaftsteilnehmers darauf begründen kann, in den Genuss einer unionsrechtswidrigen Behandlung zu kommen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. April 2011, Sony Supply Chain Solutions [Europe], C‑153/10, EU:C:2011:224, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

146    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Prüfung des dritten Klagegrundes, dass Art. 33 ZKU-DelVO die Voraussetzung der wirtschaftlichen Rechtfertigung der Be- oder Verarbeitung hinreichend genau regelt. Zudem geht aus dem Wortlaut von Art. 60 Abs. 2 des Zollkodex hervor, dass diese Vorschrift die weiteren Voraussetzungen hinreichend genau regelt, die bei der Bestimmung des Ursprungs einer in die Union eingeführten Ware zu beachten sind.

147    Daraus folgt, dass die für die Anwendung des Unionsrechts zuständigen belgischen Zollbehörden durch den Erlass der vUA-Entscheidungen ein im Widerspruch zum Unionsrecht stehendes Verhalten an den Tag gelegt haben und dass dieses Verhalten bei den Klägerinnen kein berechtigtes Vertrauen begründen konnte.

148    Was die Frage des Zeitraums betrifft, der zwischen dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission vom Vorliegen der vUA-Entscheidungen Kenntnis erlangt hat, und dem Zeitpunkt, zu dem sie die belgischen Zollbehörden zum Widerruf aufgefordert hat, verstrichen ist, so gehört diese in Wirklichkeit zum dritten Teil des vorliegenden Klagegrundes und wird im Rahmen der Prüfung dieses Teils behandelt werden, bei dem es um die Verletzung des Rechts auf eine gute Verwaltung geht.

149    Was schließlich das Vorbringen der Klägerinnen betrifft, sie hätten legitimerweise damit rechnen können, von der Kommission vor Erlass des angefochtenen Beschlusses kontaktiert zu werden, genügt für dessen Zurückweisung die Feststellung, dass dieses Vorbringen im Rahmen des ersten Teils des fünften Klagegrundes auf einer Auslegung von Art. 22 Abs. 6 des Zollkodex beruht, der nur das von den nationalen Zollbehörden einzuhaltende Verfahren und nicht das von der Kommission einzuhaltende Verfahren betrifft.

150    Nach alledem ist der erste Teil des fünften Klagegrundes zurückzuweisen.

b)      Zweiter Teil des fünften Klagegrundes: Verstoß gegen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismäßigkeit

151    Die Klägerinnen machen geltend, aus den Erklärungen des ehemaligen Präsidenten der Kommission, aber auch des damaligen Handelskommissars gehe hervor, dass neben anderen amerikanischen Marken speziell auf Harley-Davidson abgestellt worden sei, damit sie von den in Rede stehenden Vergeltungszöllen betroffen werde, insbesondere um Druck auf bestimmte amerikanische politische Verantwortliche auszuüben, und nicht aufgrund objektiver Kriterien. Die Wirkung des angefochtenen Beschlusses sei im Hinblick auf das angestrebte Ziel unverhältnismäßig gewesen, und es gebe andere weniger einschneidende Lösungen, oder sie hätten in den Genuss von Garantien kommen können, indem man sie beispielsweise hätte warnen können, dass die Kommission plane, die Auslegung des Kriteriums von Art. 33 ZKU-DelVO durch die belgischen Behörden zu überprüfen, und ihnen gleichzeitig die Möglichkeit zur Stellungnahme hätte geben können.

152    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

153    Das Gericht stellt fest, dass sich die Klägerinnen nicht mehr im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits bewegen, soweit sie im Wesentlichen geltend machen, dass sie diskriminiert worden seien, da durch öffentliche Erklärungen hoher Amtsträger der Union neben anderen amerikanischen Marken speziell auf Harley-Davidson abgestellt worden sei, damit sie von den in Rede stehenden Vergeltungszöllen betroffen werde.

