T-116/17 – Spiegel-Verlag Rudolf Augstein und Sauga/ EZB

T-116/17 – Spiegel-Verlag Rudolf Augstein und Sauga/ EZB

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

27. September 2018()

„Zugang zu Dokumenten – Beschluss 2004/258/EG – Dokumente betreffend die Staatsverschuldung und das Haushaltsdefizit eines Mitgliedstaats – Verweigerung des Zugangs – Ausnahmen in Bezug auf die Wirtschaftspolitik der Union und eines Mitgliedstaats“

In der Rechtssache T‑116/17,

Spiegel-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG mit Sitz in Hamburg (Deutschland),

Michael Sauga, wohnhaft in Berlin (Deutschland),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Koreng und T. Feldmann,

Kläger,

gegen

Europäische Zentralbank (EZB), vertreten durch F. von Lindeiner und T. Filipova als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte D. Sarmiento Ramírez-Escudero und L. E. Capiel,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung einer den Klägern mit Schreiben vom 15. Dezember 2016 mitgeteilten Entscheidung des Direktoriums der EZB, mit der der Antrag der Kläger auf Zugang zu zwei Dokumenten betreffend das Staatsdefizit und die Staatsverschuldung der Hellenischen Republik zurückgewiesen wurde,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Gratsias sowie der Richter A. Dittrich (Berichterstatter) und P. G. Xuereb,

Kanzler: E. Coulon,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 26. Februar 2009 errichtete die National Bank of Greece, eine private griechische Bank, eine Gesellschaft, die Titlos plc, die forderungsbesicherte Wertpapiere (Asset Backed Securities) ausgab, deren einziges zugrunde liegendes Vermögen (Underlying Asset) in einem außerbörslichen Finanzderivat, nämlich einem Zins-Swap zwischen der Hellenischen Republik und der Trápeza tis Elládos (Bank von Griechenland, Griechenland) (im Folgenden: Titlos-Asset), bestand. Vom 3. Juni 2009 bis 22. Juni 2010 war das Titlos-Asset in der Datenbank der notenbankfähigen Sicherheiten (Eligible Assets Database) aufgenommen, die alle notenbankfähigen marktfähigen Sicherheiten für Kreditgeschäfte des Eurosystems auflistet. Die auf dem Titlos-Asset beruhenden Wertpapiere wurden ihrerseits von den griechischen Banken als notenbankfähige Sicherheiten für geldpolitische Operationen des Eurosystems hinterlegt. Die Vorgänge im Zusammenhang mit der Gründung und der Marktplatzierung des Titlos-Assets (im Folgenden: Titlos-Transaktion) haben möglicherweise eine künstliche Reduzierung des griechischen öffentlichen Schuldenstands ermöglicht.

2        Im Februar 2010 wurden Mitarbeiter der Europäischen Zentralbank (EZB) vom Direktorium der EZB angewiesen, interne Dokumente zu erstellen, die Aufschluss über den Gebrauch von Finanzderivategeschäften im Rahmen der Staatsschuldenverwaltung und für die Defizitfinanzierung der Hellenischen Republik geben.

3        Daraufhin wurden zwei Dokumente erstellt, die vorliegend den Streitgegenstand bilden (im Folgenden: streitige Dokumente).

4        Das erste Dokument trägt den Titel „The impact on government deficit and debt from off-market swaps. The Greek case“ (Die Auswirkungen von außerbörslichen Swaps auf das öffentliche Defizit und den öffentlichen Schuldenstand. Der Fall Griechenland) (SEC/GovC/X/10/88a). Es wurde von der Generaldirektion Statistik der EZB auf der Grundlage der Ende Februar 2010 verfügbaren Informationen erstellt. Im Wesentlichen enthält es Einschätzungen von Mitarbeitern der EZB zum einen zur Funktionsweise der außerbörslichen Swaps und zum anderen zu den Auswirkungen, die dieses Finanzinstrument auf das öffentliche Defizit oder den öffentlichen Schuldenstand haben konnte, insbesondere im Hinblick auf die Hellenische Republik.

5        Das zweite Dokument trägt den Titel „The Titlos transaction and possible existence of similar transactions impacting on the euro area government debt or deficit levels“ (Die Titlos-Transaktion und das etwaige Bestehen ähnlicher Transaktionen, die sich auf die Höhe des öffentlichen Schuldenstands oder des öffentlichen Defizits im Euro-Währungsgebiet auswirken) (SEC/GovC/X/10/88b). Dieses von der Abteilung Risikomanagement der Generaldirektion Finanzmarktoperationen der EZB erstellte Dokument enthält Ansichten von Mitarbeitern der EZB u. a. zur Gründung der Titlos plc, eine Analyse der Finanzstruktur der Titlos-Transaktion, sowie Annahmen und Einschätzungen hinsichtlich des möglichen Bestehens ähnlicher Transaktionen, die sich auf den Defizit- oder Schuldenstand der Staaten des Euro-Währungsgebiets auswirken könnten, ihrer Relevanz für den Rechtsrahmen zur Hinterlegung von Sicherheiten im Rahmen von geldpolitischen Operationen des Eurosystems, damit verbundener Risikokontrollmaßnahmen und ihrer potenziellen Überarbeitung.

6        Die streitigen Dokumente betreffen Transaktionen und Praktiken, die direkt und indirekt mit gegenwärtigen Abläufen zusammenhängen. Außerdem enthalten sie Ausführungen zu Handlungsoptionen und Analysemethoden der EZB. Einige dieser Handlungsoptionen und Methoden wurden umgesetzt, andere nicht.

7        Am 2. März 2010 erörterte das Direktorium der EZB den Gebrauch von Derivategeschäften im Rahmen der Defizitfinanzierung und des Staatsschuldenmanagements in der Hellenischen Republik und unterbreitete die streitigen Dokumente dem EZB-Rat.

8        Am 9. August 2016 beantragten die Kläger, die Spiegel-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG und Herr Michael Sauga, bei der EZB Zugang zu den streitigen Dokumenten. Beim ersten Kläger handelt es sich um einen Verlag, der das wöchentlich erscheinende Magazin Der Spiegel herausgibt. Der zweite Kläger ist Journalist und Leiter des Hauptstadtbüros des Spiegel in Berlin.

9        Mit Schreiben vom 27. Oktober 2016 teilte der Generaldirektor Sekretariat der EZB den Klägern mit, dass ihnen kein Zugang zu den streitigen Dokumenten gewährt werden könne, weil die Ausnahmen vom Zugangsrecht, die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich und siebter Gedankenstrich sowie in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 des Beschlusses 2004/258/EG der EZB vom 4. März 2004 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der EZB (EZB/2004/3) (ABl. 2004, L 80, S. 42) in der durch den Beschluss 2011/342/EU der EZB vom 9. Mai 2011 (EZB/2011/6) (ABl. 2011, L 158, S. 37) und durch den Beschluss (EU) 2015/529 der EZB vom 21. Januar 2015 (EZB/2015/1) (ABl. 2015, L 84, S. 64) geänderten Fassung (im Folgenden: Beschluss 2004/3) geregelt seien, selbst einer Teilfreigabe entgegenstünden.

