T-14/17 – Landesbank Baden-Württemberg/ CRU

T-14/17 – Landesbank Baden-Württemberg/ CRU

BESCHLUSS DES GERICHTS (Achte Kammer)

19. November 2018 ()

„Nichtigkeitsklage – Wirtschafts- und Währungsunion – Bankenunion – Einheitlicher Abwicklungsmechanismus für Kreditinstitute und bestimmte Wertpapierfirmen (SRM) – Einheitlicher Abwicklungsfonds (SRF) – Festsetzung des im Voraus erhobenen Beitrags für das Jahr 2016 – Klagefrist – Verspätung – Offensichtliche Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑14/17

Landesbank Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt H. Berger und Rechtsanwältin K. Rübsamen,

Klägerin,

gegen

Einheitlicher Abwicklungsausschuss (SRB), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Martin-Ehlers, S. Raes, A. Kopp und T. Van Dyck,

Beklagter,

unterstützt durch

Europäische Kommission, vertreten durch A. Steiblytė und K.‑Ph. Wojcik als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Präsidiumssitzung des SRB vom 15. April 2016 über die im Voraus erhobenen Beiträge zum Einheitlichen Abwicklungsfonds für das Jahr 2016 (SRB/ES/SRF/2016/06) und des Beschlusses der Präsidiumssitzung des SRB vom 20. Mai 2016 über die Anpassung der im Voraus erhobenen Beiträge zum Einheitlichen Abwicklungsfonds für das Jahr 2016, der den Beschluss des SRB vom 15. April 2016 ergänzt (SRB/ES/SRF/2016/13), soweit sie die Klägerin betreffen,

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. M. Collins sowie der Richter R. Barents und J. Passer (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Mit Beschluss vom 15. April 2016 über die im Voraus erhobenen Beiträge zum Einheitlichen Abwicklungsfonds für das Jahr 2016 (SRB/ES/SRF/2016/06) (im Folgenden: erster angefochtener Beschluss) genehmigte die Präsidiumssitzung des Einheitlichen Abwicklungsausschusses (Single Resolution Board, im Folgenden: SRB) die im Voraus erhobenen Beiträge zum Einheitlichen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, im Folgenden: SRF) für das Jahr 2016; dieser Fonds ist durch die Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 225, S. 1) errichtet worden.

2        Der SRB übermittelte diesen Beschluss an die nationalen Abwicklungsbehörden (national resolution authorities, im Folgenden: NRA), die für die Erhebung der jeweiligen Beiträge bei den betroffenen Banken in ihren jeweiligen Hoheitsgebieten zuständig sind.

3        Mit Beitragsbescheid vom 22. April 2016, eingegangen am 25. April 2016, unterrichtete die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (im Folgenden: deutsche NRA) die Klägerin, die Landesbank Baden‑Württemberg, darüber, dass der SRB ihren im Voraus erhobenen Beitrag zum SRF für das Jahr 2016 berechnet hatte, und teilte ihr dessen Höhe mit.

4        Mit Beschluss vom 20. Mai 2016 über die Anpassung der im Voraus erhobenen Beiträge zum SRF für das Jahr 2016, der den Beschluss des SRB vom 15. April 2016 ergänzt (SRB/ES/SRF/2016/13) (im Folgenden: zweiter angefochtener Beschluss), erhöhte der SRB den Beitrag der Klägerin.

5        Auch der zweite angefochtene Beschluss wurde vom SRB an die NRA übermittelt.

6        Mit Änderungsbescheid vom 10. Juni 2016 zum Jahresbeitragsbescheid, eingegangen am 13. Juni 2016, unterrichtete die deutsche NRA die Klägerin darüber, dass der oben in Rn. 4 genannte weitere Beitrag zu entrichten sei.

7        Mit Schreiben vom 17. Mai 2016 hatte die Klägerin gegen den oben in Rn. 3 genannten Jahresbeitragsbescheid Widerspruch bei der deutschen NRA erhoben. Diesen erstreckte sie mit Schreiben vom 21. Juni 2016 auf den oben in Rn. 6 genannten Änderungsbescheid.

