T-272/19 – TO/ EAD

T-272/19 – TO/ EAD

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:T:2020:361

Vorläufige Fassung

BESCHLUSS DES GERICHTS (Achte erweiterte Kammer)

31. Juli 2020(*)

„Anfechtungs- und Schadensersatzklage – Öffentlicher Dienst – Vertragsbedienstete – Ablehnung der Einstellung wegen mangelnder Eignung zur Ausübung des Amtes – Klagefristen – Zwingendes Recht – Verspätung – Berechnung der Frist – Bestimmung des Zeitpunkts, ab dem der Betroffene vom Inhalt der Entscheidung Kenntnis nehmen konnte – Offensichtliche Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑272/19,

TO, wohnhaft in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt É. Boigelot,

Klägerin,

gegen

Europäischer Auswärtiger Dienst (EAD), vertreten durch S. Marquardt und R. Spac als Bevollmächtigte,

Beklagter,

wegen einer Klage nach Art. 270 AEUV zum einen auf Aufhebung erstens der Entscheidung des EAD vom 15. Juni 2018, mit der der Klägerin mitgeteilt wurde, dass sie nicht alle Einstellungsbedingungen nach Art. 82 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union erfülle und dass sie nicht als Vertragsbedienstete des EAD eingestellt werden könne, und zweitens der Entscheidung derselben Behörde vom 14. Januar 2019, mit der ihre Beschwerde vom 14. September 2018 zurückgewiesen wurde, und zum anderen auf Ersatz des Schadens, der der Klägerin entstanden sein soll,

erlässt

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Svenningsen sowie der Richter R. Barents, C. Mac Eochaidh, der Richterin T. Pynnä (Berichterstatterin) und des Richters J. Laitenberger,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Mit Entscheidung vom 15. Juni 2018 teilte die zum Abschluss von Dienstverträgen ermächtigte Behörde (im Folgenden: Anstellungsbehörde) des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) der Klägerin, die sich um eine Stelle als Vertragsbedienstete im EAD beworben hatte, mit, dass sie nicht alle in Art. 82 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union (im Folgenden: BSB) festgelegten Einstellungsbedingungen erfülle und nicht als Vertragsbedienstete eingestellt werden könne. Der EAD versandte diese Entscheidung am 15. Juni 2018 an die Klägerin, und zwar an ihre persönliche E‑Mail-Adresse.

2        Am 14. September 2018 legte die Klägerin gegen diese Entscheidung eine Beschwerde nach Art. 90 Abs. 2 des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) ein. Diese Beschwerde wurde auf elektronischem Wege unter Verwendung der geschäftlichen E‑Mail-Adresse des Anwalts der Klägerin mit einer Kopie an die persönliche E‑Mail-Adresse der Klägerin eingelegt.

3        Mit Entscheidung vom 14. Januar 2019 wies die Anstellungsbehörde des EAD die Beschwerde der Klägerin zurück. Der EAD übermittelte diese Entscheidung an die Klägerin und ihren Anwalt, zunächst am 14. Januar 2019 um 17.46 Uhr über das Programm Ares, ein Dokumentenverwaltungssystem, das ermöglicht, den Versand einer E‑Mail an Empfänger, die nicht zum Personal des EAD gehören, zu generieren, und dann am selben Tag um 17.52 Uhr und 18.05 Uhr per E‑Mail.

4        Am 15. Januar 2019 um 8.40 Uhr schickte die Klägerin ihrem Anwalt eine diese Entscheidung betreffende E‑Mail von derselben E‑Mail-Adresse aus, die der EAD für die Übersendung der genannten Entscheidung und der Entscheidung vom 15. Juni 2018 verwendet hatte.

5        Der EAD ersuchte die Klägerin mehrmals per E‑Mail, den Erhalt dieser Entscheidung zu bestätigen, und zwar am 14. Januar 2019 um 17:52 und 18.05 Uhr, dann am 22. Januar 2019. Diese Ersuchen blieben unbeantwortet.

 Verfahren und Anträge der Parteien

6        Mit Klageschrift, die am 25. April 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

7        Am 16. September 2019 hat der EAD die Klagebeantwortung eingereicht.

8        Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 17. Oktober 2019 ist die vorliegende Rechtssache einer neuen Berichterstatterin in der Achten Kammer zugewiesen worden.

