T-187/17 – Bernard Krone Holding/ EUIPO (Mega Liner)

T-187/17 – Bernard Krone Holding/ EUIPO (Mega Liner)

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

4. Mai 2018()

„Unionsmarke – Anmeldung der Unionswortmarke Mega Liner – Absolute Eintragungshindernisse – Beschreibender Charakter – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung [EU] 2017/1001) – Begründungspflicht – Art. 75 Satz 1 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 94 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001)“

In der Rechtssache T‑187/17

Bernard Krone Holding SE & Co. KG mit Sitz in Spelle (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte T. Weeg und K. Lüken,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch M. Fischer und W. Schramek als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO vom 9. Januar 2017 (Sache R 442/2016-1) über die Anmeldung der Wortmarke Mega Liner als Unionsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin V. Tomljenović sowie der Richter E. Bieliūnas und A. Kornezov (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 21. März 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 29. Mai 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der Stellungnahme der Klägerin zum Antrag auf Verbindung der Rechtssache T‑187/17 mit der Rechtssache T‑188/17,

aufgrund der schriftlichen Fragen des Gerichts an die Parteien und deren am 14. Dezember 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Antworten auf diese Fragen,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von drei Wochen nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 12. August 2015 meldete die Klägerin, die Bernard Krone Holding GmbH & Co. KG, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um die Wortmarke Mega Liner.

3        Die Marke wurde für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 12 und 35 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 12: „Fahrzeuge, Apparate zur Beförderung auf dem Land, Teile und Zubehör dafür mit Ausnahme von Reifen, Reifenlaufflächen, Festkörpern für Fahrzeugreifen, Laufflächen für die Runderneuerung von Reifen; Traktoren; Ladefahrzeuge; Lokomobile; Kupplungen; Fahrzeuggetriebe; Fahrzeugaufbauten zum Kippen; Fahrzeuganhänger für Lasten; Wechselbehälter für Fahrzeuge; Behälterfahrzeuge, mit Ausnahme von Reifen, Reifenlaufflächen, Festkörpern für Fahrzeugreifen, Laufflächen für die Runderneuerung von Reifen, als Teile für alle vorstehend genannten Waren“;

–        Klasse 35: „Einzelhandel, Großhandel und Versandhandel mit Maschinen und Werkzeugmaschinen, landwirtschaftlichen Geräten, insbesondere Mähdreschern, Feldhäckslern, Ballenpressen, Ackerschleppern, landwirtschaftlichen Transportgeräten, Ladewagen, Mähwerken, Wendern und Schwadern, Bodenbearbeitungsmaschinen und ‑geräten, Sämaschinen, Geräten zur Ausbringung von Dünger und Pflanzenschutzmitteln, sowie deren Teile und Bestandteile, handbetätigten Geräten für land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke, für den Maschinen-, Apparate- und Fahrzeugbau sowie für die Bautechnik, Fahrzeugen, Apparaten zur Beförderung auf dem Lande, sowie deren Teile und Bestandteile, Traktoren, Ladefahrzeugen, Zugmaschinen, Kupplungen, Getrieben, hydraulischen und mechanischen Apparaten für Landfahrzeuge, und ausgenommen Autos, Fahrzeugaufbauten, Sattelaufliegern, Fahrzeuganlagen, Wechselbehältern für Fahrzeuge, Containerfahrzeuge, Druckereierzeugnissen, Buchbindeartikeln, Fotografien, Schreibwaren, Büroartikeln, Lehr- und Unterrichtsmitteln, Spielkarten, Kunststoffmaterialien für Verpackungen, Zeitungen und Zeitschriften, Abziehbildern, Diagrammen, Ordnern, Umschlägen, Handbüchern, Prospekten, Fotografien, Bildern, Plänen, Landkarten, Bekleidungsstücken wie T‑Shirts, Sweatshirts, Hemden, Hosen, Jacken, Westen, Overalls, Mäntel, Anzüge, Krawatten, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Spielen, Spielzeugen, Turn- und Sportartikeln, Spielzeugnachbildungen von Maschinen und Fahrzeugen; keine der vorstehend genannten Dienstleistungen bereitgestellt in Bezug auf oder in Verbindung mit Reifen, Reifenlaufflächen, Festkörpern für Fahrzeugreifen, Laufflächen für die Runderneuerung von Reifen, als Teile für alle vorstehend genannten Waren“.

