Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Achte erweiterte Kammer)
20. Dezember 2023(* )
„Staatliche Beihilfen – Von Frankreich im Zusammenhang mit der Covid‑19-Pandemie gewährte Beihilfe zugunsten von Air France – Staatliche Garantie für ein Bankdarlehen und ein nachrangiges staatliches Darlehen – Beschluss, mit dem die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird – Nichtigkeitsklage – Klagebefugnis – Spürbare Beeinträchtigung der Stellung des Klägers auf dem Markt – Zulässigkeit – Bestimmung des Begünstigten der Beihilfe im Rahmen einer Unternehmensgruppe“
In der Rechtssache T‑216/21,
Ryanair DAC mit Sitz in Swords (Irland),
Malta Air ltd. mit Sitz in Pietà (Malta),
vertreten durch Rechtsanwälte F.‑C. Laprévote und E. Vahida, Rechtsanwältin V. Blanc sowie Rechtsanwälte S. Rating, I.‑G. Metaxas-Maranghidis und D. Pérez de Lamo,
Klägerinnen,
gegen
Europäische Kommission, vertreten durch L. Flynn, J. Carpi Badía und C. Georgieva als Bevollmächtigte,
Beklagte,
unterstützt durch
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch P.‑L. Krüger als Bevollmächtigten,
durch
Französische Republik, vertreten durch T. Stéhelin, P. Dodeller, T. Lechevallier und B. Fodda als Bevollmächtigte,
durch
Königreich der Niederlande, vertreten durch M. Bulterman, J. Langer und C. Schillemans als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwältin S. Corrijn,
durch
Air France-KLM mit Sitz in Paris (Frankreich), vertreten durch J. Derenne und D. Vallindas, Avocats,
und durch
Société Air France mit Sitz in Tremblay-en-France (Frankreich), vertreten durch J. Derenne und D. Vallindas, Avocats,
Streithelfer,
erlässt
DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude sowie der Richter A. Kornezov (Berichterstatter), G. De Baere, D. Petrlík und der Richterin S. Kingston,
Kanzler: S. Spyropoulos, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
auf die mündliche Verhandlung vom 22. Mai 2023,
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragen die Klägerinnen, die Ryanair DAC und die Malta Air ltd., die Nichtigerklärung des Beschlusses C(2020) 2983 final der Kommission vom 4. Mai 2020 über die staatliche Beihilfe SA.57082 (2020/N) – Frankreich – COVID‑19 – Befristeter Rahmen Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV – Garantie und Gesellschafterdarlehen zugunsten von Air France in der durch die Beschlüsse C(2020) 9384 final vom 17. Dezember 2020 und C(2021) 5701 final vom 26. Juli 2021 berichtigten Fassung (im Folgenden: angefochtener Beschluss).
Vorgeschichte des Rechtsstreits und Sachverhalt nach Klageerhebung
2 Die Société Air France (im Folgenden: Air France) gehört zur Gruppe Air France-KLM. An der Spitze dieser Gruppe steht die Holdinggesellschaft Air France-KLM (im Folgenden: Air France-KLM-Holding). Dem angefochtenen Beschluss zufolge umfasst diese Gruppe außerdem u. a. die Koninklijke Luchtvaart Maatschappij NV (im Folgenden: KLM), „Air France-KLM International Mobility (Schweiz)“, „Blueteam V (Frankreich)“, „BigBlank (Frankreich)“, „Air France-KLM Finance (Frankreich)“ und die „Transavia Company (Frankreich)“.
3 Nach dem angefochtenen Beschluss halten die Französische Republik und das Königreich der Niederlande 14,3 % bzw. 14 % des Kapitals der Air France-KLM-Holding, wobei die Französische Republik außerdem über 21 % der Stimmrechte in dieser Holding verfügt. Die Air France-KLM-Holding hält ihrerseits 100 % der Anteile an Air France und unmittelbar und mittelbar 93,84 % des Gesellschaftskapitals von KLM. Darüber hinaus hält diese Holding 99,7 % der wirtschaftlichen Rechte, d. h. der Dividendenrechte, und 49 % der Stimmrechte von KLM. Sie hält außerdem 100 % der Anteile der anderen oben in Rn. 2 genannten Tochtergesellschaften.
4 Am 24. April 2020 meldete die Französische Republik bei der Europäischen Kommission gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV eine geplante Einzelbeihilfe zugunsten von Air France an, die zum einen in einer staatlichen Garantie in Höhe von 90 % für ein von einem Bankenkonsortium gewährtes Darlehen in Höhe von 4 Milliarden Euro (im Folgenden: staatliche Garantie bzw. staatlich verbürgtes Darlehen) und zum anderen in einem Gesellschafterdarlehen in Höhe von bis zu 3 Milliarden Euro (im Folgenden: Gesellschafterdarlehen) bestehen sollte (im Folgenden zusammen: in Rede stehende Maßnahme).
5 Am 4. Mai 2020 erließ die Kommission ihren Beschluss C(2020) 2983 final, in dem sie feststellte, dass die in Rede stehende Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstelle, die nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV und der Mitteilung der Kommission vom 19. März 2020 „Befristeter Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID‑19“ (ABl. 2020, C 91 I, S. 1) in der geänderten Fassung vom 4. April 2020 (ABl. 2020, C 112 I, S. 1) (im Folgenden: Befristeter Rahmen) mit dem Binnenmarkt vereinbar sei.
6 Die Kommission stellte im 21. Erwägungsgrund ihres Beschlusses C(2020) 2983 final vom 4. Mai 2020 fest, dass die Begünstigten der in Rede stehenden Maßnahme Air France und die von ihr kontrollierten Tochtergesellschaften seien. Dagegen wurden weder die Air France-KLM-Holding noch ihre anderen Tochtergesellschaften, einschließlich KLM und der von dieser kontrollierten Gesellschaften, als Begünstigte dieser Maßnahme angesehen.
7 Die in Rede stehende Maßnahme steht im Zusammenhang mit einer Reihe weiterer staatlicher Beihilfemaßnahmen zur Unterstützung des Luftverkehrssektors und insbesondere der zur Gruppe Air France-KLM gehörenden Unternehmen.
8 U. a. durch den Beschluss C(2020) 4871 final vom 13. Juli 2020 über die staatliche Beihilfe SA.57116 (2020/N) – Niederlande – COVID‑19: Staatliche Garantie und staatliches Darlehen zugunsten von KLM erklärte die Kommission, dass eine vom Königreich der Niederlande gewährte Einzelbeihilfe zugunsten von KLM, die zum einen aus einer staatlichen Garantie für 90 % eines Darlehens in Höhe von bis zu 2,4 Milliarden Euro, das KLM von einem Bankenkonsortium gewährt wurde, und zum anderen aus einem staatlichen Darlehen in Höhe von bis zu 1 Milliarde Euro bestand, nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV und dem Befristeten Rahmen mit dem Binnenmarkt vereinbar sei.
9 Am 17. Dezember 2020 nahm die Kommission eine erste Berichtigung ihres Beschlusses C(2020) 2983 final vom 4. Mai 2020 durch den Beschluss C(2020) 9384 final vor. Nach ihrer Darstellung waren die Berichtigungen erforderlich, um einen Fehler bei der Darstellung des Sachverhalts zu berichtigen, insbesondere soweit dort auf Air France statt auf die „Gruppe Air France“ Bezug genommen worden sei (Erwägungsgründe 5 bis 10 des letztgenannten Beschlusses). Darüber hinaus wurde ein neuer Abschnitt 3.3.4 hinzugefügt, um „der Vollständigkeit halber“ die Vereinbarkeit der kumulierten Auswirkungen der beiden Bestandteile der in Rede stehenden Maßnahme und die Abwägung ihrer positiven und negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb zu prüfen.
10 Am 5. April 2021 erließ die Kommission den Beschluss C(2021) 2488 final über die staatliche Beihilfe SA.59913 – Frankreich – COVID‑19 – Rekapitalisierung von [Air France] und [der] Air France-KLM-Holding (im Folgenden: Beschluss Air France-KLM und Air France), in dem sie feststellte, dass eine von der Französischen Republik in Form einer Kapitalerhöhung von Air France und der Air France-KLM-Holding gewährte Einzelbeihilfe in Höhe von insgesamt 4 Milliarden Euro gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV und dem Befristeten Rahmen mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. Diese Beihilfe umfasst zum einen eine Beteiligung der Französischen Republik an einer geplanten Kapitalerhöhung von bis zu 1 Milliarde Euro und zum anderen die Umwandlung des Gesellschafterdarlehens in ein hybrides Instrument, das einer Kapitalbeteiligung gleicht, wobei dieses Gesellschafterdarlehen Teil der in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Maßnahme ist.
11 Mit Urteil vom 19. Mai 2021, Ryanair/Kommission (KLM; Covid‑19) (T‑643/20, EU:T:2021:286), erklärte das Gericht den oben in Rn. 8 genannten Beschluss mit der Begründung für nichtig, dass er einen Begründungsmangel hinsichtlich der Bestimmung des Begünstigten der streitigen Beihilfemaßnahme aufweise.
12 Am 26. Juli 2021, d. h. nach Erhebung der vorliegenden Klage, nahm die Kommission eine zweite Berichtigung ihres Beschlusses C(2020) 2983 final vom 4. Mai 2020 durch den Beschluss C(2021) 5701 vor. In den Erwägungsgründen 3 und 4 des letztgenannten Beschlusses erklärt die Kommission, dass sie das Urteil vom 19. Mai 2021, Ryanair/Kommission (KLM; Covid‑19) (T‑643/20, EU:T:2021:286), zur Kenntnis genommen habe und dass es im Anschluss an dieses Urteil angebracht sei, zusätzliche Gesichtspunkte hinzuzufügen, die den Schluss zuließen, dass Air France die einzige Begünstigte der in Rede stehenden Maßnahme sei.
Anträge der Parteien
13 In der Klageschrift vom 20. April 2021 in der am 8. Oktober 2021 angepassten Fassung beantragen die Klägerinnen,
– den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;
– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
14 Die Kommission beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.
15 Die Bundesrepublik Deutschland, das Königreich der Niederlande, Air France und die Air France-KLM-Holding beantragen, die Klage als unbegründet abzuweisen und den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.
16 Die Französische Republik beantragt, die Klage als unzulässig abzuweisen, soweit die Klägerinnen die Begründetheit des angefochtenen Beschlusses in Frage stellen, und sie im Übrigen als unbegründet abzuweisen.
Rechtliche Würdigung
Zur Zulässigkeit
17 Die Klägerinnen machen erstens geltend, sie seien Beteiligte im Sinne von Art. 108 Abs. 2 AEUV und von Art. 1 Buchst. h der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 [AEUV] (ABl. 2015, L 248, S. 9) und daher zur Wahrung ihrer Verfahrensrechte klagebefugt. Zweitens sei ihre Wettbewerbsstellung auf dem Markt durch die in Rede stehende Maßnahme spürbar beeinträchtigt worden, so dass sie auch befugt seien, die Begründetheit des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen.
18 Die Kommission, die Bundesrepublik Deutschland, das Königreich der Niederlande, Air France und die Air France-KLM-Holding treten der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen.
19 Die Französische Republik macht dagegen geltend, die Klägerinnen seien nicht befugt, die Begründetheit des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen.
20 Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Klägerinnen Wettbewerberinnen von Air France sind, und es ist unstreitig, dass sie daher als „Beteiligte“ im Sinne von Art. 1 Buchst. h der Verordnung 2015/1589 anzusehen sind, die zur Wahrung der ihnen nach Art. 108 Abs. 2 AEUV zustehenden Verfahrensrechte klagebefugt sind.
21 Was die Befugnis der Klägerinnen betrifft, die Begründetheit des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen, ist darauf hinzuweisen, dass die Zulässigkeit einer Klage, die von einer natürlichen oder juristischen Person gegen eine nicht an sie gerichtete Handlung erhoben wird, nach Art. 263 Abs. 4 AEUV unter der Bedingung steht, dass dieser Person eine Klagebefugnis zuerkannt wird, die in zwei Fällen vorliegt. Zum einen kann eine derartige Klage erhoben werden, wenn diese Handlung die Person unmittelbar und individuell betrifft. Zum anderen kann eine solche Person gegen einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, klagen, sofern dieser Rechtsakt sie unmittelbar betrifft (Urteile vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission, C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 59 und 91, sowie vom 13. März 2018, Industrias Químicas del Vallés/Kommission, C‑244/16 P, EU:C:2018:177, Rn. 39).
22 Da der angefochtene Beschluss, der an die Französische Republik gerichtet wurde, keinen Rechtsakt mit Verordnungscharakter nach Art. 263 Abs. 4 AEUV darstellt, weil er kein Rechtsakt mit allgemeiner Geltung ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 56), hat das Gericht zu prüfen, ob die Klägerinnen von diesem Beschluss im Sinne dieser Bestimmung unmittelbar und individuell betroffen sind.
23 Insoweit können andere Personen als die Adressaten einer Entscheidung nach ständiger Rechtsprechung nur dann individuell betroffen sein, wenn diese Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten (Urteile vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission, 25/62, EU:C:1963:17, S. 217, 238; vom 28. Januar 1986, Cofaz u. a./Kommission, 169/84, EU:C:1986:42, Rn. 22, und vom 22. November 2007, Sniace/Kommission, C‑260/05 P, EU:C:2007:700, Rn. 53).
