Vorläufige Fassung
SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN
JULIANE KOKOTT
vom 4. Mai 2023(1)
Rechtssache C‑88/22 P
QB
gegen
Europäische Kommission
„Rechtsmittel – Öffentlicher Dienst – Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs VII des Statuts – Auslandszulage – Begriff ,ständige hauptberufliche Tätigkeit‘ – Begriff ,Dienst für einen anderen Staat‘“
I. Einleitung
1. Um eine Tätigkeit für die Europäische Union aufzunehmen, müssen deren Bedienstete oftmals ihren Herkunftsmitgliedstaat verlassen und ihren Wohnsitz im Mitgliedstaat ihrer dienstlichen Verwendung nehmen. Mit dem Ziel, die damit verbundenen Unannehmlichkeiten auszugleichen und eine Einstellung von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Union auf möglichst breiter geografischer Grundlage zu ermöglichen, hat der Unionsgesetzgeber in Art. 69 des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut)(2) die Auslandszulage geschaffen. Deren Bedingungen sind in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a und b des Anhangs VII des Statuts geregelt. Nach Art. 20 Abs. 2 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union in Verbindung mit Art. 69 des Statuts gelten diese Vorschriften für Bedienstete auf Zeit entsprechend.
2. Gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs VII des Statuts erhalten die Auslandszulage Bedienstete, die die Staatsangehörigkeit des Staates, in dessen Hoheitsgebiet sie ihre Tätigkeit ausüben (im Folgenden: Dienststaat), nicht besitzen und nicht besessen haben (erster Spiegelstrich), und die während eines sechs Monate vor ihrem Dienstantritt ablaufenden Zeitraums von fünf Jahren (im Folgenden: Bezugszeitraum) in dem europäischen Hoheitsgebiet des Dienststaats weder ihre ständige hauptberufliche Tätigkeit ausgeübt noch ihren ständigen Wohnsitz gehabt haben (zweiter Spiegelstrich erster Satz). Insoweit bleibt allerdings die Lage unberücksichtigt, die sich aus dem Dienst für einen anderen Staat oder eine internationale Organisation ergibt (zweiter Spiegelstrich zweiter Satz). Grundsätzlich führt also eine ständige hauptberufliche Tätigkeit oder ein ständiger Wohnsitz im Dienststaat während des Bezugszeitraums zum Verlust der Auslandszulage. Dies gilt aber nicht, wenn der Bedienstete in dem Bezugszeitraum einen Dienst für einen anderen Staat oder eine internationale Organisation ausgeübt hat. Dieser Dienst „neutralisiert“ also eine ständige hauptberufliche Tätigkeit oder einen ständigen Wohnsitz in dem Dienststaat und führt dazu, dass der Anspruch des Bediensteten auf die Gewährung der Auslandszulage aufrechterhalten bleibt. Im Folgenden werde ich Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Spiegelstrich zweiter Satz des Anhangs VII des Statuts daher auch als „Neutralisierungsregel“ bezeichnen.
3. Wie verhält es sich nun aber im Fall eines Bediensteten, der während des fünfjährigen Bezugszeitraums als polnischer Richter an die Krajowa Szkola Sadownictwa i Prokuratury (Staatliche Schule für Justiz und Staatsanwaltschaft, Polen, im Folgenden: KSSiP) abgeordnet war, zugleich aber die Funktion des Generalsekretärs des Europäischen Netzes für die Aus- und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten (im Folgenden: EJTN), einer gemeinnützigen internationalen Vereinigung belgischen Rechts mit Sitz in Brüssel, dem späteren Dienstort des Bediensteten, innehatte? Wo hat der Bedienstete in einem solchen Fall im maßgeblichen Bezugszeitraum seine ständige hauptberufliche Tätigkeit ausgeübt? Und falls dieser Tätigkeitsort in Belgien liegt, handelt es sich dann bei dieser Tätigkeit um einen Dienst für einen anderen Staat oder eine internationale Organisation, sodass der Bedienstete in den Genuss der Neutralisierungsregel kommen würde?
