T-101/15 – Red Bull/ EUIPO – Optimum Mark () und argent)
Language of document : ECLI:EU:T:2017:852
Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)
30. November 2017()
„Unionsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Unionsmarke, die aus einer Kombination der Farben Blau und Silber besteht – Absolutes Eintragungshindernis – Hinreichend klare und eindeutige grafische Darstellung – Erforderlichkeit einer systematischen Anordnung, in der die Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden sind – Berechtigtes Vertrauen – Art. 4 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 4 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung [EU] 2017/1001)“
In den verbundenen Rechtssachen T‑101/15 und T‑102/15
Red Bull GmbH mit Sitz in Fuschl am See (Österreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Renck,
Klägerin,
unterstützt durch
Marques, mit Sitz in Leicester (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigte: zunächst R. Mallinson und F. Delord, dann M. Mallinson, Solicitors,
Streithelferin,
gegen
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch A. Folliard-Monguiral als Bevollmächtigten,
Beklagter,
andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:
Optimum Mark sp. z o.o. mit Sitz in Warschau (Polen), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Skubisz, M. Mazurek, J. Dudzik und E. Jaroszyńska-Kozłowska,
betreffend zwei Klagen gegen zwei Entscheidungen der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO vom 2. Dezember 2014 (Rechtssachen R 2037/2013-1 und R 2036/2013-1) zu zwei Nichtigkeitsverfahren zwischen Optimum Mark und Red Bull
erlässt
DAS GERICHT (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten M. Prek sowie der Richter E. Buttigieg und B. Berke (Berichterstatter),
Kanzler: J. Weychert, Verwaltungsrätin,
aufgrund der am 26. Februar 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschriften,
aufgrund der am 11. Juni 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortungen des EUIPO,
aufgrund der am 5. Juni 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortungen der Streithelferin,
aufgrund der am 1. September 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Erwiderungen in der Rechtssache T‑101/15,
aufgrund der am 19. November 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Gegenerwiderungen der Streithelferin,
aufgrund des Beschlusses vom 18. November 2015, Marques als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zuzulassen,
aufgrund der am 6. Januar und am 22. März 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Streithilfeschriftsätze von Marques,
aufgrund der am 22. März 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Stellungnahme der Klägerin,
aufgrund der am 21. März 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Stellungnahme des EUIPO,
aufgrund der am 22. März 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Stellungnahme der Streithelferin,
aufgrund des Beschlusses vom 9. Dezember 2016, die Rechtssachen T‑101/15 und T‑102/15 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung zu verbinden,
aufgrund der Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts,
auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 2017,
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Rechtssache T‑101/15
1 Am 15. Januar 2002 meldete die Klägerin, die Red Bull GmbH, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in ihrer geänderten Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. 2009, L 78, S. 1] in ihrer geänderten Fassung, die ihrerseits durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1] ersetzt wurde) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.
2 Bei der angemeldeten Marke (im Folgenden: erste angegriffene Marke) handelt es sich um die nachfolgend wiedergegebene Kombination zweier Farben als solcher:
3 Mit Mitteilung vom 30. Juni 2003 übermittelte die Klägerin zusätzliche Unterlagen zum Nachweis der durch Benutzung erlangten Unterscheidungskraft der ersten angegriffenen Marke. Am 11. Oktober 2004 legte die Klägerin die nachfolgende Beschreibung der ersten angegriffenen Marke vor: „Der beantragte Schutz umfasst die Farben Blau (RAL 5002) und Silber (RAL 9006) an sich. Das Verhältnis der beiden Farben ist ungefähr 50 %-50 %.“
4 Die Marke wurde für folgende Waren der Klasse 32 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „Energiegetränke“.
5 Die Anmeldung der Unionsmarke wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 10/2005 vom 7. März 2005 veröffentlicht. Die erste angegriffene Marke wurde am 25. Juli 2005 unter der Nr. 002534774 mit dem Hinweis auf ihre durch Benutzung erlangte Unterscheidungskraft und mit der oben in Rn. 3 angeführten Beschreibung eingetragen.
6 Am 20. September 2013 stellte die Streithelferin, die Optimum Mark sp. z o.o., einen Antrag auf Nichtigerklärung der ersten angegriffenen Marke nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 59 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001) in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. a, b und d dieser Verordnung (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. a, b und d der Verordnung 2017/1001) und Art. 52 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung (jetzt Art. 59 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001) für alle oben unter Rn. 4 angeführten Waren.
7 Der Antrag auf Nichtigerklärung war auf folgende Gründe gestützt:
– Die erste angegriffene Marke genüge nicht den Anforderungen von Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009, da ihre grafische Darstellung nicht die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen erfülle, wonach eine grafische Darstellung klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv und systematisch so angeordnet sein müsse, dass die Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden seien;
– die Formulierung der der Anmeldung der ersten angegriffenen Marke beigefügten Beschreibung lasse zahlreiche unterschiedliche Kombinationen für das Verhältnis der beiden Farben von „etwa“ 50 %-50 % und mithin zahlreiche Anordnungen zu, auf die sich die Verbraucher nicht mit Gewissheit für weitere Käufe beziehen könnten.
Rechtssache T‑102/15
8 Am 1. Oktober 2010 meldete die Klägerin gemäß der Verordnung Nr. 207/2009 beim EUIPO eine zweite Unionsmarke an. Bei der angemeldeten Marke (im Folgenden: zweite angegriffene Marke) handelt es sich um die nachfolgend wiedergegebene Kombination zweier Farben als solcher:
9 Die Marke wurde für folgende Waren der Klasse 32 des Abkommens von Nizza angemeldet: „Energiegetränke“.
10 Die Anmeldung der Unionsmarke wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 48/2010 vom 29. November 2010 veröffentlicht.
11 Am 22. Dezember 2010 erließ der Prüfer eine Mitteilung über die Nichteinhaltung der formalen Erfordernisse gemäß Regel 9 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1995, L 303, S. 1), in der er ausführte, dass in dem für die Beschreibung der Marke vorgesehenen Feld keine Verhältnisse für die Verwendung der jeweiligen Farbe auf den Waren angegeben worden seien und die Art und Weise, wie diese Farben in Erscheinung treten sollten, nicht klargestellt worden sei. Der Prüfer forderte die Klägerin auf, „die Verhältnisse für die Verwendung der beiden Farben (beispielsweise in gleichem Verhältnis) und die Art und Weise, wie sie in Erscheinung treten werden“, klarzustellen.
12 Am 10. Februar 2011 teilte die Klägerin dem Prüfer mit, dass sie „[g]emäß [seiner] Mitteilung vom 22. Dezember 2010 … das EUIPO davon in Kenntnis [setze], dass die beiden Farben in gleichem Verhältnis und nebeneinandergestellt verwendet werden“.
13 Die zweite angegriffene Marke wurde am 8. März 2011 aufgrund von durch Benutzung erlangter Unterscheidungskraft mit Angabe der Farben „Blau (Pantone 2747 C), Silber (Pantone 877 C)“ und der nachfolgenden Beschreibung eingetragen: „Die beiden Farben werden in gleichem Verhältnis und nebeneinandergestellt verwendet“.
14 Am 27. September 2011 stellte die Streithelferin einen Antrag auf Nichtigerklärung der zweiten angegriffenen Marke nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. a, b und d dieser Verordnung und Art. 52 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung für sämtliche von der angemeldeten Marke erfassten Waren.
15 Der Antrag auf Nichtigerklärung war auf die folgenden Gründe gestützt:
– Die zweite angegriffene Marke genüge nicht den Anforderungen von Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009, da ihre grafische Darstellung nicht die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen erfülle, wonach eine grafische Darstellung klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv und systematisch so angeordnet sein müsse, dass die Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden seien;
– da der Begriff „nebeneinandergestellt“ dahin verstanden werden könne, dass er „mit einem gemeinsamen Rand“ oder „nebeneinander platziert“ oder „zusammen behandelt, um eine Kontrastwirkung zu erzielen“ bedeute, enthalte die Beschreibung der zweiten angegriffenen Marke keine Angabe zur Art der Anordnung, nach der die beiden Farben auf den Waren zu verwenden seien, und sei daher nicht klar, eindeutig und in sich abgeschlossen.
Rechtssachen T‑101/15 und T‑102/15
16 Mit zwei Entscheidungen vom 9. Oktober 2013 erklärte die Nichtigkeitsabteilung die erste und die zweite angegriffene Marke (im Folgenden zusammen: angegriffene Marken) für nichtig, da deren grafische Darstellung „eine bloße abstrakte und konturlose Zusammenstellung zweier oder mehrerer Farben“ im Sinne des Urteils vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384, Rn. 34), darstelle, die nicht die nach Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 4 der Verordnung 2017/1001) erforderlichen Merkmale der Eindeutigkeit und Beständigkeit aufweise, da sie zahlreiche unterschiedliche Kombinationen zulasse, die es dem Verbraucher nicht erlaubten, eine bestimmte Kombination zu erkennen und in Erinnerung zu behalten, auf die er sich mit Gewissheit für weitere Käufe beziehen könne. Außerdem ermögliche sie es den zuständigen Behörden und den Wirtschaftsteilnehmern nicht, den Umfang der geschützten Rechte des Inhabers der angegriffenen Marken zu kennen. Anhand der grafischen Darstellung der angegriffenen Marken, zusammen mit der Beschreibung (in ihren beiden oben in den Rn. 3 und 13 angegebenen Varianten), könne keine spezifische Anordnung der Farben, die geeignet sei, eine bestimmte Kombination von in gleichem Verhältnis dargestellten Farben zu definieren, und somit nicht der Schutzgegenstand der angegriffenen Marken bestimmt werden. Demzufolge stehe diese Darstellung nicht in Einklang mit Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009. Eine solche Beschreibung müsse zwar nicht die Art und Weise beschreiben, wie eine Marke verwendet oder auf den verschiedenen Waren angebracht werde, sie solle jedoch den genauen Gegenstand des durch die Eintragung einer Marke gemäß dieser Bestimmung gewährten Schutzes festlegen. Im Übrigen führte die Nichtigkeitsabteilung aus, dass nach Regel 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 zwar keine Beschreibung einer grafischen Darstellung vorgelegt werden müsse, diese Regel jedoch nicht die Möglichkeit ausschließe, dass eine Marke von der Eintragung ausgeschlossen oder für nichtig erklärt werde, wenn das Vorliegen einer Beschreibung erforderlich sei, um die Vereinbarkeit der Eintragung einer Marke mit Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 sicherzustellen. Schließlich wies die Nichtigkeitsabteilung darauf hin, dass das EUIPO nicht an seine früheren Entscheidungen, sondern nur durch den Grundsatz der Rechtmäßigkeit gebunden sei, und führte abschließend aus, dass sie die weiteren von der Streithelferin geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nicht prüfen werde, da dem Antrag auf Nichtigerklärung gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 in vollem Umfang stattgegeben worden sei.