4        Mit Entscheidung vom 18. Februar 2016 lehnte der Prüfer die Eintragung der angemeldeten Marke gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung 2017/1001) für alle oben in Rn. 3 genannten Waren und Dienstleistungen ab.

5        Am 7. März 2016 legte die Klägerin gemäß den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001) gegen diese Entscheidung Beschwerde ein.

6        Mit Entscheidung vom 9. Januar 2017 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hat die Erste Beschwerdekammer des EUIPO die Entscheidung des Prüfers teilweise aufgehoben, und zwar in Bezug auf folgende Dienstleistungen der Klasse 35: „Einzelhandel, Großhandel und Versandhandel mit Druckereierzeugnissen, Buchbindeartikeln, Fotografien, Schreibwaren, Büroartikeln, Lehr- und Unterrichtsmitteln, Spielkarten, Kunststoffmaterialien für Verpackungen, Zeitungen und Zeitschriften, Abziehbildern, Diagrammen, Ordnern, Umschlägen, Handbüchern, Prospekten, Fotografien, Bildern, Plänen, Landkarten, Bekleidungsstücken wie T‑Shirts, Sweatshirts, Hemden, Hosen, Jacken, Westen, Overalls, Mäntel, Anzüge, Krawatten, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Spielen, Spielzeugen, Turn- und Sportartikeln, Spielzeugnachbildungen von Maschinen und Fahrzeugen; keine der vorstehend genannten Dienstleistungen bereitgestellt in Bezug auf oder in Verbindung mit Reifen, Reifenlaufflächen, Festkörpern für Fahrzeugreifen, Laufflächen für die Runderneuerung von Reifen, als Teile für alle vorstehend genannten Waren“. Sie hat ferner die Sache insoweit zur weiteren Bearbeitung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen (Nr. 1 des Tenors der angefochtenen Entscheidung).

7        Schließlich hat sie die Beschwerde im Übrigen zurückgewiesen, d. h. in Bezug auf die oben genannten Waren der Klasse 12 und die anderen Dienstleistungen der Klasse 35 (im Folgenden zusammen: fragliche Waren und Dienstleistungen) (Nr. 2 des Tenors der angefochtenen Entscheidung).

8        Hinsichtlich der fraglichen Waren und Dienstleistungen hat die Beschwerdekammer zunächst das Eintragungshindernis gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 geprüft. Erstens hat sie in Rn. 16 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass es sich bei den in der angemeldeten Marke enthaltenen Begriffen um solche der englischen Sprache handele, die auch Eingang in die deutsche Sprache gefunden hätten, und dass die maßgeblichen Verkehrskreise, die aus verständigen Verbrauchern und besonders versierten Fachkreisen bestünden, die englischsprachigen Verkehrskreise der Europäischen Union seien.

9        Zweitens hat die Beschwerdekammer in den Rn. 17 bis 20 der angefochtenen Entscheidung unter Verweis auf die Beurteilung des Prüfers ausgeführt, dass der Begriff „mega“ als Hinweis auf „besonders groß, mächtig, hervorragend“ verstanden werde, der Begriff „liner“ im Deutschen Überseedampfer und Linienflugzeug bedeute und das streitige Zeichen somit u. a. „besonders großes Linienfahrzeug“ bedeute. Sie hat daher die Auffassung vertreten, dass wegen der klaren beschreibenden Bedeutung der Begriffe „mega“ und „liner“ und der Ähnlichkeit der Begriffe „Long liner“, „Gigaliner“ und „Mega Liner“ „vernünftigerweise zu erwarten“ sei, dass die relevanten Verkehrskreise, insbesondere die Fachverkehrskreise, den Begriff „Mega Liner“ als Hinweis „auf einen besonders großen und mächtigen Lastkraftwagen beziehungsweise Fahrzeug“ verstehen werden.