8        Am 30. September 2016 verlangte die Klägerin vom SRB die Übersendung der angefochtenen Beschlüsse.

9        Mit Schreiben vom 28. Oktober 2016 bot der SRB der Klägerin an, die angefochtenen Beschlüsse in seinen Räumlichkeiten einzusehen, wobei die verschiedenen Anhänge zu diesen Beschlüssen nur insoweit zur Verfügung gestellt werden sollten, als sie die Belange der Klägerin betreffen.

10      Die Klägerin nahm durch ihren Anwalt am 4. November 2016 Einsicht in die vom SRB bereitgestellten Unterlagen; die angefochtenen Beschlüsse wurden ihr ausgehändigt.

 Verfahren und Anträge der Parteien

11      Mit Schriftsatz, der am 12. Januar 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

12      Mit Entscheidung des Präsidenten der Achten Kammer des Gerichts vom 19. Mai 2017 wurde die Europäische Kommission als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des SRB zugelassen.

13      Mit Beschluss vom 14. Dezember 2017 forderte das Gericht den SRB im Rahmen einer Beweiserhebung auf, vollständige Kopien der Originale der angefochtenen Beschlüsse samt ihres jeweiligen Anhangs in einer vertraulichen und einer nicht vertraulichen Fassung vorzulegen.

14      Am 15. Januar 2018 kam der SRB diesem Beschluss nach.

15      Mit Schreiben vom 12. März 2018 richtete das Gericht im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme Fragen an den SRB.

16      Am 27. März 2018 beantwortete der SRB diese Fragen zum Teil und machte geltend, dass es im Übrigen wegen der Vertraulichkeit bestimmter Dokumente erforderlich sei, eine Beweiserhebung zu beschließen.

17      Mit Beschluss vom 2. Mai 2018 ordnete das Gericht eine Beweiserhebung an.

18      Diesem Beschluss kam der SRB mit Schreiben vom 18. Mai 2018, dessen Mängel am 8. und 29. Juni 2018 behoben wurden, nach.

19      Am 12. Juli 2018 entschied das Gericht, die in vertraulicher Fassung vom SRB eingereichten Unterlagen aus der Akte zu entfernen. Eine Ausnahme gilt für die TXT‑Dateien, die sich auf den am 18. Mai 2018 vom SRB vorgelegten USB-Sticks befinden und keine vertraulichen Informationen enthalten; diese wurden in Papierform in die Akte aufgenommen.

20      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtenen Beschlüsse für nichtig zu erklären, soweit sie ihren Beitrag betreffen;

–        dem SRB die Kosten aufzuerlegen.

21      Der SRB beantragt,

–        die Klage für unzulässig zu erklären;

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

22      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

23      Ist das Gericht für die Entscheidung über eine Klage offensichtlich unzuständig oder ist eine Klage offensichtlich unzulässig oder fehlt ihr offensichtlich jede rechtliche Grundlage, so kann es gemäß Art. 126 seiner Verfahrensordnung auf Vorschlag des Berichterstatters jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen. Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht aufgrund der Aktenlage für hinreichend informiert und beschließt, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.

24      Nach Ansicht des SRB ist die Klage zum einen unzulässig, da die Klägerin durch die angefochtenen Beschlüsse nicht unmittelbar und individuell betroffen sei. Allein der von der deutschen NRA auf der Grundlage des Beschlusses des SRB erlassene Rechtsakt erzeuge rechtliche Wirkungen gegenüber der Klägerin. Diese müsse sich an ein nationales Gericht wenden, das dann im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens eine Frage an den Gerichtshof richten könne. Zum anderen sei die Klage nicht fristgerecht erhoben worden.

