T-233/18 – Gaki/ EDSB
BESCHLUSS DES GERICHTS (Siebte Kammer)
21. September 2018()
„Nichtigkeits-, Untätigkeits- und Schadensersatzklage – Beschwerde beim EDSB – Offensichtliche teilweise Unzuständigkeit – Teils offensichtlich unzulässige und teils offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehrende Klage“
In der Rechtssache T‑233/18
Anastasia-Soultana Gaki, wohnhaft in Düsseldorf (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt G. Keisers,
Klägerin,
gegen
Europäischer Datenschutzbeauftragter (EDSB),
Beklagter,
betreffend erstens eine Klage gemäß Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung der Entscheidung des Europäischen Datenschutzbeauftragten (EDSB) vom 26. Januar 2018 über eine Beschwerde der Klägerin, zweitens eine Klage gemäß Art. 265 AEUV auf Feststellung einer Untätigkeit des EDSB und drittens eine Klage gemäß Art. 268 AEUV auf Ersatz des der Klägerin angeblich entstandenen Schadens
erlässt
DAS GERICHT (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin V. Tomljenović (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Bieliūnas und A. Kornezov,
Kanzler: E. Coulon,
folgenden
Beschluss
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1 Gegen die Klägerin, Frau Anastasia-Soultana Gaki, ist bei einem griechischen Gericht ein Strafverfahren anhängig. Von den griechischen Behörden wurde am 11. Februar 2011 ein europäischer Haftbefehl (im Folgenden: EHB) gegen sie erlassen. Nach seinem Erlass wurde der EHB in das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (im Folgenden: SIS II) aufgenommen.
2 Mit Schreiben vom 7. Oktober 2017 wandte sich die Klägerin wegen der Speicherung des angeblich rechtswidrigen EHB im SIS II u. a. an den Europäischen Datenschutzbeauftragten (EDSB). Im Einzelnen scheint das Begehren der Klägerin im Wesentlichen einen Antrag auf Berichtigung und Aussetzung des EHB, einen Antrag auf „Datenschutz und Schutz der Freiheit und Würde einer unschuldigen Person“, einen nicht näher spezifizierten Antrag auf Löschung, eine Beschwerde gegen eine griechische Berufungsstaatsanwältin sowie einen Antrag darauf, die Hellenische Republik zur Abgabe bestimmter Stellungnahmen aufzufordern, zu umfassen.
3 Mit Schreiben vom 26. Oktober 2017, das u. a. an den EDSB gerichtet war, legte die Klägerin ergänzende Beweise vor und bat um eine Untersuchung. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2017, das ebenfalls u. a. an den EDSB gerichtet war, legte die Klägerin weitere ergänzende Beweise vor.
4 Mit Schreiben vom 26. Januar 2018 (im Folgenden: angefochtenes Schreiben) teilte der EDSB mit, dass dieses Schreiben eine Antwort auf die mit den Schreiben vom 7. und 26. Oktober sowie vom 19. Dezember 2017 eingelegten Beschwerden der Klägerin darstelle und dass die von der Klägerin in diesen Schreiben gestellten Anträge nicht in seine Zuständigkeit fielen.