17 Am 17. Oktober 2013 legte die Klägerin gegen die beiden Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung zwei Beschwerden ein und reichte am 10. Februar 2014 ihre Beschwerdebegründungen ein.
18 Mit zwei Entscheidungen vom 2. Dezember 2014 (im Folgenden: angefochtene Entscheidungen) wies die Erste Beschwerdekammer des EUIPO die beiden Beschwerden als unbegründet zurück, da die angegriffenen Marken unter Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Art. 4 dieser Verordnung eingetragen worden seien. Die Beschwerdekammer begründete diese beiden Entscheidungen auf der Grundlage einer identischen Argumentation.
19 Zum einen ging die Beschwerdekammer davon aus, dass sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes, gegen den die Nichtigkeitsabteilung verstoßen habe, berufen könne, da der Umstand, dass der Prüfer die Einfügung einer Beschreibung der Marke verlangt und deren Formulierung akzeptiert und sogar vorgeschlagen habe, keinen präzisen, nicht an Bedingungen geknüpften und übereinstimmenden Auskünften entspreche, auf die sie ihr berechtigtes Vertrauen hätte stützen können. Zudem habe es zum Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marken innerhalb des EUIPO keine gängige Praxis zur Eintragung von Unionsfarbmarken per se gegeben, und in jedem Fall entspreche eine etwaige Praxis, so gängig sie auch sein möge, keinen präzisen, nicht an Bedingungen geknüpften und übereinstimmenden Auskünften und sei für die Beurteilung, ob die grafische Darstellung der Anforderung von Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 entspreche, irrelevant.
20 Zum anderen vertrat die Beschwerdekammer die Ansicht, dass die Nichtigkeitsabteilung zu Recht davon ausgegangen sei, dass die angegriffenen Marken unter Verstoß gegen Art. 4 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 eingetragen worden seien.
21 Erstens wies die Beschwerdekammer darauf hin, dass der Umstand, dass ein Zeichen durch Benutzung Unterscheidungskraft erlangt habe, es nicht ermögliche, die Anforderungen von Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 außer Kraft zu setzen. Ziel dieser Vorschrift sei es, den genauen Gegenstand des Schutzes zu bestimmen, den eine Unionsmarke ihrem Inhaber gewähre, um zu verhindern, dass das Markenrecht der Europäischen Union zur Erlangung eines unlauteren Wettbewerbsvorteils missbraucht werde, und um den zuständigen Behörden die Möglichkeit zu geben, klar und eindeutig die Ausgestaltung der eingetragenen Zeichen zu erkennen und es den Wirtschaftsteilnehmern zu ermöglichen, durch Zugang zu dem von diesen Behörden geführten öffentlichen Register über genaue Auskünfte zu den Rechten Dritter zu verfügen.
22 Zweitens erkannte die Beschwerdekammer die Eintragungsfähigkeit von Farbmarken per se an und wies auf die Rechtsprechung hin, nach der eine Beschreibung erforderlich sein kann, um die Anforderungen von Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 zu erfüllen. Werde der grafischen Darstellung eine solche Beschreibung beigefügt, so bilde sie einen Bestandteil der grafischen Darstellung.
23 Was drittens die Kombinationen zweier oder mehrerer Farben als solcher anbelangt, hat die Beschwerdekammer in Rn. 45 der angefochtenen Entscheidungen die Auffassung vertreten, dass das Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), einen allgemeinen Grundsatz zur Auslegung von Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 aufgestellt habe, wonach die Farbkombinationen, um den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen hinsichtlich Eindeutigkeit und Dauerhaftigkeit zu entsprechen, systematisch so angeordnet sein müssten, dass die Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden seien. Mit diesem allgemeinen Grundsatz solle vermieden werden, dass eine grafische Darstellung, die zahlreiche unterschiedliche Kombinationen zulasse, es dem Durchschnittsverbraucher nicht erlaube, sich mit Gewissheit für weitere Käufe auf sie zu beziehen. Daher führte sie in Rn. 48 der angefochtenen Entscheidungen aus, dass zum einen die grafische Darstellung der angegriffenen Marken und zum anderen die ihnen beigefügte Beschreibung (in ihren beiden oben in den Rn. 3 und 13 angegebenen Varianten), die zusammen zu prüfen seien, durch die Angabe eines bloßen Nebeneinanderstellens zweier anhand von Codes bezeichneten Farben und der Verhältnisse, in denen diese dargestellt würden, die Anordnung dieser beiden Farben nach zahlreichen unterschiedlichen Kombinationen zuließen, die einen sehr unterschiedlichen Gesamteindruck vermittelten. Die angegriffenen Marken seien somit nicht hinreichend eindeutig und beständig.
24 Viertens stellte die Beschwerdekammer in der in der Rechtssache T‑101/15 angefochtenen Entscheidung fest, dass nicht entschieden zu werden brauche, ob die – durch den Begriff „ungefähr“ – erfolgte ungefähre Angabe der Verhältnisse der Farben im Hinblick auf Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 ausreiche, da die Beschreibung auch ohne diesen Begriff nicht eindeutig sei.
25 Soweit die Klägerin vortrug, dass die grafische Darstellung der angemeldeten Marke hinreichend eindeutig sei, da sie die Farben Blau auf der linken Seite und Silber auf der rechten Seite abbilde und diese nebeneinandergestellt, nämlich durch eine zentrale vertikale Linie im gleichen Verhältnis geteilt seien, ging die Beschwerdekammer fünftens in Rn. 50 der in der Rechtssache T‑101/15 angefochtenen Entscheidung und in Rn. 49 der in der Rechtssache T‑102/15 angefochtenen Entscheidung davon aus, dass dieser Darstellung eine ausdrückliche Beschreibung in diesem Sinne hätte beigefügt werden müssen. Ohne eine solche ausdrückliche Beschreibung lasse die grafische Darstellung der angegriffenen Marken unterschiedliche Anordnungen zu.
26 Sechstens wies die Beschwerdekammer das Argument der Klägerin zurück, das EUIPO hätte ihr gestatten müssen, die Anmeldungen der in Rede stehenden Marke abzuändern, um den festgestellten Mängeln abzuhelfen, da Regel 9 der Verordnung Nr. 2868/95 nicht als Rechtsgrundlage dafür dienen könne.
Anträge der Verfahrensbeteiligten
27 Die Klägerin, unterstützt durch den Verband Marques (im Folgenden: streithelfender Verband), beantragt,
– die angefochtenen Entscheidungen für nichtig zu erklären;
– die vorliegenden Rechtssachen zur Prüfung gemäß Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001) an das EUIPO zurückzuverweisen;
– dem EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.
28 Das EUIPO beantragt,
– die Klagen abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
29 Die Streithelferin beantragt,
– die Klagen abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten einschließlich der ihr entstandenen Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
30 Zur Stützung ihrer Klagen macht die Klägerin zwei Klagegründe geltend, nämlich erstens einen Verstoß gegen Art. 4 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 sowie einen Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung sowie zweitens einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes.
Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 4 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 sowie Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung
31 Als Erstes macht die Klägerin, unterstützt durch den streithelfenden Verband, geltend, dass die angegriffenen Marken den Anforderungen gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 entsprächen und dass die Beschwerdekammer das Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), zu eng ausgelegt habe, was zu einer unverhältnismäßigen und diskriminierenden Behandlung allein der Farbmarken per se gegenüber anderen Markenformen geführt habe. Nach Ansicht der Klägerin ist dieses Urteil auf die Anmeldung von Marken wie die angegriffenen Marken nicht anwendbar. Erstens sei es nur auf die Anmeldung von Farbkombinationen als solchen mit einer Beschreibung anwendbar, mit der – anders als die Beschreibung der angegriffenen Marken – ausdrücklich ein Schutz „in jeglichen denkbaren Formen“ beansprucht werde. Zweitens werde in Rn. 34 dieses Urteils in der Verfahrenssprache, d. h. in der deutschen Fassung, in der der Begriff „Zusammenstellung“ verwendet werde, ausschließlich eine „willkürliche Kombination“ von zwei oder mehr Farben beanstandet und kein „Nebeneinanderstellen“, wobei es sich um den in der französischen Fassung gebrauchten Begriff handele, der dagegen auf eine „eindeutige Kombination“ Bezug nehme. Die grafische Darstellung der angegriffenen Marken sei eine solche eindeutige Kombination und keine willkürliche Kombination.
32 Als Zweites habe die Beschwerdekammer eine detaillierte Beschreibung der Art und Weise der Verwendung der Farben auf den Waren und mithin der von ihr beabsichtigten tatsächlichen Benutzung der angegriffenen Marken gefordert, wobei es sich um eine für Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 oder für Art. 15 dieser Verordnung (jetzt Art. 18 der Verordnung 2017/1001) relevante Frage handele, während die Frage, ob die Eintragung eines Zeichens als Unionsmarke mit Art. 4 dieser Verordnung vereinbar sei, eine abstrakte Prüfung der Eindeutigkeit der grafischen Darstellung erfordere. Außerdem sei eine solche Beschreibung kein gesetzliches Erfordernis und gäbe dem in Rede stehenden Zeichen die Eigenschaft einer Bildmarke.
