T-16/17 – APF / Parlament
URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)
11. Juli 2018()
„Institutionelles Recht – Europäisches Parlament – Beschluss, mit dem einer politischen Partei eine Finanzhilfe gewährt wird – Vorfinanzierung in Höhe von 33 % des Höchstbetrags der gewährten Finanzhilfe – Obliegenheit, eine Bankbürgschaft für die Vorfinanzierung zu stellen – Haushaltsordnung – Anwendungsbestimmungen für die Haushaltsordnung – Verordnung (EG) Nr. 2004/2003 über die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung – Verhältnismäßigkeit – Ermessensmissbrauch“
In der Rechtssache T‑16/17
Alliance for Peace and Freedom (APF) mit Sitz in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt P. Richter,
Klägerin,
gegen
Europäisches Parlament, vertreten durch N. Görlitz, C. Burgos und S. Alves als Bevollmächtigte,
Beklagter,
betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses FINS-2017-15 des Europäischen Parlaments vom 12. Dezember 2016 über die Gewährung einer Finanzhilfe an die Klägerin, soweit mit diesem Beschluss die Vorfinanzierung auf 33 % des Höchstbetrags der Finanzhilfe begrenzt wird und ihre Auszahlung von der Stellung einer Bankbürgschaft abhängig gemacht wird,
erlässt
DAS GERICHT (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten A. M. Collins, der Richterin M. Kancheva und des Richters R. Barents (Berichterstatter),
Kanzler: E. Coulon,
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1 Die Klägerin, Alliance for Peace and Freedom (APF), ist eine politische Partei auf europäischer Ebene im Sinne des Art. 2 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2004/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung (ABl. 2003, L 297, S. 1) (im Folgenden: politische Partei).
2 Für das Haushaltsjahr 2015 stellte sie erstmals einen Antrag auf Finanzierung aus dem Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union. Diese Finanzierung wurde ihr verweigert, weil sie bestimmte Voraussetzungen des Art. 3 der Verordnung Nr. 2004/2003 nicht erfüllte.
3 Auch für das Haushaltsjahr 2016 stellte die Klägerin einen Antrag auf Finanzierung. Sie erhielt eine Finanzhilfe mit einem Höchstbetrag von 400 000 Euro, und ihr wurde eine Vorfinanzierung in Höhe von 320 000 Euro gewährt, also 80 % des Höchstbetrags der gewährten Finanzhilfe. Die Auszahlung einer weiteren Vorfinanzierung in Höhe von 80 000 Euro, die den übrigen 20 % des Höchstbetrags der gewährten Finanzhilfe entsprachen, wurde von der Stellung einer Bankbürgschaft abhängig gemacht, die 40 % des Höchstbetrags der gewährten Finanzhilfe abdecken sollte.
4 Mit Schreiben vom 12. Mai 2016 beantragten vier Fraktionen des Europäischen Parlaments beim Präsidenten des Parlaments, gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2004/2003 und Art. 225 der Geschäftsordnung des Parlaments in der für den vorliegenden Sachverhalt maßgeblichen Fassung (im Folgenden: Geschäftsordnung) das in diesen Bestimmungen vorgesehene Nachprüfungsverfahren (im Folgenden: Nachprüfungsverfahren) einzuleiten, um zu prüfen, ob die Klägerin die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 2004/2003 weiterhin erfüllte (im Folgenden: Nachprüfungsantrag).
5 Am selben Tag unterrichtete der Präsident des Parlaments die Konferenz der Präsidenten des Parlaments über den Eingang des Nachprüfungsantrags, und es wurde eine Pressemitteilung herausgegeben, in der die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens in Bezug auf die Klägerin angekündigt wurde.
6 Mit E‑Mail vom 16. Mai 2016 wandte sich die Klägerin an das Sekretariat des für die Zwecke des Art. 225 der Geschäftsordnung zuständigen Ausschusses, der in diesem Fall der Ausschuss des Parlaments für konstitutionelle Fragen (im Folgenden: Ausschuss für konstitutionelle Fragen) war. Darin bat sie um weitere Informationen zu dem in Bezug auf sie anhängigen Nachprüfungsverfahren. Das Sekretariat des Ausschusses für konstitutionelle Fragen antwortete ihr mit E‑Mail vom 3. Juni 2016.
7 Mit Schreiben vom 26. Mai 2016 forderte der Präsident des Parlaments den Ausschuss für konstitutionelle Fragen auf, gemäß Art. 225 der Geschäftsordnung zu prüfen, ob die Klägerin weiterhin die Grundsätze beachtete, auf denen die Union beruht.
8 Mit Schreiben vom 21. September 2016 stellte die Klägerin beim Parlament einen neuerlichen Antrag auf Finanzierung, diesmal für das Haushaltsjahr 2017.
9 Mit E‑Mail vom 9. November 2016 lud das Sekretariat des Ausschusses für konstitutionelle Fragen die Klägerin zu einer Sitzung „zwecks einer Aussprache [ein], die [ihr] die Gelegenheit geben [sollte], sich zu den Behauptungen zu äußern, dass [sie] gegen die [Grundsätze, auf denen die Union beruht,] verstoßen habe“. Diese Sitzung war für den 17. November 2016 angesetzt.
10 Mit Schreiben vom 14. November 2016 lehnte es die Klägerin ab, dieser Einladung Folge zu leisten, da sie nicht „ordnungsgemäß eingeladen“ worden sei und keine Kenntnis von der Akte habe nehmen können, in der die gegen sie erhobenen Behauptungen enthalten seien. Außerdem wies sie darauf hin, dass nicht klar sei, ob mit der „Aussprache“, zu der sie eingeladen worden sei, die „Anhörung“ im Sinne des Art. 5 der Verordnung Nr. 2004/2003 gemeint sei, welchenfalls der Ausschuss für konstitutionelle Fragen dafür nicht zuständig sei.
11 Mit Schreiben vom 23. November 2016 teilte die Vorsitzende des Ausschusses für konstitutionelle Fragen dem Präsidenten des Parlaments den Beschluss mit, die Klägerin zu einer Anhörung zu einem späteren Zeitpunkt zu laden, und bat ihn, unverzüglich eine Sitzung des in Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2004/2003 vorgesehenen Ausschusses, dem unabhängige Persönlichkeiten angehören (im Folgenden: Ausschuss unabhängiger Persönlichkeiten), einzuberufen, damit dieser seine Stellungnahme abgeben könne.
12 Am 5. Dezember 2016 unterrichtete der Generalsekretär des Parlaments das Präsidium des Parlaments in einem Vermerk über die Ergebnisse der Bewertung der Anträge auf Finanzhilfe, die für das Haushaltsjahr 2017 von Parteien und politischen Stiftungen auf europäischer Ebene im Sinne des Art. 2 Nr. 4 der Verordnung Nr. 2004/2003 eingegangen waren. Mit demselben Vermerk ersuchte er das Präsidium, die Liste der Finanzhilfeempfänger und der gewährten Beträge festzulegen und dabei dem Ergebnis der Beurteilung Rechnung zu tragen.
13 In seiner Sitzung vom 12. Dezember 2016 erließ das Präsidium des Parlaments, den Beschluss FINS-2017-15, mit dem der Klägerin für das Haushaltsjahr 2017 eine Finanzhilfe mit einem Höchstbetrag von 419 639,38 Euro gewährt wurde (im Folgenden: angefochtener Beschluss). Nach dem Wortlaut der in Art. I.4.1 des angefochtenen Beschlusses festgelegten Maßnahmen belief sich der Vorfinanzierungsbetrag auf 33 % des Höchstbetrags der gewährten Finanzhilfe und damit auf 138 480,99 Euro, und seine Auszahlung stand unter dem Vorbehalt der Stellung einer Bankbürgschaft in entsprechender Höhe durch die Klägerin (im Folgenden zusammen: streitige Maßnahmen). Der angefochtene Beschluss trägt als Unterzeichnungsdatum den 15. Dezember 2016, und er wurde der Klägerin mit Schreiben vom 21. Dezember 2016 übermittelt.