10      Drittens hat die Beschwerdekammer in den Rn. 21 bis 24 und 32 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die angemeldete Marke hinsichtlich der fraglichen Waren und Dienstleistungen unmittelbar beschreibend sei, da das streitige Zeichen eine besondere Art von Fahrzeugen beschreibe und damit unmittelbar die Art, Beschaffenheit und Bestimmung dieser Waren sowie den Gegenstand dieser Dienstleistungen beschreibe.

11      Sodann hat die Beschwerdekammer zum Eintragungshindernis gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 in den Rn. 34 bis 37 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass das streitige Zeichen nicht geeignet sei, die Waren der Klasse 12 und die Dienstleistungen der Klasse 35 nach ihrer Herkunft zu unterscheiden, da zum einen einer Wortmarke, die im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 beschreibend ist, aus diesem Grund zwangsläufig die Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung fehle und zum anderen die Verkehrskreise das Zeichen Mega Liner als anpreisende Werbebotschaft oder als Hinweis auf Art, Beschaffenheit und Verwendungszweck der fraglichen Waren oder Dienstleistungen, nicht aber als Herkunftskennzeichnung aufnähmen.

 Anträge der Parteien

12      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben, soweit die Beschwerdekammer die Beschwerde zurückweist;

–        dem EUIPO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

13      Das EUIPO beantragt,

–        die vorliegende Rechtssache gemäß Art. 68 der Verfahrensordnung des Gerichts mit der Rechtssache T‑188/17 zu verbinden;

–        die Klage abzuweisen;

–        die Klägerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

 Rechtliche Würdigung

 Zum Verbindungsantrag

14      Das Gericht ist der Ansicht, dass kein Anlass besteht, die vorliegende Rechtssache mit der Rechtssache T‑188/17 zu verbinden, da diese Rechtssachen zum einen zwei unterschiedliche Zeichen und zum anderen Klagen betreffen, die auf die Aufhebung zweier unterschiedlicher Entscheidungen gerichtet sind. Der vom EUIPO in seiner Klagebeantwortung gestellte Antrag auf Verbindung wird daher zurückgewiesen.

 Zum Klagegegenstand

15      Vorab ist festzustellen, dass die Klägerin mit ihrem ersten Antrag die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt, soweit die Beschwerdekammer die Beschwerde zurückweist.

16      Nach Art. 65 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 72 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001) steht die Klage „den an dem Verfahren vor der Beschwerdekammer Beteiligten zu, soweit sie durch die Entscheidung beschwert sind“.

17      Die Beschwerdekammer hat jedoch der Beschwerde der Klägerin teilweise stattgegeben, indem sie die Entscheidung des Prüfers aufhob, soweit er die Eintragung des streitigen Zeichens für einen Teil der Dienstleistungen der Klasse 35, und zwar die oben in Rn. 6 aufgeführten, ablehnte.

18      Daher ist davon auszugehen, dass die Klägerin mit der vorliegenden Klage die Aufhebung von Nr. 2 des Tenors der angefochtenen Entscheidung beantragt, d. h. insoweit, als die Beschwerdekammer die Beschwerde gegen die Entscheidung des Prüfers hinsichtlich der fraglichen Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen hat (siehe oben, Rn. 7).

 Zur Begründetheit

19      Zur Stützung der Klage macht die Klägerin zwei Klagegründe geltend, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 und zweitens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung rügt.