154    Diese Kritik der Klägerinnen bezieht sich in Wirklichkeit nicht auf den angefochtenen Beschluss, sondern zielt unmittelbar auf die Verordnung 2018/886 ab, die die zusätzlichen Zölle eingeführt hat und in der Harley-Davidson ihrer Ansicht nach zu Unrecht bezeichnet wurde. Überdies zielt die Verordnung 2018/886 jedenfalls nicht namentlich auf Harley-Davidson ab, sondern betrifft insbesondere Waren mit dem KN-Code 8711 50 00, d. h. „Krafträder … mit Hubkolbenverbrennungsmotor mit einem Hubraum von mehr als 800 cm3“. Während diese Warenkategorie tatsächlich den von Harley-Davidson hergestellten Krafträdern entspricht, kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass Krafträder, die von anderen in den Vereinigten Staaten ansässigen Unternehmen hergestellt werden, auch in diese Kategorie fallen, die objektiv definiert ist, ohne auf eine bestimmte Marke Bezug zu nehmen, dies haben die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, da sie einen anderen amerikanischen Hersteller nannten.

155    Zur Frage der Verhältnismäßigkeit und des diskriminierenden Charakters des angefochtenen Beschlusses genügt der Hinweis, dass die Kommission mit dem angefochtenen Beschluss die nationalen Zollbehörden lediglich aufgefordert hat, vUA-Entscheidungen zu widerrufen, da diese Entscheidungen nicht im Einklang mit dem Unionsrecht erlassen worden seien. Zum einen ist eine Aufforderung, eine Anpassung an die geltende Regelung vorzunehmen, nicht unverhältnismäßig. Zum anderen weisen die Klägerinnen weder nach noch stellen sie auch nur die Behauptung auf, dass die Kommission darauf verzichtet habe, nationale Behörden dazu aufzufordern, vUA-Entscheidungen zu ändern, die einen anderen Hersteller von Waren mit dem KN-Code 8711 50 00 betroffen hätten. Im Übrigen gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Kommission nicht bei anderen unionsrechtswidrigen vUA-Entscheidungen genau gleich gehandelt hätte.

156    Daraus folgt, dass der zweite Teil des fünften Klagegrundes zurückzuweisen ist.

c)      Dritter Teil des fünften Klagegrundes: Verletzung des Rechts auf eine gute Verwaltung und des Anspruchs auf rechtliches Gehör

157    Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission sei während ihres Entscheidungsprozesses nicht unparteiisch vorgegangen, und der angefochtene Beschluss könne nur eine politische Ursache haben. Sie werfen der Kommission auch vor, den angefochtenen Beschluss nicht innerhalb einer angemessenen Frist erlassen zu haben und mit ihnen vor Erlass dieses Beschlusses nicht kommuniziert zu haben, auch nicht über die belgischen Behörden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör sei ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der jedem Wirtschaftsteilnehmer unabhängig vom Inhalt der anwendbaren Regelung zugutekommen müsse.

158    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

159    Nach Art. 41 der Charta der Grundrechte hat jede Person u. a. ein Recht darauf, dass ihre Angelegenheiten von den Organen der Union unparteiisch behandelt werden. Dieses Unparteilichkeitsgebot umfasst die subjektive Unparteilichkeit in dem Sinne, dass kein Mitglied des betroffenen Organs, das mit der Sache befasst ist, Voreingenommenheit oder persönliche Vorurteile an den Tag legen darf, und die objektive Unparteilichkeit in dem Sinne, dass das Organ hinreichende Garantien bieten muss, um jeden berechtigten Zweifel in dieser Hinsicht auszuschließen (vgl. Urteil vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission, C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 155 und die dort angeführte Rechtsprechung).

160    Im vorliegenden Fall ergibt sich zwar aus den Äußerungen des ehemaligen Kommissionspräsidenten vom März 2018, wie sie in der Presse wiedergegeben wurden, dass „[zusätzliche] Steuern auf Harley-Davidson-Krafträder, auf Levi’s Jeans, auf Bourbon [anzuwenden sind]“. Die Klägerinnen können jedoch allein aus diesen spontanen Aussagen nicht ableiten, dass die Kommission gegen das Erfordernis der Unparteilichkeit verstoßen habe. Zunächst hat sich die Kommission im angefochtenen Beschluss, der im März 2021 erlassen wurde, darauf beschränkt, die belgischen Zollbehörden im Rahmen ihrer nachträglichen Kontrolle der von den nationalen Zollbehörden erlassenen vUA-Entscheidungen aufzufordern, die in Rede stehenden vUA-Entscheidungen zu widerrufen, da sie von der Kommission zu Recht als unionsrechtswidrig erachtet wurden. Die Kommission hat den angefochtenen Beschluss auf der Grundlage von Art. 33 ZKU-DelVO mit dem einzigen Ziel erlassen, eine korrekte Bestimmung des Ursprungs der von Harley-Davidson hergestellten Krafträder zu gewährleisten, so dass ihr keine mangelnde Unparteilichkeit vorgeworfen werden kann, wie dies die Klägerinnen tun. Zudem berufen sich die Klägerinnen jedenfalls auf keinen Gesichtspunkt im Zusammenhang mit dem angefochtenen Beschluss – abgesehen von allgemeinen und abstrakten Erwägungen hinsichtlich eines angeblichen politischen Willens, die in Rede stehenden zusätzlichen Zölle einzuführen –, um die fehlende Objektivität und Unparteilichkeit der Kommission nachzuweisen.

