T-136/15 – Evropaïki Dynamiki/ Parlament
Language of document : ECLI:EU:T:2017:915
Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)
14. Dezember 2017()
„Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Aufforderungen zur Angebotsabgabe für alle Lose einer Ausschreibung – Verweigerung des Zugangs – Keine individuelle und konkrete Prüfung der angeforderten Dokumente – Ausnahme zum Schutz der öffentlichen Sicherheit – Ausnahme zum Schutz geschäftlicher Interessen – Ausnahme zum Schutz der Privatsphäre – Ausnahme zum Schutz des Entscheidungsprozesses – Allgemeine Vermutung – Unvertretbarer Arbeitsaufwand“
In der Rechtssache T‑136/15
Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE mit Sitz in Athen (Griechenland), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwalt I. Ampazis und Rechtsanwältin M. Sfyri, dann Rechtsanwältinnen M. Sfyri und C.‑N. Dede,
Klägerin,
unterstützt durch
Königreich Schweden, vertreten durch E. Karlsson, L. Swedenborg, A. Falk, C. Meyer-Seitz, U. Persson und N. Otte Widgren als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
gegen
Europäisches Parlament, vertreten zunächst durch N. Görlitz, N. Rasmussen und L. Darie, dann durch N. Görlitz, L. Darie und C. Burgos als Bevollmächtigte,
Beklagter,
betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung der Entscheidung des Parlaments vom 13. Februar 2015, mit der der Zugang zu den Aufforderungen zur Angebotsabgabe für alle Lose der Ausschreibung ITS 08 – Erbringung externer Dienstleistungen für IT Dienste 2008/S 149‑199622 – verweigert wurde,
erlässt
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen, des Richters L. Calvo‑Sotelo Ibáñez-Martín und der Richterin I. Reine (Berichterstatterin),
Kanzler: S. Spyropoulos, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2017
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtene Entscheidung
1 Die Klägerin, die Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE, beteiligte sich an einer Ausschreibung des Europäischen Parlaments mit der Bezeichnung ITS 08 – Erbringung externer Dienstleistungen für IT Dienste 2008/S 149‑199622 –, die 16 verschiedene Lose mit einem Gesamtwert von 300 Mio. Euro betraf (im Folgenden: Ausschreibung ITS 08). Nach Abschluss der Ausschreibung unterzeichnete sie am 26. Oktober 2009 einen Rahmenvertrag mit dem Europäischen Parlament für das Los Nr. 7 „Entwicklung dokumentationsbezogener Anwendungen und Content-Management-Systeme“ (im Folgenden: Los Nr. 7).
2 Mit Schreiben vom 14. November 2014 stellte die Klägerin einen Antrag auf Zugang zu „allen verfügbaren Informationen über alle Aufforderungen des [Parlaments] zur Angebotsabgabe, die das Parlament für alle Lose [der Ausschreibung] ITS 08 versandt hat“ (im Folgenden: Aufforderungen zur Angebotsabgabe oder angeforderte Dokumente). Die Klägerin verlangte die Überlassung einer Kopie der Aufforderungen zur Angebotsabgabe einschließlich der technischen Anhänge binnen 15 Arbeitstagen ab Zugang ihres Schreibens. Zur Begründung ihres Antrags machte die Klägerin geltend, sie vermute, dass das Parlament bestimmte Aufgabenbereiche in Los Nr. 7 rechtswidrig an die Auftragnehmer, die für andere Lose, insbesondere für Los Nr. 6 berücksichtigt worden seien, vergeben habe, und wolle den Umfang des Schadens prüfen, der ihr durch diese rechtswidrige Vergabe entstanden sei.
3 Mit E‑Mail vom 17. November 2014 und Schreiben vom selben Tag bestätigte das Parlament den Eingang des Erstantrags auf Zugang zu den Aufforderungen zur Angebotsabgabe und teilte der Klägerin mit, dass dieser Antrag anhand der Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) geprüft werde.
4 Mit E‑Mail vom 3. Dezember 2014 teilte das Parlament der Klägerin mit, dass es angesichts der großen Anzahl der zu prüfenden Dokumente – „weit über 1 000“ – die Frist von 15 Arbeitstagen gemäß Verordnung Nr. 1049/2001 nicht einhalten könne. In diesem Zusammenhang schlug es der Klägerin vor, nach einer angemessenen Lösung im Sinne von Art. 6 Abs. 3 dieser Verordnung zu suchen, die darin bestehe, die angeforderten Dokumente für jedes einzelne Los nach einem noch zu bestimmenden Zeitplan zu prüfen und zu übermitteln. Das Parlament schlug auch vor, zunächst die Dokumente von Los Nr. 7 bis zum 31. Januar 2015 und dann später die Dokumente von Los Nr. 6 zu prüfen.
5 Am 5. Dezember 2014 antwortete die Klägerin dem Parlament, dass sie seinen Vorschlag nicht annehmen könne. Die angeforderten Dokumente seien elektronisch erfasst und registriert, so dass ihre Offenlegung für das Parlament keinen übermäßigen Arbeitsaufwand bedeute. Wenn ferner die Prüfung jedes einzelnen Loses zwei Monate erfordere – ein Zeitraum, den das Parlament für die Prüfung der Dokumente von Los Nr. 7 vorgeschlagen habe –, müsste sie fast drei Jahre warten, bis sie alle angeforderten Dokumente erhalten hätte. Der Vorschlag des Parlaments komme daher einer Verweigerung des Zugangs gleich. Die Klägerin stellte daher einen Zweitantrag des Inhalts, ihr bis zum 31. Januar 2015 Zugang zu allen angeforderten Dokumenten zu gewähren.
6 Mit E‑Mail vom 9. Dezember 2014 stellte das Parlament klar, dass sein Vorschlag keineswegs eine Verweigerung des Zugangs zu den angeforderten Dokumenten beinhalte. Es bat zudem für die Beantwortung des Erstantrags auf Zugang gemäß Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 um eine Verlängerung der Frist um 15 Arbeitstage.
7 Mit E‑Mail vom 17. Dezember 2014 erneuerte die Klägerin ihren Antrag, bis Ende Januar 2015 „alle angeforderten Informationen“ offenzulegen. Sie wies das Parlament auch darauf hin, dass es sich mit seinem Vorschlag vom 3. Dezember 2014 nicht ernsthaft bemüht habe, eine angemessene Lösung zu finden, da die Dokumente von Los Nr. 7, die nach dem Vorschlag des Parlaments als Erstes geprüft werden sollten, bereits in ihrem Besitz seien. Nach Auffassung der Klägerin hätte die Prüfung mit den Dokumenten von Los Nr. 6 beginnen müssen.
8 Mit Entscheidung vom 18. Dezember 2014 lehnte das Parlament den Erstantrag auf Zugang zu den Aufforderungen zur Angebotsabgabe mit der Begründung ab, dass sich nach Abschluss der individuellen Prüfung einiger der zahlreichen angeforderten Dokumente gezeigt habe, dass die Informationen in diesen Dokumenten unter die in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 geregelten Ausnahmen vom Recht auf Zugang fielen. Zudem könne vermutet werden, dass diese Ausnahmeregelungen auch für die anderen angeforderten Dokumente gelten würden, da sie gleicher Natur wie die bereits geprüften Dokumente seien. Hilfsweise machte das Parlament geltend, dass eine individuelle Prüfung aller angeforderter Dokumente einen unverhältnismäßigen Arbeitsaufwand bedeutet hätte.
9 Mit E‑Mail vom 12. Januar 2015 stellte die Klägerin einen Zweitantrag auf Zugang zu allen Aufforderungen zur Angebotsabgabe. Das Parlament bestätigte den Eingang dieses Zweitantrags auf Zugang mit E‑Mail vom 19. Januar 2015.
10 Mit E‑Mail vom 2. Februar 2015 verlängerte das Parlament die Frist zur Beantwortung des Zweitantrags der Klägerin um 15 Arbeitstage gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001.
11 Mit Entscheidung vom 13. Februar 2015 lehnte das Parlament den Zugang zu allen von der Klägerin angeforderten Dokumenten ab (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).