10      Mit Schreiben vom 18. November 2016 stellten die Kläger einen Zweitantrag beim Direktorium der EZB.

11      Mit Schreiben vom 15. Dezember 2016 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), das den Klägern am 19. Dezember 2016 per E‑Mail zuging, wies das Direktorium der EZB den Zweitantrag zurück. Begründet wurde die Zurückweisung im Wesentlichen mit dem Schutz des öffentlichen Interesses im Hinblick auf die Wirtschaftspolitik der Europäischen Union oder eines Mitgliedstaats, hier der Hellenischen Republik, gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich des Beschlusses 2004/3 und mit dem Schutz des öffentlichen Interesses im Hinblick auf die Stabilität des Finanzsystems in der Union oder in einem Mitgliedstaat gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. a siebter Gedankenstrich des Beschlusses 2004/3. Außerdem wurde die Zurückweisung durch die EZB auf Erwägungen im Zusammenhang mit Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 des Beschlusses 2004/3 gestützt.

 Verfahren und Anträge der Parteien

12      Mit Klageschrift, die am 20. Februar 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.

13      Die Klagebeantwortung ist am 4. Mai 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen.

14      Die Erwiderung und die Gegenerwiderung sind am 28. Juni und 21. August 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen.

15      Mit Beschluss vom 21. März 2018 hat das Gericht auf der Grundlage von Art. 91 Buchst. c, Art. 92 Abs. 1 und Art. 104 seiner Verfahrensordnung der EZB die Vorlage der streitigen Dokumente aufgegeben und beschlossen, dass diese den Klägern nicht bekannt gegeben werden. Die EZB ist dieser Anordnung im Rahmen der Beweisaufnahme fristgemäß nachgekommen.

16      Da die Parteien nicht beantragt haben, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung gehört zu werden, hat das Gericht (Fünfte Kammer), das sich für durch die Aktenstücke der Rechtssache hinreichend unterrichtet hält, nach Art. 106 Abs. 3 seiner Verfahrensordnung auf Vorschlag des Berichterstatters beschlossen, über die Klage ohne mündliches Verfahren zu entscheiden.

17      Die Kläger beantragen,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der EZB die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

18      Die EZB beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        den Klägern die Verfahrenskosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

19      Die von den Klägern für ihre Klage vorgetragenen Argumente lassen sich in drei Klagegründe zusammenfassen. Gegenstand des ersten, in zwei Teile gegliederten Klagegrundes ist die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich des Beschlusses 2004/3. Mit dem ersten Teil dieses Klagegrundes werfen die Kläger der EZB im Wesentlichen eine unzureichende Begründung der angefochtenen Entscheidung vor. Mit dem zweiten Teil machen sie einen offensichtlichen Beurteilungsfehler geltend. Der zweite Klagegrund hat die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 4 Abs. 1 Buchst. a siebter Gedankenstrich des Beschlusses 2004/3 zum Gegenstand. Mit seinen Teilen werden ebenfalls ein offensichtlicher Beurteilungsfehler und ein Begründungsmangel gerügt. Schließlich wird mit dem dritten Klagegrund ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 des Beschlusses 2004/3, der den Schutz der Beratungen und internen Vorgespräche der EZB betrifft, behauptet.

20      Vorab ist, was den rechtlichen Rahmen für das Recht auf Zugang zu Dokumenten der EZB betrifft, festzustellen, dass in Art. 1 Abs. 2 EUV der Grundsatz der Offenheit des Entscheidungsprozesses der Union verankert ist. Art. 15 Abs. 1 AEUV stellt insoweit klar, dass die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter weitestgehender Beachtung des Grundsatzes der Offenheit handeln, um eine verantwortungsvolle Verwaltung zu fördern und die Beteiligung der Zivilgesellschaft sicherzustellen. Nach Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 1 AEUV hat jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder satzungsgemäßem Sitz in einem Mitgliedstaat vorbehaltlich der Grundsätze und Bedingungen, die nach diesem Absatz festzulegen sind, das Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, unabhängig von der Form der für diese Dokumente verwendeten Träger. Ferner werden gemäß Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 2 AEUV die allgemeinen Grundsätze und die aufgrund öffentlicher oder privater Interessen geltenden Einschränkungen für die Ausübung dieses Rechts auf Zugang zu Dokumenten vom Europäischen Parlament und vom Rat durch Verordnungen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren festgelegt. Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 3 AEUV bestimmt, dass die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen die Transparenz ihrer Tätigkeit gewährleisten und im Einklang mit den in Unterabs. 2 genannten Verordnungen in ihrer Geschäftsordnung Sonderbestimmungen hinsichtlich des Zugangs zu ihren Dokumenten festlegen. Nach Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 4 AEUV gilt dieser Absatz für den Gerichtshof der Europäischen Union, die Europäische Zentralbank und die Europäische Investitionsbank nur dann, wenn sie Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (Urteil vom 29. November 2012, Thesing und Bloomberg Finance/EZB, T‑590/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:635, Rn. 39). Außerdem entscheiden diese Organe und diese Einrichtung sowohl über die Möglichkeit des Zugangs für Dritte zu ihren Dokumenten als auch über den Umfang dieser Möglichkeit eigenständig.

21      Mit dem Beschluss 2004/3 soll ein weiterer Zugang zu Dokumenten der EZB gestattet werden, als er aus Art. 15 AEUV abgeleitet werden könnte. Außerdem soll damit, wie sich aus seinen Erwägungsgründen 2 und 3 ergibt, ein umfassenderer Zugang zu den Dokumenten der EZB gewährt werden als unter der Geltung des Beschlusses 1999/284/EG der EZB vom 3. November 1998 über den Zugang der Öffentlichkeit zur Dokumentation und zu den Archiven der EZB (EZB/1998/12) (ABl. 1999, L 110, S. 30), wobei gleichzeitig die Unabhängigkeit der EZB und der nationalen Zentralbanken sowie die Vertraulichkeit bestimmter Angelegenheiten, die speziell die Erfüllung der Aufgaben der EZB betreffen, geschützt werden sollen. Art. 2 Abs. 1 des Beschlusses 2004/3 verleiht daher jedem Unionsbürger sowie jeder natürlichen oder juristischen Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat vorbehaltlich der in diesem Beschluss festgelegten Bedingungen und Einschränkungen ein Recht auf Zugang zu Dokumenten der EZB (Urteil vom 29. November 2012, Thesing und Bloomberg Finance/EZB, T‑590/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:635, Rn. 40).