161    Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta der Grundrechte bestimmt, dass das Recht auf eine gute Verwaltung das Recht jeder Person umfasst, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird. Das Anhörungsrecht gehört zu den Verteidigungsrechten, deren Wahrung einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, der auch dann Anwendung findet, wenn eine spezifische Regelung hierzu fehlt. Dieser Grundsatz gebietet es, dass die Adressaten von Entscheidungen, die ihre Interessen spürbar beeinträchtigen, in die Lage versetzt werden, ihren Standpunkt zu den zu ihren Lasten angenommenen Gesichtspunkten, auf die solche Entscheidungen gestützt werden, in sachdienlicher Weise vorzutragen (vgl. Urteil vom 28. Oktober 2021, Vialto Consulting/Kommission, C‑650/19 P, EU:C:2021:879, Rn. 122 und die dort angeführte Rechtsprechung).

162    Nach der Rechtsprechung kann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur dann zur Nichtigerklärung der in Rede stehenden Handlung führen, wenn das Verwaltungsverfahren möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Mai 2022, Zhejiang Jiuli Hi-Tech Metals/Kommission, C‑718/20 P, EU:C:2022:362, Rn. 49). Somit muss die klagende Partei durch die Vorlage konkreter Beweise oder zumindest hinreichend verlässlicher und genauer Argumente oder Indizien dartun, dass der Beschluss der Kommission anders hätte ausfallen können, und dadurch die Feststellung einer konkreten Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte ermöglichen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 29. Juni 2006, SGL Carbon/Kommission, C‑308/04 P, EU:C:2006:433, Rn. 98).

163    Schließlich stellt die Einhaltung eines angemessenen Zeitraums bei der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar. Auch im Hinblick auf das grundlegende Erfordernis der Rechtssicherheit, das es der Kommission verbietet, unbegrenzt lange zu warten, ehe sie von ihren Befugnissen Gebrauch macht, hat das Gericht zu prüfen, ob der Ablauf des Verwaltungsverfahrens ein übermäßig verzögertes Handeln der Kommission erkennen lässt (vgl. Urteil vom 22. April 2016, Frankreich/Kommission, T‑56/06 RENV II, EU:T:2016:228, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

164    Ferner ist die Angemessenheit der Frist für die Durchführung des Verfahrens anhand der Umstände jeder einzelnen Rechtssache, etwa der Komplexität des Rechtsstreits und des Verhaltens der Parteien, zu beurteilen (vgl. Urteil vom 13. Juni 2013, HGA u. a./Kommission, C‑630/11 P bis C‑633/11 P, EU:C:2013:387, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).

165    Im Licht dieser Grundsätze ist der dritte Teil des fünften Klagegrundes zu prüfen.

1)      Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

166    Was die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör betrifft, ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Kommission die Klägerinnen nicht in die Lage versetzt hat, im Rahmen des Verfahrens, in dem der angefochtene Beschluss erlassen wurde, Stellung zu nehmen. Da der angefochtene Beschluss die belgischen Behörden auffordert, die ersten beiden in Rede stehenden vUA-Entscheidungen zu widerrufen, und da es diesen Behörden nicht möglich ist, dieser Anordnung nicht Folge zu leisten, stellt er eine für die Klägerinnen nachteilige individuelle Maßnahme dar. Das Vorbringen der Kommission, wonach das Verfahren zum Erlass des angefochtenen Beschlusses nur einen bilateralen Austausch zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat vorsehe, kann angesichts des oben in Rn. 161 angeführten Umstands, dass dieser Anspruch auch besteht, wenn eine spezifische Regelung hierzu fehlt, keinen Erfolg haben. Zudem lässt der Umstand, dass die Klägerinnen ihre Stellungnahmen bei den belgischen Zollbehörden sowohl vor Erlass der in Rede stehenden vUA-Entscheidungen als auch, nach Aussage der Kommission, zwischen dem Erlass des angefochtenen Beschlusses und dem Erlass der Entscheidung über den tatsächlichen Widerruf dieser vUA-Entscheidungen abgeben konnten oder hätten abgeben können, nicht den Schluss zu, dass die Kommission ihrer Verpflichtung nachgekommen ist, die Klägerinnen vor Erlass des angefochtenen Beschlusses anzuhören.