12 In der angefochtenen Entscheidung machte das Parlament zunächst geltend, dass sich weder aus der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates (ABl. 2012, L 298, S. 1, im Folgenden: Haushaltsordnung) noch aus der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1268/2012 der Kommission vom 29. Oktober 2012 über die Anwendungsbestimmungen für die Haushaltsordnung (ABl. 2012, L 362, S. 1, im Folgenden: Delegierte Verordnung) eine Pflicht zur Offenlegung der Aufforderungen zur Angebotsabgabe ergebe.
13 Zu den Grenzen des Zugangsrechts wies das Parlament im Wesentlichen darauf hin, dass die weitere Prüfung der angeforderten Dokumente bestätigt habe, dass bestimmte Aufforderungen zur Angebotsabgabe Informationen enthielten, die unter die in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 geregelten Ausnahmen vom Recht auf Zugang fielen.
14 Erstens stellten bestimmte Dokumente die Details der IT‑Architektur dar, die in Verbindung mit den insoweit öffentlich zugänglichen Informationen die Sicherheit dieses Systems gefährden könnten. Das Parlament verwies insbesondere auf die Sicherheitssoftware des genannten Systems, auf die Anwendungen, die für die Verwaltung der Sicherheitsparameter der Gebäude, wie z. B. die Standorte der Überwachungskameras, eingesetzt würden, und auf den Namen der Anwendungen, die für logistische Zwecke eingesetzt würden. Der Schutz der öffentlichen Sicherheit rechtfertige daher die Ablehnung des Zugangs zu den angeforderten Dokumenten.
15 Zweitens enthielten einige der geprüften Aufforderungen zur Angebotsabgabe personenbezogene Daten wie Namen, Berufsprofile und Betriebszugehörigkeit der für das Parlament tätigen Berater. Da die Erforderlichkeit einer Übermittlung dieser Daten nicht nachgewiesen sei, müsse der Zugang zu den angeforderten Dokumenten abgelehnt werden, um das Recht auf Privatsphäre der betreffenden Personen zu schützen.
16 Drittens enthielten die angeforderten Dokumente wirtschaftliche und technische Informationen, deren Offenlegung das Beschafferprofil des Parlaments auf dem Markt offenbaren könne. Die Aufforderungen zur Angebotsabgabe könnten außerdem Informationen über die besondere Sachkenntnis der für das einzelne Los ausgewählten Zulieferer sowie Details über ihre Geschäftsstrategien und Allianzen oder Beziehungen mit Dritten enthalten. Der Schutz der Geschäftsinteressen, und zwar derjenigen der betreffenden Wirtschaftsteilnehmer und des Parlaments, rechtfertige daher ebenfalls die Ablehnung jedes Zugangs zu den angeforderten Dokumenten.
17 Viertens könnte die Übermittlung der angeforderten Dokumente den Entscheidungsprozess des Parlaments beeinträchtigen, da den Dokumenten Informationen über bestimmte laufende IT‑Projekte zu entnehmen seien, für die bisher noch keine Entscheidung getroffen worden sei. Dies könne die langfristige operative Strategie bremsen, die das Parlament in diesem Bereich entwickelt habe.
18 In der angefochtenen Entscheidung beruft sich das Parlament auch darauf, dass es an einem überwiegenden öffentlichen Interesse fehle, das die Anwendung der Ausnahmen zum Schutz der geschäftlichen Interessen und des Entscheidungsprozesses ausschließen könnte. Es wies insoweit darauf hin, dass das Einzelinteresse der Klägerin, die behaupte, aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung des betreffenden öffentlichen Auftrags seitens des Parlaments einen Schaden erlitten zu haben, nicht berücksichtigt werden könne.
19 Das Parlament stellte in der angefochtenen Entscheidung ebenfalls fest, dass nach der vom Gerichtshof im Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau (C‑139/07 P, EU:C:2010:376), entwickelten Rechtsprechung die geltend gemachten vier Ausnahmen vom Zugangsrecht aufgrund einer allgemeinen Vermutung sinngemäß auf alle genannten Dokumente anzuwenden seien, auch wenn es nicht alle von der Klägerin angeforderten Dokumente habe individuell prüfen können.
20 Das Parlament wies in der angefochtenen Entscheidung schließlich darauf hin, dass die individuelle Prüfung der ungefähr 1 500 angeforderten Dokumente, bestehend aus fast 18 000 Seiten, die 10 000 Dokumenten zu entnehmen seien, für seine Dienststellen einen übermäßigen Arbeitsaufwand darstelle. Dieser Aufwand stehe außer Verhältnis zu den Interessen, die die Klägerin zur Begründung ihres Antrags auf Zugang geltend gemacht habe.
Verfahren und Anträge der Parteien
21 Mit Klageschrift, die am 20. März 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.
22 Das Parlament hat am 22. Juni 2015 seine Klagebeantwortung eingereicht.
23 Die Klägerin hat am 21. August 2015 eine Erwiderung eingereicht. Das Parlament hat am 27. Oktober 2015 eine Gegenerwiderung eingereicht.
24 Mit am 28. August 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichtem Schriftsatz hat das Königreich Schweden beantragt, in der vorliegenden Rechtssache als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 11. November 2015 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts diese Streithilfe zugelassen.
25 Das Königreich Schweden hat seinen Streithilfeschriftsatz am 8. Februar 2016 eingereicht. Die Klägerin und das Parlament haben sich zu diesem Schriftsatz am 14. bzw. 19. April 2016 geäußert.
26 Nach der Erweiterung des Gerichts ist die Rechtssache einem neuen Berichterstatter zugewiesen worden. Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist sodann der Berichterstatter der Vierten Kammer zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.
27 Das Gericht (Vierte Kammer) hat auf Vorschlag des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Am 15. Dezember 2016 hat das Gericht dem Parlament im Wege verfahrensleitender Maßnahmen mehrere Fragen zur schriftlichen Beantwortung vor der mündlichen Verhandlung gestellt. Das Parlament hat darauf innerhalb der gesetzten Frist geantwortet.
28 Die Parteien haben in der Sitzung vom 31. Januar 2017 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.
29 Die Klägerin beantragt,
– die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;
– dem Parlament – selbst im Fall der Klageabweisung – die Kosten aufzuerlegen.
30 Das Parlament beantragt,
– die Klage als unbegründet abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
31 Das Königreich Schweden beantragt im Wesentlichen, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären.
Rechtliche Würdigung
Zum Streitgegenstand
32 Die Klägerin führt zwei Klagegründe an. Mit dem ersten Klagegrund macht sie geltend, dass die angeforderten Dokumente nicht individuell geprüft worden seien und dass das Recht auf teilweisen Zugang zu den Dokumenten nach Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 verletzt sei. Mit dem zweiten Klagegrund macht sie geltend, das Parlament habe die Ausnahmen vom Recht auf Zugang nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a erster Gedankenstrich und Buchst. b, Abs. 2 erster Gedankenstrich und Abs. 3 dieser Verordnung zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, der Privatsphäre, der geschäftlichen Interessen und des Entscheidungsprozesses fehlerhaft angewandt.
33 In seiner Klagebeantwortung macht das Parlament hilfsweise und ausschließlich für den Fall, dass das Gericht die beiden Klagegründe für begründet erachten sollte, geltend, dass die angefochtene Entscheidung gleichwohl rechtmäßig sei. Da nämlich das Parlament die Ablehnung des Zugangs zu den angeforderten Dokumenten auch auf einen „(ungeschriebenen) und unbestrittenen Grund des unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands“ stütze, könne das Gericht die angefochtene Entscheidung nicht für nichtig erklären. Das Parlament ersucht das Gericht, von sich aus zu prüfen, inwieweit dieser Umstand die Unzulässigkeit der gesamten Klage begründen könne.