14 Mit Schreiben vom 14. Dezember 2016 lud die Vorsitzende des Ausschusses für konstitutionelle Fragen die Klägerin zu einer Anhörung am 9. Februar 2017 und stellte dabei die Rolle dieses Ausschusses im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens klar. Gleichzeitig übermittelte sie ihr die Akte, die als Grundlage für die Anhörung dienen sollte.
15 Mit Schreiben vom 28. Dezember 2016 beantragte die Klägerin beim Parlament die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses.
16 Mit Schreiben vom 4. Januar 2017 antwortete ihr der Generaldirektor Finanzen des Parlaments, dass weder die Verordnung Nr. 2004/2003 noch der Beschluss des Präsidiums des Europäischen Parlaments vom 29. März 2004 mit Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung Nr. 2004/2003 in geänderter Fassung (ABl. 2014, C 63, S. 1, im Folgenden: Präsidiumsbeschluss vom 29. März 2004) eine solche Überprüfung vorsähen, und wies sie auf ihr Klagerecht beim Gerichtshof der Europäischen Union hin.
Verfahren und Anträge der Parteien
17 Mit Klageschrift, die am 13. Januar 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.
18 Mit gesondertem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin gemäß Art. 152 der Verfahrensordnung des Gerichts beantragt, über die vorliegende Klage im beschleunigten Verfahren zu entscheiden. Das Parlament hat seine Stellungnahme zu diesem Antrag am 23. Januar 2017 eingereicht.
19 Mit Entscheidung vom 9. Februar 2017 hat das Gericht (Achte Kammer) den Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren zurückgewiesen.
20 Die Klägerin beantragt,
– den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit damit die Vorfinanzierung auf 33 % des Höchstbetrags der gewährten Finanzhilfe begrenzt und ihre Auszahlung von der Stellung einer Bankbürgschaft abhängig gemacht wird;
– dem Parlament die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
21 Das Parlament beantragt,
– die Klage als unbegründet abzuweisen;
– die Klägerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
22 Da keine der Parteien innerhalb der in Art. 106 Abs. 2 der Verfahrensordnung vorgesehenen Frist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, hat das Gericht (Achte Kammer) nach Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung beschlossen, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden.
23 Somit ist der vom Parlament in seiner Klagebeantwortung gestellte Antrag gegenstandslos geworden, die vorliegende Rechtssache mit der Rechtssache T‑13/17, Europa Terra Nostra/Parlament, zu gemeinsamem mündlichen Verfahren zu verbinden, in der die der Klägerin angeschlossene politische Stiftung auf europäischer Ebene Europa Terra Nostra e. V. gegen den Beschluss des Parlaments über die Gewährung einer Finanzhilfe klagt.
Rechtliche Würdigung
24 Die Klägerin beantragt, den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit damit die Vorfinanzierung auf 33 % des Höchstbetrags der gewährten Finanzhilfe begrenzt und ihre Auszahlung von der Stellung einer Bankbürgschaft abhängig gemacht wird.
25 Sie bringt dafür im Wesentlichen drei Klagegründe vor. Mit dem ersten rügt sie einen Verstoß gegen die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates (ABl. 2012, L 298, S. 1, im Folgenden: Haushaltsordnung), gegen die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1268/2012 der Kommission vom 29. Oktober 2012 über die Anwendungsbestimmungen für die Haushaltsordnung (ABl. 2012, L 362, S. 1, im Folgenden: Anwendungsbestimmungen zur Haushaltsordnung) und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Mit dem zweiten macht sie einen Verstoß gegen die Art. 11 und 12 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) geltend. Mit dem dritten beanstandet sie einen Ermessensmissbrauch.
Zum Verstoß gegen die Haushaltsordnung, gegen die Anwendungsbestimmungen zur Haushaltsordnung und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
26 Der erste Klagegrund gliedert sich in drei Teile. Mit dem ersten wird gerügt, es sei gegen das Verbot verstoßen worden, bei Finanzhilfen mit geringem Wert eine Sicherheitsleistung zu verlangen. Mit dem zweiten wird das Fehlen eines berechtigten Interesses des Parlaments am Erlass der streitigen Maßnahmen bemängelt. Mit dem dritten wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beanstandet.
Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes: Finanzhilfen mit geringem Wert
27 Die Klägerin macht geltend, die Obliegenheit zur Stellung einer Bankbürgschaft verstoße gegen Art. 134 Abs. 2 der Haushaltsordnung und Art. 206 Abs. 1 der Anwendungsbestimmungen zur Haushaltsordnung, nach denen bei Finanzhilfen mit geringem Wert keine Sicherheitsleistung verlangt werden dürfe.
28 Um festzustellen, ob eine Finanzhilfe von geringem Wert sei, müsse ein Vergleich mit den Höchstbeträgen der den anderen politischen Parteien vom Parlament gewährten Finanzhilfen angestellt werden. Der Begriff der Finanzhilfe mit geringem Wert sei somit abhängig vom jeweiligen Einzelfall nach einer Vergleichsberechnung zu beurteilen. Hilfsweise bringt die Klägerin vor, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit hätte ihr wenigstens ein Betrag von 60 000 Euro bedingungslos ausgezahlt werden müssen, und eine Sicherheitsleistung hätte nur für den darüber hinausgehenden Betrag verlangt werden dürfen.
29 Das Parlament tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
30 Gemäß Art. 134 Abs. 1 der Haushaltsordnung kann der zuständige Anweisungsbefugte, wenn dies zweckmäßig und verhältnismäßig ist, von Fall zu Fall und vorbehaltlich einer Risikoanalyse vorab vom Begünstigten eine Sicherheitsleistung verlangen, um die mit den Vorfinanzierungen verbundenen finanziellen Risiken zu begrenzen. Art. 134 Abs. 2 der Haushaltsordnung bestimmt, dass bei Finanzhilfen mit geringem Wert keine Sicherheitsleistung verlangt wird.
31 Nach Art. 206 Abs. 1 der Anwendungsbestimmungen zur Haushaltsordnung kann der zuständige Anweisungsbefugte außer im Fall von Finanzhilfen mit geringem Wert nach Maßgabe einer Risikobewertung vom Empfänger eine vorherige Sicherheitsleistung bis zur Höhe der Vorfinanzierung verlangen oder die Vorfinanzierung in mehreren Teilbeträgen auszahlen, um die mit der Auszahlung der Vorfinanzierungen verbundenen finanziellen Risiken zu begrenzen.
32 Für die Feststellung, ob eine Finanzhilfe von geringem Wert ist, ist Art. 185 der Anwendungsbestimmungen zur Haushaltsordnung heranzuziehen, nach dem als geringe Finanzhilfen solche gelten, die 60 000 Euro nicht übersteigen. Die von der Klägerin vertretene Auslegung findet mithin im Wortlaut dieser Bestimmung keine Grundlage. Darin ist nämlich von einer Einzelfallbeurteilung oder einer vergleichenden Analyse keine Rede. Vielmehr wird eine Schwelle festgelegt, oberhalb deren eine Finanzhilfe nicht als geringwertig angesehen werden kann.