9        Am 5. November 2019 hat die Klägerin die Erwiderung bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

10      Am 24. Januar 2020 hat der EAD die Gegenerwiderung vorgelegt.

11      Am 14. Februar 2020 hat das Gericht (Achte Kammer) auf Vorschlag der Berichterstatterin im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung des Gerichts schriftliche Fragen an die Parteien gerichtet und sie aufgefordert, diese schriftlich zu beantworten.

12      Am 2. März 2020 legten die Parteien ihre Antworten auf die Fragen des Gerichts vor.

13      Am 21. April 2020 beschloss das Gericht auf Vorschlag des Präsidenten des Gerichts gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung, die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper zu verweisen.

14      Mit Schriftsatz, der am 28. April 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Der EAD hat sich zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung innerhalb der gesetzten Frist nicht geäußert.

15      Die Klägerin beantragt,

–        die Entscheidung der Anstellungsbehörde des EAD vom 15. Juni 2018, mit der ihr mitgeteilt wurde, dass sie nicht alle in Art. 82 BSB vorgesehenen Einstellungsbedingungen erfülle und nicht als Vertragsbedienstete im Sinne von Art. 3b BSB beim EAD eingestellt werden könne, aufzuheben;

–        die Entscheidung der Anstellungsbehörde des EAD vom 14. Januar 2019, mit der die von ihr am 14. September 2018 eingelegte Beschwerde zurückgewiesen wurde (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) aufzuheben;

–        den EAD zu verurteilen, ihr verschiedene Entschädigungen zu zahlen;

–        dem EAD die Kosten aufzuerlegen.

16      Der EAD beantragt,

–        die Klage als teilweise unzulässig und als teilweise unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

17      In seiner Gegenerwiderung macht der EAD außerdem geltend, dass die Klage unzulässig sei, da die Klageschrift verspätet eingereicht worden sei.

 Rechtliche Würdigung

18      Gemäß Art. 126 der Verfahrensordnung kann das Gericht, wenn eine Klage offensichtlich unzulässig ist, auf Vorschlag des Berichterstatters jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen. Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht durch die Aktenstücke für hinreichend unterrichtet und beschließt deshalb, über die Klage zu entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen, und dies obschon die Klägerin beim Gericht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 24. September 2008, Van Neyghem/Kommission, T‑105/08 P, EU:T:2008:402, Rn. 21, und vom 2. Dezember 2010, Apostolov/Kommission, T‑73/10 P, EU:T:2010:495, Rn. 11).

19      In der Gegenerwiderung macht der EAD, ohne förmlich eine Einrede der Unzulässigkeit nach Art. 130 der Verfahrensordnung zu erheben, erstmals geltend, dass die angefochtene Entscheidung der Klägerin am 14. Januar 2019 zugestellt worden sei und dass die Frist von drei Monaten für die Erhebung der Klage nach Art. 91 Abs. 3 des Statuts zuzüglich der Entfernungsfrist von zehn Tagen am 14. Januar 2019 begonnen und am 24. April 2019 geendet habe. Die am 25. April 2019 eingereichte Klage sei somit verspätet und daher unzulässig.

20      Es ist daran zu erinnern, dass gemäß Art. 91 Abs. 3 des Statuts die Klage innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der auf die Beschwerde hin getroffenen Entscheidung beim Gericht eingelegt werden muss. Gemäß Art. 60 der Verfahrensordnung werden „[d]ie Verfahrensfristen … um eine pauschale Entfernungsfrist von zehn Tagen verlängert“.

21      Als Erstes ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, dass der vom EAD in der Gegenerwiderung geltend gemachte Unzulässigkeitsgrund ein neuer, nach Art. 84 der Verfahrensordnung unzulässiger Klagegrund sei.