33 Was als Drittes diese Beschreibung anbelange, liefe die Anerkennung der Erforderlichkeit einer „ausdrücklichen“ Beschreibung der tatsächlichen Benutzung einer Farbmarke per se darauf hinaus, eine zusätzliche Bedingung für die Eintragung dieser Markenform aufzustellen, die kein gesetzliches Erfordernis für die Eintragung einer Unionsmarke im Licht der einschlägigen Rechtsvorschriften und anwendbaren Rechtsprechung sei, auch nicht für andere „nicht klassische Marken“ wie dreidimensionale Marken oder Klangmarken oder für klassische Wort- oder Bildmarken verlangt werde und auch in früheren Entscheidungen des EUIPO oder in der Rechtsprechung nie verlangt worden sei. Die Beschwerdekammer habe somit auch gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung der verschiedenen Markenformen verstoßen.
34 Für die Eintragung einer aus einer Kombination von Farben als solchen bestehenden Unionsmarke sei es gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 nämlich ausreichend, dass eine solche Marke als Marke dieser Art beansprucht werde, dass sie grafisch dargestellt werde und dass die Farben unter Bezugnahme auf international anerkannte Kennzeichnungscodes für Farben identifiziert seien. Die Regel „Das, was Sie sehen, ist das, was Sie bekommen“ vermittle visuell die restlichen, für die Identifikation der in Rede stehenden Marke erforderlichen Faktoren.
35 Das EUIPO und die Streithelferin treten diesen Rügen entgegen.
36 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die verschieden im Rahmen des ersten Klagegrundes geltend gemachten Rügen im Wesentlichen in drei Teile untergliedert werden können. Der erste Teil betrifft den Verstoß gegen Art. 4 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009, der zweite den Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und der dritte den Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Zum ersten Teil: Verstoß gegen Art. 4 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009
37 Nach Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 können Unionsmarken alle Zeichen sein, die sich grafisch darstellen lassen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und die Form oder Aufmachung der Ware, soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.
38 Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 sind Zeichen, die nicht unter Art. 4 dieser Verordnung fallen, nicht als Unionsmarke eintragungsfähig.
39 Nach der Rechtsprechung müssen Farben oder Farbzusammenstellungen drei Voraussetzungen erfüllen, um eine Unionsmarke im Sinne von Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 sein zu können. Erstens müssen sie ein Zeichen sein. Zweitens muss sich dieses Zeichen grafisch darstellen lassen. Drittens muss dieses Zeichen geeignet sein, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. entsprechend Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie, C‑49/02, EU:C:2004:384, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).
40 Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, sind Farben gewöhnlich eine bloße Eigenschaft von Gegenständen. Selbst in dem speziellen Bereich des Handelsverkehrs werden Farben und Farbzusammenstellungen im Allgemeinen wegen ihrer Anziehungskraft oder schmückenden Wirkung verwendet, ohne irgendeine Bedeutung zu vermitteln. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass Farben oder Farbzusammenstellungen in Verbindung mit einer Ware oder einer Dienstleistung ein Zeichen sein können (vgl. Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie, C‑49/02, EU:C:2004:384, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).
41 Für die Zwecke der Anwendung von Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 muss festgestellt werden, dass die Farben oder Farbzusammenstellungen, deren Eintragung beantragt wird, sich in dem Zusammenhang, in dem sie verwendet werden, tatsächlich als Zeichen darstellen. Mit diesem Erfordernis soll insbesondere ausgeschlossen werden, dass Marktteilnehmer das Markenrecht missbrauchen, um sich einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu verschaffen (vgl. entsprechend Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie, C‑49/02, EU:C:2004:384, Rn. 24).
42 Was ferner das Erfordernis der grafischen Darstellbarkeit eines Zeichens im Sinne von Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 anbelangt, ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die grafische Darstellung es ermöglichen muss, das Zeichen insbesondere mit Hilfe von Figuren, Linien oder Schriftzeichen sichtbar so wiederzugeben, dass es genau identifiziert werden kann (vgl. entsprechend Urteil vom 12. Dezember 2002, Sieckmann, C‑273/00, EU:C:2002:748, Rn. 46).
43 Um ihrer Funktion gerecht werden zu können, muss die grafische Darstellung im Sinne von Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 im Übrigen klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv sein (vgl. entsprechend Urteil vom 12. Dezember 2002, Sieckmann, C‑273/00, EU:C:2002:748, Rn. 47 bis 55).
44 Diese Auslegung ist geboten, um die Funktionsfähigkeit des Systems der Eintragung der Unionsmarken zu gewährleisten. Das Erfordernis der grafischen Darstellung dient insbesondere dem Zweck, die Marke selbst festzulegen, um den genauen Gegenstand des Schutzes zu bestimmen, den die eingetragene Marke ihrem Inhaber gewährt. Die Marke soll nämlich durch ihre Eintragung in ein öffentliches Register den zuständigen Behörden und der Öffentlichkeit, insbesondere den Wirtschaftsteilnehmern, zugänglich gemacht werden. Zum einen müssen die zuständigen Behörden klar und eindeutig die Ausgestaltung der Zeichen erkennen können, aus denen eine Marke besteht, damit sie in der Lage sind, ihren Verpflichtungen in Bezug auf die Vorprüfung der Markenanmeldungen sowie auf die Veröffentlichung und den Fortbestand eines zweckdienlichen und genauen Markenregisters nachzukommen. Zum anderen müssen die Wirtschaftsteilnehmer in der Lage sein, klar und eindeutig in Erfahrung zu bringen, welche Eintragungen oder Anmeldungen ihre gegenwärtigen oder potenziellen Wettbewerber veranlasst haben, und auf diese Weise einschlägige Informationen über die Rechte Dritter zu erlangen (vgl. entsprechend Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie, C‑49/02, EU:C:2004:384, Rn. 26 bis 30).
45 Demnach erfüllt ein Zeichen seine Rolle als eingetragene Unionsmarke nur dann, wenn es Gegenstand einer genauen, beständigen und dauerhaften Wahrnehmung sein kann, die die Herkunftsfunktion dieser Marke gewährleistet (vgl. Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie, C‑49/02, EU:C:2004:384, Rn. 31 und 32).
46 Was Marken anbelangt, die aus einer Farbe als solcher bestehen, hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Farbmuster für sich allein keine grafische Darstellung im Sinne von Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 darstellt. Dagegen ist die sprachliche Beschreibung einer Farbe dadurch, dass sie in Worte, die wiederum aus Buchstaben bestehen, gefasst ist, eine grafische Darstellung der Farbe, sofern sie die oben in den Rn. 44 und 45 aufgeführten Bedingungen erfüllt (vgl. entsprechend Urteil vom 6. Mai 2003, Libertel, C‑104/01, EU:C:2003:244, Rn. 33 bis 35).
47 Was Marken anbelangt, die aus einer Kombination zweier oder mehrerer Farben als solcher bestehen, hat der Gerichtshof klargestellt, dass eine grafischen Darstellung von zwei oder mehr abstrakt und konturlos beanspruchten Farben, um die oben in den Rn. 44 und 45 aufgeführten Bedingungen zu erfüllen, systematisch so angeordnet sein muss, dass die betreffenden Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden sind. Die bloße form- und konturlose Zusammenstellung zweier oder mehrerer Farben oder die Nennung zweier oder mehrerer Farben „in jeglichen denkbaren Formen“ weist nicht die nach Art. 4 der Richtlinie Nr. 207/2009 erforderlichen Merkmale der Eindeutigkeit und Beständigkeit auf. Solche Darstellungen ließen nämlich zahlreiche unterschiedliche Kombinationen zu, die es dem Verbraucher nicht erlaubten, eine bestimmte Kombination zu erkennen und in Erinnerung zu behalten, auf die er sich mit Gewissheit für weitere Käufe beziehen könnte, und es auch den zuständigen Behörden und den Wirtschaftsteilnehmern nicht ermöglichten, den Umfang der geschützten Rechte des Markeninhabers zu kennen (vgl. entsprechend Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie, C‑49/02, EU:C:2004:384, Rn. 33 bis 35).
48 Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die angefochtenen Entscheidungen Beurteilungsfehler aufweisen.
49 Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in Rn. 53 der in der Rechtssache T‑101/15 angefochtenen Entscheidung und in Rn. 52 der in der Rechtssache T‑102/15 angefochtenen Entscheidung die Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung bestätigt, durch die die angegriffenen Marken auf der Grundlage von Art. 4 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 für nichtig erklärt wurden, da sie nicht als hinreichend eindeutig angesehen werden könnten. Die Beschwerdekammer hat ihre Schlussfolgerung auf die gemeinsame Analyse der grafischen Darstellung und der jeder der angegriffenen Marken beigefügten Beschreibung gestützt. Da sich die Beschreibung bis auf die Nennung zweier Farben auf die Angabe eines Verhältnisses zwischen diesen Farben beschränkt habe, ging die Beschwerdekammer davon aus, dass die bloße Angabe dieses Verhältnisses die Anordnung der beiden Farben nach zahlreichen unterschiedlichen Kombinationen zulasse und die Farben demnach nicht, wie in Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 entsprechend seiner Auslegung durch das Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), gefordert, in vorher festgelegter und beständiger Weise verbinde.
50 Als Erstes macht die Klägerin, unterstützt durch den streithelfenden Verband, im Wesentlichen geltend, dass die von der Beschwerdekammer vorgenommene Auslegung des Urteils vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), und die Art und Weise, wie sie es im vorliegenden Fall angewandt habe, fehlerhaft seien.
51 Die Klägerin ist insbesondere der Ansicht, dass das Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), ausschließlich auf eine grafische Darstellung, die in einer bloßen willkürlichen und unbestimmten „Kombination“ von Farben bestehe, anzuwenden sei, und nicht den Fall eines Nebeneinanderstellens von Farben, die keine bloße „Kombination“ im Sinne dieses Urteils darstelle, erfasse. Außerdem betreffe dieses Urteil in erster Linie die Frage der Beanspruchung von Schutz für zwei Farben „in jeglichen denkbaren Formen“. Das in Rn. 34 des Urteils vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), verwendete Wort „oder“ müsse daher im Licht des Ausdrucks „in jeglichen denkbaren Formen“ geprüft werden. Daraus folge, dass ein aneinander angrenzendes Nebeneinanderstellen zweier Farben, zusammen mit der angemessenen Angabe des als Prozentsatz ausgedrückten Verhältnisses zwischen diesen nicht bedeute, dass eine grafische Darstellung unklar oder nicht eindeutig sei, es sei denn, diesen Parametern werde in der zeitgleich eingereichten Beschreibung klar widersprochen. Die beiden Elemente seien daher kumulativ zu beurteilen. Die angegriffenen Marken bestünden nicht in einer bloßen Kombination von Farben, und ihre Anmeldung beanspruche keinen Schutz „in jeglichen denkbaren Formen“. Das genannte Urteil dürfe daher nicht auf den vorliegenden Fall angewandt werden.