33 Im vorliegenden Fall übersteigt der Betrag der der Klägerin vom Parlament gewährten Finanzhilfe 60 000 Euro. Somit handelt es sich nicht um eine Finanzhilfe mit geringem Wert.
34 Aus den oben in den Rn. 30 bis 32 angeführten Bestimmungen ergibt sich auch, dass die Finanzhilfe als unteilbarer Betrag betrachtet wird, dessen Wert 60 000 Euro entweder übersteigt oder nicht. Diese Bestimmungen erlauben es nicht, die Finanzhilfe in einen ohne vorherige Sicherheitsleistung auszahlbaren Teil in Höhe von 60 000 Euro und einen anderen Teil in Höhe des Restbetrags aufzuspalten, dessen Auszahlung an die Stellung einer Bankbürgschaft gekoppelt werden könnte.
35 Daher können die von der Klägerin vorgebrachten Argumente die Rechtmäßigkeit der vom Parlament geforderten Bankbürgschaft nicht in Frage stellen.
36 Somit ist der erste Teil des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.
Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes: Fehlen eines berechtigten Interesses des Parlaments am Erlass der streitigen Maßnahmen
37 Die Klägerin macht geltend, das Parlament habe kein berechtigtes Interesse am Erlass der streitigen Maßnahmen. Erstens sei der Nachprüfungsantrag offensichtlich unbegründet. Zweitens habe das Parlament das angebliche Erfordernis des Rückgriffs auf diese Maßnahmen durch eine vorsätzliche Verschleppung des die Klägerin betreffenden Nachprüfungsverfahrens mutwillig herbeigeführt. Drittens sei das finanzielle Risiko, auf das der Erlass der streitigen Maßnahmen gestützt werde, sehr viel geringer, als vom Parlament dargestellt.
38 Mit der ersten Rüge bringt die Klägerin vor, im vorliegenden Fall lasse nichts mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vermuten, dass sie im Anschluss an das gegen sie laufende Nachprüfungsverfahren von der Finanzierung durch die Union ausgeschlossen werden könnte. Ein auf Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2004/2003 gestützter Nachprüfungsantrag müsse substantiiert und mit Beweisen untermauert sein. Daran fehle es aber in dem Nachprüfungsantrag, der ihr mit dem Schreiben vom 14. Dezember 2016 übermittelt worden sei, vollständig, und er sei deshalb völlig substanzlos und offensichtlich unbegründet.
39 Das Parlament tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
40 Aus der Akte wird ersichtlich, dass die Klägerin den Nachprüfungsantrag und die Akte des Ausschusses für konstitutionelle Fragen vermengt, die dem Ausschuss unabhängiger Persönlichkeiten und ihr in Anlage zum Schreiben vom 14. Dezember 2016 übermittelt wurde. Daher ist nicht klar, ob ihr Vorbringen darauf abzielt, die Ordnungsmäßigkeit des Nachprüfungsantrags in Zweifel zu ziehen und daneben – oder alternativ – geltend zu machen, dass die Rechtmäßigkeit der streitigen Maßnahmen vom Bestehen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit abhänge, dass sie im Anschluss an das gegen sie laufende Nachprüfungsverfahren von der Finanzierung ausgeschlossen werde. Dieser Mangel an Klarheit kann jedoch keinen Einfluss darauf haben, wie die vorliegende Rüge zu würdigen ist.
41 Aus dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2004/2003 oder von Art. 225 Abs. 1 der Geschäftsordnung ergibt sich nämlich nicht, dass ein Nachprüfungsantrag, der von einem Viertel der Mitglieder des Parlaments, die mindestens drei Fraktionen im Parlament vertreten, gestellt wird, substantiiert oder mit Beweisen untermauert sein müsste. Dies wird auch von der Klägerin selbst in den Rn. 14 und 15 ihrer Erwiderung eingeräumt.
42 Im Übrigen hört nach Art. 225 Abs. 2 der Geschäftsordnung der zuständige Ausschuss, hier der Ausschuss für konstitutionelle Fragen, bevor er dem Parlament einen Vorschlag für einen Beschluss unterbreitet, die betreffende politische Partei an, holt die Stellungnahme des Ausschusses unabhängiger Persönlichkeiten ein und prüft sie.
43 Aus den vorstehend in den Rn. 41 und 42 angeführten Bestimmungen ergibt sich, dass mit der Stellung eines Nachprüfungsantrags nicht die Obliegenheit einhergeht, Beweise vorzulegen, und dass die Einbringung eines solchen Antrags die alleinige Wirkung hat, dass das Nachprüfungsverfahren eingeleitet werden kann, das vom Ausschuss für konstitutionelle Fragen betrieben wird. Die verschiedenen Indizien und Beweise werden somit im Rahmen des laufenden Nachprüfungsverfahrens selbst gesammelt. Den Antragstellern, die die Nachprüfung begehren, steht es frei, bereits bei Einreichung des Antrags Beweise vorzulegen oder die Beweggründe für den Antrag darzulegen. Erforderlich ist dies jedoch nach keiner der anwendbaren Bestimmungen.
44 Daher ist das Vorbringen der Klägerin, mit dem die Ordnungsmäßigkeit des Nachprüfungsantrags in Frage gestellt werden soll, als unbegründet zurückzuweisen.
45 Zu dem Vorbringen, dass die Rechtmäßigkeit der streitigen Maßnahmen vom Bestehen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit abhänge, dass das die Klägerin betreffende Nachprüfungsverfahren zu ihrem tatsächlichen Ausschluss von der Finanzierung führe, ist festzustellen, dass sich die Klägerin für dieses Vorbringen auf keine Rechtsvorschrift stützt.
46 Wie außerdem das Parlament geltend macht, geben weder Art. 134 Abs. 1 der Haushaltsordnung in Verbindung mit Art. 206 Abs. 1 der Anwendungsbestimmungen zur Haushaltsordnung noch Art. 6 Abs. 1 des Präsidiumsbeschlusses vom 29. März 2004 etwas für das Vorbringen der Klägerin her, da das Bestehen eines finanziellen Risikos den Erlass der streitigen Maßnahmen rechtfertigen kann.
47 Zum einen kann nach Art. 134 Abs. 1 der Haushaltsordnung und Art. 206 Abs. 1 der Anwendungsbestimmungen zur Haushaltsordnung der zuständige Anweisungsbefugte, um die mit der Auszahlung der Vorfinanzierungen verbundenen finanziellen Risiken zu begrenzen, nach einer Risikobewertung die Auszahlung einer Vorfinanzierung von einer vorherigen Sicherheitsleistung abhängig machen oder die Vorfinanzierung in mehreren Teilbeträgen auszahlen. Somit bildet die Risikobewertung durch den zuständigen Anweisungsbefugten die Grundlage für seine etwaige Entscheidung. Der Risikobegriff ist dabei inhaltlich unbestimmt und lässt dem zuständigen Anweisungsbefugten damit einen Ermessensspielraum. Dieser Ermessensspielraum ist jedoch innerhalb der Grenzen auszuüben, die durch die Beachtung des Zwecks gezogen werden, dem die Maßnahme des Anweisungsbefugten nach dem Wortlaut der fraglichen Bestimmungen dienen muss, nämlich, „die mit der Auszahlung der Vorfinanzierungen verbundenen finanziellen Risiken zu begrenzen“.