22      Dieses Recht unterliegt gewissen Einschränkungen aufgrund öffentlicher oder privater Interessen. Im Einzelnen sieht Art. 4 des Beschlusses 2004/3 im Einklang mit dessen viertem Erwägungsgrund eine Ausnahmeregelung vor, die es der EZB gestattet, den Zugang zu einem Dokument zu verweigern, durch dessen Verbreitung eines der mit den Abs. 1 und 2 dieses Artikels geschützten Interessen beeinträchtigt würde oder das Stellungnahmen zum internen Gebrauch im Rahmen von Beratungen und Vorgesprächen innerhalb der EZB oder mit den nationalen Zentralbanken enthält. Da mit den Ausnahmen vom Zugangsrecht, wie sie in Art. 4 des Beschlusses 2004/3 geregelt sind, vom Recht auf Zugang zu Dokumenten abgewichen wird, sind sie eng auszulegen und anzuwenden (Urteil vom 29. November 2012, Thesing und Bloomberg Finance/EZB, T‑590/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:635, Rn. 41).

23      Demgemäß muss die EZB, wenn sie beschließt, den Zugang zu einem Dokument, dessen Übermittlung bei ihr beantragt wurde, gemäß Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses 2004/3 zu verweigern, grundsätzlich erläutern, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das Interesse, das durch eine von ihr geltend gemachte Ausnahme nach dieser Bestimmung geschützt wird, konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte. Die Gefahr einer solchen Beeinträchtigung muss außerdem bei vernünftiger Betrachtung absehbar und darf nicht rein hypothetisch sein (Urteile vom 29. November 2012, Thesing und Bloomberg Finance/EZB, T‑590/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:635, Rn. 42, und vom 4. Juni 2015, Versorgungswerk der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein/EZB, T‑376/13, EU:T:2015:361, Rn. 73).

24      Die von den Klägern vorgebrachten Argumente und Klagegründe sind im Licht dieser Grundsätze zu prüfen.

25      Zum ersten Klagegrund ist festzustellen, dass die EZB nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich des Beschlusses 2004/3 den Zugang zu einem Dokument verweigert, durch dessen Verbreitung der Schutz des öffentlichen Interesses im Hinblick auf die Finanz-, Währungs- oder Wirtschaftspolitik der Union oder eines Mitgliedstaats beeinträchtigt würde.

26      Das Gericht hält es für angebracht, den zweiten Teil des ersten Klagegrundes vor dessen erstem Teil zu prüfen.

 Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes: Vorliegen eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers

27      Mit dem zweiten Teil des ersten Klagegrundes machen die Kläger im Wesentlichen geltend, die Erwägungen der EZB, mit denen dargetan werden solle, dass eine Verbreitung der streitigen Dokumente eine Gefahr für das durch Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich des Beschlusses 2004/3 geschützte Interesse darstelle, seien mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet.

28      Als Erstes sind die Kläger der Ansicht, die EZB habe nicht aufgezeigt, dass eine Situation vorliege, die mit derjenigen vergleichbar sei, welche der Rechtssache zugrunde gelegen habe, in der das Urteil vom 29. November 2012, Thesing und Bloomberg Finance/EZB (T‑590/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:635), ergangen sei. Die jener Rechtssache zugrunde liegende Situation sei dadurch gekennzeichnet gewesen, dass damals, d. h. im Oktober 2010, die Offenlegung der in Rede stehenden Dokumente auf dem Höhepunkt der Finanzkrise und gerade einmal acht Monate nach Erstellung der Dokumente verweigert worden sei. Zu jener Zeit habe es noch keine verlässlichen Angaben zur Finanzlage der Hellenischen Republik gegeben. Außerdem habe Eurostat ausdrücklich auf Ungewissheiten in dieser Hinsicht hingewiesen gehabt.

29      Zum jetzigen Zeitpunkt möge die griechische Finanzkrise zwar noch nicht „endgültig gebannt“ sein, und es sei bekannt, dass das griechische Finanzsystem nicht die gleiche Stabilität wie die Finanzsysteme anderer Euro-Mitgliedstaaten aufweise. Dennoch könne „heute“, was die Rahmenbedingungen und insbesondere die Finanzierungsbedingungen des griechischen Staates anbelange, von einer „neuen“ und „grundlegend anderen“ Situation gesprochen werden. Im März 2011 habe nämlich der Europäische Rat den Beschluss 2011/199/EU vom 25. März 2011 zur Änderung des Artikels 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist (ABl. 2011, L 91, S. 1), erlassen. Im Oktober 2011 hätten sich Vertreter der Finanzindustrie auf einen 50%igen Schuldenschnitt für die Hellenische Republik geeinigt. Im Februar 2012 sei Einigung über ein zweites Hilfspaket für die Hellenische Republik erzielt worden. Im August 2015 habe man sich auf ein drittes Hilfspaket für die Hellenische Republik geeinigt. Zudem habe sich die Lage auf den Finanzmärkten mit Blick auf die Hellenische Republik wesentlich verbessert. So lägen die Risikoaufschläge auf die wenigen noch im freien Handel befindlichen griechischen Staatspapiere aktuell stabil auf dem Niveau von 2014. Die Lage der griechischen Banken habe sich ihrerseits ebenfalls nachhaltig verbessert.

30      Ob es der Hellenischen Republik dauerhaft gelingen werde, wieder Tritt zu fassen, hänge schließlich in Wirklichkeit „gewiss“ nicht davon ab, was in „internen Analysen“ der EZB aus dem März 2010 nachzulesen sei, oder davon, ob diese bekannt würden, sondern sei einzig vom Reformwillen dieses Landes und der Geduld seiner Gläubiger, vor allem der staatlichen internationalen Gläubiger, abhängig.

31      Als Zweites stellen die Kläger im Wesentlichen in Abrede, dass eine Offenlegung der streitigen Dokumente die von der EZB angeführten Folgen haben könne. Die aus einer etwaigen Offenlegung der streitigen Dokumente folgenden Gefährdungen für die Wirtschaftspolitik und Finanzstabilität der Hellenischen Republik, wie sie von der EZB in der angefochtenen Entscheidung behauptet würden, seien in Wirklichkeit nicht gegeben.

32      Erstens sei es eine Selbstverständlichkeit, dass das Bekanntwerden einer internen Einschätzung der EZB starke Auswirkungen auf die Märkte haben könne, und es sei allgemein bekannt, dass die Märkte auf jede Information reagierten, die von einer Institution wie der EZB herausgegeben werde. Gleichwohl sei aber die Reaktion der Märkte auf das Bekanntwerden einer Information nicht allgemein gleichzusetzen mit einer Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich des Beschlusses 2004/3. Die Ausführungen der EZB dazu seien vage. Insbesondere gebe sie weder an, um welche Art von Spekulationen es sich handle, noch, inwieweit sich diese Spekulationen negativ auf die Märkte auswirken könnten.

33      Zweitens seien vorliegend praktisch nur noch staatliche Akteure involviert. Mehr als 80 % der griechischen Staatsschulden lägen inzwischen bei öffentlichen Gläubigern und würden nicht mehr am Markt gehandelt. Dagegen seien bei Ausbruch der Krise 95 % der griechischen Verbindlichkeiten von privaten Gläubigern gehalten worden. Schon deshalb sei nicht zu befürchten, dass Feststellungen, wie sie in den streitigen Dokumenten enthalten seien, das aktuelle Verhalten der Akteure auf den Finanzmärkten in irgendeiner Weise beeinflussen könnten. Jedenfalls stehe es der EZB frei, durch eigene Pressearbeit auf eine zutreffende Interpretation der Inhalte dieser Dokumente hinzuwirken.

