T-227/16 – Haverkamp IP/ EUIPO – Sissel (Tapis de sol)

T-227/16 – Haverkamp IP/ EUIPO – Sissel (Tapis de sol)

URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)

21. Juni 2018()

„Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Nichtigkeitsverfahren – Internationale Registrierung mit Benennung der Europäischen Union – Eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das eine Fußmatte darstellt – Älteres Geschmacksmuster – Nichtigkeitsgrund – Fehlende Eigenart – Informierter Benutzer – Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers – Nachweis der gesättigten Musterdichte – Fehlen eines anderen Gesamteindrucks – Art. 6 und Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 – Art. 63 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002“

In der Rechtssache T‑227/16

Haverkamp IP GmbH mit Sitz in Kindberg (Österreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Waldenberger, zugelassen als Klägerin anstelle von Reinhard Haverkamp,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch S. Hanne und D. Walicka als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO:

Sissel GmbH mit Sitz in Bad Dürkheim (Deutschland),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Dritten Beschwerdekammer des EUIPO vom 26. Februar 2016 (Sache R 2618/2014-3) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen Sissel und Herrn Haverkamp

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni sowie des Richters L. Madise und der Richterin K. Kowalik-Bańczyk (Berichterstatterin),

Kanzler: K. Guzdek, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 10. Mai 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 27. September 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund des Beschlusses vom 14. Dezember 2017, mit dem Haverkamp IP als Klägerin anstelle von Herrn Haverkamp zugelassen worden ist,

auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 2018

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 19. Mai 2009 erwirkte Herr Reinhard Haverkamp, an dessen Stelle die Klägerin, die Haverkamp IP GmbH, als Klägerin zugelassen worden ist, beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) die internationale Registrierung mit Benennung u. a. der Europäischen Union des Geschmacksmusters mit dem Aktenzeichen DM/072187. Diese Eintragung wurde am 30. September 2009 im internationalen Register veröffentlicht.

2        Das angegriffene Geschmacksmuster wird wie folgt wiedergegeben:

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3        Das angegriffene Geschmacksmuster ist zur Verwendung für das Erzeugnis „Fußmatte“ in Klasse 06-11 des Abkommens von Locarno zur Errichtung einer Internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle vom 8. Oktober 1968 in geänderter Fassung bestimmt.

4        Die ebenfalls eingetragene französischsprachige Beschreibung des angegriffenen Geschmacksmusters lautet: „Paillasson pratique, hydrofuge et photostable, d’une dimension de 50 x 50 cm, aux angles arrondis, réalisé en polyuréthanne antistatique à deux composants; la surface est réalisée sur le modèle d’une plage de galets avec des galets de différentes tailles; l’envers du paillasson est lisse mais antidérapant“ (Praktische, wasserabweisende und lichtbeständige Fußmatte, 50 x 50 cm groß, mit abgerundeten Ecken, aus antistatischem Polyurethan aus zwei Komponenten; die Oberfläche ist wie ein Kieselstrand mit Kieseln unterschiedlicher Größe modelliert; die Unterseite der Fußmatte ist glatt, aber rutschfest).

5        Am 9. Juli 2013 stellte die Sissel GmbH beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Wirkung des angegriffenen Geschmacksmusters in der Europäischen Union, der auf Art. 106f der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L 3, S. 1) in Verbindung mit deren Art. 25 Abs. 1 Buchst. b gestützt wurde. In ihrem Nichtigkeitsantrag führte die Antragstellerin im Nichtigkeitsverfahren aus, dass dem angegriffenen Geschmacksmuster die Neuheit und die Eigenart fehlten.

6        Der Nichtigkeitsantrag wurde u. a. auf das ältere, in der Schweiz unter der Nr. 133856 eingetragene und am 15. Juni 2007 im Register des Eidgenössischen Instituts für geistiges Eigentum (Schweiz) veröffentlichte Geschmacksmuster gestützt, dessen Inhaber ebenfalls Herr Haverkamp war. Das ältere Geschmacksmuster war für die „Gesundheitsmatte“ in Klasse 6-11 der Locarno-Klassifikation eingetragen. Es wird wie folgt wiedergegeben:

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7        Am 18. August 2014 gab die Nichtigkeitsabteilung dem Nichtigkeitsantrag statt und erklärte die Wirkung der internationalen Eintragung des angegriffenen Geschmacksmusters in der Union für nichtig, da es nicht neu im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 sei.

8        Am 9. Oktober 2014 legte die Klägerin beim EUIPO gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung Beschwerde ein.

9        Mit Entscheidung vom 26. Februar 2016 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Dritte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück.

10      Im Gegensatz zur Nichtigkeitsabteilung war die Beschwerdekammerzunächst der Auffassung, dass das angegriffene Geschmacksmuster aufgrund der Unterschiede zwischen den Unterseiten der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster neu sei. Sodann prüfte die Beschwerdekammer, die die Sache aus Gründen der Verfahrensökonomie nicht an die Nichtigkeitsabteilung zurückverwies, die Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters. Sie kam zu dem Ergebnis, dass diesem die Eigenart im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 fehle.

 Anträge der Parteien

11      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO die Kosten einschließlich der Kosten aufzuerlegen, die im Rahmen der Verfahren vor der Beschwerdekammer und der Nichtigkeitsabteilung entstanden sind.

12      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

13      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf ihren zweiten Antrag verzichtet, soweit er die Verurteilung des EUIPO zur Tragung der im Rahmen des Verfahrens vor der Nichtigkeitsabteilung entstandenen Kosten betrifft; das Gericht hat dies im Sitzungsprotokoll festgehalten.