4. Dies sind die Fragen, die der Gerichtshof im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels, mit dem der Rechtsmittelführer sich gegen das Urteil des Gerichts vom 8. Dezember 2021(3) (im Folgenden: angefochtenes Urteil) wendet, beantworten muss.
II. Rechtlicher Rahmen
5. Den rechtlichen Rahmen des vorliegenden Falles bildet das Statut.
6. Art. 69 Satz 1 des Statuts bestimmt:
„Die Auslandszulage beträgt 16 v. H. des Gesamtbetrags des Grundgehalts und der dem Beamten zustehenden Haushaltszulage und [der Zulage] für unterhaltsberechtigte Kinder.“
7. Nach Art. 20 Abs. 2 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union gilt Art. 69 des Statuts über die Auslandszulage für Bedienstete auf Zeit entsprechend.
8. Art. 4 Abs. 1 und 2 des Anhangs VII des Statuts lautet:
„(1) Eine Auslandszulage in Höhe von 16 v. H. des Gesamtbetrags des Grundgehalts sowie der Haushaltszulage und der Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder, die dem Beamten gezahlt werden, wird gewährt:
a) Beamten, die
– die Staatsangehörigkeit des Staates, in dessen Hoheitsgebiet sie ihre Tätigkeit ausüben, nicht besitzen und nicht besessen haben und
– während eines sechs Monate vor ihrem Dienstantritt ablaufenden Zeitraums von fünf Jahren in dem europäischen Hoheitsgebiet des genannten Staates weder ihre ständige hauptberufliche Tätigkeit ausgeübt noch ihren ständigen Wohnsitz gehabt haben. Bei Anwendung dieser Vorschrift bleibt die Lage unberücksichtigt, die sich aus dem Dienst für einen anderen Staat oder eine internationale Organisation ergibt.
b) Beamten, die die Staatsangehörigkeit des Staates, in dessen Hoheitsgebiet sie ihre Tätigkeit ausüben, besitzen oder besessen haben, jedoch während eines bei ihrem Dienstantritt ablaufenden Zeitraums von zehn Jahren aus einem anderen Grund als der Ausübung einer Tätigkeit in einer Dienststelle eines Staates oder in einer internationalen Organisation ihren ständigen Wohnsitz nicht in dem europäischen Hoheitsgebiet des genannten Staates hatten.
[…]
(2) Beamte, die die Staatsangehörigkeit des Staates, in dessen Hoheitsgebiet der Ort ihrer dienstlichen Verwendung liegt, nicht besitzen und nicht besessen haben, jedoch die Bedingungen nach Absatz 1 nicht erfüllen, haben Anspruch auf eine Expatriierungszulage, die gleich dem vierten Teil der Auslandszulage ist.“
III. Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtenes Urteil
9. Die Vorgeschichte des vorliegenden Rechtsstreits wird in Rn. 3 bis 13 des angefochtenen Urteils beschrieben und lässt sich wie folgt zusammenfassen:
10. Ab 2005 übte der Rechtsmittelführer polnischer Staatsangehörigkeit das Amt eines Richters bei einem Bezirksgericht in Polen aus.
11. Ab März 2009 war der Rechtsmittelführer infolge einer Entscheidung des polnischen Justizministeriums an die KSSiP abgeordnet. Letztere ist eine Zentralorganisation des polnischen Staates, die die Ausbildung der Mitglieder der ordentlichen Gerichte und der Staatsanwaltschaft in Polen sicherstellen soll.
12. Im Dezember 2013 schlossen das polnische Justizministerium und das EJTN eine Vereinbarung, in der dem Rechtsmittelführer die Aufgaben des Generalsekretärs des EJTN übertragen wurden. Dieses ist eine gemeinnützige internationale Vereinigung nach belgischem Recht, die keine Rechtspersönlichkeit besitzt und ihren Sitz in Brüssel hat. Es bezweckt die Entwicklung von Fortbildungsprogrammen mit europäischer Dimension für die Mitglieder und das Personal der Gerichtsbarkeiten. Mitglieder des EJTN können diejenigen Organe der Mitgliedstaaten sein, die für die Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten verantwortlich oder an der juristischen Fortbildung auf Unionsebene beteiligt sind.