34      Drittens müsse der Schutz der Vertraulichkeit von Dokumenten, die unter eine Ausnahme vom Recht auf Zugang zu Dokumenten gemäß dem Beschluss 2004/3 fallen könnten, im Licht der Klarstellungen, die der Gerichtshof in Rn. 56 des Urteils vom 26. Januar 2010, Internationaler Hilfsfonds/Kommission (C‑362/08 P, EU:C:2010:40), hinsichtlich der Ausnahmen des Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) vorgenommen habe, einer „zeitlichen Begrenzung“ unterliegen, die nicht allein in das Belieben der EZB gestellt sei.

35      In Anbetracht insbesondere des Alters der hier in Rede stehenden Informationen habe ihre Preisgabe nicht mehr das Potenzial, das öffentliche Interesse zu beeinträchtigen. Allein schon aus dem bloßen Umstand, dass die streitigen Dokumente sechs Jahre alt seien, sei für jedermann ersichtlich, dass sie einen vergangenen Stand darstellten, der mittlerweile lange überholt sein könne. Niemand könne annehmen, dass die EZB – zumal einschränkungslos – noch immer Optionen in Betracht ziehe, die sie vor sechs Jahren erwogen und offenbar verworfen habe. Die streitigen Dokumente seien vielmehr von historischem und nicht aktuellem Interesse. Jedenfalls sei darauf hinzuweisen, dass sie bald sieben Jahre alt seien. Die EZB habe nicht zu erklären vermocht, weshalb die Öffentlichkeit im Allgemeinen und die Teilnehmer der Finanzmärkte im Besonderen nicht imstande seien, zwischen aktuellen Informationen einerseits und mittlerweile völlig veralteten Informationen andererseits zu differenzieren.

36      Die EZB tritt diesem Vorbringen entgegen. Insbesondere widerspricht sie im Wesentlichen der Behauptung der Kläger, dass die aus einer etwaigen Offenlegung der streitigen Dokumente folgenden Gefährdungen für die Wirtschaftspolitik und Finanzstabilität der Hellenischen Republik, von denen in der angefochtenen Entscheidung die Rede sei, in Wirklichkeit nicht gegeben seien.

37      Zunächst steht fest, dass es in den streitigen Dokumenten um Aspekte im Zusammenhang mit der Wirtschaftspolitik der Union und der Hellenischen Republik geht. Deshalb können sie unter die Ausnahme des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich des Beschlusses 2004/3 fallen.

38      Sodann ist zu der Frage, ob ein offensichtlicher Beurteilungsfehler bei der Anwendung dieser Bestimmung zu bejahen ist, von vornherein festzustellen, dass ein Fehler nur dann als offensichtlich eingestuft werden kann, wenn er leicht feststellbar ist und mit Sicherheit entdeckt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Mai 2013, Canga Fano/Rat, T‑281/11 P, EU:T:2013:252, Rn. 127).

39      Insbesondere kann nach der Rechtsprechung ein die Nichtigerklärung eines Rechtsakts rechtfertigender offensichtlicher Fehler eines Organs bei der Würdigung eines komplexen Sachverhalts nur festgestellt werden, wenn die vom Kläger beigebrachten Beweise ausreichen, um die Sachverhaltswürdigung in dem Rechtsakt als nicht plausibel erscheinen zu lassen. Vorbehaltlich dieser Plausibilitätsprüfung darf das Gericht die Beurteilung eines komplexen Sachverhalts durch den Urheber des Rechtsakts nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2011, Frankreich/Kommission, T‑257/07, EU:T:2011:444, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung). Demzufolge ist der auf einen offensichtlichen Fehler gestützte Klagegrund zurückzuweisen, wenn die beanstandete Beurteilung trotz der vom Kläger vorgebrachten Umstände als immer noch zutreffend oder annehmbar gelten kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 2017, Blaž Jamnik und Blaž/Parlament, T‑726/15, EU:T:2017:376, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dies gilt insbesondere dann, wenn der fragliche Rechtsakt mit Fehlern behaftet ist, die – auch in ihrer Gesamtheit betrachtet – unbedeutend sind und nicht geeignet waren, das Organ entscheidend zu beeinflussen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 2017, Blaž Jamnik und Blaž/Parlament, T‑726/15, EU:T:2017:376, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Beschränkung der Kontrolle durch den Unionsrichter berührt außerdem nicht dessen Pflicht, die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz zu prüfen sowie zu kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (vgl. Urteil vom 9. September 2011, Frankreich/Kommission, T‑257/07, EU:T:2011:444, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Was Dokumente angeht, die – sensible – Informationen im Zusammenhang mit Aufgaben betreffen, die der EZB zur Festlegung und Durchführung der Währungspolitik der Union – insbesondere im Wege der Intervention auf den Kapitalmärkten – gemäß den Art. 127 und 282 AEUV übertragen wurden, ist festzustellen, dass die genannten Vorschriften der EZB ein weites Ermessen einräumen, dessen Ausübung komplexe Beurteilungen wirtschaftlicher und sozialer Gegebenheiten und sich schnell verändernder Situationen erfordert, die im Rahmen des Eurosystems oder gar der gesamten Union vorgenommen werden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Oktober 2015, Accorinti u. a./EZB, T‑79/13, EU:T:2015:756, Rn. 68).

41      Gewiss muss das Gericht nach der Rechtsprechung, wenn der Kläger geltend macht, dass die von dem betroffenen Organ geltend gemachte Ausnahme vom Zugang zu Dokumenten auf die angefragten Dokumente nicht anwendbar sei, konkret beurteilen, ob der Zugang zu den Dokumenten von dem Organ auf der Grundlage der angeführten Ausnahme zulässigerweise verweigert werden konnte, indem es insbesondere die Vorlage der betreffenden Dokumente anordnet und diese prüft. Das Gericht hat hier, wie oben in Rn. 15 ausgeführt, die Vorlage der streitigen Dokumente auch angeordnet, um diese konkrete Prüfung vorzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. November 2013, Jurašinović/Rat, C‑576/12 P, EU:C:2013:777, Rn. 27).

42      Allerdings muss der EZB das weite Ermessen, über das sie zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben verfügt, auch zuerkannt werden, wenn es um die Bewertung der Risiken einer Beeinträchtigung der Finanz-, Währungs- oder Wirtschaftspolitik der Union oder eines Mitgliedstaats durch die Verbreitung von Dokumenten, deren Urheber sie ist, geht, die sie vornehmen muss, um festzustellen, ob das durch Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich des Beschlusses 2004/3 geschützte öffentliche Interesse dieser Verbreitung entgegensteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juni 2015, Versorgungswerk der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein/EZB, T‑376/13, EU:T:2015:361, Rn. 53).