 Rechtliche Würdigung

14      Zur Stützung ihrer Klage macht die Klägerin als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 geltend.

15      Der einzige Klagegrund besteht aus fünf Teilen. Der erste Teil bezieht sich auf den Nachweis, dass das ältere Geschmacksmuster der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, der zweite Teil auf die Definition des informierten Benutzers, der dritte Teil auf die Bestimmung des Grades der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers, der vierte Teil auf das Vorliegen einer gesättigten Musterdichte und der fünfte Teil auf die Beurteilung der Eigenart.

16      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

17      Durch die Verordnung (EG) Nr. 1891/2006 des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Änderung der Verordnungen Nr. 6/2002 und (EG) Nr. 40/94, mit der dem Beitritt der Europäischen Gemeinschaft zur Genfer Akte des Haager Abkommens über die internationale Eintragung gewerblicher Muster und Modelle (ABl. 2006, L 386, S. 14) Wirkung verliehen wird, wurde in die Verordnung Nr. 6/2002 ein Titel XIa mit den Art. 106a bis 106f eingefügt.

18      Gemäß Art. 106a der Verordnung Nr. 6/2002 hat jede Registrierung einer internationalen Eintragung, in der die Europäische Union benannt ist, im beim Internationalen Büro der WIPO geführten internationalen Register dieselbe Wirkung, als wäre sie im vom EUIPO geführten Register für Gemeinschaftsgeschmacksmuster erfolgt, und hat jede Veröffentlichung einer internationalen Eintragung, in der die Europäische Union benannt ist, im Bulletin des Internationalen Büros der WIPO dieselbe Wirkung wie eine Veröffentlichung im Blatt für Gemeinschaftsgeschmacksmuster.

19      Nach Art. 106f der Verordnung Nr. 6/2002 kann die Wirkung einer internationalen Eintragung in der Union nach dem Verfahren der Titel VI und VII der Verordnung Nr. 6/2002 durch das EUIPO ganz oder teilweise für nichtig erklärt werden.

20      Darüber hinaus wird gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 ein Geschmacksmuster durch ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt, soweit es neu ist und Eigenart hat. Nach Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung kann ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster nur in den in dieser Bestimmung aufgeführten Fällen für nichtig erklärt werden, insbesondere, wenn es die Voraussetzungen der Art. 4 bis 9 der Verordnung nicht erfüllt.

21      Nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 hat ein eingetragenes Geschmacksmuster Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Geschmacksmuster bei diesem Benutzer hervorruft, das der Öffentlichkeit vor dem Tag der Anmeldung zur Eintragung oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen wird, vor dem Prioritätstag zugänglich gemacht worden ist. Außerdem wird gemäß Art. 6 Abs. 2 der Verordnung bei der Beurteilung der Eigenart der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters berücksichtigt. Im 14. Erwägungsgrund der Verordnung wird klargestellt, dass bei der Beurteilung der Eigenart eines Geschmacksmusters in Bezug auf den vorbestehenden Formschatz die Art des Erzeugnisses, bei dem das Geschmacksmuster benutzt wird oder in das es aufgenommen wird, und insbesondere der jeweilige Industriezweig zu berücksichtigen ist.

22      Nach der Rechtsprechung ergibt sich aus den vorstehenden Bestimmungen, dass die Beurteilung der Eigenart eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters im Wesentlichen in einer Prüfung in vier Schritten erfolgt. Diese Prüfung besteht darin, erstens den Bereich der Erzeugnisse zu bestimmen, in die das Geschmacksmuster eingefügt oder in denen es benutzt werden soll, zweitens den informierten Benutzer dieser Waren je nach ihrer Zweckbestimmung und mit Bezug auf diesen informierten Benutzer den Grad der Kenntnis von der Musterdichte sowie den Grad der Aufmerksamkeit beim möglichst unmittelbaren Vergleich der Geschmacksmuster, drittens den Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters und viertens das Ergebnis des Vergleichs der in Rede stehenden Geschmacksmuster unter Berücksichtigung des betreffenden Sektors, des Grades der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers und der Gesamteindrücke, die vom angegriffenen Geschmacksmuster und von jedem älteren, der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Geschmacksmuster beim informierten Benutzer hervorgerufen werden. Die Beurteilung der Eigenart eines Geschmacksmusters sowie seiner Neuheit im Sinne von Art. 5 der Verordnung Nr. 6/2002 setzt die Feststellung voraus, dass alle Geschmacksmuster, auf die die Nichtigkeit des angegriffenen Geschmacksmusters gestützt wird, tatsächlich existieren und der Öffentlichkeit früher zugänglich gemacht worden sind (vgl. Urteil vom 7. November 2013, Budziewska/HABM – Puma [Springende Raubkatze], T‑666/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:584, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung, Urteil vom 10. September 2015, H&M Hennes & Mauritz/HABM – Yves Saint Laurent [Handtaschen], T‑526/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:614, Rn. 32).

23      Im Licht dieser Erwägungen ist das Vorbringen der Klägerin zu prüfen.

 Nachweis, dass das ältere Geschmacksmuster der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde

24      Die Klägerin trägt vor, der Auszug aus dem Register des Eidgenössischen Instituts für geistiges Eigentum vom 15. Juni 2007, in dem das ältere Geschmacksmuster wiedergegeben sei und der im Nichtigkeitsverfahren als Nachweis, dass dieses Geschmacksmuster der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei, herangezogen worden sei, hätte von der Beschwerdekammer und von der Nichtigkeitsabteilung nicht berücksichtigt werden dürfen, da er nicht in die Verfahrenssprache vor dem EUIPO übersetzt sei. Darüber hinaus habe das EUIPO ohne Übersetzung des Registerauszugs, in dem das ältere Geschmacksmuster wiedergegeben sei, ins Englische die Beschreibungen der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster nicht vergleichen können.