25      Die Klägerin bestreitet, durch die angefochtenen Beschlüsse nicht unmittelbar und individuell betroffen zu sein. Darüber hinaus habe sie ihre Klage auch fristgerecht erhoben, da die Übermittlung der Beitragsbescheide durch die deutsche NRA nicht dazu geführt habe, dass sie von den angefochtenen Beschlüssen im Sinne von Art. 263 Abs. 6 AEUV Kenntnis erlangt habe. Vielmehr habe sie erst am 4. November 2016 von den Beschlüssen, den für deren Verständnis und Bewertung unerlässlichen Übersichten über die bei der Berechnung verwendeten Eingangs-, Zwischen- und Endwerte und der Erläuterung der Kalkulationsdetails im Sinne dieser Vorschrift Kenntnis erlangt. Zudem habe die deutsche NRA sie nicht darüber informiert, dass sie gegen diese Beschlüsse unmittelbar beim Gericht Klage erheben müsse, sondern in den Beitragsbescheiden auf den nationalen Rechtsschutz, insbesondere auf das Widerspruchsverfahren, verwiesen.

26      Der SRB entgegnet, die Frist zur Erhebung einer Klage habe nach Art. 263 AEUV ab dem Erhalt der Beitragsbescheide der deutschen NRA zu laufen begonnen, so dass sie bereits vor dem Zeitpunkt der Klageerhebung abgelaufen gewesen sei. Die Klage sei daher für unzulässig zu erklären. Sollte das Gericht davon ausgehen, dass die Mitteilungen der nationalen NRA für den Beginn der Klagefrist nicht ausreichten, habe die Klägerin in jedem Fall nach der Mitteilung der genannten NRA von der Existenz der angefochtenen Beschlüsse Kenntnis gehabt und hätte daher innerhalb eines angemessenen Zeitraums deren Übermittlung verlangen müssen.

27      In ihrer Erwiderung weist die Klägerin darauf hin, dass ihr die deutsche NRA entgegen der Praxis in anderen Mitgliedstaaten die angefochtenen Beschlüsse nicht übermittelt habe. Der Begriff der Kenntnis im Sinne von Art. 263 Abs. 6 AEUV bedeute die Kenntnis des vollständigen Textes des Beschlusses und seiner Begründung, die hier nicht vorgelegen hätten. Sie habe Prüfungen zu den unionsrechtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten gegen den streitigen Beitrag erst nach ihrer Teilnahme an der Konferenz der Girozentralleiter am 14. September 2016 unternommen. Sodann gelte die Rechtsprechung zur angemessenen Frist für die Anforderung eines Beschlusses, dessen Existenz bekannt ist, nur im Bereich des Wettbewerbs- und Beihilfenrechts der Union und lasse sich insbesondere mangels Beeinträchtigung des Grundsatzes der Rechtssicherheit nicht auf andere Sektoren und Rechtsmaterien übertragen. Der SRB sei gemeinsam mit den NRA dafür verantwortlich, dass die betroffenen Institute ungleiche und teilweise sogar irreführende Informationen zu seinen Entscheidungen über die Berechnung der Beiträge und den Rechtsbehelfsmöglichkeiten gegen den Beitrag zum SRF für das Jahr 2016 erhalten hätten. Welche Frist angemessen sei, bleibe jedenfalls völlig offen.

28      Der SRB macht in seiner Gegenerwiderung geltend, dass die Klägerin im Stadium der Erwiderung verspätet neue Tatsachen und neue Klagegründe vorbringe. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die angebliche Kenntniserlangung von möglichen Rechtsbehelfen bei einer Konferenz der Sparkassen-Finanzgruppe am 14. September 2016 und den neuen Klagegrund des Vertrauensschutzes, der aus einer vermeintlich unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung der deutschen NRA im Hinblick auf den nationalen Rechtsakt resultieren solle. Der Begriff der Kenntnis erfasse nach der Rechtsprechung auch die Nennung der betroffenen Entscheidung in einer anderen Entscheidung, so dass der Inhalt dieser Entscheidung in einer Art und Weise erfasst werden könne, die es ermögliche, von einem Klagerecht Gebrauch zu machen. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall erfüllt gewesen, so dass die zweimonatige Klagefrist zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits abgelaufen gewesen sei. In Anbetracht der Rechtsprechung zur Frage, welche Frist für die Anforderung des vollständigen Textes der Beschlüsse angemessen sei, sei das Vorbringen der Klägerin zu einer angeblichen Beschränkung dieser Rechtsprechung auf das Wettbewerbs- und das Beihilfenrecht unbegründet. Auch die Beteiligung einer institutionellen Partei an dem Verfahren ändere hieran nichts.