52 Nach Ansicht des streithelfenden Verbands ist das Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), auf zwei Arten grafischer Darstellungen anwendbar: zum einen auf Zeichen, die aus einer bloßen form- und konturlosen Zusammenstellung (als „bloße Kombination“ auszulegen) zweier oder mehrerer Farben bestünden und zum anderen auf Zeichen, die aus zwei oder mehreren Farben bestünden, für die angegeben werde, dass sie „in jeglichen denkbaren Formen“ wiedergegeben würden. Rn. 34 dieses Urteils betreffe mithin zwei alternative Situationen, und die angegriffenen Marken würden von keiner dieser Situationen erfasst.
53 Die Argumentation der Klägerin und des streithelfenden Verbands zur Tragweite des Urteils vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), ist zurückzuweisen, da sie auf einer unzutreffenden Auslegung dieses Urteils beruht.
54 Die oben in Rn. 47 angeführten Rn. 33 bis 35 des Urteils vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), müssen nämlich zusammen und im Licht der in den Rn. 24 und 26 bis 30 dieses Urteils dargelegten Grundsätze, die oben in den Rn. 41 und 44 angeführt werden, gelesen werden.
55 Daraus ergibt sich, dass es zur genauen Bestimmung des Gegenstands des durch eine Unionsmarke, die aus einer Kombination von Farben als solchen besteht, gewährten Schutzes erforderlich ist, dass diese Farben gemäß einer spezifischen Anordnung oder einem spezifischen Schema dargestellt werden, durch die die Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden sind, um zahlreiche unterschiedliche Kombinationen dieser Farben zu verhindern, die es, wie der Gerichtshof in Rn. 35 des Urteils vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), ausgeführt hat, dem Verbraucher nicht erlauben würden, eine bestimmte Kombination zu erkennen und in Erinnerung zu behalten.
56 Eine solche Bedingung ist erstens vereinbar mit der Notwendigkeit, dass eine Marke ihre Funktion als Herkunftshinweis erfüllen kann, indem sie von den Verbrauchern, wenn sie auf den Waren angebracht wurde, wahrgenommen und erkannt werden kann, wobei zu berücksichtigen ist, dass Farben gewöhnlich eine bloße Eigenschaft von Gegenständen sind und im Allgemeinen wegen ihrer Anziehungskraft oder schmückenden Wirkung verwendet werden, ohne irgendeine Bedeutung zu vermitteln, zweitens mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit in dem Sinne, dass sie den zuständigen Behörden und den Wirtschaftsteilnehmern erlaubt, klar und eindeutig die Ausgestaltung der Zeichen, aus denen eine Marke besteht, und die Rechte Dritter zu erkennen, und drittens mit dem Erfordernis, die ungerechtfertigte Beschränkung der Verfügbarkeit der Farben in den Geschäftspraktiken durch die Schaffung von Monopolen zugunsten eines einzelnen Unternehmens zu vermeiden.
57 Daher ist zu prüfen, ob die angegriffenen Marken zahlreiche unterschiedliche Kombinationen der in Rede stehenden beiden Farben im Sinne von Rn. 35 des Urteils vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), zulassen.
58 Die grafische Darstellung der angegriffenen Marken besteht aus dem vertikalen Nebeneinanderstellen der beiden Farben Blau und Silber im Verhältnis 50 %-50 %. Dieser grafischen Darstellung ist eine für die beiden Fälle jeweils unterschiedliche Beschreibung beigefügt. Die Beschreibung der ersten angegriffenen Marke, die Gegenstand der Rechtssache T‑101/15 ist, identifiziert die beiden Farben unter Bezugnahme auf den international anerkannten Kennzeichnungscode für Farben „RAL“ und stellt klar, dass ihr Verhältnis „ungefähr 50 %-50 %“ ist. Die Beschreibung der zweiten angegriffenen Marke, die Gegenstand der Rechtssache T‑102/15 ist, identifiziert die beiden Farben unter Bezugnahme auf den international anerkannten Kennzeichnungscode für Farben „Pantone“ und stellt klar, dass die Farben „in gleichem Verhältnis und nebeneinandergestellt verwendet [werden]“.
59 Es ist jedoch zum einen davon auszugehen, dass die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt hat, dass die grafische Darstellung der angegriffenen Marken in einer bloßen form- und konturlosen Zusammenstellung zweier Farben bestand, die mehrere unterschiedliche Kombinationen der beiden Farben zuließ.
60 Zum anderen ist davon auszugehen, dass die Beschwerdekammer ebenfalls zu Recht festgestellt hat, dass die Beschreibungen, die der grafischen Darstellung jeder der angegriffenen Marken beigefügt worden war, keine zusätzliche Klarstellung hinsichtlich der systematischen Anordnung, in der die Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden werden und durch die mehrere unterschiedliche Kombinationen dieser Farben ausgeschlossen werden, wie dies gemäß dem Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), erforderlich ist, verschafften.
61 Diese Schlussfolgerungen werden nicht durch die verschiedenen von der Klägerin, unterstützt durch den streithelfenden Verband, vorgebrachten Argumente in Frage gestellt.
62 Erstens sind die Argumente der Klägerin und des streithelfenden Verbands hinsichtlich der Auslegung des Begriffs „Zusammenstellung“ in den verschiedenen Sprachfassungen der Rn. 34 des Urteils vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), als ins Leere gehend zurückzuweisen, da der Begriff „Nebeneinanderstellen“ zwar nicht, wie die Klägerin und der streithelfende Verband vortragen, auf eine beliebige und willkürliche Kombination verweist, aber auch nicht zwangsläufig eine systematische Anordnung im Sinne von Rn. 33 des Urteils vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), darstellt. Zwar stellt das Nebeneinanderstellen klar, dass zwei oder mehrere Farben direkt nebeneinander platziert werden, eine solche Platzierung kann jedoch in mehreren unterschiedlichen Anordnungen erfolgen. Dieses Nebeneinanderstellen kann somit verschiedene Formen annehmen, die zu verschiedenen Bildern oder Schemata führen, die alle ein „Verhältnis von ungefähr 50 %-50 %“ bzw. ein „gleiches Verhältnis“ einhalten.
63 Die durch die Angabe der Verhältnisse in der Beschreibung der angegriffenen Marken hinzugefügte Information besteht nur darin, dass jede der Farben unabhängig von der Form des Nebeneinanderstellens die Hälfte des von den beiden Farben eingenommenen Raumes einnimmt. Daraus folgt, dass auch die von der Klägerin, unterstützt durch den streithelfenden Verband, vertretene Auslegung des Urteils vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), wonach die Klarstellung im Hinblick auf das Verhältnis oder den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Farben ausreichend sei, um dem in dem genannten Urteil genannten Erfordernis einer systematischen Anordnung zu entsprechen, zurückzuweisen ist.
64 Die nicht vorher festgelegte und beständige Anordnung zweier Farben kann nämlich nicht nur auf unterschiedlichen Verhältnissen beruhen, sondern auch auf der unterschiedlichen räumlichen Position dieser in demselben Verhältnis wiedergegebenen Farben.
65 Zweitens ist das Vorbringen des streithelfenden Verbands zurückzuweisen, dass das vertikale Nebeneinanderstellen der beiden Farbstreifen, in Blau auf der linken Seite und in Silber auf der rechten Seite, in einem ungefähr gleichen Verhältnis, die einzige systematische Anordnung darstelle, in der die Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden seien. Oben in den Rn. 54 bis 60 wurde nämlich festgestellt, dass die grafische Darstellung zweier nebeneinandergestellter Farben, zusammen mit der prozentualen Angabe ihres jeweiligen Verhältnisses, im vorliegenden Fall nicht ausreichend ist, um die systematische Anordnung dieser Farben zu bestimmen. Im Übrigen ist festzustellen, dass die Klägerin ihren Anmeldungen, die auf der Grundlage der durch die Benutzung der angegriffenen Marken erlangten Unterscheidungskraft eingereicht worden waren, Beweise beigefügt hat, die diese Marken in einer im Vergleich zu dem vertikalen Nebeneinanderstellen der beiden Farben, wie es in der grafischen Darstellung dieser Anmeldungen gezeigt wird, sehr unterschiedlichen Art und Weise wiedergeben.
66 Die Klägerin geht somit selbst davon aus, dass die angegriffenen Marken, bei denen es sich um abstrakt definierte Farbmarken per se handelt, einen Schutz gewähren, der verschiedene Anordnungen der Farben Blau und Silber und nicht nur – wie der streithelfende Verband ausführt – eine aus zwei gleichen vertikalen Streifen bestehende Anordnung, einer in Blau auf der linken Seite und einer in Silber auf der rechten Seite, erfasst. Die Klägerin räumt somit ein, dass die grafische Darstellung der angegriffenen Marken, so wie sie eingetragen wurden, eine Vielzahl von Wiedergaben zulässt, die weder vorher festgelegt noch beständig sind.
67 Dies ist genau das Ergebnis, das mit dem Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), verhindert werden soll, da es mit den Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 zugrunde liegenden Zielen unvereinbar ist, die oben in den Rn. 41 und 44 aufgeführt wurden und die darin bestehen, die Funktion der Marke und die Möglichkeit für die Verbraucher zu gewährleisten, eine Marke wahrzunehmen, zu erkennen und in Erinnerung zu behalten, was impliziert, dass diese visuell so in Erscheinung tritt, wie sie eingetragen wurde.
68 Wäre es drittens, wie der streithelfende Verband ausführt, für die Gewährleistung der nach Art. 4 der Richtlinie Nr. 207/2009 erforderlichen Merkmale der Eindeutigkeit und Beständigkeit ausreichend, die Regel „Das, was Sie sehen, ist das, was Sie bekommen“ anzuwenden, so wäre daraus der Schluss zu ziehen, dass das vertikale Nebeneinanderstellen von zwei gleichen Streifen, einer in Blau auf der linken Seite und einer in Silber auf der rechten Seite, die einzige Anordnung ist, die vom durch die Eintragung der angegriffenen Marken gewährten Schutz erfasst wird. Wie sich aus der vorstehenden Rn. 65 ergibt, kann dies jedoch nicht der Fall sein.