48 Zum anderen bestimmt Art. 6 Abs. 1 des Präsidiumsbeschlusses vom 29. März 2004 seinerseits, dass die Finanzhilfe den Empfängern als Vorfinanzierung in einer einzigen Tranche in Höhe von 80 % ihres Höchstbetrags überwiesen wird, „es sei denn, das Präsidium [des Parlaments] fasst einen anders lautenden Beschluss“. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich somit, dass die politischen Parteien kein absolutes Recht auf Auszahlung einer Vorfinanzierung in Höhe von 80 % des Höchstbetrags der gewährten Finanzhilfe haben und dass das Präsidium des Parlaments über einen Ermessensspielraum verfügt, wenn es festlegt, in welcher Höhe den Parteien eine Vorfinanzierung gewährt wird. Die Höhe der Vorfinanzierung muss jedoch im Verhältnis zu den finanziellen Risiken stehen, die der Auszahlung von Vorfinanzierungen innewohnen.
49 Aus den vorstehenden Rn. 47 und 48 ergibt sich, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht der hohe Grad an Wahrscheinlichkeit, dass das Nachprüfungsverfahren zum Ausschluss der betreffenden politischen Partei von der Finanzierung führt, die Grundlage für den Beschluss, den Vorfinanzierungsbetrag zu begrenzen und eine vorherige Sicherheitsleistung zu verlangen, bilden muss, sondern das Bestehen eines finanziellen Risikos für den Gesamthaushalt der Union und, weiter gefasst, für die finanziellen Interessen der Union, das aus der Auszahlung der ins Auge gefassten Vorfinanzierungen resultiert.
50 Im vorliegenden Fall wurde die Vorfinanzierung auf 33 % des Höchstbetrags der gewährten Finanzhilfe, also 138 480,99 Euro, festgesetzt und an die Stellung einer Bankbürgschaft gekoppelt. Aus dem Schreiben, mit dem der angefochtene Beschluss übermittelt wurde, geht hervor, dass das Präsidium des Parlaments das Risiko im Zusammenhang mit dem gegen die Klägerin eingeleiteten und noch laufenden Nachprüfungsverfahren berücksichtigte und dazu feststellte:
„Sollte sich erweisen, dass die [Klägerin] die Grundsätze, auf denen die Europäische Union beruht, nicht beachtet hat, muss sie von der Finanzierung ausgeschlossen werden. … Gemäß Art. 225 Abs. 4 der [Geschäftsordnung] würde der Beschluss, der feststellt, dass eine Partei die Grundsätze, auf denen die Europäische Union beruht, nicht beachtet (und deshalb von der Finanzierung ausgeschlossen wird) Rückwirkung ab dem Tag der Einreichung des [Nachprüfungsantrags] erzeugen. In Anbetracht dieses Risikos sind Risikominderungsmaßnahmen gerechtfertigt.“
51 Wie das Parlament in seinen Schriftsätzen klargestellt hat, hätte ein solches Szenario in der Tat zur Folge, dass der Klägerin aufgegeben würde, nicht nur die im angefochtenen Beschluss festgesetzte Vorfinanzierung, also 138 480,99 Euro, an den Gesamthaushalt der Union zurückzuzahlen, sondern auch die auf Ausgaben ab dem Datum des Nachprüfungsantrags, dem 12. Mai 2016, verwendete Vorfinanzierung für das Haushaltsjahr 2016. Außerdem ergibt sich aus dem Betriebskostenvoranschlag der Klägerin für das Haushaltsjahr 2017, dass der Betrag ihrer Eigenmittel, bestehend aus 25 700 Euro Mitgliedsbeiträgen, 10 087 Euro Spenden und 48 300 Euro sonstigen Eigenmitteln, hinter dem Betrag der Vorfinanzierung zurückbleibt, die mit dem angefochtenen Beschluss gewährt wird. Im Übrigen verfügt die Klägerin, wie sie selbst in Rn. 50 ihrer Klageschrift betont, über keinerlei Vermögenswerte.
52 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das Präsidium des Parlaments dem Risiko im Zusammenhang mit dem gegen die Klägerin laufenden Nachprüfungsverfahren Rechnung getragen hat und zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Gefahr bestand, dass sie die Fördervoraussetzung des Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 2004/2003 nicht mehr erfüllen und infolgedessen rückwirkend von der Finanzierung ausgeschlossen werde, woraufhin Rückzahlungsforderungen an sie in für sie beträchtlicher Höhe gestellt würden. Die vom Präsidium des Parlaments vorgenommene Risikobewertung hängt somit mit dem Risiko eines finanziellen Verlustes für den Gesamthaushalt der Union zusammen. Deshalb konnte das Parlament zulässigerweise bis zum Abschluss des die Klägerin betreffenden Nachprüfungsverfahrens den Betrag der gewährten Vorfinanzierung begrenzen und seine Auszahlung an eine vorherige Sicherheitsleistung koppeln, um die finanziellen Interessen der Union zu wahren.
53 Das weitere Vorbringen der Klägerin in der Erwiderung vermag diese Schlussfolgerung nicht in Frage zu stellen.
54 Als Erstes macht sie geltend, dass ihr in Art. 47 Abs. 1 der Charta niedergelegtes Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verletzt würde, wenn dem Parlament bei der Forderung einer Sicherheitsleistung und der Festsetzung des Vorfinanzierungsbetrags ein weites Ermessen eingeräumt würde, da nur eine umfassende gerichtliche Überprüfung die Gewährleistung dieses Rechts erlaube.
55 Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Wirksamkeit der durch Art. 47 der Charta gewährleisteten gerichtlichen Kontrolle erforderlich, dass der Betroffene Kenntnis von den Gründen, auf denen die ihm gegenüber ergangene Entscheidung beruht, entweder durch die Lektüre der Entscheidung selbst oder durch eine auf seinen Antrag hin erfolgte Mitteilung dieser Gründe erhalten kann, um es ihm zu ermöglichen, seine Rechte unter den bestmöglichen Bedingungen zu verteidigen und in Kenntnis aller Umstände zu entscheiden, ob eine Anrufung des zuständigen Gerichts für ihn von Nutzen ist (Urteile vom 4. Juni 2013, ZZ, C‑300/11, EU:C:2013:363, Rn. 53, und vom 23. Oktober 2014, Unitrading, C‑437/13, EU:C:2014:2318, Rn. 20).
56 Hier hatte die Klägerin Zugang zum angefochtenen Beschluss und konnte ihn mit der vorliegenden, nach Art. 263 AEUV erhobenen Klage beim Gericht anfechten.
57 Außerdem hindert entgegen dem Vorbringen der Klägerin die Anerkennung eines Ermessensspielraums zugunsten des Parlaments (vgl. oben, Rn. 47 und 48) nicht an der Ausübung einer gerichtlichen Kontrolle der streitigen Maßnahmen, sondern erlaubt es lediglich, diese Kontrolle im Rahmen des so zuerkannten Ermessensspielraums durchzuführen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juni 2017, Dextro Energy/Kommission, C‑296/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:437, Rn. 46).
58 Folglich ist das Vorbringen der Klägerin betreffend die Verletzung ihres Rechts auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf als unbegründet zurückzuweisen.
59 Als Zweites bringt die Klägerin vor, das Präsidium des Parlaments hätte beim Erlass des angefochtenen Beschlusses die Informationen einfließen lassen müssen, die dem Ausschuss für konstitutionelle Fragen im Rahmen des gegen sie laufenden Nachprüfungsverfahrens vorgelegen hätten, um die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags summarisch zu prüfen. Es hätte somit die Substanzlosigkeit und offensichtliche Unbegründetheit dieses Antrags feststellen müssen, weil in ihm kein beanstandungswürdiges Verhalten ihrerseits dargetan werde. Das Präsidium des Parlaments hätte mithin den Betrag der Vorfinanzierung nicht begrenzen und seine Auszahlung nicht an die Stellung einer Bankbürgschaft koppeln dürfen.