24 Stellt eine klagende Partei die Begründetheit einer auf der Grundlage von Art. 108 Abs. 3 AEUV oder nach Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens getroffenen Entscheidung, mit der eine Beihilfe beurteilt wird, in Frage, kann der bloße Umstand, dass sie als „Beteiligte“ im Sinne von Art. 108 Abs. 2 AEUV angesehen werden kann, somit nicht für die Annahme der Zulässigkeit der Klage ausreichen. Sie muss in diesem Fall dartun, dass ihr eine besondere Stellung im Sinne der oben in Rn. 23 angeführten Rechtsprechung zukommt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Stellung der klagenden Partei auf dem betroffenen Markt durch die Beihilfe, die Gegenstand der betreffenden Entscheidung ist, spürbar beeinträchtigt wird (vgl. Urteil vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).
25 Insoweit bedeutet die von der klagenden Partei verlangte Darlegung einer spürbaren Beeinträchtigung ihrer Marktstellung nicht, dass über das Wettbewerbsverhältnis zwischen der klagenden Partei und den begünstigten Unternehmen eine abschließende Entscheidung erginge, sondern erfordert von Seiten der klagenden Partei nur, dass sie in stichhaltiger Weise darlegt, aus welchen Gründen die Entscheidung der Kommission durch eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Stellung auf dem betreffenden Markt ihre legitimen Interessen verletzen kann (vgl. Urteil vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).
26 Somit folgt aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass sich die spürbare Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung der klagenden Partei auf dem fraglichen Markt nicht aus einer eingehenden Prüfung der verschiedenen Wettbewerbsbeziehungen auf diesem Markt und der daraus folgenden Bestimmung des genauen Ausmaßes der Beeinträchtigung ihrer Wettbewerbsstellung ergibt, sondern grundsätzlich aus einer Feststellung prima facie , dass die Durchführung der vom Beschluss der Kommission erfassten Maßnahme zu einer spürbaren Beeinträchtigung dieser Wettbewerbsstellung führt (vgl. Urteil vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 58).
27 Daraus folgt, dass diese Voraussetzung erfüllt sein kann, wenn die klagende Partei mit ihrem Vorbringen dartut, dass die betreffende Maßnahme ihre Stellung auf dem fraglichen Markt spürbar beeinträchtigen kann (vgl. Urteil vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).
28 Was die Gesichtspunkte anbelangt, die von der Rechtsprechung hinsichtlich der Feststellung einer solchen spürbaren Beeinträchtigung anerkannt worden sind, ist darauf hinzuweisen, dass ein Unternehmen jedenfalls nicht schon dann als von einer Handlung individuell betroffen angesehen werden kann, wenn diese Handlung geeignet war, die auf dem relevanten Markt bestehenden Wettbewerbsverhältnisse zu beeinflussen, und das betroffene Unternehmen in einer irgendwie gearteten Wettbewerbsbeziehung zu dem durch die Handlung Begünstigten steht. Es reicht also nicht aus, wenn sich ein Unternehmen lediglich auf seine Eigenschaft als Wettbewerber des begünstigten Unternehmens beruft (vgl. Urteil vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).
29 Der Nachweis einer spürbaren Beeinträchtigung der Stellung eines Wettbewerbers auf dem Markt kann nicht auf das Vorliegen bestimmter Anhaltspunkte für eine Verschlechterung der kommerziellen oder finanziellen Leistungen der klagenden Partei wie einer bedeutenden Umsatzeinbuße, nicht unerheblichen finanziellen Verlusten oder einer signifikanten Verringerung der Marktanteile infolge der Gewährung der fraglichen Beihilfe beschränkt werden. Die Gewährung einer staatlichen Beihilfe kann die Wettbewerbssituation eines Wirtschaftsteilnehmers auch in anderer Weise beeinträchtigen, u. a. durch Herbeiführung von Einnahmeausfällen oder einer weniger günstigen Entwicklung als der, die ohne eine solche Beihilfe zu verzeichnen gewesen wäre (Urteil vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 61).
30 Außerdem verlangt die Rechtsprechung nicht, dass die klagende Partei Angaben zur Größe oder zur geografischen Ausdehnung der relevanten Märkte oder zu ihren eigenen Marktanteilen oder denen des Begünstigten der in Rede stehenden Maßnahme oder denen von etwaigen Wettbewerbern auf diesen Märkten macht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juli 2021, Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2021:608, Rn. 65).
31 Anhand dieser Grundsätze ist zu prüfen, ob die Klägerinnen Anhaltspunkte dafür vorgetragen haben, dass die in Rede stehende Maßnahme geeignet ist, ihre Stellung auf dem betreffenden Markt spürbar zu beeinträchtigen.
32 Insoweit machen die Klägerinnen erstens geltend, sie hätten vor der Covid‑19-Pandemie 211 Flugstrecken von oder nach Frankreich betrieben. Insbesondere erklären sie, dass Ryanair auf 45 dieser Strecken in unmittelbarem Wettbewerb mit Air France und deren Tochtergesellschaften gestanden habe und dass diese Strecken wirtschaftlich besonders bedeutsam seien, weil sie große Städte innerhalb Europas und auch darüber hinaus miteinander verbunden hätten und im Allgemeinen von sehr wenigen anderen Fluggesellschaften bedient worden seien. Außerdem habe Ryanair 2019 insgesamt 1 576 991 Fluggäste auf diesen 45 Strecken befördert.
33 Die Französische Republik erwidert im Wesentlichen, dass Ryanair nicht die nächste und unmittelbarste Wettbewerberin von Air France sei. Außerdem bestreitet sie, dass die Klägerinnen mit Air France „in unmittelbarem Wettbewerb“ stünden, weil die von Air France bedienten Flugstrecken von und zu den Flughäfen Roissy-Charles-de-Gaulle (im Folgenden: Flughafen CDG) und Paris-Orly (im Folgenden: Flughafen ORY) und die von Ryanair bedienten Flugstrecken vom und zum Flughafen Beauvais-Tillé (im Folgenden: Flughafen BVA) nicht austauschbar und daher für die Beurteilung des Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Klägerinnen und Air France nicht relevant seien. Zu den anderen von den Klägerinnen angeführten Flugstrecken macht sie geltend, dass Ryanair auf diesen Strecken nicht die einzige Wettbewerberin von Air France sei.
34 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es im Stadium der Prüfung der Zulässigkeit der Klage nicht erforderlich ist, sich abschließend zur Definition des Marktes der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen oder zum Wettbewerbsverhältnis zwischen den Klägerinnen und dem Begünstigten zu äußern. Grundsätzlich genügt es, dass die Klägerinnen nachweisen, dass die Gewährung der in Rede stehenden Maßnahme prima facie zu einer spürbaren Beeinträchtigung ihrer Wettbewerbsstellung führt (vgl. die oben in den Rn. 25 und 26 angeführte Rechtsprechung).
35 Hinsichtlich der Frage, ob die Flugstrecken von und zu den Flughäfen CDG und ORY einerseits und dem Flughafen BVA andererseits austauschbar sind, ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass das Gericht zu diesem Zweck mehrere Faktoren berücksichtigen kann, wie z. B. die Entfernung und die Fahrtzeit entsprechend dem Richtwert von 100 km bzw. einer Stunde Fahrtzeit, die Ansicht der Konkurrenten, die Ansichten der betroffenen Flughäfen und der Zivilluftfahrtbehörden der Mitgliedstaaten, den geschätzten Anteil Privatreisender auf einer Flugstrecke, den Begriff des „Flughafensystems“ im Sinne von Anhang II der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über den Zugang von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des innergemeinschaftlichen Flugverkehrs (ABl. 1992, L 240, S. 8), die jeweiligen Geschäftspraktiken und die Existenz von Transportmöglichkeiten zwischen den Flughäfen und bestimmten Städten (Urteil vom 6. Juli 2010, Ryanair/Kommission, T‑342/07, EU:T:2010:280, Rn. 103 ff.).
36 In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission ausgeführt, in Anbetracht dieser Kriterien könnten die von Ryanair bedienten Flugstrecken vom oder zum Flughafen BVA für die Zwecke der Zulässigkeit der vorliegenden Klage prima facie als mit den von Air France bedienten Strecken von oder zu den Flughäfen CDG und ORY austauschbar angesehen werden.
37 Dieser Standpunkt spiegelt sich in der Beschlusspraxis der Kommission wider, die, ohne den Unionsrichter zu binden, gleichwohl im Rahmen einer Prima-facie -Beurteilung der Frage, ob die Gewährung der in Rede stehenden Maßnahme geeignet ist, die Wettbewerbsstellung der Klägerinnen auf dem Markt zu beeinträchtigen, einen nützlichen Gesichtspunkt darstellen kann. So hat die Kommission in den Erwägungsgründen 266 bis 279 ihres Beschlusses C(2013) 1106 final vom 27. Februar 2013 zur Feststellung der Unvereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache COMP/M.6663 – Ryanair/Aer Lingus III) die Auffassung vertreten, dass das Kriterium der Entfernung von 100 km oder einer Stunde Fahrzeit erfüllt sei, weil die Entfernung und die Fahrtzeit mit dem Auto von den Flughäfen CDG, ORY und BVA zum Zentrum von Paris 23 km (31 Minuten), 20 km (30 Minuten) bzw. 80 km (60 Minuten) betrage. Auf dieser Grundlage gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass der Flughafen ORY für Flüge von und nach Dublin (Irland) mit den Flughäfen CDG und BVA austauschbar sei.
38 Unter diesen Umständen – und da sich aus der dem Gericht vorliegenden Akte keine konkreten Anhaltspunkte für das Gegenteil ergeben – ist davon auszugehen, dass die von Ryanair bedienten Flugstrecken vom und zum Flughafen BVA, auf die sich die Klägerinnen zum Nachweis ihrer Klagebefugnis beziehen, prima facie als mit den von Air France bedienten Strecken von und zu den Flughäfen CDG und ORY austauschbar angesehen werden können. Daher sind bei der Prüfung der Klagebefugnis von Ryanair sämtliche Flugstrecken zu berücksichtigen, auf die sich die Klägerinnen berufen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die Französische Republik die Austauschbarkeit der weiteren von Ryanair bzw. Air France bedienten Flugstrecken von und zu anderen Flughäfen in Frankreich nicht bestreitet.
39 Folglich ist davon auszugehen, dass Ryanair auf einer erheblichen Zahl von Flugstrecken von und nach Frankreich, nämlich 45, mit Air France und deren Tochtergesellschaften im Wettbewerb stand. Außerdem geht aus der dem Gericht vorliegenden Akte und insbesondere aus der Anlage A.3.4 zur Klageschrift, deren Beweiswert weder von der Kommission noch von den Streithelfern bestritten wird, hervor, dass die Zahl der von Ryanair auf diesen Strecken angebotenen Sitze häufig mit der Zahl der von Air France und ihren Tochtergesellschaften angebotenen Sitze vergleichbar war oder sie in bestimmten Fällen sogar überstieg. Der Wettbewerb zwischen ihnen war daher auch im Hinblick auf die Zahl der angebotenen Sitze erheblich.
40 Zweitens machen die Klägerinnen geltend, sie hätten eine geschäftliche Expansion auf dem französischen Markt in Betracht gezogen, was durch die Tatsache belegt werde, dass sie 2019 67 neue Flugstrecken von und nach Frankreich eingeführt hätten. Die Kommission und die Streithelfer bestreiten dies nicht. Darüber hinaus fügen die Klägerinnen hinzu, dass sie 210 Flugzeuge Boeing 737 Max bestellt hätten, die ihre Flotte im Juni 2021 hätten erweitern sollen und es ihnen ermöglicht hätten, ihre Expansionspläne umzusetzen.
41 Drittens geht aus dem vierten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Fortführung der Geschäftstätigkeit von Air France ohne die in Rede stehende Maßnahme gefährdet worden wäre. Außerdem war es laut einem von Ryanair vorgelegten Bericht der Fondation pour l’innovation politique (Stiftung für Innovative Politik) mit dem Titel „Before COVID‑19, air transportation in Europe: an already fragile sector“ (Der Luftverkehr in Europa vor der Covid‑19-Pandemie: ein bereits fragiler Sektor) vom Mai 2020, dessen Inhalt von den Parteien nicht bestritten wird, „wahrscheinlich, dass Ryanair und Wizz Air aus der Covid‑19-Krise ohne zu große Schäden hervorgehen [würden] und sogar über ausreichende Finanzmittel verfüg[t]en, insbesondere durch Verschuldung und den Erwerb insolventer Unternehmen, um sich an der zu erwartenden Umstrukturierung des Luftverkehrs in Europa zu beteiligen“. Daraus folgt, dass sich Ryanair im Vergleich zu traditionellen Fluggesellschaften wie Air France, bei der die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit oder gar eines Marktaustritts bestand, in einer relativ starken Position befand.
42 Viertens geht aus der Akte hervor, dass der Generaldirektor der Air France-KLM-Holding 2019 einen Aktionsplan angekündigt hat, um über die Billigflug-Tochtergesellschaft „Transavia France“ den Wettbewerb mit „Billigfluggesellschaften“ wie Ryanair zu verstärken.
43 Die oben in den Rn. 38 bis 42 angeführten Gesichtspunkte erlauben zusammen genommen die Feststellung, dass die Klägerinnen nachgewiesen haben, dass die Gewährung der in Rede stehenden Maßnahme geeignet war, die Wettbewerbsstellung von Air France zum Nachteil von Ryanair zu stärken und prima facie die Wettbewerbsstellung von Ryanair auf dem Markt spürbar zu beeinträchtigen, u. a. durch Herbeiführung von Einnahmeausfällen oder einer weniger günstigen Entwicklung als der, die ohne eine solche Maßnahme zu verzeichnen gewesen wäre (vgl. die oben in Rn. 29 angeführte Rechtsprechung).
