T-123/17 – Exaa Abwicklungsstelle für Energieprodukte/ ACER
URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)
20. September 2018()
„Energie – Entscheidung des Beschwerdeausschusses der ACER – Zurückweisung des Antrags auf Zulassung zur Streithilfe – Unmittelbares und gegenwärtiges Interesse am Ausgang des Verfahrens – Begründungspflicht – Recht auf Anhörung“
In der Rechtssache T‑123/17
EXAA Abwicklungsstelle für Energieprodukte AG mit Sitz in Wien (Österreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt B. Rajal,
Klägerin,
gegen
Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER), vertreten durch P. Martinet und E. Tremmel als Bevollmächtigte,
Beklagte,
unterstützt durch
Republik Polen, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
Streithelferin,
betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung der Entscheidung des Beschwerdeausschusses der ACER vom 17. Februar 2017, mit der der Antrag der Klägerin auf Zulassung zur Streithilfe in der Sache A‑001‑2017 (consolidated) zurückgewiesen wurde,
erlässt
DAS GERICHT (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin V. Tomljenović (Berichterstatterin), der Richterin A. Marcoulli und des Richters A. Kornezov,
Kanzler: E. Coulon,
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1 Am 13. November 2015 veröffentlichte das Europäische Netz der Übertragungsnetzbetreiber (Strom) gemäß Art. 15 der Verordnung (EU) 2015/1222 der Kommission vom 24. Juli 2015 zur Festlegung einer Leitlinie für die Kapazitätsvergabe und das Engpassmanagement (ABl. 2015, L 197, S. 24) einen Vorschlag zur Bestimmung der Netzkapazitätsberechnungsregionen (capacity calculation regions,im Folgenden: CCR‑Vorschlag). Am 17. November 2015 legten die Übertragungsnetzbetreiber den nationalen Regulierungsbehörden nach Art. 9 Abs. 6 Buchst. b der Verordnung 2015/1222 einen Vorschlag zur Bestimmung der Kapazitätsberechnungsregionen zur Genehmigung vor.
2 Am 13. Mai 2016 forderte die österreichische nationale Regulierungsbehörde die Übertragungsnetzbetreiber zu einer Änderung des CCR‑Vorschlags auf.
3 Am 17. Mai 2016 wurde die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) vom Vorsitzenden des Forums der Energieregulierungsbehörden – der Plattform, auf der die nationalen Regulierungsbehörden einander konsultierten und zusammenarbeiteten, um eine Einigung über den CCR‑Vorschlag zu erzielen – darüber unterrichtet, dass es den nationalen Regulierungsbehörden nicht gelungen sei, einstimmig über diesen Vorschlag zu entscheiden, und dass daher die ACER gemäß Art. 9 Abs. 11 der Verordnung 2015/1222 und Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 713/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ABl. 2009, L 211, S. 1) innerhalb von sechs Monaten einen Beschluss über den CCR‑Vorschlag erlassen müsse.
4 Am 17. November 2016 erließ die ACER den Beschluss Nr. 06/2016 zur Festlegung der Kapazitätsberechnungsregionen (im Folgenden: Beschluss 6/2016). In Art. 1 und Anhang I des Beschlusses 6/2016 werden die Kapazitätsberechnungsregionen nach Art. 15 der Verordnung 2015/1222 festgelegt. Nach Art. 2 des Beschlusses 6/2016 erfolgt die Festlegung von Gebotszonengrenzen in Anhang I des Beschlusses unbeschadet jeglicher Entscheidung, die nach den Art. 32 bis 34 der Verordnung 2015/1222 getroffen wird.
5 Gegen den Beschluss 6/2016 wurden beim Beschwerdeausschuss der ACER mehrere Beschwerden eingelegt; u. a. legte die Austrian Power Grid AG (im Folgenden: APG) die unter dem Aktenzeichen A‑003‑2017 eingetragene Beschwerde ein.
