T-167/13 – Comune di Milano/ Kommission

T-167/13 – Comune di Milano/ Kommission

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:T:2018:940

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTS (Dritte erweiterte Kammer)

13. Dezember 2018(*)

„Staatliche Beihilfen – Bodenabfertigungsdienste – Kapitaleinlagen der SEA zugunsten der SEA Handling – Beschluss, mit dem die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt und ihre Rückforderung angeordnet wird – Begriff der Beihilfe – Zurechenbarkeit zum Staat – Kriterium des privaten Kapitalgebers – Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens – Verteidigungsrechte – Recht auf eine geordnete Verwaltung – Berechtigtes Vertrauen“

In der Rechtssache T‑167/13

Comune di Milano (Italien), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte S. Grassani und A. Franchi, dann Rechtsanwalt S. Grassani,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch G. Conte und D. Grespan als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen einer Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2015/1225 der Kommission vom 19. Dezember 2012 über die von der SEA SpA zugunsten der SEA Handling SpA vorgenommenen Kapitalerhöhungen (SA.21420 [C 14/10] [ex NN 25/10] [ex CP 175/06]) (ABl. 2015, L 201, S. 1)

erlässt

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude sowie der Richter V. Kreuschitz (Berichterstatter) und I. S. Forrester, der Richterin N. Półtorak und des Richters E. Perillo,

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2018

folgendes

Urteil(1)

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

A.      Allgemeiner Rahmen

1        Die SEA SpA betreibt die Flughäfen Mailand‑Linate und Mailand‑Malpensa (Italien). Von 2002 bis 2010 (im Folgenden: in Rede stehender Zeitraum) wurde ihr Kapital nahezu vollständig von staatlichen Stellen gehalten, und zwar zu 84,56 % von der Klägerin, der Comune di Milano (Italien), zu 14,56 % von der Provincia di Milano (Italien) und zu 0,88 % von sonstigen öffentlichen und privaten Kleinaktionären. Im Dezember 2011 erwarb F2i – Fondi Italiani per le infrastrutture SGR SpA (im Folgenden: F2i) für Rechnung zweier von ihr gehaltener Fonds 44,31 % des Kapitals der SEA, und zwar einen Teil des von der Klägerin gehaltenen Kapitals (29,75 %) und das gesamte von der Provincia di Milano gehaltene Kapital (14,56 %).

2        Bis zum 1. Juni 2002 erbrachte die SEA die Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen Mailand-Linate und Mailand-Malpensa selbst. Nach Inkrafttreten des Gesetzesdekrets Nr. 18/99 vom 13. Januar 1999 (Gazzetta ufficiale della Repubblica italiana Nr. 28 vom 4. Februar 1999) zur Umsetzung der Richtlinie 96/67/EG des Rates vom 15. Oktober 1996 über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft (ABl. 1996, L 272, S. 36) in italienisches Recht vollzog die SEA gemäß der in Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Verpflichtung die buchmäßige und rechtliche Trennung zwischen den mit den Bodenabfertigungsdiensten verbundenen und ihren übrigen Tätigkeiten. Zu diesem Zweck gründete sie eine neue, zur Gänze von ihr kontrollierte Gesellschaft, die SEA Handling SpA. Die SEA Handling erbrachte ab dem 1. Juni 2002 Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen Mailand-Linate und Mailand-Malpensa.

B.      Verwaltungsverfahren

3        Mit Schreiben vom 13. Juli 2006 erhielt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften eine Beschwerde wegen mutmaßlicher Beihilfemaßnahmen zugunsten der SEA Handling (im Folgenden: in Rede stehende Maßnahmen).

4        Mit Schreiben vom 6. Oktober 2006 ersuchte die Kommission die italienischen Behörden um Erläuterungen zu dieser Beschwerde. Nach beantragter und genehmigter Verlängerung der Beantwortungsfrist übermittelten die italienischen Behörden der Kommission die geforderten Erläuterungen mit Schreiben vom 9. Februar 2007.

5        Mit Schreiben vom 30. Mai 2007 unterrichtete die Kommission den Beschwerdeführer, dass ihr im vorliegenden Fall keine ausreichenden Informationen vorlägen, aus denen sie eine Übertragung staatlicher Mittel gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV ableiten könne, weshalb gemäß Art. 20 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. [108 AEUV] (ABl. 1999, L 83, S. 1) keine ausreichenden Gründe bestünden, die in Rede stehenden Maßnahmen näher zu prüfen. Mit Schreiben vom 24. Juli 2007 übermittelte der Beschwerdeführer der Kommission zusätzliche Informationen. Diese beschloss daraufhin, die Beschwerde erneut zu prüfen.

6        Mit Schreiben vom 3. März 2008 forderte die Kommission bei den italienischen Behörden eine Kopie der am 26. März 2002 geschlossenen Vereinbarung der Sozialpartner (im Folgenden: Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002) an. Mit Schreiben vom 10. April 2008 übermittelten die italienischen Behörden das angeforderte Dokument.

7        Mit Schreiben vom 20. November 2008 übermittelten die italienischen Behörden der Kommission eine weitere Vereinbarung der Sozialpartner, die am 13. Juni 2008 geschlossen worden war (im Folgenden: Gewerkschaftsvereinbarung vom 13. Juni 2008).

8        Mit Schreiben vom 23. Juni 2010 setzte die Kommission die italienischen Behörden von ihrem Beschluss in Kenntnis, das formelle Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV zu eröffnen (im Folgenden: Eröffnungsbeschluss), und forderte die italienischen Behörden auf, ihr bestimmte für die Beurteilung der Vereinbarkeit der in Rede stehenden Maßnahmen mit dem Binnenmarkt erforderliche Informationen und Angaben zu übermitteln. Mit der Veröffentlichung des Eröffnungsbeschlusses am 29. Januar 2011 im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2011, C 29, S. 10) forderte die Kommission die Beteiligten auf, ihre Stellungnahme zu den in Rede stehenden Maßnahmen innerhalb eines Monats nach dieser Veröffentlichung abzugeben.

9        Nach Beantragung und Gewährung einer Verlängerung der Beantwortungsfrist legten die italienischen Behörden mit Schreiben vom 20. September 2010 die Stellungnahme der Klägerin zum Eröffnungsbeschluss vor.

10      Nach Beantragung und Gewährung einer Verlängerung der Beantwortungsfrist legten die SEA Handling und die SEA mit Schreiben vom 21. März 2011 ihre Stellungnahme zum Eröffnungsbeschluss vor.

11      Mit Schreiben vom 7. April 2011 leitete die Kommission die Stellungnahmen betroffener Dritter an die italienischen Behörden weiter und forderte diese auf, sich dazu zu äußern. Nach Beantragung und Gewährung einer Verlängerung der Beantwortungsfrist legten die italienischen Behörden ihre Erwiderungen auf die Stellungnahmen der Dritten vor und brachten neue Argumente in Form einer Studie eines Consultingunternehmens vor.

12      Mit Schreiben vom 11. Juli 2011 ersuchte die Kommission die italienischen Behörden um die Übermittlung der Informationen, die sie bereits im Eröffnungsbeschluss angefordert hatte. Nachdem die italienischen Behörden zwei Mal um eine Verlängerung der Frist für die Beantwortung ersucht hatten, sie ihnen jedoch nur einmal gewährt worden war, legten sie die gewünschten Auskünfte mit Schreiben vom 15. September 2011 vor.

13      Mit Schreiben vom 21. Oktober 2011 ergänzten die italienischen Behörden die vorstehend genannte Stellungnahme.

14      Am 19. Juni und am 23. November 2012 fanden zwei Treffen zwischen den Dienststellen der Kommission und den italienischen Behörden statt. Nach dem ersten dieser Treffen übermittelten die italienischen Behörden neue Argumente mit Schreiben vom 2. und vom 10. Juli 2012.

C.      Angefochtener Beschluss

15      Am 19. Dezember 2012 erließ die Kommission den Beschluss (EU) 2015/1225 über die von der SEA zugunsten der SEA Handling vorgenommenen Kapitalerhöhungen (SA.21420 [C 14/10] [ex NN 25/10] [ex CP 175/06]) (Bekanntgegeben unter Aktenzeichen C[2012] 9448) (ABl. 2015, L 201, S. 1, im Folgenden: angefochtener Beschluss).

16      Im verfügenden Teil des angefochtenen Beschlusses stellte die Kommission insbesondere fest, dass „[d]ie Kapitalerhöhungen, die SEA zugunsten … [der] SEA Handling für jedes Geschäftsjahr im Zeitraum 2002-2010 (für einen geschätzten Gesamtbetrag von 359,644 Mio. [Euro], ohne Rückforderungszinsen) vorgenommen hat, … staatliche Beihilfen im Sinne des Artikels 107 AEUV [darstellen]“ (Art. 1) und dass „[d]iese unter Verstoß gegen Artikel 108 Absatz 3 AEUV gewährten Beihilfen … mit dem Binnenmarkt unvereinbar [sind]“ (Art. 2). Folglich verfügte sie, dass „[die Italienische Republik] … die in Art. 1 genannten Beihilfen vom Begünstigten zurückfordern [muss]“ (Art. 3 Abs. 1).

II.    Verfahren und Anträge der Beteiligten

17      Mit Klageschrift, die am 18. März 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

18      Mit besonderem Schriftsatz, der am 21. März 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, der unter dem Aktenzeichen T‑167/13 R in das Register eingetragen worden ist. Da die Klägerin ihren Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgenommen hat, ist die Rechtssache T‑167/13 R mit Beschluss vom 20. Juni 2013, Comune di Milano/Kommission (T‑167/13 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:331), im Register des Gerichts gestrichen worden, wobei die Kosten vorbehalten worden sind.

19      Mit Schriftsatz, der am 10. Mai 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat F2i beantragt, in der vorliegenden Rechtssache als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 4. November 2014, Comune di Milano/Kommission (T‑167/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:936), hat der Präsident der Vierten Kammer des Gerichts diesen Streithilfeantrag zurückgewiesen.

20      Mit besonderem Schriftsatz, der am 5. Juni 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission eine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Art. 114 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 erhoben. Die Klägerin hat ihre Stellungnahme zu dieser Einrede am 22. Juli 2013 eingereicht. Mit Beschluss des Gerichts vom 9. September 2014 ist die Entscheidung über die Einrede und über die Kosten dem Endurteil vorbehalten worden.

21      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Dritten Kammer zugeteilt worden, der daher die vorliegende Rechtssache gemäß Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung des Gerichts zugewiesen worden ist.

22      Da ein Mitglied der Dritten Kammer an der weiteren Mitwirkung am Verfahren gehindert war, hat der Präsident des Gerichts einen anderen Richter zur Vervollständigung der Kammer bestimmt.

23      Auf Vorschlag der Dritten Kammer hat das Gericht beschlossen, die vorliegende Rechtssache sowie die Rechtssachen T‑125/13, Italienische Republik/Kommission, und T‑152/13, SEA Handling/Kommission, in denen ebenfalls die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses begehrt wurde, gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung an einen erweiterten Spruchkörper zu verweisen.

24      In Anbetracht der oben in Rn. 22 erwähnten Verhinderung eines Mitglieds der Dritten Kammer hat der Präsident den Vizepräsidenten zur Vervollständigung der Dritten erweiterten Kammer bestimmt.

25      Mit Beschluss des Präsidenten der Dritten erweiterten Kammer des Gerichts vom 21. April 2017 sind die Rechtssachen T‑125/13, T‑152/13 und T‑167/13 nach Anhörung der Hauptbeteiligten gemäß Art. 68 der Verfahrensordnung zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer das Verfahren beendender Entscheidung verbunden worden.

26      Das Gericht (Dritte erweiterte Kammer) hat auf Vorschlag des Berichterstatters beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen.

27      In Anwendung von Art. 19 Abs. 2 der Verfahrensordnung hat der Präsident der Dritten erweiterten Kammer des Gerichts die Entscheidungen über die Aufhebung der Verbindung der Rechtssachen T‑125/13, T‑152/13 und T‑167/13 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer das Verfahren beendender Entscheidung und über die Streichung der Rechtssache T‑125/13 im Register des Gerichts auf die Kammer übertragen.

28      Mit Beschluss vom 22. Januar 2018, Italien u. a./Kommission (T‑125/13, T‑152/13 und T‑167/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:35), hat das Gericht erstens die Verbindung der Rechtssachen T‑125/13, T‑152/13 und T‑167/13 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer das Verfahren beendender Entscheidung gemäß Art. 68 Abs. 3 der Verfahrensordnung aufgehoben, zweitens die Rechtssache T‑125/13 im Register des Gerichts gestrichen, drittens festgestellt, dass sich die Klage der SEA Handling in der Rechtssache T‑152/13 erledigt hat, und viertens die Kosten in der Rechtssache T‑167/13 vorbehalten.

29      Die Beteiligten haben in der Sitzung vom 28. Februar 2018 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

30      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, die Art. 3, 4 und 5 des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

31      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

A.      Zur Zulässigkeit

32      Die Kommission bestreitet die Zulässigkeit der vorliegenden Klage und macht geltend, die Klägerin sei vom angefochtenen Beschluss nicht individuell betroffen und habe kein „spezifisches und autonomes Rechtsschutzinteresse“.

33      Was erstens die Frage anbelangt, ob die Klägerin vom angefochtenen Beschluss individuell betroffen ist, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung andere Personen als die Adressaten einer Entscheidung nur dann individuell betroffen sein können, wenn diese Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten einer solchen Entscheidung (Urteile vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission, 25/62, EU:C:1963:17, S. 217, vom 28. Januar 1986, Cofaz u. a./Kommission, 169/84, EU:C:1986:42, Rn. 22, und vom 13. Dezember 2005, Kommission/Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum, C‑78/03 P, EU:C:2005:761, Rn. 33).

34      Nach der Rechtsprechung kann auch die Rechtsstellung einer Einheit, die kein Mitgliedstaat ist, aber Rechtspersönlichkeit besitzt und eine von der Kommission in einer endgültigen Entscheidung als staatliche Beihilfe eingestufte Maßnahme getroffen hat (im Folgenden: Beihilfegeber), durch die Entscheidung individuell betroffen sein, wenn sie sie daran hindert, ihre eigenen Befugnisse, die insbesondere in der Gewährung der betreffenden Beihilfe bestehen, in der von ihr gewünschten Weise auszuüben (vgl. Urteil vom 17. Juli 2014, Westfälisch-Lippischer Sparkassen- und Giroverband/Kommission, T‑457/09, EU:T:2014:683, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Im Wesentlichen vertritt die Kommission die Auffassung, dass die Klägerin, obwohl ihr die in Rede stehenden Maßnahmen zuzurechnen seien, nicht als Beihilfegeberin im Sinne der oben in Rn. 34 angeführten Rechtsprechung anzusehen sei.

