T-228/16 – Haverkamp IP/ EUIPO – Sissel (Motif de surface plage de galets)
URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)
21. Juni 2018()
„Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Nichtigkeitsverfahren – Internationale Registrierung mit Benennung der Europäischen Union – Eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das ein Kieselstrand‑Oberflächenmuster darstellt – Älteres Geschmacksmuster – Nichtigkeitsgrund – Fehlende Neuheit – Art. 5 und Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 6/2002“
In der Rechtssache T‑228/16
Haverkamp IP GmbH mit Sitz in Kindberg (Österreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Waldenberger, zugelassen als Klägerin anstelle von Reinhard Haverkamp,
Klägerin,
gegen
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch S. Hanne und D. Walicka als Bevollmächtigte,
Beklagter,
andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO:
Sissel GmbH mit Sitz in Bad Dürkheim (Deutschland),
betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Dritten Beschwerdekammer des EUIPO vom 26. Februar 2016 (Sache R 2619/2014-3) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen Sissel und Herrn Haverkamp
erlässt
DAS GERICHT (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni sowie des Richters L. Madise und der Richterin K. Kowalik-Bańczyk (Berichterstatterin),
Kanzler: I. Dragan, Verwaltungsrat,
aufgrund der am 10. Mai 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,
aufgrund der am 27. September 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,
aufgrund des Beschlusses vom 14. Dezember 2017, mit dem Haverkamp IP als Klägerin anstelle von Herrn Haverkamp zugelassen worden ist,
auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 2018
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1 Am 19. Mai 2009 erwirkte Herr Reinhard Haverkamp, an dessen Stelle die Klägerin, die Haverkamp IP GmbH, als Klägerin zugelassen worden ist, beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) die internationale Registrierung mit Benennung u. a. der Europäischen Union des Geschmacksmusters mit dem Aktenzeichen DM/072198. Diese Eintragung wurde am 30. September 2009 im internationalen Register veröffentlicht.
2 Das angegriffene Geschmacksmuster wird wie folgt wiedergegeben:
3 Das angegriffene Geschmacksmuster ist zur Verwendung für das Erzeugnis „Kieselstrand Oberflächenmuster“ in Klasse 32-00 des Abkommens von Locarno zur Errichtung einer Internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle vom 8. Oktober 1968 in geänderter Fassung bestimmt.
4 Die ebenfalls eingetragene französischsprachige Beschreibung des angegriffenen Geschmacksmusters lautet: „Motif de surface sur le modèle d’une plage de galets avec des galets ronds de différentes tailles“ (Oberflächenmuster nach dem Modell eines Kieselstrandes mit runden Kieselsteinen unterschiedlicher Größe).
5 Am 9. Juli 2013 stellte die Sissel GmbH beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Wirkung des angegriffenen Geschmacksmusters in der Europäischen Union, der auf Art. 106f der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L 3, S. 1) in Verbindung mit deren Art. 25 Abs. 1 Buchst. b gestützt wurde. In ihrem Nichtigkeitsantrag führte die Antragstellerin im Nichtigkeitsverfahren aus, dass dem angegriffenen Geschmacksmuster die Neuheit und die Eigenart fehlten.
6 Der Nichtigkeitsantrag wurde auf das ältere, in der Schweiz unter der Nr. 133856 eingetragene und am 15. Juni 2007 im Register des Eidgenössischen Instituts für geistiges Eigentum (Schweiz) veröffentlichte Geschmacksmuster gestützt, dessen Inhaber ebenfalls Herr Haverkamp war. Das ältere Geschmacksmuster war für die „Gesundheitsmatte“ in Klasse 6-11 der Locarno-Klassifikation eingetragen. Es wird wie folgt wiedergegeben:
7 Am 18. August 2014 gab die Nichtigkeitsabteilung dem Nichtigkeitsantrag statt und erklärte die Wirkung der internationalen Eintragung des angegriffenen Geschmacksmusters in der Union für nichtig, da es nicht neu im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 sei.
8 Am 9. Oktober 2014 legte die Klägerin beim EUIPO gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung Beschwerde ein.