43      Im vorliegenden Fall wird die Verweigerung des Zugangs zu den streitigen Dokumenten, soweit sie auf Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich des Beschlusses 2004/3 gestützt wird, im Wesentlichen in zwei Schritten begründet. Im ersten Schritt soll die These der Anfälligkeit der Wirtschaft der Hellenischen Republik und insbesondere ihres Bankensektors untermauert werden. Im zweiten Schritt entwickelt die EZB eine Argumentation, nach der eine etwaige Offenlegung der streitigen Dokumente die geschwächte Wirtschaft der Hellenischen Republik, insbesondere deren fragiles Bankensystem, und damit die Wirtschaftspolitik der Union oder eines Mitgliedstaats im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich des Beschlusses 2004/3 beeinträchtigen könnte.

44      Genauer führt die EZB im ersten Schritt ihrer Erwägungen zur Anwendung dieser Bestimmung aus, dass der griechische Bankensektor seit Mai 2010 namentlich im Zuge dreier wirtschaftlicher Anpassungsprogramme restrukturiert, konsolidiert und reformiert worden sei. Unter Berufung auf einen am 10. Juli 2015 im Internet veröffentlichten Bericht der Kommission mit dem Titel „Greece – request for stability support in the form of an ESM loan, Assessement of: a) the existence of a risk to the financial stability of the euro area; b) whether the public debt is sustainable; c) the actual or potential financing needs (in compliance with Art. 13 of ESM Treaty)“ weist die EZB darauf hin, dass sich die Situation im griechischen Bankensektor vor dem Hintergrund erhöhter Risiken im Zusammenhang mit der griechischen Staatsfinanzierung in Verbindung mit einem umfangreichen Abzug von Einlagen in der Hellenischen Republik und einer eingetrübten gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in diesem Mitgliedstaat ab Anfang 2015 dramatisch verschlechtert habe. In diesem Zusammenhang habe die Hellenische Republik am 9. Juli 2015 weitere Finanzhilfen beantragt. Am 19. August 2015 hätten die Kommission und die Hellenische Republik eine Absichtserklärung über ein drittes wirtschaftliches Anpassungsprogramm für Griechenland (2015) unterzeichnet. Außerdem habe eine von der EZB-Bankenaufsicht von August bis Oktober 2015 durchgeführte Bewertung der vier bedeutenden Banken der Hellenischen Republik Kapitallücken in Höhe von 14,4 Mrd. Euro aufgedeckt. Die Fragilität der griechischen Wirtschaft zeige sich an der Abhängigkeit des griechischen Bankensektors von Notfall-Liquiditätshilfen (Emergency Liquidity Assistance – ELA) einerseits und den bei Erlass der angefochtenen Entscheidung weiterhin geltenden Kapitalverkehrskontrollen andererseits. Auf S. 3 der angefochtenen Entscheidung führt die EZB aus, dass trotz eines gewissen Aufschwungs der griechischen Wirtschaft in den Jahren 2015 und 2016 nach wie vor Umsetzungsrisiken in Bezug auf das dritte wirtschaftliche Anpassungsprogramm für Griechenland (2015) bestünden. Unter Verweis namentlich auf einen im Juni 2016 vom Rat im Internet veröffentlichten Bericht mit dem Titel „Compliance report, The Third Economic Adjustment Programme for Greece, First Review“ stellt die EZB fest, dass die gesamtwirtschaftliche Prognose für die Hellenische Republik mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sei. Wie nämlich auch der Präsident des monatlich zusammentretenden Gremiums der Finanzminister der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets (Eurogruppe) in einem im Internet aufrufbaren Dokument vom 5. Dezember 2016 ausgeführt habe, seien die im ersten Halbjahr 2015 aufgetretenen Schwierigkeiten der griechischen Banken noch nicht wieder wettgemacht gewesen. Schließlich wüssten alle beteiligten Akteure, dass aufgrund der Staatsverschuldung Griechenlands ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen dieses Mitgliedstaats bestünden. Im Übrigen verzeichne die Marktrendite griechischer Schuldtitel eine hohe Volatilität.

45      Im zweiten Schritt erläutert die EZB auf S. 4 der angefochtenen Entscheidung, die streitigen Dokumente nähmen Bezug auf „a) den EU-Rahmen zur Regelung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen und der Berichterstattung an Eurostat sowie b) den Sicherheitenrahmen des Eurosystems für geldpolitische Geschäfte“. Sie begnügt sich jedoch keineswegs mit dieser zwar knapp, aber vollkommen verständlich formulierten Feststellung, sondern erläutert die Gefahr näher, die eine Offenlegung der streitigen Dokumente für die griechische Wirtschaft nach sich ziehen könnte, welche, wie schon dem ersten Argumentationsschritt der EZB entnommen werden kann, nach wie vor anfällig sei. Die Offenlegung des Inhalts der streitigen Dokumente sei „mit dem signifikanten und akuten Risiko einer schwerwiegenden Irreführung der breiten Öffentlichkeit und insbesondere der Finanzmärkte verbunden“ und könne „das Vertrauen der Öffentlichkeit in die effektive Durchführung der Wirtschaftspolitik in der [Union] und in Griechenland“ beschädigen. Wie aus dem Schreiben der EZB vom 27. Oktober 2016 als konkretes Beispiel hervorgeht, könnte sich die Offenlegung der streitigen Dokumente negativ auf die Fortschritte auswirken, die im Rahmen des dritten Programms des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) für die Hellenische Republik, das bis mindestens Mitte 2018 laufen solle, erzielt worden seien.

46      Im Licht der oben in Rn. 38 angeführten Rechtsprechung ist festzustellen, dass diese Einschätzungen nicht auf einen Beurteilungsfehler schließen lassen, der leicht feststellbar wäre und mit Sicherheit entdeckt werden könnte.

47      Außerdem ist festzustellen, dass die Kläger vorliegend weder irgendein Argument vorgetragen noch gar irgendeinen Beweis beigebracht haben, womit die Plausibilität der vorstehend in den Rn. 43 bis 45 dargestellten Beurteilungen der EZB zur Begründung der Verweigerung des Zugangs zu den streitigen Dokumenten in Frage gestellt werden könnte.

48      Als Erstes kann das Argument der Kläger nicht überzeugen, dass die EZB nicht aufgezeigt habe, dass eine Situation vorliege, die mit derjenigen vergleichbar sei, welche der Rechtssache zugrunde gelegen habe, in der das Urteil vom 29. November 2012, Thesing und Bloomberg Finance/EZB (T‑590/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:635), ergangen sei, also eine Situation, die durch eine erhöhte Anfälligkeit der Wirtschaft und insbesondere des Bankensektors der Hellenischen Republik im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung gekennzeichnet sei. Dazu ist von vornherein festzustellen, dass die wirtschaftliche Lage in der Hellenischen Republik bei Erlass der angefochtenen Entscheidung nicht zwangsläufig mit der Ausgangslage für jenes Urteil vergleichbar sein muss. Vielmehr kommt es insoweit darauf an, ob die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich des Beschlusses 2004/3 erfüllt sind, und somit, ob insbesondere die Schlussfolgerung zulässig ist, dass eine Offenlegung der streitigen Dokumente das von der EZB in der angefochtenen Entscheidung angeführte Risiko zur Folge hätte.