13. Betreffend den Ort der Ausübung der Tätigkeit war vorgesehen, dass die Anwesenheit des Rechtsmittelführers nicht nur am Sitz des KSSiP in Polen, sondern auch in den Räumlichkeiten des EJTN in Brüssel und an jedem anderen Ort erforderlich wäre, an dem die Tätigkeiten des EJTN stattfänden oder an dem die Anwesenheit des Rechtsmittelführers als im Interesse des Europäischen Netzwerks liegend angesehen würde.
14. Vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2019 war der Rechtsmittelführer außerdem als leitender Experte im Internationalen Zentrum für Zusammenarbeit der KSSiP tätig. Er war damit betraut, die ordnungsgemäße Zusammenarbeit und die Durchführung der sich aus dem Beitritt der KSSiP zum EJTN ergebenden Tätigkeiten sicherzustellen.
15. Der Rechtsmittelführer lebte vom 1. Januar 2014 bis zum 30. Juni 2019 mit seiner Familie in Brüssel. Nach Ablauf seines Mandats für das EJTN im Juni 2019 kehrten der Rechtsmittelführer und seine Familie nach Polen zurück.
16. Der Rechtsmittelführer trat am 1. Januar 2020 als Bediensteter auf Zeit in den Dienst der Europäischen Kommission ein.
17. Mit Entscheidung vom 6. April 2020 (im Folgenden: streitige Entscheidung) gewährte das Amt für die Feststellung und Abwicklung individueller Ansprüche (PMO) dem Rechtsmittelführer nach dem Dienstantritt bei der Kommission die Expatriierungszulage gemäß Art. 4 Abs. 2 des Anhangs VII des Statuts, nicht aber die Auslandszulage.
18. Am 16. Juni 2020 beantragte der Rechtsmittelführer eine Vermittlung mit dem PMO über die Auslandszulage, der das PMO nicht stattgeben wollte.
19. Am 3. Juli 2020 legte der Rechtsmittelführer gemäß Art. 90 Abs. 2 des Statuts Beschwerde gegen die streitige Entscheidung ein.
20. Mit Entscheidung vom 3. November 2020 wies die zum Abschluss von Dienstverträgen ermächtigte Behörde der Kommission (im Folgenden: Einstellungsbehörde) diese Beschwerde zurück.
21. Mit Klageschrift, die am 2. Februar 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Rechtsmittelführer gemäß Art. 270 AEUV Klage erhoben. Er beantragte, die streitige Entscheidung und die Entscheidung, mit der seine Beschwerde zurückgewiesen wurde, aufzuheben, soweit die Kommission es abgelehnt hat, ihm die Auslandszulage zu gewähren.
22. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht die Klage abgewiesen und den Rechtsmittelführer zur Kostentragung verurteilt.
23. Den ersten Klagegrund, gestützt auf eine Verletzung der Begründungspflicht, wies das Gericht als unbegründet zurück, da das Fehlen einer Begründung in der streitigen Entscheidung durch eine hinreichende Begründung in der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde geheilt worden sei.
24. Auch den zweiten Klagegrund, mit dem der Rechtsmittelführer eine Verletzung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs VII des Statuts gerügt hatte, hielt das Gericht für unbegründet. Es vertrat insoweit, wie schon zuvor die Kommission in der streitigen Entscheidung, die Auffassung, dass der Ort der Ausübung der hauptberuflichen Tätigkeit des Rechtsmittelführers im Bezugszeitraum in Brüssel und der vom Rechtsmittelführer geleistete Dienst kein Dienst für einen anderen Staat oder eine internationale Organisation gewesen sei.
25. Zuletzt wies das Gericht auch den dritten Klagegrund, mit dem der Rechtsmittelführer einen offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission gerügt hatte, als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, dass die Kommission Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs VII des Statuts korrekt angewendet habe und ihr insoweit auch kein Ermessensspielraum zugestanden habe.