34 Hierzu ergibt sich aus der Klageschrift, dass die Klägerin tatsächlich zwei Klagegründe geltend macht, ohne sich auf das Fehlen eines unverhältnismäßigen Arbeitsaufwands als gesonderten Klagegrund zu beziehen. Zur Begründung des ersten Klagegrundes trägt die Klägerin allerdings ausdrücklich vor, dass das Vorbringen des Parlaments zum übermäßigen und unverhältnismäßigen Arbeitsaufwand unsubstantiiert sei, da es weder dargelegt habe, wie viele Dokumente es geprüft habe, noch, wie lange es gedauert habe, ihren Inhalt zu bewerten. Die Klägerin fügt hinzu, dass diese Arbeit höchstens einige Tage dauern würde, da die meisten angeforderten Dokumente kurz seien und dieselbe Struktur hätten.
35 Es ist somit festzustellen, dass die Klägerin den vom Parlament in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich geltend gemachten Grund sehr wohl zurückgewiesen hat. Die Rechtmäßigkeit dieses Grundes ist daher in der vorliegenden Klage im Rahmen der Prüfung des ersten Klagegrundes zu untersuchen.
Vorbemerkungen
36 Das Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union ist durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschützt und stellt ein besonderes Grundrecht dar. Nach Art. 42 der Charta der Grundrechte haben die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat das Recht auf Zugang zu den genannten Dokumenten, unabhängig von der Form der für diese Dokumente verwendeten Träger (Urteil vom 29. November 2012, Thesing und Bloomberg Finance/EZB, T‑590/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:635, Rn. 73). Des Weiteren folgt die Verordnung Nr. 1049/2001 nach ihrem ersten Erwägungsgrund dem Willen, der in dem durch den Vertrag von Amsterdam eingefügten Art. 1 Abs. 2 EUV seinen Ausdruck gefunden hat, dass dieser Vertrag eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas darstellt, in der die Entscheidungen möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen werden. Nach dem zweiten Erwägungsgrund dieser Verordnung knüpft das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten der Organe an deren demokratischen Charakter an (Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 34, vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 68, und vom 21. Juli 2011, Schweden/MyTravel und Kommission, C‑506/08 P, EU:C:2011:496, Rn. 72).
37 Nach ständiger Rechtsprechung muss die im Rahmen der Bearbeitung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten erforderliche Prüfung konkret sein (vgl. Urteil vom 13. April 2005, Verein für Konsumenteninformation/Kommission, T‑2/03, EU:T:2005:125, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese konkrete Prüfung muss außerdem in Bezug auf jedes im Antrag bezeichnete Dokument durchgeführt werden. Aus der Verordnung Nr. 1049/2001 ergibt sich nämlich, dass alle in ihrem Art. 4 Abs. 1 bis 3 genannten Ausnahmen auf das einzelne Dokument („zu einem Dokument“) anzuwenden sind (Urteile vom 13. April 2005, Verein für Konsumenteninformation/Kommission, T‑2/03, EU:T:2005:125, Rn. 70, und vom 6. Juli 2006, Franchet und Byk/Kommission, T‑391/03 und T‑70/04, EU:T:2006:190, Rn. 116).
38 Diese grundsätzliche Verpflichtung bedeutet allerdings nicht, dass eine solche Prüfung unter allen Umständen erforderlich wäre. Da nämlich die konkrete und individuelle Prüfung, die das Organ grundsätzlich auf einen auf die Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Antrag auf Akteneinsicht hin durchführen muss, es dem betreffenden Organ ermöglichen soll, zu beurteilen, inwieweit eine Ausnahme vom Zugangsrecht anwendbar ist und ob die Möglichkeit eines teilweisen Zugangs besteht, kann eine solche Prüfung entbehrlich sein, wenn aufgrund der besonderen Umstände des betreffenden Falles offenkundig ist, dass der Zugang zu verweigern oder aber zu gewähren ist (Urteil vom 13. April 2005, Verein für Konsumenteninformation/Kommission, T‑2/03, EU:T:2005:125, Rn. 75).
39 Die Klagegründe der Klägerin sind unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Ausführungen zu prüfen.
Zum ersten Klagegrund: Fehlen einer konkreten und individuellen Prüfung der angeforderten Dokumente und Verletzung des Rechts auf teilweisen Zugang
40 Die Klägerin trägt vor, die Entscheidung des Parlaments, seine Prüfung auf eine sehr begrenzte Anzahl von Aufforderungen zur Angebotsabgabe zu beschränken, sei offensichtlich unvereinbar mit der gefestigten Rechtsprechung des Gerichts, wonach eine konkrete und individuelle Prüfung des einzelnen Dokuments selbst dann erforderlich sei, wenn klar sei, dass der Zugangsantrag unter eine Ausnahme fallende Dokumente betreffe. Die Klägerin ist insoweit vor allem der Auffassung, dass der in der angefochtenen Entscheidung genannte Grund eines übermäßigen und unverhältnismäßigen Arbeitsaufwands unsubstantiiert sei. Angesichts von Natur und Inhalt der angeforderten Dokumente, die dieselbe Struktur hätten, wären für die Arbeit höchstens einige Tage erforderlich.
41 Außerdem habe das Parlament dadurch gegen Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 verstoßen, dass es nicht geprüft habe, ob ihr ein teilweiser Zugang zu den angeforderten Dokumenten hätte gewährt werden können.
42 Im vorliegenden Fall steht fest, dass das Parlament eine konkrete und individuelle Prüfung sämtlicher Aufforderungen zur Angebotsabgabe nicht durchgeführt, sondern lediglich eine Stichprobe dieser Dokumente untersucht hat. In der angefochtenen Entscheidung macht das Parlament im Wesentlichen geltend, es könne von einer solchen konkreten und individuellen Prüfung aus zweierlei Gründen absehen.
43 Erstens stellten die Aufforderungen zur Angebotsabgabe eine besondere Kategorie von Dokumenten dar, für die eine allgemeine Vermutung gelte, dass ihrer Offenlegung vier verschiedene Ausnahmen vom Zugangsrecht entgegenstünden. Insbesondere seien die angeforderten Dokumente nicht aufgrund ihrer Natur öffentlich, da ihre Offenlegung von der Haushaltsordnung nicht vorgesehen sei. Zweitens bedeute die konkrete und individuelle Prüfung aller angeforderten Dokumente für die Dienststellen des Parlaments einen Arbeitsaufwand, der angesichts des Zwecks des Zugangsantrags „unverhältnismäßig“ sei. Das Parlament stützt sich insoweit auf das Urteil vom 2. Oktober 2014, Strack/Kommission (C‑127/13 P, EU:C:2014:2250), das die praktische Wirksamkeit des in Art. 41 der Charta der Grundrechte verankerten Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung schützen wolle.
44 Vor diesem Hintergrund ist somit in einem ersten Schritt zu prüfen, ob sich das Parlament auf eine allgemeine Vermutung berufen konnte, dass die Offenlegung der betreffenden Dokumente eines oder mehrere der von den Ausnahmen nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützten Interessen beeinträchtigen würde, oder ob der Inhalt der angeforderten Dokumente offenkundig und in vollem Umfang unter diese Ausnahmen fällt, so dass das Parlament nicht verpflichtet war, alle angeforderten Dokumente konkret und individuell zu prüfen. Sollte das Gericht zu dem Schluss gelangen, dass eine solche allgemeine Vermutung im vorliegenden Fall nicht besteht oder dass der Inhalt der angeforderten Dokumente nicht offenkundig und in vollem Umfang unter diese Ausnahmen fällt und das Parlament demzufolge verpflichtet ist, eine konkrete und individuelle Prüfung aller angeforderter Dokumente vorzunehmen, wäre in einem zweiten Schritt zu prüfen, inwieweit das Parlament gleichwohl von seiner Pflicht zur Vornahme einer solchen konkreten und individuellen Prüfung absehen durfte, weil diese Prüfung einen „unverhältnismäßigen“ Arbeitsaufwand mit sich brachte.