167    Dieser Fehler kann jedoch im vorliegenden Fall nur dann zur Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses führen, wenn das Verwaltungsverfahren aufgrund dieses Fehlers möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte und so konkret die Verteidigungsrechte beeinträchtigt wurden.

168    Indem sich die Kommission im angefochtenen Beschluss darauf beschränkt hat, die belgischen Zollbehörden im Rahmen ihrer nachträglichen Kontrolle der von den nationalen Zollbehörden erlassenen vUA-Entscheidungen aufzufordern, die vUA-Entscheidungen zu widerrufen, in denen Art. 33 ZKU-DelVO fehlerhaft angewandt worden war, hat die Kommission nur von der ihr gemäß Art. 34 Abs. 11 des Zollkodex übertragenen Befugnis Gebrauch gemacht, einen Mitgliedstaat aufzufordern, vUA-Entscheidungen zu widerrufen, um eine korrekte und einheitliche Bestimmung des Ursprungs von Waren zu gewährleisten.

169    Der angefochtene Beschluss enthält eine Auslegung und eine Anwendung einer Vorschrift des Unionsrechts, nämlich von Art. 33 ZKU-DelVO, über die oben in den Rn. 53 bis 73 entschieden worden ist, dass sie mit keinem Fehler behaftet sind. Selbst wenn die Klägerinnen im Rahmen des Verfahrens, in dem der angefochtene Beschluss erlassen wurde, eine Stellungnahme hätten abgeben können, hätten die Auslegung und die Anwendung von Art. 33 ZKU-DelVO durch die Kommission in diesem Beschluss nicht anders ausfallen können. Die jeweils in Bezug auf die Anwendung dieses Artikels auf den Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache vertretenen Lösungen unterschieden sich nur aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung von Art. 33 ZKU-DelVO, die aus dem Schriftwechsel zwischen den belgischen Behörden und der Kommission ersichtlich werden, der von der Kommission in Beantwortung einer prozessleitenden Maßnahme vom 30. Juni 2023 vorgelegt worden ist.

170    Jedenfalls haben die Klägerinnen, wie bereits oben in den Rn. 65 und 66 ausgeführt, dem Gericht keine konkreten Beweise dafür vorgelegt, dass die in Rede stehende Verlagerung hauptsächlich aufgrund von Erwägungen hätte gerechtfertigt werden können, die nichts mit der Einführung der zusätzlichen Zölle zu tun haben, obwohl sie, wie oben in Rn. 162 festgestellt, die Beweislast tragen.

2)      Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Frist

171    Zur angeblichen Nichteinhaltung einer angemessenen Frist im Rahmen des Verwaltungsverfahrens, das zum Erlass des angefochtenen Beschlusses geführt hat, ist zunächst festzustellen, dass, wie die Kommission im Übrigen zu Recht geltend macht, Art. 34 Abs. 11 des Zollkodex, der sie ermächtigt, zur Gewährleistung einer korrekten und einheitlichen Bestimmung des Ursprungs von Waren einen Mitgliedstaat aufzufordern, vUA-Entscheidungen zu widerrufen, für die von der Kommission durchzuführende Prüfung der ihr nach Art. 19 der Verordnung 2015/2447 zur Kenntnis gebrachten vUA-Entscheidungen (vgl. oben, Rn. 12) keinerlei Frist und auch keinen Zeitrahmen vorsieht.

172    Der bloße Umstand, dass die Kommission keine Frist einhalten muss, um einen Mitgliedstaat aufzufordern, vUA-Entscheidungen zu widerrufen, hindert den Unionsrichter jedoch nicht daran, zu prüfen, ob es dieses Organ versäumt hat, eine angemessene Frist einzuhalten.