60 Hierzu ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerin auf der falschen Prämisse beruht, dass die Möglichkeit einer Begrenzung des Vorfinanzierungsbetrags und der Forderung einer vorherigen Sicherheitsleistung an die Wahrscheinlichkeit anknüpft, dass das sie betreffende Nachprüfungsverfahren zu ihrem tatsächlichen Ausschluss von der Finanzierung führt. Dies kann aber, wie sich aus den Rn. 45 bis 52 des vorliegenden Urteils ergibt, nicht der Fall sein.
61 Demzufolge ist das Vorbringen der Klägerin im Zusammenhang mit der Behandlung des Nachprüfungsantrags durch das Präsidium des Parlaments als unbegründet zurückzuweisen, und die erste Rüge des zweiten Teils des ersten Klagegrundes ist deshalb insgesamt zurückzuweisen.
62 Mit der zweiten Rüge macht die Klägerin geltend, das Parlament habe kein berechtigtes Interesse an der Stellung einer Bankbürgschaft, da es das sie betreffende Nachprüfungsverfahren vorsätzlich verschleppt und damit sein angebliches Bedürfnis nach einer Absicherung des finanziellen Risikos selbst mutwillig herbeigeführt habe. Das Parlament habe somit gegen den in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2004/2003 enthaltenen Grundsatz der Einhaltung einer angemessenen Frist verstoßen. Es habe sich auch treuwidrig verhalten und gegen das Verbot des venire contra factum proprium verstoßen. Die Verzögerung des Nachprüfungsverfahrens sei nicht auf die Weigerung der Klägerin zurückzuführen, an der Sitzung vom 17. November 2016 teilzunehmen, denn sie habe gute Gründe gehabt, den Termin nicht wahrzunehmen.
63 Das Parlament tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
64 Was erstens einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2004/2003 anbelangt, ist festzustellen, dass das Parlament nach dieser Bestimmung vor der Einleitung der Nachprüfung die betreffende politische Partei anhört und den Ausschuss unabhängiger Persönlichkeiten bittet, innerhalb einer angemessenen Frist Stellung zu nehmen.
65 Nach der Rechtsprechung ist in Ermangelung einer Festlegung der Verfahrensdauer durch eine Bestimmung des Unionsrechts die Angemessenheit der Frist, die das Organ benötigt, um die in Rede stehende Handlung zu erlassen, anhand aller Umstände jeder einzelnen Rechtssache und insbesondere anhand der Interessen, die in dem Rechtsstreit für den Betroffenen auf dem Spiel stehen, der Komplexität der Sache sowie des Verhaltens der Parteien zu beurteilen. Daher kann die Angemessenheit einer Frist nicht unter Bezugnahme auf eine genaue, abstrakt bestimmte Obergrenze festgelegt werden, sondern ist in jedem Einzelfall anhand der Umstände des Falles zu beurteilen (Urteil vom 16. September 2013, De Nicola/EIB, T‑264/11 P, EU:T:2013:461, Rn. 49).
66 Im vorliegenden Fall ist die Behauptung, wie sie von der Klägerin vorgetragen wird, falsch, dass das Parlament ein halbes Jahr lang – vom 12. Mai 2016, dem Datum des Nachprüfungsantrags, bis zum 9. November 2016, dem Datum, an dem die Klägerin vom Ausschuss für konstitutionelle Fragen zwecks einer „Aussprache“ zu der Sitzung vom 17. November 2016 eingeladen wurde – überhaupt nichts getan habe, um das die Klägerin betreffende Nachprüfungsverfahren weiterzubetreiben. Wie sich nämlich aus den Rn. 5 bis 7 des vorliegenden Urteils ergibt, wurde das Parlament in den Wochen nach der Einbringung des Nachprüfungsantrags verschiedentlich tätig. Außerdem ergibt sich aus den verschiedenen Ausdruckdaten der Dokumente der Akte, die vom Ausschuss für konstitutionelle Fragen zusammengestellt und dem Schreiben vom 14. Dezember 2016 beigefügt wurde, dass die Zusammenstellung der Akte spätestens am 9. Juni 2016 begann und frühestens am 11. November 2016 abgeschlossen war.
67 Im Übrigen werden die Beweise, wie Rn. 43 des vorliegenden Urteils zu entnehmen ist, im Lauf des Nachprüfungsverfahrens unter der Federführung des Ausschusses für konstitutionelle Fragen gesammelt. Die vom Nachprüfungsverfahren betroffene politische Partei kann aber nicht angehört werden, bevor nicht die Beweise zusammengetragen wurden. Ebenso wenig kann der Ausschuss unabhängiger Persönlichkeiten seine Stellungnahme abgeben, ohne von den Beweisen Kenntnis genommen zu haben. Daher kann die Anhörung der betroffenen politischen Partei erst stattfinden und die Stellungnahme des Ausschusses unabhängiger Persönlichkeiten erst formuliert werden, wenn die Beweise zusammengetragen wurden. Wie aber Rn. 66 des vorliegenden Urteils zu entnehmen ist, dauerte die Erhebung der Beweise mindestens bis zum 11. November 2016.
68 Somit ist festzustellen, dass die Zeitspanne zwischen der Stellung des Nachprüfungsantrags am 12. Mai 2016 und der Einladung der Klägerin zu einer Sitzung zwecks „Aussprache“, die vom Ausschuss für konstitutionelle Fragen am 9. November 2016 ausgesprochen wurde, unter Berücksichtigung der vorstehend genannten Umstände annehmbar und angemessen erscheint, ohne dass die Weigerung der Klägerin, an dieser für den 17. November 2016 angesetzten Sitzung teilzunehmen, eine Auswirkung auf die Verfahrensdauer hätte haben können. Selbst wenn nämlich diese Sitzung an dem vorgesehenen Tag stattgefunden hätte, hätte das die Klägerin betreffende Nachprüfungsverfahren nicht vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses am 12. Dezember 2016 abgeschlossen werden können, da die Stellungnahme des Ausschusses unabhängiger Persönlichkeiten an jenem Tag noch immer ausstand.
69 Deshalb ist das Vorbringen, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Einhaltung einer angemessenen Frist geltend gemacht wird, als unbegründet zurückzuweisen.
70 Was zweitens die von der Klägerin behauptete Treuwidrigkeit des Parlaments anbelangt, so bringt die Klägerin keinerlei Beweis für die beanstandeten Verhaltensweisen bei und begnügt sich damit, in ihren Schriftsätzen auf eine „Verzögerungstaktik“, auf ihren „Verdacht“, dass vom Parlament „bewusst auf Zeit gespielt wird“, oder aber darauf Bezug zu nehmen, dass das Parlament das gegen sie laufende Nachprüfungsverfahren „instrumentalisiere“, um sie von Mitteln abzuschneiden.
71 Dieses Vorbringen ist mithin als unbegründet zurückzuweisen.
72 Was drittens einen Verstoß gegen das Verbot des venire contra factum proprium betrifft, ist festzustellen, dass das betreffende Vorbringen zu allgemein und ungenau formuliert ist, als dass das Gericht darauf eingehen müsste.