36      Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Kommission entgegen, das sie als widersprüchlich erachtet. Nach Ansicht der Klägerin ist ein Kläger logischerweise als Beihilfegeber anzusehen, wenn die Kommission im angefochtenen Beschluss feststellt, dass ihm die in Rede stehenden Maßnahmen zuzurechnen seien.

37      Aus Art. 1 des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass die Kommission der Ansicht ist, dass „[d]ie Kapitalerhöhungen, die SEA zugunsten ihrer Tochtergesellschaft SEA Handling … vorgenommen hat, … staatliche Beihilfen im Sinne des Artikels 107 AEUV [darstellen]“, und dass daher die SEA die in Rede stehenden Maßnahmen durchgeführt habe.

38      Jedoch ergibt sich aus den Erwägungsgründen 190 bis 217 des angefochtenen Beschlusses, dass die Kommission nur deshalb zu dem Ergebnis kommen konnte, dass staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegen, weil sie sich auf ihre Beurteilung gestützt hat, dass die betreffenden von der SEA durchgeführten Maßnahmen der Klägerin und somit der Italienischen Republik zuzurechnen seien.

39      Nach ständiger Rechtsprechung kann allein daraus, dass Maßnahmen von einem vom Staat kontrollierten öffentlichen Unternehmen getroffen worden sind, nicht geschlossen werden, dass ihr Erlass dem Staat gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV zurechenbar ist. Auch wenn der Staat in der Lage ist, ein öffentliches Unternehmen zu kontrollieren und einen bestimmenden Einfluss auf dessen Tätigkeiten auszuüben, kann nicht ohne Weiteres vermutet werden, dass diese Kontrolle in einem konkreten Fall tatsächlich ausgeübt wird. Es muss außerdem geprüft werden, ob davon auszugehen ist, dass die Behörden in irgendeiner Weise am Erlass dieser Maßnahmen beteiligt waren. Insoweit kann nicht verlangt werden, dass anhand einer genauen Anweisung nachgewiesen wird, dass die Behörden das öffentliche Unternehmen konkret veranlasst haben, die in Rede stehenden Beihilfemaßnahmen zu treffen. Die Zurechenbarkeit einer Beihilfemaßnahme eines öffentlichen Unternehmens an den Staat kann nämlich aus einer Gesamtheit von Indizien abgeleitet werden, die sich aus den Umständen des konkreten Falles und aus dem Kontext ergeben, in dem diese Maßnahme ergangen ist. Insbesondere ist jedes Indiz von Bedeutung, das im konkreten Fall entweder auf eine Beteiligung der Behörden oder auf die Unwahrscheinlichkeit einer fehlenden Beteiligung am Erlass einer Maßnahme, wobei auch deren Umfang, ihr Inhalt oder ihre Bedingungen zu berücksichtigen sind, oder auf das Fehlen einer Beteiligung der Behörden am Erlass dieser Maßnahme hinweist (vgl. Urteil vom 17. September 2014, Commerz Nederland, C‑242/13, EU:C:2014:2224, Rn. 31 bis 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Es ist festzustellen, dass es der Kommission im vorliegenden Fall nicht möglich gewesen wäre, die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die in Rede stehenden Maßnahmen dem italienischen Staat zuzurechnen seien, wenn ihr Vorbringen akzeptiert werden müsste, dass die „bloße“ Beteiligung einer Gebietskörperschaft an den Entscheidungen einer von ihr kontrollierten Gesellschaft nicht ausreichen könne, um diese Einrichtung als individuell von einem Beschluss betroffen anzusehen, mit dem die Rückforderung eines durch diese Entscheidung gewährten Vorteils als rechtswidrige staatliche Beihilfe angeordnet werde. Aus der oben in Rn. 39 angeführten Rechtsprechung ergibt sich, dass diese Zurechenbarkeit zum Staat voraussetzt, dass die Beteiligung der staatlichen Behörden so ausgestaltet ist, dass sie einer Anweisung durch diese Behörden gleichkommt. Daraus folgt, dass die Kommission der Klägerin dadurch, dass sie die Ansicht vertritt, dass ihr als staatlicher Stelle die in Rede stehenden Maßnahmen zuzurechnen sind, notwendigerweise eine entscheidende Rolle beim Prozess des Erlasses dieser Maßnahmen zugesteht.

41      Unter diesen Umständen kritisiert die Klägerin das Vorbringen der Kommission, wonach die Klägerin keine Beihilfegeberin sei, obwohl ihr die in Rede stehenden Maßnahmen zuzurechnen seien, zu Recht als in sich widersprüchlich. Wenn die Klägerin die staatliche Stelle ist, die am Erlass der in Rede stehenden Maßnahmen in dem Maße beteiligt war, dass ihr diese gemäß den oben in Rn. 39 angeführten Kriterien zuzurechnen sind, ist die Klägerin vielmehr als Beihilfegeberin anzusehen (vgl. oben, Rn. 34). In diesem Zusammenhang ist es irrelevant, dass diese Maßnahmen durch die SEA durchgeführt wurden, da diese Gesellschaft auch nach Ansicht der Kommission auf Veranlassung der Klägerin handelte.

42      Die Klägerin trägt vor, der angefochtene Beschluss habe erhebliche Auswirkungen auf ihre Befugnisse gemäß der italienischen Verfassung, ohne dass dies von der Kommission bestritten würde. Als Gebietskörperschaft, die den Bedürfnissen ihrer Bevölkerung am nächsten stehe, sei es ihre Aufgabe, auf deren Interessen und Wohlergehen zu achten, insbesondere dadurch, dass sie dafür Sorge trage, schwerwiegende Folgen auf den Arbeitsmarkt aufgrund der Insolvenz der SEA Handling zu vermeiden, und dadurch, dass die Fortsetzung der Tätigkeit auf den Flughäfen Mailand-Linate und Mailand-Malpensa als wesentlicher Bestandteil der Mailänder Wirtschaft sichergestellt werde.

43      Somit betrifft der angefochtene Beschluss die Klägerin individuell im Sinne der oben in Rn. 34 angeführten Rechtsprechung, da er sie daran hindert, wie beabsichtigt die ihr von der italienischen Verfassung verliehenen eigenen Befugnisse auszuüben, die im vorliegenden Fall in Maßnahmen bestehen, die darauf abzielen, die finanzielle Stabilität der SEA Handling zu garantieren, und daher zum einen, die Arbeitsplätze in diesem Unternehmen zu sichern und zum anderen, die Kontinuität der Tätigkeit auf den Flughäfen Mailand-Linate und Mailand-Malpensa sicherzustellen.

44      Daher ist die Einrede der Unzulässigkeit der Kommission zurückzuweisen, soweit sie auf die Feststellung abzielt, dass die Klägerin vom angefochtenen Beschluss nicht individuell betroffen sei.

45      Was zweitens das Vorbringen der Kommission anbelangt, wonach die Klägerin kein „spezifisches und autonomes Rechtsschutzinteresse“, habe, so ist eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person nach ständiger Rechtsprechung nur zulässig, wenn diese Person ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Ein solches Interesse setzt voraus, dass die Nichtigerklärung dieser Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann und der Rechtsbehelf der Partei, die ihn eingelegt hat, damit im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann. Das Rechtsschutzinteresse eines Klägers muss bestehend und gegenwärtig sein. Es muss im Hinblick auf den Klagegegenstand bei Klageerhebung gegeben sein – andernfalls ist die Klage unzulässig – und bis zum Erlass der gerichtlichen Entscheidung weiter vorliegen, andernfalls ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (vgl. Urteil vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission, C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 55 bis 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Aus der Rechtsprechung geht indessen nicht hervor, dass ein Rechtsschutzinteresse nicht nur die oben in Rn. 45 angeführten Voraussetzungen erfüllen, sondern auch „spezifisch und autonom“ sein muss, wie dies die Kommission jedoch behauptet.

47      Im vorliegenden Fall trägt die Klägerin in ihrer Antwort auf eine prozessleitende Maßnahme des Gerichts vor, die SEA und sie selbst seien von einer auf dem Gebiet der Bodenabfertigungsdienste tätigen Gesellschaft vor dem Tribunale di Milano (Gericht von Mailand, Italien) verklagt worden. Diese Gesellschaft begehre den Ersatz des Schadens (in Höhe von ungefähr 93 Mio. Euro), den sie angeblich aufgrund der von der SEA zugunsten der SEA Handling ergriffenen Maßnahmen erlitten habe, die Gegenstand des angefochtenen Beschlusses seien. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ausgeführt, dass dieses Verfahren vor dem Tribunale di Milano (Gericht von Mailand) bis zum Erlass des Urteils des Gerichts in der vorliegenden Rechtssache „informell“ ausgesetzt worden sei.

48      Es ist festzustellen, dass die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses in der vorliegenden Rechtssache es der Klägerin ermöglichen würde, sich vor dem Tribunale di Milano (Gericht von Mailand) mit dem Vorbringen zu verteidigen, dass die in Rede stehenden Maßnahmen keine mit dem Binnenmarkt unvereinbaren staatlichen Beihilfen seien, wie die Kommission in diesem Beschluss festgestellt hat. Diese Nichtigerklärung kann somit an sich wichtige Rechtsfolgen für die Verteidigung der Klägerin vor dem Tribunale di Milano (Gericht von Mailand) haben, so dass ihr die vorliegende Klage durch ihr Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann.

49      Daher ist die Einrede der Unzulässigkeit der Kommission auch insoweit zurückzuweisen, als sie das Vorliegen eines „spezifischen und autonomen Rechtsschutzinteresses“ der Klägerin bestreitet.

B.      Zur Begründetheit

1.      Zusammenfassung der Nichtigkeitsgründe

50      Zur Stützung ihrer Klage macht die Klägerin vier Klagegründe geltend.

51      Mit dem ersten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV geltend gemacht, da die Kommission fälschlicherweise festgestellt habe, dass eine Übertragung staatlicher Mittel stattgefunden habe und dass die in Rede stehenden Maßnahmen dem italienischen Staat zurechenbar seien.

52      Mit dem zweiten Klagegrund rügt die Klägerin einen Verstoß der Kommission gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV, da sie das Kriterium des privaten Kapitalgebers verkannt habe.

53      Mit dem dritten Klagegrund wird gerügt, die Kommission habe die Voraussetzungen für die Vereinbarkeit der in Rede stehenden Maßnahmen mit dem Binnenmarkt insbesondere dadurch missachtet, dass sie gegen die Leitlinien der Gemeinschaft für Staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (ABl. 1999, C 288, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 1999), gegen die Leitlinien der Gemeinschaft für Staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (ABl. 2004, C 244, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2004) sowie gegen die Gemeinschaftlichen Leitlinien für die Finanzierung von Flughäfen und die Gewährung staatlicher Anlaufbeihilfen für Luftfahrtunternehmen auf Regionalflughäfen (ABl. 2005, C 312, S. 1, im Folgenden: Leitlinien für den Flughafensektor) verstoßen habe.

54      Mit dem vierten Klagegrund macht die Klägerin einen Verstoß gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens, eine Verletzung der Verteidigungsrechte sowie einen Verstoß gegen die Grundsätze der „guten Verwaltung“ und des Vertrauensschutzes geltend.

2.      Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV durch Verkennen der Kriterien der Übertragung staatlicher Mittel und der Zurechenbarkeit der in Rede stehenden Maßnahmen zum Staat sowie Verstoß gegen die Begründungspflicht

a)      Tragweite des Klagegrundes

55      Mit ihrem ersten Klagegrund macht die Klägerin geltend, die Kommission habe dadurch, dass sie im Wesentlichen festgestellt habe, dass die in Rede stehenden Maßnahmen ihr zuzurechnen und daher staatlicher Natur seien, gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV verstoßen. Insbesondere habe sie die gebotenen Beweisanforderungen für den Nachweis, dass die Entscheidungen der SEA, die Verluste der SEA Handling auszugleichen, der Klägerin zuzurechnen seien, nicht erfüllt.

56      Nach Ansicht der Klägerin war es zum Nachweis, dass das Kriterium der Zurechenbarkeit zum Staat erfüllt sei, notwendig, die konkrete Beteiligung des Staates am Management der von ihm kontrollierten Gesellschaften zu beweisen. Wenn die Beweise Indizcharakter hätten, müssten sie sich auf „genaue und im Lichte der Umstände der konkreten Sachlage einschlägige Indizien“ stützen. Wenn sich die Maßnahmen, wie im vorliegenden Fall über einen Zeitraum von mehreren Jahren, nämlich den in Rede stehenden Zeitraum erstreckten, könne der Beweis nicht durch „in diesem Zeitraum verstreut gesammelte Indizien“ erbracht werden. Es obliege der Kommission, die logische Verknüpfung und die Kohärenz zwischen den verschiedenen während des in Rede stehenden Zeitraums erlassenen Maßnahmen nachzuweisen. Die Beteiligung des Staates hätte in Bezug auf spezielle Maßnahmen nachgewiesen werden müssen, die staatliche Beihilfen darstellten. Der Beweislast der Kommission komme umso größere Bedeutung zu, als sie die Voruntersuchung im Mai 2007 wegen Mangels an Beweisen beendet habe.

57      Insbesondere ist die Klägerin der Ansicht, die im angefochtenen Beschluss enthaltenen Indizien könnten weder einzeln noch gemeinsam eine angemessene Grundlage für die Zurechnung der in Rede stehenden Maßnahmen zum italienischen Staat sein. Hingegen habe die Kommission die „Gegenindizien“ nicht hinreichend gewürdigt, die die Klägerin im Laufe des Verwaltungsverfahrens angeführt habe, nämlich die wiederholte Ablehnung durch die Direktion der SEA von Anträgen auf Zugang zu Informationen, die von bestimmten Mitgliedern des Stadtrats gestellt und vom Präsidenten des Stadtrats unterstützt worden seien. Daraus werde ersichtlich, dass die Klägerin bei der SEA keine wichtige Rolle gespielt habe. Somit habe die Kommission auch gegen ihre Begründungspflicht verstoßen.