69 Vielmehr verlangt gerade die Anwendung dieser Regel, dass die grafische Darstellung, so wie sie eingetragen wurde und sichtbar ist („Das, was Sie sehen“), der einzige Gegenstand des von den angegriffenen Marken gewährten Schutzes ist („das, was Sie bekommen“). In diesem Sinne trägt das Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), zur Klarstellung der praktischen Konsequenzen bei, die im Hinblick auf die Eintragungsvoraussetzungen von Farbmarken per se aus dieser Regel zu ziehen sind.
70 Viertens läuft im vorliegenden Fall die Anwendung des Urteils vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), durch die Beschwerdekammer entgegen dem Vortrag der Klägerin und des streithelfenden Verbands nicht auf eine Leugnung der Existenz oder der Eintragungsfähigkeit dieser Art von Marken unter Verstoß gegen Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 in der durch die Verordnung (EU) 2015/2424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Änderung der Verordnung Nr. 207/2009 und der Verordnung Nr. 2868/95 und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2869/95 der Kommission über die an das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) zu entrichtenden Gebühren (ABl. 2015, L 341, S. 21) geänderten Fassung hinaus, wonach Unionsmarken Zeichen aller Art sein können, insbesondere Wörter, einschließlich Personennamen, oder Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Farben, die Form oder Verpackung der Ware oder Klänge, soweit solche Zeichen geeignet sind, zum einen Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden und zum anderen in dem Register der Unionsmarken in einer Weise dargestellt zu werden, dass die zuständigen Behörden und das Publikum den Gegenstand des dem Inhaber einer solchen Marke gewährten Schutzes klar und eindeutig bestimmen können. Diese Verordnung gilt jedoch erst ab dem 1. Oktober 2017.
71 Hierzu genügt es nämlich, dass der Inhaber der Marke eine grafische Darstellung der Marke einreicht, die genau dem Gegenstand des Schutzes entspricht, den er erreichen möchte. Dagegen ist es dem Inhaber untersagt, eine grafische Darstellung einzureichen und dabei in unmittelbarem Widerspruch zur Regel „Das, was Sie sehen, ist das, was Sie bekommen“ einen Schutz zu beanspruchen, der über den durch diese Darstellung gewährten Schutz hinausgeht oder dieser Darstellung nicht entspricht.
72 Fünftens räumt die Klägerin ein, wobei sie sich auf die Stellungnahme eines Beraters stützt, dass das gültige Ziel der Beschreibung eines Zeichens darin bestehe, in der Praxis eine einheitliche Wiedergabe der Marke zu gewährleisten, wobei etwaige, jedoch unvermeidbare „geringe Unterschiede“ bei der gewerblichen Wiedergabe des Zeichens zulässig seien. Im vorliegenden Fall ist jedoch festzustellen, dass die Unterschiede zwischen den angegriffenen Marken, wie sie dargestellt und beschrieben werden, und der Art und Weise, wie sie wiedergegeben werden, nicht gering sind, da das Nebeneinanderstellen zweier gleicher vertikaler Streifen, einer in Blau auf der linken Seite und einer in Silber auf der rechte Seiten, in keiner Weise auf den Waren der Klägerin wiedergegeben wird.
73 Sechstens gehen die Klägerin und der streithelfende Verband davon aus, die Beschreibung einer systematischen Anordnung der den Gegenstand einer aus einer Kombination von Farben als solchen bestehenden Marke zu verlangen, liefe im Wesentlichen auf eine Aufhebung der Unterscheidung zwischen Farbmarken per se und Bildmarken hinaus.
74 Dieser Vorwurf greift nicht durch. Auch wenn nämlich die Darstellung oder die Beschreibung der eindeutigen Anordnung der Farben dazu beiträgt, eine Farbmarke per se einer Bildmarke anzunähern, bleibt der Gegenstand des von diesen Kategorien von Marken gewährten Schutzes dennoch unterschiedlich.
75 Wie die Streithelferin zudem zu Recht hervorhebt, kann die Farbmarke per se unabhängig von der Form und der Verpackung der von ihr erfassten Waren konturlos auf deren gesamter Fläche angebracht werden, was für die Bildmarken nicht der Fall ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 2015, Enercon/HABM [Abstufung der Farbe Grün in fünf Töne], T‑655/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:49, Rn. 16). Da der von einer Farbmarke gewährte Schutz über den von einer Bildmarke gewährten Schutz hinausgeht, wird ein Unternehmen daher stets ein Interesse an der Eintragung einer Farbmarke behalten.
76 Als Zweites macht die Klägerin geltend, erstens ergebe sich die Verpflichtung zur Angabe einer ausdrücklichen Beschreibung, wie sie von der Beschwerdekammer in Rn. 50 der in der Rechtssache T‑101/15 angefochtenen Entscheidung und in Rn. 49 der in der Rechtssache T‑102/15 angefochtenen Entscheidung formuliert worden sei, weder aus den einschlägigen Vorschriften noch aus der Rechtsprechung, zweitens sei die Rechtsprechung niemals davon ausgegangen, dass diese Beschreibung die tatsächliche Benutzung der in Rede stehenden Marke erfassen müsse, und drittens verstoße ein solches Erfordernis, wenn es ausschließlich auf Farbmarken per se angewandt werde, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Die Beschwerdekammer habe somit eine zusätzliche Eintragungsvoraussetzung ausschließlich für Farbmarken per se geschaffen, die nicht in Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehen sei.
77 Vorab ist klarzustellen, dass die Beschwerdekammer in den angefochtenen Entscheidungen nicht angegeben hat, dass eine Verpflichtung zur Angabe einer ausdrücklichen Beschreibung der angemeldeten Marke bestehe. Sie hat nur festgestellt, dass „im vorliegenden Fall“ eine ausdrückliche Beschreibung erforderlich sei.
78 Was die Frage anbelangt, ob die Beschwerdekammer zu Recht davon ausgehen konnte, dass im vorliegenden Fall eine ausdrückliche Beschreibung der angegriffenen Marken erforderlich war, ist erstens darauf hinzuweisen, dass nach Regel 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 die Anmeldung „eine Beschreibung der Marke enthalten [kann]“.
79 Wie die Beschwerdekammer in Rn. 48 der angefochtenen Entscheidungen zu Recht festgestellt hat, muss dann, wenn eine Anmeldung eine Beschreibung enthält, diese Beschreibung zusammen mit der grafischen Darstellung geprüft werden.
80 Außerdem hat die Beschwerdekammer in Rn. 43 der angegriffenen Entscheidungen zu Recht darauf hingewiesen, dass sich aus dem Urteil vom 6. Mai 2003, Libertel (C‑104/01, EU:C:2003:244), ergibt, dass eine Beschreibung eines Zeichens erforderlich sein kann, um den Anforderungen von Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 zu genügen.
81 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die systematische Anordnung, in der die Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden werden, nicht aus der grafischen Darstellung ergibt und diese grafische Darstellung demnach, wie oben in Rn. 59 festgestellt, keine klare Definition des Schutzgegenstands erlaubt.
82 Die Beschwerdekammer hat daher in Rn. 50 der in der Rechtssache T‑101/15 angefochtenen Entscheidung und in Rn. 49 der in der Rechtssache T‑102/15 angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt, dass im vorliegenden Fall die Angabe einer ausdrücklichen Beschreibung der systematischen Anordnung, in der die Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden werden, erforderlich gewesen wäre.
83 Zweitens ist auch der Vorwurf der Klägerin zurückzuweisen, die Beschwerdekammer habe gefordert, dass die Beschreibung die tatsächliche Benutzung der in Rede stehenden Marke erfasse.
84 Diesbezüglich nimmt Rn. 48 der angefochtenen Entscheidungen zwar Bezug auf den „Umfang“ des von einem Zeichen gewährten Schutzes, wobei es sich um einen Begriff handelt, der im Allgemeinen im Rahmen der Beurteilung der relevanten Benutzung im Sinne von Art. 7 Abs. 3 oder Art. 15 der Verordnung Nr. 207/2009 geprüft wird. Im vorliegenden Fall ist der Begriff, wie er in den angefochtenen Entscheidungen verwendet wird, jedoch als Bezugnahme auf den „Gegenstand“ des von einer Unionsmarke gewährten Schutzes zu verstehen, wie das EUIPO in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat.
85 Das Erfordernis, dass eine Marke, die aus einer Kombination zweier oder mehrerer Farben besteht, eine systematische Anordnung aufweist, in der die Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden werden, kommt nämlich nicht dem Erfordernis der Definition der tatsächlichen Benutzung einer angemeldeten Marke gleich. Die abstrakte Natur einer solchen Marke und die ihrem Wesen nach eingeschränkte Fähigkeit, irgendeine präzise Bedeutung zu vermitteln und mithin auf die betriebliche Herkunft einer Ware oder einer Dienstleistung hinzuweisen, erfordern jedoch, dass der Gegenstand des von der in Rede stehenden Marke gewährten Schutzes mit angemessener Genauigkeit definiert wird. Die Farbmarken per se unterscheiden sich somit von anderen Markenformen, die naturgemäß eindeutiger und eher geeignet sind, eine Bedeutung zu vermitteln. In Anbetracht der Natur der Farbmarken per se und der ihnen eigenen Merkmale stellt daher das Erfordernis, dass der Gegenstand der von diesen Marken gewährte Schutz mit angemessener Genauigkeit definiert sein muss, keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung dar.
86 Was drittens den Vorwurf eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass Farbmarken per se – im Gegensatz zu dreidimensionalen Marken – weder räumlich noch durch die Form noch – anders als Bildmarken – durch die Konturen begrenzt sind; sie sind visuell und nicht – wie Hör- oder Wortmarken –durch einen Laut oder durch Buchstaben wahrnehmbar.