44 Diese Schlussfolgerung wird durch den Einwand der Französischen Republik, dass Ryanair nicht die Hauptkonkurrentin von Air France auf dem französischen Markt sei, nicht in Frage gestellt.
45 Nach der Rechtsprechung ist es nämlich nicht erforderlich, dass die klagende Partei die Hauptkonkurrentin des Beihilfeempfängers ist, um ihre Wettbewerbsstellung als durch diese Beihilfe spürbar beeinträchtigt ansehen zu können.
46 Auch der Einwand der Französischen Republik, die Klägerinnen hätten nicht nachgewiesen, dass der angefochtene Beschluss sie aufgrund einer tatsächlichen Situation berühre, die sie von derjenigen aller anderen Wettbewerber von Air France unterscheide, kann keinen Erfolg haben.
47 Die Voraussetzung der spürbaren Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung der klagenden Partei ist nämlich ein nur diese selbst betreffender Gesichtspunkt, der allein im Hinblick auf ihre Marktstellung vor der Gewährung der in Rede stehenden Maßnahme oder ohne diese zu beurteilen ist. Es geht daher nicht darum, die Lage sämtlicher auf dem betreffenden Markt tätigen Wettbewerber zu vergleichen (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Deutsche Lufthansa/Kommission, C‑453/19 P, EU:C:2020:862, Nr. 58). Im Übrigen hat der Gerichtshof klargestellt, wie oben in Rn. 30 ausgeführt, dass es nicht erforderlich ist, dass die klagende Partei Angaben zu ihren eigenen Marktanteilen oder denen des Begünstigten oder denen von etwaigen Wettbewerbern auf diesem Markt macht. Daraus folgt, dass von der klagenden Partei zum Nachweis einer spürbaren Beeinträchtigung ihrer Wettbewerbsstellung nicht verlangt werden kann, die Wettbewerbssituation ihrer Wettbewerber zu beweisen und sich von dieser zu unterscheiden.
48 Überdies ist darauf hinzuweisen, dass die oben in Rn. 23 angeführte Rechtsprechung zwei verschiedene Kriterien für den Nachweis vorsieht, dass andere Personen als die Adressaten eines Beschlusses von diesem individuell betroffen sind, nämlich dass der angefochtene Beschluss sie „wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften“ oder „besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände“ berührt. Diese Rechtsprechung verlangt also nicht, dass eine klagende Partei in jedem Fall dartun muss, dass sich ihre tatsächliche Situation von derjenigen jeder anderen Person unterscheidet. Es genügt nämlich, dass die angefochtene Entscheidung die klagende Partei wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften berührt.
49 Dies ist hier der Fall. Alle oben in den Rn. 38 bis 42 angeführten Gesichtspunkte weisen nämlich hinreichend plausibel nach, dass die Stellung von Ryanair auf den betreffenden Märkten durch bestimmte persönliche Eigenschaften gekennzeichnet war, wie z. B. durch die Tatsache, dass Ryanair auf einer großen Zahl von Flugstrecken, auf denen sie zudem eine große Anzahl von Sitzen anbietet, in unmittelbarem Wettbewerb mit Air France steht, dass sie vor dem Ausbruch der Covid‑19-Pandemie eine geschäftliche Expansion auf dem französischen Markt eingeleitet hatte, indem sie eine große Zahl neuer Flugstrecken eingeführt hatte, dass Air France beabsichtigte, über ihre Fluggesellschaft „Transavia France“ den Wettbewerb auf dem Marktsegment der sogenannten „Billigflüge“, auf dem Ryanair tätig ist, zu verstärken, und dass ohne die in Rede stehende Maßnahme die Gefahr bestanden hätte, dass Air France zahlungsunfähig geworden oder zumindest erheblich geschwächt worden wäre, während die finanzielle Lage von Ryanair im Vergleich zu der der Begünstigten relativ stark erschien, was sie ohne die Beihilfe in die Lage versetzt hätte, Marktanteile zum Nachteil von Air France zu gewinnen.
50 Nach alledem ist festzustellen, dass die Klägerinnen rechtlich hinreichend dargetan haben, dass die in Rede stehende Maßnahme geeignet war, die Wettbewerbsstellung von Ryanair auf dem betreffenden Markt spürbar zu beeinträchtigen.
51 Es ist festzustellen, dass Ryanair von dem angefochtenen Beschluss auch unmittelbar betroffen ist, weil die Absicht der Französischen Republik, Air France eine Beihilfe zu zahlen, außer Zweifel steht und eine solche Zahlung geeignet ist, Ryanair in eine nachteilige Wettbewerbssituation zu versetzen und damit ihr Recht zu beeinträchtigen, keinem durch diese Beihilfe verfälschten Wettbewerb ausgesetzt zu sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).
52 Daher ist Ryanair befugt, die Begründetheit des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen.
53 Was die Klagebefugnis von Malta Air betrifft, ist entschieden worden, dass, sofern eine der Klägerinnen klagebefugt ist und es sich um eine gemeinsame Klage handelt, die Klagebefugnis der anderen Klägerinnen nicht geprüft zu werden braucht (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2014, Crown Equipment [Suzhou] und Crown Gabelstapler/Rat, T‑643/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1076, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Zur Begründetheit
54 Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf fünf Klagegründe, die im Wesentlichen erstens den Ausschluss der Air France-KLM-Holding und von KLM aus dem Kreis der Begünstigten der in Rede stehenden Maßnahme, zweitens einen Ermessensmissbrauch und eine fehlerhafte Anwendung von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV und des Befristeten Rahmens, drittens einen Verstoß gegen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit, viertens eine Verletzung der Verfahrensrechte der Klägerinnen und fünftens einen Verstoß gegen die Begründungspflicht betreffen.
Erster Klagegrund: Ausschluss der Air France-KLM-Holding und von KLM aus dem Kreis der Begünstigten der in Rede stehenden Maßnahme
55 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe einen Rechtsfehler und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie davon ausgegangen sei, dass Begünstigte der in Rede stehenden Maßnahme ausschließlich Air France sei und nicht auch die Air France-KLM-Holding und KLM. Sie führen mehrere Gesichtspunkte an, um darzutun, dass diese Holdinggesellschaft und KLM potenzielle oder mittelbare Begünstigte dieser Maßnahme seien. Sie tragen Argumente vor, die im Wesentlichen die Kapitalverflechtungen sowie die organisatorischen, funktionellen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen der Air France-KLM-Holding, Air France und KLM, den vertraglichen Rahmen, auf dessen Grundlage diese Maßnahme gewährt wurde, und den Kontext, in den diese sich einfügt, betreffen.
56 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen und hebt auf der Grundlage der im angefochtenen Beschluss herausgestellten Gesichtspunkte hervor, dass Air France und KLM de facto über eine große funktionelle, wirtschaftliche und organisatorische Autonomie verfügten, und zwar sowohl untereinander als auch gegenüber der Air France-KLM-Holding. Außerdem vermeide die Unternehmens- und Führungsstruktur der Gruppe Air France-KLM auch jede Gefahr einer mittelbaren Übertragung der Beihilfe zwischen Air France und KLM. Darüber hinaus umfasse die in Rede stehende Maßnahme vertragliche Mechanismen, die einer Zweckbestimmungsklausel entsprächen und bewirkten, dass der tatsächliche finanzielle und wirtschaftliche Vorteil dieser Maßnahme ausschließlich Air France zugutekomme.
57 Die Französische Republik, das Königreich der Niederlande, Air France und die Air France-KLM-Holding schließen sich den Erklärungen der Kommission an.
58 Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission die Auffassung vertreten, dass Begünstigte der in Rede stehenden Maßnahme Air France einschließlich der von ihr kontrollierten Tochtergesellschaften sei. Dagegen seien, obwohl Air France zur Gruppe Air France-KLM gehöre, weder ihre Muttergesellschaft, d. h. die Air France-KLM-Holding, noch ihre Schwestergesellschaften, einschließlich KLM und der von KLM kontrollierten Tochtergesellschaften, Begünstigte dieser Maßnahme.
59 Der vorliegende Klagegrund wirft somit im Wesentlichen die Frage der Bestimmung des Begünstigten einer Beihilfemaßnahme im Kontext einer Unternehmensgruppe auf.
60 Insoweit können nach der Rechtsprechung mehrere getrennte rechtliche Einheiten für die Zwecke der Anwendung der Beihilfevorschriften als eine wirtschaftliche Einheit angesehen werden. Im Bereich der staatlichen Beihilfen stellt sich die Frage, ob zwischen mehreren getrennten rechtlichen Einheiten eine wirtschaftliche Einheit vorliegt, nämlich insbesondere dann, wenn der Beihilfeempfänger ermittelt werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. November 1984, Intermills/Kommission, 323/82, EU:C:1984:345, Rn. 11 und 12, sowie vom 19. Mai 2021, Ryanair/Kommission [KLM; Covid‑19], T‑643/20, EU:T:2021:286, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).
61 Zu den Faktoren, die von der Rechtsprechung bei der Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer wirtschaftlichen Einheit im Bereich staatlicher Beihilfen berücksichtigt werden, gehören insbesondere die Zugehörigkeit des betreffenden Unternehmens zu einer Unternehmensgruppe, die direkt oder indirekt von einem dieser Unternehmen kontrolliert wird, die Ausübung gleicher oder paralleler wirtschaftlicher Tätigkeiten und das Fehlen einer wirtschaftlichen Autonomie der betreffenden Unternehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2004, Pollmeier Malchow/Kommission, T‑137/02, EU:T:2004:304, Rn. 68 bis 70), die Bildung einer einheitlichen Gruppe, die von einer Einheit kontrolliert wird, trotz der Gründung neuer Gesellschaften mit jeweils eigener Rechtspersönlichkeit (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 1984, Intermills/Kommission, 323/82, EU:C:1984:345, Rn. 11), die Möglichkeit für ein Gebilde, das Kontrollbeteiligungen an einer anderen Gesellschaft hält, über eine bloße Kapitalanlage eines Investors hinaus Kontroll- und Impulsfunktionen sowie solche der finanziellen Unterstützung auszuüben, wie auch das Bestehen institutioneller, funktioneller und wirtschaftlicher Verbindungen zwischen ihnen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Dezember 2010, AceaElectrabel Produzione/Kommission, C‑480/09 P, EU:C:2010:787, Rn. 51, und vom 19. Mai 2021, Ryanair/Kommission [KLM; Covid‑19], T‑643/20, EU:T:2021:286, Rn. 47), sowie das Vorhandensein einschlägiger Vertragsklauseln (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2010, AceaElectrabel Produzione/Kommission, C‑480/09 P, EU:C:2010:787, Rn. 57).
62 Außerdem können die Art der gewährten Beihilfemaßnahme und der Kontext, in den sich diese Maßnahme einfügt, je nach Fall ebenfalls relevante Faktoren für die Feststellung darstellen, ob im Bereich der staatlichen Beihilfen eine wirtschaftliche Einheit vorliegt oder nicht.
63 Zudem hat die Kommission ihre Auslegung des Begriffs „Unternehmen“ in ihrer Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV (ABl. 2016, C 262, S. 1, im Folgenden: Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe) näher erläutert. Wenngleich diese Bekanntmachung das Gericht nicht binden kann, kann sie gleichwohl eine nützliche Anregung darstellen (vgl. Urteil vom 6. April 2022, Mead Johnson Nutrition [Asia Pacific] u. a./Kommission, T‑508/19, EU:T:2022:217, Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung).
64 Die Kommission hat in Rn. 11 der Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe anerkannt, dass mehrere getrennte rechtliche Einheiten für die Zwecke der Anwendung der Beihilfevorschriften als eine wirtschaftliche Einheit angesehen werden können. Zu diesem Zweck sind nach dieser Randnummer das Bestehen von Kontrollbeteiligungen und anderer funktioneller, wirtschaftlicher und institutioneller Verbindungen zwischen ihnen zu berücksichtigen.
65 In diesem Zusammenhang ist entschieden worden, dass die Kommission bei der Feststellung, ob zu einem Konzern gehörende Gesellschaften für die Anwendung der Regelung über staatliche Beihilfen als eine wirtschaftliche Einheit oder als rechtlich und finanziell selbständige Einheiten anzusehen sind, über ein weites Ermessen verfügt. Dieses Ermessen bringt die Berücksichtigung und Bewertung komplexer wirtschaftlicher Sachverhalte und Umstände mit sich. Da der Unionsrichter insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht seine Beurteilung des Sachverhalts nicht an die Stelle derjenigen des Urhebers der Entscheidung setzen darf, hat sich die Kontrolle durch das Gericht insoweit auf die Prüfung zu beschränken, ob die Verfahrensregeln und die Begründungspflicht eingehalten und die Tatsachen richtig festgestellt worden sind und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder Ermessensmissbrauch vorliegt (vgl. Urteil vom 8. September 2009, AceaElectrabel/Kommission, T‑303/05, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:312, Rn. 101 und 102 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
66 Der Unionsrichter muss jedoch nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Stichhaltigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (Urteil vom 20. Dezember 2017, Spanien/Kommission, C‑114/17 P, EU:C:2018:753, Rn. 104).
67 Außerdem obliegt es der Kommission, die Verbindungen zwischen Unternehmen, die demselben Konzern angehören, mit besonderer Wachsamkeit zu prüfen, wenn die Auswirkungen einer Kumulierung staatlicher Beihilfen innerhalb desselben Konzerns auf den Wettbewerb zu befürchten sind (vgl. Urteil vom 19. Mai 2021, Ryanair/Kommission [KLM; Covid‑19], T‑643/20, EU:T:2021:286, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).