25      Gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 gilt ein Geschmacksmuster im Sinne insbesondere des Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wenn es nach der Eintragung oder auf andere Weise bekannt gemacht, oder wenn es ausgestellt, im Verkehr verwendet oder auf sonstige Weise offenbart wurde, und zwar vor dem Tag der Anmeldung zur Eintragung des Geschmacksmusters, das geschützt werden soll, es sei denn, dass dies den in der Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf nicht bekannt sein konnte.

26      Außerdem enthält die Verordnung (EG) Nr. 2245/2002 der Kommission vom 21. Oktober 2002 zur Durchführung der Verordnung Nr. 6/2002 (ABl. 2002, L 341, S. 28) keinerlei Einzelheiten zu den Beweisen, die der Antragsteller im Nichtigkeitsverfahren in Bezug auf die Offenbarung des älteren Geschmacksmusters vorzulegen hat. Insbesondere bestimmt Art. 28 Abs. 1 Buchst. b Ziff. v der Verordnung Nr. 2245/2002 lediglich, dass der Antrag auf Nichtigerklärung, wenn er u. a. mit der fehlenden Neuheit oder Eigenart des eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters begründet wird, die Angabe und die Wiedergabe der älteren Geschmacksmuster, die schädlich für die Neuheit oder Eigenart des eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters sein könnten, sowie Unterlagen, die die Existenz dieser älteren Muster belegen, enthalten muss.

27      Aus der Rechtsprechung geht ferner hervor, dass weder die Verordnung Nr. 6/2002 noch die Verordnung Nr. 2245/2002 festlegen, welche Form die Beweise haben müssen, die vom Antragsteller im Nichtigkeitsverfahren zum Nachweis, dass ein älteres Geschmacksmuster der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, vorzulegen sind (vgl. Urteil vom 7. November 2013, Springende Raubkatze, T‑666/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:584, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung). Auch die Sprache, in der die Unterlagen, die die Existenz der älteren Geschmacksmuster belegen, abgefasst sein müssen, ist in diesen Verordnungen nicht angegeben. So verlangt Art. 28 Abs. 1 Buchst. b Ziff. v und vi der Verordnung Nr. 2245/2002 nur, dass der Nichtigkeitsantrag „Unterlagen, die die Existenz [des] älteren [Geschmacksmusters] belegen“, und „die [zu seiner] Begründung vorgebrachten Tatsachen, Beweismittel und Bemerkungen“ enthält. Auch Art. 65 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 sieht nur eine nicht erschöpfende Liste von in Verfahren vor dem EUIPO möglichen Beweismitteln vor. Daraus ergibt sich, dass der Antragsteller im Nichtigkeitsverfahren die Beweise, von denen er annimmt, dass ihre Vorlage beim EUIPO der Stützung seines Nichtigkeitsantrags dient, frei wählen kann und dass das EUIPO alle vorgelegten Beweisstücke daraufhin prüfen muss, ob sie tatsächlich die Offenbarung des älteren Geschmacksmusters nachweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. März 2012, Coverpla/HABM – Heinz-Glas [Flacon], T‑450/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:117, Rn. 21 bis 23).

28      Schließlich müssen die vorgebrachten Beweise geeignet sein, nach den oben in den Rn. 26 und 27 genannten Grundsätzen rechtlich hinreichend zu belegen, dass das ältere Geschmacksmuster der Öffentlichkeit tatsächlich vor dem Tag der Anmeldung zur Eintragung des angegriffenen Geschmacksmusters zugänglich gemacht wurde (Urteil vom 14. Juli 2016, Thun 1794/EUIPO – Adekor [Dekorative grafische Symbole], T‑420/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:410, Rn. 29). Deshalb sind unabhängig von der Sprache, in der die Dokumente abgefasst sind, nur die Unterlagen relevant, anhand deren das Erscheinungsbild des älteren Geschmacksmusters, die Umstände seiner Offenbarung sowie deren Tag bestimmt werden können.

29      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in Rn. 23 der angefochtenen Entscheidung die von der Klägerin nicht beanstandete Schlussfolgerung der Nichtigkeitsabteilung bestätigt, dass das ältere Geschmacksmuster der Öffentlichkeit durch seine Bekanntmachung im Register des Eidgenössischen Instituts für geistiges Eigentum, und zwar vor dem Tag der Eintragung des angegriffenen Geschmacksmusters, zugänglich gemacht worden sei. Diese Feststellung beruht insbesondere auf einem in deutscher Sprache abgefassten Auszug aus diesem Register, in dem die Unter- und die Oberseite einer Fußmatte abgebildet waren und die Klasse im Sinne der Locarno-Klassifikation, die Registernummer, unter der das ältere Geschmacksmuster eingetragen wurde, und der Tag seiner Anmeldung angegeben waren.

30      Somit wurde im Hinblick auf die oben in den Rn. 25 bis 28 dargelegten Bestimmungen mit dem Registerauszug die Offenbarung des älteren Geschmacksmusters rechtlich hinreichend nachgewiesen.

31      Darüber hinaus kann das Vorbringen der Klägerin, ohne Übersetzung des Registerauszugs, in dem das ältere Geschmacksmuster wiedergegeben sei, ins Englische sei es unmöglich, die Beschreibungen der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster zu vergleichen, nicht überzeugen. Zum einen ist nach der Rechtsprechung die Erscheinungsform und nicht die Beschreibung das entscheidende Merkmal eines Geschmacksmusters (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. September 2017, Easy Sanitary Solutions und EUIPO/Group Nivelles, C‑361/15 P und C‑405/15 P, EU:C:2017:720, Rn. 62). Zum anderen beschränkt sich die deutschsprachige Beschreibung des älteren Geschmacksmusters im erwähnten Registerauszug auf ein einziges Wort: „Gesundheitsmatte“.