29      Erstens geht aus den im vorliegenden Fall anwendbaren Regelungen, insbesondere aus Art. 54 Abs. 1 Buchst. b und Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 hervor, dass der SRB sowohl der konkrete Verfasser der Berechnung der jeweiligen Beiträge als auch der Verfasser der angefochtenen Beschlüsse zur Genehmigung und Anpassung dieser Beiträge ist. Dass zwischen dem SRB und den NRA eine Zusammenarbeit besteht, ändert nichts an dieser Feststellung.

30      Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass unabhängig von den terminologischen Abweichungen, die zwischen den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 5 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/81 des Rates vom 19. Dezember 2014 zur Festlegung einheitlicher Modalitäten für die Anwendung der Verordnung Nr. 806/2014 (ABl. 2015, L 15, S. 1) bestehen, die NRA und nicht die Banken diejenigen Einrichtungen sind, an die der SRB die von ihm verfassten Beschlüsse richtet, in denen die im Voraus erhobenen Beiträge festgelegt werden. Die NRA sind gemäß den geltenden Vorschriften tatsächlich die einzigen Einrichtungen, an die der Verfasser der in Rede stehenden Beschlüsse diese zu übermitteln hat; sie sind daher letztlich die Adressaten dieser Beschlüsse im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV.

31      Die Feststellung, dass die NRA die Adressaten der Beschlüsse des SRB im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV sind, wird zudem dadurch untermauert, dass sie in dem durch die Verordnung Nr. 806/2014 errichteten System und gemäß Art. 67 Abs. 4 dieser Verordnung für die Erhebung der jeweiligen Beiträge bei den Banken zuständig sind.

32      Ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Art. 263 Abs. 4 AEUV eingehalten worden sind, ist festzustellen, dass die vorliegende Klage aus den folgenden Gründen offensichtlich unzulässig ist.

33      Nach Art. 263 Abs. 6 AEUV sind Nichtigkeitsklagen binnen zwei Monaten zu erheben; diese Frist läuft je nach Lage des Falles von der Bekanntgabe der betreffenden Handlung, ihrer Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung dessen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Kläger von dieser Handlung Kenntnis erlangt hat.

34      Im vorliegenden Fall wurden die angefochtenen Beschlüsse weder bekannt gegeben noch der Klägerin mitgeteilt, die nicht deren Adressatin ist.

35      Nach ständiger Rechtsprechung beginnt in Ermangelung einer Bekanntgabe oder Mitteilung die Klagefrist erst zu dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der Betroffene genaue Kenntnis vom Inhalt und von der Begründung der in Rede stehenden Handlung hat, vorausgesetzt, er fordert den vollständigen Text innerhalb einer angemessenen Frist an. Unter diesem Vorbehalt kann die Klagefrist erst zu dem Zeitpunkt zu laufen beginnen, zu dem der betroffene Dritte genaue Kenntnis vom Inhalt und der Begründung der betreffenden Handlung hat, so dass er sein Klagerecht zweckdienlich ausüben kann (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 5. März 1993, Ferriere Acciaierie Sarde/Kommission, C‑102/92, EU:C:1993:86, Rn. 18, sowie Urteile vom 19. Februar 1998, Kommission/Rat, C‑309/95, EU:C:1998:66, Rn. 18, und vom 14. Mai 1998, Windpark Groothusen/Kommission, C‑48/96 P, EU:C:1998:223, Rn. 25).

36      Somit unterscheidet sich die in Art. 263 Abs. 6 AEUV vorgesehene Frist von zwei Monaten, die in Ermangelung einer Bekanntgabe oder Mitteilung der Handlung, gegen die möglicherweise eine Nichtigkeitsklage erhoben wird, zu dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem der Kläger hiervon Kenntnis erlangt hat, von der angemessenen Frist, die der Kläger zur Verfügung hat, um die Übermittlung des vollständigen Textes dieser Handlung anzufordern, um hiervon genaue Kenntnis zu erlangen (Beschluss vom 10. November 2011, Agapiou Joséphidès/Kommission und EACEA, C‑626/10 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:726, Rn. 128).