Verfahren und Anträge der Klägerin
5 Mit Klageschrift, die am 3. April 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.
6 Die Klägerin beantragt,
– „festzustellen, dass die Europäische Union, vertreten durch den [EDSB], der … für die Überprüfung der Speicherung [eines rechtswidrigen europäischen Haftbefehls] im von [der Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT‑Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts] (eu-LISA) [verwalteten SIS II] zuständig [ist], [aufgrund von dessen] Entscheidungskarenz gegen die … Verpflichtungen [aus] der Verordnung [(EG) Nr. 45/2001 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten] und gegen das allgemeine [Unions]recht verstoßen und hierdurch für die Klägerin unmittelbar einen Schaden im materiellen und immateriellen Sinne verursacht hat;“
– „festzustellen, ob die [eu-LISA] verantwortlich auch für das [SIS II] ist und ob die [eu-LISA] nur für die Verwaltung der Daten zuständig [ist] oder auch für die Änderung der Daten nach deren Überprüfung durch den [EDSB] und die Ergreifung angemessener Folgemaßnahmen, [falls] dies erforderlich sein [sollte];“
– „festzustellen, ob die Präsidentin de[r] Schengener II Supervision Coordination Group, welche den [EDSB] bei seiner Tätigkeit unterstützt, auch für die Überprüfung der Rechte einzelner Personen zuständig ist …;“
– „festzustellen, ob eine nicht genügende und unspezifische Begründung einer Stellungnahme des [EDSB] betreffend den Schutz der Freiheit einer Person ausreichend ist für seine Untätigkeit;“
– „festzustellen, welche Behörde zuständig ist für den Schutz der Freiheit im Raum der [Union] im Falle des Erlasses eines offensichtlich rechtswidrigen europäischen Haftbefehls[, wenn] der erlassende Staat sich, auch nach mehrmaligen Aufforderungen, nicht dazu äußert und die meisten europäischen Staaten diesen Haftbefehl … in [ihrem] Schengener Informationssystem [speichern]. …;“
– die Europäische Union, vertreten durch den EDSB, zu verurteilen, der Klägerin den ihr zugefügten, noch nicht bezifferten Schaden zu ersetzen;
– die Union, vertreten durch den EDSB, zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
Rechtliche Würdigung
7 Nach Art. 126 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht, wenn eine Klage offensichtlich unzulässig ist oder ihr offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt, auf Vorschlag des Berichterstatters jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen.
8 Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht aufgrund der Aktenlage für hinreichend informiert und beschließt, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.
9 Ihrem Wortlaut nach betrifft die Klage eine „Nichtigkeitsklage gemäß Art. 265 Abs. 3 AEUV und [eine] Schadensersatzklage[,] eingereicht gegen [das angefochtene Schreiben]“. Für die Zwecke des vorliegenden Beschlusses ist davon auszugehen, dass die Klägerin ihre Klage auf die Art. 263, 265 und 268 AEUV gestützt hat. Hierbei sind zunächst die Nichtigkeitsanträge der Klägerin, dann ihre Anträge wegen Untätigkeit und schließlich ihre Anträge auf Schadensersatz zu prüfen.
10 Die Klägerin macht in ihrer Klage fünf Klagegründe geltend. Mit dem ersten wird geltend gemacht, der EDSB habe es unterlassen, ein Prüfungsverfahren gemäß der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (ABl. 2001, L 8, S. 1) einzuleiten. Mit dem zweiten wird geltend gemacht, der EDSB habe wegen des fehlenden Abschlusses des Verfahrens bei ihm der Klägerin einen Schaden verursacht. Mit dem dritten wird ein Verstoß gegen die Verpflichtung des EDSB, den EHB zu überprüfen, geltend gemacht. Der vierte Klagegrund bezieht sich auf einen Begründungsmangel des angefochtenen Schreibens. Der fünfte Klagegrund bezieht sich darauf, dass der EDSB die Schwere des Verstoßes gegen die Datenschutzbestimmungen und des erlittenen Schadens der Klägerin als Folge des mit dem Erlass eines rechtswidrigen europäischen Haftbefehls begangenen Verstoßes nicht habe zur Kenntnis nehmen wollen, obwohl sie ausreichend Gründe angegeben habe, um eine Untersuchung einzuleiten.
Zur Klage gemäß Art. 263 AEUV
11 Aus dem Rubrum sowie aus Nr. 1 der Klageschrift geht hervor, dass diese im Rahmen einer auf Art. 263 AEUV gestützten Klage insbesondere auf das angefochtene Schreiben abzielt. In den auf diese Klage bezogenen Anträgen beantragt die Klägerin im Wesentlichen,
– festzustellen, dass die Europäische Union, vertreten durch den EDSB, gegen bestimmte Verpflichtungen aus der Verordnung Nr. 45/2001 sowie aus „allgemeine[m] [Unions]recht“ verstoßen hat;
– festzustellen, ob die Europäische Agentur für das Betriebsmanagement von IT‑Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (eu-LISA) für das SIS II verantwortlich ist und ob sie nur für die Verwaltung der Daten zuständig ist oder auch für die Änderung der Daten nach deren Überprüfung durch den EDSB und die Ergreifung angemessener Folgemaßnahmen;
– festzustellen, ob die Präsidentin der „Schengener II Supervision Coordination Group“ für die Überprüfung der Rechte einzelner Personen zuständig ist;
– festzustellen, ob eine nicht genügende und unspezifische Begründung einer Stellungnahme des EDSB betreffend den Schutz der Freiheit einer Person ausreichend für die Feststellung seiner Untätigkeit ist;
– festzustellen, welche Behörde für den Schutz der Freiheit innerhalb der Union zuständig ist, wenn ein europäischer Haftbefehl rechtswidrig erlassen wurde und der betreffende Mitgliedstaat auf Auskunftsverlangen des Betroffenen nicht reagiert.