22      Nach ständiger Rechtsprechung sind die Beschwerde- und Klagefristen der Art. 90 und 91 des Statuts nämlich zwingendes Recht und stehen nicht zur Disposition der Parteien und des Gerichts, das ihre Einhaltung – auch von Amts wegen – zu überprüfen hat. Diese Fristen entsprechen den Erfordernissen der Rechtssicherheit und der Vermeidung jeder Diskriminierung oder willkürlichen Behandlung bei der Gewährung von Rechtsschutz (Urteile vom 7. Juli 1971, Müllers/WSA, 79/70, EU:C:1971:79, Rn. 18, und vom 30. Januar 2013, Wahlström/Frontex, F‑87/11, EU:F:2013:10, Rn. 32; vgl. auch Beschluss vom 14. Januar 2014, Lebedef/Kommission, F‑60/13, EU:F:2014:6, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Als Zweites ist zu bemerken, dass die Klägerin in der Klageschrift nicht bestreitet, dass die angefochtene Entscheidung am 14. Januar 2019 auf ihrem E‑Mail-Konto und dem ihres Anwalts eingegangen ist. So führt sie in ihrer Klageschrift aus, dass „die Anstellungsbehörde des EAD der Klägerin und ihrem Anwalt ihre Entscheidung über die am 14. September 2018 eingereichte Beschwerde am 14. Januar 2019 [zustellte]“. In ihrer Antwort auf die Fragen des Gerichts macht die Klägerin geltend, dass es sich „lediglich um eine Information über das auf der Entscheidung selbst angegebene Datum handelt …, keineswegs aber über den Empfang dieser Entscheidung und über die Kenntnisnahme von dieser“. Auf die Frage des Gerichts, in der sie aufgefordert wurde, zu erläutern, zu welchem Zeitpunkt und auf welche Art und Weise sie die angefochtene Entscheidung erhalten habe, teilt die Klägerin mit, dass ihr diese Entscheidung am 14. Januar 2019 um 18.04.43 Uhr per E‑Mail … übermittelt [worden sei]“.

24      Der EAD ist zudem der Ansicht, dass die angefochtene Entscheidung der Klägerin am 14. Januar 2019 wirksam zugestellt worden sei, so dass die Klagefrist am 24. April 2019 abgelaufen sei, während die Klägerin in ihrer Antwort auf die Fragen des Gerichts geltend macht, die Frist sei am 25. April 2019, dem Tag, an dem die Klageschrift eingereicht worden sei, abgelaufen. Nach Ansicht der Klägerin „[muss man], wenn [Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verfahrensordnung] volle Wirkung entfalten und seine ganze Bedeutung erlangen soll, aus dieser Bestimmung folgern, dass für die Berechnung der Klagefrist der Rechtsakt als an dem Tag vorgenommen gilt, der auf den Tag folgt, an dem er an den Beamten gerichtet wird“, und „im vorliegenden Fall ist daher der erste zweckmäßige Tag der 15. Januar 2019 und nicht der 14. Januar 2019“.

25      Die Antwort der Klägerin auf die Fragen des Gerichts macht deutlich, dass ihre Berechnung der Klagefrist auf einer fehlerhaften Auslegung von Art. 58 Abs. 1 der Verfahrensordnung beruht.

26      Zum einen bestimmt Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verfahrensordnung: „Ist eine nach Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren bemessene Frist von dem Zeitpunkt an zu berechnen, zu dem ein Ereignis eintritt oder eine Handlung vorgenommen wird, so wird der Tag, an dem das Ereignis eintritt oder die Handlung vorgenommen wird, nicht mitgerechnet“. Art. 58 Abs. 1 Buchst. b der Verfahrensordnung sieht zum anderen vor: „Eine nach Wochen, Monaten … bemessene Frist endet mit dem Ablauf des Tages, der in der letzten Woche, im letzten Monat … dieselbe Bezeichnung oder dieselbe Zahl wie der Tag trägt, an dem das Ereignis eingetreten oder die Handlung vorgenommen worden ist, von denen an die Frist zu berechnen ist“.

27      Aus der Rechtsprechung, die der Gerichtshof in seinem Urteil vom 15. Januar 1987, Misset/Rat (152/85, EU:C:1987:10, Rn. 7 und 8), eingeführt hat, ergibt sich, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin kein Widerspruch zwischen Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und Art. 58 Abs. 1 Buchst. b der Verfahrensordnung besteht. Zwar beginnt die Frist erst am Ende des Tages der Zustellung zu laufen. Gleichwohl läuft die Klagefrist, wenn sie nach Monaten bemessen ist, mit Ablauf des Tages ab, der in dem in der Frist bezeichneten Monat dieselbe Zahl trägt wie der Tag der Zustellung (Beschluss vom 12. Mai 2009, CHEMK und KF/Rat und Kommission, T‑190/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:154, Rn. 21).