20      Das Gericht hält es für erforderlich, von Amts wegen zu prüfen, ob im vorliegenden Fall der Pflicht zur Begründung der angefochtenen Entscheidung nachgekommen wurde.

21      Nach Art. 75 Satz 1 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 94 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001) sind die Entscheidungen des EUIPO mit Gründen zu versehen. Diese Begründungspflicht hat den gleichen Umfang wie die nach Art. 296 AEUV. Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach diesem Artikel erforderliche Begründung die Überlegungen des Urhebers des Rechtsakts so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrolle ausüben kann (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2014, CEDC International/HABM – Underberg [Form eines Grashalms in einer Flasche], T‑235/12, EU:T:2014:1058, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Begründung eines Rechtsakts muss somit folgerichtig sein und darf insbesondere keine inneren Widersprüche aufweisen, die das Verständnis der Gründe, die diesem Rechtsakt zugrunde liegen, erschweren. Der Klagegrund des Verstoßes gegen die Begründungspflicht fällt unter die Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Sinne von Art. 263 AEUV und stellt eine Rüge zwingenden Rechts dar, die der Unionsrichter von Amts wegen prüfen muss (vgl. Urteil vom 21. Januar 2016, BR IP Holder/HABM – Greyleg Investments [HOKEY POKEY], T‑62/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:23, Rn. 29 bis 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung kann der Unionsrichter, außer in besonderen Fällen wie denen, die in den Verfahrensordnungen der Unionsgerichte vorgesehen sind, seine Entscheidung nicht auf einen von Amts wegen geprüften Rechtsgrund stützen, sei er auch zwingenden Rechts, ohne die Parteien zuvor aufgefordert zu haben, sich zu diesem Gesichtspunkt zu äußern (Urteil vom 2. Dezember 2009, Kommission/Irland u. a., C‑89/08 P, EU:C:2009:742, Rn. 57; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 27. März 2014, HABM/National Lottery Commission, C‑530/12 P, EU:C:2014:186, Rn. 54).

23      Da das Gericht entschieden hat, von Amts wegen zu prüfen, ob die Beschwerdekammer ihrer Begründungspflicht gemäß Art. 75 Satz 1 der Verordnung Nr. 207/2009 nachgekommen ist, hat es die Parteien im Wege einer prozessleitenden Maßnahme aufgefordert, schriftlich zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die Begründung der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die Prüfung, welche Bedeutung die das streitige Zeichen bildenden Begriffe, insbesondere der Begriff „liner“, in der Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise, wie sie in der angefochtenen Entscheidung definiert sind, haben, mit einem Fehler oder einem Widerspruch behaftet ist. Die Parteien sind dem fristgerecht nachgekommen.

24      Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, und Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können, von der Eintragung ausgeschlossen.

25      Nach ständiger Rechtsprechung sind die Unterscheidungskraft und der beschreibende Charakter einer Marke zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung des Zeichens beantragt wird, und zum anderen im Hinblick auf ihre Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen (vgl. Urteile vom 31. Januar 2017, Coesia/EUIPO [Darstellung von zwei schrägen roten Kurven], T‑130/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:44, Rn. 12 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 18. Mai 2017, Reisswolf/EUIPO [secret.service.], T‑163/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:350, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in Rn. 16 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass – da es sich bei den in der angemeldeten Marke enthaltenen Begriffen um solche der englischen Sprache handele, „die aber auch Eingang in die deutsche Sprache gefunden“ hätten – „die englischsprachigen Verkehrskreise der Europäischen Union bei der Prüfung der absoluten Eintragungshindernisse zu berücksichtigen“ seien.

27      In Rn. 17 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer dann die Bedeutung der beiden Begriffe, aus denen die angemeldete Marke besteht, geprüft. Was insbesondere die Bedeutung des Begriffs „liner“ anbelangt, die im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits allein streitig ist, hat die Beschwerdekammer diesen Begriff im Deutschen geprüft und dazu in den Rn. 17 und 18 der angefochtenen Entscheidung auf das einsprachige Wörterbuch der deutschen Sprache, den Duden, verwiesen.