IV. Rechtsmittelverfahren und Anträge der Parteien
26. Mit Rechtsmittelschrift, die am 8. Februar 2022 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat der Rechtsmittelführer Rechtsmittel gegen das angefochtene Urteil eingelegt.
27. Der Rechtsmittelführer beantragt, der Gerichtshof möge
– das angefochtene Urteil aufheben und die Entscheidungen der Kommission vom 6. April 2020 und 3. November 2020 für nichtig erklären, hilfsweise, die Rechtssache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen;
– die Kommission zur Zahlung ihrer eigenen Prozesskosten sowie der Kosten des Rechtsmittelführers in beiden Instanzen verurteilen.
28. Die Kommission beantragt, der Gerichtshof möge
– das Rechtsmittel zurückweisen;
– den Rechtsmittelführer zur Tragung der Kosten verurteilen.
29. Die Parteien haben sich schriftlich geäußert. Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat der Gerichtshof verzichtet, da er aufgrund des schriftlichen Verfahrens keine weiteren Informationen benötigt.
V. Würdigung
30. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs VII des Statuts sieht die Gewährung der Auslandszulage zugunsten von Unionsbediensteten vor, die die Staatsangehörigkeit ihres Dienststaats nicht besitzen und nicht besessen haben, und die während eines sechs Monate vor ihrem Dienstantritt ablaufenden Zeitraums von fünf Jahren in dem europäischen Hoheitsgebiet des genannten Staates weder ihre ständige hauptberufliche Tätigkeit ausgeübt noch ihren ständigen Wohnsitz gehabt haben oder zugunsten derer die Neutralisierungsregel greift.
31. Das PMO gewährte dem Rechtsmittelführer nach dessen Dienstantritt bei der Kommission die Expatriierungszulage, nicht aber die Auslandszulage, da es die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs VII des Statuts nicht für erfüllt ansah. Die dagegen vom Rechtsmittelführer eingelegte Beschwerde wies die Einstellungsbehörde zurück.
32. Der Rechtsmittelführer focht diese Entscheidungen erfolglos vor dem Gericht an und wendet sich nun gegen die Zurückweisung seiner erstinstanzlichen Argumentation durch das Gericht.
33. Mit seinem einzigen Rechtsmittelgrund, der im Wesentlichen dem zweiten Klagegrund vor dem Gericht entspricht, rügt der Rechtsmittelführer, das Gericht habe gegen Art. 4 Abs. 1 des Anhangs VII des Statuts verstoßen. Dieser Rechtsmittelgrund gliedert sich in zwei Teile.
34. Der Rechtsmittelführer macht erstens geltend, das Gericht habe den Ort der Ausübung seiner ständigen hauptberuflichen Tätigkeit falsch bestimmt, da dieser sich tatsächlich in Polen und nicht in Belgien befunden habe.
35. Zweitens habe das Gericht die Bedingungen falsch definiert, die an einen „Dienst für einen anderen Staat“ zu stellen sind, und die Tätigkeit des Rechtsmittelführers für den polnischen Staat sowie seinen Status als Richter außer Acht gelassen.
36. Ob das EJTN eine „internationale Organisation“ im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich zweiter Satz des Anhangs VII des Statuts ist, ist dagegen nicht Gegenstand des Rechtsstreits und daher nicht zu entscheiden.(4)
37. Im Folgenden werde ich in einem ersten Schritt darlegen, dass das Gericht zu Recht entschieden hat, dass der Rechtsmittelführer seine ständige hauptberufliche Tätigkeit im Bezugszeitraum in Belgien ausgeübt hat (A.). Dem Rechtsmittelführer könnte deshalb nur dann ein Anspruch auf die Auslandszulage nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs VII des Statuts zustehen, wenn es sich bei seiner in Belgien ausgeübten Tätigkeit um einen Dienst für einen anderen Staat handelte, weil er dann in den Genuss der Neutralisierungsregel käme. Dies werde ich in einem zweiten Schritt (B.) prüfen.
