Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten führen zur teilweisen Aufhebung des Urteils gegen einen Polizeibeamten wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses
Mitteilung der Pressestelle
Nr. 30/2024
Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten
führen zur teilweisen Aufhebung des Urteils gegen
einen Polizeibeamten wegen Verletzung
des Dienstgeheimnisses
Urteil vom 15. Februar 2024 – 5 StR 283/23
Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat heute über die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das am 19. Oktober 2022 ergangene Urteil des Landgerichts Lübeck verhandelt und entschieden.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter anderem wegen der Verletzung des Dienstgeheimnisses in sieben Fällen, wegen unerlaubten Verarbeitens personenbezogener Daten in drei Fällen und wegen Verletzung von Privatgeheimnissen in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 330 Tagessätzen zu jeweils 40 Euro verurteilt und ihn von vier weiteren Vorwürfen der Verletzung des Dienstgeheimnisses freigesprochen. Nach den Feststellungen des Landgerichts informierte der angeklagte Polizeibeamte von Juli 2018 bis August 2019 mehrfach einen befreundeten Journalisten über aktuelle Fahndungs- und Ermittlungsmaßnahmen, über Disziplinar- und Mitbestimmungsverfahren und andere polizeiinterne Vorgänge, die ihm dienstlich oder als Mitglied des Hauptpersonalrats der Landespolizei und des Vorstands einer Polizeigewerkschaft bekannt geworden waren. Er habe dabei in vielen Fällen die Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaft kritisieren und dem öffentlichen Ansehen missliebiger Personen innerhalb der Polizeiführung schaden wollen (siehe Pressemitteilung Nr. 5/2024).
Der Bundesgerichtshof hat das Urteil auf die Revision der Staatsanwaltschaft teilweise aufgehoben, weil die Nachprüfung den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler ergeben hat; die Revision der Staatsanwaltschaft hat ganz überwiegend Erfolg. Als rechtsfehlerhaft hat sich dabei insbesondere die Annahme des Landgerichts erwiesen, dass es durch die Informationsweitergabe des Angeklagten in fünf Fällen nicht zu der für eine Verurteilung wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353b Abs. 1 StGB) erforderlichen Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen gekommen sei. Weil die Informationsweitergaben in diesen Fällen keine konkreten polizeilichen Maßnahmen oder Verfahren beeinträchtigt hätten, hatte die Strafkammer den Angeklagten in drei Fällen freigesprochen und in zwei Fällen nur wegen anderer, weniger schwerwiegender Delikte verurteilt. Ihre Prüfung der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen war nicht am zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgerichtet. Sie hat angenommen, die bloße abstrakte Eignung eines Geheimnisbruchs, das Ansehen der Landespolizei und das Vertrauen der Öffentlichkeit in eine sachgerechte Amtsführung zu erschüttern, reiche für die Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen nicht aus. Dabei hat sie aber weder die herausgehobene dienstliche Stellung des Angeklagten noch den fortgesetzten Geheimnisverrat im Rahmen einer auf Dauer angelegten Zweckbeziehung zu einem Journalisten berücksichtigt. Der Bundesgerichtshof hat deshalb die Freisprüche und soweit der Angeklagte nur wegen weniger schwerwiegender Delikte verurteilt worden ist den Schuldspruch aufgehoben.
Der Freispruch des Angeklagten hat in dem verbleibenden Fall ebenfalls keinen Bestand, weil sich die Begründung des Landgerichts, der Angeklagte habe in diesem Fall die weitergegebenen Informationen nicht dienstlich, sondern über eine Chatgruppe und damit privat erlangt, als nicht tragfähig erwiesen hat. Allein das Medium der Kommunikation kann eine außerdienstliche Kenntniserlangung nicht belegen. Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision der Staatsanwaltschaft zudem den Strafausspruch im Übrigen aufgehoben, weil die Strafzumessung durchgreifende Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten aufwies.
Die Revision des Angeklagten hatte hingegen nur in zwei Fällen Erfolg und erwies sich im Übrigen als unbegründet. In einem Fall hat der Bundesgerichtshof die Verurteilung aufgehoben, weil es an dem für die Strafverfolgung wegen Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB) nach § 205 StGB erforderlichen Strafantrag des Verletzten fehlte. In einem weiteren Fall hat das Landgericht seine Annahme, der Angeklagte habe in Schädigungsabsicht gehandelt, nicht mit Feststellungen unterlegt.
Der Bundesgerichtshof hat die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Lübeck zurückverwiesen. Soweit die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft Erfolg hatte, darf das Urteil dabei auch zum Nachteil des Angeklagten geändert werden (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Vorinstanz:
LG Lübeck – Urteil vom 19. Oktober 2022 – 9 KLs 590 Js 45736/19 (2)
Die maßgeblichen Vorschriften des StGB lauten:
§ 203 Verletzung von Privatgeheimnissen
(1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm ( ) anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als
1. Amtsträger oder Europäischer Amtsträger,
2.
3. Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt,
4. 6.
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist. Einem Geheimnis im Sinne des Satzes 1 stehen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse eines anderen gleich, die für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfaßt worden sind; Satz 1 ist jedoch nicht anzuwenden, soweit solche Einzelangaben anderen Behörden oder sonstigen Stellen für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bekanntgegeben werden und das Gesetz dies nicht untersagt.
(3) (5)
(6) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.
§ 205 Strafantrag
(1) In den Fällen des § 201 Abs. 1 und 2 und der §§ 202, 203 und 204 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt. ( )
§ 353b Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht
(1) Wer ein Geheimnis, das ihm als
1. Amtsträger,
2.
3. Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt oder
4.
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
( )
Die maßgebliche Vorschrift der StPO lautet:
§ 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung
(1)
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. ( )
Karlsruhe, den 15. Februar 2024
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501
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