32      Schließlich wurde das ältere Geschmacksmuster, wie das EUIPO zu Recht ausführt, für Herrn Haverkamp eingetragen, der die vorliegende Klage ursprünglich erhoben hatte und die von ihm für dieses Verfahren gewählte deutsche Sprache verstand.

33      Demzufolge ist der erste Teil des einzigen von der Klägerin geltend gemachten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

 Informierter Benutzer

34      Die Klägerin führt aus, der Begriff „informierter Benutzer“ sei im vorliegenden Fall als Bezeichnung für einen Benutzer von Fußmatten zu verstehen, der wisse, dass es solche Matten gebe, die für die Fußmassage bestimmt seien und die sich durch rundliche Erhebungen auszeichneten, die beim Gehen auf einer solchen Fußmatte einen Massageeffekt bewirkten.

35      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ausgeführt, die Antragstellerin im Nichtigkeitsverfahren habe vor dem EUIPO vorgetragen, dass das Erzeugnis, bei dem das angegriffene Geschmacksmuster benutzt werde, für die Fußmassage bestimmt sei. Nach Ansicht der Klägerin ist diese Darstellung des Verwendungszwecks des Erzeugnisses zutreffend. Da die Beteiligten des Nichtigkeitsverfahrens vor dem EUIPO übereinstimmende Erklärungen in Bezug auf den besonderen Verwendungszweck des Erzeugnisses, bei dem das angegriffene Geschmacksmuster verwendet werde, abgegeben hätten, sei das EUIPO gemäß Art. 63 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 an diese Erklärungen gebunden.

36      Nach der Rechtsprechung ist der Begriff des informierten Benutzers im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 als Begriff zu verstehen, der zwischen dem im Markenbereich anwendbaren Begriff des Durchschnittsverbrauchers, von dem keine speziellen Kenntnisse erwartet werden und der im Allgemeinen keinen direkten Vergleich zwischen den einander gegenüberstehenden Marken anstellt, und dem des Fachmanns als Sachkundigem mit profunden technischen Fertigkeiten liegt. Somit kann der Begriff des informierten Benutzers als Bezeichnung eines Benutzers verstanden werden, dem eine besondere Wachsamkeit eigen ist, sei es wegen seiner persönlichen Erfahrung oder seiner umfangreichen Kenntnisse in dem betreffenden Bereich (Urteil vom 20. Oktober 2011, PepsiCo/Grupo Promer Mon Graphic, C‑281/10 P, EU:C:2011:679, Rn. 53).

37      Ferner setzt die Benutzereigenschaft voraus, dass die betreffende Person das Produkt, das das Geschmacksmuster verkörpert, zu dem für dieses Produkt vorgesehenen Zweck benutzt. Außerdem setzt die Bezeichnung „informiert“ voraus, dass der Benutzer, ohne ein Entwerfer oder technischer Sachverständiger zu sein, die verschiedenen Geschmacksmuster kennt, die es in dem betroffenen Wirtschaftsbereich gibt, dass er gewisse Kenntnisse in Bezug auf die Elemente besitzt, die diese Geschmacksmuster für gewöhnlich aufweisen, und dass er diese Produkte aufgrund seines Interesses an ihnen mit verhältnismäßig großer Aufmerksamkeit benutzt (Urteil vom 22. Juni 2010, Shenzhen Taiden/HABM – Bosch Security Systems [Fernmeldegeräte], T‑153/08, EU:T:2010:248, Rn. 46 und 47).

38      Darüber hinaus muss die Anmeldung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters nach Art. 36 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 die Angabe der Erzeugnisse enthalten, in die das Geschmacksmuster aufgenommen oder bei denen es verwendet werden soll. Nach Art. 36 Abs. 6 „beeinträchtigen“ jedoch die Angaben gemäß Abs. 2 „nicht den Schutzumfang des Geschmacksmusters als solchen“ (Urteil vom 13. Mai 2015, Group Nivelles/HABM – Easy Sanitary Solutions [Duschablaufrinne], T‑15/13, EU:T:2015:281, Rn. 114).

39      Nach der Rechtsprechung ergibt sich aus Art. 36 Abs. 6 der Verordnung Nr. 6/2002, dass es zur Bestimmung des Erzeugnisses, in das das streitige Geschmacksmuster aufgenommen oder bei dem es verwendet werden soll, erforderlich ist, die sich auf dieses Erzeugnis beziehende Angabe in der Anmeldung dieses Geschmacksmusters zu berücksichtigen, daneben jedoch gegebenenfalls auch das Geschmacksmuster selbst, soweit es die Art, Bestimmung oder Funktion des Erzeugnisses näher beschreibt. Die Berücksichtigung des Geschmacksmusters selbst kann es nämlich ermöglichen, das Erzeugnis innerhalb einer bei der Eintragung angegebenen weiter gefassten Erzeugniskategorie zu ermitteln und damit den informierten Benutzer und den Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters wirksam zu bestimmen (Urteil vom 18. März 2010, Grupo Promer Mon Graphic/HABM– PepsiCo [Wiedergabe eines runden Werbeträgers], T‑9/07, EU:T:2010:96, Rn. 56).