68 Unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien und des Vorbringens der Parteien sind die Kapitalverflechtungen sowie die organisatorischen, funktionellen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen der Air France-KLM-Holding, Air France und KLM sowie ihren jeweiligen Tochtergesellschaften, die Verträge, auf deren Grundlage die in Rede stehende Maßnahme gewährt wurde, sowie die Art der gewährten Beihilfemaßnahme und der Kontext, in den sie sich einfügt, nacheinander zu prüfen.
– Zu den Kapitalverflechtungen und organisatorischen Verbindungen zwischen der Air France-KLM-Holding, Air France und KLM
69 Was als Erstes die Kapitalverflechtungen zwischen den verschiedenen zur Gruppe Air France-KLM gehörenden Einheiten angeht, ist darauf hinzuweisen, dass Air France, wie oben in Rn. 3 ausgeführt, zu 100 % von der Air France-KLM-Holding gehalten wird und dass Letztere 93,84 % des Gesellschaftskapitals, 99,7 % der wirtschaftlichen Rechte und 49 % der Stimmrechte an KLM hält.
70 Im 29. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission ausgeführt, dass Air France und KLM zwar getrennte rechtliche Einheiten mit jeweils eigener Anteilseignerstruktur seien, die Air France-KLM-Holding aber „Kontrollrechte“ sowohl über Air France als auch über KLM habe.
71 Obwohl dieser Umstand einen ersten Gesichtspunkt darstellt, der für die Prüfung des Vorliegens einer wirtschaftlichen Einheit zwischen diesen Gebilden relevant ist, verlangt die Rechtsprechung zu staatlichen Beihilfen außerdem die Prüfung, ob die Muttergesellschaft tatsächlich eine Kontrolle ausübt, indem sie unmittelbar oder mittelbar Einfluss auf die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaften nimmt und somit an der wirtschaftlichen Tätigkeit des kontrollierten Unternehmens beteiligt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2010, AceaElectrabel Produzione/Kommission, C‑480/09 P, EU:C:2010:787, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).
72 Ohne eine solche Prüfung würde nämlich die bloße Teilung eines Unternehmens in zwei getrennte Gebilde, von denen das erste die in Rede stehende wirtschaftliche Tätigkeit unmittelbar fortführt und das zweite das erste durch Einflussnahme auf dessen Verwaltung kontrolliert, genügen, um den Unionsvorschriften über staatliche Beihilfen jede praktische Wirksamkeit zu nehmen. Dies würde dem zweiten Gebilde erlauben, Subventionen oder andere Vergünstigungen des Staates oder aus staatlichen Mitteln zu beziehen und sie ganz oder teilweise zugunsten des ersten Gebildes auch im Interesse der aus den beiden Gebilden bestehenden wirtschaftlichen Einheit zu verwenden (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2010, AceaElectrabel Produzione/Kommission, C‑480/09 P, EU:C:2010:787, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).
73 Im vorliegenden Fall geht aus den Erwägungsgründen 27 und 91 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Air France-KLM-Holding aufgrund ihrer Vetorechte, die ihr zum einen gegen die Geschäfts- und Haushaltspläne und zum anderen gegen die Vergütung, Ernennung und Abberufung der Führungskräfte – einschließlich der Ernennung und Abberufung der Mitglieder des jeweiligen Verwaltungsrats – von Air France und KLM zustehen, über eine Kontrollbefugnis über diese Unternehmen verfügt. So müssen die Entscheidungen, die u. a. die strategischen Optionen, das Budget und den Investitionsplan der „Gruppe Air France-KLM einschließlich KLM“ betreffen, von dieser Holding genehmigt werden, bevor sie angenommen oder umgesetzt werden.
74 Aus dem angefochtenen Beschluss geht auch hervor, dass die Air France-KLM-Holding das Recht hat, Finanzierungsgeschäfte ihrer Tochtergesellschaften, die 150 Millionen Euro übersteigen, von ihrer Zustimmung abhängig zu machen. Dieses Recht hat sich im vorliegenden Fall als relevant erwiesen, weil, wie die Kommission im angefochtenen Beschluss einräumt, die von der Französischen Republik gewährte Finanzierung den Schwellenwert von 150 Millionen Euro überstieg, so dass die Air France-KLM-Holding ihr vor ihrer Gewährung zustimmen musste.
75 Was als Zweites die organisatorischen Verbindungen zwischen der Air France-KLM-Holding, Air France und KLM betrifft, verweisen die Klägerinnen u. a. auf das einheitliche Registrierungsformular 2019 dieser Holding, das gemäß der Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist, und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG (ABl. 2017, L 168, S. 12) bei der Autorité des marchés financiers, AMF (Finanzaufsichtsbehörde, Frankreich) eingereicht wurde (im Folgenden: einheitliches Registrierungsformular 2019) und von dem sie dem Gericht einen Auszug vorgelegt haben, der in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist. Gemäß Art. 9 und 21 der Verordnung 2017/1129 ist das einheitliche Registrierungsformular ein der Öffentlichkeit zur Verfügung gestelltes Dokument, das Angaben zu Organisation, Geschäftstätigkeiten, Finanzlage, Ertrag und Zukunftsaussichten, Führung und Beteiligungsstruktur des betreffenden Emittenten enthält.
76 Aus dem einheitlichen Registrierungsformular 2019 geht hervor, dass es auf der Ebene der Gruppe Air France-KLM mehrere gemischte Organe gibt, die aus hochrangigen Vertretern der Air France-KLM-Holding, von Air France und von KLM bestehen und mit der Kontrolle und Koordinierung bestimmter wichtiger Entscheidungen innerhalb dieser Gruppe betraut sind.
77 Innerhalb der Gruppe Air France-KLM bedürfen zum Beispiel alle Investitionen über 5 Millionen Euro sowie alle Geschäfte, die die Flotte oder den Erwerb und die Veräußerung von Beteiligungen betreffen, der Zustimmung eines „Comité exécutif Groupe“ (Konzernvorstand), der u. a. aus den Generaldirektoren der Air France-KLM-Holding, von Air France und von KLM besteht, wie diese Holding im Übrigen in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat.
78 Außerdem ist diesem einheitlichen Registrierungsformular 2019 zufolge zwar die Verwaltung der Investitionen auf der Ebene jeder Gesellschaft der Gruppe Air France-KLM gewährleistet, aber der Entscheidungsprozess wird von einem „Group Investment Committee (GIC)“ koordiniert, das sich aus dem stellvertretenden Generaldirektor „Wirtschaft und Finanzen“ der Air France-KLM-Holding, dem stellvertretenden Generaldirektor „Wirtschaft und Finanzen“ von Air France und dem „Chief Financial Officer“ von KLM zusammensetzt.
79 Ebenso geht aus dem einheitlichen Registrierungsformular 2019 hervor, dass das Marktrisikomanagement innerhalb der Gruppe Air France-KLM von einem „Risk Management Committee“ geleitet wird, das sich ebenfalls aus hochrangigen Führungskräften der Air France-KLM-Holding, von Air France und von KLM zusammensetzt und das über die finanziellen Risiken dieser Gruppe entscheidet, diese Risiken überwacht und festlegt, welche Absicherungsmaßnahmen getroffen werden müssen.
80 Ferner geht daraus hervor, dass die von diesen gemischten Organen auf der Ebene der Gruppe Air France-KLM gefassten Beschlüsse anschließend von jedem Unternehmen der Gruppe umgesetzt werden.
81 Daraus folgt, dass die Kapitalverflechtungen und organisatorischen Verbindungen innerhalb der Gruppe Air France-KLM dafür sprechen, dass die Air France-KLM-Holding tatsächlich eine Kontrolle ausübt, indem sie unmittelbar oder mittelbar Einfluss auf die Geschäftsführung von Air France und KLM nimmt und somit an der von ihnen ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit beteiligt ist. Daraus folgt auch, dass es auf der Ebene dieser Gruppe zumindest in Bezug auf bestimmte wichtige Entscheidungen ein zentralisiertes Entscheidungsverfahren und eine gewisse Koordinierung gibt, die durch gemischte Organe sichergestellt werden, die sich aus hochrangigen Vertretern der Air France-KLM-Holding, von Air France und von KLM zusammensetzen.
82 Die Kapitalverflechtungen und organisatorischen Verbindungen innerhalb der Gruppe Air France-KLM sind somit, wie die Klägerinnen geltend machen, ein erster Gesichtspunkt, der dafür spricht, dass die getrennten rechtlichen Einheiten innerhalb dieser Gruppe für die Zwecke der Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen eine wirtschaftliche Einheit bilden.
– Zu den funktionellen Verbindungen zwischen der Air France-KLM-Holding, Air France und KLM
83 Als Erstes hat die Kommission im 30. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass die Air France-KLM-Holding ihre eigenen Arbeitnehmer beschäftige und sich auf von Air France und KLM an sie entsandte Beschäftigte „stütz[e]“. Darüber hinaus hat sie in den Erwägungsgründen 27 und 91 dieses Beschlusses, wie oben in Rn. 73 ausgeführt, darauf hingewiesen, dass die Air France-KLM-Holding hinsichtlich der Vergütung, der Ernennung und der Abberufung der Führungskräfte von KLM und Air France Vetorechte habe. Daraus folgt, dass zwischen den Beschäftigten dieser Holding und denen ihrer Tochtergesellschaften eine gewisse Integration besteht und dass die Holding an den wichtigsten Entscheidungen beteiligt ist, die die Führungskräfte ihrer Tochtergesellschaften betreffen.
84 Als Zweites hat die Kommission im 31. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erläutert, dass die Air France-KLM-Holding auf den Luftverkehrsmärkten, auf denen Air France und KLM tätig seien, nicht „unmittelbar“ tätig sei, und festgestellt, dass die Rolle dieser Holding darin bestehe, ihre Tochtergesellschaften „in den Bereichen Informatik, Personal, Marketing, Digitalisierung, Kommunikation und Innovation“ zu unterstützen.
85 Im 38. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission jedoch festgestellt, dass sich Air France und KLM unter der Leitung der Air France-KLM-Holding mit Hilfe der zu diesem Zweck von Air France und KLM an die Holding entsandten Mitarbeiter im „Bereich des Verkaufs und des Preis- und Ertragsmanagements auf der Grundlage der auf der Ebene der [Air France-KLM‑]Holding festgelegten Strategie“ abstimmten. Eine solche Feststellung ergibt sich auch aus dem 91. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses.
86 Daraus folgt, dass die Air France-KLM-Holding zwar nicht selbst Luftverkehrsdienstleistungen erbringt, dass sie jedoch bei der Erbringung dieser Dienstleistungen, insbesondere im Bereich des Verkaufs und des Preis- und Ertragsmanagements, eine strategische Rolle spielt und dass sie darüber hinaus am Erlass von Entscheidungen über die Flottengeschäfte beteiligt ist (vgl. oben Rn. 77), was bestätigt, dass zwischen der Air France-KLM-Holding, Air France und KLM ein gewisser Grad an Integration besteht.
87 Das Bestehen einer gewissen funktionellen Koordinierung innerhalb der Gruppe Air France-KLM wird zudem durch das von den Klägerinnen angeführte Beispiel „Transavia“ veranschaulicht. Wie aus den Antworten der Kommission auf die im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme gestellten Fragen hervorgeht, gibt es innerhalb dieser Gruppe mehrere Gesellschaften mit dem Namensbestandteil „Transavia“, von denen einige auf dem Markt für Passagierflugdienste tätig sind. Dabei handelt es sich um die Transavia France SAS und die Transavia Airlines CV, die im angefochtenen Beschluss als „Transavia France“ bzw. „Transavia Netherlands“ bezeichnet werden. „Transavia France“ und „Transavia Netherlands“ sind Tochtergesellschaften von Air France bzw. KLM. Die Kommission hat hierzu ausgeführt, dass diese beiden Gesellschaften zwar über eigene Lizenzen, Zertifikate, Verkehrsrechte, Zeitnischen, Vermögenswerte, eigenes Personal und eine eigene Betriebsleitung verfügten, auf dem Markt aber unter derselben Marke Transavia präsent seien und sich dieselbe Website teilten, was die Air France-KLM-Holding in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Außerdem wird „Transavia“, wie die Klägerinnen geltend machen, im einheitlichen Registrierungsformular 2019, soweit sich dieses Formular auf das „Low-Cost“-Segment der Geschäftstätigkeit der Gruppe Air France-KLM-bezieht, häufig als ein einziges Unternehmen aufgeführt. Dieses Beispiel belegt somit eine gewisse funktionelle und geschäftliche Zusammenarbeit zwischen zwei Tochtergesellschaften von Air France und KLM.
88 Als Drittes geht aus den Erwägungsgründen 32 bis 34 und 91 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Air France-KLM-Holding auch Finanzfunktionen für den Bedarf von Air France und KLM wahrnimmt. Zum einen erteilt sie ihren Tochtergesellschaften u. a. Budgetanweisungen. Zum anderen kann sie, wie es im angefochtenen Beschluss heißt, „gelegentlich“ auf den Finanzmärkten Kapital (Fremd- oder Eigenkapital) zugunsten ihrer Tochtergesellschaften je nach deren individuellem Bedarf aufnehmen. Auch die Ausgabe von Aktien oder Instrumenten, die den Zugang zu Kapitalanteilen ermöglichen, erfolge auf der Ebene dieser Holding, während die Verbindlichkeiten innerhalb der Gruppe Air France-KLM „hauptsächlich“ unmittelbar von Air France und KLM eingegangen würden.