28      Wäre im vorliegenden Fall die angefochtene Entscheidung der Klägerin am 14. Januar 2019 wirksam zugestellt worden, hätte die dreimonatige Klagefrist am 15. Januar um 00.00 Uhr begonnen und am 14. April um Mitternacht geendet. Rechnet man die 10‑tägige Entfernungsfrist dazu, wäre die Klagefrist somit am 24. April um Mitternacht abgelaufen. Infolgedessen wäre die am 25. April 2019 eingereichte Klageschrift verspätet.

29      Als Drittes ist daher zu prüfen, ob feststeht, dass die angefochtene Entscheidung der Klägerin am 14. Januar 2019 wirksam zugestellt wurde.

30      Insoweit ist zu bemerken, dass die Klägerin für den Fall, dass sie sich bei der Berechnung der Klagefrist geirrt haben sollte, bestreitet, dass die Zustellung am 14. Januar 2019 wirksam erfolgt sei. Nach ihrer Ansicht ist für den Zeitpunkt der Zustellung der Moment entscheidend, an dem die Klägerin von der per E‑Mail übersandten angefochtenen Entscheidung Kenntnis nahm. Sie habe aber „wahrscheinlich“ erst am Morgen des 15. Januar 2019 von der fraglichen E‑Mail Kenntnis genommen.

31      Zusätzlich zu der oben in Rn. 22 angeführten Rechtsprechung ist daran zu erinnern, dass es der Partei, die sich auf eine Fristüberschreitung beruft, im vorliegenden Fall dem EAD, obliegt, den Zeitpunkt des Fristbeginns nachzuweisen (Urteil vom 5. Juni 1980, Belfiore/Kommission, 108/79, EU:C:1980:146, Rn. 7, vgl. auch Urteil vom 30. Januar 2013, Wahlström/Frontex, F‑87/11, EU:F:2013:10, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Wenn sie nicht in der Lage ist, hierzu vollständige Beweise vorzulegen, und ein Zweifel bleibt, muss der verbleibende Zweifel hinsichtlich des Zeitpunkts des Beginns der Klagefrist dem Kläger zugutekommen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juni 1980, Belfiore/Kommission, 108/79, EU:C:1980:146, Rn. 7, und vom 9. Juli 2020, Kommission/HM, C‑70/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:544, Rn. 123).

32      Der Nachweis, dass der Adressat einer Entscheidung von dieser in zweckdienlicher Weise Kenntnis nehmen konnte, kann sich jedoch aus verschiedenen Umständen ergeben, insbesondere dann, wenn sich das betreffende Organ nicht auf bloße Hinweise stützt, sondern auf Beweise, einschließlich der von dem Betroffenen vorgelegten, die darauf hinweisen, dass er als Adressat eine E‑Mail an seine E‑Mail-Adresse erhalten hat und dass er sie sehr wahrscheinlich öffnen und somit in gebotener Weise von dieser Entscheidung Kenntnis nehmen konnte (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 14. Januar 2014, Lebedef/Kommission, F‑60/13, EU:F:2014:6, Rn. 44). Denn nach der Rechtsprechung können die tatsächlichen Gesichtspunkte, auf die sich eine Partei beruft, die andere Partei zu einer Erläuterung oder Rechtfertigung zwingen, da sonst der Schluss zulässig ist, dass der Beweis erbracht wurde (vgl. Urteil vom 17. November 2016, Fedtke/EWSA, T‑157/16 P, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:666, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Nach alledem hat das Gericht zu prüfen, ob feststeht, dass die Klagefrist zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage in der vorliegenden Rechtssache, d. h. am 25. April 2019, noch nicht abgelaufen war, was jedoch der Fall wäre, wenn die angefochtene Entscheidung der Klägerin am 14. Januar 2019 wirksam zugestellt worden wäre.

34      In diesem Zusammenhang stellt die in Art. 26 Abs. 3 des Statuts vorgesehene Zustellung per Einschreiben mit Rückschein durch die Post eine wirksame Form der Zustellung dar. Im vorliegenden Fall hat sich der EAD dafür entschieden, diese Möglichkeit nicht zu verwenden. Dies ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit der Zustellung von Verwaltungsentscheidungen (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 16. Dezember 2010, AG/Parlament, F‑25/10, EU:F:2010:171, Rn. 38, und vom 14. Januar 2014, Lebedef/Kommission, F‑60/13, EU:F:2014:6, Rn. 42).