37      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Klägerin, wie alle von der Entrichtung eines im Voraus erhobenen Beitrags zum SRF für das Jahr 2016 betroffenen Institute, die erforderlichen Unterlagen und Fragebögen zur Angabe der Daten erhalten hat, auf deren Grundlage der SRB ihre jeweiligen Beiträge berechnen kann. Mit diesen Unterlagen und Fragebögen wurde die Klägerin über die geltenden Rechtsgrundlagen sowie darüber informiert, dass der Beitrag zum SRF vom SRB berechnet wird.

38      Sodann hatte die Klägerin von der Existenz des ersten angefochtenen Beschlusses durch den Beitragsbescheid der deutschen NRA vom 22. April 2016, eingegangen am 25. April 2016, und von der Existenz des zweiten angefochtenen Beschlusses durch den Beitragsbescheid dieser NRA vom 10. Juni 2016, eingegangen am 13. Juni 2016, Kenntnis erlangt.

39      Auch wenn die Klägerin der Auffassung ist, dass sie erst nach Aushändigung der angefochtenen Beschlüsse am 4. November 2016 hiervon habe Kenntnis nehmen und die konkrete Notwendigkeit einer Klage gegen den SRB habe prüfen können und sich im Ergebnis entschieden habe, die vorliegende Klage zu erheben, ist doch festzustellen, dass sie nicht bestreitet, von der Existenz der genannten Beschlüsse vor diesem Zeitpunkt Kenntnis gehabt zu haben.

40      Das auf die Rechtsbehelfsbelehrung in den Beitragsbescheiden der deutschen NRA gestützte Vorbringen der Klägerin ist unbegründet. Angesichts der Feststellungen oben in Rn. 39 musste die Klägerin wissen, dass die Klage betreffend die Berechnung ihres im Voraus erhobenen Beitrags zum SRF für das Jahr 2016 gemäß Art. 86 der Verordnung Nr. 806/2014, der auf Art. 263 AEUV verweist, beim Gericht zu erheben war. In diesem Zusammenhang konnte die Klägerin die Informationen der deutschen NRA vernünftigerweise nur allenfalls dahin verstehen, dass sie sich auf eine eventuelle Klage vor den nationalen Gerichten wegen anderer Gesichtspunkte der Entscheidung der NRA als der Beitragsfestsetzung bezogen.

41      Im Übrigen ist hinsichtlich der Rechtsbehelfsbelehrung über die Rechtsschutzmöglichkeiten beim Gericht der Union zum einen darauf hinzuweisen, dass die Unionsorgane weder eine allgemeine Pflicht trifft, die Adressaten ihrer Rechtsakte über die zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe zu belehren, noch eine Pflicht, die Fristen anzugeben, innerhalb deren sie eingelegt werden können (vgl. Beschluss vom 27. November 2007, Diy-Mar Insaat Sanayi ve Ticaret und Akar/Kommission, C‑163/07 P, EU:C:2007:717, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zum anderen enthielten die Vorschriften im vorliegenden Fall klare Angaben zu den gegen die Beschlüsse des SRB zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen (Art. 85 und 86 der Verordnung Nr. 806/2014).

42      Da die Klägerin von der Existenz der angefochtenen Beschlüsse Kenntnis hatte, musste sie mangels Klageerhebung zur Rechtswahrung bis zur Übermittlung dieser Beschlüsse deren Übermittlung innerhalb der von der Rechtsprechung oben in den Rn. 35 und 36 etablierten angemessenen Frist anfordern.

43      Zum Vorbringen der Klägerin, wonach die Rechtsprechung zur angemessenen Frist auf das Wettbewerbs- und Beihilfenrecht begrenzt sei, genügt in Übereinstimmung mit dem SRB die Feststellung, dass es sich auf ein falsches Verständnis der von ihr angeführten Rechtsprechung stützt. Weder das Urteil vom 19. Februar 1998, Kommission/Rat (C‑309/95, EU:C:1998:66), noch die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Parlament/Kommission (C‑403/05, EU:C:2007:290) haben nämlich die Rechtsprechung zur angemessenen Frist auf die Bereiche des Wettbewerbs- oder Beihilfenrechts beschränkt oder eine unterschiedliche Behandlung nicht institutioneller und institutioneller Parteien hinsichtlich des Begriffs der Rechtssicherheit begründet. Dieses Vorbringen ist deshalb zurückzuweisen.