6 Am 27. Januar 2017 beantragte die Klägerin, die Exaa Abwicklungsstelle für Energieprodukte AG, beim Beschwerdeausschuss der ACER, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge von APG in der Sache A‑003‑2017 zugelassen zu werden.
7 Am 31. Januar 2017 verband der Vorsitzende des Beschwerdeausschusses der ACER die Sache A‑003‑2017 und andere Beschwerdesachen betreffend den Beschluss 6/2016 zu einem konsolidierten Beschwerdeverfahren, das unter dem Aktenzeichen A‑001‑2017 (consolidated) eingetragen wurde.
8 Am selben Tag übermittelte der Beschwerdeausschuss der ACER den Streithilfeantrag der Klägerin u. a. an die ACER zur Stellungnahme.
9 Am 6. Februar 2017 nahm die ACER zum Streithilfeantrag Stellung (im Folgenden: Stellungnahme vom 6. Februar 2017). Diese Stellungnahme wurde nicht an die Klägerin weitergeleitet.
10 Mit Entscheidung vom 17. Februar 2017 wies der Beschwerdeausschuss der ACER den Antrag der Klägerin auf Zulassung zur Streithilfe in der Sache A‑001‑2017 (consolidated) zurück (im Folgenden: angefochtene Entscheidung). Der Beschwerdeausschuss der ACER führte im Wesentlichen aus, dass die Klägerin geltend gemacht habe, sie betreibe in Österreich eine Strombörse und könne aufgrund des Beschlusses 6/2016 ihre deutsch-österreichische 10:15‑Uhr‑Auktion nicht mehr durchführen. Künftig sei sie gezwungen, getrennte Auktionen durchzuführen. Hierzu stellte der Beschwerdeausschuss der ACER fest, dass die Klägerin nicht dargelegt habe, weshalb erstens die Erhöhung der Strompreise „ausschließlich auf den [Beschluss 6/2016] zurückzuführen“ sei und zweitens eine Nichtigerklärung des Beschlusses 6/2016 eine sofortige und unmittelbare Änderung der Stellung der Klägerin zur Folge hätte. Die Klägerin sei nicht Adressatin des Beschlusses 6/2016 und rechtlich nicht zu dessen Durchführung verpflichtet. Es sei auch nicht nachgewiesen worden, dass die Klägerin „anderweitig“ ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse am Ausgang des Beschwerdeverfahrens habe.
Verfahren und Anträge der Parteien
11 Mit Klageschrift, die am 28. Februar 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.
12 Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach den Art. 156 ff. der Verfahrensordnung des Gerichts gestellt, mit dem sie das Gericht ersucht, der ACER die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens in der Sache A‑001‑2017 (consolidated) oder gegebenenfalls ausschließlich in der Sache A‑003‑2017 aufzugeben und jede andere oder zusätzliche Anordnung zu treffen, die erforderlich oder angemessen erscheint. Mit Beschluss vom 10. April 2017, EXAA Abwicklungsstelle für Energieprodukte/ACER (T‑123/17 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:277), hat der Vizepräsident des Gerichts den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen und die Entscheidung über die Kosten dem Endurteil vorbehalten.
13 Mit am 14. Juni 2017 bei der Kanzlei eingegangenem Schriftsatz hat die Republik Polen beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der ACER zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 13. Juli 2017 hat die Präsidentin der Siebten Kammer des Gerichts gemäß Art. 144 Abs. 4 der Verfahrensordnung des Gerichts die Streithilfe der Republik Polen zugelassen.
14 Am 8. Juni 2017 hat das Gericht gemäß Art. 83 Abs. 1 der Verfahrensordnung entschieden, dass ein zweiter Schriftsatzwechsel nicht erforderlich ist. Die Klägerin hat keinen Antrag auf Ergänzung der Akten der Rechtssache im Sinne von Art. 83 Abs. 2 der Verfahrensordnung gestellt.
15 Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung hat das Gericht die ACER zur Vorlage bestimmter Unterlagen aufgefordert. Die ACER hat auf diese prozessleitende Maßnahme fristgerecht geantwortet. Die Klägerin wurde gebeten, zu dieser Antwort schriftlich Stellung zu nehmen, und hat dies fristgerecht getan.