Zur Anwendung der Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a erster Gedankenstrich und Buchst. b, Abs. 2 erster Gedankenstrich und Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 auf die Gesamtheit der angeforderten Dokumente
45 Im vorliegenden Fall wies das Parlament in der angefochtenen Entscheidung in Buchst. F („Vermutung für eine Anwendung der einschlägigen Ausnahmen im Sinne von Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 auf sämtliche Dokumente“) unter der Überschrift „Neubewertung Ihres Antrags gemäß Art. 8 der Verordnung … Nr. 1049/2001“ darauf hin, dass die angeforderten Dokumente sämtlich derselben Kategorie angehörten, nämlich der Kategorie „Aufforderungen zur Angebotsabgabe“, und dass allen diesen Dokumenten gemein sei, dass mit ihnen in den einzelnen Losen ein Angebot der ausgewählten Zulieferer auf Abschluss eines Einzelvertrags innerhalb eines Rahmenvertrags habe eingeholt werden sollen.
46 Auf der Grundlage dieser Feststellung ging das Parlament in der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass alle angeforderten Dokumente unter vier verschiedene Ausnahmen vom Recht auf Zugang nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a erster Gedankenstrich und Buchst. b, Abs. 2 erster Gedankenstrich und Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 fielen, nämlich diejenigen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, der Privatsphäre, der geschäftlichen Interessen und des Entscheidungsprozesses.
47 Der Gerichtshof hat in dieser Hinsicht anerkannt, dass es den Organen, um zu erläutern, inwiefern der Zugang zu den angeforderten Dokumenten das durch eine Ausnahme nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützte Interesse beeinträchtigen kann, freisteht, sich auf allgemeine Annahmen zu stützen, die für bestimmte Kategorien von Dokumenten gelten können, da für Anträge auf Freigabe von Dokumenten gleicher Natur vergleichbare allgemeine Erwägungen gelten (Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 50, vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376, Rn. 54, vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 74, und vom 27. Februar 2014, Kommission/EnBW, C‑365/12 P, EU:C:2014:112, Rn. 65).
48 Außerdem kann ein und dieselbe Rechtfertigung auf Dokumente derselben Kategorie Anwendung finden, falls sie dieselbe Art von Informationen enthalten. Das Organ kann jedoch nur dann von einer konkreten und individuellen Prüfung der genannten Dokumente absehen, wenn der Inhalt dieser Dokumente offenkundig und in vollem Umfang unter eine Ausnahme vom Zugangsrecht fällt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2011, LPN/Kommission, T‑29/08, EU:T:2011:448, Rn. 114).
49 Es ist somit zu prüfen, ob, wie das Parlament vorträgt, alle angeforderten Dokumente entweder aufgrund ihrer Eigenart oder aufgrund ihres Inhalts unter eine oder mehrere der vom Parlament geltend gemachten Ausnahmen vom Zugangsrecht fielen.
– Zu den in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a erster Gedankenstrich und Buchst. b und Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 geregelten Ausnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, der Privatsphäre und des Entscheidungsprozesses
50 Was die Natur der angeforderten Dokumente betrifft, hat das Parlament nicht dargetan, dass diese Dokumente aufgrund ihrer Eigenart unter eine allgemeine Vermutung einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit, der Privatsphäre oder des Entscheidungsprozesses fallen könnten.
51 Eine Aufforderung zur Angebotsabgabe enthält grundsätzlich eine Beschreibung der Aufgaben, die der öffentliche Auftraggeber aufgrund des mit dem Auftragnehmer geschlossenen Rahmenvertrags ausführen lassen möchte. Angesichts der Vielzahl unterschiedlicher Güter und Dienstleistungen, die den Gegenstand öffentlicher Aufträge insbesondere im IT‑Bereich bilden, steht nicht fest, dass die Offenlegung einer Aufforderung zur Angebotsabgabe im Allgemeinen und ohne nähere Darlegung die Gefahr einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit, der Privatsphäre oder des Entscheidungsprozesses mit sich bringen könnte. Insoweit ist der bloße Verweis auf das Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau (C‑139/07 P, EU:C:2010:376), kein substantiierter Vortrag, um darzutun, dass die angeforderten Dokumente aufgrund ihrer Eigenart unter eine allgemeine Vermutung einer Beeinträchtigung dieser Interessen fielen.
52 Was ferner den Inhalt der angeforderten Dokumente angeht, ist das Vorbringen des Parlaments ebenfalls zurückzuweisen. Erstens ergibt sich nämlich bezüglich der in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geregelten Ausnahme zum Schutz der öffentlichen Sicherheit aus der angefochtenen Entscheidung, dass nur „einige der geprüften Dokumente“ bzw. „sonstige geprüfte [Aufforderungen zur Angebotsabgabe]“ Informationen enthalten, die die öffentliche Sicherheit beeinträchtigen können.
53 Auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Offenlegung bestimmter in der angefochtenen Entscheidung aufgeführter Informationen tatsächlich die Sicherheit der IT‑Systeme des Parlaments beeinträchtigen können, ist festzustellen, dass die genannten Informationen nach den Ausführungen des Parlaments selbst nur in einer beschränkten Anzahl von Dokumenten, nicht aber in allen enthalten sind. Das Parlament hat zudem in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass allgemeine Informationen über sein IT‑System im Internet öffentlich zugänglich und einige dieser Informationen in die Aufforderungen zur Angebotsabgabe übernommen worden seien.
54 Zweitens ergibt sich bezüglich der in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 geregelten Ausnahme zum Schutz der Privatsphäre aus Buchst. B Abs. 3 der angefochtenen Entscheidung unter der Überschrift „Neubewertung Ihres Antrags gemäß Art. 8 der Verordnung … Nr. 1049/2001“, dass „bestimmte geprüfte Aufforderungen zur Angebotsabgabe … personenbezogene Daten [enthalten], … wie etwa die vollständigen Namen der Angehörigen des Personals des Parlaments sowie die vollständigen Namen, das Berufsprofil und die Betriebszugehörigkeit der Berater, die Dienstleistungen für das Organ erbringen“. Auch führt das Parlament in Rn. 156 der Klagebeantwortung aus, dass „mehrere Aufforderungen [zur Angebotsabgabe] personenbezogene Daten enthalten“.
55 Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass das Parlament die Offenlegung dieser personenbezogenen Daten aufgrund von Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 ablehnen kann, doch fällt nicht der Inhalt aller angeforderten Dokumente offenkundig und in vollem Umfang unter diese Ausnahme, was das Parlament im Übrigen in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat. Zudem geht aus den verschiedenen Aufforderungen zur Angebotsabgabe, die der Klageschrift sowie der Klagebeantwortung als Anlagen beigeführt worden sind, hervor, dass die Namen der Berater, sofern sie in diesen Aufforderungen aufgeführt sind, nur einen geringen Teil der in ihnen enthaltenen Informationen und Anweisungen ausmachen. Es würde daher gegebenenfalls ausreichen, sie vor Offenlegung der angeforderten Dokumente zu schwärzen.
56 Drittens macht das Parlament bezüglich der Ausnahme zum Schutz seines internen Entscheidungsprozesses in Buchst. D der angefochtenen Entscheidung unter der Überschrift „Neubewertung Ihres Antrags gemäß Art. 8 der Verordnung … Nr. 1049/2001“ geltend, das die von ihm geprüften Dokumente Informationen vor allem über Fragen enthielten, zu denen noch keine Entscheidungen ergangen seien. Es bestehe auch die Gefahr, dass Zulieferer auf die Mitglieder des Personals des Organs, die zukünftig Entscheidungen zu treffen hätten, Einfluss nähmen und damit den reibungslosen Verlauf des Entscheidungsprozesses stören würden.
57 Das Parlament hat insoweit nicht behauptet, geschweige denn dargetan, dass der Inhalt der Aufforderungen zur Angebotsabgabe offenkundig und in vollem Umfang unter die Ausnahme zum Schutz des internen Entscheidungsprozesses fällt, da nur bestimmte Informationen unter diese Ausnahme fallen.