44      Die „angemessene Frist“ dafür, die Übermittlung eines Beschlusses nach Kenntniserlangung von dessen Existenz anzufordern, ist keine im Vorhinein festgelegte Frist, die sich automatisch von der Dauer der Frist für die Nichtigkeitsklage ableiten ließe, sondern eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Frist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Februar 2013, Überprüfung Arango Jaramillo u. a./EIB, C‑334/12 RX‑II, EU:C:2013:134, Rn. 32 bis 34).

45      Zum Begriff der angemessenen Frist hat zum einen der Gerichtshof in anderen Rechtssachen entschieden, dass eine Frist von zwei Monaten, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Kenntnis von der Existenz eines Beschlusses, um dessen Übermittlung zu verlangen, eine angemessene Frist überschreitet (Beschluss vom 5. März 1993, Ferriere Acciaierie Sarde/Kommission, C‑102/92, EU:C:1993:86, Rn. 19; vgl. auch in diesem Sinne Beschluss vom 10. November 2011, Agapiou Joséphidès/Kommission und EACEA, C‑626/10 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:726, Rn. 131 und 132).

46      Zum anderen hat das Gericht in anderen Rechtssachen entschieden, dass eine Anforderung der Übersendung des vollständigen Wortlauts eines Beschlusses, die mehr als vier Monate, nachdem der Kläger von der Existenz dieses Rechtsakts Kenntnis erlangt hatte, erfolgte, als außerhalb jeder angemessenen Frist anzusehen ist (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 15. Juli 1998, LPN und GEOTA/Kommission, T‑155/95, EU:T:1998:167, Rn. 44, und vom 18. Mai 2010, Abertis Infraestructuras/Kommission, T‑200/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:200, Rn. 63).

47      Angesichts der Umstände des vorliegenden Falles besteht kein Grund, von dieser Beurteilung des Gerichtshofs und des Gerichts abzuweichen.

48      In Anbetracht der oben in den Rn. 37 bis 38 dargelegten Umstände musste die Klägerin ab dem 25. April und dem 13. Juni 2016 von der Existenz der angefochtenen Beschlüsse gewusst haben. Es oblag ihr daher, entweder innerhalb der Rechtsbehelfsfrist Klage zu erheben oder zumindest zum Zwecke der Klageerhebung innerhalb einer angemessenen Frist die Übermittlung dieser Beschlüsse zu verlangen.

49      Nachdem sie von der Existenz der angefochtenen Beschlüsse Kenntnis erlangt hatte, forderte die Klägerin den SRB jedoch erst am 30. September 2016, also nach Überschreitung einer angemessenen Frist, zur Übermittlung dieser Beschlüsse auf.

50      Darüber hinaus hat die Klägerin weder behauptet noch nachgewiesen, dass ein Zufall oder ein Fall höherer Gewalt vorgelegen habe, der es nach Art. 45 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der nach Art. 53 dieser Satzung auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar ist, erlauben würde, von der Einhaltung der fraglichen Frist abzusehen.

51      Folglich ist die am 12. Januar 2017 erhobene Klage offensichtlich verspätet und als offensichtlich unzulässig abzuweisen, ohne dass über die Zulässigkeit der von der Klägerin im Stadium der Erwiderung vorgebrachten Argumente und Tatsachen, nämlich die Informationen betreffend die Konferenz der Girozentralleiter und den Vertrauensschutz, der aus einer vermeintlich unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung der deutschen NRA resultiere, entschieden zu werden braucht.

 Kosten

52      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, ist sie zur Tragung ihrer eigenen Kosten sowie der Kosten des SRB gemäß dessen Antrag zu verurteilen.

53      Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung trägt die Kommission ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

beschlossen:

1.      Die Klage wird als offensichtlich unzulässig abgewiesen.

2.      Die Landesbank Baden-Württemberg trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten des Einheitlichen Abwicklungsausschusses (SRB).

3.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 19. November 2018

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      A. M. Collins


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