9 Mit Entscheidung vom 26. Februar 2016 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Dritte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Sie bestätigte im Wesentlichen die Schlussfolgerung der Nichtigkeitsabteilung und war der Auffassung, dass das angegriffene Geschmacksmuster nicht neu im Sinne von Art. 5 der Verordnung Nr. 6/2002 sei. Darüber hinaus fehle dem angegriffenen Geschmacksmuster – verglichen mit dem älteren Geschmacksmuster – die Eigenart im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002.
Anträge der Parteien
10 Die Klägerin beantragt,
– die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
– dem EUIPO die Kosten einschließlich der Kosten aufzuerlegen, die im Rahmen der Verfahren vor der Beschwerdekammer und der Nichtigkeitsabteilung entstanden sind.
11 Das EUIPO beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
12 In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf ihren zweiten Antrag verzichtet, soweit er die Verurteilung des EUIPO zur Tragung der im Rahmen des Verfahrens vor der Nichtigkeitsabteilung entstandenen Kosten betrifft; das Gericht hat dies im Sitzungsprotokoll festgehalten.
Rechtliche Würdigung
13 Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Klagegründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 5 der Verordnung Nr. 6/2002 und zweitens einen Verstoß gegen Art. 6 dieser Verordnung rügt.
Erster Klagegrund: Verstoß gegen Art. 5 der Verordnung Nr. 6/2002
14 Der erste Klagegrund besteht aus zwei Teilen.
15 Im ersten Teil trägt die Klägerin zum einen vor, der von der Antragstellerin im Nichtigkeitsverfahren herangezogene Auszug aus dem Register des Eidgenössischen Instituts für geistiges Eigentum, in dem das ältere Geschmacksmuster wiedergegeben sei, hätte von der Nichtigkeitsabteilung und von der Beschwerdekammer nicht berücksichtigt werden dürfen, da er nicht der Verfahrenssprache vor dem EUIPO entsprochen habe. Zum anderen habe das EUIPO ohne Übersetzung des Registerauszugs, in dem das ältere Geschmacksmuster wiedergegeben sei, ins Englische die Beschreibungen der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster nicht vergleichen können.
16 Im zweiten Teil führt die Klägerin aus, die Beschwerdekammer habe mit der Feststellung, dass die einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster identisch seien, einen Beurteilungsfehler begangen. Zunächst habe sie zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass das ältere Geschmacksmuster, das eine „Gesundheitsmatte“ darstelle, dreidimensional sei. Das angegriffene Geschmacksmuster stelle ein „Oberflächenmuster“ dar, das im Gegensatz zu dem älteren Geschmacksmuster weder eine Unterseite noch Konturen habe. Darüber hinaus sei die Feststellung der Beschwerdekammer, auf einer der Abbildungen des angegriffenen Geschmacksmusters seien Ränder sichtbar und deuteten darauf hin, dass dieses zur Benutzung auf einer Fußmatte bestimmt sei, offensichtlich unzutreffend. Außerdem unterschieden sich die Erhebungen des Oberflächenmusters auf dem angegriffenen Geschmacksmuster und auf der Oberseite des älteren Geschmacksmusters in ihrer Größe, ihrer Höhe, ihrer Form und ihrer Anordnung. Schließlich zeichne sich das angegriffene Geschmacksmuster dadurch aus, dass es glänzender und eleganter gestaltet sei.
17 Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
18 Durch die Verordnung (EG) Nr. 1891/2006 des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Änderung der Verordnungen Nr. 6/2002 und (EG) Nr. 40/94, mit der dem Beitritt der Europäischen Gemeinschaft zur Genfer Akte des Haager Abkommens über die internationale Eintragung gewerblicher Muster und Modelle (ABl. 2006, L 386, S. 14) Wirkung verliehen wird, wurde in die Verordnung Nr. 6/2002 ein Titel XIa mit den Art. 106a bis 106f eingefügt.