40      Da das angegriffene Geschmacksmuster für Fußmatten eingetragen ist, hat die Beschwerdekammer im vorliegenden Fall angenommen, dass der informierte Benutzer eine Person sei, die solche Artikel regelmäßig kaufe, sie für den vorgesehenen Zweck verwende und sich darüber informiert habe, indem sie Kataloge über Fußmatten oder solche, die auch Fußmatten enthielten, durchgeblättert habe, entsprechende Geschäfte oder Verkaufsstellen aufgesucht habe oder Informationen aus dem Internet heruntergeladen habe.

41      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist diese Beurteilung der Beschwerdekammer fehlerfrei.

42      Zunächst stellt das angegriffene Geschmacksmuster selbst nämlich eine Fußmatte dar, deren Oberseite Erhebungen unterschiedlicher Größe aufweist, während ihre Unterseite glatt und rutschfest ist. Dass Erhebungen vorhanden sind, kann zwar, wie die Klägerin vorbringt, darauf hindeuten, dass eine solche Fußmatte für die Fußmassage bestimmt ist, andere Verwendungsmöglichkeiten dieses Erzeugnisses lassen sich dadurch aber nicht ausschließen.

43      Ferner bezieht sich die Beschreibung des Erzeugnisses, bei dem das angegriffene Geschmacksmuster verwendet wird, im internationalen Register nur auf die Eigenschaften des Erzeugnisses („Praktische, wasserabweisende und lichtbeständige“ Fußmatte, deren Unterseite „glatt, aber rutschfest“ ist) und auf seine Form („50 x 50 cm groß, mit abgerundeten Ecken, aus antistatischem Polyurethan aus zwei Komponenten; die Oberfläche ist wie ein Kieselstrand mit Kieseln unterschiedlicher Größe modelliert“). Der Zweck, für den dieses Erzeugnis bestimmt ist, wird nicht angegeben.

44      Da keine Angaben über den Verwendungszweck der von dem angegriffenen Geschmacksmuster erfassten Fußmatte vorliegen, sind neben der Fußmassage vielfältige andere Verwendungen vorstellbar. Eine solche Matte kann z. B. als Duschmatte, Fußmatte oder Automatte verwendet werden.

45      Schließlich ist im Hinblick auf Art. 36 Abs. 6 der Verordnung Nr. 6/2002, auf den oben in Rn. 38 hingewiesen wurde, klarzustellen, dass die Möglichkeit, die von dem angegriffenen Geschmacksmuster erfasste Fußmatte für die in Rn. 44 angegebenen Zwecke zu verwenden, in Wirklichkeit von der Beschreibung in der Anmeldung unabhängig ist. Die unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten der Fußmatte ergeben sich aus der Gestaltungsform ihrer Oberfläche sowie ihrer wasserabweisenden Eigenschaft und Rutschfestigkeit.

46      Daraus ergibt sich zum einen, dass der informierte Benutzer des von dem angegriffenen Geschmacksmuster erfassten Erzeugnisses von der Beschwerdekammer zutreffend als eine Person definiert wurde, die regelmäßig Fußmatten kauft, sie für den vorgesehenen Zweck verwendet und sich über sie informiert. Zwar kann zu Recht angenommen werden, dass ein informierter Benutzer von Fußmatten weiß, dass es solche für die Fußmassage bestimmten Matten gibt, daraus lässt sich aber nicht folgern, dass informierte Benutzer des von dem angegriffenen Geschmacksmuster erfassten Erzeugnisses nur Benutzer von Fußmassagematten sind.

47      Zum anderen folgt daraus, dass das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zurückzuweisen ist. Die übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten des Nichtigkeitsverfahrens zum Verwendungszweck des von dem angegriffenen Geschmacksmuster erfassten Erzeugnisses können die Beschwerdekammer nämlich nicht binden, da diese in erster Linie das Geschmacksmuster selbst zu berücksichtigen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. März 2010, Wiedergabe eines runden Werbeträgers, T‑9/07, EU:T:2010:96, Rn. 56 bis 60).

48      Darüber hinaus lässt sich das Vorbringen der Klägerin entgegen ihrer Auffassung nicht auf den Wortlaut von Art. 63 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 stützen, wonach das EUIPO, soweit es sich um Verfahren bezüglich einer Nichtigerklärung handelt, bei der Ermittlung des Sachverhalts auf das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten beschränkt ist.

49      Nach der Rechtsprechung beschränkt diese Bestimmung nämlich die vom EUIPO vorgenommene Prüfung in zweifacher Hinsicht. Sie betrifft zum einen die tatsächliche Grundlage der Entscheidungen des EUIPO, also die Tatsachen und Beweise, auf die diese Entscheidungen wirksam gestützt werden können, und zum anderen die Rechtsgrundlage dieser Entscheidungen, also die Vorschriften, die die mit der Sache befasste Stelle anzuwenden hat (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 22. Juni 2004, Ruiz-Picasso u. a./HABM– DaimlerChrysler [PICARO], T‑185/02, EU:T:2004:189, Rn. 28). So darf die Beschwerdekammer ihre Entscheidung über eine Beschwerde, mit der sie ein Nichtigkeitsverfahren abschließt, nur auf die von den Verfahrensbeteiligten vorgetragenen Tatsachen und beigebrachten Beweise stützen (vgl. Urteil vom 5. Juli 2017, Gamet/EUIPO– „Metal-Bud II“ Robert Gubała [Türgriff], T‑306/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:466, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Daraus folgt, dass das EUIPO in einem Nichtigkeitsverfahren seine Entscheidung weder auf eine andere als die von den Verfahrensbeteiligten angeführte Rechtsgrundlage noch auf von diesen nicht vorgetragene Tatsachen und beigebrachte Beweise stützen darf. Das EUIPO kann deshalb nicht durch Erklärungen dieser Verfahrensbeteiligten gebunden sein, bei denen es sich in Wirklichkeit nur um eine Beurteilung der möglichen Verwendung des von dem angegriffenen Geschmacksmuster erfassten Erzeugnisses handelt.