87 Im Fall einer Kombination von Farben besteht die einzige Art und Weise, wie die Farben in einem konturlosen Raum positioniert werden können, in einem Nebeneinanderstellen gemäß verschiedenen Anordnungen. Die einzig möglichen näheren Angaben sind somit die spezifischen Abstufungen der betroffenen Farben und das jeweilige Verhältnis, in dem sie wiedergegeben werden. Eine solche Darstellung hat zur Folge, dass der Gegenstand des von der Marke gewährten Schutzes zu weit reicht, was sich nur schwer mit dem Erfordernis der Verfügbarkeit der Farben vereinbaren lässt. Folglich muss dieser bereits bei Einreichung der Anmeldung der Marke im Hinblick auf die systematische Anordnung, in der die Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden sind, präzisiert werden.
88 Wie die Beschwerdekammer zudem in Rn. 51 der in der Rechtssache T‑101/15 angefochtenen Entscheidung und in Rn. 50 der in der Rechtssache T‑102/15 angefochtenen Entscheidung zutreffend ausführt, ergibt sich aus dem Urteil vom 12. Dezember 2002, Sieckmann (C‑273/00, EU:C:2002:748), dass das Erfordernis, dass ein Zeichen klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv sein muss, für jede Kategorie von Marken einzeln, abhängig von ihrer Art und der ihnen eigenen Merkmale, beurteilt werden muss.
89 Nach alledem ist die Beschwerdekammer in den Rn. 48, 49 und 51 der in der Rechtssache T‑101/15 angefochtenen Entscheidung und in den Rn. 48 und 50 der in der Rechtssache T‑102/15 angefochtenen Entscheidung rechtsfehlerfrei zu der Auffassung gelangt, dass die bloße Angabe des Verhältnisses zwischen den beiden Farben Blau und Silber die Anordnung dieser beiden Farben nach zahlreichen unterschiedlichen Kombinationen zulässt und demnach keine systematische Anordnung darstellt, in der diese in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden sind, wodurch ein sehr unterschiedlicher Gesamteindruck vermittelt wird und die Verbraucher daran gehindert werden, sich mit Gewissheit für weitere Käufe auf sie zu beziehen. Sie hat somit zu Recht festgestellt, dass die im vorliegenden Fall vorgelegte grafische Darstellung, der eine Beschreibung beigefügt worden war, in der nur das Verhältnis zwischen den beiden Farben angegeben wurde, nicht als hinreichend eindeutig angesehen werden konnte und die angegriffene Marke unter Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 eingetragen worden ist.
90 Wie die Beschwerdekammer außerdem in Rn. 49 der in der Rechtssache T‑101/15 angefochtenen Entscheidung zutreffend ausführt, gilt diese Schlussfolgerung für beide angegriffenen Marken. Das Vorhandensein des Begriffs „ungefähr“ in der Beschreibung der ersten angegriffenen Marke verstärkt nämlich nur die Ungenauigkeit der grafischen Darstellung, die für beide angegriffenen Marken identisch ist und verschiedene Anordnungen der beiden in Rede stehenden Marken zulässt, da ihr eine Beschreibung beigefügt worden war, die keine zusätzlichen Angaben enthält, aus denen sich ableiten ließe, dass nur eine einzige Anordnung existiere, in der die Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden wären.
91 Der erste Teil des ersten Klagegrundes ist daher insgesamt zurückzuweisen.
Zum zweiten Teil: Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung
92 Vorab ist klarzustellen, dass sich die Klägerin nicht im Rahmen ihrer Klageschrift, sondern nur im Rahmen ihrer Erwiderung, unter Bezugnahme auf die in der Stellungnahme ihres Beraters dargelegten Argumente, sowie im Rahmen ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz des streithelfenden Verbands, in den den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betreffenden Randnummern, ausdrücklich auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung beruft.
93 Bei der ausdrücklichen Bezugnahme auf den Grundsatz der Gleichbehandlung in der Erwiderung handelt es sich jedoch im Wesentlichen nur um eine Formalisierung der bereits in der Klageschrift geltend gemachten Rüge.
94 Die Klägerin macht im vorliegenden Fall u. a. geltend, dass zum einen die Notwendigkeit, zum Zeitpunkt der Anmeldung die Art und Weise zu beschreiben, wie der Gegenstand der Marke auf den in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen verwendet werde, nicht für andere Kategorien von Marken, wie dreidimensionale Marken, Hör- oder Wortmarken, existiere. Zum anderen würde dieses Erfordernis in Anbetracht der früheren Praxis des EUIPO und der Rechtsprechung des Gerichts zu Farbmarken per se eine unterschiedliche Behandlung der angegriffenen Marken mit sich bringen.
95 Der unionsrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung verlangt, dass vergleichbare Situationen gleich behandelt werden. Nach der Rechtsprechung kann eine Diskriminierung nur darin bestehen, dass unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewandt werden oder dass dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewandt wird (vgl. Urteil vom 10. Mai 2012, Kommission/Estland, C‑39/10, EU:C:2012:282, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).
96 Was als Erstes den Vergleich mit anderen Markenformen anbelangt, ergibt sich aus der Natur einer Marke, die aus einer form- und konturlosen Kombination von Farben als solchen besteht, wie oben in den Rn. 85 bis 88 dargelegt, dass ihre grafische Darstellung oder die ihr beigefügte Beschreibung die genauen Abstufungen der in Rede stehenden Farben, die Verhältnisse sowie ihre räumliche Anordnung zeigen müssen, damit ihr Schutzgegenstand klar wird und von den Verbrauchern und den Wirtschaftsteilnehmern wahrgenommen werden kann und sie somit ihre Hauptfunktion als Herkunftshinweis erfüllen kann, ohne unverhältnismäßige Wettbewerbsvorteile zu gewähren. Dieses Maß an Genauigkeit ist aufgrund der naturgemäß geringeren Genauigkeit der Farbmarken per se erforderlich, die sie von anderen Markenformen unterscheidet. Im Licht der oben in Rn. 95 angeführten Rechtsprechung ist eine Ungleichbehandlung somit gerechtfertigt.
97 Was als Zweites den Vergleich mit der früheren Praxis des EUIPO zu Farbmarken per se anbelangt, so genügt der Hinweis, dass die Entscheidungen der Beschwerdekammern über die Eintragung eines Zeichens als Unionsmarke gemäß der Verordnung Nr. 207/2009 gebundene Entscheidungen und keine Ermessensentscheidungen sind. Die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern ist daher allein auf der Grundlage dieser Verordnung in ihrer Auslegung durch den Richter und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen (Urteil vom 15. September 2005, BioID/HABM, C‑37/03 P, EU:C:2005:547, Rn. 47).
98 Zwar ist zu den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der ordnungsgemäßen Verwaltung entschieden worden, dass das EUIPO im Rahmen der Prüfung der Unionsmarkenanmeldung die zu ähnlichen Anmeldungen ergangenen Entscheidungen berücksichtigen und ein besonderes Augenmerk auf die Frage richten muss, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht (Urteil vom 10. März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, EU:C:2011:139, Rn. 74).
99 Diese Grundsätze müssen jedoch mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden. Wer ein Zeichen als Unionsmarke anmeldet, kann sich demzufolge nicht zu seinem Vorteil auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen (Urteil vom 10. März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, EU:C:2011:139, Rn. 75 und 76).
100 Im vorliegenden Fall stützt sich die Klägerin erstens auf die Richtlinien des EUIPO, in denen es heißt: „Wenn eine Kombination von Farben an sich angemeldet wird, muss die eingereichte grafische Darstellung diese Farben räumlich so skizzieren, dass der Umfang des angemeldeten Rechts bestimmt wird (What you see is what you get – Das, was Sie sehen, ist das, was Sie bekommen). Die grafische Darstellung sollte klar die Proportionen und Positionen der verschiedenen Farben angeben und sie auf diese Weise systematisch anordnen, wobei die Farben in vorher festgelegter und einheitlicher Weise miteinander verbunden werden.“ Daraus leitet sie ab, dass die Praxis des EUIPO eine Prüfung der Anmeldung von Farbmarken per se auf der Grundlage der Regel „Das, was Sie sehen, ist das, was Sie bekommen“ vorsehe.
101 Diesbezüglich kann keinerlei Verstoß gegen diese Regel geltend gemacht werden. Wie sich nämlich oben aus Rn. 69 ergibt, steht das Erfordernis einer systematischen Anordnung, wie sie im Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), beschrieben wurde, in keiner Weise im Widerspruch zu dieser Regel. Vielmehr ist festzustellen, dass sich ein solches Erfordernis gerade unmittelbar aus dem Wortlaut der von der Klägerin angeführten Randnummer der Richtlinien des EUIPO ergibt.
102 Zweitens beruft sich die Klägerin auf die Praxis des EUIPO nach dem Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), aus der sich ergebe, dass dieses die Anmeldung von Unionsmarken, die aus einer Kombination von Farben als solchen bestünden und den angegriffenen Marken ähnlich seien, auf der Grundlage der Regel „Das, was Sie sehen, ist das, was Sie bekommen“ akzeptiert habe, und dass diese Anmeldungen durch einige Entscheidungen der Beschwerdekammern bestätigt worden seien.
103 Wie bereits oben in Rn. 99 dargelegt, kann sich die Klägerin nicht zu ihrem Vorteil auf eine etwaige fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen (vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 22. März 2017, Intercontinental Exchange Holdings/EUIPO [BRENT INDEX], T‑430/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:198, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).
104 Drittens trägt die Klägerin vor, das Gericht habe niemals entschieden, dass es erforderlich sei, in der Anmeldung die genaue Anordnung der Farben, so wie sie auf den Waren verwendet würden, anzugeben. Sie stützt sich u. a. auf die Urteile vom 28. Oktober 2009, BCS/HABM – Deere (Kombination der Farben Grün und Gelb) (T‑137/08, EU:T:2009:417), vom 12. November 2010, Deutsche Bahn/HABM (Waagerechte Kombination der Farben Grau und Rot) (T‑404/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:466), vom 12. November 2010, Deutsche Bahn/HABM (Senkrechte Kombination der Farben Grau und Rot) (T‑405/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:467), und vom 28. Januar 2015, Abstufung der Farbe Grün in fünf Töne (T‑655/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:49).
105 Hierzu genügt die Feststellung, dass sich die angeführten Urteile nicht auf den Verstoß gegen Art. 4 und gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 bezogen, so dass das Gericht verpflichtet war, sich zur Frage der Erfordernisse der Klarheit und Eindeutigkeit der in Rede stehenden Zeichen zu äußern.