58      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

59      Insoweit ist als Erstes das Vorliegen einer Übertragung staatlicher Mittel, als Zweites das Vorbringen der Klägerin, mit dem der Kommission vorgeworfen wird, sie habe ihre Pflicht verletzt, die logische Verknüpfung und Kohärenz zwischen den verschiedenen Indizien nachzuweisen, von denen die Kommission annehme, dass sie die Zurechenbarkeit aller in Rede stehenden Maßnahmen zum italienischen Staat bewiesen, und als Drittes das Vorbringen, wonach die Kommission die gebotenen Beweisanforderungen für den Nachweis, dass die Entscheidungen der SEA, die Verluste der SEA Handling auszugleichen, der Klägerin zuzurechnen seien, nicht erfüllt habe, zu prüfen.

b)      Zur Übertragung staatlicher Mittel

60      Damit Vergünstigungen als Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft werden können, müssen sie nach ständiger Rechtsprechung zum einen unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden und zum anderen dem Staat zuzurechnen sein (Urteile vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission, C‑482/99, EU:C:2002:294, Rn. 24, und vom 19. Dezember 2013, Association Vent De Colère u. a., C‑262/12, EU:C:2013:851, Rn. 16). Aus der Rechtsprechung ergibt sich nämlich, dass es sich um unterschiedliche Voraussetzungen handelt, die kumulativ vorliegen müssen (vgl. Urteil vom 5. April 2006, Deutsche Bahn/Kommission, T‑351/02, EU:T:2006:104, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61      Durch den Begriff der Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel sollen nicht nur unmittelbar vom Staat gewährte Vorteile, sondern auch Vorteile einbezogen werden, die durch von ihm zur Durchführung der Beihilferegelung errichtete oder damit beauftragte öffentliche oder private Einrichtungen gewährt werden (vgl. Urteil vom 19. Dezember 2013, Association Vent De Colère u. a., C‑262/12, EU:C:2013:851, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). Unionsrechtlich kann es nämlich nicht zulässig sein, dass die Vorschriften über staatliche Beihilfen allein dadurch umgangen werden, dass unabhängige Einrichtungen geschaffen werden, denen die Verteilung der Beihilfen übertragen wird (Urteil vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission, C‑482/99, EU:C:2002:294, Rn. 23).

62      Zudem erfasst Art. 107 Abs. 1 AEUV alle Geldmittel, auf die die Behörden tatsächlich zur Unterstützung von Unternehmen zurückgreifen können, ohne dass es dafür eine Rolle spielt, ob diese Mittel auf Dauer zum Vermögen des Staates gehören. Auch wenn die aus der fraglichen Maßnahme resultierenden Beträge nicht auf Dauer dem Staat gehören, genügt folglich der Umstand, dass sie ständig unter staatlicher Kontrolle und somit den zuständigen nationalen Behörden zur Verfügung stehen, damit sie als staatliche Mittel qualifiziert werden können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission, C‑482/99, EU:C:2002:294, Rn. 37, vom 19. Dezember 2013, Association Vent De Colère u. a., C‑262/12, EU:C:2013:851, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 10. Mai 2016, Deutschland/Kommission, T‑47/15, EU:T:2016:281, Rn. 83).

63      Zum Begriff staatliche Mittel stellte die Kommission im vorliegenden Fall, nachdem sie auf Rn. 37 des Urteils vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission (C‑482/99, EU:C:2002:294) hingewiesen hatte (190. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses; vgl. auch Rn. 55 des Eröffnungsbeschlusses), fest, dass im vorliegenden Fall „[d]ie zur Deckung der Verluste von SEA Handling verwendeten Mittel … Mittel der öffentlichen Hand [sind], denn sie stammen von der SEA, an der während des [in Rede stehenden Zeitraums] die [Klägerin] und die [Provincia di Milano] zu 99,12 % beteiligt waren (191. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dessen Inhalt jenem von Rn. 56 des Eröffnungsbeschlusses entspricht). Insoweit führt der 25. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen aus, dass die SEA ein privatrechtliches Unternehmen (Aktiengesellschaft) ist, das sich in dem in Rede stehenden Zeitraum nahezu vollständig im Eigentum staatlicher Stellen befand, und zwar zu 84,56 % im Eigentum der Klägerin, zu 14,56 % im Eigentum der Provincia di Milano und zu 0,88 % im Eigentum sonstiger öffentlicher und privater Aktionäre.

64      Die Klägerin trägt kein konkretes Argument vor, um diese mit keinem Fehler behaftete Beurteilung der Kommission in Frage zu stellen.

65      In Anbetracht der oben in den Rn. 60 bis 62 angeführten Grundsätze der Rechtsprechung betonte die Kommission zu Recht, dass die Anteile an der SEA, der Einrichtung, die die gesamten streitigen Kapitalzuführungen vorgenommen habe, beinahe zur Gänze und unmittelbar von staatlichen Stellen, nämlich von der Klägerin und von der Provincia di Milano, gehalten worden seien. Wie in der Rechtssache, in der das Urteil vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission (C‑482/99, EU:C:2002:294, Rn. 34) ergangen ist, folgt daraus, dass die SEA ein „öffentliches Unternehmen“ im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2006/111/EG der Kommission vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen (ABl. 2006, L 318, S. 17) ist, nämlich ein „Unternehmen, auf das die öffentliche Hand aufgrund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann“. Gemäß Art. 2 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2006/111 „wird vermutet, dass ein beherrschender Einfluss ausgeübt wird, wenn die öffentliche Hand unmittelbar oder mittelbar … die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzt“, was hier der Fall ist.

66      Zudem hat sich die Kommission im Einklang mit den in den Rn. 33 bis 38 des Urteils vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission (C‑482/99, EU:C:2002:294), anerkannten Kriterien in den Erwägungsgründen 192 und 208 des angefochtenen Beschlusses auf zusätzliche Kontrollelemente gestützt, indem sie feststellte, dass nach den eigenen Angaben der italienischen Behörden „[die Klägerin] die Kontrolle über SEA ausübte, indem sie die Mitglieder des Verwaltungsrats (Consiglio di Amministrazione) und des Aufsichtsrats (Collegio sindacale) benannte“, was die Klägerin nicht bestreitet. Es ist festzustellen, dass sich aus der Befugnis der Klägerin, entweder unmittelbar oder im Rahmen ihrer Mehrheit in der Hauptversammlung die Mitglieder des Verwaltungsrats und des Aufsichtsrats der SEA zu benennen, sowie aus der Tatsache, dass die Anteile an der SEA beinahe zur Gänze von staatlichen Stellen gehalten wurden, ergibt, dass sich die finanziellen Mittel, die der SEA Handling von der SEA gewährt wurden, beinahe ständig unter der Kontrolle dieser Stellen befanden und ihnen daher im Sinne des Urteils vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission (C‑482/99, EU:C:2002:294), zur Verfügung standen.

67      Die Kommission kam daher im angefochtenen Beschluss zu Recht zu dem Ergebnis, dass die der SEA Handling von der SEA gewährten Kapitalzuführungen staatliche Mittel im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellten.

c)      Zur logischen Verknüpfung und Kohärenz zwischen den verschiedenen Indizien

68      Was die Prüfung der gesamten in Rede stehenden Maßnahmen für die Zwecke der Beurteilung des Kriteriums der Zurechenbarkeit der in Rede stehenden Maßnahmen zum Staat anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass in den Erwägungsgründen 211 bis 216 des angefochtenen Beschlusses Folgendes ausgeführt wird:

„(211)       … [D]ie Kommission [betrachtet] die Maßnahmen zum Ausgleich der Verluste durch Kapitalerhöhungen von SAE Handling nicht als Maßnahmen, die unter die laufende Geschäftsführung fallen, sondern vielmehr als außerordentliche Maßnahmen. Der Ausnahmecharakter der Maßnahmen spiegelt sich sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht als auch in politischer Hinsicht wider, was auf die Höhe der fraglichen Beträge (jeder Verlust wurde durch eine Kapitalerhöhung um mehrere Millionen Euro ausgeglichen) bzw. die erwarteten Auswirkungen der Maßnahmen auf den Erhalt von Arbeitsplätzen zurückzuführen ist.

(212)       Folglich wurden die Maßnahmen aufgrund ihres Ausnahmecharakters nicht eigenständig vom SEA-Verwaltungsrat getroffen, sondern wurden im Einklang mit der Satzung der SEA und den einschlägigen Bestimmungen des [italienischen] ‚Codice Civile‘ ausdrücklich von der Hauptversammlung, bei der [die Klägerin] Mehrheitsaktionärin ist, bestätigt. Daher besteht kein Zweifel daran, dass [die Klägerin] in vollem Umfang über die Maßnahmen unterrichtet war und sie gebilligt hat, wovon auch die Protokolle der Hauptversammlungen zeugen. Sie hat die Maßnahmen nicht nur durch ihre Beteiligung an der [mit der Gewerkschaft geschlossenen] Vereinbarung vom 26. März 2002 angestoßen, sondern erfuhr auch von jeder Verlustausgleichsmaßnahme zugunsten von SEA Handling und hat ihre Zustimmung stets erteilt. Diese außerordentlichen Maßnahmen waren folglich zwangsläufig dem Staat zurechenbar.

(215)       Im konkreten Fall ist die Kommission in Anbetracht des Umfangs der fraglichen Maßnahmen sowie der anderen in diesem Beschluss sowie im Eröffnungsbeschluss angeführten Gesichtspunkte der Auffassung, dass es genügend Indizien gibt, um aufgrund der Beteiligung [der Klägerin] an den Maßnahmen zur Deckung der Verluste von SEA Handling oder der Unwahrscheinlichkeit einer fehlenden Beteiligung der Behörden am Erlass dieser Maßnahmen deren Zurechenbarkeit zum italienischen Staat nachzuweisen.

(216)       Die Behauptung der italienischen Behörden, die Kommission müsse jede Kapitalzuweisung an SEA Handling einzeln untersuchen, um die Bedingungen für das Vorliegen einer Beihilfe und insbesondere deren Zurechenbarkeit [zur Klägerin] zu prüfen, ist daher zurückzuweisen. Die Kommission ist nämlich der Ansicht, dass alle in den Erwägungsgründen 174 bis 186 dargelegten Sachverhalte (sowie die Untersuchung der Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des umsichtigen Kapitalgebers) hinlänglich beweiskräftig sind und belegen, dass die Verlustdeckung durch Kapitalzuführungen nur das Ergebnis einer einzigen Strategie und einer Beteiligung der Behörden während des gesamten [in Rede stehenden Zeitraums] sein konnte. Schließlich haben die italienischen Behörden selbst bekräftigt, dass, obgleich die Beschlüsse zur Verlustdeckung der Form nach jährlich gefasst wurden, eine mehrjährige Strategie zum Ausgleich der Verluste während des für die Umstrukturierung erforderlichen Zeitraums existierte (vgl. Erwägungsgründe 225 bis 232).“

69      Was die Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers angeht, so wies die Kommission insbesondere im 222. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses unter der Überschrift „Mehrjährige Strategie zur Verlustdeckung“ auf die Argumentation der italienischen Behörden und der SEA hin, wonach „obgleich die Beschlüsse zur Verlustdeckung formal gesehen jährlich gefasst wurden, die während des für die Umstrukturierung erforderlichen Zeitraums verfolgte mehrjährige Verlustausgleichsstrategie nicht jedes Jahr auf den Prüfstand gestellt werden konnte und die Ergebnisse nur für einen mehrjährigen Zeitraum bewertet werden konnten“. Zudem legte die Kommission diese Argumentation im 223. Erwägungsgrund dieses Beschlusses dahin aus, dass „der Beschluss zur Deckung künftiger Verluste … zunächst 2002 gefasst worden [sei] und dann ein zweites Mal 2007, als angesichts des Ausbleibens der erwarteten Ergebnisse die ursprüngliche Strategie in Verbindung mit der Deckung der Verluste überprüft und schließlich fortgeführt worden“ sei, und dass „[die italienischen Behörden i]m Wesentlichen … die fraglichen Maßnahmen als zwei Kapitalzuführungen [darstellen], deren jährliche Zahlungen 2002 und 2007 beschlossen wurden“.

70      Aus den Erwägungsgründen 225 bis 232 des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass die Kommission, um zu dem Schluss zu kommen, die in Rede stehenden Maßnahmen seien dem italienischen Staat zuzurechnen, eine umfassende Analyse all dieser Maßnahmen durchführte und feststellte, dass die verschiedenen Kapitalzuführungen miteinander verbunden seien und dass sie nach Ansicht der italienischen Behörden selbst Gegenstand einer einheitlichen langfristigen Strategie seien. Es wird dort systematisch im Plural von diesen „Maßnahmen“ gesprochen, die als Ergänzungen zu der Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 gesehen werden (vgl. insbesondere die Erwägungsgründe 211 und 212 des angefochtenen Beschlusses). Nach Ansicht der Kommission wurden all diese Maßnahmen angesichts ihres Ausnahmecharakters nicht „eigenständig vom SEA-Verwaltungsrat getroffen, sondern … ausdrücklich von der Hauptversammlung … [der Aktionäre der SEA in Kenntnis aller Umstände unter Beteiligung und mit Zustimmung der Klägerin, ihrer Mehrheitsaktionärin,] bestätigt“. Im Übrigen wies die Kommission unter Bezugnahme auf Fakten, die ihrer Ansicht nach beweisen, dass die SEA Handling ein Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Leitlinien von 1999 und von 2004 war (Erwägungsgründe 174 bis 186 des angefochtenen Beschlusses), und auf ihre Erwägungen im Rahmen der Beurteilung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers (Erwägungsgründe 222, 223 und 225 bis 232 des angefochtenen Beschlusses) ausdrücklich das Argument der italienischen Behörden zurück, wonach sie zu diesem Zweck jede dieser Maßnahmen hätte einzeln prüfen müssen, da diese das Ergebnis „einer einzigen Strategie und einer Beteiligung der Behörden während des gesamten Untersuchungszeitraums [waren]“ (216. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Die italienischen Behörden hätten selbst zugegeben, dass es eine „während des für die Umstrukturierung erforderlichen Zeitraums verfolgte mehrjährige Verlustausgleichsstrategie“ gegeben habe (222. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), deren Maßnahmen „eng miteinander verbunden“ gewesen seien und „ein und demselben Ziel [dienten], nämlich die Verluste von SEA Handling auszugleichen, um [ihren] Fortbestand … und die Wiederherstellung [ihrer] Rentabilität zu ermöglichen“ (231. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

71      Insoweit ist mit der Kommission darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass, da die staatlichen Maßnahmen unterschiedliche Formen annehmen und nach ihren Wirkungen zu untersuchen sind, nicht ausgeschlossen werden kann, dass mehrere aufeinanderfolgende Maßnahmen des Staates für die Zwecke der Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV als eine einzige Maßnahme zu betrachten sind. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn aufeinanderfolgende Maßnahmen in Anbetracht ihrer zeitlichen Abfolge, ihres Zwecks und der Lage des Unternehmens zum Zeitpunkt dieser Maßnahmen derart eng miteinander verknüpft sind, dass sie sich unmöglich voneinander trennen lassen (zum Kriterium der Übertragung staatlicher Mittel vgl. Urteile vom 19. März 2013, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission u. a. und Kommission/Frankreich u. a., C‑399/10 P und C‑401/10 P, EU:C:2013:175, Rn. 103 und 104, sowie vom 4. Juni 2015, Kommission/MOL, C‑15/14 P, EU:C:2015:362, Rn. 97; zur Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers vgl. auch Urteile vom 15. September 1998, BP Chemicals/Kommission, T‑11/95, EU:T:1998:199, Rn. 171 und 179, sowie vom 15. Januar 2015, Frankreich/Kommission, T‑1/12, EU:T:2015:17, Rn. 33 und 34).