28      In den Rn. 17 und 18 der angefochtenen Entscheidung scheint sich die Beschwerdekammer auch die Analyse des Prüfers in Bezug auf die Bedeutung des Begriffs „liner“ zu eigen zu machen, indem sie ihr zustimmt. Insoweit verweist sie in Rn. 3 der angefochtenen Entscheidung darauf, dass der Prüfer die Bedeutung dieses Begriffs unter Rückgriff auf folgende Quellen geprüft habe:

–        zwei zweisprachige Wörterbücher: Englisch-Deutsch Duden-Oxford – Großwörterbuch Englisch und www.dict.cc;

–        ein deutschsprachiger Artikel vom 26. Mai 2010, veröffentlicht im Internet auf www.verkehrsrundschau.de und vom Prüfer zweimal erwähnt;

–        eine deutschsprachige Seite der Online-Enzyklopädie Wikipedia;

–        eine Internetseite der deutschen Zeitschrift VerkehrsRundschau;

–        eine Internetseite des Verkehrsclubs Deutschland e. V. (VCD);

–        eine Internetseite der deutschen Tageszeitung Süddeutsche Zeitung;

–        eine Internetseite der deutschen Zeitschrift Der Spiegel;

–        eine deutschsprachige Internetseite der Klägerin.

29      Auf der Grundlage der oben in den Rn. 27 und 28 genannten Quellen hat die Beschwerdekammer daher in den Rn. 20 bis 24 der angefochtenen Entscheidung den Schluss gezogen, dass das streitige Zeichen hinsichtlich der fraglichen Waren und Dienstleistungen unmittelbar beschreibend sei, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise es als Hinweis auf einen „besonders großen und mächtigen Lastkraftwagen beziehungsweise Fahrzeug“ verstünden, und in den Rn. 34 bis 37 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass das streitige Zeichen auch nicht unterscheidungskräftig sei.

30      Diese Beurteilung der Beschwerdekammer ist damit sowohl unzureichend als auch widersprüchlich begründet.

31      Wie oben in Rn. 25 ausgeführt, entspricht es nämlich ständiger Rechtsprechung, dass die Unterscheidungskraft und der beschreibende Charakter einer Marke im Hinblick auf ihre Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen sind. Da die Beschwerdekammer aber festgestellt hat, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die englischsprachigen Verkehrskreise der Europäischen Union seien, was die Parteien im Übrigen nicht bestreiten, musste sie prüfen, welche Bedeutung die Begriffe, aus denen die angemeldete Marke besteht, und insbesondere der Begriff „liner“ im Englischen haben.

32      Es ist jedoch festzustellen, dass sich die Beschwerdekammer hierzu fast ausschließlich auf deutschsprachige Quellen gestützt hat. In Rn. 17 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer nämlich die Bedeutung des Begriffs „liner“ „im Deutschen“, wie sie aus dem Wörterbuch Duden hervorgeht, erwähnt. Desgleichen hat sie in Rn. 18 der angefochtenen Entscheidung dieses Wörterbuch verwendet, um die Bedeutung des Begriffs „Gigaliner“ festzustellen. Die anderen in der angefochtenen Entscheidung angeführten Quellen (siehe oben, Rn. 28), sind mit einer Ausnahme alle in deutscher Sprache.