19 Gemäß Art. 106a der Verordnung Nr. 6/2002 hat jede Registrierung einer internationalen Eintragung, in der die Europäische Union benannt ist, im beim Internationalen Büro der WIPO geführten internationalen Register dieselbe Wirkung, als wäre sie im vom EUIPO geführten Register für Gemeinschaftsgeschmacksmuster erfolgt, und hat jede Veröffentlichung einer internationalen Eintragung, in der die Europäische Union benannt ist, im Bulletin des Internationalen Büros der WIPO dieselbe Wirkung wie eine Veröffentlichung im Blatt für Gemeinschaftsgeschmacksmuster.
20 Nach Art. 106f der Verordnung Nr. 6/2002 kann die Wirkung einer internationalen Eintragung in der Union nach dem Verfahren der Titel VI und VII der Verordnung Nr. 6/2002 durch das EUIPO ganz oder teilweise für nichtig erklärt werden.
21 Darüber hinaus wird gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 ein Geschmacksmuster durch ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt, soweit es neu ist und Eigenart hat. Nach Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung kann ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster nur in den in dieser Bestimmung aufgeführten Fällen für nichtig erklärt werden, insbesondere, wenn es die Voraussetzungen der Art. 4 bis 9 der Verordnung nicht erfüllt.
22 Nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 gilt ein eingetragenes Geschmacksmuster als neu, wenn der Öffentlichkeit vor dem Tag der Anmeldung zur Eintragung des Geschmacksmusters, das geschützt werden soll, kein identisches Geschmacksmuster zugänglich gemacht worden ist. Zwei Geschmacksmuster gelten gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung als identisch, wenn sich ihre Merkmale nur in unwesentlichen Einzelheiten unterscheiden, d. h. in Einzelheiten, die nicht unmittelbar erkennbar sind und daher keine Unterschiede, nicht einmal geringe, zwischen diesen Geschmacksmustern hervorrufen. Im Umkehrschluss ist für die Beurteilung der Neuheit eines Geschmacksmusters zu prüfen, ob zwischen den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern Unterschiede, die nicht unwesentlich sind, vorhanden sind, auch wenn diese gering sein mögen (Urteil vom 6. Juni 2013, Kastenholz/HABM – Qwatchme [Uhrenzifferblätter], T‑68/11, EU:T:2013:298, Rn. 37).
23 Was den Nachweis anbelangt, dass das ältere Geschmacksmuster der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, gilt ein Geschmacksmuster gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 im Sinne insbesondere des Art. 5 der Verordnung als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wenn es nach der Eintragung oder auf andere Weise bekannt gemacht, oder wenn es ausgestellt, im Verkehr verwendet oder auf sonstige Weise offenbart wurde, und zwar vor dem Tag der Anmeldung zur Eintragung des Geschmacksmusters, das geschützt werden soll, es sei denn, dass dies den in der Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf nicht bekannt sein konnte.
24 Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 6/2002 macht die Offenbarung gegenüber der Öffentlichkeit ausschließlich von den tatsächlichen Umständen dieser Offenbarung und nicht von dem Erzeugnis, in das dieses Geschmacksmuster aufgenommen oder bei dem es verwendet werden soll, abhängig (Urteil vom 21. September 2017, Easy Sanitary Solutions und EUIPO/Group Nivelles, C‑361/15 P und C‑405/15 P, EU:C:2017:720, Rn. 99).
25 Die Verordnung (EG) Nr. 2245/2002 der Kommission vom 21. Oktober 2002 zur Durchführung der Verordnung Nr. 6/2002 (ABl. 2002, L 341, S. 28) enthält keinerlei Einzelheiten zu den Beweisen, die der Antragsteller im Nichtigkeitsverfahren in Bezug auf die Offenbarung des älteren Geschmacksmusters vorzulegen hat. Insbesondere bestimmt Art. 28 Abs. 1 Buchst. b Ziff. v der Verordnung Nr. 2245/2002 lediglich, dass der Antrag auf Nichtigerklärung, wenn er u. a. mit der fehlenden Neuheit oder Eigenart des eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters begründet wird, die Angabe und die Wiedergabe der älteren Geschmacksmuster, die schädlich für die Neuheit oder Eigenart des eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters sein könnten, sowie Unterlagen, die die Existenz dieser älteren Muster belegen, enthalten muss.