51      Nach alledem hat die Beschwerdekammer keinen Fehler begangen, als sie die unterschiedlichen Verwendungen, für die die von dem angegriffenen Geschmacksmuster erfasste Fußmatte bestimmt werden kann, bei der Definition des informierten Benutzers berücksichtigt hat.

52      Deshalb ist der zweite Teil des einzigen Klagegrundes zurückzuweisen.

 Gestaltungsfreiheit des Entwerfers

53      Die Klägerin trägt vor, das Erzeugnis, bei dem das angegriffene Geschmacksmuster benutzt werde, sei eine Fußmassagematte. Die Beschwerdekammer habe mithin zu Unrecht maßgeblich auf die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers einer gewöhnlichen Fußmatte abgestellt. Die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers einer Fußmassagematte sei aufgrund der Funktionalität einer solchen Matte, die die Form, die Festigkeit und die Dichte der Erhebungen vorgebe, äußerst beschränkt.

54      Nach der Rechtsprechung wird die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers eines Geschmacksmusters insbesondere durch die Vorgaben bestimmt, die sich aus den durch die technische Funktion des Erzeugnisses oder eines Bestandteils des Erzeugnisses bedingten Merkmalen oder aus den auf das Erzeugnis anwendbaren gesetzlichen Vorschriften ergeben. Diese Vorgaben führen zu einer Standardisierung bestimmter Merkmale, die dann zu gemeinsamen Merkmalen mehrerer Geschmacksmuster werden, die bei dem betreffenden Erzeugnis verwendet werden. Je größer also die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters ist, desto weniger reichen kleine Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern aus, um beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorzurufen. Je beschränkter umgekehrt die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters ist, desto eher genügen kleine Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern, um beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorzurufen. Daher stützt ein hoher Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters die Schlussfolgerung, dass Geschmacksmuster, die keine signifikanten Unterschiede aufweisen, beim informierten Benutzer den gleichen Gesamteindruck hervorrufen (vgl. Urteil vom 10. September 2015, Handtaschen, T‑526/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:614, Rn. 28 und 29 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

55      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer angenommen, dass die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers abgesehen von den Vorgaben, die sich aus der Funktionalität einer Fußmatte ergäben, dass sie nämlich für den Benutzer insbesondere bei der Verwendung in der Dusche oder im Badezimmer komfortabel sei und dass sie wasserabweisend und rutschfest sein müsse, nicht wesentlich eingeschränkt sei. Diese Feststellung gelte selbst dann, wenn davon auszugehen sei, dass das angegriffene Geschmacksmuster zur Verwendung für eine „Massagematte“ bestimmt sei.

56      Hierzu ist zunächst festzustellen, dass dieser Teil des Klagegrundes auf der falschen Prämisse beruht, dass die von dem angegriffenen Geschmacksmuster erfasste Fußmatte nur für die Fußmassage bestimmt sei. Wie oben in den Rn. 42 bis 46 ausgeführt, gibt es viel mehr Verwendungsmöglichkeiten dieser Matte.

57      Ferner unterliegt die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters für eine Fußmatte, wie die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt hat, abgesehen von den Vorgaben, die sich aus der Funktionalität dieses Erzeugnisses ergeben, keiner besonderen Vorgabe.

58      Schließlich ist die Feststellung der Beschwerdekammer, ihre Beurteilung der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers gelte selbst dann, wenn davon auszugehen sei, dass das angegriffene Geschmacksmuster zur Verwendung für eine Massagematte bestimmt sei, zwar lapidar, aber zutreffend.

59      Durch die Vorgaben, die sich aus der Entwicklung einer Fußmassagematte ergeben, können zwar in gewissem Maße die Wahl des Materials, aus dem sie besteht, ihre Festigkeit oder die Dichte der Erhebungen auf ihrer Oberseite bestimmt werden, die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers einer solchen Matte bleibt aber groß. Sie kann z. B. in der Wahl der Formen, Farben, Abmessungen, Proportionen, der Ausstattung oder festeren oder poröseren und weicheren Beschaffenheit des Fertigungsmaterials ihren Ausdruck finden.

60      Daher ist der dritte Teil des einzigen Klagegrundes zurückzuweisen.

 Nachweis der gesättigten Musterdichte

61      Die Klägerin trägt erstens vor, die angefochtene Entscheidung leide an einem Formfehler, da die Beschwerdekammer eine Vielzahl ähnlicher Geschmacksmuster in Klasse 6-11 der Locarno-Klassifikation nicht berücksichtigt habe. Die Antragstellerin im Nichtigkeitsverfahren habe zur Stützung ihres Antrags mehrere ähnliche Geschmacksmuster vorgelegt. Darüber hinaus habe sie den Vortrag der Klägerin vor der Beschwerdekammer, wonach die Musterdichte im betreffenden Sektor gesättigt sei, nicht bestritten. Demzufolge sei die Vorlage von Beweismitteln zum Nachweis der gesättigten Musterdichte nicht erforderlich gewesen. Die Klägerin führt zweitens aus, die Beschwerdekammer habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass sie sie nicht vor Erlass ihrer Entscheidung darauf hingewiesen habe, dass es ihr ohne Beweise nicht möglich sei, die gesättigte Musterdichte festzustellen und ihr Vorbringen hierzu zu prüfen. Die Klägerin sei zu dieser Frage nicht gehört worden.