33      Zwar führt die Beschwerdekammer in Rn. 16 der angefochtenen Entscheidung aus, dass es sich bei den in der angemeldeten Marke enthaltenen Begriffen um solche handele, „die auch Eingang in die deutsche Sprache gefunden hätten“, und bezieht sich dafür auf dasselbe, oben in Rn. 32 erwähnte einsprachige Wörterbuch der deutschen Sprache. Jedoch hat sie in derselben Randnummer der angefochtenen Entscheidung definiert, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die „englischsprachigen Verkehrskreise der Europäischen Union“ seien. Unter diesen Umständen entbindet die bloße Tatsache, dass ein englisches Wort Eingang in eine andere Sprache gefunden hat, die Beschwerdekammer nicht von ihrer Pflicht, die Bedeutung des fraglichen Begriffs für die von ihr selbst definierten maßgeblichen Verkehrskreise zu prüfen, wie es die oben in Rn. 25 angeführte Rechtsprechung verlangt.

34      Mithin hat die Beschwerdekammer, indem sie zum einen festgestellt hat, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die „englischsprachigen Verkehrskreise der Europäischen Union“ seien, und zum anderen geprüft hat, welche Bedeutung der Begriff „liner“ in der deutschen Sprache hat, die angefochtene Entscheidung mit einer widersprüchlichen Begründung versehen.

35      Was die beiden einzigen sich auf die englische Sprache beziehenden Quellen anbelangt, auf die in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen wird, nämlich die zweisprachigen Wörterbücher Duden-Oxford – Großwörterbuch Englisch und www.dict.cc, ist darauf hinzuweisen, dass sich der Prüfer nicht auf sie bezieht, um die Bedeutung des Begriffs „liner“ in der englischen Sprache selbst zu ermitteln, sondern nur um festzustellen, wie dieser Begriff ins Deutsche „zu übersetzen“ ist, wie sich aus dem Wortlaut der Rn. 3 zweiter Gedankenstrich der angefochtenen Entscheidung ergibt. Die Beschwerdekammer hat sich jedoch auf keine andere englischsprachige Quelle bezogen. Sie hat also nicht die Bedeutung dieses Begriffs anhand einsprachiger Quellen der englischen Sprache, wie einsprachige Wörterbücher, entsprechende Fachliteratur oder einschlägige Internetseiten in dieser Sprache, geprüft, obwohl die Klägerin als Beispiel eine Kopie der englischsprachigen Seite der Online-Enzyklopädie Wikipedia zum Begriff „liner“ vorgelegt hat, die die Beschwerdekammer bei ihrer Analyse der Bedeutung dieses Begriffs jedoch nicht verwendet hat. Vielmehr wurde die Website Wikipedia, allerdings in ihrer deutschsprachigen Fassung, in Rn. 3 der angefochtenen Entscheidung (vgl. oben, Rn. 28 dritter Gedankenstrich) berücksichtigt.

36      Unter diesen Umständen reicht der bloße Verweis auf die zweisprachigen Wörterbücher Englisch-Deutsch Duden-Oxford – Großwörterbuch Englisch und www.dict.cc nicht aus, um die Bedeutung des Begriffs „liner“ in der englischen Sprache festzustellen, zumal die Klägerin im Verwaltungsverfahren bestritten hatte, dass die Begriffe, aus denen das streitige Zeichen besteht, im Englischen „ein besonders großer und mächtiger Lastkraftwagen beziehungsweise Fahrzeug“ bedeuteten. Die Klägerin hatte im Verwaltungsverfahren zwar eingeräumt, dass der Begriff „liner“ mit „Linienfahrzeug“ ins Deutsche übersetzt werden könne, machte allerdings geltend, dass dieser Begriff im Englischen – entgegen den Feststellungen des Prüfers – nicht üblicherweise für die Bezeichnung von Landfahrzeugen wie Personen- und Lastkraftwagen oder Traktoren verwendet werde, sondern nur für Schiffe und Flugzeuge, die aber nicht zu den fraglichen Waren und Dienstleistungen gehörten.