89 In Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Klägerinnen ist hinzuzufügen, dass die Air France-KLM-Holding, wie sich aus den Rn. 75 bis 80 des vorliegenden Urteils ergibt, an der Koordinierung und Genehmigung der bedeutenden Investitionen ihrer Tochtergesellschaften, am Erwerb und der Veräußerung von Beteiligungen sowie am Management der finanziellen Risiken und der erforderlichen Absicherungen, die auf der Ebene der Gruppe Air France-KLM kontinuierlich und ständig überwacht werden, beteiligt ist.
90 Die finanzielle Rolle der Air France-KLM-Holding wird im vorliegenden Fall durch den im 36. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angeführten Umstand veranschaulicht, dass Finanzierungsgeschäfte der Tochtergesellschaften dieser Holding, die über 150 Millionen Euro hinausgehen, ihrer Zustimmung bedürfen und dass sie folglich der in Rede stehenden Maßnahme zustimmen musste.
91 Im angefochtenen Beschluss und in der mündlichen Verhandlung hat die Kommission zwar die finanzielle Rolle der Air France-KLM-Holding zugunsten ihrer Tochtergesellschaften anerkannt, deren Bedeutung aber relativiert, indem sie sie als „begrenzt“ bezeichnet hat (32. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).
92 Aus den Rn. 73 und 77 des vorliegenden Urteils geht jedoch hervor, dass wichtige oder strategische Entscheidungen im Bereich der Finanzierung, der Investitionen und der Flotte von der Air France-KLM-Holding koordiniert oder sogar genehmigt werden.
93 Diese Feststellung wird durch die Angaben im einheitlichen Registrierungsformular 2019 bestätigt, aus denen hervorgeht, dass die Air France-KLM-Holding eine Reihe von Anleihen in erheblicher Höhe begeben hat, dass „die Finanzstrategie von der Gruppe [Air France-KLM] in Abstimmung mit [Air France] und [KLM] festgelegt [wird]“, dass diese Holding die „Hauptemittentin“ dieser Anleihen war und dass diese Gruppe einen „systematischen Einsatz von Finanzierungen auf den Märkten [über] Air France-KLM“ erwog.
94 Gleichwohl hat die Kommission im angefochtenen Beschluss die Auffassung vertreten, dass Air France und KLM „funktional autonom“ seien, und sich dabei auf folgende Gesichtspunkte gestützt (37. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).
95 Erstens hätten Air France und KLM über „getrennte Managementteams“ verfügt (37. Erwägungsgrund erster Gedankenstrich des angefochtenen Beschlusses). Diese Feststellung muss jedoch durch die oben in den Rn. 73, 75 bis 80 und 83 angeführten Gesichtspunkte stark relativiert werden, aus denen hervorgeht, dass die Air France-KLM-Holding ein Vetorecht in Bezug auf die Vergütung, die Ernennung und die Abberufung der Führungskräfte ihrer Tochtergesellschaften hat, dass gemischte Organe innerhalb der Gruppe Air France-KLM mit der Kontrolle und Koordinierung bestimmter wichtiger Entscheidungen in Bezug auf ihre Tochtergesellschaften betraut sind und dass sich diese Holding auf an sie abgeordnete Mitarbeiter von Air France und KLM stützt.
96 Zweitens sei Air France in Bezug auf die „meisten“ der wichtigsten Aspekte ihrer Geschäftstätigkeit „unabhängig und uneingeschränkt verantwortlich“, insbesondere, was das Personal, die Flotte, die Entwicklung des Streckennetzes, die Kundenerfahrung, die Fluggast- und Frachtverwaltung, die Wartungsarbeiten, den Flugbetrieb, die Dienstleistungen an Bord und den Vertrieb betreffe (37. Erwägungsgrund erster Gedankenstrich des angefochtenen Beschlusses). Diese Behauptungen lassen jedoch die Rolle außer Acht, die die Air France-KLM-Holding sowohl bei Geschäften spielt, die die Flotte betreffen (siehe oben Rn. 73 und 77), als auch bei der Erbringung von Lufttransportdienstleistungen, insbesondere im Bereich des Verkaufs und des Preis- und Ertragsmanagements, deren Strategie auf der Ebene dieser Holding festgelegt wird (siehe oben Rn. 85 bis 87).
97 Drittens hätten Air France und KLM über eine „unabhängige Finanzorganisation“ verfügt, insbesondere was die Finanzierung und die Kontrolle der internen und externen Berichte, die Liquidität, die Rechnungsprüfung und die Besteuerung angehe (37. Erwägungsgrund zweiter Gedankenstrich des angefochtenen Beschlusses). Ferner hat die Kommission im 34. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass die „täglichen“ Finanzgeschäfte von Air France und KLM unabhängig durchgeführt würden. Diese Behauptungen stehen jedoch im Widerspruch zu der Tatsache, dass jede Finanzierung über den Schwellenwert von 150 Millionen Euro hinaus oder jede Investition von mehr als 5 Millionen Euro der Zustimmung der Air France-KLM-Holding bedarf. Dem steht auch der Umstand, dass Air France und KLM ihre „täglichen“ Finanzgeschäfte selbst verwalten, nicht entgegen.
98 Viertens verwalte Air France ihren Liquiditätsbedarf „unabhängig und ohne Beteiligung von KLM“. So würden z. B. die Entscheidungen über die Finanzierung ihrer Flotte auf der Ebene des Verwaltungsrats von Air France und nicht auf der Ebene der Air France-KLM-Holding getroffen. Es gebe auch weder einen „Mechanismus zur Aufteilung von Gewinnen und Verlusten noch eine Cash-Pooling-Vereinbarung zwischen Air France und KLM“ (Erwägungsgründe 35, 36 und 37 dritter Gedankenstrich des angefochtenen Beschlusses).
99 Zum einen muss jedoch auch die Behauptung, dass Air France und KLM ihre jeweilige Liquidität unabhängig verwalteten, relativiert werden, weil die Air France-KLM-Holding auf den Märkten Kapital zugunsten ihrer Tochtergesellschaften aufnimmt (siehe oben, Rn. 88), weil Finanzierungsgeschäfte über 150 Millionen Euro ihrer Zustimmung bedürfen und weil sie ihren Tochtergesellschaften Budgetanweisungen erteilt. Auch die Behauptung, dass „die Entscheidungen über die Finanzierung ihrer Flotte … auf der Ebene des Verwaltungsrats von Air France und nicht auf der Ebene der Air France-KLM-Holding getroffen“ würden, wird durch die oben in Rn. 77 genannten Umstände widerlegt.
100 Zum anderen hat die Kommission zwar behauptet, dass es weder einen Mechanismus zur Aufteilung von Gewinnen und Verlusten noch eine Cash-Pooling-Vereinbarung zwischen Air France und KLM gegeben habe, aber gleichwohl im 43. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses darauf hingewiesen, dass es „Kostenteilungsvereinbarungen“ zwischen Air France und KLM und ihren Tochtergesellschaften gegeben habe. Aus demselben Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass es „gemeinsame Tätigkeiten von Air France und KLM oder deren Tochtergesellschaften“ gibt. Diese Gesichtspunkte bestätigen, dass innerhalb der Gruppe Air France-KLM eine gewisse funktionelle Integration und Zusammenarbeit zwischen diesen Gesellschaften bestand.
101 Somit wird das Ergebnis, zu dem die Kommission gelangt ist, nämlich dass Air France und KLM über eine funktionelle Selbständigkeit verfügten, durch die Gesamtheit der Erwägungen in den vorstehenden Rn. 83 bis 100 in Frage gestellt.
102 Folglich stellen die funktionellen Verbindungen zwischen der Air France-KLM-Holding, Air France und KLM einen zweiten Gesichtspunkt dar, der dafür spricht, dass diese Einheiten für die Zwecke der Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen eine einzige wirtschaftliche Einheit bilden.
– Zu den wirtschaftlichen Verbindungen zwischen der Air France-KLM-Holding, Air France und KLM
103 In den Erwägungsgründen 39 bis 41 und 92 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission aus folgenden Gründen die Auffassung vertreten, dass die Air France-KLM-Holding, KLM und Air France de facto über wirtschaftliche Autonomie verfügten.
104 Zunächst übe die Air France-KLM-Holding keine Tätigkeit aus, die externe Einnahmen erwirtschafte, so dass sie Air France und KLM nicht eigenständig unterstützen könne. Die Einnahmen dieser Holding würden ausschließlich intern bei ihren Tochtergesellschaften durch eine Verwaltungsvergütung erzielt, die die Verwaltungskosten dieser Holding abdecke, durch Markenlizenzgebühren und durch bestimmte Kostenteilungsmechanismen (Erwägungsgründe 39 und 40 des angefochtenen Beschlusses). Ferner habe die Air France-KLM-Holding, auch wenn sie zur Deckung des Bedarfs ihrer Tochtergesellschaften Mittel auf den Finanzmärkten aufnehmen könne, aus wirtschaftlicher Sicht die Rolle einer „Vermittlerin“ zwischen ihren Tochtergesellschaften und den Investoren, die in Wirklichkeit in diese Tochtergesellschaften investierten (41. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Schließlich würden die Geschäftsbeziehungen zwischen Air France und KLM zu marktüblichen Bedingungen unterhalten und von autonomen Managementteams ausgehandelt. Die Kostenteilungsvereinbarungen zwischen diesen beiden Gesellschaften sähen einen Verteilungsschlüssel vor, der auf den „marktüblichen Standards“ beruhe (Erwägungsgründe 42 und 43 des angefochtenen Beschlusses).
105 Insoweit ist erstens, wie die Klägerinnen geltend machen, der Umstand, dass die Air France-KLM-Holding ihre Einnahmen ausschließlich von ihren Tochtergesellschaften bezieht, ein Beleg dafür, dass zwischen dieser Holding und ihren Tochtergesellschaften eine gewisse gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit besteht. Dies wird insbesondere durch die Tatsache untermauert, dass sich Air France und KLM bemühen, durch die Koordinierung ihrer jeweiligen Tätigkeiten unter der Leitung der Air France-KLM-Holding Synergieeffekte zu erzielen, insbesondere im Bereich des Verkaufs und des Preis- und Ertragsmanagements (siehe oben, Rn. 85), und dass diese Holding in koordinierter Weise an der Finanzierung ihrer Tochtergesellschaften beteiligt ist (siehe oben, Rn. 88 bis 92).
106 Zweitens würde dies selbst dann, wenn davon auszugehen wäre, dass die Air France-KLM-Holding auf den Finanzmärkten lediglich als „Vermittlerin“ zwischen ihren Tochtergesellschaften und den Investoren aufträte, die Tatsache bestätigen, dass die Air France-KLM-Holding im Interesse dieser Tochtergesellschaften handelt, indem sie für deren Bedarf Gelder auf den Finanzmärkten beschafft. Dies zeigt, dass diese Holding die Finanzierungsbedingungen auf den Finanzmärkten aushandelt und sich dabei auf die finanzielle Position der gesamten Gruppe Air France-KLM stützt. Somit ist es der Air France-KLM-Holding zu verdanken, dass innerhalb der Gruppe Synergien erzielt werden.
107 Drittens bestätigt – wie oben in Rn. 100 ausgeführt – die von der Kommission anerkannte Tatsache, dass es Kostenteilungsvereinbarungen zwischen Air France und KLM sowie gemeinsame Tätigkeiten von Air France und KLM und ihren Tochtergesellschaften gibt, dass zwischen ihnen eine gewisse wirtschaftliche Integration und Zusammenarbeit besteht.
108 Viertens macht die Kommission in den Erwägungsgründen 40 und 42 des angefochtenen Beschlusses geltend, dass die finanziellen und geschäftlichen Beziehungen zwischen der Air France-KLM-Holding und ihren Tochtergesellschaften Air France und KLM sowie zwischen diesen beiden selbst zu „marktüblichen Bedingungen“ unterhalten würden. Was insbesondere die Beziehungen zwischen Air France und KLM angeht, verweist die Kommission in diesem Zusammenhang darauf, dass diese Unternehmen weiterhin in Frankreich bzw. in den Niederlanden besteuert würden, dass das französische und das niederländische Steuerrecht vorsähen, dass alle konzerninternen Transaktionen so durchgeführt werden müssten, als wären sie zwischen unabhängigen Parteien abgeschlossen worden, und dass daher auf diesem Weg kein Vorteil von dem einen auf das andere Unternehmen übergehen könne (42. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Diese Gesichtspunkte mögen zwar für die Besteuerung dieser Unternehmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten von Belang sein, reichen aber in Anbetracht der oben in den Rn. 104 bis 107 angeführten Gesichtspunkte nicht aus, um zu belegen, dass die Air France-KLM-Holding, Air France und KLM innerhalb der Gruppe Air France-KLM wirtschaftlich autonom seien.
109 Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Gewährung der in Rede stehenden Maßnahme insbesondere damit gerechtfertigt wurde, dass es Air France nicht möglich gewesen sei, auf den Anleihe- und Kapitalmärkten eine Finanzierung zu annehmbaren Konditionen und in ausreichendem Umfang zu erhalten, und dass es das Ziel dieser Maßnahme sei, eine unmittelbare Gefahr für die Fortführung der Geschäftstätigkeit von Air France abzuwenden (Erwägungsgründe 4 und 10 des angefochtenen Beschlusses). Unter diesen Umständen bestand der Vorteil dieser Maßnahme gerade in der Bereitstellung erheblicher Liquiditätsbeträge, die unter Marktbedingungen nicht verfügbar gewesen wären. So hätte eine solche Maßnahme zum einen die Finanzlage der gesamten Gruppe Air France-KLM insoweit stärken können, als sie die Gefahr des Ausfalls einer ihrer wichtigsten Tochtergesellschaften, nämlich Air France, vermied und somit die Investoren und Gläubiger der Unternehmen dieser Gruppe beruhigte, wobei außerdem darauf hinzuweisen ist, dass das Gesellschafterdarlehen gegenüber unbesicherten und nicht nachrangigen Bankdarlehen oder Anleihen nachrangig war (Rn. 69 des angefochtenen Beschlusses). Zum anderen hätte die Air France-KLM-Holding in Anbetracht ihrer finanziellen Rolle innerhalb dieser Gruppe im Interesse ihrer Tochtergesellschaften und für deren Bedarf gegebenenfalls eine Finanzierung auf den Märkten erhalten können, die ihr ohne die Beihilfe nicht oder nur zu ungünstigeren Bedingungen zugänglich gewesen wäre.