12 Aus diesen Anträgen geht hervor, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Nichtigkeitsklage in Wirklichkeit ein Feststellungsurteil begehrt.
13 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es im Verfahren vor den Unionsgerichten keinen Rechtsbehelf gibt, der es dem Gericht ermöglichte, zu einer Frage im Wege einer allgemeinen oder grundsätzlichen Erklärung Stellung zu nehmen (vgl. Urteil vom 21. März 2012, Fulmen/Rat, T‑439/10 und T‑440/10, EU:T:2012:142, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung), und dass das Gericht nicht befugt ist, im Rahmen der Kontrolle der Rechtmäßigkeit auf der Grundlage des Art. 263 AEUV Feststellungsurteile zu erlassen (vgl. Beschluss vom 16. Oktober 2014, Nikolaou/Kommission und EZB, T‑331/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:905, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).
14 Folglich sind die in Rn. 11 wiedergegebenen Anträge zurückzuweisen, da das Gericht insoweit offensichtlich unzuständig ist.
Zur Klage gemäß Art. 265 AEUV
15 Aus Nr. 1 der Klageschrift geht hervor, dass die vorliegende Klage u. a. „eine Nichtigkeitsklage gemäß Art. 265 Abs. 3 AEUV“ umfasst. Im Einzelnen macht die Klägerin geltend, sie habe mit den Schreiben vom 7. und 26. Oktober und vom 19. Dezember 2017 Beschwerde beim EDSB eingereicht, auf die dieser mit dem angefochtenen Schreiben geantwortet habe. Nach Auffassung der Klägerin hat der EDSB dadurch, dass er sich für die Bearbeitung ihrer Beschwerde unzuständig erklärt und kein Prüfungsverfahren eingeleitet habe, durch seine Untätigkeit ihre Freiheitsrechte in der Union verletzt.
16 Nach Art. 265 Abs. 1 und 3 AEUV können, wenn es das Europäische Parlament, der Europäische Rat, der Rat, die Kommission oder die Europäische Zentralbank unter Verletzung der Verträge unterlässt, einen Beschluss zu fassen, die Mitgliedstaaten und die anderen Organe der Union beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage auf Feststellung dieser Vertragsverletzung erheben. Jede natürliche oder juristische Person kann unter denselben Voraussetzungen vor dem Gerichtshof der Europäischen Union Beschwerde darüber führen, dass ein Organ oder eine Einrichtung oder sonstige Stelle der Union es unterlassen hat, einen anderen Akt als eine Empfehlung oder eine Stellungnahme an sie zu richten.
17 Nach Art. 265 Abs. 2 AEUV ist eine solche Klage jedoch nur zulässig, wenn das in Frage stehende Organ, die in Frage stehende Einrichtung oder sonstige Stelle zuvor aufgefordert worden ist, tätig zu werden. Hat es bzw. sie binnen zwei Monaten nach dieser Aufforderung nicht Stellung genommen, so kann die Klage innerhalb einer weiteren Frist von zwei Monaten erhoben werden.
18 Folglich können sich natürliche oder juristische Personen auf Art. 265 Abs. 3 AEUV nur berufen, um die Feststellung zu erwirken, dass ein Organ, eine Einrichtung oder eine sonstige Stelle der Union es unter Verletzung des Vertrags unterlassen hat, andere Akte als Empfehlungen oder Stellungnahmen zu erlassen, deren Rechtmäßigkeit sie mit einer Nichtigkeitsklage anzufechten befugt sind (vgl. Beschluss vom 22. September 2016, Gaki/Kommission, C‑130/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:731, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).