73 Da sich die Klägerin nämlich darauf beschränkt, sich auf einen Verstoß gegen dieses Verbot zu berufen, ohne klar, und sei es auch nur knapp, darzulegen, worin dieser Verstoß bestehen soll, ist dieses Vorbringen als unzulässig zurückzuweisen. Nach Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung muss die Klageschrift eine kurze Darstellung der geltend gemachten Klagegründe enthalten. Diese Angaben müssen so klar und genau sein, dass dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Gericht die Entscheidung über die Klage, gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen, ermöglicht wird (Beschluss vom 28. April 1993, De Hoe/Kommission, T‑85/92, EU:T:1993:39, Rn. 20 und 21; Urteile vom 17. Mai 2017, PG/Frontex, T‑583/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:344, Rn. 90, und vom 15. Juni 2017, Bay/Parlament, T‑302/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:390, Rn. 25).
74 Das vorliegende Vorbringen ist daher mangels Genauigkeit als unzulässig zurückzuweisen. Infolgedessen ist die zweite Rüge des zweiten Teils des ersten Klagegrundes insgesamt zurückzuweisen.
75 Mit der dritten Rüge macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, das finanzielle Risiko, auf das der Erlass der streitigen Maßnahmen gestützt worden sei, sei sehr viel geringer, als vom Parlament dargestellt, da die Verpflichtung zur Rückzahlung der im Vorfeld ausgezahlten Beträge nicht ab dem Tag der Einreichung des Nachprüfungsantrags gelten könne, sondern erst ab dem Tag, an dem das Parlament den das Nachprüfungsverfahren abschließenden Beschluss erlasse. Art. 225 Abs. 4 der Geschäftsordnung, der die betreffende Regelung aufstelle, könne auf Dritte keine Anwendung finden. Die Geschäftsordnung sei reines Binnenrecht des Parlaments, das keine Rechtsgrundlage darstelle, um in die Rechtspositionen von Dritten einzugreifen. Die Geschäftsordnung könne nur die in der Verordnung Nr. 2004/2003 bereits angelegten Eingriffsbefugnisse konkretisieren, aber keine neuen Eingriffsbefugnisse schaffen. Die Verordnung Nr. 2004/2003 sehe aber keinen rückwirkenden Ausschluss von der Finanzierung vor. Daher könne die Rückzahlungsverpflichtung erst ab dem Tag wirksam sein, an dem der betreffende Parlamentsbeschluss ergehe. Das finanzielle Risiko sei somit – sofern es überhaupt bestehe – sehr viel geringer, als im angefochtenen Beschluss dargestellt.
76 Ferner macht die Klägerin geltend, für Europa Terra Nostra könne die Verpflichtung zur Rückzahlung der im Vorfeld ausgezahlten Beträge erst recht erst ab dem Tag gelten, an dem Europa Terra Nostra durch den angefochtenen Beschluss, der am 21. Dezember 2016 übermittelt worden sei, Kenntnis von der Rückforderungsgefahr erlangt habe. Jede andere Lösung würde rechtsstaatlichen Grundsätzen, insbesondere dem Grundsatz des Vertrauensschutzes, widersprechen, wonach es nicht zulässig sei, die Rückerlangung von Beträgen für einen Zeitraum anzuordnen, in dem der Betroffene von der Rückforderungsgefahr noch gar keine Kenntnis gehabt habe.
77 Das Parlament tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
78 Die Argumente der Klägerin sind einzeln und nacheinander zu prüfen.
79 Als Erstes ist festzustellen, dass die oben in Rn. 75 dargestellte Argumentation der Klägerin, auch wenn diese, wie vom Parlament in seinen Schriftsätzen vorgebracht, nicht förmlich die Rechtswidrigkeit von Art. 225 Abs. 4 der Geschäftsordnung geltend gemacht hat, darin besteht, die Rechtmäßigkeit dieser Bestimmung in Frage zu stellen.
80 Ferner ist festzustellen, dass die von der Klägerin erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit erst in der Erwiderung vorgetragen worden ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs wird aber der Rahmen des Rechtsstreits durch die Klageschrift festgelegt, und eine Einrede der Rechtswidrigkeit ist auf der Stufe der Erwiderung unzulässig (Urteil vom 11. Juli 1985, Salerno u. a./Kommission und Rat, 87/77, 130/77, 22/83, 9/84 und 10/84, nicht veröffentlicht, EU:C:1985:318, Rn. 36 und 37). Zudem wird die Einrede der Rechtswidrigkeit auf keinen erst während des Verfahrens zutage getretenen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt im Sinne des Art. 84 Abs. 1 der Verfahrensordnung gestützt (vgl. entsprechend Urteil vom 27. September 2005, Common Market Fertilizers/Kommission, T‑134/03 und T‑135/03, EU:T:2005:339, Rn. 51).
81 In seinem Schreiben vom 21. Dezember 2016, mit dem der angefochtene Beschluss übermittelt wurde, bezieht sich das Parlament nämlich im Rahmen seiner Beurteilung des Risikos im Zusammenhang mit dem gegen die Klägerin laufenden Nachprüfungsverfahren ausdrücklich auf Art. 225 Abs. 4 der Geschäftsordnung.
82 Infolgedessen ist die von der Klägerin erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit als unzulässig zurückzuweisen.
83 Als Zweites ist das Vorbringen, mit dem im Zusammenhang mit Europa Terra Nostra die Verletzung „rechtsstaatlicher Grundsätze“ und des Grundsatzes des Vertrauensschutzes geltend gemacht wird, von vornherein als völlig irrelevant zu verwerfen. Europa Terra Nostra ist nämlich keine Partei des vorliegenden Rechtsstreits, nicht einmal als Streithelferin, und sie ist nicht Adressatin des angefochtenen Beschlusses. Daher kann die Frage, ob und wann ein nicht am Rechtsstreit beteiligter Dritter wie Europa Terra Nostra von der Gefahr einer finanziellen Rückforderung gegenüber der Klägerin Kenntnis genommen haben mag, keinerlei Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses haben. Folglich ist die dritte Rüge des zweiten Teils des ersten Klagegrundes insgesamt zurückzuweisen.
84 Nach alledem ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes als teils unzulässig und teils unbegründet zurückzuweisen.
Zum dritten Teil des ersten Klagegrundes: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
85 Die Klägerin macht geltend, in der Begrenzung des Vorfinanzierungsbetrags auf 33 % des Höchstbetrags der gewährten Finanzhilfe und dem Erfordernis der Stellung einer Bankbürgschaft sowie in der Kombination beider Maßnahmen liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
– Zur Begrenzung der Vorfinanzierung auf 33 % des Höchstbetrags der gewährten Finanzhilfe
86 Die Klägerin bringt vor, sie finanziere ihre Tätigkeiten nahezu ausschließlich über die Vorfinanzierung. Die Begrenzung des Vorfinanzierungsbetrags auf 33 % des Höchstbetrags der gewährten Finanzhilfe beeinträchtige ihre operative Handlungsfähigkeit erheblich. Dies stehe in keinem Verhältnis zum finanziellen Sicherungsinteresse des Parlaments.
87 Das Parlament tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
88 Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, die Handlungen der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei zu beachten ist, dass dann, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist, und dass die verursachten Nachteile nicht gegenüber den angestrebten Zielen unangemessen sein dürfen (Urteil vom 11. Juni 2009, Agrana Zucker, C‑33/08, EU:C:2009:367, Rn. 31).
89 Wie oben in Rn. 48 ausgeführt, ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 des Präsidiumsbeschlusses vom 29. März 2004, dass das Präsidium des Parlaments über einen Ermessensspielraum verfügt, wenn es den Vorfinanzierungsbetrag festlegt.