58 Im Übrigen enthält weder die angefochtene Entscheidung noch die Klagebeantwortung konkrete Angaben, die den Schluss zulassen, dass die Gefahr einer schweren Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses bei verständiger Betrachtung abzusehen und nicht rein hypothetisch war. Insbesondere erwähnt das Parlament weder das Vorliegen von schweren Beeinträchtigungen oder Versuchen einer solchen Beeinträchtigung des laufenden Entscheidungsprozesses zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung, noch führt es objektive Gründe an, denen zufolge es wahrscheinlich ist, dass solche Beeinträchtigungen im Fall einer Freigabe der angeforderten Dokumente auftreten würden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Juni 2011, Toland/Parlament, T‑471/08, EU:T:2011:252, Rn. 78 und 79, und vom 20. September 2016, PAN Europe/Kommission, T‑51/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:519, Rn. 30 und 32). Insoweit kann entgegen den Ausführungen des Parlaments allein der Umstand, dass sich die Klägerin um einen Zugang zu den Aufforderungen zur Angebotsabgabe bemüht, für sich genommen kein Beweis für eine schwere und vorhersehbare Beeinträchtigung des zukünftigen Entscheidungsprozesses sein.
59 Nach alledem fällt der Inhalt der angeforderten Dokumente nicht offenkundig und in vollem Umfang unter die dem Schutz der öffentlichen Sicherheit, der Privatsphäre und des Entscheidungsprozesses dienenden Ausnahmen vom Zugangsrecht.
60 Das Parlament konnte sich daher nicht auf die Anwendung der in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a erster Gedankenstrich und Buchst. b und Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 geregelten Ausnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, der Privatsphäre und des Entscheidungsprozesses berufen, um den Zugang zu den angeforderten Dokumenten zu verweigern, ohne diese Dokumente insgesamt konkret und individuell zu prüfen.
– Zu der in Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geregelten Ausnahme zum Schutz geschäftlicher Interessen
61 In der angefochtenen Entscheidung macht das Parlament geltend, die angeforderten Dokumente enthielten zum einen wirtschaftliche und technische Informationen, die Einblick in sein Beschafferprofil auf dem Markt geben könnten, und zum anderen Informationen, die die besondere Sachkenntnis und die Leistungsfähigkeit der ausgewählten Zulieferer sowie deren Geschäftsstrategien und Allianzen mit Dritten betreffen könnten. So wie bei den in Fusions- und Beihilfenkontrollverfahren ausgetauschten Dokumenten gelte für die Informationen in den Aufforderungen zur Angebotsabgabe, die der öffentliche Auftraggeber in Durchführung eines Rahmenvertrags formuliert habe, eine allgemeine Vermutung der Beeinträchtigung geschäftlicher Interessen. Diese Vermutung ergebe sich aus der Haushaltsordnung und der Delegierten Verordnung, da diese einen Zugang zu den genannten Aufforderungen nicht vorsähen.
62 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der Gerichtshof zwar das Bestehen allgemeiner Vermutungen anerkannt hat, die in einer Reihe von Fällen für Kategorien von Dokumenten aufgrund ihrer Natur gelten, darunter für die Angebote von Bietern im Rahmen der Ausführung öffentlicher Aufträge (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Januar 2013, Cosepuri/EFSA, T‑339/10 und T‑532/10, EU:T:2013:38, Rn. 101, und vom 21. September 2016, Secolux/Kommission, T‑363/14, EU:T:2016:521, Rn. 59).
63 Bezüglich der Aufforderungen zur Angebotsabgabe kann jedoch eine allgemeine Vermutung der Beeinträchtigung geschäftlicher Interessen weder auf die oben in Rn. 62 angeführte Rechtsprechung über den Zugang zu den Angeboten von Bietern gestützt werden noch allgemein auf eine Begründung analog zu der Begründung in den vom Parlament in der Klagebeantwortung herangezogenen Urteilen vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau (C‑139/07 P, EU:C:2010:376), betreffend das Beihilfenkontrollverfahren und vom 28. Juni 2012, Kommission/Éditions Odile Jacob (C‑404/10 P, EU:C:2012:393), betreffend eine Fusion.
64 Den Rechtssachen, in denen die Urteile vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau (C‑139/07 P, EU:C:2010:376), und vom 28. Juni 2012, Kommission/Éditions Odile Jacob (C‑404/10 P, EU:C:2012:393), ergangen sind, war das Merkmal gemein, dass eine von der Verordnung Nr. 1049/2001 verschiedene Regelung mit besonderen Bestimmungen bestand, die den Zugang zu den Akten bzw. zu den angeforderten Dokumenten sowohl hinsichtlich der Personen als auch hinsichtlich der Information selbst genau begrenzten.
65 Anders als bei der Bekanntmachung des Auftrags und der Bekanntmachung der Auftragsvergabe unterliegt jedoch eine Aufforderung zur Angebotsabgabe, die der öffentliche Auftraggeber in Durchführung eines Rahmenvertrags formuliert, keiner besonderen Bestimmung der Haushaltsordnung oder der Delegierten Verordnung in der jeweils auf den Rechtsstreit anwendbaren Fassung, die die Informationen, die der öffentliche Auftraggeber den Bietern oder den anderen Bewerbern übermitteln muss oder kann, genau festlegen oder eingrenzen würde. Insbesondere betrifft der vom Parlament angeführte Art. 123 Abs. 4 Unterabs. 6 der Delegierten Verordnung nur die Veröffentlichung von Angaben zum Wert und zu den Auftragnehmern von Einzelaufträgen nach deren Vergabe. Diese Bestimmung betrifft somit als solche nicht die vom öffentlichen Auftraggeber in Durchführung eines Rahmenvertrags formulierten Aufforderungen zur Angebotsabgabe.
66 Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass die Haushaltsordnung und die Delegierte Verordnung genaue Bestimmungen zur Übermittlung der Informationen enthalten, die in den vom öffentlichen Auftraggeber in Durchführung eines Rahmenvertrags formulierten Aufforderungen zur Angebotsabgabe aufgeführt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juni 2015, McCullough/Cedefop, T‑496/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:374, Rn. 92).
67 Ferner haben nach der Rechtsprechung die Verordnung Nr. 1049/2001 und die Haushaltsordnung unterschiedliche Ziele und enthalten keine Bestimmung, die ausdrücklich den Vorrang der einen vor der anderen vorsieht, so dass eine Anwendung jeder dieser Verordnungen sicherzustellen ist, die mit der Anwendung der jeweils anderen vereinbar ist und somit eine kohärente Anwendung ermöglicht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Januar 2013, Cosepuri/EFSA, T‑339/10 und T‑532/10, EU:T:2013:38, Rn. 85, und vom 21. September 2016, Secolux/Kommission, T‑363/14, EU:T:2016:521, Rn. 43). Der in Art. 102 der Haushaltsordnung genannte Grundsatz der Transparenz ist folglich mit dem Schutz des öffentlichen Interesses, der legitimen Geschäftsinteressen von Unternehmen und des lauteren Wettbewerbs in Einklang zu bringen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Januar 2013, Cosepuri/EFSA, T‑339/10 und T‑532/10, EU:T:2013:38, Rn. 49).
68 In diesem Zusammenhang ist entschieden worden, dass die öffentlichen Auftraggeber, um das Ziel der unionsrechtlichen Bestimmungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge zu erreichen, keine die Vergabeverfahren betreffenden Informationen preisgeben dürfen, deren Inhalt dazu verwendet werden könnte, den Wettbewerb in einem laufenden oder in späteren Vergabeverfahren zu verfälschen (Urteil vom 29. Januar 2013, Cosepuri/EFSA, T‑339/10 und T‑532/10, EU:T:2013:38, Rn. 100).
69 Insoweit hat die Rechtsprechung festgestellt, dass wirtschaftliche und technische Angaben, die in den Angeboten der Bieter enthalten sind, die Weigerung des betreffenden Organs rechtfertigen können, Zugang zum Angebot des ausgewählten Bieters zu gewähren. Dies gilt insbesondere, wenn diese Angebote die spezifischen Fachkenntnisse der Bieter betreffen (Urteil vom 29. Januar 2013, Cosepuri/EFSA, T‑339/10 und T‑532/10, EU:T:2013:38, Rn. 99).