A. Ständige hauptberufliche Tätigkeit
38. Der Rechtsmittelführer meint, das Gericht habe zu Unrecht angenommen, dass er im Bezugszeitraum aufgrund der Arbeit für das EJTN seine ständige hauptberufliche Tätigkeit in Brüssel ausgeübt habe.
39. Nach den Ausführungen des Gerichts in den Rn. 62 bis 74 des angefochtenen Urteils nahm der Rechtsmittelführer als Generalsekretär des EJTN eine Vielzahl an Verwaltungs- und Repräsentationsaufgaben wahr, die einen Großteil seiner Arbeitszeit einnahmen und seine Anwesenheit nicht nur in Polen, sondern u.a. in den Geschäftsräumen des EJTN in Brüssel und an weiteren Orten erforderten. Dies spiegele sich auch in der Höhe des Gehalts wieder, das letztlich durch das EJTN gezahlt worden sei. Zudem habe das EJTN dem Rechtsmittelführer eine Dienstwohnung in Brüssel bereitgestellt. Aus diesen Umständen ergebe sich, dass es sich bei der Arbeit für den EJTN nicht um eine bloße Neben- oder untergeordnete Tätigkeit oder eine Tätigkeit für eine andere Stelle gehandelt habe. Der Rechtsmittelführer habe keinen Beweis über die Aufgaben oder Tätigkeiten erbracht, die er im Bezugszeitraum für die KSSiP erbracht habe. Deshalb habe der Rechtsmittelführer seine ständige hauptberufliche Tätigkeit für das EJTN in Brüssel ausgeübt.
40. Dies werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Rechtsmittelführer im Rahmen seiner Funktionen in Brüssel hauptsächlich Kontakt zu Ausländern hatte und zahlreiche berufliche Reisen in Europa durchgeführt hat, dass er angab, keine Amtssprache Belgiens fließend zu sprechen, oder dass seine Ehefrau ihren Arbeitsvertrag bei einem polnischen Gericht behielt. Denn aus diesen Umständen ergebe sich nicht, dass der Rechtsmittelführer andere Tätigkeiten ausgeübt hat als jene, die für seine Funktionen für das EJTN von Bedeutung waren.
41. Auch der Umstand, dass der Rechtsmittelführer seinen Status als polnischer Richter während des Bezugszeitraums behielt, impliziere nicht, dass seine ständige hauptberufliche Tätigkeit sich in Polen befunden habe. Dieser Status sei nicht unvereinbar mit den ihm übertragenen Verpflichtungen für das EJTN gewesen. Zudem sei der Rechtsmittelführer als Generalsekretär des EJTN der Kontrolle des Lenkungsausschusses des EJTN unterworfen gewesen.
42. Dem Rechtsmittelführer zufolge ist diese Schlussfolgerung mit einem Rechtsfehler behaftet. Er habe die Aufgaben für das EJTN im Auftrag der KSSiP durchgeführt. Zudem sei das EJTN lediglich eine Gruppierung nationaler Institutionen mit subsidiärem Charakter. Zwischen dem EJTN und dessen Generalsekretär bestünde auch keine rechtliche Beziehung. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass er während der Dauer der Tätigkeit für das EJTN weiterhin seinen Status als nationaler Richter behalten habe, beim polnischen Staat angestellt gewesen sei und unter der Aufsicht der KSSiP gestanden habe. Zuletzt stünde das Prinzip der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz der Annahme entgegen, dass der Rechtsmittelführer seine ständige hauptberufliche Tätigkeit für das EJTN ausgeübt habe.
43. Im Folgenden werde ich zunächst erläutern, wie der Ort der Ausübung der ständigen hauptberuflichen Tätigkeit im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs VII des Statuts zu bestimmen ist (1.). Auf dieser Grundlage werde ich sodann darlegen, dass das Gericht zu Recht angenommen hat, dass der Rechtsmittelführer seine ständige hauptberufliche Tätigkeit im Bezugszeitraum in Brüssel ausgeübt hat (2.).