62      Nach Art. 63 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 ermittelt das EUIPO den Sachverhalt von Amts wegen. Soweit es sich jedoch um Verfahren bezüglich einer Nichtigerklärung handelt, ist es bei dieser Ermittlung auf das Vorbringen und die Anträge der Parteien beschränkt. Gemäß Art. 63 Abs. 2 der Verordnung braucht das EUIPO Tatsachen und Beweismittel, die von den Parteien verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen.

63      Nach der Rechtsprechung ergibt sich eine „gesättigte Musterdichte“ aus der geltend gemachten Existenz von Geschmacksmustern, die dieselben Gesamtmerkmale wie die fraglichen Geschmacksmuster aufweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. November 2012, Antrax It/HABM – THC [Heizkörper], T‑83/11, EU:T:2012:592, Rn. 81). Die gesättigte Musterdichte kann geeignet sein, den informierten Benutzer stärker für die Unterschiede zwischen den verglichenen Geschmacksmustern zu sensibilisieren. Infolge einer gesättigten Musterdichte kann ein Geschmacksmuster Eigenart aufgrund von Merkmalen haben, die ohne diese Sättigung keinen unterschiedlichen Gesamteindruck beim informierten Benutzer hervorrufen könnten (Urteil vom 29. Oktober 2015, Roca Sanitario/HABM – Villeroy & Boch [Einhandmischer], T‑334/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:817, Rn. 83). Bei der Beurteilung, ob ein Geschmacksmuster Eigenart im Vergleich zum vorbestehenden Formschatz älterer Geschmacksmuster aufweist, ist eine etwaige Sättigung der Musterdichte daher zu berücksichtigen (vgl. Urteil vom 7. November 2013, Springende Raubkatze, T‑666/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:584, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer zunächst festgestellt, die Klägerin habe im Verfahren vor dem EUIPO ausgeführt, die Dichte des Formschatzes älterer Geschmacksmuster in Klasse 6-11 der Locarno-Klassifikation sei sehr groß. Die Beschwerdekammer hat es dann für erforderlich gehalten, auf der Grundlage der von den Beteiligten beigebrachten Beweise und vorgetragenen Argumente festzustellen, ob in dem betreffenden Sektor eine gesättigte Musterdichte vorliegt. Die Klägerin habe keinen Beweis zur Stützung ihres Vorbringens vorgelegt. Deshalb sei es unmöglich, festzustellen, ob dieses Vorbringen zutreffend sei, und – allgemeiner – den Grad der Musterdichte festzustellen. Da ein so bedeutender tatsächlicher Umstand wie die Musterdichte nicht anhand einer Vermutung festgestellt werden könne, hat die Beschwerdekammer dementsprechend das Vorbringen der Klägerin zurückgewiesen.

65      Die erste Rüge des ersten Teils, mit der die Klägerin im Wesentlichen geltend macht, sie müsste, da ihr Vortrag zur gesättigten Musterdichte unstreitig sei, keine Beweise dafür vorlegen, kann keinen Erfolg haben.

66      Die Beschwerdekammer hat nämlich zu Recht darauf hingewiesen, dass die gesättigte Musterdichte im betreffenden Sektor weder vermutet noch a priori und summarisch festgestellt werden könne. Deshalb habe die Partei, die sich darauf berufe, hinreichend klare, präzise und schlüssige Beweise dafür vorzulegen, dass es im betreffenden Sektor eine Vielzahl ähnlicher Geschmacksmuster mit denselben Gesamtmerkmalen gebe. Eine Erleichterung der Beweislast für die gesättigte Musterdichte ist zwar vorstellbar, wenn diese offenkundig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Februar 2017, Antrax It/EUIPO – Vasco Group [Thermosiphons für Heizkörper], T‑828/14 und T‑829/14, EU:T:2017:87, Rn. 89 und 90), doch hat sich die Klägerin im vorliegenden Fall nicht darauf berufen, dass die gesättigte Musterdichte offenkundig sei, sondern lediglich die Geschmacksmuster aufgeführt, die die Antragstellerin im Nichtigkeitsverfahren ihrem Antrag beigefügt hat und die als Anlage zur Klageschrift eingereicht wurden. Diese Geschmacksmuster, sechs an der Zahl (zwei nationale Geschmacksmuster und vier internationale Geschmacksmuster), genügen nicht zum Nachweis der gesättigten Musterdichte im Bereich der Fußmatten.

67      Zur zweiten Rüge dieses Teils, mit der eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird, genügt der Hinweis darauf, dass sich der Anspruch auf rechtliches Gehör zwar auf alle tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte sowie auf die Beweise, die die Grundlage für die Entscheidungsfindung bilden, erstreckt, nicht aber auf den endgültigen Standpunkt, den die Verwaltung einnehmen will (Urteil vom 18. November 2015, Liu/HABM – DSN Marketing [Tasche für tragbare Computer], T‑813/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:868, Rn. 40). Die Beschwerdekammer war daher nicht verpflichtet, die Klägerin zu ihrem endgültigen Standpunkt hinsichtlich des Sachverhalts anzuhören.

68      Nach alledem ist der vierte Teil des einzigen Klagegrundes zurückzuweisen.

 Gesamteindruck, den die einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster hervorrufen

69      Die Klägerin trägt vor, die Beschwerdekammer habe einen Beurteilungsfehler begangen, als sie festgestellt habe, dass die einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster beim informierten Benutzer den gleichen Gesamteindruck hervorriefen, und zwar vor allem deshalb, weil sie den informierten Benutzer falsch definiert habe.