110 Außerdem hätte Air France ohne die in Rede stehende Maßnahme ihre Tätigkeiten nicht fortführen können und hätte damit auch die Fortführung der gemeinsam mit KLM durchgeführten Tätigkeiten gefährdet (siehe oben, Rn. 85, 87, 100 und 107). Indem diese Maßnahme Air France in die Lage versetzte, ihre Tätigkeiten fortzuführen, ermöglichte sie damit implizit, aber notwendigerweise auch die Fortführung der gemeinsamen Tätigkeiten von Air France und KLM.
111 Folglich stellen die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen der Air France-KLM-Holding, Air France und KLM einen dritten Gesichtspunkt dar, der dafür spricht, dass diese Einheiten für die Zwecke der Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen eine einzige wirtschaftliche Einheit bilden.
– Zu den Verträgen, auf deren Grundlage die in Rede stehende Maßnahme gewährt wurde
112 In den Erwägungsgründen 44 bis 47, 93 und 94 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass die vertraglichen Mechanismen, auf deren Grundlage die in Rede stehende Maßnahme gewährt worden sei, sichergestellt hätten, dass Air France und deren Tochtergesellschaften die einzigen Begünstigten dieser Maßnahme seien.
113 Die Klägerinnen machen unter Bezugnahme auf den Inhalt bestimmter Klauseln der betreffenden Verträge im Wesentlichen geltend, dass diese nicht hätten gewährleisten können, dass Air France die einzige Begünstigte der in Rede stehenden Maßnahme sei.
114 Die Kommission entgegnet, dass die betreffenden vertraglichen Mechanismen einer Zweckbestimmungsklausel entsprächen, die den tatsächlichen finanziellen und wirtschaftlichen Vorteil der in Rede stehenden Maßnahme ausschließlich Air France zukommen lasse.
115 Zunächst ist festzustellen, dass die in Rede stehende Maßnahme auf der Grundlage von drei Gruppen von Verträgen gewährt werden sollte: erstens ein Vertrag über ein staatlich garantiertes Darlehen zwischen einem Bankenkonsortium und der Air France-KLM-Holding (Erwägungsgründe 15, 16, 45 und 46 des angefochtenen Beschlusses), zweitens eine zwischen dem Staat und dieser Holding geschlossene Vereinbarung über die staatliche Garantie und die Modalitäten dieser Garantie, wie die Französische Republik in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – wobei im Übrigen Rechtsgrundlage dieser Garantie die Loi no 2020-289 du 23 mars 2020 de finances rectificative pour 2020 (Haushaltsberichtigungsgesetz für 2020 [Nr. 2020-289] vom 23. März 2020) sowie ein Erlass des Wirtschaftsministeriums seien –, und drittens ein Vertrag über ein Gesellschafterdarlehen zwischen der Air France-KLM-Holding und der Agence des participations de l’État (APE) (Agentur für staatliche Beteiligungen, Frankreich).
116 Als Erstes ist mit den Klägerinnen festzustellen, dass die in Rede stehende Maßnahme auf der Grundlage von Verträgen gewährt wird, die zwischen einem Bankenkonsortium bzw. dem Staat einerseits und der Air France-KLM-Holding andererseits geschlossen wurden. Somit hat nur diese Holding, nicht aber Air France, Rechte und Pflichten gegenüber ihren Vertragspartnern übernommen.
117 Als Zweites bedurfte die durch die in Rede stehende Maßnahme bewirkte Finanzierung, wie oben in Rn. 90 ausgeführt, der Zustimmung der Air France-KLM-Holding.
118 Als Drittes verfügt die Air France-KLM-Holding, wie die Klägerinnen geltend machen, über umfangreiche vertragliche Rechte in Bezug auf bestimmte Modalitäten der Gewährung der in Rede stehenden Maßnahme.
119 Zunächst ist der Einwand der Kommission zurückzuweisen, das Vorbringen der Klägerinnen zu den von der Air France-KLM-Holding übernommenen vertraglichen Rechten sei unzulässig, weil es erstmals im Stadium der Erwiderung vorgebracht worden sei.
120 Nach der Rechtsprechung muss ein neues Argument, um als Erweiterung eines bereits zuvor vorgetragenen Klagegrundes oder einer bereits zuvor vorgebrachten Rüge betrachtet werden zu können, mit den ursprünglich in der Klageschrift dargelegten Klagegründen oder Rügen einen so engen Zusammenhang aufweisen, dass es als Bestandteil der üblichen sich in einem streitigen Verfahren entwickelnden Erörterung angesehen werden kann (Urteil vom 14. Juni 2023, Instituto Cervantes/Kommission, T‑376/21, EU:T:2023:331, Rn. 114). So verhält es sich im vorliegenden Fall. In der Klageschrift haben die Klägerinnen nämlich unter Bezugnahme auf den 66. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses u. a. geltend gemacht, die Bestimmungen des Vertrags über das Gesellschafterdarlehen belegten, dass die Air France-KLM-Holding und KLM potenzielle Begünstigte der in Rede stehenden Maßnahme seien, weil diese Bestimmungen die Vergütung für dieses Darlehen an eine künftige Kapitalerhöhung oder an die zukünftige Zusammensetzung des Kapitals der Air France-KLM-Holding knüpften. Dieses Argument ist in der Erwiderung lediglich dadurch erweitert worden, dass die Klägerinnen darin – als Antwort auf den Einwand der Kommission in der Klagebeantwortung, die Klägerinnen hätten ihr Vorbringen zu den Bestimmungen dieses Vertrags nicht untermauert – einige der in diesem Erwägungsgrund erwähnten Bestimmungen dieses Vertrags angeführt haben. Diese Erweiterung war somit Bestandteil der üblichen sich in einem streitigen Verfahren entwickelnden Erörterung, so dass die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen ist.
121 In der Sache ist erstens mit den Klägerinnen festzustellen, dass nach dem Wortlaut der in Rede stehenden Verträge die „Gruppe Air France-KLM“ die Option hatte, die ursprünglich auf ein Jahr festgesetzte Laufzeit des staatlich garantierten Darlehens um ein oder zwei weitere Jahre bis zu einer Höchstlaufzeit von drei Jahren zu verlängern (53. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Ebenso hatte diese Gruppe eine Option auf Verlängerung der Laufzeit der staatlichen Garantie (58. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).
122 Zweitens konnte die Air France-KLM-Holding, wie die Klägerinnen zu Recht geltend machen, auch beschließen, die ursprünglich auf vier Jahre festgesetzte Laufzeit des Gesellschafterdarlehens zweimal um je ein Jahr zu verlängern (64. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).
123 Drittens tragen die Klägerinnen vor, ohne dass die Kommission dem widersprochen hätte, dass die Air France-KLM-Holding beschließen könne, die jährlich auf das Gesellschafterdarlehen zu zahlenden Zinsen zu kapitalisieren, d. h. zu kumulieren, statt sie auf jährlicher Basis auszuzahlen.
124 Viertens hängt die Vergütung für das Gesellschafterdarlehen von der Entscheidung der Hauptversammlung der Air France-KLM-Holding über eine geplante Kapitalerhöhung dieser Holding ab. So ist vorgesehen, dass sich der für dieses Darlehen geltende Zinssatz um 550 Basispunkte erhöht, falls die Hauptversammlung der Air France-KLM-Holding einer geplanten Kapitalerhöhung dieser Holding, die es ermöglichen muss, diesen Darlehensbetrag vollständig oder teilweise einzubringen, nicht zustimmt oder falls eine Kapitalerhöhung durchgeführt wird, die dem Staat nicht das Recht verleiht, sich daran entsprechend der Höhe seines Anteils am Kapital dieser Holding zu beteiligen (66. Erwägungsgrund dritter Gedankenstrich des angefochtenen Beschlusses).
125 Daraus folgt, dass mehrere Modalitäten der Gewährung der in Rede stehenden Maßnahme, die insbesondere deren Laufzeit und die Vergütung für diese Maßnahme betreffen, ausdrücklich von der Entscheidung der Air France-KLM-Holding abhängig sind.
126 Als Viertes werden die vorstehenden Erwägungen nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Air France-KLM-Holding und die Air France „Spiegelverträge“ zur Weiterleitung der in Rede stehenden Finanzierung an Air France (im Folgenden: Spiegelverträge) geschlossen haben.
127 Nach Ansicht der Kommission gewährleisten diese Spiegelverträge im Wesentlichen, dass die tatsächliche Inanspruchnahme der in Rede stehenden Finanzierung ausschließlich Air France und ihren Tochtergesellschaften zusteht, und „[verbieten] die Übertragung oder Verwendung [dieser Finanzierung] zugunsten von KLM“ (46. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Zur Stützung dieser Behauptung hat die Kommission in Fn. 7 des angefochtenen Beschlusses Art. 2.2 des Vertrags über das Gesellschafterdarlehen angeführt, der vorsehe, dass dieses Darlehen zur Finanzierung eines Gesellschafter-Verrechnungskontos bestimmt sei, das die Air France-KLM-Holding für Air France zur Verfügung stelle, um den Liquiditätsbedarf von Air France und gegebenenfalls ihrer Tochtergesellschaften zu decken. Sie hat auch auf Art. 3.1 des Vertrags über das staatlich garantierte Darlehen verwiesen, der vorsehe, dass dieses Darlehen die „Finanzierung des durch die Covid‑19-Krise ausgelösten Bedarfs der Gruppe im Hinblick auf die Aufrechterhaltung ihrer Geschäftstätigkeit und die Weiterbeschäftigung ihrer Arbeitnehmer in Frankreich“ zum Gegenstand habe. Außerdem schließe die in diesem Vertrag enthaltene Definition der „Gruppe“ KLM ausdrücklich aus. Schließlich enthielten die beiden Verträge Klauseln. nämlich Art. 7.1 (a) bzw. Art. 18.3 (a), nach denen eine Verwendung, die nicht dem in Art. 2.2 bzw. Art. 3.1 definierten Zweck entspreche, einen „Fall der Nichterfüllung“ darstellen würde.
128 Hierzu ist erstens mit den Klägerinnen festzustellen, dass die staatliche Garantie nicht Gegenstand dieser Spiegelverträge ist. Auf vertraglicher Ebene wird diese Garantie somit nicht auf Air France „übertragen“, sondern verbleibt weiterhin auf der Ebene der Air France-KLM-Holding, wie die Französische Republik im Übrigen in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Daraus folgt, dass diese Garantie, die integraler Bestandteil der in Rede stehenden Maßnahme ist, auf vertraglicher Ebene nur der Air France-KLM-Holding zugutekommt.
129 Zweitens soll die in Rede stehende Maßnahme gemäß Art. 3.1 des Vertrags über das staatlich garantierte Darlehen, wie er im angefochtenen Beschluss wiedergegeben wird, den durch die Covid‑19-Krise ausgelösten Bedarf der „Gruppe“ finanzieren. Die Kommission erläutert in Fn. 7 des angefochtenen Beschlusses, dass diese Finanzierung nach diesem Artikel auf die „Aufrechterhaltung [der] Geschäftstätigkeit und die Weiterbeschäftigung [der] Arbeitnehmer in Frankreich“ abziele, was nach Ansicht der Kommission nur den Bedarf von Air France und deren Tochtergesellschaften betreffen könne, weil die Air France-KLM-Holding keine Geschäftstätigkeit ausübe und „sehr wenige eigene Arbeitnehmer in Frankreich“ habe.
130 Diese Erklärung überzeugt jedoch nicht. Aus Fn. 7 des angefochtenen Beschlusses geht nämlich hervor, dass die Definition der „Gruppe“ im Sinne dieses Vertrags nur KLM, nicht aber die Air France-KLM-Holding ausschließt. Dies wird außerdem durch die Feststellung im 46. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses bestätigt, wonach die in Rede stehenden Verträge die Übertragung oder Verwendung von Mitteln „zugunsten von KLM“ untersagten, ohne zu erwähnen, dass ein solches Verbot auch für die Air France-KLM-Holding gelte.
131 Ebenso steht fest, wie oben in Rn. 83 ausgeführt, dass die Air France-KLM-Holding über eigene Arbeitnehmer in Frankreich verfügt, so dass auch die Erklärung der Kommission in Fn. 7 des angefochtenen Beschlusses, wonach der Umstand, dass Art. 3.1 des Vertrags über das staatlich garantierte Darlehen auf das Ziel der Weiterbeschäftigung der „Arbeitnehmer in Frankreich“ Bezug nehme, zugleich bedeute, dass sich dieser Artikel nur auf Air France beziehe, nicht zu überzeugen vermag.
132 Drittens steht fest, dass die Air France-KLM-Holding einen Teil der aus der in Rede stehenden Maßnahme stammenden Mittel einbehält. Aus dem 46. Erwägungsgrund dritter Gedankenstrich des angefochtenen Beschlusses geht nämlich im Wesentlichen hervor, dass der das staatlich garantierte Darlehen betreffende Spiegelvertrag vorsieht, dass diese Holding eine „zusätzliche Marge“ einbehält, um die Kosten zu decken, die ihr im Rahmen der Verwaltung dieser Maßnahme entstehen.