173    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die in Rede stehenden vUA-Entscheidungen der Kommission von den belgischen Zollbehörden am 21. August 2019 zur Kenntnis gebracht wurden. Am 5. Oktober 2020 hat die Kommission mit diesen Behörden Kontakt aufgenommen, um ihnen ihre Absicht mitzuteilen, sie aufzufordern, diese Entscheidungen zu widerrufen.

174    Nach einem Austausch mit den belgischen Behörden, in dessen Rahmen diese Behörden mit E‑Mail vom 13. November 2020 eine Stellungnahme abgaben, leitete die Kommission am 22. Dezember 2020 ein Verfahren zum Erlass des angefochtenen Beschlusses ein, in dem sie sich veranlasst sah, verschiedene Generaldirektionen zu befragen. Am 5. März 2021 legte die Kommission allen Delegationen des Ausschusses für den Zollkodex, Bereich „Warenursprung“, im Rahmen des Beratungsverfahrens und im schriftlichen Verfahren den Entwurf des angefochtenen Beschlusses vor. Am 29. März 2021 richtete die Kommission einen zusammenfassenden Vermerk an den Ausschuss für den Zollkodex, Bereich „Warenursprung“, bevor sie am 31. März 2021 den angefochtenen Beschluss erließ.

175    Wenngleich somit etwas mehr als 13 Monate zwischen der Mitteilung der in Rede stehenden vUA-Entscheidungen durch die belgischen Zollbehörden und der ersten Kontaktaufnahme der Kommission mit diesen Behörden zum Thema einer möglichen Aufforderung, diese Entscheidungen zu widerrufen, verstrichen sind, kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass der Zeitraum von 16 Monaten, der zwischen dieser Mitteilung und der Einleitung des förmlichen internen Verfahrens zum Erlass des angefochtenen Beschlusses verstrichen ist, unter Umständen wie denen des vorliegenden Falles übermäßig lang ist; diese Umstände waren zudem dadurch gekennzeichnet, dass die Kommission hier erstmals von ihrer durch Art. 34 Abs. 11 des Zollkodex verliehenen Befugnis Gebrauch machte, zur Gewährleistung einer korrekten und einheitlichen Bestimmung des Ursprungs von Waren einen Mitgliedstaat aufzufordern, vUA-Entscheidungen zu widerrufen.

176    Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der Folge den angefochtenen Beschluss am Ende eines Verwaltungsverfahrens erließ, das weniger als vier Monate dauerte, in dessen Verlauf zahlreiche institutionelle Parteien konsultiert werden mussten und Stellungnahmen abgeben konnten, was von einer gewissen Schnelligkeit zeugt.

177    Daraus folgt, dass der dritte Teil des fünften Klagegrundes zurückzuweisen ist.

d)      Vierter Teil des fünften Klagegrundes: Verletzung der unternehmerischen Freiheit und des Eigentumsrechts

178    Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe Art. 33 ZKU-DelVO so ausgelegt, dass sie den Wirtschaftsteilnehmern die legitime Wahl des Ortes ihrer Geschäftstätigkeit genommen habe, was ihre unternehmerische Freiheit und ihr Eigentumsrecht verletze. Nach Ansicht der Klägerinnen darf kein Eingriff der Kommission in die geschäftlichen Entscheidungen von Unternehmen über das hinausgehen, was zur Erreichung eines legitimen Ziels erforderlich sei; obwohl die Kontrolle des Handels- und Zollrechts der Union ein legitimes Ziel sei, müsse sie innerhalb enger Grenzen ausgeübt werden, um keinen willkürlichen Eingriff aus politischen Gründen darzustellen.

179    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

180    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in den Rn. 41 bis 46 seines Urteils vom 22. Januar 2013, Sky Österreich (C‑283/11, EU:C:2013:28), festgestellt hat, dass der durch Art. 16 der Charta der Grundrechte gewährte Schutz die Freiheit, eine Wirtschafts‑ oder Geschäftstätigkeit auszuüben, die Vertragsfreiheit und den freien Wettbewerb umfasst. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gilt die unternehmerische Freiheit zudem nicht schrankenlos, sondern ist im Zusammenhang mit ihrer gesellschaftlichen Funktion zu sehen. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung und angesichts des Wortlauts von Art. 16 der Charta der Grundrechte, der sich von dem der anderen grundrechtlich geschützten Freiheiten, die in ihrem Titel II verankert sind, unterscheidet und dabei dem Wortlaut einiger Bestimmungen ihres Titels IV ähnelt, kann die unternehmerische Freiheit einer Vielzahl von Eingriffen der öffentlichen Gewalt unterworfen werden, die die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit im allgemeinen Interesse einschränken können.