1. Kriterien für die Bestimmung des Ausübungsortes der ständigen hauptberuflichen Tätigkeit
44. Der Gerichtshof hat sich bislang noch nicht ausdrücklich damit befasst, wie der Ausübungsort der ständigen hauptberuflichen Tätigkeit zu bestimmen ist und welche Kriterien für die Qualifizierung einer Tätigkeit als ständige hauptberufliche Tätigkeit im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs VII des Statuts maßgeblich sind.
45. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden.(5) Dabei ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Vorschriften des Unionsrechts in mehreren Sprachen abgefasst sind und die verschiedenen Sprachfassungen gleichermaßen verbindlich sind, so dass keine von ihnen Vorrang beanspruchen und ein Vergleich der Sprachfassungen erforderlich sein kann.(6)
46. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich, dass die Tätigkeit im späteren Dienststaat hauptberuflich ausgeübt werden muss. Eine bloße Neben- oder untergeordnete Tätigkeit ist nicht ausreichend. Hat ein Bediensteter im maßgeblichen Bezugszeitraum vor Dienstantritt mehrere Tätigkeiten ausgeübt, ist zu bestimmen, welche dieser Tätigkeiten seine hauptberufliche Tätigkeit war bzw. ist. Dies kann nur eine einzige Tätigkeit sein. Für die Bestimmung, welche von mehreren ausgeübten Tätigkeiten die hauptberufliche Tätigkeit ist, ist primär das Kriterium der aufgewandten Arbeitszeit maßgeblich. Andere Aspekte, wie beispielsweise der Umfang der Tätigkeiten und die Gehaltshöhe, können insoweit als Indizien berücksichtigt werden.(7)
47. Ferner kommt es nach dem Wortlaut auf den Ort der Ausübung dieser Tätigkeit im europäischen Hoheitsgebiet des Dienststaates an.
48. Bestätigt wird dies durch den Sinn und Zweck der Auslandszulage. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs soll „die Auslandszulage die besonderen Belastungen und Nachteile ausgleichen […], die der Dienstantritt bei den Organen der Union für die [Bediensteten] mit sich bringt, die hierdurch gezwungen sind, von ihrem Wohnstaat in den Dienststaat umzuziehen und sich in eine neue Umgebung zu integrieren. Ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Auslandszulage vorliegen, hängt auch von der subjektiven Situation des [Bediensteten] ab, nämlich vom Grad seiner Integration in seine neue Umgebung, wie er sich beispielsweise aus […] der Ausübung einer ständigen hauptberuflichen Tätigkeit ergibt. Durch die Gewährung der Auslandszulage sollen somit die faktischen Ungleichheiten ausgeglichen werden, die zwischen [Bediensteten], die in die Gesellschaft des Dienststaats integriert sind, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, bestehen.“(8)
49. Eine bereits vor Dienstantritt erfolgte „Ortsveränderung“,(9) d.h. Integration des Bediensteten in seinem Dienststaat, die eine Versagung der Auslandszulage rechtfertigt, kann sich folglich aus der Ausübung einer ständigen hauptberuflichen Tätigkeit in diesem Staat ergeben. Das Umfeld, in dem sich der Bedienstete bewegt, ist ihm in diesem Fall nicht neu.(10) Ein ausreichender Grad der Integration liegt aber typischerweise nur dann vor, wenn es sich nicht nur um eine Neben- oder untergeordnete Tätigkeit, sondern um die hauptsächlich ausgeübte Tätigkeit handelt. Maßgebliche Kriterien für die Bestimmung dieser hauptsächlich ausgeübten Tätigkeit sind unter anderem die aufgewendete Arbeitszeit und ein damit korrespondierendes Lohnniveau.(11)