72      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass sich die Klägerin nicht nur, ohne eine Erklärung zu liefern, auf die Behauptung beschränkt, die Kommission habe die logische Verknüpfung und die Kohärenz zwischen den verschiedenen Indizien nicht nachgewiesen, die sie angeführt habe, um sämtliche während des in Rede stehenden Zeitraums ergriffenen Maßnahmen dem italienischen Staat zuzurechnen, sondern dass sie auch den im Verwaltungsverfahren zu dieser Frage abgegebenen Stellungnahmen der italienischen Behörden und der SEA, die im 222. Erwägungsgrund aufgeführt sind, widerspricht. Aus diesen Stellungnahmen, denen die Klägerin nicht widersprochen hat, geht hervor, dass die Investitionsentscheidungen der SEA betreffend die SEA Handling auf einer mehrjährigen Strategie zum Ausgleich der Verluste während des für die Umstrukturierung erforderlichen Zeitraums beruhten. Zudem lässt sich aus dem wiederholten, kohärenten und einheitlichen Charakter dieses Ansatzes im Laufe eines Zeitraums von acht Jahren ableiten, dass diese Entscheidungen und die Zustimmung der Klägerin tatsächlich auf einer zuvor festgelegten Strategie beruhten, die bis ins Jahr 2002 zurückgeht.

73      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission zu Recht davon ausgehen konnte, dass die aufeinanderfolgenden Kapitalzuführungen, die der SEA Handling von der SEA während des in Rede stehenden Zeitraums jährlich gewährt wurden, – in Anbetracht ihrer zeitlichen Abfolge, ihres Zwecks und der entsprechenden Lage des begünstigten Unternehmens, dessen beträchtliche Verluste regelmäßig mehr als ein Drittel seines Gesellschaftskapitals betrugen – derart eng miteinander verknüpft waren, dass sie sich für die Zwecke der Anwendung der Kriterien der Übertragung staatlicher Mittel und der Zurechenbarkeit im Sinne der oben in Rn. 71 angeführten Rechtsprechung unmöglich voneinander trennen ließen.

74      Folglich ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach die Kommission ihre Pflicht verletzt habe, die logische Verknüpfung und die Kohärenz zwischen den verschiedenen Indizien nachzuweisen, damit sie in ihrer Gesamtheit berücksichtigt werden könnten, um die Zurechenbarkeit aller während des in Rede stehenden Zeitraums erlassenen Maßnahmen zum italienischen Staat nachzuweisen.

d)      Zur Zurechenbarkeit der in Rede stehenden Maßnahmen

75      Seit dem Urteil vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission (C‑482/99, EU:C:2002:294), ist es ständige Rechtsprechung, dass die Zurechenbarkeit einer Maßnahme zum Staat nicht allein daraus abgeleitet werden kann, dass die in Rede stehende Maßnahme von einem öffentlichen Unternehmen getroffen wurde. Auch wenn der Staat in der Lage ist, ein öffentliches Unternehmen zu kontrollieren und einen beherrschenden Einfluss auf dessen Tätigkeiten auszuüben, kann nicht ohne Weiteres vermutet werden, dass diese Kontrolle in einem konkreten Fall tatsächlich ausgeübt wird. Ein öffentliches Unternehmen kann je nach dem Maß an Selbständigkeit, das ihm der Staat belässt, mehr oder weniger unabhängig handeln. Die bloße Tatsache, dass ein öffentliches Unternehmen unter staatlicher Kontrolle steht, genügt daher nicht, um seine Maßnahmen dem Staat zuzurechnen. Es muss außerdem geprüft werden, ob davon auszugehen ist, dass die Behörden in irgendeiner Weise am Erlass dieser Maßnahmen beteiligt waren. Insoweit kann nicht verlangt werden, dass auf der Grundlage einer genauen Anweisung nachgewiesen wird, dass die Behörden das öffentliche Unternehmen konkret veranlasst haben, die fraglichen Beihilfemaßnahmen zu treffen. Zum einen besteht angesichts der engen Beziehungen zwischen dem Staat und den öffentlichen Unternehmen die tatsächliche Gefahr, dass staatliche Beihilfen über diese Unternehmen in wenig transparenter Weise und unter Verstoß gegen die im Vertrag vorgesehene Regelung über staatliche Beihilfen gewährt werden. Zum anderen wird es im Allgemeinen gerade wegen der privilegierten Beziehungen zwischen dem Staat und einem öffentlichen Unternehmen für einen Dritten sehr schwierig sein, in einem konkreten Fall nachzuweisen, dass Beihilfemaßnahmen eines solchen Unternehmens tatsächlich auf Anweisung der Behörden erlassen wurden. Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass die Zurechenbarkeit einer Beihilfemaßnahme eines öffentlichen Unternehmens an den Staat aus einem Komplex von Indizien abgeleitet werden kann, die sich aus den Umständen des konkreten Falles und aus dem Kontext ergeben, in dem diese Maßnahme ergangen ist. Ferner hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission (C‑482/99, EU:C:2002:294), darauf hingewiesen, dass jedes andere Indiz, das im konkreten Fall auf eine Beteiligung der Behörden oder auf die Unwahrscheinlichkeit einer fehlenden Beteiligung am Erlass einer Maßnahme hinweist – wobei auch deren Umfang, ihr Inhalt oder ihre Bedingungen zu berücksichtigen sind –, gegebenenfalls von Bedeutung sein kann, um auf die Zurechenbarkeit einer Beihilfemaßnahme eines öffentlichen Unternehmens an den Staat schließen zu können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission, C‑482/99, EU:C:2002:294, Rn. 51 bis 56, und vom 17. September 2014, Commerz Nederland, C‑242/13, EU:C:2014:2224, Rn. 31 bis 34, vom 10. November 2011, Elliniki Nafpigokataskevastiki u. a./Kommission, T‑384/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:650, Rn. 50 bis 54, und vom 28. Januar 2016, Slowenien/Kommission, T‑507/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:35, Rn. 65 bis 69).

76      Es steht fest, dass sich die Kommission in den Erwägungsgründen 192 bis 216 des angefochtenen Beschlusses unter Berücksichtigung der einschlägigen Kriterien, die im Urteil vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission (C‑482/99, EU:C:2002:294), anerkannt wurden, auf die gesamten Indizien gestützt hat, die sich aus den Umständen des vorliegenden Falles und dem Zusammenhang, in dem die in Rede stehenden Maßnahmen erlassen wurden, ergeben, und daraus den Schluss gezogen hat, dass diese Maßnahmen der Klägerin und damit dem italienischen Staat zurechenbar seien. In Anbetracht der oben angeführten Rechtsprechung ist zu prüfen, ob diese Indizien hinreichenden Beweiswert haben, sowohl jedes für sich als auch in ihrer Gesamtheit, um diese Schlussfolgerung zu rechtfertigen.

1)      Zum Beweiswert der wesentlichen Beweismittel (Gewerkschaftsvereinbarungen)

77      Zunächst sind die wesentlichen Indizien für die Zurechenbarkeit zu beurteilen, die die Kommission in den Erwägungsgründen 195 bis 200 des angefochtenen Beschlusses in Verbindung mit den Rn. 43 bis 48 und 62 bis 66 des Eröffnungsbeschlusses (197. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses) geprüft hat, nämlich insbesondere die Gewerkschaftsvereinbarungen vom 26. März und vom 4. April 2002, um zu dem Schluss zu kommen, dass die Klägerin am Erlass der in Rede stehenden Maßnahmen „beteiligt“ gewesen sei. Gemäß der Beurteilung der Kommission ist es unstreitig, dass die Klägerin in die Verhandlung der Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 eingebunden war und diese unterschrieben hat, auch wenn sie behauptet, dass diese Unterschrift von einem Vertreter stamme, der nicht befugt sei, sie haushaltstechnisch zu verpflichten. Es steht ebenfalls fest, dass diese Gewerkschaftsvereinbarung eine klare und präzise Verpflichtung der SEA vorsieht, für den Zeitraum von mindestens fünf Jahren insbesondere „das Gleichgewicht zwischen Kosten und Nutzen und [den] allgemeine[n] wirtschaftliche[n] Rahmen“ der SEA Handling dadurch aufrechtzuerhalten, dass „[ihre] Verwaltungskapazitäten aufrechterhalten und ihre Möglichkeiten, auf den nationalen und internationalen Märkten tätig zu werden, spürbar verbessert werden“. Die Kommission zog daraus zu Recht den Schluss, dass die SEA aufgrund dieser Verpflichtung mögliche Verluste der SEA Handling auszugleichen hatte, die den Fortbestand ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit beeinträchtigen konnten, was durch die noch genauere Formulierung der Gewerkschaftsvereinbarung vom 4. April 2002 bestätigt wird, an der die Klägerin allerdings nicht direkt beteiligt war. Gemäß letzterer Vereinbarung, die ausdrücklich auf die Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 Bezug nimmt, hat „sich die SEA … verpflichtet, … den Ausgleich der Verluste … zu unterstützen, um das finanzielle und das Vermögensgleichgewicht der SEA Handling … aufrechtzuerhalten“. Ferner sind diese Verpflichtungen gemäß dieser Vereinbarung abgesichert „durch die von [der Klägerin] auch in ihrer Eigenschaft als absolute Mehrheitsaktionärin [von SEA] geschlossene Vereinbarung, [durch die erfolgten Zuführungen], durch die keinen gesetzlichen Beschränkungen unterliegenden, von [SEA] auf [SEA Handling] übertragbaren Finanzmittel und durch die solide Vermögens- und Finanzlage der SEA“ (196. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).  Im Übrigen bekräftigt die Gewerkschaftsvereinbarung vom 19. Juni 2003, bei der die Klägerin ebenfalls nicht unmittelbare Vertragspartnerin ist, den Inhalt der Gewerkschaftsvereinbarung vom 4. April 2002, wobei sie insbesondere betont, dass „das wirtschaftliche Gleichgewicht der SEA Handling im Wesentlichen mit Hilfe einer konzertierten Aktion hinsichtlich ihrer Kosten und ihrer Einkünfte aufrechterhalten werden muss“, und „bestätigt die am 26. März 2002 eingegangene Verpflichtung betreffend die Gewährung der nötigen gesellschaftsrechtlichen und finanziellen Garantien und die Erhaltung der Arbeitsplätze der Bediensteten von SEA Handling“.

78      Daraus folgt, dass gemäß der Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 eine Verpflichtung für die SEA bestand, die durch die Gewerkschaftsvereinbarung vom 4. April 2002 bestätigt wurde, mögliche zukünftige Verluste der SEA Handling während eines Zeitraums von mindestens fünf Jahren auszugleichen. Die Klägerin kann diese Feststellung nicht dadurch in Frage stellen, dass sie vorträgt, es handle sich um Dokumente politischer und gewerkschaftlicher Natur mit vagem und allgemeinem Charakter. Zudem ist es unter Berücksichtigung der nachfolgenden Kapitalzuführungen der SEA zugunsten der SEA Handling während des in Rede stehenden Zeitraums zur Abdeckung ihrer Verluste erwiesen, dass die SEA in ihrer Eigenschaft als einzige Aktionärin der SEA Handling diese Vereinbarungen tatsächlich so ausgelegt hat, dass sie eine solche Verpflichtung enthalten (vgl. unten, Rn. 92). Obwohl die Mindestdauer der durch die Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 vorgesehenen Verpflichtung nur fünf Jahre beträgt, ist festzustellen, dass die SEA sie bis 2010 erfüllte.

79      Somit konnte die Kommission zu Recht den Schluss ziehen, dass diese in der Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 vorgesehene Verpflichtung, die Verluste von SEA Handling auszugleichen, die vertragliche Grundlage darstellte, auf der die späteren Rekapitalisierungsmaßnahmen beruhten. Ebenso stellte sie zu Recht in den Erwägungsgründen 198 und 200 des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen fest, dass „die italienischen Behörden durch ihr Eingreifen insbesondere bei dem Treffen vom 26. März 2002 die Entscheidungen von SEA bezüglich ihrer Tochtergesellschaft SEA Handling beeinflusst haben“, und dass die Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 hier einen entscheidenden Einfluss gehabt habe, wie durch die Gewerkschaftsvereinbarungen vom 4. April 2002 und vom 19. Juni 2003 bestätigt worden sei, ohne dass eine persönliche Teilnahme der Vertreter der Klägerin an der Unterzeichnung letzterer Gewerkschaftsvereinbarungen nötig gewesen sei.

80      Es ist zudem zu prüfen, ob die Kommission zu Recht davon ausging, dass allein die erwiesene aktive Teilnahme der Klägerin am Abschluss der Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 ausgereicht habe, um den Schluss zu rechtfertigen, dass diese auch an der Gewährung der in Rede stehenden späteren Rekapitalisierungsmaßnahmen beteiligt war. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Nachweis einer solchen Beteiligung der staatlichen Stellen an der Gewährung einer Beihilfe keinen positiven Beweis erfordert, sondern dass es ausreicht, die Unwahrscheinlichkeit einer fehlenden Beteiligung am Erlass einer Maßnahme nachzuweisen (Urteil vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission, C‑482/99, EU:C:2002:294, Rn. 56), dies unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gefahr einer Umgehung der Vertragsbestimmungen über öffentliche Beihilfen durch öffentliche oder von staatlichen Stellen kontrollierte Unternehmen (Urteil vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission, C‑482/99, EU:C:2002:294, Rn. 53 und 57). Diese Gefahr der Umgehung und die Notwendigkeit, die Wirksamkeit des Rechts der staatlichen Beihilfen sicherzustellen, sind vom Gerichtshof auch in seinem Urteil vom 17. September 2014, Commerz Nederland (C‑242/13, EU:C:2014:2224, Rn. 34 und 36), betont worden.