70 Angesichts von Natur und Zweck einer Aufforderung zur Angebotsabgabe, die ein öffentlicher Auftraggeber in Durchführung eines Rahmenvertrags erstellt, kann nicht vermutet werden, dass dieses Dokument wirtschaftliche und technische Angaben über den Auftragnehmer enthält oder dessen spezifische Fachkenntnisse darlegt. Eine Aufforderung zur Angebotsabgabe, die vom öffentlichen Auftraggeber und nicht von seinen Auftragnehmern ausgeht, enthält vielmehr im Allgemeinen eine Beschreibung der Aufgaben, die der öffentliche Auftraggeber aufgrund des mit dem Auftragnehmer geschlossenen Rahmenvertrags ausführen lassen möchte. Der Auftragnehmer macht grundsätzlich erst auf diese Aufforderung zur Angebotsabgabe hin nähere Angaben zu den Leistungen, die er meint, dem öffentlichen Auftraggeber erbringen zu können, zum Profil der Fachleute, die er zur Verfügung stellen könnte, und zu den Kosten seiner Leistungen.
71 Das Parlament kann außerdem nicht geltend machen, dass die Offenlegung der Aufforderungen zur Angebotsabgabe seine eigenen Interessen beeinträchtigen könnte, weil dadurch sein „Beschafferprofil“ auf dem Markt preisgegeben würde. Selbst wenn nämlich die Offenlegung des Verhältnisses zwischen den auszuführenden Arbeiten und der für die erfolgreiche Ausführung erforderlichen Zahl von Arbeitstagen es den Bietern im Rahmen zukünftiger öffentlicher Aufträge ermöglichen könnte, die Bewertungstechnik des Parlaments zu durchschauen, ist der Umstand, dass diese Bieter den in der Vergangenheit für eine gleichwertige Leistung angewandten Preis kennen können, eher geeignet, eine Situation wirksamen Wettbewerbs herbeizuführen als eine Situation, in der der Wettbewerb verfälscht wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Dezember 2012, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑167/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:651, Rn. 83).
72 Angesichts der Natur einer vom öffentlichen Auftraggeber in Durchführung eines Rahmenvertrags erstellten Aufforderung zur Angebotsabgabe und des von der Haushaltsordnung und der Delegierten Verordnung verfolgten Zwecks konnte sich das Parlament daher nicht auf eine allgemeine Vermutung der Beeinträchtigung der von Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützten Interessen berufen, um von einer konkreten und individuellen Prüfung der angeforderten Dokumente abzusehen.
73 Zudem ergibt sich weder aus der angefochtenen Entscheidung noch aus den Akten der vorliegenden Rechtssache, dass der Inhalt der angeforderten Dokumente offenkundig und in vollem Umfang unter die oben in Rn. 72 angeführte Ausnahme fällt.
74 Eine Aufforderung zur Angebotsabgabe enthält grundsätzlich eine Beschreibung der Aufgaben, die der öffentliche Auftraggeber aufgrund des mit dem Auftragnehmer geschlossenen Rahmenvertrags ausführen lassen möchte, jedoch auch allgemeinere Informationen insbesondere über das praktische Projektmanagement und die Projektüberwachung, die verantwortlichen Personen und die Form der regelmäßig vorzulegenden Berichte. Es steht daher nicht fest, dass die Offenlegung von in den angeforderten Dokumenten enthaltenen Informationen die geschäftlichen Interessen des Parlaments oder von Dritten beeinträchtigen würde.
75 Infolgedessen konnte sich das Parlament nicht auf die in Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geregelte Ausnahme vom Zugangsrecht zum Schutz der geschäftlichen Interessen berufen, um eine konkrete und individuelle Prüfung der angeforderten Dokumente und deren Offenlegung zu verweigern.
76 Nach alledem hat das Parlament nicht dargetan, dass die Aufforderungen zur Angebotsabgabe aufgrund ihrer Natur unter eine allgemeine Vermutung fallen, wonach ihre Offenlegung eine oder mehrere Ausnahmen vom Zugangsrecht nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 beeinträchtigen würde, oder dass aufgrund des Inhalts der Aufforderungen zur Angebotsabgabe der Inhalt der genannten Dokumente offenkundig und in vollem Umfang unter eine Ausnahme vom Zugangsrecht fallen würde.
77 Das Parlament war daher grundsätzlich verpflichtet, sämtliche angeforderten Dokumente konkret und individuell zu untersuchen, um die Möglichkeit zu prüfen, gegebenenfalls einen zumindest teilweisen Zugang zu den genannten Dokumenten zu gewähren. Es bleibt jedoch zu untersuchen, ob eine Ausnahme von der genannten Verpflichtung deshalb zugelassen werden kann, weil diese Prüfung einen unvertretbaren Arbeitsaufwand für die Dienststellen des Parlaments bedeutet hätte.
Zum Vorliegen eines unvertretbaren Arbeitsaufwands
78 Nach der Rechtsprechung ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Organe in besonderen Fällen, in denen der Umfang der Dokumente, zu denen Zugang beantragt wird, oder der Umfang der zu schwärzenden Stellen einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verursachen würde, das Interesse des Antragstellers gegen die mit der Bearbeitung des Zugangsantrags verbundene Arbeitsbelastung abwägen können, um das Interesse an einer ordnungsgemäßen Verwaltung zu schützen (Urteile vom 6. Dezember 2001, Rat/Hautala, C‑353/99 P, EU:C:2001:661, Rn. 30, und vom 2. Oktober 2014, Strack/Kommission, C‑127/13 P, EU:C:2014:2250, Rn. 27).
79 Eine Abweichung von dieser Prüfungspflicht kommt jedoch nur ausnahmsweise und nur dann in Betracht, wenn die Verwaltung durch die konkrete und individuelle Prüfung der Dokumente in besonderem Maß belastet würde, so dass damit die Grenzen dessen überschritten würden, was vernünftigerweise verlangt werden kann (Urteil vom 13. April 2005, Verein für Konsumenteninformation/Kommission, T‑2/03, EU:T:2005:125, Rn. 112).
80 Da das Recht auf Zugang zu den im Besitz der Organe befindlichen Dokumenten einen Grundsatz darstellt, trägt zudem das Organ, das sich auf eine Ausnahme wegen Unverhältnismäßigkeit der durch den Antrag bedingten Arbeit beruft, die Beweislast für den Arbeitsumfang (Urteile vom 13. April 2005, Verein für Konsumenteninformation/Kommission, T‑2/03, EU:T:2005:125, Rn. 113, und vom 10. September 2008, Williams/Kommission, T‑42/05, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:325, Rn. 86).
81 Schließlich muss das Organ, wenn es bewiesen hat, dass der durch die konkrete und individuelle Prüfung der im Antrag bezeichneten Dokumente bedingte Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig ist, versuchen, sich mit dem Antragsteller zu beraten, um zum einen zu erfahren oder sich näher erläutern zu lassen, welches Interesse er am Zugang zu den betreffenden Dokumenten hat, und zum anderen konkret zu überlegen, welche Möglichkeiten es hat, eine weniger belastende Maßnahme als die konkrete und individuelle Prüfung der Dokumente zu treffen. Da das Recht auf Zugang zu den Dokumenten den Grundsatz darstellt, ist das Organ in diesem Zusammenhang gleichwohl verpflichtet, der Lösung den Vorzug zu geben, die, ohne einen Aufwand zu verursachen, der die Grenzen dessen überschreiten würde, was vernünftigerweise verlangt werden kann, so günstig wie möglich für das Zugangsrecht des Antragstellers ist (Urteil vom 13. April 2005, Verein für Konsumenteninformation/Kommission, T‑2/03, EU:T:2005:125, Rn. 114).
82 Das Organ kann daher von einer konkreten und individuellen Prüfung nur absehen, wenn es tatsächlich alle anderen denkbaren Lösungen untersucht und in seiner Entscheidung eingehend erläutert hat, aus welchen Gründen diese verschiedenen Lösungen gleichfalls zu einem unverhältnismäßigen Arbeitsaufwand führen würden (Urteil vom 13. April 2005, Verein für Konsumenteninformation/Kommission, T‑2/03, EU:T:2005:125, Rn. 115).