50. Die Integration einer Person an einem Ort ist unmittelbar von ihren tatsächlichen Lebens- und Arbeitsverhältnissen abhängig. Der rechtliche Rahmen der Arbeitsumstände und der arbeitsrechtliche Status des Betroffenen wirken sich darauf nur mittelbar aus. Angesichts des aufgezeigten Zwecks der Auslandszulage erscheint es mir daher sinnvoll, für die Bestimmung des Ortes der Ausübung der ständigen hauptberuflichen Tätigkeit auf faktische Elemente abzustellen. Dabei kommt es insbesondere darauf an, an welchem Ort die Person ihre Arbeit in Ausführung der von ihr unterzeichneten Vertragsakte tatsächlich erbracht hat.(12)
2. Brüssel als Ausübungsort der ständigen hauptberuflichen Tätigkeit
51. Da der Rechtsmittelführer keine Verfälschung der Tatsachen durch das Gericht gerügt hat, sind die im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen bindend. Das Gericht hat in Rn. 6, 8 und 64 bis 66 dieses Urteils festgestellt, dass der Rechtsmittelführer infolge einer Vereinbarung zwischen dem polnischen Justizminister und dem EJTN in das Amt des Generalsekretärs des EJTN berufen wurde. Infolgedessen verbrachte der Rechtsmittelführer einen Großteil seiner Arbeitszeit am Sitz des EJTN in Brüssel. Für diese Zwecke stellte ihm das EJTN eine Dienstwohnung in Brüssel zur Verfügung, in der er während der Dauer des Bezugszeitraums mit seiner Familie lebte. Wie sich aus Rn. 42 bis 44 des angefochtenen Urteils ergibt, bezog der Rechtsmittelführer sein Gehalt zwar auch während seiner Tätigkeit für das EJTN unmittelbar vom polnischen Bezirksgericht. Es wurde Polen jedoch bis zu einem beträchtlichen Höchstbetrag letztlich durch das EJTN erstattet. Dieser Betrag entspricht unter Berücksichtigung des Tätigkeitsprofils eines Generalsekretärs der Entlohnung für eine hauptberufliche Tätigkeit.
52. Daraus hat das Gericht gefolgert, dass der Rechtsmittelführer die Tätigkeit für das EJTN hauptsächlich an dessen Sitz in Brüssel erbracht hat. Diese Feststellung hat der Rechtsmittelführer mit seinem Rechtsmittel nicht in Frage gestellt.
53. Wie das Gericht in Rn. 67 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, steht dem nicht entgegen, dass der Rechtsmittelführer im Rahmen seiner Funktionen in Brüssel hauptsächlich Kontakt zu Ausländern hatte oder dass er angab, keine der belgischen Amtssprachen fließend zu sprechen. Diese Aspekte mögen zwar faktisch die Integration des Rechtsmittelführers in Brüssel beeinflussen, wirken sich aber nicht auf den Ort der Ausübung seiner Tätigkeit aus. Sie unberücksichtigt zu lassen, widerspricht zudem weder dem Ziel noch dem Regelungszusammenhang des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs VII des Statuts. Die Anknüpfung an die ständige hauptberufliche Tätigkeit dient nämlich auch dazu, ein einfaches und objektives Kriterium aufzustellen, um die Situation der Bediensteten zu erfassen, die durch die Aufnahme einer Tätigkeit bei der EU zu einer Integration in eine neue Umgebung gezwungen werden.(13) Dadurch wird dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit Rechnung getragen.
54. Die Schlussfolgerung, dass der Rechtsmittelführer seine Tätigkeit für das EJTN hauptsächlich in Brüssel erbracht hat, wird auch nicht durch die von ihm ausgeübten zahlreichen Dienstreisen in Europa in Frage gestellt. Zeichnet sich eine Tätigkeit gerade durch die Reisetätigkeit und Erbringung von Diensten an unterschiedlichen Orten aus, erscheint es zwar nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall kein fester Ort existiert, an dem die ständige hauptberufliche Tätigkeit ausgeübt wird. Dafür bestehen hier aber keine Anhaltspunkte, zumal der Rechtsmittelführer nach den Feststellungen in Rn. 66 des angefochtenen Urteils während des gesamten Bezugszeitraums mit seiner Familie in der ihm vom EJTN zur Verfügung gestellten Dienstwohnung in Brüssel lebte.