19 Außerdem meint Art. 265 AEUV die Untätigkeit durch Nichtbescheidung oder Nichtstellungnahme, nicht aber die Vornahme einer anderen als der von dem Betroffenen gewünschten oder für notwendig erachteten Handlung. Somit fehlt es an einer Untätigkeit des Organs nicht nur dann, wenn es eine den Kläger zufriedenstellende Handlung vornimmt, sondern auch dann, wenn es die Vornahme dieser Handlung verweigert und den an das Organ gerichteten Antrag mit einem Hinweis auf die Gründe beantwortet, aus denen es die Vornahme dieser Handlung für unangebracht hält oder sich als hierfür nicht zuständig ansieht (vgl. Beschluss vom 17. Dezember 2010, Verein Deutsche Sprache/Rat, T‑245/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:555, Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).
20 Im vorliegenden Fall ist zum einen festzustellen, dass aus den dem Gericht vorliegenden Akten nicht hervorgeht, dass die Klägerin vor Erhebung der vorliegenden Klage den EDSB im Sinne von Art. 265 Abs. 2 AEUV zum Tätigwerden aufgefordert hätte.
21 Zwar hat die Klägerin im Anschluss an ihr Schreiben vom 7. Oktober 2017 die Schreiben vom 26. Oktober und vom 19. Dezember 2017 an den EDSB gerichtet. Diese enthielten aber keine Aufforderung zum Tätigwerden im Sinne von Art. 265 Abs. 2 AEUV. Jedenfalls wurde das angefochtene Schreiben weniger als zwei Monate nach dem Schreiben vom 19. Dezember 2017 übermittelt.
22 Soweit die Klägerin am 5. Februar 2018 ein weiteres Schreiben an den EDSB gerichtet und um eine begründete Stellungnahme ersucht hat, ist im Übrigen festzustellen, dass auch dieses Schreiben keine Aufforderung zum Tätigwerden im Sinne von Art. 265 Abs. 2 AEUV enthielt.
23 Soweit die vorliegende Klage auf eine Untätigkeit des EDSB abzielt, ist sie folglich als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen, weil der EDSB nicht zum Tätigwerden aufgefordert wurde.
24 Zum anderen geht aus dem Wortlaut des angefochtenen Schreibens jedenfalls klar hervor, dass der EDSB mit diesem Schreiben auf die von der Klägerin in ihren Schreiben vom 7. und 26. Oktober und 19. Dezember 2017 formulierten Anträge insgesamt antworten wollte. Die bloße Tatsache, dass der EDSB den Anträgen der Klägerin nicht stattgegeben hat, reicht nicht aus, um eine Untätigkeit des EDSB festzustellen. Die Anträge in Bezug auf die Untätigkeit entbehren somit auch offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage.
Zur Klage gemäß Art. 268 AEUV
25 Im Rahmen ihres zweiten Klagegrundes begehrt die Klägerin im Wesentlichen den Ersatz des Schadens, der dadurch verursacht worden sei, dass es der EDSB unterlassen habe, eine Untersuchung in Bezug auf ihre auf die Art. 16, 41, 46 und 47 der Verordnung Nr. 45/2001 gestützte Beschwerde durchzuführen.
26 Nach ständiger Rechtsprechung tritt die außervertragliche Haftung der Union im Sinne von Art. 340 Abs. 2 AEUV für ein rechtswidriges Verhalten ihrer Organe nur ein, wenn mehrere Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Das dem Organ vorgeworfene Verhalten muss rechtswidrig sein, es muss tatsächlich ein Schaden eingetreten sein, und zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden muss ein Kausalzusammenhang bestehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. November 1982, Oleifici Mediterranei/EWG, 26/81, EU:C:1982:318, Rn. 16, und vom 14. Dezember 2005, Beamglow/Parlament u. a., T‑383/00, EU:T:2005:453, Rn. 95).
27 Liegt eine der drei Voraussetzungen für den Eintritt der außervertraglichen Haftung der Union nicht vor, sind die Schadensersatzforderungen zurückzuweisen, ohne dass die beiden anderen Voraussetzungen geprüft zu werden brauchen. Außerdem ist der Unionsrichter nicht verpflichtet, diese Voraussetzungen in einer bestimmten Reihenfolge zu prüfen (vgl. Urteil vom 15. Januar 2015, Ziegler und Ziegler Relocation/Kommission, T‑539/12 und T‑150/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:15, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).