16 Mit Schreiben der Kanzlei des Gerichts vom 8. Mai 2018 wurden die Parteien darüber informiert, dass das Gericht beschlossen hat, gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung ohne mündliches Verfahren zu entscheiden.
17 Die Klägerin beantragt,
– die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;
– der ACER die Kosten aufzuerlegen.
18 Die ACER beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
19 Die Republik Polen beantragt, die Klage abzuweisen.
Rechtliche Würdigung
20 Die Klägerin stützt ihre Klage auf drei Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund macht sie geltend, sie habe ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Verfahrens vor dem Beschwerdeausschuss der ACER. Als zweiten Klagegrund führt sie einen Begründungsmangel der angefochtenen Entscheidung an. Mit dem dritten Klagegrund rügt sie eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Erster Klagegrund: Vorliegen eines berechtigten Interesses am Ausgang des Verfahrens vor dem Beschwerdeausschuss der ACER
21 Erstens trägt die Klägerin vor, der Fortbestand einer einheitlichen Preiszone zwischen Deutschland und Österreich hänge vom Ausgang des beim Beschwerdeausschuss der ACER anhängigen Verfahrens in der Sache A‑001‑2017 (consolidated) ab. Insbesondere hätten die Einführung eines Kapazitätsvergabeverfahrens an der deutsch-österreichischen Grenze und die damit verbundene Abschaffung der einheitlichen Preiszone unmittelbare Folgen für ihre Tätigkeit als österreichische Strombörse. Ihr berechtigtes Interesse könne nicht unter Berufung auf die wirtschaftlichen und finanziellen Interessen, auf die der Beschwerdeausschuss der ACER in der angefochtenen Entscheidung eingegangen sei, verneint werden. Sie habe ihren Streithilfeantrag auf die unmittelbare Beschränkung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit durch den Beschluss 6/2016 gestützt.Zweitens ist die Klägerin der Auffassung, dass sie gemäß Art. 41 Abs. 2 der Charta der Grundrechte das Recht habe, an Verfahren teilzunehmen, die ihre Interessensphäre berühren, und im Rahmen eines solchen Verfahrens angehört zu werden. Somit stelle die Zurückweisung ihres Streithilfeantrags eine Verletzung von Art. 41 der Charta dar.
22 Die ACER, unterstützt durch die Republik Polen, tritt diesem Vorbringen entgegen. Sie macht u. a. geltend, dass die Klägerin das Vorliegen eines berechtigten Interesses oder die zugrunde liegenden Tatsachen nicht hinreichend nachgewiesen habe. Die Klägerin habe keine Beweise für die von ihr behaupteten Auswirkungen des Beschlusses 6/2016 und einer Kapazitätsvergabe an der deutsch-österreichischen Grenze auf ihre Geschäftstätigkeit und ihre deutsch-österreichische 10:15‑Uhr‑Auktion vorgelegt.
23 Nach Art. 19 Abs. 6 der Verordnung Nr. 713/2009 gibt sich der Beschwerdeausschuss der ACER eine Geschäftsordnung. Auf dieser Grundlage hat der Beschwerdeausschuss der ACER den Beschluss BoA Nr. 1/2011 über die Organisation und die Verfahren des Beschwerdeausschusses der ACER (im Folgenden: Beschluss 1/2011) erlassen. Art. 11 des Beschlusses 1/2011 bestimmt die Bedingungen, unter denen eine natürliche oder juristische Person im Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss der ACER die Zulassung zur Streithilfe beantragen kann.
24 Nach Art. 11 Abs. 1 des Beschlusses 1/2011 in der am 19. Mai 2016 in Kraft getretenen, hier einschlägigen Fassung kann jeder, der ein berechtigtes Interesse am Ausgang eines Verfahrens vor dem Beschwerdeausschuss der ACER glaubhaft macht, diesem Verfahren als Streithelfer beitreten. Art. 11 Abs. 7 des Beschlusses sieht vor, dass der Beschwerdeausschuss der ACER über den Antrag auf Zulassung zur Streithilfe entscheidet.