81      Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, stellt die aktive Teilnahme der Klägerin an der Verhandlung und dem Abschluss der Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 ein Schlüsselelement für den Nachweis einer Beteiligung der italienischen Behörden an der Gewährung der in Rede stehenden Maßnahmen dar. Abgesehen davon, dass die Bedingungen dieser Vereinbarung eine klare und präzise Verpflichtung für die SEA schaffen, zumindest während eines Zeitraums von fünf Jahren die Verluste der SEA Handling auszugleichen (vgl. oben, Rn. 78), steht fest, dass die Verwaltung der Klägerin dadurch, dass sie diese Vereinbarung als Vertragspartei unterzeichnet hat, auch in ihrer Eigenschaft als Mehrheitsaktionärin der SEA ihre Zustimmung nicht nur im Hinblick auf das Entstehen dieser Verpflichtung, sondern auch im Hinblick auf ihre Erfüllung und ihre spätere Durchführung durch die SEA gegeben hat. Diese Beurteilung wird durch den Wortlaut der Gewerkschaftsvereinbarung vom 4. April 2002 bestätigt, der ausdrücklich auf die Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 Bezug nimmt und auf dieser beruht und insbesondere darauf hinweist, dass diese Vereinbarung „von [der Klägerin] auch in ihrer Eigenschaft als absolute Mehrheitsaktionärin [von SEA] unterzeichnet [wurde]“.

82      Unter diesen Umständen kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass sie nur Vermittlerin gewesen sei, dass ihre Beteiligung an der Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 ausschließlich politischer und sozialer und daher nicht wirtschaftlicher Natur gewesen sei und dass ihre Eigenschaft als Mehrheitsaktionärin der SEA in diesem Zusammenhang völlig unwesentlich und sekundär gewesen sei. Ohne Beweiskraft ist auch ihr Vorbringen, dass die fehlende wirtschaftliche Beteiligung der Klägerin zum einen dadurch bestätigt werde, dass auf der Vereinbarung die Unterschrift von Herrn M. aufscheine, dem für Personal, Arbeit und Ressourcen zuständigen stellvertretenden Bürgermeister, der über spezielle Befugnisse auf dem Gebiet des Personalwesens, der Organisation, der statistischen Dienste, der Aufsicht im Bereich Arbeit und Beschäftigung, des Beschaffungswesens und der Materialverwaltung verfüge, und nicht die Unterschrift des für das Budget, die Verwaltungskontrolle und Privatisierungen zuständigen stellvertretenden Bürgermeisters oder des für Verkehr und Mobilität zuständigen stellvertretenden Bürgermeisters, und zum anderen durch das Fehlen eines Budgetpostens in ihrem Haushaltsplan. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden, da sonst die mit der Gewährung von Beihilfen betrauten Behörden die Anwendung des Verbots gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV durch organisatorische oder interne Buchführungsmaßnahmen umgehen könnten, zumal sich solche Maßnahmen auch auf die Art ihrer Beteiligung an öffentlichen oder privaten Unternehmen auswirken können. Gerade wegen dieser Umgehungsgefahr und des Interesses an einer wirksamen Umsetzung der Vorschriften über staatliche Beihilfen hat der Gerichtshof entschieden, dass der Umstand, dass sich ein Geschäftsführer bei der Gewährung einer Beihilfe nicht ordnungsgemäß im Sinne der einschlägigen nationalen Regelung und nicht dem vermutlichen Willen der betreffenden Behörde entsprechend verhalten hat, für sich allein nicht geeignet ist, eine Beteiligung dieser Behörde auszuschließen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2014, Commerz Nederland, C‑242/13, EU:C:2014:2224, Rn. 36 bis 38). Diese Überlegungen gelten erst recht, wenn ein Geschäftsführer, wie im vorliegenden Fall, ordnungsgemäß im Sinne der einschlägigen nationalen Vorschriften und mit Genehmigung der Behörde handelt, in deren Namen er Zusagen gegenüber Dritten machen soll. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht bestritten hat, dass die Handlungen ihres Vertreters anlässlich der Verhandlung und des Abschlusses der Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 ordnungsgemäß bzw. ihrem Willen entsprechend erfolgten.

83      Daraus folgt, dass die Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 im Lichte des Wortlauts der Gewerkschaftsvereinbarung vom 4. April 2002 für sich allein ein maßgebliches Indiz für den Nachweis der Beteiligung der Klägerin an der Entscheidung ist, der SEA Handling die betreffenden Rekapitalisierungsmaßnahmen zu gewähren. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist dieses Beweismittel für die Zurechenbarkeit eine entscheidende Ergänzung zu den organischen und Kontrollbeziehungen zwischen der Klägerin und der SEA, zu denen die Tatsache gehört, dass die Klägerin mit Abstand die Mehrheit der Aktien der SEA und somit die Mehrheit der Stimmrechte hielt und die Mitglieder ihres Verwaltungsrats benannt hatte, die bereits für sich genommen eine Gefahr oder eine bestimmte Wahrscheinlichkeit eines Eingriffs in die strategischen Finanzentscheidungen der SEA mit sich brachten. Daraus ergibt sich auch, dass die Kommission weit davon entfernt war, diese Beweismittel zu verfälschen, und eine richtige Beurteilung dieser Beweismittel vorgenommen hat, die sie in den Erwägungsgründen 195 bis 200 des angefochtenen Beschlusses in Verbindung mit den Rn. 43 bis 48 und 62 bis 66 des Eröffnungsbeschlusses hinreichend begründet hat, um es der Klägerin zu ermöglichen, diesen anzufechten, und es dem Gericht zu ermöglichen, dessen Rechtmäßigkeit in der Sache zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Dezember 2009, Kommission/Irland u. a., C‑89/08 P, EU:C:2009:742, Rn. 77).

2)      Zum Beweiswert der ergänzenden Beweismittel

84      Im Übrigen unterstreichen die ergänzenden Beweismittel, auf die sich die Kommission im angefochtenen Beschluss stützte, um zu dem Schluss zu kommen, dass die in Rede stehenden Maßnahmen dem italienischen Staat zuzurechnen seien, die Stichhaltigkeit dieser Schlussfolgerung.

85      So trifft es zwar erstens zu, dass der genaue Inhalt der Protokolle der Sitzungen des Verwaltungsrats der SEA Handling, und nicht der SEA, vom 31. Mai und vom 13. Juni 2008 (201. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), der zwischen den Parteien strittig ist, nur einen schwachen Beweiswert hat. Dennoch ist angesichts des Vorhandenseins einer Willensübereinstimmung auf der Grundlage der Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 zwischen der Klägerin, der SEA und den Gewerkschaften über die Abdeckung der Verluste der SEA Handling für die kommenden Jahre (vgl. oben, Rn. 78 bis 83) und angesichts der organischen und Kontrollbeziehungen zwischen der Klägerin und der SEA die Auslegung der Kommission kohärent und glaubwürdig, wonach der italienische Ausdruck „è condiviso dall’azionista di maggioranza“ im letztgenannten dieser Protokolle bedeute, dass der Plan für die geschäftliche Entwicklung der SEA Handling für den Zeitraum ab 2007 die „Zustimmung des Mehrheitsaktionärs“, nämlich der Klägerin, gefunden habe. Jedenfalls erscheint es, wie die Kommission vorträgt, wenig wahrscheinlich, dass die SEA einen strategischen Plan für die geschäftliche Entwicklung mit existentieller Bedeutung für ihr Tochterunternehmen vorlegt, ohne zuvor versucht zu haben, die Zustimmung ihres Mehrheitsaktionärs einzuholen. Dies scheint auch die Beurteilung der Kommission zu bestätigen, wonach die Klägerin auch in der Phase nach 2007 weiterhin in die strategischen Entscheidungen betreffend die SEA Handling eingebunden gewesen sei.

86      Zweitens ist auch das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, mit dem die Bedeutung der – angeblich rein punktuellen, jedoch von ihr an sich nicht bestrittenen – Tatsache kleingeredet werden soll, dass die Bürgermeisterin von Mailand im Jahr 2006 den Rücktritt des Präsidenten des Verwaltungsrats der SEA gefordert und durchgesetzt hatte (203. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Insoweit ist das einzige Argument der Klägerin, wonach es völlig normal sei, dass der Mehrheitsaktionär die Befugnis besitze, den Präsidenten des Verwaltungsrats von seinen Funktionen zu entheben, wenig überzeugend, da dies im vorliegenden Fall gleichwohl ein Hinweis auf einen proaktiven Eingriff seitens der Klägerin in die Unternehmensführung der SEA ist, was ein einschlägiges Indiz für die Zurechenbarkeit ist, das die anderen Indizien ergänzt.

87      Gleiches gilt drittens für die Blanko-Rücktrittsgesuche, die die Mitglieder des Verwaltungsrats der SEA an den Bürgermeister der Klägerin gerichtet haben sollen (206. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Die Klägerin behauptet hierzu fälschlicherweise, dass dies nur in Presseartikeln erwähnt werde und von der Kommission nicht bewiesen worden sei. Aus einer Zusammenschau der Erwägungsgründe 63, 98 und 206 des angefochtenen Beschlusses ergibt sich, dass die SEA das Vorhandensein dieser Gesuche zugegeben, jedoch ihre Relevanz bestritten hatte.

88      Viertens wird im 210. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses entgegen dem Vorbringen der Klägerin in Anbetracht der vorstehenden Erwägungen überzeugend dargetan, dass es sich bei den in Rede stehenden Maßnahmen um „Entscheidungen …, die … wichtig sind“, handele bzw. dass die „Maßnahmen zur Deckung der Verluste von SEA Handling … zumindest fester Bestandteil der Strategie der SEA-Gruppe waren“. Insbesondere kann weder die Bedeutung der verschiedenen jährlichen Kapitalzuführungen, die im Hinblick auf Art. 2446 des italienischen Zivilgesetzbuchs (Codice civile) unerlässlich waren und ihr wirtschaftliches Überleben während des in Rede stehenden Zeitraums sicherten, noch die Relevanz dieser Charakterisierung für die Zwecke der Beurteilung des Kriteriums der Zurechenbarkeit relativiert werden.

3)      Zum Beweiswert der angeblichen „Gegenindizien“

89      Es ist festzustellen, dass die von der Klägerin geltend gemachten angeblichen „Gegenindizien“ weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit den Beweiswert des oben beurteilten Bündels von Indizien für die Zurechenbarkeit in Frage stellen können.

90      Erstens stützte sich nach den Ausführungen im 209. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses und dem Vorbringen der Kommission in ihren Schriftsätzen die aus Vertraulichkeitsgründen erfolgte Weigerung der SEA, einem Mitglied des Stadtrats der Klägerin den Zugriff auf bestimmte Unterlagen zu gestatten, unter denen sich der Plan für die geschäftliche Entwicklung der SEA-Gruppe für den Zeitraum von 2005 bis 2009 (Business Plan Gruppo SEA 2005 – 2009) befand, auf die §§ 2422 und 2429 des italienischen Zivilgesetzbuchs (Codice civile) und war nicht gegen einen Antrag der Klägerin an sich in ihrer Eigenschaft als Mehrheitsaktionärin gerichtet. Das Mitglied des Stadtrats, das diesen Antrag auf Zugriff gestellt hatte, war damals Koordinator der Opposition. Zudem war dieser Antrag an die Dienststelle für Bilanzangelegenheiten, Verwaltungskontrolle und Privatisierung der Klägerin und nicht direkt an die SEA gerichtet. In der Folge beschränkte sich der Direktor des Sektors Programmplanung und Durchführung von Privatisierungen (Settore Programmazione ed Attuazione delle Privatizzazioni) der Klägerin darauf, den Antrag an die SEA weiterzuleiten, ohne ihn sich zu eigen zu machen.

91      Zweitens betrifft die Korrespondenz zwischen der Klägerin und der SEA nach dieser Verweigerung des Zugriffs, nämlich die Schreiben vom 7., 9., 15., 20. und 27. September und vom 5. und 6. Oktober 2005, zwar die weitere Behandlung des oben genannten Antrags eines Mitglieds des Stadtrats auf Zugriff. Daraus geht insbesondere hervor, dass der Präsident des Stadtrats der Klägerin der von der SEA ausgesprochenen Weigerung, den Zugriff zu gewähren, widersprach, da diese Weigerung den einschlägigen kommunalrechtlichen Vorschriften entgegenstehe, und der SEA seine Absicht mitteilte, dies vor dem regionalen Verwaltungsgericht anzufechten. Jedoch ist, auch wenn man davon ausgeht, dass diese Meinungsverschiedenheit zwischen der Stadtverwaltung, im vorliegenden Fall des Präsidenten des Stadtrats, und der SEA als Anhaltspunkt für eine unabhängige und autonome Unternehmensführung der SEA eingestuft werden kann, festzustellen, dass es sich um einen punktuellen Aspekt handelt, der für sich allein nicht geeignet ist, das Bündel an Beweisen für das Vorhandensein eines entscheidenden Einflusses der Klägerin auf strategische Fragen im Allgemeinen und insbesondere auf jene des jährlichen Ausgleichs der Verluste der SEA Handling in Frage zu stellen, was im Wesentlichen der Begründung im 209. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses entspricht.

92      Drittens beruft sich die Klägerin auf ein Schreiben vom 4. November 2003, das die SEA an den für Verkehr und Mobilität zuständigen stellvertretenden Bürgermeister der Klägerin in Beantwortung seines Schreibens vom 23. September 2003 gerichtet habe, mit dem ein Antrag des Mitglieds des Stadtrats O. – nach Angaben der Kommission ein Mitglied der Oppositionspartei der Kommunistischen Wiedergründung – zum Thema „Anhörung der Bediensteten der SEA“ übermittelt worden sei. Diesbezüglich stellt die Kommission zu Recht fest, dass diese Korrespondenz allein deshalb kein relevantes „Gegenindiz“ für die Zurechnung darstelle, weil die SEA in der Einleitung dieses Schreibens bekräftige, dass „die legitime Kontrolle durch den Aktionär der Gesellschaften, an denen er beteiligt ist, bereits über die Benennung der Mitglieder des Verwaltungsrats und des Aufsichtsrats erfolgt, so dass andere Formen von Kontrolle diesen Regeln fremd sind“. In diesem Schreiben weist die SEA den Vorschlag einer solchen Anhörung der Bediensteten mit der Begründung zurück, dass die Gewerkschaftsvereinbarung vom 19. Juni 2003 sie nicht als Voraussetzung für ihre Rechtsgültigkeit vorgesehen habe, was einmal mehr das Vorhandensein von Pflichten bestätigt, die sich ipso facto aus dieser Vereinbarung ergeben, einschließlich jener, die Verluste der SEA Handling auszugleichen.