83 Im Licht der oben in den Rn. 78 bis 82 angeführten Rechtsprechung ist zu prüfen, ob im vorliegenden Fall drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich erstens, ob der Arbeitsaufwand, den die konkrete und individuelle Prüfung der angeforderten Dokumente erfordert, unvertretbar ist, zweitens, ob das Parlament versucht hat, sich mit der Klägerin zu beraten, und drittens, ob es konkrete Alternativen für die konkrete und individuelle Prüfung der Dokumente in Betracht gezogen hat.
84 In Bezug auf die erste Voraussetzung ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung, vor allem aber aus der Klagebeantwortung und der Gegenerwiderung sowie den Ausführungen des Parlaments in der mündlichen Verhandlung, dass es für die Prüfung aller Aufforderungen zur Angebotsabgabe notwendig wäre, unter mehr als 10 000 Dokumenten in mehr als 1 000 Dateien von Hand ungefähr 1 500 Dokumente auszusortieren. Diese 1 500 Dokumente, die jeweils aus durchschnittlich 12 Seiten bestehen, umfassen insgesamt mindestens 18 000 Seiten und betreffen nur die Aufforderungen zur Angebotsabgabe, die von der Generaldirektion Innovation und technologische Unterstützung des Parlaments verwaltet werden. In der mündlichen Verhandlung hat das Parlament zudem ausgeführt, dass diese Zahl nur ungefähr 75 % der angeforderten Dokumente darstelle und dass sich die verbleibenden 25 % in den Akten anderer Generaldirektionen des Parlaments befänden. Es ist überdies darauf hingewiesen worden, dass die nach Abschluss der Ausschreibung ITS 08 geschlossenen Rahmenverträge 16 verschiedene Lose mit einem Gesamtwert von 300 Mio. Euro betroffen hätten und von neun Generaldirektionen durchgeführt worden seien.
85 Die oben in Rn. 84 genannten Zahlen sind von der Klägerin nicht ernsthaft bestritten worden. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass die angeforderten Dokumente sehr zahlreich sind.
86 Zwar ist richtig, dass, wie das Königreich Schweden geltend macht, der bloße Verweis auf eine Anzahl von Seiten für sich genommen nicht ausreicht, um den für eine konkrete und individuelle Prüfung erforderlichen Arbeitsaufwand zu bemessen. Der für die Prüfung eines Antrags auf Zugang erforderliche Arbeitsaufwand hängt nämlich auch von der Natur dieser Dokumente ab und damit von der Gründlichkeit, mit der die Prüfung zu erfolgen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. April 2005, Verein für Konsumenteninformation/Kommission, T‑2/03, EU:T:2005:125, Rn. 111).
87 Aus den Akten, insbesondere aus den vom Parlament beispielhaft vorgelegten Aufforderungen zur Angebotsabgabe ergibt sich jedoch, dass diese Aufforderungen mindestens einen Anhang enthalten, in dem die Verdingungsunterlagen für das betreffende Projekt spezifiziert werden. Dieser Anhang enthält mehrere Kapitel mit jeweils unterschiedlichem Gegenstand. Auch wenn die jeweilige Struktur der Verdingungsunterlagen gewisse Ähnlichkeiten aufweist und sich bestimmte allgemeine Spezifikationen wiederholen, hat doch jedes der von der Ausschreibung ITS 08 betroffenen 16 Lose einen anderen Gegenstand. Die Beschreibung des Gegenstands und der Phasen des betreffenden Projekts sowie die anwendbaren technischen Bedingungen beziehen sich somit auf die einzelne vom öffentlichen Auftraggeber in Vollzug eines Rahmenvertrags erstellte Aufforderung zur Angebotsabgabe und erfordern eine eigene Prüfung.
88 Das Parlament führt überdies aus, dass nach Schätzung der Generaldirektion Innovation und technologische Unterstützung eine Vollzeitkraft 22 Arbeitstage benötigen würde, um die allein auf diese Generaldirektion entfallenden Aufforderungen zur Angebotsabgabe auszusortieren, während für das Aussortieren und die Prüfung der Dokumente weitere 264 Arbeitstage einer Person, die sich ausschließlich dieser Aufgabe widmen müsste, erforderlich wären. Diese Arbeit müsste in Abstimmung mit der Generaldirektion Innovation und technologische Unterstützung auch in den betreffenden acht anderen Generaldirektionen geleistet werden, was zusätzliche Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen den verschiedenen Generaldirektionen erfordern würde.
89 Der Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, wonach es ausreichend gewesen wäre, eine einfache Software zu entwickeln, die bestimmte Daten in den Aufforderungen zur Angebotsabgabe hätte erkennen und unlesbar machen können, reicht nicht aus, um die oben in Rn. 88 wiedergegebenen Ausführungen des Parlaments in Frage zu stellen. Abgesehen davon, dass dieser Vortrag unsubstantiiert ist, berücksichtigt er nicht die Vielfalt der Informationen in den Aufforderungen zur Angebotsabgabe und den Umstand, dass jedes der angeforderten Dokumente einen eigenen Inhalt hat, dessen Offenlegung im Hinblick auf die verschiedenen Ausnahmen vom Zugangsrecht geprüft werden muss.
90 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen und da die Klägerin nichts vorgelegt hat, womit die Fehlerhaftigkeit der vom Parlament vorgetragenen Zahlen und Angaben dargetan werden könnte, ist festzustellen, dass die individuelle Prüfung aller angeforderten Dokumente einen das Parlament besonders belastenden Arbeitsaufwand darstellen würde.
91 Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles kann dieser Verwaltungsaufwand als unvertretbar angesehen werden, da er bedeuten würde, dass für die Prüfung der angeforderten Dokumente innerhalb der strengen Fristen nach Art. 7 Abs. 1 und 3 sowie Art. 8 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 und vor allem innerhalb der von der Klägerin gesetzten Frist bis zum 31. Januar 2015, also innerhalb von 32 Arbeitstagen, mehrere Vollzeitkräfte für die Prüfung der angeforderten Dokumenten in mehreren Generaldirektionen eingesetzt werden müssten, und dies allein im Interesse der Klägerin. Diese Arbeitskräfte, die vom Parlament zur Erfüllung von Aufgaben eingestellt worden sind, die im öffentlichen Interesse liegen, und deren Vergütung aus öffentlichen Mitteln erfolgt, wären daher nicht mehr in der Lage, die Aufgaben zu erfüllen, die ihnen in erster Linie übertragen worden sind, um diesem öffentlichen Interesse zu dienen, wodurch das ordnungsgemäße Funktionieren der betreffenden Dienststellen ernsthaft beeinträchtigt werden könnte.
92 Das Parlament durfte daher das Interesse am Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten gegen den sich hieraus ergebenden Arbeitsaufwand abwägen, um die Interessen einer ordnungsgemäßen Verwaltung zu schützen (vgl. entsprechend Urteil vom 6. Dezember 2001, Rat/Hautala, C‑353/99 P, EU:C:2001:661, Rn. 30).
93 Bezüglich der zweiten Voraussetzung, d. h. der Verpflichtung des Parlaments, sich um eine Beratung mit der Klägerin zu bemühen, ergibt sich aus der E‑Mail vom 3. Dezember 2014, dass das Parlament auf die große Zahl der angeforderten Dokumente hinwies und die Klägerin aufforderte, ihre Interessen an der Offenlegung der genannten Dokumente näher zu erläutern. Das Parlament schlug ihr auch vor, nach einer angemessenen Lösung im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 zu suchen und hierzu einen Zeitplan für die Prüfung der angeforderten Dokumenten entsprechend den von der Klägerin zu nennenden Prioritäten festzulegen.
94 Die Klägerin hatte somit die Möglichkeit, mit dem Parlament eine Lösung zu suchen, die ihr den Zugang zu den angeforderten Dokumenten hätte erlauben können, ohne dass dies mit einem unvertretbaren Arbeitsaufwand verbunden gewesen wäre und möglicherweise zu einer Lähmung der betreffenden Dienststellen des Parlaments geführt hätte. Wie unten in Rn. 95 ausgeführt wird, nahm die Klägerin diese Möglichkeit jedoch nicht wahr.