133 Hierzu führt die Kommission im selben Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses aus, dass die Höhe dieser Marge „gering“ sei und diese Marge „im Einklang mit dem im französischen Recht geltenden Grundsatz des Gesellschaftsinteresses“ stehe. Es ist jedoch festzustellen, dass die Kommission in diesem Beschluss weder Art und Umfang der Dienstleistungen, die die Air France-KLM-Holding bei der Übertragung der Mittel auf Air France erbracht haben soll, noch die dieser Holding in diesem Zusammenhang entstandenen mutmaßlichen Kosten noch die Frage geprüft hat, ob diese „zusätzliche Marge“ den genannten Kosten entspricht. Daraus folgt, wie die Klägerinnen im Wesentlichen geltend machen, dass diese Holding einen Teil des tatsächlichen Nutzens der in Rede stehenden Finanzierung für sich behält. Auch der Umstand – unterstellt, er wäre erwiesen –, dass diese Marge mit dem nationalen Recht im Einklang steht, bedeutet für sich genommen nicht, dass die so vereinnahmte Vergütung für die Zwecke der Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht als ein Vorteil angesehen werden kann, der dieser Holding zugutekommt.
134 In ihrem Streithilfeschriftsatz beruft sich Air France auf weitere Vertragsklauseln, die im angefochtenen Beschluss nicht erwähnt sind. Nach ständiger Rechtsprechung kann die Begründung aber nicht zum ersten Mal und nachträglich vor dem Unionsrichter erfolgen, sofern nicht außergewöhnliche Umstände gegeben sind (vgl. Urteil vom 20. September 2011, Evropaïki Dynamiki/EIB, T‑461/08, EU:T:2011:494, Rn. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daher können solche Bestandteile des vertraglichen Rahmens der in Rede stehenden Maßnahme, über die die Kommission beim Erlass des angefochtenen Beschlusses verfügte oder verfügen konnte, die aber in diesem Beschluss nicht erwähnt wurden, vom Gericht nicht berücksichtigt werden, um die Begründung des angefochtenen Beschlusses zu ergänzen.
135 Als Fünftes ändert das Bestehen von Spiegelverträgen jedenfalls nichts daran, dass allein die Air France-KLM-Holding vertragliche Rechte und Pflichten gegenüber dem Bankenkonsortium und dem Staat übernommen hat, dass mehrere Modalitäten für die Gewährung der in Rede stehenden Maßnahme, wie z. B. ihre Laufzeit und ihre Vergütung, von der Gruppe Air France-KLM festgelegt werden und dass die staatliche Garantie vertraglich bei der Holdinggesellschaft verbleibt.
136 Nach alledem lassen die im angefochtenen Beschluss angeführten Vertragsklauseln nicht die Feststellung zu, dass allein Air France und ihre Tochtergesellschaften, nicht aber auch die Air France-KLM-Holding und KLM sowie die von ihnen kontrollierten Tochtergesellschaften Begünstigte der in Rede stehenden Maßnahme sind.
137 Dieses Ergebnis wird nicht durch das Vorbringen der Kommission in Frage gestellt, die Rechtsprechung habe anerkannt, dass alleiniger Begünstigter einer staatlichen Beihilfe auch ein einzelnes der zu einer Gruppe gehörenden Unternehmen sein könne, wenn es u. a. Zweckbestimmungsklauseln gebe, die den Vorteil aus der Beihilfe nur einem der Unternehmen dieser Gruppe zukommen ließen, nicht aber den übrigen Unternehmen dieser Gruppe.
138 Insoweit sind, wie oben in den Rn. 61 und 62 ausgeführt, je nach Fall mehrere Faktoren zu prüfen, um zu bestimmen, ob getrennte rechtliche Einheiten für die Zwecke der Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen als eine wirtschaftliche Einheit angesehen werden können, wie z. B. die Kapitalverflechtungen und die organisatorischen, funktionellen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen diesen Einheiten, die Verträge, auf deren Grundlage die Beihilfemaßnahme gewährt wurde, sowie die Art der gewährten Beihilfemaßnahme und der Kontext, in den sie sich einfügt. Es handelt sich somit um eine Gesamtwürdigung mehrerer Faktoren, die jedem Einzelfall eigen sind. Insbesondere hängt die Beurteilung der Verträge, auf deren Grundlage die Beihilfemaßnahme gewährt wurde, offenkundig vom konkreten Inhalt dieser Verträge ab. Der Umstand, dass die Unionsgerichte in einer bestimmten Rechtssache auf der Grundlage konkreter Umstände, die dieser Rechtssache eigen sind, zu dem Ergebnis gekommen sind, dass Begünstigter einer bestimmten Beihilfemaßnahme ein einziges Unternehmen ist, das zu einer Unternehmensgruppe gehört, nicht aber die übrigen Unternehmen dieser Gruppe, kann daher keine allgemeine Schlussfolgerung in dem einen oder anderen Sinne stützen.
139 Jedenfalls sind die besonderen Umstände der Rechtssachen, in denen die von der Kommission angeführten Urteile ergangen sind, nicht mit denen vergleichbar, die der vorliegenden Rechtssache zugrunde liegen.
140 Erstens hat der Gerichtshof im Urteil vom 3. Juli 2003, Belgien/Kommission (C‑457/00, EU:C:2003:387), in den Rn. 56 und 57 klargestellt, dass bei der Bestimmung des Begünstigten einer Beihilfemaßnahme insbesondere das Bestehen und die Formulierung von Zweckbestimmungsklauseln zu berücksichtigen sind und dass eine solche Analyse zu dem Ergebnis führen kann, dass der Empfänger der Beihilfe eine andere Person ist als der Darlehensnehmer des in Rede stehenden Darlehens. Nach diesem Urteil hängt das Ergebnis dieser Prüfung somit vom Bestehen und dem genauen Inhalt der einschlägigen Vertragsklauseln ab. Im vorliegenden Fall ist das Gericht jedoch, wie aus den Rn. 115 bis 136 des vorliegenden Urteils hervorgeht, gerade aufgrund des Inhalts der verschiedenen im vorliegenden Fall anwendbaren Vertragsklauseln zu dem Ergebnis gelangt, dass diese nicht die Feststellung zulassen, dass die einzigen Begünstigten der in Rede stehenden Maßnahme Air France und ihre Tochtergesellschaften, nicht aber auch die Air France-KLM-Holding und KLM sowie die von ihnen kontrollierten Tochtergesellschaften sind. Außerdem verfügt die Air France-KLM-Holding im vorliegenden Fall über umfangreiche vertragliche Rechte und Pflichten bei der Ausführung dieser Maßnahme, die es ihr ermöglichen, sie nach Maßgabe ihrer eigenen Interessen und denen der Gruppe Air France-KLM insgesamt anzupassen.
141 Zweitens gibt es mehrere erhebliche tatsächliche Unterschiede zwischen der vorliegenden Rechtssache und den Rechtssachen, in denen das Urteil vom 25. Juni 1998, British Airways u. a./Kommission (T‑371/94 und T‑394/94, EU:T:1998:140), ergangen ist. Die in der vorliegenden Rechtssache festgestellten organisatorischen, funktionellen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den Unternehmen der Gruppe Air France-KLM sind nämlich nicht mit denen vergleichbar, die zwischen den in den oben genannten Rechtssachen betroffenen Unternehmen bestanden. Beispielsweise wird die hier in Rede stehende Maßnahme über die Air France-KLM-Holding gewährt und nicht unmittelbar zugunsten von Air France, wie dies in den genannten Rechtssachen der Fall war. Darüber hinaus hat die Air France-KLM-Holding im vorliegenden Fall ihre gesamten strategischen Vorrechte auf dem Gebiet der Finanzierung, der Investitionen und der die Flotte betreffenden Geschäfte behalten, was bei der Holding in den genannten Rechtssachen nicht der Fall war. Schließlich besaß die letztgenannte Holding keine Rechte oder Vorrechte, die mit denen vergleichbar waren, über die die Air France-KLM-Holding in Bezug auf mehrere Modalitäten der Gewährung der Beihilfemaßnahme verfügte, insbesondere hinsichtlich ihrer Vergütung und Dauer.
142 Drittens betrafen die Rechtssachen, in denen das Urteil vom 11. Mai 2005, Saxonia Edelmetalle und ZEMAG/Kommission (T‑111/01 und T‑133/01, EU:T:2005:166), ergangen ist, eine ganz andere Fallgestaltung als die, um die es in der vorliegenden Rechtssache geht. Diese Rechtssachen betrafen nämlich die Verpflichtung zur Rückforderung einer Beihilfe von bestimmten Tochtergesellschaften einer Unternehmensgruppe, die als die ursprünglichen Empfänger dieser Beihilfe bezeichnet waren. Hierzu ist in den Rn. 125 und 126 jenes Urteils entschieden worden, dass die Kommission in Anbetracht der Umstände des betreffenden Falls nicht berechtigt war, die Verpflichtung zur Rückzahlung eines Teils der streitigen Beihilfe diesen Tochtergesellschaften allein deshalb aufzuerlegen, weil diese als die ursprünglichen Empfänger der streitigen Beihilfe bezeichnet waren, ohne den Nachweis zu führen, dass sie sie tatsächlich erhalten haben. Dieser Fall hat jedoch mit der vorliegenden Rechtssache nichts zu tun, so dass daraus keine für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits sachdienliche Schlussfolgerung gezogen werden kann.
143 Folglich stellt der vertragliche Rahmen, auf dessen Grundlage die in Rede stehende Maßnahme gewährt wird, einen vierten Gesichtspunkt dar, der dafür spricht, dass die Air France-KLM-Holding, Air France und KLM für die Zwecke der Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen eine einzige wirtschaftliche Einheit bilden.
– Zur Art der gewährten Beihilfemaßnahme und zum Kontext, in den sie sich einfügt
144 Zur Art der gewährten Beihilfemaßnahme und zum Kontext, in den sie sich einfügt, ist mit den Klägerinnen darauf hinzuweisen, dass die Kommission im elften Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass das Gesellschafterdarlehen schließlich in einer gesonderten, später von der „Gruppe Air France-KLM“ zu beschließenden Transaktion in das Kapital der „Gruppe Air France-KLM“ eingebracht werden könne.
145 Diese Prognose, die der Kommission mithin zum Zeitpunkt der Annahme ihrer Entscheidung C(2020) 2983 final vom 4. Mai 2020 bekannt war, hat sich einige Monate später in dem Beschluss Air France-KLM und Air France (siehe oben, Rn. 10) verwirklicht, in dem die Kommission die Auffassung vertreten hat, dass die Begünstigten der Umwandlung des Gesellschafterdarlehens in ein hybrides Instrument, das das einer Kapitalbeteiligung gleiche, sowohl Air France und die von ihr kontrollierten Tochtergesellschaften als auch die Air France-KLM-Holding und die von dieser Holding kontrollierten Tochtergesellschaften mit Ausnahme von KLM und ihren Tochtergesellschaften seien.
146 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der oben in den Rn. 5 und 12 angeführte zweite Beschluss zur Berichtigung des Beschlusses C(2020) 2983 final der Kommission vom 4. Mai 2020 am 26. Juli 2021 erlassen wurde, d. h. nach der Annahme des Beschlusses Air France-KLM und Air France am 5. April 2021, so dass der letztgenannte Beschluss kein Umstand ist, der nach dem angefochtenen Beschluss in seiner durch den zweiten Berichtigungsbeschluss geänderten Fassung eingetreten ist.
147 Unter diesen besonderen Umständen ist festzustellen, dass zwischen der in Rede stehenden Maßnahme und der Maßnahme, die Gegenstand des Beschlusses Air France-KLM und Air France war, ein chronologischer, struktureller und wirtschaftlicher Zusammenhang bestand, von dem die Kommission volle Kenntnis hatte, so dass der letztgenannte Beschluss einen relevanten Aspekt des Kontexts darstellte, den die Kommission bei der Bestimmung des Begünstigten dieser Maßnahme zu berücksichtigen hatte. Gleichwohl hat sie diesen Aspekt im angefochtenen Beschluss nicht berücksichtigt.
148 Ferner ist festzustellen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss auch nicht erläutert hat, aus welchem Grund die Bestimmung der Begünstigten im angefochtenen Beschluss und im Beschluss Air France-KLM und Air France unterschiedlich ausfiel, obwohl die betreffende Finanzierung in beiden Fällen, wenn auch in unterschiedlicher Form, aus dem Gesellschafterdarlehen stammte.
149 Folglich hätte die Kommission unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles und unter Berücksichtigung der oben in Rn. 67 angeführten Rechtsprechung bei der Bestimmung des Begünstigten der in Rede stehenden Maßnahme die Art der gewährten Beihilfemaßnahme und den Kontext, in den sie sich einfügte, berücksichtigen müssen.
– Zum Unterschied zwischen einem unmittelbaren oder mittelbaren Vorteil einerseits und bloßen sekundären wirtschaftlichen Auswirkungen andererseits
150 Die Kommission macht geltend, die in Rede stehende Maßnahme habe für die Air France-KLM-Holding und KLM sowie für ihre Tochtergesellschaften – mit Ausnahme von Air France und deren Tochtergesellschaften – allenfalls „bloße sekundäre wirtschaftliche Auswirkungen“ gehabt, die jeder staatlichen Beihilfe immanent seien, aber nicht als unmittelbarer oder mittelbarer Vorteil für sie eingestuft werden könnten.