49      Die Kläger beschränken sich in dieser Hinsicht auf eine unvollständige Darstellung der wirtschaftlichen Lage der Hellenischen Republik und ihres Bankensektors zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung. Im Wesentlichen bringen sie vor, dass sich aufgrund der oben in Rn. 29 genannten Maßnahmen und Programme die Lage für die Hellenische Republik auf den Finanzmärkten erheblich entspannt habe, dass sich die Lage der griechischen Banken nachhaltig verbessert habe und dass deshalb, was die griechische Wirtschaft betreffe, eine „neue“ und „grundlegend andere“ Situation herrsche.

50      Die EZB hat in der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen alle diese Punkte geprüft. Sie beschränkte sich aber keineswegs allein darauf, sondern wertete auch Daten aus, die ein anderes Licht auf die wirtschaftliche Lage der Hellenischen Republik werfen. Wie bereits oben in Rn. 44 festgestellt, berücksichtigte sie einen im Juni 2016 veröffentlichten Bericht des Rates mit dem Titel „Compliance report, The Third Economic Adjustment Programme for Greece, First Review“. Aus diesem Bericht geht hervor, dass zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung die gesamtwirtschaftliche Prognose für die Hellenische Republik noch mit erheblichen Unsicherheiten verbunden war. Ferner berücksichtigte die EZB in der angefochtenen Entscheidung ein vom 5. Dezember 2016 datierendes Dokument des damals amtierenden Präsidenten der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem. Diesem war zu entnehmen, dass die im ersten Halbjahr 2015 verzeichneten Schwierigkeiten der griechischen Banken im Jahr 2016 noch nicht wieder wettgemacht worden waren.

51      Die Kläger sind den Feststellungen in diesen Dokumenten und auch den Schlussfolgerungen der Urheber dieser Dokumente weder substantiiert entgegengetreten, noch haben sie sie überhaupt thematisiert. Sie räumen im Gegenteil, wie sich aus der Klageschrift ergibt, ein, dass die griechische Finanzkrise, die bereits seit Jahren latent gewesen, ab 2010 aber offenkundig geworden sei, bis heute weitestgehend ungelöst sei.Das gilt, auch nach Meinung der Kläger, trotz des – übrigens allgemein bekannten – Umstands, dass sich Vertreter der Finanzindustrie 2011 auf einen 50%igen Schuldenschnitt für die Hellenische Republik einigten, und ungeachtet dessen, dass im August 2015 Einigung über ein drittes Hilfspaket für die Hellenische Republik erzielt wurde.

52      Als Zweites sind die Argumente der Kläger zurückzuweisen, mit denen in Frage gestellt werden soll, dass eine Offenlegung der streitigen Dokumente die von der EZB in der angefochtenen Entscheidung angeführten Folgen haben könnte.

53      Erstens trifft die EZB, wie von ihr zutreffend geltend gemacht, keine Verpflichtung, den endgültigen Beweis einer bestimmten Auswirkung auf den Markt zu erbringen. Vielmehr reicht es aus, dass die von ihr angeführten Gesichtspunkte die Schlussfolgerung eines absehbaren Risikos tragen können.

54      Zweitens lässt der Umstand, dass 80 % der griechischen Staatsschulden zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung von öffentlichen Gläubigern gehalten wurden, nicht den Schluss zu, dass eine Offenlegung des Inhalts der streitigen Dokumente keine negativen Auswirkungen auf das Verhalten der Akteure auf den Finanzmärkten hätte.

55      Auf S. 3 der angefochtenen Entscheidung hat die EZB im Wesentlichen die These der Kläger widerlegt, dass negative Auswirkungen auf die Finanzmärkte ausgeschlossen seien, weil bei Erlass der angefochtenen Entscheidung 80 % der griechischen Staatsschulden bei öffentlichen Gläubigern gelegen hätten. Wie den Erläuterungen der EZB in der Klagebeantwortung zu entnehmen ist, kann die Volatilität der Zinsen auf dem Markt eine solche negative Auswirkung sein. Da die Zahl der privaten Gläubiger mit griechischen Staatsschuldpapieren gering und damit auch das Volumen der auf den Märkten gehandelten griechischen Schulden relativ niedrig ist, ist die Volatilität der Marktzinsen groß. Die EZB hat dazu näher ausgeführt, dass, wie sich aus öffentlichen, über das Internet zugänglichen Quellen – nämlich Reuters über das Statistical Data Warehouse (SDW) der EZB – ergebe, nach einem sehr volatilen ersten Halbjahr 2016 ein Abwärtstrend bei der Rendite der zweijährigen Staatsanleihen beobachtet worden sei. Der Abwärtstrend habe aber im frühen November 2016 ein Ende gefunden und sich anschließend umgekehrt. Diese Volatilität habe auch zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung, am 15. Dezember 2016, noch angedauert. Die Kläger sind diesen Einschätzungen nicht unter Berufung auf konkrete und nachprüfbare Anhaltspunkte entgegengetreten. Die genannten Tatsachen sind aber alles andere als rein hypothetische Situationen, sondern ein Indikator für die erhöhten Spannungen und Unsicherheiten auf dem Markt.

56      Drittens ist richtig, dass der Gerichtshof in Rn. 56 des Urteils vom 26. Januar 2010, Internationaler Hilfsfonds/Kommission (C‑362/08 P, EU:C:2010:40), darauf hingewiesen hat, dass nach Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1049/2001 die Ausnahmen gemäß Art. 4 Abs. 1 bis 3 dieser Verordnung nur für den Zeitraum gelten, in dem der Schutz aufgrund des Inhalts des Dokuments gerechtfertigt ist.

57      Dieselbe Klarstellung findet sich in Art. 4 Abs. 6 des Beschlusses 2004/3. Danach „[gelten d]ie Ausnahmen gemäß diesem Artikel … nur für den Zeitraum, in dem der Schutz aufgrund des Inhalts des Dokuments gerechtfertigt ist“.

58      In Art. 4 Abs. 6 Satz 1 des Beschlusses 2004/3 wird jedoch im Wesentlichen nur die Verpflichtung für die EZB aufgestellt, die Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten auf den Zeitraum zu beschränken, für den die Schlussfolgerung zulässig ist, dass eine Gefahr für eines der Interessen besteht, die u. a. durch Art. 4 Abs. 1 dieses Beschlusses geschützt werden. Aus Art. 4 Abs. 6 Satz 1 des Beschlusses 2004/3 geht nicht hervor, dass sich allein der Umstand, dass nach der Erstellung eines Dokuments eine gewisse Reihe von Jahren verstrichen sein mag, in allen Fällen entscheidend darauf auswirken muss, wie über einen Antrag auf Zugang zu diesem Dokument zu befinden ist. Maßgeblich ist nämlich insoweit, ob alle Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses 2004/3 erfüllt sind.