25 Hierzu macht die Klägerin in ihrer Stellungnahme zu den von der ACER in Beantwortung der prozessleitenden Maßnahmen vorgelegten Dokumenten geltend, dass Art. 11 Abs. 1 des Beschlusses 1/2011 in seiner bis zum 26. November 2017 anwendbaren Fassung kein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse verlangt habe, sondern lediglich ein „berechtigtes Interesse“.
26 Der Begriff „berechtigtes Interesse am Ausgang des Verfahrens“ im Sinne der genannten Bestimmung ist nach dem Verfahrensgegenstand zu bestimmen und als unmittelbares und gegenwärtiges Interesse daran zu verstehen, wie die beim Beschwerdeausschuss der ACER gestellten Anträge selbst beschieden werden, und nicht als Interesse an den vorgebrachten Argumenten. Denn unter dem „Ausgang des Verfahrens“ ist die beantragte Endentscheidung zu verstehen, wie sie sich im verfügenden Teil der vom Beschwerdeausschuss der ACER zu erlassenden Entscheidung niederschlagen würde. Insbesondere ist zu prüfen, ob der Streithelfer von der angefochtenen Handlung unmittelbar betroffen ist und ob sein Interesse am Ausgang des Verfahrens erwiesen ist. Grundsätzlich kann ein Interesse am Ausgang des Verfahrens nur dann als hinreichend unmittelbar angenommen werden, wenn dieser Ausgang eine Änderung der Rechtsstellung des Antragstellers bewirken könnte (vgl. entsprechend Beschluss vom 14. November 2016, E‑Control/ACER, T‑63/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:664, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).
27 Zudem ist bei der Streithilfe zu unterscheiden zwischen Antragstellern, die ein unmittelbares Interesse an der Entscheidung über die spezifische Handlung, deren Nichtigerklärung beantragt wird, glaubhaft machen, und solchen Antragstellern, die nur wegen Ähnlichkeiten zwischen ihrer Situation und der Situation einer der Parteien ein mittelbares Interesse am Ausgang des Rechtsstreits glaubhaft machen (vgl. entsprechend Beschluss vom 14. November 2016, E‑Control/ACER, T‑63/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:664, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).
28 Im Übrigen hat derjenige, der die Zulassung als Streithelfer beantragt, zu beweisen, dass er die oben in Rn. 26 genannten Bedingungen erfüllt (vgl. entsprechend Beschluss vom 14. November 2016, E‑Control/ACER, T‑63/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:664, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).
29 Der Beschwerdeausschuss der ACER hat die angefochtene Entscheidung auf die Feststellung gestützt, dass es der Klägerin obliege, zu beweisen, dass sie ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse am Ausgang der beim Beschwerdeausschuss der ACER anhängigen Sache A‑001‑2017 (consolidated) habe, und dass sie nicht nachgewiesen habe, dass die Nichtigerklärung des Beschlusses 6/2016 eine unmittelbare Änderung ihrer „Stellung“ zur Folge hätte. Der Beschwerdeausschuss ging daher davon aus, dass die Klägerin nicht den Beweis erbracht habe, dass sie ein berechtigtes Interesse am Ausgang der Sache A‑001‑2017 (consolidated) habe, soweit diese die Anträge von APG betreffe.
30 Festzustellen ist, dass die Klägerin im Rahmen ihres Antrags auf Zulassung zur Streithilfe vor dem Beschwerdeausschuss der ACER als Anlagen lediglich die Vollmacht ihrer Vertreter und einen Auszug aus dem österreichischen Firmenbuch vorgelegt hat. Der Firmenbuchauszug wurde allein zum Nachweis der Rechtspersönlichkeit der Klägerin vorgelegt und befindet sich nicht in den Akten des Gerichts. Nichts in den Akten weist darauf hin, dass diese Dokumente Angaben enthalten hätten, die ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse der Klägerin am Ausgang der beim Beschwerdeausschuss der ACER anhängigen Sache A‑001‑2017 (consolidated) belegen könnten.