35      Insbesondere dann, wenn die Verwaltung die Einlegung einer Beschwerde nach Art. 90 Abs. 2 des Statuts auf elektronischem Wege akzeptiert, im vorliegenden Fall von der geschäftlichen E‑Mail-Adresse des Anwalts der Beschwerdeführerin aus, mit einer Kopie an ihre persönliche E‑Mail-Adresse, ist es unter Berücksichtigung der von der Betroffenen selbst getroffenen Wahl dieser Kommunikationsmöglichkeit legitim, dass diese Verwaltung in Anwendung des Grundsatzes der Parallelität der Formen ihre Antwort an die Betroffene auch mittels einer E‑Mail, die von der E‑Mail-Adresse des EAD oder von seinem E‑Mail-Verwaltungsprogramm, hier über das Programm Ares, an die E‑Mail-Adressen dieser Beschwerdeführerin und ihres Anwalts versandt wird, zustellen kann (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 14. Januar 2014, Lebedef/Kommission, F‑60/13, EU:F:2014:6, Rn. 43).

36      Ferner ergibt sich aus dem Vertretungsgrundsatz, dass im Fall der Einlegung einer Beschwerde von einem Rechtsanwalt im Namen einer Person, die er vertritt, die Zustellung der Antwort an diesen Anwalt als Zustellung an diese Person gilt (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 6. Mai 2009, Sergio u. a./Kommission, F‑137/07, EU:F:2009:46, Rn. 125).

37      Für eine wirksame Zustellung einer Entscheidung im Sinne des Statuts ist es jedoch nicht nur erforderlich, dass sie dem Adressaten übermittelt wurde, sondern auch, dass er in zweckdienlicher Weise von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen konnte (Urteil vom 15. Juni 1976, Jänsch/Kommission, 5/76, EU:C:1976:92, Rn. 10; vgl. auch Urteil vom 30. Januar 2013, Wahlström/Frontex, F‑87/11, EU:F:2013:10, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Es ist zu beachten, dass das Versenden einer E‑Mail als solches den tatsächlichen Empfang durch den Adressaten nicht gewährleistet. Eine E‑Mail kann nämlich den Empfänger aus technischen Gründen nicht erreichen. Darüber hinaus ist es möglich, dass eine E‑Mail, selbst wenn sie den Adressaten tatsächlich erreicht, am Tag ihrer Absendung nicht empfangen wird (Urteil vom 8. Oktober 2008, Sogelma/EAR, T‑411/06, EU:T:2008:419, Rn. 77, vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 28. November 2013, Gaumina/EIGE, T‑424/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:617, Rn. 40, und vom 7. Dezember 2018, GE.CO.P./Kommission, T‑280/17, EU:T:2018:889, Rn. 51 [nicht veröffentlicht]).

39      Im vorliegenden Fall hat der EAD nachgewiesen, dass er die angefochtene Entscheidung am 14. Januar 2019 sowohl per E‑Mail als auch über das Programm Ares an die Klägerin und ihren Anwalt versandt hat.

40      Aus den vom EAD vorgelegten Beweisen geht auch hervor, dass seine Dienststellen für den Versand der angefochtenen Entscheidung dieselbe E‑Mail-Adresse der Klägerin verwendet haben, die zuvor für den Versand der Entscheidung vom 15. Juni 2018, die Gegenstand der Beschwerde der Klägerin ist, verwendet wurde, und dass ihnen bei der Verwendung dieser Adresse kein Fehler unterlaufen ist. Darüber hinaus hat der EAD für den Anwalt der Klägerin die E‑Mail-Adresse verwendet, von der aus dieser Anwalt im Namen der Klägerin die Beschwerde vom 14. September 2018 eingereicht hatte. Daraus folgt, dass die vom EAD für den Versand der angefochtenen Entscheidung verwendeten E‑Mail-Adressen gültige Adressen waren.

41      Wie bereits oben in Rn. 23 erwähnt wurde, bestreitet die Klägerin nicht, dass der Empfang der angefochtenen Entscheidung im vorliegenden Fall ohne Verzögerung erfolgte und daher mit dem Versenden an ihre Mailbox und diejenige ihres Anwalts am 14. Januar 2019 zusammenfiel. So gibt die Klägerin auf die Frage des Gerichts, mit der es sie aufgefordert hat, „anzugeben, wann und auf welchem Wege sie die [angefochtene Entscheidung] erhalten ha[t]“, an, dass ihr diese Entscheidung „am 14. Januar 2019 um 18.04.43 Uhr per E‑Mail … übermittelt [wurde]“.