181    Nach Art. 17 Abs. 1 der Charta der Grundrechte hat jede Person das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums. Außerdem kann die Nutzung des Eigentums gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist.

182    Da die durch Art. 16 und Art. 17 Abs. 1 der Charta der Grundrechte garantierten Rechte nicht schrankenlos sind, kann ihre Ausübung Einschränkungen unterworfen werden, die durch dem Gemeinwohl dienende Ziele der Union gerechtfertigt sind. Nach Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte muss jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta der Grundrechte verankerten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein, ihren Wesensgehalt achten sowie unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit notwendig sein und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

183    Im vorliegenden Fall führen die Klägerinnen keine tatsächlichen Gesichtspunkte an, die ihre im Rahmen des vorliegenden Teils aufgestellten Behauptungen stützen und belegen könnten, dass der angefochtene Beschluss ihr Eigentumsrecht oder ihre unternehmerische Freiheit unverhältnismäßig eingeschränkt hätte.

184    Darüber hinaus wäre zum einen eine mögliche Einschränkung dieser Grundrechte, selbst wenn sie erwiesen wäre, nicht die Folge des angefochtenen Beschlusses. In Wirklichkeit hätte eine solche Einschränkung, wenn sie erwiesen wäre, ihren Ursprung in der Verordnung 2018/886, mit der die zusätzlichen Zölle eingeführt wurden. Wie sich jedoch aus der Akte ergibt, haben die Klägerinnen die Rechtmäßigkeit dieser Verordnung im Rahmen der vorliegenden Klage nicht in Frage gestellt. Zum anderen ist auch festzustellen, dass der angefochtene Beschluss, da nicht nachgewiesen worden ist, dass er die Klägerinnen daran hindert, von Harley-Davidson hergestellte Krafträder in der Union zu vermarkten, weder die Inanspruchnahme des Rechts der Klägerinnen, wirtschaftliche Tätigkeiten auf dem Unionsmarkt auszuüben, noch die Ausübung ihres Eigentumsrechts bei der Herstellung und Vermarktung der in Rede stehenden Krafträder unverhältnismäßig behindert.

185    Nach alledem sind der vierte Teil des fünften Klagegrundes und damit der fünfte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

6.      Sechster Klagegrund: Missbrauch der Befugnisse der Kommission aus politischen Gründen

186    Die Klägerinnen machen geltend, der Zeitpunkt, zu dem der angefochtene Beschluss erlassen worden sei, zeige sehr deutlich, dass das Verhalten der Kommission auf politischen Erwägungen beruhe. Die Kommission habe ihre Befugnis – die es ihr erlaube, sicherzustellen, dass der Ursprung der in die Union eingeführten Waren korrekt bestimmt werde, indem die nationalen Zollbehörden aufgefordert würden, vUA-Entscheidungen zu widerrufen – missbraucht bzw. ausschließlich oder in erster Linie für andere Zwecke ausgeübt als die, für die sie ihr verliehen worden sei; somit habe sie den Zweck dieser Befugnis konterkariert, der darin bestehe, für die Wirtschaftsteilnehmer korrekte und harmonisierte „gleiche Wettbewerbsbedingungen“ zu gewährleisten.

187    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

188    Das Gericht stellt fest, dass die Klägerinnen unter dem Anschein einer Rüge eines angeblichen „Missbrauchs von Befugnissen“ in Wirklichkeit im Rahmen dieses sechsten Klagegrundes einen Ermessensmissbrauch durch die Kommission geltend machen. Mit ihrer Argumentation machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, der angefochtene Beschluss stelle eine verschleierte handelspolitische Maßnahme dar, die darauf abziele, Druck auf die Regierung der Vereinigten Staaten auszuüben, damit sie auf die nach Section 232 des Gesetzes von 1962 über die Ausweitung des Handels eingeführten Zölle verzichte.

189    Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Rechtshandlung nur dann ermessensmissbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie ausschließlich oder zumindest vorwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem Ziel erlassen worden ist, ein Verfahren zu umgehen, das der Vertrag speziell vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen (vgl. Urteil vom 20. März 2019, Foshan Lihua Ceramic/Kommission, T‑310/16, EU:T:2019:170, Rn. 176 und die dort angeführte Rechtsprechung).