26 Aus der Rechtsprechung geht ferner hervor, dass weder die Verordnung Nr. 6/2002 noch die Verordnung Nr. 2245/2002 festlegen, welche Form die Beweise haben müssen, die vom Antragsteller im Nichtigkeitsverfahren zum Nachweis, dass ein älteres Geschmacksmuster der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, vorzulegen sind (vgl. Urteil vom 7. November 2013, Budziewska/HABM – Puma [Springende Raubkatze], T‑666/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:584, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung). Auch die Sprache, in der die Unterlagen, die die Existenz der älteren Geschmacksmuster belegen, abgefasst sein müssen, ist in diesen Verordnungen nicht angegeben. So verlangt Art. 28 Abs. 1 Buchst. b Ziff. v und vi der Verordnung Nr. 2245/2002 nur, dass der Nichtigkeitsantrag „Unterlagen, die die Existenz [des] älteren [Geschmacksmusters] belegen“, und „die [zu seiner] Begründung vorgebrachten Tatsachen, Beweismittel und Bemerkungen“ enthält. Auch Art. 65 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 sieht nur eine nicht erschöpfende Liste von in Verfahren vor dem EUIPO möglichen Beweismitteln vor. Daraus ergibt sich, dass der Antragsteller im Nichtigkeitsverfahren die Beweise, von denen er annimmt, dass ihre Vorlage beim EUIPO der Stützung seines Nichtigkeitsantrags dient, frei wählen kann und dass das EUIPO alle vorgelegten Beweisstücke daraufhin prüfen muss, ob sie tatsächlich die Offenbarung des älteren Geschmacksmusters nachweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. März 2012, Coverpla/HABM – Heinz-Glas [Flacon], T‑450/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:117, Rn. 21 bis 23).
27 Schließlich müssen die vorgebrachten Beweise geeignet sein, nach den oben in den Rn. 25 und 26 genannten Grundsätzen rechtlich hinreichend zu belegen, dass das ältere Geschmacksmuster der Öffentlichkeit tatsächlich vor dem Tag der Anmeldung zur Eintragung des angegriffenen Geschmacksmusters zugänglich gemacht wurde (Urteil vom 14. Juli 2016, Thun 1794/EUIPO – Adekor [Dekorative grafische Symbole], T‑420/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:410, Rn. 29). Deshalb sind unabhängig von der Sprache, in der die Dokumente abgefasst sind, nur die Unterlagen relevant, anhand deren das Erscheinungsbild des älteren Geschmacksmusters, die Umstände seiner Offenbarung sowie deren Tag bestimmt werden können.
28 Im Licht dieser Erwägungen ist das Vorbringen der Klägerin zu prüfen.
Nachweis, dass das ältere Geschmacksmuster der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde
29 In Rn. 23 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer die von der Klägerin nicht beanstandete Schlussfolgerung der Nichtigkeitsabteilung bestätigt, dass das ältere Geschmacksmuster der Öffentlichkeit durch seine Bekanntmachung im Register des Eidgenössischen Instituts für geistiges Eigentum, und zwar vor dem Tag der Eintragung des angegriffenen Geschmacksmusters, zugänglich gemacht worden sei. Diese Feststellung beruht insbesondere auf einem in deutscher Sprache abgefassten Auszug aus diesem Register, in dem die Unter- und die Oberseite einer Fußmatte abgebildet waren und die Klasse im Sinne der Locarno-Klassifikation, die Registernummer, unter der das ältere Geschmacksmuster eingetragen wurde, und der Tag seiner Anmeldung angegeben waren.
30 Somit wurde im Hinblick auf die oben in den Rn. 23 bis 27 dargelegten Bestimmungen mit dem Registerauszug die Offenbarung des älteren Geschmacksmusters rechtlich hinreichend nachgewiesen.
31 Darüber hinaus kann das Vorbringen der Klägerin, ohne Übersetzung des Registerauszugs, in dem das ältere Geschmacksmuster wiedergegeben sei, ins Englische sei es unmöglich, die Beschreibungen der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster zu vergleichen, nicht überzeugen. Zum einen ist nach der Rechtsprechung die Erscheinungsform und nicht die Beschreibung das entscheidende Merkmal eines Geschmacksmusters (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. September 2017, Easy Sanitary Solutions und EUIPO/Group Nivelles, C‑361/15 P und C‑405/15 P, EU:C:2017:720, Rn. 62). Zum anderen beschränkt sich die deutschsprachige Beschreibung des älteren Geschmacksmusters im erwähnten Registerauszug auf ein einziges Wort: „Gesundheitsmatte“.