31 Außerdem ist festzustellen, dass die Klägerin dem Gericht einen Auszug aus dem österreichischen Firmenbuch vorgelegt hat, der ihre Situation zwischen dem 28. Juni 2016 und dem 27. Februar 2017 betrifft. Die einzige für den vorliegenden Fall möglicherweise relevante Angabe in diesem Dokument ist der Hinweis auf die Firma mit dem Zusatz „Abwicklungsstelle für Energieprodukte“, der darauf schließen lässt, dass die wirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin u. a. die Regulierung und Abwicklung von Energieprodukten betrifft. Diese Angabe belegt jedoch nicht, dass die Klägerin auf dem deutschen und dem österreichischen Markt tätig gewesen ist oder dass ihre Tätigkeit innerhalb der deutsch-österreichischen Gebotszone grenzüberschreitend war. Folglich enthält auch dieser Auszug keine Angaben, die ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse der Klägerin am Ausgang der beim Beschwerdeausschuss der ACER anhängigen Sache A‑001‑2017 (consolidated) belegen könnten.
32 Somit wird durch keines der in den Akten des Gerichts enthaltenen Beweismittel belegt, dass die Klägerin ein berechtigtes Interesse am Ausgang der beim Beschwerdeausschuss der ACER anhängigen Sache A‑001‑2017 (consolidated) glaubhaft gemacht hätte.
33 Folglich hat die Klägerin in ihrem beim Beschwerdeausschuss der ACER eingereichten Streithilfeantrag geltend gemacht, dass sie ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Verfahrens habe, ohne ihr Vorbringen jedoch auf Beweise zu stützen. Was das Vorbringen in der Klageschrift angeht, hat die Klägerin u. a. keine Beweise dafür vorgelegt, dass sie eine Strombörse betreibe, deren Geschäftsmodell auf einem einheitlichen Strommarkt zwischen Österreich und Deutschland aufbaue, dass sie „integrierte“ Auktionen veranstalte oder dass ihre Börsenprodukte auf einen gemeinsamen Strommarkt ausgerichtet seien.
34 Zu der von der Klägerin geltend gemachten Verletzung ihrer Rechte auf Beteiligung an ihre Interessensphäre berührenden Verfahren und auf rechtliches Gehör genügt die Feststellung, dass diese Rechte nicht absolut sind und somit nichts daran ändern, dass die Klägerin auch im vorliegenden Verfahren das Bestehen eines unmittelbaren und gegenwärtigen Interesses am Ausgang des beim Beschwerdeausschuss der ACER anhängigen Verfahrens beweisen muss, bevor sie das Recht erhält, sich daran als Streithelferin zu beteiligen.
35 Folglich ist die Feststellung des Beschwerdeausschusses der ACER in der angefochtenen Entscheidung zutreffend, dass die Klägerin nicht entsprechend den Anforderungen der oben in Rn. 28 angeführten Rechtsprechung nachgewiesen hat, dass sie insoweit ein Interesse am Ausgang der Sache A‑001‑2017 (consolidated) hat, als diese die Anträge von APG betrifft.
36 Allein aufgrund dieser Feststellung ist der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen, ohne dass es einer Prüfung der anderen von der Klägerin im Rahmen dieses Klagegrundes vorgebrachten Argumente bedarf.
Zweiter Klagegrund: Begründungsmangel
37 Im Rahmen des zweiten Klagegrundes trägt die Klägerin vor, die Begründung der angefochtenen Entscheidung sei „derart fehlerhaft“, dass sie einer fehlenden Begründung gleichzusetzen sei.
38 Die ACER tritt diesem Vorbringen entgegen.
39 Nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Grundrechtecharta hat die Verwaltung die Verpflichtung, ihre Entscheidungen zu begründen.
40 Nach ständiger Rechtsprechung muss die auch in Art. 296 Abs. 2 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 Abs. 2 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 29. Juni 2017, E-Control/ACER, T‑63/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:456, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).