42      Aus der oben in Rn. 37 angeführten Rechtsprechung ergibt sich, dass es für die wirksame Zustellung einer Entscheidung im Sinne des Statuts nicht erforderlich ist, dass der Empfänger ihren Inhalt tatsächlich zur Kenntnis genommen hat, sondern dass er in der Lage war, in zweckdienlicher Weise von diesem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Insoweit kann sich der Beweis, dass der Adressat einer Entscheidung diese nicht nur erhalten hat, sondern sie auch in zweckdienlicher Weise zur Kenntnis nehmen konnte, aus verschiedenen Umständen ergeben (Beschluss vom 14. Januar 2014, Lebedef/Kommission, F‑60/13, EU:F:2014:6, Rn. 44).

43      So hat das Gericht für den öffentlichen Dienst im Beschluss vom 14. Januar 2014 in der Rechtssache Lebedef/Kommission (F‑60/13, EU:F:2014:6, Rn. 45 bis 48), ausgeführt, dass feststehe, dass der Kläger in seiner geschäftlichen Mailbox nachsehen konnte, dass er die fragliche E‑Mail erhalten hatte, und dass er sie öffnen und von ihr in zweckdienlicher Weise Kenntnis nehmen konnte, auch wenn er entschieden hatte, sie zu diesem Zeitpunkt nicht zu öffnen.

44      Im vorliegenden Fall ist zu bemerken, dass die Entscheidung des EAD vom 15. Juni 2018, die Gegenstand der Beschwerde der Klägerin ist, ebenfalls per E‑Mail an die Klägerin an dieselbe E‑Mail-Adresse versandt wurde. Diese E‑Mail-Adresse nutzte die Klägerin auch, um am 15. Januar 2019 um 8.40 Uhr eine E‑Mail an ihren Anwalt zu versenden, in der sie mitteilte, von der die angefochtenen Entscheidung Kenntnis genommen zu haben.

45      Die von den Parteien dem Gericht vorgelegten Unterlagen belegen daher, dass die Klägerin nicht nur nicht geltend macht, dass es ein technisches Hindernis für den Empfang oder die Abfrage der streitigen EAD-E‑Mails gegeben habe, sondern dass sie auch ihre persönliche Mailbox einsehen konnte und dass sie diese Mailbox vor und nach der Übermittlung der angefochtenen Entscheidung im Rahmen ihres Mailverkehrs mit dem EAD und ihrem Anwalt nutzte.

46      Daraus folgt, dass der EAD ausreichende Tatsachenbeweise dafür vorgelegt hat, dass die angefochtene Entscheidung der Klägerin und ihrem Anwalt am 14. Januar 2019 mitgeteilt wurde und dass die Klägerin ab diesem Zeitpunkt vom Inhalt dieser Entscheidung Kenntnis nehmen konnte.

47      Insbesondere bestreitet die Klägerin nicht, dass sie oder ihr Anwalt am 14. Januar 2019 die Möglichkeit hatten, von der angefochtenen Entscheidung Kenntnis zu nehmen. Sie trägt vielmehr vor, dass ihr nicht vorgeworfen werden könne, dass sie am Abend des 14. Januar 2019 nicht in ihre Mailbox geschaut habe, und dass ihrem Anwalt nicht vorgeworfen werden könne, dass er am selben Abend hinsichtlich der E‑Mail nichts mehr unternommen habe, womit sie einräumt, dass dies möglich gewesen wäre.

48      Dagegen trägt sie vor, dass sie „wahrscheinlich am Morgen des 15. Januar um 8.40 Uhr von (einem Teil, nämlich von der letzten Seite des Dokuments) der E‑Mail, die am Abend zuvor an ihre private Mailbox übermittelt worden [sei], Kenntnis genommen [habe]“.