93      Viertens ist der Umstand, dass der für Verkehr und Mobilität zuständige stellvertretende Bürgermeister der Klägerin bei der Sitzung des Stadtrats am 16. Juni 2003 die Mitglieder des Stadtrats darüber informierte, dass sein Antrag auf Übermittlung der „notwendigen Angaben“ über eine Verhandlung mit der Gewerkschaft von der SEA abgelehnt worden sei, nicht so bedeutend, dass er angesichts der gesamten gewürdigten Indizien die Schlussfolgerung der Zurechenbarkeit in Frage stellen kann, zu der die Kommission gekommen ist.

94      Folglich sind die von der Klägerin geltend gemachten „Gegenindizien“ sowohl einzeln als auch in ihrer Gesamtheit nicht ausreichend, um den Beweiswert der oben in den Rn. 77 ff. geprüften Indizien für die Zurechenbarkeit in Frage zu stellen. Es ist daher der Schluss zu ziehen, dass die Kommission ihre Beweispflicht für die Zurechenbarkeit der in Rede stehenden Maßnahmen zum italienischen Staat erfüllt hat, indem sie sich auf ein Bündel ernsthafter, genauer und übereinstimmender Indizien gestützt hat.

95      Sofern die Klägerin insoweit eine unzureichende Begründung geltend macht, ergibt sich daraus auch, dass die Kommission den Beweiswert dieser „Gegenindizien“ notwendigerweise, und sei es auch nur implizit, durch eine insoweit angemessene und hinreichende Begründung im 209. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zurückwies. Diese Begründung ermöglicht es der Klägerin und dem Gericht, die Überlegungen der Kommission bezüglich der Zurechenbarkeit der in Rede stehenden Maßnahmen zum italienischen Staat zu verstehen, einschließlich hinsichtlich des Beweiswerts, den die Kommission den „Gegenindizien“ zugestanden hat, und daher dem Gericht, über ihre materielle Rechtmäßigkeit zum Zweck einer gerichtlichen Kontrolle zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Dezember 2009, Kommission/Irland u. a., C‑89/08 P, EU:C:2009:742, Rn. 77).

96      Der erste Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

3.      Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV wegen Verkennung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers

97      Im angefochtenen Beschluss vertrat die Kommission die Ansicht, ein privater Kapitalgeber hätte nicht so gehandelt wie die SEA, um die Rückkehr ihrer Tochter SEA Handling in die Rentabilitätszone zu gewährleisten. Die Kommission stellte im Wesentlichen fest, dass erstens in der „mehrjährige[n] Strategie zur Verlustdeckung … nicht das Verhalten eines umsichtigen privaten Kapitalgebers zum Ausdruck kommt“ (225. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), der „nicht blindlings eine mehrjährige [rechtsverbindliche] Verpflichtung eingehen“, sondern die Strategie später auf der Grundlage der Ergebnisse der Sanierungsversuche vor jeder neuen Kapitalzufuhr neu bewerten würde (226. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses); dass zweitens die Pläne für die geschäftliche Entwicklung der SEA und der SEA Handling trotz seiner Bedeutung weder diesen Beschluss zur mehrjährigen Verlustdeckung erwähnen, noch eine Analyse der Alternativszenarien vorgesehen hätten, die ein umsichtiger privater Kapitalgeber normalerweise in einer solchen Situation gefordert hätte, sondern bloß auf den Schwerpunkt Umstrukturierung abgezielt hätten, und dass ein solcher Kapitalgeber jedenfalls keine solche Investitionsentscheidung getroffen hätte, ohne dass ihm zumindest eine Vorausschätzung des zu investierenden Kapitalbetrags oder die Ergebnisse einer eingehenden Prüfung vorgelegt worden wären (Erwägungsründe 228, 229, 268, 289 und 296 des angefochtenen Beschlusses); dass drittens ein solcher Kapitalgeber „das Risiko erwogen hätte, dass diese Maßnahmen ab der ersten Kapitalzuführung als rechtswidrige und möglicherweise mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfen eingestuft werden könnten, und dass er folglich untersucht hätte, wie sich eine mögliche Rückforderung dieser Beihilfen auf die Rendite seiner Investition ausgewirkt hätte“ (232. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses); dass viertens ein solcher Kapitalgeber „[o]hne einen hinreichend ausführlichen, auf nachhaltigen und tragfähigen Annahmen beruhenden Geschäftsplan, in dem die notwendigen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Rentabilität im Einzelnen beschrieben und die verschiedenen möglichen Szenarien analysiert werden und in dem aufgezeigt wird, dass die Kapitalanlage dem Investor (unter Berücksichtigung des damit verbundenen Risikos) eine zufriedenstellende Rendite in Form von Dividenden und einer Wertsteigerung seiner Beteiligung oder sonstige Vorteile verschaffen würde, … kein Kapital zugeführt [hätte]“ (236. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses); dass sich fünftens ein solcher Kapitalgeber nicht mit einer Aussicht auf Rückkehr zur Rentabilität nach Ablauf eines Restrukturierungszeitraums von beinahe zehn Jahren zufrieden gegeben hätte, ohne „zumindest [über] eine Vorausschätzung [zu verfügen], aus der hervorgeht, dass die dank dieser Strategie der mittel- oder langfristigen Verlustdeckung erwarteten Einnahmen – in Form von Dividenden, einer Wertsteigerung seiner Beteiligung, eines verhinderten Imageschadens usw. – den zum Ausgleich dieser Verluste zugeführten Kapitalbetrag übersteigen“, anstatt auf eine „Veräußerung von SEA Handling“ oder auf „Bestimmungen über eine Verkürzung des Umstrukturierungszeitraums, damit innerhalb einer angemessenen Frist der Weg zurück zur Rentabilität gefunden wird und die Verluste auf ein Minimum beschränkt werden“, hinzuwirken (Erwägungsgründe 290, 294 und 309 des angefochtenen Beschlusses); und dass sechstens angesichts des „Fehlen[s] einer Abschätzung des Imageverlusts von SEA [im Zusammenhang mit der Auslagerung der Bodenabfertigungsdienste an einen Drittanbieter] und des Haftungsrisikos des Unternehmens sowie der mittelbaren langfristigen [Wiederherstellung der Rentabilität]“ ein umsichtiger Kapitalgeber davon abgesehen hätte, eine so große Summe zu investieren, wie jene, die Gegenstand der Rückzahlungsanordnung sei (Erwägungsgründe 292 und 293 des angefochtenen Beschlusses).

98      Die Klägerin ist der Ansicht, dass die im angefochtenen Beschluss angestellten Erwägungen in Bezug auf die Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers nicht begründet seien und die Kommission die ihr im vorliegenden Fall obliegende Beweispflicht nicht beachtet habe. Es sei notwendig, die verschiedenen Phasen des Verhaltens der SEA zu rekonstruieren, um die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit im Lichte des Kriteriums des privaten Kapitalgebers in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu beurteilen.

99      Nach den Angaben der Klägerin wurde mit der Entscheidung der SEA, die Bodenabfertigungsdienste aufzugeben und eine neue, zur Gänze von ihr kontrollierte Gesellschaft damit zu betrauen, zum einen bezweckt, die unionsrechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, und zum anderen, die Entwicklungschancen zu nutzen, die sich im Rahmen der aufgrund der Richtlinie 96/67 notwendig gewordenen Liberalisierung des Sektors ergeben hätten. Jedoch sei die SEA Handling zu Beginn mit einer wirtschaftlich außerordentlich schwierigen Situation konfrontiert gewesen. Um diese zu bewältigen, habe die SEA ein Sanierungsprogramm für den Bodenabfertigungssektor ins Leben gerufen, das sich auf drei Säulen gestützt habe, nämlich erstens die Suche nach einem strategischen Partner, zweitens den schrittweisen Abbau der Personalkosten und drittens die Sanierung dieses Sektors unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten durch Umsetzung eines Geschäftsplans für die SEA Handling für den Zeitraum von 2003 bis 2007. Durch die Umsetzung dieser Maßnahmen habe sich die SEA erhofft, dass ihre Bodenabfertigungsdienste in drei Jahren bzw. spätestens vor 2007 wieder rentabel werden könnten. Die in den Jahren 2003 und 2004 erzielten Ergebnisse hätten gezeigt, dass die Maßnahmen der SEA richtig gewesen seien.

100    Nach Ansicht der Klägerin wurde jedoch die Erreichung dieses Ziels durch den Eintritt bestimmter nicht dem Willen der SEA unterliegender Ereignisse verlangsamt. Die in dem in Rede stehenden Zeitraum vorgenommenen wirtschaftlichen Beurteilungen zeigten jedoch, dass die Strategie der SEA wirtschaftlich sinnvoll gewesen sei, da sie es ermöglicht habe, die SEA Handling zu sanieren. Die wirtschaftliche Studie vom 1. Juni 2011 mit dem Titel „SEA Handling – Anwendung des Grundsatzes des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers“ (im Folgenden: von der Klägerin angeführte wirtschaftliche Studie) bestätige diese Beurteilung.

101    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

102    Die Voraussetzungen, die eine Maßnahme erfüllen muss, um unter den Begriff „Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 AEUV zu fallen, sind nicht erfüllt, wenn das begünstigte öffentliche Unternehmen denselben Vorteil, der ihm aus Staatsmitteln gewährt wurde, unter Umständen, die normalen Marktbedingungen entsprechen, hätte erhalten können, wobei diese Beurteilung grundsätzlich unter Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers erfolgt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF u. a., C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 78, vom 24. Januar 2013, Frucona Košice/Kommission, C‑73/11 P, EU:C:2013:32, Rn. 70, und vom 25. Juni 2015, SACE und Sace BT/Kommission, T‑305/13, EU:T:2015:435, Rn. 91).

103    Die Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers dient somit der Feststellung, ob der einem Unternehmen aus staatlichen Mitteln – in welcher Form auch immer – gewährte Vorteil aufgrund seiner Wirkungen den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann (Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF u. a., C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 89, vgl. auch Urteil vom 25. Juni 2015, SACE und Sace BT/Kommission, T‑305/13, EU:T:2015:435, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung). Genauer gesagt ist zu prüfen, ob ein unter normalen marktwirtschaftlichen Bedingungen handelnder privater Kapitalgeber von vergleichbarer Größe wie die Verwaltungseinrichtungen des öffentlichen Sektors unter den entsprechenden Umständen zur Vornahme der fraglichen Kapitalzufuhr hätte bewegt werden können. Insbesondere ist zu klären, ob er den fraglichen Vorgang zu den gleichen Bedingungen abgewickelt hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. März 2003, Westdeutsche Landesbank Girozentrale und Land Nordrhein-Westfalen/Kommission, T‑228/99 und T‑233/99, EU:T:2003:57, Rn. 245 und die dort angeführte Rechtsprechung).

104    Für die Prüfung der Frage, ob sich der Mitgliedstaat oder die betroffene öffentliche Einrichtung wie ein umsichtiger marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber verhalten hat, muss man sich in den Kontext der Zeit zurückversetzen, in der die fraglichen Maßnahmen getroffen wurden, um beurteilen zu können, ob das Verhalten des Staates wirtschaftlich vernünftig ist, und sich jeder Beurteilung aufgrund einer späteren Situation enthalten. Die Verhaltensweisen öffentlicher und privater Marktteilnehmer sind daher im Hinblick darauf zu vergleichen, wie sich ein privater Marktteilnehmer bei dem fraglichen Vorgang angesichts der zum entsprechenden Zeitpunkt verfügbaren Informationen und vorhersehbaren Entwicklungen verhalten hätte, die für die Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers einzig und allein relevant sind. Daher reichen die rückblickende Feststellung der tatsächlichen Rentabilität der vom Mitgliedstaat oder der betroffenen öffentlichen Einrichtung getätigten Kapitalanlage oder spätere Rechtfertigungen der tatsächlich gewählten Vorgehensweise dafür nicht aus und sind unerheblich. Dies gilt insbesondere, wenn die Kommission wie im vorliegenden Fall das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe im Zusammenhang mit einer Maßnahme prüft, die ihr, als sie ihre Prüfung durchführte, nicht mitgeteilt und von der betreffenden öffentlichen Einrichtung bereits umgesetzt worden war (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF u. a., C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 85, 104 und 105, vom 30. November 2016, Kommission/Frankreich und Orange, C‑486/15 P, EU:C:2016:912, Rn. 139 und 140, und vom 25. Juni 2015, SACE und Sace BT/Kommission, T‑305/13, EU:T:2015:435, Rn. 93 und 94 und die dort angeführte Rechtsprechung).

105    Insoweit hat die Rechtsprechung zum einen klargestellt, dass sich die Kommission, wenn sie prüft, ob die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit und Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers erfüllt sind, nur dann weigern kann, vom betreffenden Mitgliedstaat vorgelegte einschlägige Informationen zu prüfen, wenn die vorgelegten Beweise aus der Zeit nach Erlass der Entscheidung über die Vornahme der betreffenden Kapitalanlage stammen, und zum anderen, dass sich die Informationen zu Ereignissen, die in den Zeitraum vor dem Zeitpunkt des Erlasses einer staatlichen Maßnahme fallen und zu diesem Zeitpunkt verfügbar sind, als relevant erweisen können, soweit diese Informationen die Frage klären können, ob diese Maßnahme einen Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Oktober 2015, Electrabel und Dunamenti Erőmű/Kommission, C‑357/14 P, EU:C:2015:642, Rn. 103 bis 105, und vom 25. Juni 2015, SACE und Sace BT/Kommission, T‑305/13, EU:T:2015:435, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

106    Nach den Grundsätzen der Beweislast im Bereich staatlicher Beihilfen hat die Kommission das Vorliegen einer solchen Beihilfe zu beweisen. Insoweit hat sie das Verfahren zur Prüfung der betreffenden Maßnahmen sorgfältig und unvoreingenommen zu führen, damit sie bei Erlass einer endgültigen Entscheidung, in der das Vorliegen und gegebenenfalls die Unvereinbarkeit oder Rechtswidrigkeit der Beihilfe festgestellt wird, über möglichst vollständige und verlässliche Informationen verfügt. Hinsichtlich der Beweisanforderungen ist die Art der von der Kommission zu erbringenden Nachweise weitgehend von der Art der beabsichtigten staatlichen Maßnahme abhängig (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. April 2014, Frankreich/Kommission, C‑559/12 P, EU:C:2014:217, Rn. 63 und 66, und vom 25. Juni 2015, SACE und Sace BT/Kommission, T‑305/13, EU:T:2015:435, Rn. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung).