90 Was den vorliegenden Fall betrifft, erscheint die Festsetzung der Vorfinanzierung auf 33 % des Höchstbetrags der gewährten Finanzhilfe in Anbetracht des Risikos, dass die Klägerin für den Fall, dass das sie betreffende Nachprüfungsverfahren zu ihrem Ausschluss von der Finanzierung führt, bereits empfangene Gelder nicht zurückzahlen können sollte, als eine Maßnahme, die geeignet und erforderlich ist, um das zulässigerweise verfolgte Ziel zu erreichen, das darin besteht, die finanziellen Interessen der Union zu schützen.
91 Das Vorbringen der Klägerin, dass die Begrenzung der Vorfinanzierung auf 33 % des Höchstbetrags der gewährten Finanzhilfe ihre operative Handlungsfähigkeit erheblich beeinträchtige, bestätigt nur das Risiko für das Parlament, die bereits ausgezahlten Beträge nicht zurückerlangen zu können. Hätte das Präsidium des Parlaments die Auszahlung einer Vorfinanzierung in Höhe von 80 % des Höchstbetrags der gewährten Finanzhilfe an die Klägerin genehmigt, wäre der Schaden für den Gesamthaushalt der Union dann noch größer.
92 Schließlich ist zum Vorbringen der Klägerin, dass die ihr zugefügten Nachteile in keinem Verhältnis zu dem vom Parlament verfolgten Ziel, nämlich dem Schutz der finanziellen Interessen der Union, stünden, festzustellen, dass das Parlament eine Abwägung der verschiedenen beteiligten Interessen vorgenommen hat. Der gewährte Vorfinanzierungsbetrag (138 480,99 Euro), zu dem gegebenenfalls die im betreffenden Zeitraum verfügbaren Eigenmittel der Klägerin hinzuzurechnen sind, hätte es dieser nämlich wahrscheinlich erlaubt, die für die ersten Monate des Jahres 2017 geplanten politischen und sonstigen Veranstaltungen durchzuführen. Außerdem hätte die Klägerin etwaige finanzielle Schwierigkeiten immer noch überwinden können, indem sie selbst für die Dauer des sie betreffenden Nachprüfungsverfahrens bestimmte Maßnahmen zur Eigenmittelerhöhung ergriffen hätte, um ihre Tätigkeiten weiterhin finanzieren zu können. So hätte sie z. B. Spenden einwerben oder die Höhe der Mitgliedsbeiträge vorübergehend anheben können.
93 Die erste Rüge des dritten Teils des ersten Klagegrundes ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
– Zum Erfordernis der Stellung einer Bankbürgschaft
94 Die Klägerin macht geltend, das Erfordernis der Stellung einer Bankbürgschaft sei unverhältnismäßig. Erstens sei es ihr objektiv unmöglich, eine solche Sicherheit zu stellen, da sie über keine Vermögenswerte verfüge. Zweitens laufe die Obliegenheit, eine Sicherheit zu stellen, in der Sache darauf hinaus, sie von der Finanzierung auszuschließen, und zwar noch bevor über den Nachprüfungsantrag inhaltlich entschieden worden sei. Dies bedeute eine existenzielle Gefahr für sie und bringe ihre politische Arbeit zum Erliegen. Drittens seien die durch das Erfordernis einer Sicherheitsleistung entstehenden Schäden nicht wiedergutzumachen und würden durch die nachträgliche Zahlung der zurückgehaltenen Beträge im Fall eines für sie günstigen Ausgangs des sie betreffenden Nachprüfungsverfahrens nicht abgefedert. Viertens beanstandet die Klägerin, das Parlament habe zwei Arten von Risikobegrenzungsmaßnahmen miteinander kombiniert, nämlich die Forderung einer Bankbürgschaft und – mit der Begrenzung des Vorfinanzierungsbetrags – die Auszahlung der Vorfinanzierung in mehreren Teilbeträgen. Schließlich habe das Parlament auch keine Risikoanalyse angestellt.
95 Das Parlament tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
96 Was erstens die objektive Unmöglichkeit betrifft, eine Bankbürgschaft zu erhalten, ist festzustellen, dass die Klägerin keinen Beleg dafür vorgelegt hat, dass ihr eine solche Bürgschaft seitens der etwa konsultierten Banken verweigert worden wäre. Sie begnügt sich damit, das Zeugnis einer über sie selbst zu ladenden Person anzubieten.
97 Eine Partei, die eine prozessleitende Maßnahme oder eine Beweisaufnahme beantragt, muss zumindest einen Anhaltspunkt dafür liefern, dass die Maßnahme für das Verfahren zweckdienlich ist (vgl. Urteil vom 23. Mai 2014, European Dynamics Luxembourg/EZB, T‑553/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:275, Rn. 318 und die dort angeführte Rechtsprechung).
98 Die Klägerin begnügt sich aber mit der Angabe des Namens einer Person, ohne in ihrer Klageschrift oder Erwiderung zu erläutern, in welcher Beziehung diese Person zu ihr oder zu den betreffenden Banken stehen mag. Außerdem geht aus diesen Schriftsätzen nicht hervor, dass die fragliche Person ein unmittelbarer Zeuge der geltend gemachten Umstände gewesen wäre. Schließlich legt die Klägerin nicht dar, weshalb es ihr unmöglich wäre, von sich aus eine Erklärung dieser Person vorzulegen.
99 Somit ist nicht sicher, dass anhand der fraglichen Zeugenaussage – und noch dazu allein anhand ihrer – festgestellt werden kann, ob die Behauptungen der Klägerin zutreffen.
100 Folglich ist der Antrag der Klägerin auf Beweiserhebung zurückzuweisen. Das Gleiche gilt für ihre sonst nicht weiter bewiesene Behauptung, dass es ihr objektiv unmöglich sei, eine Bankbürgschaft zu stellen.
101 Was zweitens und drittens die Gefährdung der Existenz der Klägerin und die Unumkehrbarkeit der ihr entstehenden Schäden betrifft, ist festzustellen, dass die Klägerin mit nichts dartut, dass eine solche Gefahr oder derartige Schäden drohten, sondern sich auf allgemeine Behauptungen beschränkt, ohne irgendeinen konkreten Beweis zu erbringen.
102 Was viertens die Kombination der verschiedenen Garantieinstrumente anbelangt, beanstandet die Klägerin, dass die Begrenzung des Vorfinanzierungsbetrags auf 33 % des Höchstbetrags der gewährten Finanzhilfe mit dem Erfordernis der Stellung einer Bankbürgschaft verbunden worden sei. Stattdessen hätte das Präsidium des Parlaments ihrer Ansicht nach eine einzige, für sie weniger einschneidende Maßnahme treffen können, nämlich die Aufteilung des Vorfinanzierungsbetrags in mehrere Raten.
103 Hierzu ist festzustellen, dass das Präsidium des Parlaments entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht beschlossen hat, das Erfordernis einer Bankbürgschaft damit zu kumulieren, dass die Vorfinanzierung auf der Grundlage des Art. 206 Abs. 1 der Anwendungsbestimmungen zur Haushaltsordnung in mehreren Teilbeträgen ausgezahlt wird. Wie Rn. 13 des vorliegenden Urteils zu entnehmen ist, hat es im vorliegenden Fall lediglich die Auszahlung einer einzigen Vorfinanzierungstranche mit dem Erfordernis einer Bankbürgschaft verbunden.