59      Außerdem ist das Argument der Kläger zurückzuweisen, wonach im Wesentlichen in Anbetracht insbesondere der seit der Erstellung der streitigen Dokumente verstrichenen sechs Jahre die Offenlegung der hier in Rede stehenden Informationen nicht mehr geeignet sei, das öffentliche Interesse zu beeinträchtigen, da niemand annehmen könne, dass die EZB derzeit weiterhin – zumal einschränkungslos – bestimmte Optionen in Betracht ziehe, die vor sechs Jahren geprüft und offenbar verworfen worden seien, was zeige, dass die streitigen Dokumente von historischem, nicht aber aktuellem Interesse seien (vgl. oben, Rn. 35). Das Gleiche gilt für das Argument, womit im Wesentlichen geltend gemacht wird, dass die Behörde, die sich auf die Vertraulichkeit von längst abgeschlossenen Geschäftsvorgängen berufe, eine spezifische Beweislast treffe (vgl. oben, Rn. 35).

60      Zum einen nämlich ist die verstrichene Zeitspanne nur einer der Gesichtspunkte, die gegebenenfalls bei einer Abwägung gegen die in Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses 2004/3 genannten Interessen zu berücksichtigen sind. Die EZB hat diesen Gesichtspunkt aber in der angefochtenen Entscheidung durchaus berücksichtigt.

61      Zum anderen trifft es zwar zu, dass etwaige Interessen an der Aufrechterhaltung der Vertraulichkeit bestimmter Dokumente im Lauf der Zeit abnehmen können. So kann in bestimmten Fällen ein Dokument in der Tat aufgrund Zeitablaufs nur noch von historischem, nicht aber aktuellem Interesse sein.

62      Im vorliegenden Fall betreffen jedoch die streitigen Dokumente, wie oben in Rn. 6 ausgeführt, Transaktionen und Praktiken, die direkt und indirekt mit gegenwärtigen Abläufen zusammenhängen. Unter diesen Bedingungen kann der Umstand, dass sechs Jahre verstrichen sind, nicht die Schlussfolgerung berühren, dass ein offensichtlicher Fehler bei der Beurteilung der Tatsachen im Rahmen der Anwendung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich des Beschlusses 2004/3 nicht festgestellt werden kann.

63      Als Drittes ist das Argument der Kläger zurückzuweisen, dass es der EZB freistehe, durch eigene Pressearbeit auf eine zutreffende Interpretation der Inhalte der streitigen Dokumente hinzuwirken. Dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich des Beschlusses 2004/3 ist nämlich zu entnehmen, dass die EZB die Verbreitung eines Dokuments verweigern muss, wenn sie feststellt, dass durch die Verbreitung der Schutz des öffentlichen Interesses im Hinblick auf die Finanz-, Währungs- oder Wirtschaftspolitik der Union oder eines Mitgliedstaats beeinträchtigt wird. Folglich ist es irrelevant, dass die EZB die Möglichkeit hätte, etwaige Fehlinterpretationen dieses Dokuments im Fall seiner Verbreitung auszuräumen.

64      Nach alledem ist die Entscheidung der EZB, den Klägern den Zugang zu den streitigen Dokumenten zu verweigern, mit keinem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet.

65      Der zweite Teil des ersten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

 Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes: Verstoß gegen die Begründungspflicht

66      Im Rahmen des ersten Teils des ersten Klagegrundes machen die Kläger unter ausdrücklicher Berufung auf das Urteil vom 29. November 2012, Thesing und Bloomberg Finance/EZB (T‑590/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:635), im Wesentlichen geltend, die EZB habe ihre Begründungspflicht verletzt. Sie bringen vor, die Begründung der angefochtenen Entscheidung beschränke sich auf die schlichte, pauschale und wiederholte Behauptung, dass die wirtschaftliche Situation der Hellenischen Republik weiterhin fragil sei. Die EZB führe lediglich pauschal an, dass eine Offenlegung der streitigen Dokumente (in ihrer Gesamtheit oder in Teilen) eine absehbare und nicht rein hypothetische Gefahr für die Wirtschaftspolitik der Union und der Hellenischen Republik darstellen würde, weil sie mit dem signifikanten und akuten Risiko einer schwerwiegenden Irreführung der breiten Öffentlichkeit und insbesondere der Finanzmärkte verbunden wäre. Die EZB gebe jedoch nicht zu erkennen, worin diese vermeintliche Gefährdung bestehen solle. Insbesondere lasse die Argumentation der EZB, wonach sich eine Offenlegung der in den streitigen Dokumenten enthaltenen Analysen negativ auf die im Rahmen des dritten ESM-Programms für die Hellenische Republik erzielten Fortschritte auswirken würde, weder die behaupteten negativen Auswirkungen erkennen, noch sei daraus ersichtlich, inwieweit die Wirtschaftspolitik und die Finanzstabilität dieses Landes beeinträchtigt werden könnten. Schließlich erkläre die EZB nicht, weshalb im Jahr 2016 nach einer grundlegenden Veränderung der Finanzierungsbedingungen der Hellenischen Republik die in den streitigen Dokumenten enthaltenen Analysen nach über sechs Jahren immer noch geeignet sein könnten, „Irritationen“ unter den Marktteilnehmern mit möglichen irrtumsbedingten negativen Rückwirkungen auf ihr gegenwärtiges oder zukünftiges Handeln hervorzurufen.

67      Eingangs ist daran zu erinnern, dass nach Art. 296 Abs. 2 AEUV die Rechtsakte mit einer Begründung zu versehen sind.

68      Die Begründung einer Entscheidung muss der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Erwägungen des Unionsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen die Gründe für die erlassene Maßnahme verstehen können und die Unionsgerichte ihre Kontrollaufgabe wahrnehmen können (Urteile vom 22. März 2001, Frankreich/Kommission, C‑17/99, EU:C:2001:178, Rn. 35, und vom 4. Juni 2015, Versorgungswerk der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein/EZB, T‑376/13, EU:T:2015:361, Rn. 32).

69      Genauer ist das Begründungserfordernis nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere von dem Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den verlangten Erfordernissen genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteile vom 11. September 2003, Österreich/Rat, C‑445/00, EU:C:2003:445, Rn. 49, und vom 4. Juni 2015, Versorgungswerk der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein/EZB, T‑376/13, EU:T:2015:361, Rn. 33).

70      Hier enthalten die streitigen Dokumente, wie bereits oben in Rn. 40 ausgeführt, Informationen im Zusammenhang mit Aufgaben, die der EZB zur Festlegung und Durchführung der Währungspolitik der Union gemäß den Art. 127 und 282 AEUV übertragen wurden. Diese Bestimmungen verleihen der EZB ein weites Ermessen.

71      Nach der Rechtsprechung ist es in einem Kontext, der dadurch gekennzeichnet ist, dass ein Organ über ein weites Ermessen verfügt, aufgrund der insoweit begrenzten Kontrolle durch den Unionsrichter von umso grundlegenderer Bedeutung, dass das betreffende Organ seiner Verpflichtung nachkommt, seine Entscheidungen hinreichend zu begründen. Denn nur so kann der Unionsrichter überprüfen, ob die für die Ausübung des Ermessens maßgeblichen sachlichen und rechtlichen Umstände vorgelegen haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juni 2015, Versorgungswerk der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein/EZB, T‑376/13, EU:T:2015:361, Rn. 54).