37      Auch lässt keine der in der angefochtenen Entscheidung angeführten Quellen die Feststellung zu, dass das in Rede stehende Wortzeichen im Englischen die anderen fraglichen Waren und Dienstleistungen bezeichnen könnte, wie etwa landwirtschaftliche Geräte, Mähdrescher, Feldhäcksler, Ballenpressen, Ackerschlepper, landwirtschaftliche Transportgeräte, Ladewagen, Mähwerke, Wender und Schwader, Bodenbearbeitungsmaschinen und ‑geräte, Sämaschinen, Geräte zur Ausbringung von Dünger und Pflanzenschutzmitteln, handbetätigte Geräte für land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke.

38      Daraus folgt, dass, wie die Klägerin in ihrer Antwort auf die prozessleitende Maßnahme geltend macht, die Beschwerdekammer die Bedeutung des Begriffs „liner“ im Englischen nicht ausreichend geprüft und damit nicht beurteilt hat, wie das streitige Zeichen von den maßgeblichen Verkehrskreisen, wie sie sie selbst definiert hat, wahrgenommen wird. Unter diesen Umständen reicht die Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht aus, um die Überlegungen des Urhebers des Rechtsakts so klar und eindeutig im Sinne der oben in Rn. 21 angeführten Rechtsprechung zum Ausdruck zu bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrolle wahrnehmen kann.

39      Keines der vom EUIPO in seiner Antwort auf die prozessleitende Maßnahme vorgebrachten Argumente kann dieses Ergebnis in Frage stellen. Erstens ist zum Argument, in der angefochtenen Entscheidung werde ausgeführt, dass die englischsprachigen Verkehrskreise der Union „zu berücksichtigen“ seien, was nicht bedeute, dass diese Verkehrskreise die einzigen wären, die berücksichtigt werden müssten, festzustellen, dass dieses Vorbringen durch den Wortlaut der angefochtenen Entscheidung widerlegt wird, in der die maßgeblichen Verkehrskreise als die „englischsprachigen Verkehrskreise der Europäischen Union“ definiert werden. Dieses Argument kann daher nur zurückgewiesen werden.

40      Zweitens ist zum Vorbringen des EUIPO, der in Rn. 3 der angefochtenen Entscheidung erwähnte Begriff „Gigaliner“ werde auch vom englischsprachigen Publikum als Hinweis auf Lastkraftwagen verstanden, festzustellen, dass dieses Vorbringen durch nichts belegt ist und jedenfalls die einzige in der angefochtenen Entscheidung dazu angeführte Quelle ein deutschsprachiger Artikel ist.

41      Drittens ist zum Vorbringen des EUIPO, dass zu den englischsprachigen Verkehrskreisen der Union auch Personen gehörten, die eine andere Muttersprache als das Englische hätten, dieses aber gut beherrschten, und folglich die Bezugnahme des Prüfers auf deutschsprachige Internetseiten nicht der in der angefochtenen Entscheidung vorgenommenen Begriffsanalyse des Wortes „liner“ widerspreche, festzustellen, dass mit diesem Vorbringen, für das im Übrigen nicht der geringste Beleg angeführt wird, keineswegs der Nachweis erbracht wird, dass Personen, die das Englische beherrschen, deutschsprachige Quellen verstünden.

42      Daher ist Nr. 2 des Tenors der angefochtenen Entscheidung aufzuheben, ohne dass die von der Klägerin mit ihrer Klage geltend gemachten Gründe und Argumente zu prüfen wären.

 Kosten

43      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin beantragt, das EUIPO zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das EUIPO unterlegen ist, ist dem Antrag der Klägerin stattzugeben und sind dem EUIPO die der Klägerin im Verfahren vor dem Gericht entstandenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Nr. 2 des Tenors der Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 9. Januar 2017 (Sache R 442/20161) wird aufgehoben.

2.      Das EUIPO trägt neben seinen eigenen Kosten die der Bernard Krone Holding SE & Co. KG im Verfahren vor dem Gericht entstandenen Kosten.

Tomljenović

Bieliūnas

Kornezov

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 4. Mai 2018.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      V. Tomljenović


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