41 Von einem Beschwerdeausschuss kann jedoch nicht verlangt werden, alle von den Verfahrensbeteiligten vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend zu behandeln. Die Begründung kann daher auch implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe für die Entscheidung der Beschwerdekammer zu erfahren, und dem zuständigen Gericht ausreichende Angaben an die Hand gibt, damit es seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. Urteil vom 29. Juni 2017, E-Control/ACER, T‑63/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:456, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).
42 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es sich nach ständiger Rechtsprechung bei der Begründungspflicht um ein wesentliches Formerfordernis handelt, das von der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört (vgl. Urteil vom 22. Mai 2012, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑17/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:243, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).
43 Im vorliegenden Fall ist es gewiss bedauerlich, dass sich die Begründung der Entscheidung auf eher allgemeine Ausführungen beschränkt. Dennoch geht aus ihr hinreichend nachvollziehbar hervor, dass der Beschwerdeausschuss der ACER seine Entscheidung auf die Feststellung gestützt hat, dass es der Klägerin obliege, ihr unmittelbares und gegenwärtiges Interesse am Ausgang der beim Beschwerdeausschuss der ACER anhängigen Sache A‑001‑2017 (consolidated) zu beweisen, und dass sie nicht nachgewiesen habe, dass die Nichtigerklärung des Beschlusses 6/2016 eine unmittelbare Änderung ihrer „Stellung“ zur Folge hätte. Anhand dieser Feststellung konnte die Klägerin erfahren, aus welchen Gründen der Beschwerdeausschuss der ACER mit der angefochtenen Entscheidung ihren Streithilfeantrag zurückgewiesen hatte, und das Gericht konnte seine Kontrollaufgabe wahrnehmen. Wie oben in den Rn. 35 und 36 ausgeführt, genügte diese Feststellung als solche, um den Antrag der Klägerin auf Zulassung zur Streithilfe in der Sache A-001-2017 (consolidated) zurückzuweisen.
44 Diese Feststellung kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Klägerin bestimmte in der angefochtenen Entscheidung angeführte Gründe für nicht stichhaltig hält. Bei der Begründungspflicht handelt es sich um ein wesentliches Formerfordernis, das von der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört (vgl. Urteil vom 22. Mai 2012, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑17/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:243, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daher ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, dass der Beschwerdeausschuss der ACER als relevante Geschäftstätigkeit den Ankauf von Strom am Strommarkt angeführt habe, ihre Geschäftstätigkeit aber nicht im Ankauf von Strom am Strommarkt bestehe. Ein Begründungsmangel der angefochtenen Entscheidung wird ebenso wenig durch das Vorbringen der Klägerin nachgewiesen, dass der Beschwerdeausschuss der ACER seine Begründung auch auf Argumente gestützt habe, die als solche nicht in ihrem Streithilfeantrag angeführt worden seien, etwa auf die Feststellung, dass höhere Preise und finanzielle Interessen nicht genügten, um das Vorliegen eines berechtigten Interesses am Ausgang des Verfahrens zu belegen.
45 In Bezug auf den von der Klägerin geltend gemachten Widerspruch zwischen der Begründung der angefochtenen Entscheidung und dem Vorbringen im Streithilfeantrag genügt die Feststellung, dass allein die Tatsache, dass den Anträgen der Klägerin nicht stattgegeben wurde, nicht bedeutet, dass der Beschwerdeausschuss der ACER ihre Ausführungen nicht geprüft hat.
46 Folglich ist der zweite Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.
Dritter Klagegrund: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
47 Die Klägerin macht geltend, die ACER habe im Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss am 6. Februar 2017 zu ihrem Streithilfeantrag eine Stellungnahme abgegeben, die ihr nicht zur Kenntnis gebracht worden sei. Dadurch werde ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Ohne diese Verletzung hätte sie die vorgebrachten Argumente durch entsprechende Gegenargumente entkräften können, so dass der Beschwerdeausschuss der ACER ihrem Streithilfeantrag stattgegeben hätte.