28 Was erstens die Voraussetzung des tatsächlichen Eintritts eines Schadens betrifft, so kann die Haftung der Union nur eintreten, wenn dem Kläger ein tatsächlicher und sicherer sowie messbarer Schaden entstanden ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. Januar 1982, Birra Wührer u. a./Rat und Kommission, 256/80, 257/80, 265/80, 267/80, 5/81, EU:C:1982:18, Rn. 9, und vom 16. Januar 1996, Candiotte/Rat, T‑108/94, EU:T:1996:5, Rn. 54). Der Kläger hat dem Unionsrichter die Beweise zum Nachweis des Vorliegens und des Umfangs eines solchen Schadens vorzulegen (Urteile vom 21. Mai 1976, Roquette frères/Kommission, 26/74, EU:C:1976:69, Rn. 22 bis 24, und vom 9. Januar 1996, Koelman/Kommission, T‑575/93, EU:T:1996:1, Rn. 97).
29 Im vorliegenden Fall macht die Klägerin geltend, dass es wegen der nicht erfolgten Sperrung oder Löschung des EHB im SIS II, die vom EDSB hätte angeordnet werden müssen, zu „erheblichen Kosten“ und „gesundheitlichen Schäden“ für sie gekommen sei, dass sie ihrem Beruf nicht nachgehen könne und mehrmals gezwungen gewesen sei, Geld von Freunden zu leihen, um zu überleben, dass sie aus Angst vor einer eventuellen Verhaftung keinen Arzt aufsuchen könne und dass sich dadurch ihre „chronische Krankheit“ verschlimmert habe, dass ihr Ruf schwer geschädigt sei, dass sie ihr Aufbaustudium nicht habe beenden können und dass sie einen immateriellen Schaden erlitten habe.
30 Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerin dem Gericht keinerlei Beweise vorgelegt hat, die die in der vorstehenden Rn. 29 aufgeführten Behauptungen belegen könnten.
31 Folglich hat die Klägerin den Eintritt eines tatsächlichen und sicheren Schadens im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen.
32 Was zweitens die Voraussetzung des Bestehens eines Kausalzusammenhangs zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden betrifft, so muss sich dieser mit hinreichender Unmittelbarkeit aus dem gerügten Verhalten ergeben, und dieses muss der ausschlaggebende Grund für den entstandenen Schaden sein, wohingegen keine Verpflichtung zum Ersatz für jede auch noch so entfernte nachteilige Folge einer rechtswidrigen Situation besteht (Urteil vom 4. Oktober 1979, Dumortier u. a./Rat, 64/76, 113/76, 167/78, 239/78, 27/79, 28/79 und 45/79, EU:C:1979:223, Rn. 21, vgl. auch Urteil vom 10. Mai 2006, Galileo International Technology u. a./Kommission, T‑279/03, EU:T:2006:121, Rn. 130 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Kläger hat zu beweisen, dass zwischen dem vorgeworfenen Verhalten und dem geltend gemachten Schaden ein Kausalzusammenhang besteht (vgl. Urteil vom 9. Juli 2008, Trubowest Handel und Makarov/Rat und Kommission, T‑429/04, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:263, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).
33 Im vorliegenden Fall glaubt die Klägerin, einen Schaden aufgrund der Existenz des EHB sowie seiner Aufnahme in das SIS II erlitten zu haben, doch ist festzustellen, dass es die griechischen Justizbehörden waren, die den EHB erlassen haben und deren Verhalten somit unmittelbar der Beschwer der Klägerin zugrunde liegt. Die Klägerin allerdings wirft dem EDSB im Wesentlichen vor, kein Prüfungsverfahren in Bezug auf die Aufnahme des EHB in das SIS II eingeleitet zu haben. Jedoch selbst wenn man unterstellt, dass der EDSB über die Befugnisse verfügt, die die Klägerin in der Klageschrift aufführt, und er das von ihr geforderte Verfahren eingeleitet hätte, hätte ein solches Verfahren nicht mit Sicherheit zur Folge gehabt, dass der EHB im SIS II zwingend gelöscht worden wäre. Ein hinreichend unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden ist somit nicht offensichtlich.