104 Was hier die Verbindung eines gekürzten Vorfinanzierungsbetrags mit dem Erfordernis der Stellung einer Bankbürgschaft betrifft, ist festzustellen, dass der Gesamtbetrag der Eigenmittel der Klägerin, also 84 087 Euro (25 700 Euro Beiträge, 10 087 Euro Spenden und 48 300 Euro sonstige Eigenmittel), ungefähr 60 % des Betrags der im Vorfeld zu leistenden Sicherheit entspricht. Daher stellt in Anbetracht des Risikos eines Ausschlusses der Klägerin von der Finanzierung und des Risikos, das sich daraus ergibt, dass sie dem Parlament nicht einmal die Vorfinanzierung von 33 % des Höchstbetrags der gewährten Finanzhilfe zurückzahlen könnte, die von der Klägerin als Alternative in den Raum gestellte Auszahlung einer Vorfinanzierung von 80 % des Höchstbetrags der gewährten Finanzhilfe in mehreren Teilbeträgen und ohne Bankbürgschaft keine Maßnahme dar, die einen hinreichenden Schutz der finanziellen Interessen der Union erlaubt hätte. Die begrenzte finanzielle Kapazität der Klägerin, die von ihr selbst in den Rn. 48 und 50 der Klageschrift herausgestellt wird, bestärkt nur in der Annahme, dass die ihr bereits zur Verfügung gestellte Vorfinanzierung im Fall ihres Ausschlusses von der Finanzierung im Anschluss an das sie betreffende Nachprüfungsverfahren nicht mit Erfolg eingebracht werden könnte.
105 Was schließlich das angebliche Fehlen einer Abwägung der verschiedenen beteiligten Interessen im Rahmen der nach Art. 206 Abs. 1 der Anwendungsbestimmungen zur Haushaltsordnung erforderlichen Risikobewertung anbelangt, ergibt sich aus den Rn. 50 bis 52, 92 und 103 des vorliegenden Urteils, dass das Parlament eine solche Abwägung vorgenommen hat.
106 Mithin kann mit keinem der von der Klägerin vorgebrachten Argumente dargetan werden, dass das Parlament mit dem Erlass des angefochtenen Beschlusses gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hätte.
107 Die zweite Rüge des dritten Teils des ersten Klagegrundes ist daher als unbegründet zurückzuweisen. Somit ist der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.
Zum Verstoß gegen die Art. 11 und 12 der Charta
108 Mit ihrem zweiten Klagegrund behauptet die Klägerin, ihre in den Art. 11 und 12 der Charta verankerten Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit seien verletzt worden. Der angefochtene Beschluss gefährde sie in ihrer Existenz und erzeuge die gleiche Wirkung wie ein Partei- oder Vereinsverbot. Damit schließe er sie faktisch aus dem politischen Wettbewerb auf europäischer Ebene aus.
109 Vorausgesetzt, die Klägerin wäre Inhaberin der Rechte aus den Art. 11 und 12 der Charta, ist festzustellen, dass ihr aus diesen Bestimmungen kein Anspruch auf Geldleistungen in ihrer Eigenschaft als politische Partei erwächst. Wenn einer politischen Partei oder einer Vereinigung ein Geldbetrag nicht gewährt wird, entspricht das nicht einem Verbot einer politischen Partei oder Vereinigung. Die streitigen Maßnahmen können folglich nicht als ungerechtfertigte Beschränkungen der in Art. 11 bzw. Art. 12 der Charta verbürgten Meinungs- oder Vereinigungsfreiheit angesehen werden.
110 Daher ist das Vorbringen der Klägerin zur Verletzung der Art. 11 und 12 der Charta als unbegründet zurückzuweisen.
111 Demnach ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.
Zum Ermessensmissbrauch
112 Mit dem dritten Klagegrund macht die Klägerin einen angeblichen Ermessensmissbrauch geltend, den das Parlament mit dem Erlass der streitigen Maßnahmen begangen habe, da es ihm in Wirklichkeit darum gehe, sie durch den Entzug ihrer wirtschaftlichen Grundlage zu schädigen und sie faktisch vom politischen Wettbewerb auf europäischer Ebene auszuschließen. Zu diesem Zweck habe das Parlament ein jeder Grundlage entbehrendes Nachprüfungsverfahren gegen sie eingeleitet und dieses vorsätzlich verschleppt, um Gründe für den Erlass der streitigen Maßnahmen zu konstruieren. Es handle sich um ein rein politisch motiviertes Manöver, um einer missliebigen politischen Partei und der ihr angeschlossenen politischen Stiftung die Finanzierung zu entziehen und den politischen Wettbewerb auf europäischer Ebene zu manipulieren. Das Parlament habe daher die mit der Verordnung Nr. 2004/2003 verliehenen Befugnisse aus politischen Gründen unter Verstoß gegen Art. 21 Abs. 1 der Charta zu diskriminierenden Zwecken missbraucht.
113 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass eine Maßnahme nur dann ermessensmissbräuchlich ist, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie ausschließlich oder zumindest hauptsächlich zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem Ziel erlassen worden ist, ein Verfahren zu umgehen, das der Vertrag speziell vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen (Urteil vom 20. September 2017, Tilly-Sabco/Kommission, C‑183/16 P, EU:C:2017:704, Rn. 64).
114 Die Klägerin hat aber keine derartigen Indizien beigebracht.
115 Zum einen lässt hinsichtlich der Absichten des Parlaments beim Erlass der streitigen Maßnahmen nichts von dem, was die Klägerin vorgetragen hat, die Feststellung zu, dass das Parlament ausschließlich oder zumindest hauptsächlich ein anderes als das oben in den Rn. 50 und 51 ausgeführte Ziel – nämlich die Begrenzung der Risiken im Zusammenhang mit dem gegen die Klägerin laufenden Nachprüfungsverfahren und, weiter gefasst, den Schutz der finanziellen Interessen der Union – verfolgt hat.
116 Insoweit geht sowohl aus dem Vermerk des Generalsekretärs vom 5. Dezember 2016, der die Bewertung der Anträge auf Finanzhilfe enthält, als auch aus dem Schreiben vom 21. Dezember 2016, mit dem der angefochtene Beschluss übermittelt wurde, klar hervor, dass die streitigen Maßnahmen ihren Grund in dem Risiko haben, dass die Klägerin nach Abschluss des sie betreffenden Nachprüfungsverfahrens möglicherweise von der Finanzierung ausgeschlossen wird und etwaigen im Nachgang an sie gestellten Rückzahlungsforderungen nachkommen muss.
117 Bezüglich der Behauptungen zur Einleitung des die Klägerin betreffenden Nachprüfungsverfahrens durch das Parlament ist darauf hinzuweisen, dass ein Nachprüfungsverfahren gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2004/2003 und Art. 225 Abs. 1 der Geschäftsordnung von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Parlaments, die mindestens drei Fraktionen vertreten, angestoßen werden muss. Die Entscheidungen über die Anträge auf Finanzierung trifft dagegen das Präsidium des Parlaments. Dieses hat keinen Einfluss darauf, ob und wann ein Viertel der Mitglieder des Parlaments ein Nachprüfungsverfahren initiiert.
118 Zu den Behauptungen betreffend die Dauer des die Klägerin betreffenden Nachprüfungsverfahrens ist daran zu erinnern, dass diese Dauer aus den oben, in Rn. 68 genannten Gründen nicht unangemessen erscheint.
119 Zum anderen behauptet die Klägerin, was die Umgehung eines Verfahrens anbelangt, nicht, dass das Parlament versucht habe, ein primärrechtlich vorgesehenes Verfahren zu umgehen.
120 Daher ist der dritte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen und die Klage demzufolge insgesamt abzuweisen.
Kosten
121 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des Parlaments die Kosten des vorliegenden Verfahrens aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Achte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Alliance for Peace and Freedom (APF) trägt die Kosten.
Collins |
Kancheva |
Barents |
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. Juli 2018.
Der Kanzler |
Der Präsident |
E. Coulon |
A. M. Collins |
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