107    Im Übrigen erfordert die Prüfung der Kommission, ob bestimmte Maßnahmen als staatliche Beihilfen zu qualifizieren sind, weil die Behörden nicht wie ein privater Kapitalgeber gehandelt haben, eine komplexe wirtschaftliche Beurteilung. Im Rahmen der Kontrolle, die der Unionsrichter in Bezug auf die Würdigung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission im Bereich der staatlichen Beihilfen ausübt, darf dieser nicht die wirtschaftliche Beurteilung seitens der Kommission durch seine eigene ersetzen (vgl. Urteil vom 24. Januar 2013, Frucona Košice/Kommission, C‑73/11 P, EU:C:2013:32, Rn. 74 und 75 und die dort angeführte Rechtsprechung, Urteile vom 21. März 2013, Kommission/Buczek Automotive, C‑405/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:186, Rn. 48 und 49, vom 30. November 2016, Kommission/Frankreich und Orange, C‑486/15 P, EU:C:2016:912, Rn. 91, und vom 20. September 2017, Kommission/Frucona Košice, C‑300/16 P, EU:C:2017:706, Rn. 62 und 63) und muss seine Kontrolle auf die Prüfung beschränken, ob die Vorschriften über das Verfahren und die Begründung eingehalten wurden, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung dieses Sachverhalts oder ein Ermessensmissbrauch vorliegt (vgl. Urteile vom 15. Januar 2015, Frankreich/Kommission, T‑1/12, EU:T:2015:17, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 16. März 2016, Frucona Košice/Kommission, T‑103/14, EU:T:2016:152, Rn. 144 bis 146 und die dort angeführte Rechtsprechung).

108    Ein die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung rechtfertigender offensichtlicher Irrtum der Kommission bei der Würdigung des Sachverhalts kann nur festgestellt werden, wenn die von den Klägern vorgebrachten Beweise ausreichen, um die Sachverhaltswürdigung in der Entscheidung als nicht plausibel erscheinen zu lassen (vgl. Urteil vom 9. Dezember 2015, Griechenland und Ellinikos Chrysos/Kommission, T‑233/11 und T‑262/11, EU:T:2015:948, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).

109    Der Unionsrichter muss nicht nur die sachliche Richtigkeit, die Zuverlässigkeit und die Kohärenz der angeführten Beweise prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (vgl. Urteil vom 24. Januar 2013, Frucona Košice/Kommission, C‑73/11 P, EU:C:2013:32, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung, Urteile vom 21. März 2013, Kommission/Buczek Automotive, C‑405/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:186, Rn. 50, vom 30. November 2016, Kommission/Frankreich und Orange, C‑486/15 P, EU:C:2016:912, Rn. 91, und vom 20. September 2017, Kommission/Frucona Košice, C‑300/16 P, EU:C:2017:706, Rn. 64).

110    Der Gerichtshof hat auch klargestellt, dass die Kommission bei der Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers eine Gesamtwürdigung vorzunehmen und dabei jeden im betreffenden Fall erheblichen Anhaltspunkt zu berücksichtigen hat, der es ihr ermöglicht, festzustellen, ob das begünstigte Unternehmen derartige Erleichterungen offenkundig nicht von einem privaten Gläubiger erhalten hätte. Insoweit ist zum einen jede Information als erheblich zu betrachten, die den Entscheidungsprozess eines durchschnittlich vorsichtigen und sorgfältigen privaten Gläubigers, der sich in einer möglichst ähnlichen Lage befindet wie der öffentliche Gläubiger und von einem Schuldner, der sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet, die Zahlung der ihm geschuldeten Beträge zu erlangen sucht, nicht unwesentlich beeinflussen kann. Zum anderen sind für die Anwendung des Kriteriums des privaten Gläubigers nur die im Zeitpunkt der Entscheidung verfügbaren Informationen und vorhersehbaren Entwicklungen relevant  (vgl. Urteil vom 20. September 2017, Kommission/Frucona Košice, C‑300/16 P, EU:C:2017:706, Rn. 59 bis 61 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Kommission ist nicht verpflichtet, eine Information zu prüfen, wenn die vorgelegten Beweise aus der Zeit nach Erlass der Entscheidung über die Vornahme der betreffenden Kapitalanlage stammen, und diese entbinden den betreffenden Mitgliedstaat nicht von der Pflicht, eine angemessene vorherige Bewertung der Rentabilität seiner Investition vorzunehmen, bevor er diese Investition tätigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. November 2017, SACE und Sace BT/Kommission, C‑472/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:885, Rn. 107 und die dort angeführte Rechtsprechung).

111    In Anbetracht dieser Kriterien der Rechtsprechung ist zu prüfen, ob die Kommission zu Recht die Auffassung vertreten konnte, dass sich ein privater Kapitalgeber in der Lage der SEA im Jahr 2002 in ähnlicher Weise verpflichtet hätte, um das wirtschaftliche Überleben der Tochtergesellschaft SEA Handling und ihre Rückkehr in die Rentabilitätszone zu gewährleisten.

112    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die italienischen Behörden zwar versucht haben, nachzuweisen, dass sie das Kriterium des privaten Kapitalgebers beachtet haben, indem sie ihre komplexe langfristige Strategie für die Umstrukturierung der SEA Handling innerhalb der SEA-Gruppe ausführlich und wiederholt darlegten und durch verschiedene Pläne für die geschäftliche Entwicklung und Umstrukturierung, durch die von der Klägerin angeführte wirtschaftliche Studie sowie durch Investitionen, die ihrer Meinung nach eine langfristige Perspektive im Sinne des Urteils vom 21. März 1991, Italien/Kommission (C‑303/88, EU:C:1991:136, Rn. 21 und 22), eröffnen, untermauerten. Sie betonten hierzu die Notwendigkeit, das Image der SEA-Gruppe insbesondere durch Sicherstellung der Qualität der Dienstleistungen zu schützen, die Notwendigkeit einer Optimierung des Gesamtergebnisses sowie die Wahrscheinlichkeit eines bedeutenden mittelbaren Gewinns aus der Auslagerung des Sektors Bodenabfertigungsdienste und einer Veräußerung dieses Sektors unter besseren wirtschaftlichen Bedingungen.

113    Jedoch ist mit der Kommission festzustellen, dass es die italienischen Behörden während des Verwaltungsverfahrens offensichtlich zum einen verabsäumten, zumindest für den ersten Zeitraum von fünf Jahren bezifferte Prognosen oder Schätzungen des Kapitalbedarfs der SEA Handling aus Sicht eines Kapitalgebers in der Lage von 2002 zu liefern sowie die möglichen Vorteile zu umreißen, die ein solcher Kapitalgeber vernünftigerweise im Sinne einer „Rendite“ erwarten durfte und die mit den Aufwendungen aufgrund der in Rede stehenden Rekapitalisierungsmaßnahmen verglichen werden könnten. Zum anderen blieben sie den Nachweis der fehlenden wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit möglicher Ersatzlösungen, wie der Liquidierung oder der (teilweisen oder vollständigen) Auslagerung des Sektors Bodenabfertigung schuldig, deren Kosten und mögliche Vorteile sie nicht unter Zugrundelegung konkreter Zahlen und Berechnungen hinreichend bewerteten. Daraus folgt notwendigerweise, dass die italienischen Behörden, die SEA und die SEA Handling auch darauf verzichteten, einen Vergleich des „Kosten-Nutzen“-Verhältnisses für jedes der verschiedenen Alternativszenarien des Verhaltens eines privaten Kapitalgebers anzustellen und ihn der Kommission vorzulegen.

114    So beschränkt sich die von der Klägerin angeführte wirtschaftliche Studie, die sich auf den Geschäftsplan für den Zeitraum von 2003 bis 2007 (nämlich den Geschäftsplan 2003–2007) stützt, darauf, kurz die möglichen Alternativszenarien darzulegen, darunter die Liquidierung der SEA Handling, und zu behaupten, dass ein solcher Ansatz „beträchtliche Ausstiegskosten“ verursacht hätte, ohne zu versuchen, sie zu quantifizieren und sie mit den Kosten für die in Rede stehenden Rekapitalisierungsmaßnahmen zu vergleichen, obwohl dort betont wird, dass ein umsichtiger privater Kapitalgeber einen solchen Vergleich angestellt hätte. Diese lapidaren und widersprüchlichen Feststellungen in der von der Klägerin angeführten wirtschaftlichen Studie sind ein Beweis dafür, dass die SEA und die italienischen Behörden im Jahr 2002 keine andere wirtschaftlich sinnvolle Option geprüft haben als die einer bedingungslosen Rekapitalisierung der SEA Handling innerhalb der SEA-Gruppe, die von der SEA zunächst für einen Zeitraum von fünf Jahren beschlossen und dann sogar bis 2007 fortgeführt wurde. Zudem ist diese Studie, wie die Kommission zu Recht im 308. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses feststellte, die einzige von den italienischen Behörden in Auftrag gegebene echte Analyse eines dritten „Wirtschaftsexperten“, die allerdings nach Erlass der in Rede stehenden Maßnahmen erstellt wurde. Der Zeitpunkt, zu dem zu beurteilen ist, ob eine Maßnahme anhand des Kriteriums des privaten Kapitalgebers wirtschaftlich vernünftig ist, ist jedoch der Zeitpunkt ihres Erlasses (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF u. a., C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 85, 104 und 105, vom 30. November 2016, Kommission/Frankreich und Orange, C‑486/15 P, EU:C:2016:912, Rn. 139 und 140, und vom 25. Juni 2015, SACE und Sace BT/Kommission, T‑305/13, EU:T:2015:435, Rn. 93 und 94 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die von der Klägerin angeführte wirtschaftliche Studie kann daher für sie keine „rückwirkende“ Rechtfertigung auf der Grundlage der im Jahr 2011 festgestellten Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der SEA Handling sein. Die italienischen Behörden, einschließlich der Klägerin, haben weder während des Verwaltungsverfahrens (308. Erwägungsgrund in fine des angefochtenen Beschlusses) noch im Laufe des weiteren Verfahrens geltend gemacht, dass sie im Jahr 2002 bzw. zumindest vor der angeblichen Zäsur im Jahr 2007 eine Prüfung der finanziellen Lage der SEA Handling vorgenommen (Erwägungsgründe 268 und 289 des angefochtenen Beschlusses) oder eine entsprechende, dieses Mal zukunftsorientierte wirtschaftliche Analyse verlangt hätten, um zu prüfen, ob ihr Verhalten wirtschaftlich vernünftig ist.

115    Zweitens wird diese Beurteilung durch die Pläne für die geschäftliche Entwicklung und Umstrukturierung der SEA und der SEA Handling, nämlich den „konsolidierten Geschäftsplan 2002‑2006“ (Business Plan Consolidato 2002‑2006), den „Geschäftsplan 2003‑2007“, den „Strategieplan 2007‑2012“, „den Strategieplan 2009‑2016“ und den „Geschäftsplan 2011‑2013“ (Erwägungsgründe 269 bis 296 des angefochtenen Beschlusses) bestätigt. Wie die Kommission im Wesentlichen in den Erwägungsgründen 226, 229 und 290 des angefochtenen Beschlusses ausführte, ohne dass die Klägerin dem entgegengetreten wäre, wird in diesen verschiedenen Plänen die Strategie der Rekapitalisierung der SEA nicht erwähnt, obwohl sie für den Erfolg der geplanten Umstrukturierung der SEA Handling unerlässlich war, da sie vorläufig ihr wirtschaftliches Überleben sicherte, sondern diese konzentrierten sich bloß auf den Schwerpunkt Umstrukturierung, wodurch die Rentabilität wiederhergestellt werden sollte. Wie im 290. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zusammengefasst wurde, beinhalteten diese Pläne, weil sie die in Rede stehenden Rekapitalisierungsmaßnahmen nicht berücksichtigten, auch keine mittel- oder langfristige Schätzung oder Vorausschätzung ihrer Gesamtkosten (die sich schließlich auf einen Gesamtbetrag für die Rekapitalisierung von ungefähr 360 Mio. Euro beliefen) und ihrer möglichen Gewinne, gegebenenfalls in Form von Dividenden, der Erhaltung oder Steigerung des Werts der Beteiligung oder eines verhinderten Imageschadens.

116    Ebenso geht aus den Erwägungsgründen 292 und 293 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass es die italienischen Behörden und die SEA verabsäumten, den angeblichen Schaden im Zusammenhang mit dem Imageverlust zu beziffern, den die SEA im Fall einer Übertragung der Bodenabfertigungsdienste an einen Drittanbieter hätte erleiden können, der nicht die gleiche Qualität garantiert hätte, obwohl die SEA „selbst eingeräumt hat, ein solcher Verlust könne problemlos mittels einer Marktstudie bestätigt werden.“ Sie beschränkten sich darauf, eine Berechnung der Auslagerungskosten vorzulegen, deren Richtigkeit die Kommission in den Erwägungsgründen 257 bis 259 in Frage stellte.