151 Die Klägerinnen entgegnen, die Kommission habe rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen, dass die in Rede stehende Maßnahme den anderen Gesellschaften der Gruppe Air France-KLM nicht habe zugutekommen können, z. B. durch eine Stärkung der finanziellen Lage der Air France-KLM-Holding und mittelbar auch der von KLM. Eine solche Wirkung gehe über die bloße sekundäre Auswirkung hinaus, die jeder Beihilfemaßnahme immanent sei.
152 Insoweit ist der Begriff „mittelbarer Vorteil“ von dem der „jeder Beihilfemaßnahme immanenten sekundären Auswirkungen“ zu unterscheiden.
153 Nach der Rechtsprechung ist ein Unternehmen, dem ein mittelbarer Vorteil zugutekommt, als Begünstigter der Beihilfe anzusehen. Ein Vorteil, der bestimmten natürlichen oder juristischen Personen unmittelbar gewährt wird, kann nämlich für andere juristische Personen, die Unternehmen sind, einen mittelbaren Vorteil und damit eine staatliche Beihilfe darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission, C‑156/98, EU:C:2000:467, Rn. 26, und vom 13. Juni 2002, Niederlande/Kommission, C‑382/99, EU:C:2002:363, Rn. 60 bis 66).
154 Außerdem kann nach Rn. 115 der Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe „eine Maßnahme sowohl einen unmittelbaren Vorteil für das Empfängerunternehmen, als auch einen mittelbaren Vorteil für andere Unternehmen, wie zum Beispiel Unternehmen, die auf einer nachgeordneten Ebene tätig sind, darstellen“. In Fn. 179 dieser Bekanntmachung wird klargestellt, dass ein zwischengeschaltetes Unternehmen, falls es lediglich als Instrument zur Übermittlung des Vorteils an den Empfänger dient und ihm selbst kein Vorteil verbleibt, in der Regel nicht als Beihilfeempfänger angesehen werden sollte.
155 Ferner heißt es in Rn. 116 der Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe, dass mittelbare Vorteile von bloßen sekundären wirtschaftlichen Auswirkungen zu unterscheiden sind, die zwangsläufig mit fast allen Beihilfemaßnahmen verbunden sind. Zu diesem Zweck sollte nach dem Wortlaut dieser Randnummer die vorhersehbare Wirkung der Maßnahme betrachtet werden. Somit liegt ein mittelbarer Vorteil vor, wenn die Maßnahme so ausgestaltet ist, dass ihre sekundären Auswirkungen „bestimmbaren Unternehmen oder Gruppen von Unternehmen“ zugeleitet werden. In Fn. 181 dieser Bekanntmachung wird erläutert, dass dagegen von einer bloßen sekundären wirtschaftlichen Auswirkung in Form eines Produktionsanstiegs, der keine indirekte Beihilfe darstellt, auszugehen ist, wenn die Beihilfe lediglich durch ein Unternehmen, z. B. einen Finanzintermediär, durchgeleitet wird, das sie in vollem Umfang an den Beihilfeempfänger weiterleitet.
156 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der oben in den Rn. 112 bis 143 vorgenommenen Analyse, dass sich die Rolle der Air France-KLM-Holding nicht darauf beschränkt, „lediglich als Instrument zur Übermittlung des Vorteils an den Empfänger“ oder als „Finanzintermediär“ im Sinne der Rn. 115 und 116 der Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe tätig zu werden. In rechtlicher Hinsicht behält diese Holding die staatliche Garantie nämlich selbst und kontrolliert verschiedene Modalitäten der in Rede stehenden Maßnahme, was es ihr ermöglicht, sie nach Maßgabe ihrer eigenen Interessen und denen der Gruppe Air France-KLM im Allgemeinen anzupassen, so dass die Auffassung der Kommission, dass diese Holding und KLM nur von den jeder staatlichen Beihilfe immanenten, bloß sekundären wirtschaftlichen Auswirkungen profitierten, zurückzuweisen ist.
157 Ebenso legen die bei einer Betrachtung ex ante vorhersehbaren Auswirkungen der in Rede stehenden Maßnahme unter Berücksichtigung der Art der gewährten Beihilfemaßnahme und des Kontexts, in den sie sich einfügt und der im Wesentlichen in einer Finanzierungslösung besteht, nahe, dass diese Finanzierungslösung der Gruppe Air France-KLM insgesamt zugutekommen konnte, indem sie ihre finanzielle Gesamtposition verbesserte, was darauf hindeutet, dass zumindest ein mittelbarer Vorteil zugunsten „einer identifizierbaren Gruppe von Unternehmen“ im Sinne von Rn. 116 der Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe vorliegt.
158 Insbesondere aus dem vierten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht nämlich hervor, dass die Französische Republik angesichts der erheblichen und unmittelbaren finanziellen Auswirkungen der Covid‑19-Pandemie beschlossen hat, Air France bei der Umsetzung vorübergehender Finanzierungslösungen für ihren dringenden Liquiditätsbedarf zu begleiten, um eine unmittelbare Gefahr für die Fortführung ihrer Geschäftstätigkeit zu vermeiden. Da das Ziel der in Rede stehenden Maßnahme darin besteht, eine Finanzierungslösung für den Liquiditätsbedarf von Air France zu finden, und da sich aus der Akte ergibt, dass die Air France-KLM-Holding eine gewisse Rolle bei der Finanzierung der Gruppe Air France-KLM spielt, bestanden die ex ante vorhersehbaren Auswirkungen dieser Maßnahme darin, zum einen die Finanzlage dieser Holding – die Partei der in Rede stehenden Verträge ist und als solche wichtige vertragliche Rechte und Pflichten hat – und damit der gesamten Gruppe zu verbessern und zum anderen die finanzielle Stabilität, auch aus der Sicht der Finanzmärkte, dieser Gruppe insgesamt, einschließlich KLM, zu gewährleisten.
159 Darüber hinaus hätte die im angefochtenen Beschluss festgestellte unmittelbare Gefahr für die Fortführung der Geschäftstätigkeit von Air France, wie oben in den Rn. 109 und 110 ausgeführt, ohne die in Rede stehende Maßnahme auf die gesamte Gruppe Air France-KLM übergreifen können, weil Air France eine der wichtigsten Tochtergesellschaften dieser Gruppe ist und einen erheblichen Teil ihrer Einnahmen erwirtschaftet.
160 Diese Schlussfolgerung wird nicht durch den Beschluss vom 21. Januar 2016, Alcoa Trasformazioni/Kommission (C‑604/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:54), in Frage gestellt, den die Kommission zur Stützung ihres Arguments anführt, sie prüfe bei der Berechnung der Höhe der Beihilfe nicht deren sekundäre Auswirkungen auf die Verbraucher, Lieferanten, Investoren oder Arbeitnehmer des Begünstigten. Zum einen betraf, wie die Rechtsmittelführerinnen geltend machen, die Rechtssache, in der dieser Beschluss ergangen ist, keine gruppeninterne Situation. Zum anderen handelt es sich im vorliegenden Fall, wie oben in den Rn. 156 bis 159 ausgeführt, nicht um die sekundären wirtschaftlichen Auswirkungen einer Beihilfemaßnahme auf Verbraucher, Lieferanten, Investoren oder Arbeitnehmer.
161 Die Kommission und die Französische Republik verweisen auch auf das Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/Aer Lingus und Ryanair Designated Activity (C‑164/15 P und C‑165/15 P, EU:C:2016:990), und machen im Wesentlichen geltend, dass nach diesem Urteil die sekundären Auswirkungen einer Beihilfemaßnahme bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Binnenmarkt nicht zu berücksichtigen seien. Die Rechtssachen, in denen dieses Urteil ergangen ist, betrafen eine Beihilferegelung in Form eines niedrigeren Satzes einer nationalen Fluggaststeuer, die für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wurde. Insbesondere stellte sich dort die Frage nach der Höhe des Vorteils, der von den Begünstigten der Beihilfe, bei denen es sich um Fluggesellschaften handelte, zurückzufordern war. Diese machten im Wesentlichen geltend, sie hätten den in Rede stehenden Vorteil in Form niedrigerer Flugticketpreise an die Fluggäste weitergegeben. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof befunden, dass die Rückforderung der streitigen Beihilfe die Rückgabe des den Fluggesellschaften verschafften Vorteils bedeute und nicht die Herausgabe des von diesen durch die Ausnutzung dieses Vorteils erzielten wirtschaftlichen Gewinns (Rn. 100 und 102). Anders als in jenen Rechtssachen geht es in der vorliegenden Rechtssache aber nicht um die Bestimmung der Höhe des Vorteils, der im Zusammenhang mit einer für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärten Beihilfe zurückzufordern ist, sondern um die Ex-ante -Bestimmung der Begünstigten einer Beihilfemaßnahme, um deren Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt zu prüfen. Außerdem geht es im vorliegenden Fall jedenfalls nicht um die wirtschaftlichen Auswirkungen der in Rede stehenden Maßnahme auf den Preis der Flugtickets.
162 Daher ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, wonach die in Rede stehende Maßnahme allenfalls bloße sekundäre wirtschaftliche Auswirkungen auf die Air France-KLM-Holding und ihre anderen Tochtergesellschaften, einschließlich KLM und deren Tochtergesellschaften, habe.
Ergebnis
163 Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie davon ausging, dass die Begünstigten der in Rede stehenden Maßnahme Air France und ihre Tochtergesellschaften seien, nicht aber auch die Air France-KLM-Holding und ihre anderen Tochtergesellschaften einschließlich KLM und deren Tochtergesellschaften, so dass dem ersten Klagegrund stattzugeben ist.
164 Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV verlangt aber nicht nur, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat tatsächlich eine beträchtliche Störung des Wirtschaftslebens vorliegt, sondern auch, dass die zur Behebung dieser Störung beschlossenen Beihilfemaßnahmen zu diesem Zweck sowohl erforderlich als auch geeignet und verhältnismäßig sind. Dasselbe Erfordernis ergibt sich auch aus Rn. 19 des Befristeten Rahmens (Urteil vom 19. Mai 2021, Ryanair/Kommission [KLM; Covid‑19], T‑643/20, EU:T:2021:286, Rn. 74).
165 Darüber hinaus hängt die Anwendung mehrerer Bedingungen, die sich aus dem Befristeten Rahmen ergeben, insbesondere von der Definition des Begünstigten der in Rede stehenden Maßnahme ab, so z. B. die in Rn. 25 Buchst. d Ziff. i des Befristeten Rahmens vorgesehene Bedingung, dass staatliche Beihilfen in Form neuer öffentlicher Garantien für Darlehen auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden, sofern bei Darlehen, die nach dem 31. Dezember 2020 fällig werden, der Gesamtbetrag der Darlehen je Begünstigtem das Doppelte der jährlichen Lohnsumme des Begünstigten für das Jahr 2019 oder für das letzte verfügbare Jahr nicht übersteigt. Dieselbe Schwelle gilt gemäß Rn. 27 Buchst. d Ziff. i des Befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen in Form von Vergünstigungen für öffentliche Darlehen (Urteil vom 19. Mai 2021, Ryanair/Kommission [KLM; Covid‑19], T‑643/20, EU:T:2021:286, Rn. 75).
166 Somit setzt die Prüfung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Beihilfe im Allgemeinen sowie der Einhaltung der oben in Rn. 165 beispielhaft angeführten Bedingungen im Besonderen voraus, dass zuvor der Begünstigte der Beihilfe bestimmt wird. Die fehlerhafte oder unvollständige Bestimmung des Begünstigten einer Beihilfemaßnahme kann sich nämlich auf die gesamte Prüfung der Vereinbarkeit dieser Maßnahme mit dem Binnenmarkt auswirken.
167 Daher ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben, ohne dass die übrigen Klagegründe geprüft zu werden brauchen.
168 Was schließlich die Möglichkeit der Mitgliedstaaten betrifft, Gesellschaften, die zu einer in mehreren Mitgliedstaaten tätigen Unternehmensgruppe gehören, staatliche Beihilfen zu gewähren, ist vorsorglich darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten und die Organe der Union gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV wechselseitige Verpflichtungen zur loyalen Zusammenarbeit haben. Die Kommission und die Mitgliedstaaten müssen somit redlich zusammenwirken, um die vollständige Beachtung der Bestimmungen des AEU-Vertrags, insbesondere derjenigen über staatliche Beihilfen, zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Dezember 2010, Kommission/Slowakei, C‑507/08, EU:C:2010:802, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit und zur Koordinierung gilt erst recht, wenn verschiedene Mitgliedstaaten beabsichtigen, gleichzeitig Beihilfen zugunsten von Einheiten zu gewähren, die derselben Unternehmensgruppe angehören, die ihre Tätigkeiten im Binnenmarkt koordiniert, um dessen Vorteile voll auszuschöpfen.
Kosten
169 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerinnen ihre eigenen Kosten und die Kosten der Klägerinnen aufzuerlegen.
170 Nach Art. 138 Abs. 1 und 3 der Verfahrensordnung tragen die Streithelfer ihre eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Der Beschluss C(2020) 2983 final der Kommission vom 4. Mai 2020 über die staatliche Beihilfe SA.57082 (2020/N) – Frankreich – COVID ‑19 – Befristeter Rahmen Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV – Garantie und Gesellschafterdarlehen zugunsten von Air France in der durch die Beschlüsse C(2020) 9384 final vom 17. Dezember 2020 und C(2021) 5701 final vom 26. Juli 2021 berichtigten Fassung wird für nichtig erklärt.
2. Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Ryanair DAC und der Malta Air ltd.
3. Die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik, das Königreich der Niederlande, Air France-KLM und die Société Air France tragen ihre eigenen Kosten.
Van der Woude
Kornezov
De Baere
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. Dezember 2023.
Unterschriften