48 Die ACER tritt diesem Vorbringen entgegen.
49 Nach Art. 11 Abs. 6 des Beschlusses 1/2011 in der am 19. Mai 2016 in Kraft getretenen, hier einschlägigen Fassung war der Geschäftsstellenleiter des Beschwerdeausschusses der ACER verpflichtet, Streithilfeanträge unverzüglich an die Parteien des Rechtsstreits zu übermitteln.
50 Der Beschwerdeausschuss der ACER war nach dem Beschluss 1/2011 nicht verpflichtet, eine Partei oder eine andere Dienststelle der ACER zur Stellungnahme aufzufordern oder Stellungnahmen an die Person zu übermitteln, die die Zulassung zur Streithilfe beantragte. Ebenso wenig sah der Beschluss vor, dass die Antragstellerin sich zu Stellungnahmen anderer Beteiligter des Rechtsstreits zu ihrem Streithilfeantrag äußern konnte.
51 Nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. a und b der Grundrechtecharta umfasst das Recht auf eine gute Verwaltung jedoch insbesondere das Recht jeder Person, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird, und das Recht jeder Person auf Zugang zu den sie betreffenden Akten unter Wahrung des berechtigten Interesses der Vertraulichkeit sowie des Berufs- und Geschäftsgeheimnisses.
52 Im Fall der Nichtübermittlung eines Dokuments aus der Verwaltungsakte obliegt es aber der Klägerin, nachzuweisen, dass die Vorenthaltung dieses Schriftstücks den Verfahrensablauf und den Inhalt der Entscheidung des Beschwerdeausschusses der ACER zu ihren Ungunsten beeinflussen konnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).
53 Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob der Beschwerdeausschuss der ACER verpflichtet war, der Klägerin im Rahmen der Akteneinsicht die Stellungnahme vom 6. Februar 2017 zugänglich zu machen. Es genügt die Feststellung, dass der Beschwerdeausschuss der ACER diese Stellungnahme in der Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht verwendet hat. Er hat sich nämlich in der Begründung der angefochtenen Entscheidung lediglich auf Ausführungen gestützt, die ihm zufolge von der Klägerin in ihrem Streithilfeantrag gemacht worden waren.
54 Da die Zurückweisung des Streithilfeantrags der Klägerin in der angefochtenen Entscheidung also nicht auf die Stellungnahme vom 6. Februar 2017 gestützt war, reicht allein die Tatsache, dass die Klägerin meint, sie hätte die in der Stellungnahme vorgebrachten Argumente durch entsprechende Gegenargumente entkräften können, nicht aus, um zu beweisen, dass die Nichtübermittlung der Stellungnahme den Verfahrensablauf und den Inhalt der Entscheidung des Beschwerdeausschusses der ACER zu ihren Ungunsten beeinflussen konnte.
55 Unter diesen Umständen kann dem Beschwerdeausschuss der ACER nicht vorgeworfen werden, er habe das Recht der Klägerin auf Akteneinsicht verletzt, weil er ihr die Stellungnahme vom 6. Februar 2017 vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung nicht übermittelt habe. Auch der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt worden, denn sie hatte die Möglichkeit, in ihrem Streithilfeantrag sämtliche zum Nachweis ihres Interesses am Ausgang des Verfahrens geeigneten Umstände geltend zu machen, und wurde somit vom Beschwerdeausschuss der ACER angehört.
56 Folglich ist auch der dritte Klagegrund zurückzuweisen. Damit ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Kosten
57 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der ACER ihre eigenen Kosten und die Kosten der ACER einschließlich der durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten aufzuerlegen.
58 Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung trägt die Republik Polen ihre eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Siebte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Exaa Abwicklungsstelle für Energieprodukte AG trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) einschließlich der durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten.
3. Die Republik Polen trägt ihre eigenen Kosten.
Tomljenović |
Marcoulli |
Kornezov |
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. September 2018.
Der Kanzler |
Der Präsident |
E. Coulon |
V. Tomljenović |
Leave a Comment cancel
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.