190    Die Klägerinnen haben jedoch abgesehen von vagen und abstrakten Behauptungen nichts Konkretes vorgetragen, was belegen könnte, dass die Kommission diesen Beschluss zu anderen als den angegebenen Zwecken erlassen hat, nämlich zur Gewährleistung einer korrekten und einheitlichen Bestimmung des Ursprungs der in die Union eingeführten Waren. Die Klägerinnen haben zwar Presseartikel vorgelegt, von denen einige im Übrigen nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses erschienen sind, allerdings ist festzustellen, dass es bei diesen Artikeln weder um den angefochtenen Beschluss noch um ähnliche Beschlüsse geht. Zudem lassen diese Artikel vielmehr eine Besorgnis der Kommission hinsichtlich einer möglichen Eskalation des Streits zwischen der Union und den Vereinigten Staaten im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Inkrafttreten der in Anhang II der Verordnung 2018/886 vorgesehenen zusätzlichen Zölle erkennen.

191    Indem sie sich auf das Vorbringen beschränken, dass der angefochtene Beschluss aus „politischen Gründen“ erlassen worden sei, stellen die Klägerinnen eine reine Behauptung auf.

192    Somit ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass das Verfahren, das zum Erlass des angefochtenen Beschlusses geführt hat, ausschließlich oder zumindest vorwiegend zu anderen Zwecken als dem oben in Rn. 190 genannten eingeleitet worden wäre.

193    Daraus folgt, dass der sechste Klagegrund zurückzuweisen ist.

194    Nach alledem ist der Antrag auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen.

C.      Antrag auf prozessleitende Maßnahmen oder Maßnahmen der Beweisaufnahme

195    Die Kommission trägt vor, der dritte Antrag der Klägerinnen, mit dem sie das Gericht ersuchen, ihm angemessen erscheinende prozessleitende Maßnahmen oder Maßnahmen der Beweisaufnahme anzuordnen, sei gegenstandslos geworden, da die Dokumente, auf die sich die Klägerinnen beriefen, auf ihren entsprechenden Antrag hin veröffentlicht worden seien, der auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) gestellt worden sei.

196    Die Klägerinnen vertreten die Ansicht, das Gericht könne es jedoch für sinnvoll erachten, von der Kommission die Vorlage weiterer Beweismittel zu verlangen, da die von der Kommission veröffentlichten Dokumente es nicht erlaubten, ihre Behauptungen hinreichend zu stützen.

197    Was die Würdigung von Anträgen einer Partei auf prozessleitende Maßnahmen oder Maßnahmen der Beweisaufnahme betrifft, so ist es allein Sache des Gerichts, zu entscheiden, ob das ihm in einer Rechtssache vorliegende Beweismaterial der Ergänzung bedarf (vgl. Urteil vom 22. November 2007, Sniace/Kommission, C‑260/05 P, EU:C:2007:700, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

198    Im vorliegenden Fall bezeichnen die Klägerinnen die den Antrag auf prozessleitende Maßnahmen oder Maßnahmen der Beweisaufnahme rechtfertigenden Gründe nicht genau, wie dies Art. 88 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts verlangt.

199    Jedenfalls ist festzustellen, dass die in den Akten enthaltenen Angaben ausreichen, um dem Gericht eine Entscheidung zu ermöglichen, da dieses auf der Grundlage der im Laufe des Verfahrens vorgetragenen Anträge, Klagegründe und Argumente und angesichts der von den Parteien eingereichten Dokumente sachgerecht entscheiden konnte.

200    Daher ist der Antrag auf prozessleitende Maßnahmen oder Maßnahmen der Beweisaufnahme zurückzuweisen.

201    Daraus folgt, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird, ohne dass über die Zulässigkeit des Dokuments entschieden zu werden braucht, das von der Kommission für die mündliche Verhandlung vorgelegt worden ist und die Mitschrift einer Telefonkonferenz zwischen Harley-Davidson und Vertretern ihrer Anteilseigner enthält.

 Kosten

202    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

203    Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat das

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Harley-Davidson Europe Ltd und Neovia Logistics Services International tragen die Kosten.

Papasavvas

Svenningsen

Jaeger

Mac Eochaidh

 

      Pynnä

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 1. März 2023.

Unterschriften



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