95 Bezüglich der dritten Voraussetzung, nämlich der Verpflichtung, weniger einschneidende Alternativen in Betracht zu ziehen, ist festzustellen, dass die Klägerin mit E‑Mail vom 5. Dezember 2014 den oben in Rn. 93 genannten Vorschlag des Parlaments sofort zurückwies und keine Angaben dazu machte, welche Lose für sie von vorrangigem Interesse sein könnten. Sie wies vielmehr darauf hin, dass ihres Wissens alle angeforderten Dokumente in den Registern des Parlaments elektronisch erfasst seien und dass deren Offenlegung keine übermäßigen Nachteile mit sich bringen dürfte, so dass die Frist bis zum 31. Januar 2015 nicht einmal erforderlich sei. Sie war zudem der Ansicht, dass, wenn das Parlament für jedes Los zwei Monate benötige, dies bedeuten würde, dass die Prüfung aller Dokumente drei Jahre erfordere, also zwei Monate für jedes der 16 Lose, was die Klägerin um ihre Rechte bringen und der Verordnung Nr. 1049/2001 auch ihre praktische Wirksamkeit nehmen würde. Die Klägerin wiederholte daher ihren Antrag auf Zugang zu allen Aufforderungen zur Angebotsabgabe in ihrer jeweiligen vollständigen Fassung unter Beibehaltung der Fristsetzung zum 31. Januar 2015.
96 Mit E‑Mail vom 17. Dezember 2014 erneuerte die Klägerin zudem ihren Antrag, bis spätestens Ende Januar 2015 die angeforderten Dokumente offenzulegen. Die Klägerin ist der Auffassung, dass dies angesichts des hohen Informatisierungsgrads des Parlaments durchaus möglich gewesen wäre. Bezüglich ihrer angeblichen Weigerung, sich um eine angemessene Lösung zu bemühen, weist sie ferner darauf hin, dass das Parlament vorgeschlagen habe, mit der Prüfung der Dokumente des Loses Nr. 7 zu beginnen, obwohl diese Dokumente bereits in ihrem Besitz gewesen seien. Der Vorschlag des Parlaments sei daher selbst nicht angemessen und vielmehr darauf angelegt gewesen, das Vorgehen der Klägerin zu verzögern. Die Klägerin macht schließlich geltend, dass das Parlament mit der Offenlegung aller Dokumente des Loses Nr. 6 hätte beginnen können.
97 Die Klägerin nahm auch ihren Antrag auf Zugang zu den Dokumenten des Loses Nr. 7 nicht zurück, obwohl sich diese Dokumente bereits in ihrem Besitz befanden. Wie das Parlament in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, war aber die Prüfung der Dokumente des Loses Nr. 7 ebenfalls erforderlich, da ihre Offenlegung dazu geführt hätte, sie der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
98 In der Klageschrift hat die Klägerin ferner ausgeführt, sie habe Zweifel an der ordnungsgemäßen Vergabe von Aufträgen an Wettbewerber, die den Zuschlag für andere Lose der Ausschreibung ITS 08 erhalten hätten, insbesondere für die Lose Nrn. 6 und 8. Sie hätte somit das Parlament durchaus bitten können, die Dokumente dieser beiden Lose vorrangig zu prüfen. Insoweit kann sich die Klägerin für den Zeitpunkt der Klageschrift nicht darauf berufen, dass ihr Zugangsantrag ausschließlich von Erwägungen des öffentlichen Interesses und der Wahrung des Grundsatzes der Transparenz bestimmt gewesen sei, da diese Erwägungen weder im Erstantrag noch im Zweitantrag zum Ausdruck kommen.
99 Wie das Parlament in der Klagebeantwortung ausgeführt hat, ergibt sich zudem aus jeder einzelnen Beschreibung der 16 Lose der Ausschreibung ITS 08, dass mehrere dieser Lose Dienstleistungen betreffen, die sich von denen des Loses Nr. 7 stark unterscheiden. Das Los Nr. 7 betrifft die Entwicklung von Dienstleistungen für IT‑Dienste, ihre Implementierung und ihre Wartung in Bereichen wie etwa die Dokumentenverwaltung oder das Content-Management für Websites. Mehrere Lose betreffen aber nicht die Entwicklung derartiger Dienstleistungen, sondern beziehen sich auf so unterschiedliche Dienstleistungen wie z. B. die Telekommunikation (Los Nr. 2), Hilfe für die Nutzer (Los Nr. 3) oder Planung, Beratung und Begutachtung im Telekommunikations- und Sicherheitsbereich (Los Nr. 12). Aus der Beschreibung dieser Lose ergibt sich somit eindeutig, dass die Klägerin nicht für alle diese Lose ein gleichwertiges Interesse geltend machen konnte, das die Notwendigkeit begründet hätte, alle angeforderten Dokumente bis zum 31. Januar 2015 zu erhalten.
100 In dem ganz besonderen Zusammenhang des vorliegenden Falles, in dem die Klägerin eine Haltung eingenommen hat, die jede Zusammenarbeit vermissen ließ und in dem sie den Vorschlag des Parlaments ohne Weiteres zweimal zurückwies, obwohl sie die Dokumente, die nach ihrer Auffassung von vorrangiger Bedeutung waren, durchaus hätte bezeichnen können, war es dem Parlament daher unmöglich, innerhalb der knappen Frist der Verordnung Nr. 1049/2001 weitere konkrete Vorschläge zu formulieren, die die Gewährung eines zumindest teilweisen Zugangs zu den angeforderten Dokumenten ermöglicht hätten, um das Interesse an einer ordnungsgemäßen Verwaltung mit dem Interesse an einem Zugang der Öffentlichkeit zu den angeforderten Dokumenten in Einklang zu bringen.
101 Diese Schlussfolgerung wird durch das Vorbringen der Klägerin, das Parlament habe in der E‑Mail vom 3. Dezember 2014 zu verstehen gegeben, dass die Prüfung aller angeforderter Dokumente mehr als drei Jahre in Anspruch nehmen würde, keineswegs in Frage gestellt. Zum einen nämlich wird ein solches Verständnis vom Wortlaut dieser E‑Mail nicht bestätigt, und zum anderen hätten die Abschnitte und Fristen einer Prüfung der angeforderten Dokumente mit dem Parlament genau vereinbart werden können, wenn die Klägerin sich die Mühe gemacht hätte, ihre Prioritäten zu bestimmen und einen Zeitplan festzulegen, wie das Parlament ihr vorgeschlagen hatte.
102 Nach alledem durfte sich das Parlament unter den ganz besonderen Umständen des vorliegenden Falles in Anbetracht des erforderlichen Arbeitsaufwands, des von ihm gemachten Vorschlags und des Verhaltens der Klägerin auf einen unvertretbaren Arbeitsaufwand berufen, um eine konkrete und individuelle Prüfung aller angeforderten Dokumente abzulehnen, ohne dabei mangels anderer denkbarer Optionen verpflichtet zu sein, in seiner Entscheidung ausführlich zu begründen, weshalb auch solche anderen Optionen einen unvertretbaren Arbeitsaufwand mit sich bringen würden. Das Parlament durfte demzufolge den Zugang zu den genannten Dokumenten insgesamt verweigern, ohne dass es erforderlich ist, das Parlament zur Vorlage einer Kopie der von ihm tatsächlich geprüften Dokumente aufzufordern.
103 Folglich ist der erste Klagegrund zurückzuweisen und damit die Klage abzuweisen, ohne dass die Begründetheit des zweiten Klagegrundes geprüft zu werden braucht, die für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung unerheblich wäre.
Kosten
104 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Außerdem tragen nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.
105 Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des Parlaments die Kosten aufzuerlegen. Das Königreich Schweden trägt als Streithelfer seine eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE trägt neben ihren eigenen Kosten die dem Europäischen Parlament entstandenen Kosten.
3. Das Königreich Schweden trägt seine eigenen Kosten.
Kanninen |
Calvo-Sotelo Ibáñez-Martín |
Reine |
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Dezember 2014.
Unterschriften
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