49      Der Umstand, dass die Klägerin geltend macht, dass sie wahrscheinlich erst am Morgen des 15. Januar 2019 tatsächlich von der fraglichen E‑Mail Kenntnis genommen habe, ist jedoch, wie oben in Rn. 42 ausgeführt wurde, für die Bestimmung des Fristbeginns nicht entscheidend. Aus der Antwort der Klägerin geht hervor, dass sie sich auf eine fehlerhafte Auslegung der Rechtsprechung stützt, nach der der Zeitpunkt, zu dem die Klägerin tatsächlich von der Entscheidung Kenntnis genommen hat, für die Bestimmung des Zeitpunkts der Zustellung maßgeblich ist. Wie jedoch oben in Rn. 42 ausgeführt wurde, ist es für die ordnungsgemäße Zustellung einer Entscheidung nicht erforderlich, dass der Adressat von ihrem Inhalt tatsächlich Kenntnis genommen hat, sondern dass er von ihr in zweckdienlicher Weise Kenntnis nehmen konnte.

50      Würde man dem Vorbringen der Klägerin folgen, so würde das nämlich dazu führen, dass man anerkennt, dass es im Fall der Mitteilung einer Entscheidung ohne Verlangen einer Empfangsbestätigung im Belieben des Empfängers steht, zu bestimmen, zu welchem Zeitpunkt er deren Inhalt in zweckdienlicher Weise zur Kenntnis nehmen konnte (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 29. November 2018, WL/ERCEA, T‑493/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:852, Rn. 63). Der Grundsatz der Rechtssicherheit schließt jedoch aus, dass der Beginn von Klagefristen dem Belieben einer der Parteien überlassen wird (Beschluss vom 16. Dezember 2010, AG/Parlament, F‑25/10, EU:F:2010:171, Rn. 51).

51      Soweit die Klägerin vorbringt, dass sie oder ihr Anwalt zu dem Zeitpunkt der behaupteten Zustellung, d. h. am 14. Januar 2019 um 18.05 Uhr, keinesfalls verpflichtet gewesen seien, ihre Mailboxen zu überprüfen, ist festzustellen, dass es keine allgemeingültige Zeitspanne gibt, innerhalb der eine Entscheidung rechtswirksam zugestellt werden kann und außerhalb der eine Zustellung unwirksam ist.

52      Erstens ist nach der oben in Rn. 37 angeführten Rechtsprechung allein der Umstand, dass der Empfänger vom Inhalt einer ihm übermittelten Entscheidung in zweckdienlicher Weise Kenntnis nehmen konnte, maßgeblich für deren Zustellung. Nach dieser Definition ist es unerheblich, ob diese Zustellung am Morgen, Mittag, Abend oder sogar in der Nacht erfolgte. Wenn es dem Adressaten möglich ist, vom Inhalt einer Entscheidung, die ihm am späten Abend übermittelt wurde, in zweckdienlicher Weise Kenntnis zu nehmen, ist ihm die Entscheidung zu diesem Zeitpunkt zugestellt. Kann der Adressat erst am folgenden Tag oder später vom Inhalt der Entscheidung in zweckdienlicher Weise Kenntnis nehmen, ist die Entscheidung erst zu diesem Zeitpunkt zugestellt.

53      Zweitens merkt das Gericht an, dass es nicht möglich sei, mit der erforderlichen Rechtssicherheit Zeitspannen festzulegen, in denen eine Zustellung als wirksam betrachtet würde, und andere Zeitspannen auszuschließen. Die Verfügbarkeit der möglichen Adressaten und deren Möglichkeit, sich einzuloggen, können sehr unterschiedlich sein. In dieser Hinsicht ist darauf hinzuweisen, dass sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, die Klagefristen in Tagen, Wochen und Monaten und nicht in Stunden zu bemessen, was belegt, dass es dem Gesetzgeber nicht wichtig ist, dass eine Zustellung innerhalb einer bestimmten Zeitspanne erfolgt.

54      Drittens wäre es auch nicht kohärent, eine solche Zeitspanne für eine Mitteilung per E‑Mail festzulegen, während die Zustellung durch Einschreiben im Prinzip zu jeder Tageszeit erfolgen kann. Der Zeitpunkt der Zustellung von Einschreiben hängt vor allem von Verfahrensabläufen der Post ab. Um die Chancen, Einschreiben tatsächlich zustellen zu können, zu maximieren, ist es zumindest heute nicht ungewöhnlich, dass die Zustellung am frühen Morgen oder am späten Nachmittag erfolgt. Ob der Zeitpunkt geeignet ist oder nicht, ist nicht entscheidend für die Feststellung, ob die Zustellung wirksam ist oder nicht, sofern der Adressat das mitzuteilende Dokument erhält.