34 Insoweit ist festzustellen, dass die Klägerin keine Beweise vorgelegt hat, die ihre in der Klageschrift aufgestellten Behauptungen stützen könnten, denen zufolge der Umstand, dass der EDSB es unterlassen habe, tätig zu werden, erhebliche Kosten und gesundheitliche Schäden nach sich gezogen und zum Verlust ihrer Fähigkeit geführt habe, einem Beruf nachzugehen, einen Arzt aufzusuchen oder ihr Universitätsstudium zu beenden. Die Klägerin hat auch keine Beweise für ihre Behauptungen vorgelegt, dass die mit seiner Unzuständigkeit begründete Weigerung des EDSB, ihre Beschwerde eingehend zu prüfen, irgendeine unmittelbare Auswirkung auf ihren Ruf gehabt oder einen immateriellen Schaden verursacht oder sie gezwungen habe, Geld von Freunden zu leihen.
35 Es ist der Klägerin folglich nicht gelungen, einen hinreichend unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen dem in der Klageschrift behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden nachzuweisen.
36 Daher ist die vorliegende Klage, soweit sie auf eine Entschädigung der Klägerin abzielt, als offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehrend abzuweisen, ohne dass zu prüfen wäre, ob das im vorliegenden Fall dem EDSB vorgeworfene Verhalten rechtswidrig war.
Zum Antrag auf Anordnung einer Beweisaufnahme
37 In ihrer Klageschrift benennt die Klägerin ohne weitere Angaben die Herren K. M, I. K., V. R., A. G., Frau S. S. und Frau K. G. sowie Herrn G. C. als Zeugen. Dies ist als Antrag auf Anordnung einer Beweisaufnahme gemäß Art. 91 der Verfahrensordnung aufzufassen.
38 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es allein Sache des Gerichts ist, zu entscheiden, ob die ihm in den Rechtssachen, mit denen es befasst ist, vorliegenden Informationen möglicherweise der Ergänzung bedürfen (vgl. Urteil vom 22. November 2007, Sniace/Kommission, C‑260/05 P, EU:C:2007:700, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).
39 Auch wenn ein in der Klageschrift gestellter Antrag auf Vernehmung von Zeugen genau bezeichnet, zu welchen Tatsachen der oder die Zeugen vernommen werden sollen, und die Gründe angibt, die ihre Vernehmung rechtfertigen, ist es Sache des Gerichts, die Sachdienlichkeit des Antrags im Hinblick auf den Streitgegenstand und die Erforderlichkeit einer Vernehmung der benannten Zeugen zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Januar 2017, Duravit u. a./Kommission, C‑609/13 P, EU:C:2017:46, Rn. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung).
40 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass in der Klageschrift nicht mit der erforderlichen Genauigkeit angegeben wird, zu welchen Tatsachen die Zeugen vernommen werden sollen und welche Gründe ihre Vernehmung rechtfertigen. Folglich enthalten die dem Gericht vorliegenden Akten keinerlei Hinweis darauf, dass die Vernehmung der fraglichen Zeugen die oben getroffene Feststellung der Unzulässigkeit der vorliegenden Klage, soweit sie auf den Erlass eines Feststellungsurteils oder die Feststellung einer Untätigkeit des EDSB abzielt, in Frage stellen könnte.
41 Auch in Bezug auf die Schadensersatzanträge der Klägerin ist festzustellen, dass die dem Gericht vorliegenden Akten keinerlei Hinweis darauf enthalten, dass die fraglichen Zeugen Informationen liefern könnten, die für eine zweckdienliche Entscheidung der vorliegenden Rechtssache erforderlich wären.
42 Eine Vernehmung der fraglichen Zeugen erübrigt sich daher. Dem Beweisaufnahmeantrag ist somit nicht stattzugeben.
43 Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Kosten
44 Da der vorliegende Beschluss ergangen ist, bevor die Klageschrift dem EDSB zugestellt wurde und ihm Kosten entstehen konnten, genügt es, der Klägerin gemäß Art. 133 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Siebte Kammer)
beschlossen:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Frau Anastasia-Soultana Gaki trägt ihre eigenen Kosten.
Luxemburg, den 21. September 2018
Der Kanzler |
Die Präsidentin |
E. Coulon |
V. Tomljenović |
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