72      Im vorliegenden Fall ist unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung aufgestellten und vorstehend in den Rn. 68 bis 71 in Erinnerung gerufenen Kriterien festzustellen, dass die Ausführungen der EZB in der angefochtenen Entscheidung (vgl. oben, Rn. 43 bis 45) den Anforderungen an die Begründungspflicht genügen.

73      Die Einschätzungen der EZB sind nämlich klar und eindeutig. Insbesondere ermöglichen sie es, nachzuvollziehen, in welcher Weise der Zugang zu den streitigen Dokumenten das durch eine Ausnahme in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich des Beschlusses 2004/3 geschützte Interesse konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte. Insoweit ist hervorzuheben, dass das Risiko einer „Irreführung der breiten Öffentlichkeit und insbesondere der Finanzmärkte“ einerseits sowie einer Beschädigung des „Vertrauens der Öffentlichkeit in die effektive Durchführung der Wirtschaftspolitik in der [Union] und in Griechenland“ andererseits das öffentliche Interesse im Hinblick auf die Wirtschaftspolitik der Union oder eines Mitgliedstaats im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich des Beschlusses 2004/3 beeinträchtigen kann.

74      Die Begründung der angefochtenen Entscheidung lässt auch erkennen, weshalb die EZB der Ansicht ist, dass dieses Risiko bei vernünftiger Betrachtung absehbar und nicht rein hypothetisch sei. Dies ist nach den Ausführungen der EZB der Fall, weil die wirtschaftliche Lage der Hellenischen Republik anfällig sei und der Inhalt der streitigen Dokumente Transaktionen und Praktiken betreffe, die mit gegenwärtigen Abläufen zusammenhingen, die wiederum mit dieser Anfälligkeit zu tun hätten.

75      Diese Einschätzungen der EZB haben es den Klägern nicht unmöglich gemacht, zu erkennen, auf welche Rechtsgrundlage die EZB die Ablehnung ihres Antrags auf Zugang zu den streitigen Dokumenten stützte. Sie haben es ihnen auch nicht unmöglich gemacht, die Gründe nachzuvollziehen, auf denen die Verweigerung des Zugangs zu den Dokumenten beruhte. Vielmehr haben diese Erwägungen es den Klägern erlaubt, die angefochtene Entscheidung anzufechten und verschiedene Argumente gegen sie ins Feld zu führen, zu denen u. a. jenes gehört, wonach sich im Wesentlichen die wirtschaftliche Lage in der Hellenischen Republik seit dem Jahr 2010 signifikant verändert habe. Die Kläger wären aber nicht imstande gewesen, solche Argumente oder Klagegründe vorzubringen, wenn die Begründung der angefochtenen Entscheidung unzureichend gewesen wäre.

76      Schließlich versetzen die oben in den Rn. 43 bis 45 angeführten Einschätzungen der EZB das Gericht auch in die Lage, die Stichhaltigkeit der Erwägungen der EZB zu überprüfen.

77      Keines der von den Klägern vorgebrachten Argumente kann an der oben in Rn. 72 getroffenen Feststellung etwas ändern.

78      Das Argument, dass die EZB lediglich auf das Risiko einer Irreführung der breiten Öffentlichkeit und insbesondere der Finanzmärkte hingewiesen habe, ohne jedoch zu erkennen zu geben, worin dieses Risiko bestehe, ist zurückzuweisen. Das Gleiche gilt für das Argument der Kläger, wonach sich im Wesentlichen der Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen lasse, weshalb im Jahr 2016, nach den im Rahmen des dritten ESM-Programms für die Hellenische Republik erzielten Fortschritten und somit nach einer grundlegenden Veränderung der Finanzierungsbedingungen der Hellenischen Republik, eine Verbreitung der streitigen Dokumente irrtumsbedingte negative Auswirkungen auf das gegenwärtige oder zukünftige Handeln der Marktteilnehmer haben könne. Schließlich ist das Argument, dass die EZB nicht erkläre, warum im Jahr 2016 die in den streitigen Dokumenten enthaltenen Analysen nach sechs Jahren immer noch geeignet sein sollten, „Irritationen“ unter den Marktteilnehmern hervorzurufen, ebenfalls zurückzuweisen.

79      Insoweit ist festzustellen, dass die EZB auf die von den Klägern in ihrem Zweitantrag vorgebrachten Argumente eingegangen ist und sich dabei auf eine, wenn auch knappe, Analyse der wirtschaftlichen Lage der Hellenischen Republik gestützt hat. Die Verpflichtung für die EZB, eine Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten zu begründen, bedeutet jedoch nicht, dass eine Begründung gegeben werden muss, die im Detail dem Niveau eines wissenschaftlichen Gutachtens entspricht. Anders ausgedrückt muss die Begründung der angefochtenen Entscheidung weder den Umfang noch gar die Tiefe eines gesamtwirtschaftlichen Fachgutachtens aufweisen. Daher ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass es der EZB nicht oblag, alle Anhaltspunkte für einen Kausalzusammenhang zwischen einer etwaigen Offenlegung der streitigen Dokumente und der Gefahr, die eine solche Offenlegung für die griechische Wirtschaft und insbesondere ihren Bankensektor darstellen würde, noch ausführlicher als bereits in der angefochtenen Entscheidung zu erläutern. Allein schon der Umstand, dass bestimmte Derivate, von denen in den streitigen Dokumenten die Rede ist, noch auf dem Markt existieren und derzeit noch gehandelt werden (vgl. oben, Rn. 6), macht es für jeden nachvollziehbar, dass eine Offenlegung der streitigen Dokumente ein hohes Risiko von Störungen an den relevanten Finanzmärkten nach sich ziehen und den Schutz des öffentlichen Interesses im Hinblick auf die Wirtschaftspolitik der Union oder eines Mitgliedstaats im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich des Beschlusses 2004/3 konkret beeinträchtigen könnte.

80      Infolgedessen sind der erste Teil des ersten Klagegrundes und somit der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

81      Da die EZB ihre Verweigerung der Gewährung des Zugangs zu den streitigen Dokumenten berechtigterweise auf die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich des Beschlusses 2004/3 vorgesehene Ausnahme vom Zugangsrecht stützen konnte, brauchen der zweite und der dritte Klagegrund, die die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a siebter Gedankenstrich und Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 des Beschlusses 2004/3 vorgesehenen Ausnahmen vom Zugangsrecht betreffen, nicht mehr geprüft zu werden.

82      Nach alledem ist die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen.

 Kosten

83      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

84      Da die Kläger unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der EZB die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Spiegel-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG und Herr Michael Sauga tragen neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Europäischen Zentralbank (EZB).

Gratsias

Dittrich

Xuereb

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 27. September 2018.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

D. Gratsias


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