117    Was drittens speziell die Beträge angeht, die für die Kapitalzuführungen aus Sicht eines umsichtigen privaten Kapitalgebers in der Lage von 2002 nötig gewesen wären, ist festzustellen, dass die Klägerin im Laufe des Verfahrens keine weiteren Erläuterungen gegeben hat. Abgesehen von der Rekapitalisierungsentscheidung, die in Form der Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 getroffen wurde, gibt es keine Angaben, und sei es auch nur eine Vorausschätzung der Beträge, die die SEA und die italienischen Behörden in diesem Stadium gegebenenfalls während des ersten Zeitraums von fünf Jahren in die SEA Handling zu investieren planten. Die von der Klägerin angeführte wirtschaftliche Studie bestätigt vielmehr, dass im Jahr 2002 eine solche Vorausschätzung bis 2005, d. h. bis zu dem ursprünglich im Geschäftsplan 2003–2007 vorgesehenen Zeitpunkt der Rückkehr zur Rentabilität, nicht vorgenommen wurde. Hingegen beschränkt sich die Klägerin auf vage und allgemeine Erwägungen im Zusammenhang mit einer allgemeinen Strategie der Umstrukturierung und auf die angebliche Notwendigkeit, die SEA Handling innerhalb der SEA‑Gruppe zu sanieren, um ihre Rückkehr in die Rentabilitätszone zu ermöglichen. Die Notwendigkeit, einen genauen Plan mit einer realistischen Schätzung der Rendite der aufeinander folgenden Rekapitalisierungen zu erstellen, bestand jedoch umso mehr, als die in der Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 vorgesehenen Verpflichtungen eine mehrjährige Ausrichtung hatten. Die Kommission vertrat daher zu Recht die Ansicht, dass die Rekapitalisierungsentscheidung von 2002 ohne Bedingungen und unabhängig von den konkreten Prognosen hinsichtlich des möglichen Kapitalbedarfs der SEA Handling während eines bestimmten Zeitraums getroffen worden und nur auf die Verluste und den jährlichen Bedarf für ihre zukünftige Deckung abgestimmt gewesen sei, wobei ihre Höhe sowie die Art, die Dauer und das genau Ziel der Umstrukturierung der SEA Handling keine Rolle gespielt habe. Zudem gaben die SEA und die SEA Handling auch nach der Zäsur aufgrund der „De‑Hubbing“‑Entscheidung der Alitalia in den Jahren 2006/2007 nicht an, ob und inwiefern es aufgrund der Fortsetzung der Strategie der Rekapitalisierung möglich wurde, die SEA Handling tatsächlich zu einem bestimmten Zeitpunkt zu besseren Konditionen zu verkaufen, das Image der SEA-Gruppe insgesamt zu pflegen oder – wenigstens während eines Übergangszeitraums – bessere Garantien hinsichtlich der zuverlässigen Erbringung dieser Dienstleistungen aufgrund der Aufrechterhaltung der vertikalen Integration zu bieten.

118    Viertens brachte die Klägerin vor, die betreffenden Pläne für die geschäftliche Entwicklung und Umstrukturierung hätten abgesehen vom Schwerpunkt der umfangreichen Umstrukturierungsmaßnahmen auch auf den Schwerpunkt Rekapitalisierung abgezielt. Mithin machte sie im Wesentlichen nur geltend, der Schwerpunkt Umstrukturierung sei im Laufe der Jahre und aufgrund beträchtlich geänderter Umstände wesentlichen, angeblich nicht vorhersehbaren Änderungen unterzogen worden, ohne jedoch ein entsprechendes Argument in Bezug auf die Rekapitalisierungsmaßnahmen vorzutragen, deren Tragweite notwendigerweise vom Volumen der jährlichen Verluste der SEA Handling abhing.

119    Unter diesen Umständen kann mit dem Vorbringen der Klägerin, bei dem es nur um den Schwerpunkt Umstrukturierung sowie angebliche Fehler und Versäumnisse der Kommission in diesem Zusammenhang geht, das Vorliegen offensichtlicher Irrtümer bei deren Beurteilung der Nichtbeachtung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers in Bezug auf die betreffenden Rekapitalisierungsmaßnahmen, die auf einer im Jahr 2002 gefällten Grundsatzentscheidung beruhten, nicht nachgewiesen werden und auch die Richtigkeit der Auffassung der Kommission nicht in Frage gestellt werden, dass die SEA einen strengeren und kürzeren Umstrukturierungsplan hätte annehmen und durchführen können, um die Verluste der SEA Handling auf ein Mindestmaß zu beschränken (Erwägungsgründe 247, 290, 294 und 309 des angefochtenen Beschlusses).

120    Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen konnte die Kommission die oben in Rn. 97 angeführten Feststellungen treffen, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen.

121    Keines der von der Klägerin vorgebrachten Argumente vermag dieses Ergebnis in Frage zu stellen.

122    Erstens geht in Bezug auf das Fehlen anderer Lösungen, einschließlich der Aufgabe des Geschäftszweigs Bodenabfertigungsdienste, aus den Erwägungsgründen 248 bis 255 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Kommission die Einwände der SEA im Wesentlichen als nicht substantiiert, nicht glaubwürdig und zum Teil nicht stichhaltig verworfen hat. Zum einen wies sie die Behauptung zurück, dass Drittanbieter nur an den rentabelsten Dienstleistungen interessiert gewesen seien, was abgesehen davon, dass zwei Verfahren für anteilige Veräußerungen gescheitert waren, „nicht durch konkrete Beweise erhärtet [wird], obgleich eine Vielzahl von Unternehmen berechtigt ist, Dienste in Italien, insbesondere auf den Flughäfen Malpensa und Linate, anzubieten“ (Erwägungsgründe 248 bis 250 des angefochtenen Beschlusses). Zum anderen wurde von der Kommission in Bezug auf die Leistungsfähigkeit von Drittanbietern in Frage gestellt, ob „[d]ie eher vagen Ausführungen zur angeblich schlechten Wirtschaftslage der anderen auf den Mailänder Flughäfen tätigen Dienstleister oder zum Umfang ihrer tatsächlich dort eingesetzten Ressourcen“ und „die Behauptung, kein Anbieter habe über die hierfür erforderlichen Voraussetzungen verfügt,“ obwohl „[l]aut SEA … 84 Dienstleister berechtigt [waren], Linate und Malpensa zu bedienen“, stichhaltig und glaubwürdig sind. Sie wies zudem darauf hin, dass kein konkreter Nachweis dafür erbracht worden sei, „dass ein Drittanbieter nicht in der Lage wäre, die Qualitätsanforderungen, die als wesentlich für das reibungslose Funktionieren des Geschäftsmodells von SEA angesehen werden, zu erfüllen“ (Erwägungsgründe 251, 252 und 254 des angefochtenen Beschlusses). Schließlich warf die Kommission der SEA vor, nicht nachgewiesen zu haben, dass die „Möglichkeit, nur einen Teil anstatt aller Tätigkeiten auszulagern“, nicht bestanden habe (Erwägungsgründe 253 und 254 des angefochtenen Beschlusses).

123    Dieser detaillierten Analyse setzt die Klägerin nur vage und unbelegte Behauptungen entgegen. Sie beschränkt sich auf die nicht näher ausgeführte Behauptung, dass es keine Anbieter gegeben habe, die in der Lage gewesen wären, ein Gesamtangebot für die Bodenabfertigungsdienste abzugeben, und dass die Dienstleistungen, die von den auf den Mailänder Flughäfen präsenten Bodenabfertigern hätten erbracht werden können, von geringer Zuverlässigkeit und Qualität gewesen seien. Sie wiederholt lediglich die bereits im Lauf des Verwaltungsverfahrens vorgebrachten Argumente, die die Kommission zu Recht im angefochtenen Beschluss zurückgewiesen hat.

124    Was zweitens die Ungeeignetheit der Auslagerung der von der SEA Handling angebotenen Dienstleistungen angeht, lautet die Zusammenfassung des Vorbringens der italienischen Behörden, die im 81. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses aufgeführt ist, wie folgt:

„Es gebe im Übrigen noch weitere Gesichtspunkte als den, einen mittelbaren materiellen Nutzen aus der Deckung der Verluste der SEA Handling zu ziehen, so u. a.: a) die Möglichkeit der Erlangung indirekter wirtschaftlicher Vorteile durch die Wirtschaftsbeziehungen zur Tochtergesellschaft; b) die potenziellen Schwierigkeiten einer Auslagerung im nationalen Referenzkontext, die sowohl unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Kosten als auch der Verpflichtung zu betrachten seien, die die Gruppe gegenüber den staatlichen Behörden eingegangen ist; c) das Anliegen, das Image der Gruppe zu schützen, und d) die Einhaltung der sich aus den gesetzlichen Vorschriften und der Vereinbarung ergebenden Verpflichtungen gegenüber dem Staat.“

125    Während des Verwaltungsverfahrens betonte die SEA gemäß der Zusammenfassung im 115. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zudem, dass „der Rückzug aus der Bodenabfertigung einen Kostenanstieg aufgrund ihrer Verpflichtung bewirkt hätte, Dienstleistungen in Notfällen und bei unvorhergesehenen Ereignissen zu erbringen“, und dass sich „[d]ie Einsparungen der SEA durch Größenvorteile aufgrund der Möglichkeit, die Grenzkosten für das Personal der SEA Handling für den Bereitschaftsdienst einzusetzen, anstatt Kosten durch den Aufbau und die Verfügbarkeit eines Fachteams zu verursachen, … auf schätzungsweise 10,7 Mio. [Euro] im Jahr 2003 und 8,7 Mio. [Euro] im Jahr 2010 [beliefen]“.

126    Aus den Erwägungsgründen 256 bis 260 des angefochtenen Beschlusses ergibt sich, dass die Kommission die Richtigkeit der von der SEA vorgelegen Berechnungen der Auslagerungskosten mit der Begründung in Frage stellte, dass diese auf einem „willkürlichen“ Multiplikator und auf einer „unrealistischen“ Zahl der in Vollzeitäquivalenten (VZÄ) angegebenen Beschäftigten beruht hätten. In diesem Zusammenhang weist sie darauf hin, dass es keine realistischere Schätzung gebe, die auf einer Berechnung der tatsächlichen Kosten, die die SEA Handling der SEA normalerweise für ihre Dienstleistungen in Rechnung gestellt hätte, und auf der Anzahl der im Durchschnitt während eines Jahres tatsächlich zugeteilten VZÄ beruhe. Im Übrigen warf die Kommission der SEA vor, die angeblichen Auslagerungskosten nicht mit jenen der betreffenden Rekapitalisierungsmaßnahmen (Deckung der Verluste) verglichen zu haben, „die durch die Auslagerung bestimmter oder aller Bodenabfertigungsdienste an einen wettbewerbsstärkeren Marktteilnehmer hätten vermieden werden können“.

127    In ihren Schriftsätzen vor dem Gericht hat sich die Klägerin im Wesentlichen darauf beschränkt, die von den italienischen Behörden bereits im Laufe des Verwaltungsverfahrens vorgetragenen Argumente zu wiederholen, die im 81. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses aufgeführt sind (siehe oben, Rn. 124), ohne jedoch genaue Argumente vorzutragen, die die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommene Beurteilung in Frage stellen können. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die italienischen Behörden, die SEA oder die SEA Handling niemals dargelegt haben, wie hoch die hypothetischen Kosten und Gewinne einer Auslagerung und somit der Erbringung der Bodenabfertigungsdienste durch einen Drittanbieter gewesen wären, und auch keinen Vergleich eines solchen Kosten‑Nutzen‑Verhältnisses mit den Kosten und Gewinnen im Zusammenhang sowohl mit den in Rede stehenden Rekapitalisierungsmaßnahmen als auch mit der Aufrechterhaltung der Lösung der vertikalen Integration der SEA Handling innerhalb der SEA-Gruppe angestellt haben.

128    Wie im 293. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, der als solcher von der Klägerin nicht beanstandet wird, ausgeführt, verzichteten die italienischen Behörden und SEA zudem im Verwaltungsverfahren darauf, die Tragweite des angeblichen Imageverlusts der SEA-Gruppe im Fall einer Auslagerung der Bodenabfertigungsdienste, deren erforderliche Qualität von der SEA nicht mehr garantiert oder kontrolliert hätte werden können, anhand konkreter Zahlen zu belegen (292. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses; siehe oben, Rn. 116).

129    Was drittens das Vorbringen angeht, wonach die Auswirkungen der Unternehmensentscheidungen der SEA nur langfristig beurteilt werden könnten, so dass die SEA ihre Entscheidung nicht revidieren könne, ohne die nötige Zeit zugewartet zu haben, um deren Ergebnis zu bewerten, genügt die Feststellung, dass die einschlägige Frage in Bezug auf das Kriterium des privaten Kapitalgebers nicht jene ist, ob die SEA bestimmte Entscheidungen revidieren musste, ohne ihre langfristigen Auswirkungen zu kennen, sondern ob sie zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung über die Kapitalerhöhung ihrer Tochtergesellschaft SEA Handling Kosten- und Nutzenschätzungen vorgenommen hat, was offensichtlich hier nicht der Fall war (siehe oben, Rn. 112 bis 116). Ebenso können die nach der Investitionsentscheidung von 2002 erreichten Ergebnisse der SEA Handling, so positiv diese ab 2008 auch gewesen sein mögen, weder für die Zwecke der Prüfung der Beachtung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers herangezogen werden (siehe oben, 104 und 110) noch die fehlende Ex-ante-Bewertung der Kosten und des Nutzens der von der SEA gewählten Strategie heilen.

130    Viertens ist die Tatsache, dass die Sanierungsstrategie der SEA Handling die finanzielle Stabilität der SEA nicht beeinträchtigt hat und dass Letztere Dividenden ausgeschüttet hat, kein Beleg dafür, dass die Kapitalerhöhungen so erfolgt sind, wie ein privater Kapitalgeber sie vorgenommen hätte; sie ist daher irrelevant.

131    Fünftens und abschließend belegt die von der Klägerin angeführte wirtschaftliche Studie nicht, dass die Kapitalerhöhungen dem Kriterium des privaten Kapitalgebers entsprochen haben. Wie oben in Rn. 114 ausgeführt, beschränkt sich die von der Klägerin angeführte wirtschaftliche Studie darauf, kurz die möglichen Alternativszenarien darzulegen, darunter die Liquidierung der SEA Handling, und zu behaupten, dass ein solcher Ansatz „beträchtliche Ausstiegskosten“ verursacht hätte, ohne auch nur zu versuchen, sie zu quantifizieren und sie mit den Kosten für die in Rede stehenden Maßnahmen zu vergleichen, obwohl dort betont wird, dass ein umsichtiger privater Kapitalgeber einen solchen Vergleich angestellt hätte.

132    Daher hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Kommission durch die Zurückweisung des Vorbringens, dass das Kriterium des privaten Kapitalgebers im vorliegenden Fall beachtet worden sei, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat. Der zweite Klagegrund ist deshalb zurückzuweisen.

… [nicht übersetzt]

IV.    Kosten

212    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten einschließlich jener des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Comune di Milano trägt die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes.

Van der Woude

Kreuschitz

Forrester

Półtorak

 

      Perillo

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. Dezember 2018.

Unterschriften




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