106 Nach alledem ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.
Zum dritten Teil: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
107 Was diesen Teil des ersten Klagegrundes anbelangt, ist festzustellen, dass sich die Klägerin wiederum nicht im Rahmen ihrer Klageschrift ausdrücklich auf den Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beruft, sondern erstmals im Rahmen ihrer Erwiderung darauf Bezug nimmt. Insoweit ist dieser Teil des ersten Klagegrundes entgegen dem Vorbringen des EUIPO als zulässig anzusehen. Hinsichtlich der Zulässigkeit einer erst im Stadium der Erwiderung geltend gemachten Rüge ist nämlich festzustellen, dass sich aus Art. 76 Buchst. d in Verbindung mit Art. 84 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ergibt, dass die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss und dass neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden können, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Jedoch muss ein Vorbringen, das eine Erweiterung eines bereits unmittelbar oder mittelbar in der Klageschrift vorgetragenen Angriffsmittels darstellt und das in engem Zusammenhang mit diesem steht, für zulässig erklärt werden. Das Gleiche gilt für eine zur Stützung eines Klagegrundes vorgebrachte Rüge (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 21. März 2002, Joynson/Kommission, T‑231/99, EU:T:2002:84, Rn. 156).
108 Im vorliegenden Fall ergibt sich die Rüge hinsichtlich der Unverhältnismäßigkeit der Ergebnisse, zu denen die Anwendung des Urteils vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), angeblich führt, im Hinblick auf die Vereinbarkeit der grafischen Darstellung einer Farbmarke per se mit Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 mittelbar zum einen aus den Ausführungen der Klägerin, dass es nicht erforderlich sei, den angegriffenen Marken eine ausdrückliche Beschreibung der grafischen Darstellung beizufügen, und zum anderen aus dem bereits im Stadium der Klageschrift geltend gemachten Fehlen eines gesetzlichen Erfordernisses in diesem Sinne.
109 Daraus folgt, dass die von dem streithelfenden Verband im Rahmen seines Streithilfeschriftsatzes geltend gemachte Rüge gemäß Art. 142 Abs. 1 der Verfahrensordnung ebenfalls als zulässig zu erachten ist.
110 Was die Begründetheit dieser Rüge angeht, ist zum einen klarzustellen, dass die in diesem Rahmen dargelegten Argumente der Klägerin, soweit sie auf eine Kritik der unterschiedlichen Behandlung der Farbmarken per se im Vergleich zu anderen Kategorien von Marken gerichtet sind, in Wirklichkeit den Gleichbehandlungsgrundsatz betreffen und folglich, wie sich oben aus den Rn. 94 bis 106 ergibt, zurückgewiesen werden müssen.
111 Was zum anderen den Vorwurf anbelangt, die von der Beschwerdekammer vertretene Auslegung des Urteils vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), führe im Hinblick auf die mit den für die grafische Darstellung von Farbmarken per se geltenden Voraussetzungen verfolgten Ziele zu einer zu strikten Anwendung dieser Voraussetzungen und zu unnötig hohen Anforderungen, ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Handlungen der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (Urteile vom 12. Juli 2001, Jippes u. a., C‑189/01, EU:C:2001:420, Rn. 81, und vom 22. Januar 2013, Sky Österreich, C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 50).
112 Wie erstens oben in den Rn. 41, 43 und 44 festgestellt, handelt es sich bei den hauptsächlichen von Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 verfolgten Zielen u. a. darum, die Funktion der Unionsmarke als Herkunftshinweis sicherzustellen – was voraussetzt, dass sie Gegenstand einer genauen, beständigen und dauerhaften Wahrnehmung sein kann –, die Rechtssicherheit zu gewährleisten – was die Definition des genauen Gegenstands des Schutzes, den eine Unionsmarke sowohl ihrem Inhaber als auch den zuständigen Behörden und den anderen Wirtschaftsteilnehmern gewährt, voraussetzt –, und für das allgemeine Interesse daran Sorge zu tragen, dass die Verfügbarkeit der Farben nicht ungerechtfertigt beschränkt und das Markenrecht der Europäischen Union nicht missbraucht wird, um einen unlauteren Wettbewerbsvorteil zu erlangen.
113 Zweitens hat der Gerichtshof durch die Hervorhebung der Erfordernisse der Klarheit und der Eindeutigkeit für Marken, die aus einer Kombination von Farben als solchen bestehen, um zahlreiche unterschiedliche Kombinationen zu vermeiden, eine Abwägung der Verhältnismäßigkeit dieses Erfordernisses in Anbetracht der von dieser Bestimmung verfolgten Ziele vorgenommen.
114 Wie drittens oben in den Rn. 84 bis 86 dargelegt, ergibt sich die Verhältnismäßigkeit dieses Erfordernisses für Marken, die aus einer Kombination von Farben als solchen bestehen, unmittelbar aus der Natur dieser Marken. Zur Klarstellung des genauen Gegenstands des von einer solchen Marke gewährten Schutzes ist nämlich erforderlich, dass ihre Darstellung bereits im Stadium der Anmeldung der Marke objektiv ist und die Anordnung in einer Form wiedergibt, in der sie der Verbraucher wahrnehmen und in Erinnerung behalten wird.
115 Nach alledem ist festzustellen, dass die Anwendung der vom Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), aufgestellten Voraussetzungen in Anbetracht der von diesen Voraussetzungen verfolgten Ziele im vorliegenden Fall nicht unverhältnismäßig war.
116 Würde das EUIPO im Übrigen akzeptieren, eine Kombination zweier oder mehrerer Farben zu schützen, die de facto zahlreiche unterschiedliche Kombinationen zuließe, so liefe dies auf die Gewährung eines Schutzes hinaus, der in Anbetracht des vom Markenrecht verfolgten Ziels, das darin besteht, im Interesse der Verbraucher in den Geschäftspraktiken die Funktion als Herkunftshinweis zu gewährleisten, unverhältnismäßig wäre.
117 Viertens macht der streithelfende Verband geltend, der Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit liege umso mehr auf der Hand, als die neue Verordnung 2015/2424 das Erfordernis einer grafischen Darstellung aufgebe, indem sie Art. 4 Buchst. b in die Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 4 Buchst. b der Verordnung 2017/1001) einfüge, der nunmehr nur noch vorsehe, dass das Zeichen geeignet sei, „in einer Weise dargestellt zu werden, dass die zuständigen Behörden und das Publikum den Gegenstand des dem Inhaber einer solchen Marke gewährten Schutzes klar und eindeutig bestimmen können“.
118 Obwohl Art. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 in der durch die Verordnung 2015/2424 geänderten Fassung im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, genügt insoweit die Feststellung, dass dieses Argument auf einer fehlerhaften Auslegung dieser Bestimmung beruht. Der neue Wortlaut von Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009, der eher auf eine Verstärkung der Rechtssicherheit abzielt, ist nämlich restriktiver als der frühere Wortlaut, da er die in den Urteilen vom 12. Dezember 2002, Sieckmann (C‑273/00, EU:C:2002:748), und vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), festgelegten Ziele ausdrücklich in den Wortlaut des Artikels aufnimmt und mithin voll mit dieser Rechtsprechung und mit deren Anwendung durch die Beschwerdekammer in den angefochtenen Entscheidungen in Einklang steht.
119 Überdies ist mit der Streithelferin und entgegen dem Vorbringen der Klägerin darauf hinzuweisen, dass es weder unmöglich noch unverhältnismäßig ist, zu verlangen, dass eine Anmeldung einer Marke, die aus einer Kombination von Farben als solchen besteht, grafisch dargestellt wird oder dass ihr eine Beschreibung der systematischen räumlichen Anordnung der Farben beigefügt wird, so dass der Gegenstand des von dieser Marke gewährten Schutzes klar und eindeutig erkannt werden kann.
120 Nach alledem ist der dritte Teil des ersten, auf die Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gestützten Klagegrundes und folglich der erste Klagegrund insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.
Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes
121 Im Rahmen dieses Klagegrundes wirft die Klägerin, unterstützt durch den streithelfenden Verband, der Beschwerdekammer vor, zum einen davon ausgegangen zu sein, dass der Umstand, dass der Prüfer bei der Einreichung der Anmeldungen der angegriffenen Marken die Formulierung der Beschreibung akzeptiert und sogar vorgeschlagen habe, kein berechtigtes Vertrauen begründe könne, und zum anderen davon, dass eine gängige Praxis des EUIPO entweder nicht existiert habe oder keinen Auskünften entsprochen habe, die ein berechtigtes Vertrauen hätten begründen können.
122 Schließlich ist die Klägerin der Ansicht, dass sich das EUIPO dadurch, dass es die angegriffenen Marken auf der Grundlage der durch deren Benutzung erlangten Unterscheidungskraft eingetragen habe, implizit zur Vereinbarkeit dieser Marken mit Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 geäußert habe.
123 Das EUIPO und die Streithelferin treten diesem Vorbringen entgegen.
124 Gemäß Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 wird die Unionsmarke auf Antrag beim EUIPO oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für nichtig erklärt, wenn sie entgegen den Vorschriften des Art. 7 dieser Verordnung eingetragen worden ist.
125 Nach ständiger Rechtsprechung kann sich jeder auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, bei dem ein Organ durch bestimmte Zusicherungen begründete Erwartungen geweckt hat. Präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte von zuständiger und zuverlässiger Seite stellen unabhängig von der Form ihrer Mitteilung solche Zusicherungen dar (vgl. Urteil vom 5. April 2006, Kachakil Amar/HABM [Länglicher Umriss mit dreieckigem Ende], T‑388/04, nicht veröffentlicht, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
126 Allerdings müssen diese Zusicherungen den geltenden Bestimmungen und Normen entsprechen, da Zusagen, die diesen geltenden Bestimmungen des Unionsrechts nicht entsprechen, beim Betroffenen kein berechtigtes Vertrauen begründen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Juni 2012, Interkobo/HABM – XXXLutz Marken [my baby], T‑523/10, EU:T:2012:326, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).