55      Insoweit ergibt sich aus Art. 58 Abs. 1 Buchst. b der Verfahrensordnung, dass bei zustellungsbedürftigen Handlungen die Klagefrist mit dem Ablauf des Tages der Zustellung zu laufen beginnt, unabhängig davon, zu welcher Tageszeit die Zustellung der angefochtenen Handlung erfolgt ist (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 15. Januar 1987, Misset/Rat, 152/85, EU:C:1987:10, Rn. 7, und Beschluss vom 11. Juni 2020, GMPO/Kommission, C‑575/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:448, Rn. 30).

56      Geht man schließlich davon aus, dass im vorliegenden Fall der Erhalt der angefochtenen Entscheidung feststeht (vgl. oben, Rn. 23, 40 ff.), könnten nur Hindernisse im Zusammenhang mit der Situation der Klägerin und ihres Anwalts, die sie daran gehindert hätten, am 14. Januar 2019 von der angefochtenen Entscheidung Kenntnis zu nehmen, nachdem sie sie erhalten hatten, die Schlussfolgerung in Frage stellen, dass sie zu diesem Zeitpunkt in der Lage waren, von ihr in zweckdienlicher Weise Kenntnis zu nehmen. Im Hinblick auf die vom EAD vorgelegten Tatsachenelemente hinsichtlich der Zustellung der angefochtenen Entscheidung an die Klägerin und ihren Anwalt mittels E‑Mail und des Programms Ares, sowie im Hinblick auf den Umstand, dass der Erhalt der angefochtenen Entscheidung im vorliegenden Fall feststeht, hätte die Klägerin daher eventuelle Gründe angeben müssen, aus denen weder sie noch ihr Anwalt in der Lage waren, die am 14. Januar 2019 erhaltene angefochtene Entscheidung in zweckdienlicher Weise zur Kenntnis zu nehmen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 17. November 2016, Fedtke/EWSA, T‑157/16 P, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:666, Rn. 41).

57      Die Klägerin hat jedoch trotz der Fragen des Gerichts diesbezüglich keine näheren Erklärungen abgegeben. Sie hat sich im Gegenteil darauf beschränkt, darauf hinzuweisen, dass sie „wahrscheinlich“ erst am 15. Januar 2019 Kenntnis von den E‑Mails des EAD erlangt habe und dass sie nach ihrer Ansicht nicht verpflichtet gewesen sei, ihre Mailbox vor diesem Zeitpunkt zu überprüfen. Darüber hinaus hat sie nicht bestritten, dass sie zu diesem Zeitpunkt von einem Anwalt vertreten wurde, der die E‑Mail des EAD am selben Tag, dem 14. Januar 2019, erhalten hatte.

58      Folglich und unter Berücksichtigung der Ausführungen oben in den Rn. 31 und 32 kommt das Gericht zu dem Schluss, dass in Anbetracht der vom EAD vorgelegten Beweise und des Fehlens jeglicher von der Klägerin vorgelegten Beweise dafür, dass sie und ihr Anwalt daran gehindert waren, die am 14. Januar 2019 eingegangenen E‑Mails in zweckdienlicher Weise zur Kenntnis zu nehmen, der EAD seiner Beweislast nachgekommen ist. Folglich steht fest, dass die Klägerin die angefochtene Entscheidung nicht nur am 14. Januar 2019 erhalten hat, sondern an diesem Tag auch die Möglichkeit hatte, von ihr in zweckdienlicher Weise Kenntnis zu nehmen.

59      Daraus ist zu schließen, dass die angefochtene Entscheidung der Klägerin am 14. Januar 2019 im Sinne der oben in Rn. 37 genannten Rechtsprechung wirksam zugestellt wurde.

60      Unter diesen Umständen ist in Anwendung der oben in den Rn. 26 bis 28 erläuterten Berechnungsmethode die am 25. April 2019 eingereichte Klageschrift verspätet.

61      Folglich ist die Klage als offensichtlich unzulässig abzuweisen.

 Kosten

62      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EAD die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt

1.      Die Klage wird als offensichtlich unzulässig abgewiesen.

2.      TO trägt die Kosten des Verfahrens.

Luxemburg, den 31. Juli 2020

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

J. Svenningsen



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