32 Schließlich wurde das ältere Geschmacksmuster, wie das EUIPO zu Recht ausführt, für Herrn Haverkamp eingetragen, der die vorliegende Klage ursprünglich erhoben hatte und die von ihm für dieses Verfahren gewählte deutsche Sprache verstand.
33 Nach alledem ist der erste Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.
Identität der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster
34 In den Rn. 25 bis 32 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer zunächst darauf hingewiesen, dass die Merkmale der Geschmacksmuster, die auf den eingetragenen Abbildungen dieser Geschmacksmuster nicht erkennbar seien, nicht unter den mit der Eintragung bezweckten Schutz fielen und deshalb nicht berücksichtigt werden könnten. Somit seien die einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster insofern zu vergleichen, als sie ein Oberflächenmuster mit Erhebungen in Form von Kieselsteinen darstellten. Darüber hinaus sei die entscheidende Frage für die Beurteilung der Identität der in Rede stehenden Geschmacksmuster, ob die von der Klägerin hervorgehobenen Unterschiede zwischen den Oberflächenmustern wesentlich seien. Die Beschwerdekammer hat insoweit klargestellt, dass sie sich bei ihrer Beurteilung entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht am informierten Benutzer orientieren müsse. Die Unterschiede zwischen den Erhebungen auf den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern seien kaum erkennbar, wenn die beiden Geschmacksmuster nebeneinander betrachtet würden. Schließlich zeige eine der Abbildungen des angegriffenen Geschmacksmusters das Oberflächenmuster in Form von Kieselsteinen, das auf einer rechteckigen Matte mit abgerundeten Ecken verwendet werde, und erinnere somit an die Merkmale des älteren Geschmacksmusters.
35 Auf der Grundlage dieser Ausführungen ist die Beschwerdekammer zu dem Schluss gekommen, dass die einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster identisch seien.
36 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist diese Beurteilung der Beschwerdekammer nicht rechtsfehlerhaft.
37 Erstens ist zu bestimmen, welche Merkmale durch das angegriffene Geschmacksmuster tatsächlich geschützt werden und demzufolge im Rahmen seines Vergleichs mit dem älteren Geschmacksmuster relevant sind.
38 Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichts ist nämlich davon auszugehen, dass der Rahmen des Vergleichs zwischen den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern nur auf die tatsächlich geschützten Merkmale beschränkt ist, ohne die vom Schutz ausgeschlossenen Merkmale zu berücksichtigen. Dieser Vergleich hat sich grundsätzlich auf die Geschmacksmuster zu beziehen, wie sie eingetragen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. November 2013, Springende Raubkatze, T‑666/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:584, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dass das ältere Geschmacksmuster zusätzliche Merkmale offenbart, die das angegriffene Geschmacksmuster nicht aufweist, ist daher für den Vergleich unerheblich.
39 Im vorliegenden Fall wurde das angegriffene Geschmacksmuster als „Kieselstrand Oberflächenmuster“ eingetragen und als „Oberflächenmuster nach dem Modell eines Kieselstrandes mit runden Kieselsteinen unterschiedlicher Größe“ beschrieben. Der Anmeldung sind außerdem Abbildungen dieser Oberfläche beigefügt. Die Eintragung einer Unterseite lässt sich jedoch nicht belegen.
40 Die Beschwerdekammer hat deshalb zu Recht in Rn. 25 der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen festgestellt, dass die Beurteilung der Identität der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster nicht auf etwaigen Unterschieden ihrer Unterseiten beruhen könne, da das angegriffene Geschmacksmuster keine Darstellung der Unterseite enthalte.