70      Zum einen habe die Beschwerdekammer zu Unrecht angenommen, dass die Unterseite der von den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern erfassten Fußmatten den Gesamteindruck, den diese beim informierten Benutzer hervorriefen, nicht wesentlich tangiere. Die Standsicherheit und die Rutschfestigkeit einer Fußmatte seien für den informierten Benutzer ein maßgebliches Kriterium. Ein informierter Benutzer werde daher vor dem Kauf insbesondere die Unterseite der Fußmatte in Augenschein nehmen und auf den ersten Blick den Unterschied zwischen den beiden Geschmacksmustern feststellen. Dass die Unterseite der Fußmatte im gewöhnlichen Gebrauch nicht sichtbar sei, sei für die Beurteilung des von den beiden Geschmacksmustern hervorgerufenen Gesamteindrucks unerheblich.

71      Zum anderen habe die Beschwerdekammer in Bezug auf die Oberseite und die Außenseiten der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster mit der Feststellung, dass die Erhebungen in Form von Kieselsteinen die gleiche Größe, Form, Breite und Höhe hätten und zudem gleich angeordnet seien, einen Fehler begangen. Ein informierter Benutzer nehme bei aufmerksamer Betrachtung und direktem Vergleich der Oberseiten der Geschmacksmuster die Unterschiede zwischen ihnen ohne Weiteres wahr. Darüber hinaus bewirke das angegriffene Geschmacksmuster aufgrund seines glänzenden Erscheinungsbildes einen wesentlich eleganteren Gesamteindruck. Schließlich habe das angegriffene Geschmacksmuster dünnere Seitenränder. Diese Merkmale verliehen dem angegriffenen Geschmacksmuster einen eleganten Eindruck und ein anderes Gesamterscheinungsbild als das des älteren Geschmacksmusters.

72      Nach der Rechtsprechung ergibt sich die Eigenart eines Geschmacksmusters aus einem Gesamteindruck der Unähnlichkeit oder des Fehlens eines „déjà vu“ aus der Sicht des informierten Benutzers im Vergleich zum vorbestehenden Formschatz älterer Geschmacksmuster, ungeachtet der Unterschiede, die – auch wenn sie über unbedeutende Details hinausgehen – nicht markant genug sind, um diesen Gesamteindruck zu beeinträchtigen, aber unter Berücksichtigung von Unterschieden, die hinreichend ausgeprägt sind, um einen unähnlichen Gesamteindruck hervorzurufen (vgl. Urteil vom 7. November 2013, Springende Raubkatze, T‑666/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:584, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73      Im vorliegenden Fall ist die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis gekommen, dass die einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster beim informierten Benutzer den gleichen Gesamteindruck hervorriefen. Sie hat festgestellt, dass die Unterschiede auf ihren Oberseiten kaum erkennbar und die Unterschiede auf ihren Unterseiten zu vernachlässigen seien, da die Unterseite der Matten im gewöhnlichen Gebrauch nicht sichtbar sei. Der funktionale Aspekt der Rutschfestigkeit der Unterseite der Matte sei von größerer Bedeutung als ihr äußeres Erscheinungsbild.

74      Die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung des Gesamteindrucks, den die einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster hervorrufen, ist fehlerfrei.

75      Zunächst ist das Vorbringen der Klägerin, die Definition des informierten Benutzers durch die Beschwerdekammer sei falsch, bereits zurückgewiesen worden (siehe oben, Rn. 46).

76      Ferner hat die Beschwerdekammer zum einen zu Recht angenommen, dass die Gestaltung der Unterseite der Fußmatte bei der Beurteilung des durch dieses Erzeugnis hervorgerufenen Gesamteindrucks eine untergeordnete Rolle spiele, da in Wirklichkeit nur die Rutschfestigkeit dieser Seite für den informierten Benutzer wesentlich sei. Sie ist deshalb zu Recht zu dem Schluss gelangt, dass die Unterschiede zwischen den Unterseiten der von den beiden Geschmacksmustern erfassten Fußmatten zu vernachlässigen seien und an dem von den Oberseiten der Matten hervorgerufenen Gesamteindruck nichts änderten.

77      Zum anderen ist insbesondere in Bezug auf die Oberseiten festzustellen, dass die einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster gemeinsame Merkmale besitzen, die die Beschwerdekammer aufgeführt hat. Die in Rede stehenden Flächenmuster sind nämlich vollständig mit Erhebungen in Form von Kieselsteinen bedeckt, deren Größe, Breite, Höhe und Anordnung gleich sind. Die beiden Geschmacksmuster sind darüber hinaus rechteckig und haben abgerundete Ecken. Diese gemeinsamen Merkmale sind offensichtlich und dominieren den von den Geschmacksmustern hervorgerufenen Gesamteindruck. Außerdem beziehen sich alle diese gemeinsamen Merkmale, wie die Beschwerdekammer ausgeführt hat, auf die Elemente, die ein Entwerfer von Geschmacksmustern frei variieren kann.

78      Schließlich ändert die glänzende Gestaltung des angegriffenen Geschmacksmusters, das es nach Ansicht der Klägerin eleganter macht, dessen Gesamteindruck nicht wesentlich. Dass die auf den Abbildungen der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster sichtbaren Seitenränder unterschiedlich dick sind, ergibt sich, wie auch das EUIPO ausgeführt hat, aus dem unterschiedlichen Winkel, aus dem die Fußmatten fotografiert wurden.

79      Nach alledem ist der letzte Teil des einzigen Klagegrundes zurückzuweisen und die Klage daher insgesamt abzuweisen.

 Kosten

80      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO dessen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Haverkamp IP GmbH trägt die Kosten.

Gervasoni

Madise

Kowalik-Bańczyk

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. Juni 2018.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      M. van der Woude


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