127 Ferner ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass der Kläger, um sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen zu können, auf Erwartungen verweisen können muss, die sich auf genaue Zusicherungen der Verwaltung gründen, durch die bei einem gutgläubigen Bürger, der die erforderliche Sorgfalt eines durchschnittlich informierten Wirtschaftsteilnehmers an den Tag legt, eine verständliche Verwirrung hervorgerufen werden konnte (vgl. Urteil vom 9. September 2011, dm-drogerie markt/HABM – Distribuciones Mylar [dm], T‑36/09, EU:T:2011:449, Rn. 114 und die dort angeführte Rechtsprechung).
128 Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in Rn. 29 der angefochtenen Entscheidungen als Erstes festgestellt, dass sich die Klägerin nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen könne, da die vom Prüfer bei der Einreichung der Anmeldung unterbreiteten Vorschläge für eine Beschreibung keine präzisen, nicht an Bedingungen geknüpften und übereinstimmenden Auskünfte darstellten, die bei der Klägerin begründete Erwartungen hinsichtlich der Gültigkeit der Eintragung der angegriffenen Marken hätten wecken können.
129 Was die erste angegriffene Marke anbelangt, ergibt sich aus den Akten, dass der Prüfer in Telefongesprächen, die zwischen dem 11. August und dem 3. September 2004 stattgefunden haben, von dem Vertreter der Klägerin verlangt hat, die Anmeldung unter Berücksichtigung der im Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), beschriebenen Eintragungsvoraussetzungen klarzustellen und insbesondere Informationen zum Verhältnis zwischen den beiden in Rede stehenden Farben sowie zur Art und Weise, wie diese in Erscheinung treten sollten, zu ergänzen. Im Anschluss an diese Aufforderung des Prüfers hat die Klägerin am 11. Oktober 2004 die oben in Rn. 3 angegebene Beschreibung eingereicht, und die erste angegriffene Marke wurde am 25. Juli 2005 eingetragen.
130 Wie oben in den Rn. 11 bis 13 ausgeführt, hat die Klägerin im Anschluss an eine Mitteilung des Prüfers über die Nichteinhaltung der formalen Erfordernisse, in der eine Klarstellung der Verhältnisse für die Verwendung der jeweiligen Farbe auf den Waren sowie der Art und Weise, wie diese Farben in Erscheinung treten sollten, verlangt wurde, eine Beschreibung vorgelegt, in der angegeben wurde, dass „die Farben in gleichem Verhältnis und nebeneinandergestellt verwendet werden“. Die zweite angegriffene Marke wurde am 8. März 2011 eingetragen.
131 Diese Tatsachen werden vom EUIPO nicht bestritten.
132 Wie das EUIPO in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, ist insoweit klarzustellen, dass der Prüfer die Klägerin in beiden Fällen lediglich aufgefordert hat, die vorgelegte Beschreibung durch die Angabe der Verhältnisse zwischen den beiden betroffenen Farben sowie der Art und Weise, wie diese Farben in Erscheinung treten sollten, klarzustellen. Die von der Klägerin übermittelten zusätzlichen Angaben wurden anschließend akzeptiert. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Prüfer in den beiden Fällen präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen dahin gehend erteilt hat, dass diese Beschreibungen den in Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehenen gesetzlichen Anforderungen entsprechen würden.
133 Auch wenn erstens der Prüfer zweimal zwei Beschreibungen akzeptiert hat, die nicht den im Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:C:2004:384), aufgestellten Anforderungen entsprachen, können diese Umstände nicht ausschließen, dass die angegriffenen Marken für nichtig erklärt werden, wenn ihre Eintragung unter Missachtung eines der in Art. 7 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehenen absoluten Eintragungshindernisse erfolgt ist.
134 Selbst wenn unterstellt wird, dass die vom Prüfer übermittelten Auskünfte als präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen qualifiziert werden können, ergibt sich zweitens aus der oben in Rn. 126 angeführten Rechtsprechung, dass solche Zusicherungen kein berechtigtes Vertrauen begründen konnten, da sie nicht den geltenden Bestimmungen entsprachen.
135 Drittens kann die Eintragung einer Unionsmarke unabhängig davon, ob ihr eine Diskussion über Informationen, deren Übermittlung zur Gewährleistung der Ordnungsgemäßheit und Vollständigkeit des Antrags erforderlich ist, vorangegangen ist oder nicht, den Inhaber dieser Marke nicht vor dem Risiko schützen, dass diese gemäß Art. 52 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 für nichtig erklärt wird. Aus der oben in Rn. 126 angeführten Rechtsprechung ergibt sich nämlich, dass das Erfordernis der Rechtssicherheit, bei dem es sich um das von dieser Bestimmung verfolgte Allgemeininteresse handelt, notwendigerweise vor jedem etwaigen berechtigten Vertrauen oder dem privaten Interesse, das ein Inhaber einer Unionsmarke eventuell geltend machen könnte, Vorrang hat.
136 Im Übrigen besteht das Ziel von Art. 52 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 gerade darin, zu gestatten, dass etwaige, vom Prüfer bei der Einreichung einer Anmeldung begangene Fehler unabhängig davon, ob diesem Fehler Diskussionen mit dem Anmelder der Marke vorausgegangen sind oder nicht, korrigiert werden, da in beiden Fällen eine vermeintlich ordnungsgemäße Eintragung erfolgt ist, die jedoch, wie aus dem Wortlaut dieses Artikels hervorgeht, aufgrund eines absoluten Eintragungshindernisses für nichtig erklärt werden kann.
137 Als Zweites hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass die Klägerin nicht auf die vorherige Entscheidungspraxis des EUIPO habe vertrauen können.
138 Wie oben in den Rn. 98 und 99 ausgeführt, ist das EUIPO diesbezüglich verpflichtet, seine Befugnisse im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts auszuüben. Nach den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der ordnungsgemäßen Verwaltung hat das EUIPO zwar die zu ähnlichen Anmeldungen bereits ergangenen Entscheidungen zu berücksichtigen und besonderes Augenmerk auf die Frage zu richten, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht, doch muss die Anwendung dieser Grundsätze mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden. Folglich kann sich der Anmelder eines Zeichens als Unionsmarke nicht zu seinem Vorteil auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen. Im Übrigen muss aus Gründen der Rechtssicherheit und gerade auch der ordnungsgemäßen Verwaltung die Prüfung jeder Anmeldung streng und umfassend sein, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Unionsmarken zu verhindern. Demgemäß muss diese Prüfung in jedem Einzelfall erfolgen. Die Eintragung eines Zeichens als Unionsmarke hängt nämlich von besonderen, im Rahmen der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls anwendbaren Kriterien ab, anhand deren zu ermitteln ist, ob das fragliche Zeichen nicht unter ein Eintragungshindernis fällt (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2014, Comptoir d’Épicure/HABM – A-Rosa Akademie [da rosa], T‑405/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1072, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).
139 Folglich hat die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass sich die Klägerin zur Stützung eines angeblichen Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht mit Erfolg auf frühere Entscheidungen des EUIPO berufen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Dezember 2014, da rosa, T‑405/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1072, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).
140 Im Übrigen hat die Beschwerdekammer in Rn. 29 der angefochtenen Entscheidungen fehlerfrei darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung eine bloße Praxis, so gängig sie auch sein mag, keinen präzisen, nicht an Bedingungen geknüpften und übereinstimmenden Auskünften im Sinne der oben in Rn. 125 erwähnten Rechtsprechung entspricht (vgl. Urteil vom 25. März 2009, Anheuser-Busch/HABM – Budějovický Budvar [BUDWEISER], T‑191/07, EU:T:2009:83, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).
141 Ferner hat die Beschwerdekammer in den Rn. 30 bis 33 der angefochtenen Entscheidungen zu Recht festgestellt, dass sich die Klägerin nicht auf frühere Entscheidungen des EUIPO oder der Beschwerdekammern oder aber auf Urteile des Unionsrichters zu den angegriffenen Marken ähnlichen, aus einer Kombination von Farben als solchen bestehenden Unionsmarken, die ausschließlich auf Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 gestützt sind, berufen kann, um das Bestehen einer Praxis hinsichtlich der Eintragungsfähigkeit solcher Marken im Sinne von Art. 4 dieser Verordnung geltend zu machen.
142 Aus der Tatsache, dass der Prüfer, die Beschwerdekammer oder der Unionsrichter sich allein zur fehlenden Unterscheidungskraft dieser Marken geäußert haben, kann nämlich nicht abgeleitet werden, dass diese als mit Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 in Einklang stehend galten. Folglich können diese Entscheidungen nicht als Entscheidungen angesehen werden, durch die eine Praxis des EUIPO oder des Unionsrichters dahin gehend begründet wird, dass Anmeldungen von Marken dieser Art als Unionsmarken akzeptiert werden. Ebenso ist das Argument der Klägerin zurückzuweisen, dass sich das EUIPO dadurch, dass es die angegriffenen Marken auf der Grundlage der durch ihre Benutzung erlangten Unterscheidungskraft eingetragen habe, implizit zur Vereinbarkeit dieser Marken mit Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 geäußert habe.
143 Soweit sich die Klägerin auf die Richtlinien des EUIPO stützt, ist als Drittes festzustellen, dass bereits entschieden wurde, dass nichts die Annahme zulässt, dass diese Richtlinien die in diesem Bereich anwendbare Unionsregelung verdrängen könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. März 2009, BUDWEISER, T‑191/07, EU:T:2009:83, Rn. 48).
144 Nach alledem hat die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass sich die Klägerin nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen konnte.
145 Mithin ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen. Ohne dass über die Zulässigkeit des zweiten Antrags der Klägerin entschieden zu werden braucht, ist die Klage somit insgesamt abzuweisen.
Kosten
146 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihren Anträgen unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.
147 Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht außerdem entscheiden, dass ein anderer Streithelfer als die in den Abs. 1 und 2 genannten seine eigenen Kosten trägt. Im vorliegenden Fall trägt der streithelfende Verband, der dem Rechtsstreit zur Unterstützung der Anträge der Klägerin beigetreten ist, seine eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Zweite Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Red Bull GmbH trägt die Kosten einschließlich der dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) und der Optimum Mark sp. z o.o. entstandenen Kosten.
3. Marques trägt ihre eigenen Kosten.
Prek |
Buttigieg |
Berke |
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 30. November 2017.
Unterschriften
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