41 Diese Schlussfolgerung wird nicht durch das Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt, die einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster ließen sich nicht vergleichen, da das eine von ihnen dreidimensional sei, während das andere zweidimensional sei. Das angegriffene Geschmacksmuster ist nämlich ebenso wie das ältere Geschmacksmuster dreidimensional, da es ein Oberflächenmuster mit hervortretenden Erhebungen in Form von Kieselsteinen unterschiedlicher Größe darstellt.
42 Dass das ältere Geschmacksmuster eine Gesundheitsmatte darstellt, während das angegriffene Geschmacksmuster ein Oberflächenmuster darstellt, das bei einem beliebigen Erzeugnis verwendet werden könnte, ist darüber hinaus unerheblich, da nach der Rechtsprechung ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster nicht als neu im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 gelten kann, wenn ein identisches Geschmacksmuster vor den in dieser Bestimmung genannten Zeitpunkten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, selbst wenn dieses ältere Geschmacksmuster in ein anderes Erzeugnis aufgenommen oder bei diesem anderen Erzeugnis verwendet werden sollte (Urteil vom 21. September 2017, Easy Sanitary Solutions und EUIPO/Group Nivelles, C‑361/15 P und C‑405/15 P, EU:C:2017:720, Rn. 96).
43 Zweitens sind die relevanten Merkmale der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster zu vergleichen.
44 Das in den Rn. 29 bis 32 der angefochtenen Entscheidung dargelegte Ergebnis dieses Vergleichs ist fehlerfrei.
45 Wie die Beschwerdekammer in Rn. 30 der angefochtenen Entscheidung ausführt, sind die Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern, wenn sie denn bestehen sollten, kaum erkennbar, und zwar selbst dann, wenn sie nebeneinander betrachtet würden. Nur bei einem Vergleich aus nächster Nähe seien ganz leichte Unterschiede erkennbar.
46 In Übereinstimmung mit der Beschwerdekammer ist festzustellen, dass die von der Klägerin geltend gemachten Unterschiede hinsichtlich der Form, der Höhe, der Größe und der Anordnung der Kieselsteine unwesentlich sind, da sie minimal und kaum objektiv zu beurteilen sind. Was die unterschiedliche Höhe der Kieselsteine anbelangt, ist in Übereinstimmung mit dem EUIPO festzuhalten, dass die Fotos der in Rede stehenden Geschmacksmuster aus unterschiedlichen Winkeln aufgenommen wurden und sich solche Unterschiede deshalb nicht feststellen lassen; dies bestätigt, dass die Unterschiede, sollten sie denn bestehen, jedenfalls nicht unmittelbar erkennbar im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 sind.
47 Außerdem lässt sich auf der zweiten Abbildung des angegriffenen Geschmacksmusters, entgegen dem Vorbringen der Klägerin und wie die Beschwerdekammer in Rn. 31 der angefochtenen Entscheidung zu Recht feststellt, klar erkennen, dass das Muster auf einer Matte mit abgerundeten Ecken verwendet wird. Durch diese Ecken, die auch beim älteren Geschmacksmuster erkennbar sind, wird die fehlende Neuheit des angegriffenen Geschmacksmusters bestätigt.
48 Nach alledem hat die Beschwerdekammer zu Recht angenommen, dass das angegriffene Geschmacksmuster und das ältere Geschmacksmuster identisch im Sinne von Art. 5 der Verordnung Nr. 6/2002 sind.
49 Demnach ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes und damit der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.
50 Darüber hinaus sind die Neuheit und die Eigenart gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 6/2002 kumulative Voraussetzungen für den Schutz eines Geschmacksmusters durch ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Es genügt daher, dass eine dieser beiden Voraussetzungen nicht erfüllt ist, um die Nichtigerklärung der Wirkung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters zu begründen.
51 Da die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt hat, dass das angegriffene Geschmacksmuster nicht neu sei, ist die vorliegende Klage abzuweisen, ohne dass der zweite Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 gerügt wird, geprüft zu werden braucht.
Kosten
52 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO dessen Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Neunte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Haverkamp IP GmbH trägt die Kosten.
Gervasoni |
Madise |
Kowalik-Bańczyk |
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. Juni 2018.
Der Kanzler |
Der Präsident |
E. Coulon |
M. van der Woude |
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