55. Schließlich ist auch irrelevant, dass die Ehefrau des Rechtsmittelführers in diesem Zeitraum ihren Arbeitsvertrag bei einem polnischen Gericht behielt. Denn für die Bestimmung des Ortes seiner ständigen hauptberuflichen Tätigkeit kann es nur auf Umstände ankommen, die in seiner Person selbst liegen und beruflicher Natur sind. Das Arbeitsverhältnis einer ihm nahestehenden Person, wie seiner Ehefrau, ist insoweit nicht von Belang.(14)
56. Ferner ergibt sich aus den in Nr. 51 dieser Schlussanträge genannten Feststellungen des Gerichts, dass die Tätigkeit des Rechtsmittelführers für das EJTN nicht bloß eine Neben- oder untergeordnete Tätigkeit war, sondern seine hauptberufliche Tätigkeit im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs VII des Statuts darstellte.
57. Wie vom Gericht in Rn. 65 bis 66 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei angenommen, ergibt sich aus der Vielzahl der vom Generalsekretär des EJTN wahrzunehmenden Aufgaben sowie aus dem korrespondierenden Gehaltsniveau, dass die Aufgabe des Generalsekretärs als hauptberufliche und nicht als bloße nebenberufliche oder akzessorische Tätigkeit anzusehen ist. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass die Tätigkeit des Rechtsmittelführers als leitender Experte der KSSiP in Polen lediglich eine nebenberufliche Tätigkeit und daher für die Anwendung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs VII des Statuts nicht von Belang war.
58. Anders als der Rechtsmittelführer meint, kommt es für die Bestimmung des Ortes der ständigen hauptberuflichen Tätigkeit nicht darauf an, für welche Stelle die Tätigkeit vorrangig erbracht wurde. Wie oben in Nrn. 48 bis 50 festgestellt, gebietet es der Zweck der Auslandszulage, für die Bestimmung des Ortes der Ausübung der ständigen hauptberuflichen Tätigkeit auf faktische Elemente abzustellen. Maßgeblich ist der Ort der Erbringung der Arbeitsleistung.
59. Ob die vom Rechtsmittelführer wahrgenommenen Aufgaben für das EJTN im Auftrag der KSSiP und somit letztlich des polnischen Staates erfolgten, ist somit für die Bestimmung des Tätigkeitsorts nicht relevant, sondern allenfalls für die Frage, ob der Rechtsmittelführer einen Dienst für einen anderen Staat erbracht hat. Mit anderen Worten liegt der Ort der Ausübung der ständigen hauptberuflichen Tätigkeit des Rechtsmittelführers im Bezugszeitraum selbst dann in Brüssel, wenn man der Argumentation des Rechtsmittelführers folgt, dass er die ihm anvertrauten Aufgaben in erster Linie für die KSSiP und lediglich nachrangig für das EJTN erbracht hat. Die vom Rechtsmittelführer oben in Nr. 42 zusammengefassten Argumente sind daher für die Bestimmung des Ortes der ständigen hauptberuflichen Tätigkeit des Rechtsmittelführers ohne Bedeutung.
3. Zwischenergebnis
60. Aus alledem folgt, dass das Gericht zu Recht angenommen hat, dass der Ort der ständigen hauptberuflichen Tätigkeit des Rechtsmittelführers im Bezugszeitraum in Brüssel war.
B. Dienst für einen anderen Staat
61. Der Rechtsmittelführer ist ferner der Ansicht, das Gericht habe die Bedingungen falsch definiert, die an einen „Dienst für einen anderen Staat“ zu stellen seien. Zudem habe das Gericht seine Tätigkeit für den polnischen Staat sowie seinen Status als Richter unberücksichtigt gelassen.
62. Nach den Feststellungen in den Rn. 78 bis 83 des angefochtenen Urteils erfasst der Begriff des „Staates“ im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs VII des Statuts nur den Staat als juristische Person und einheitliches Völkerrechtssubjekt sowie dessen Regierungsorgane. Der Dienst für eine gemeinnützige internationale Vereinigung nach belgischem Recht, wie das EJTN, falle nicht unter diesen Begriff. Somit gelte Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs VII des Statuts nicht für die vom Rechtsmittelführer für das EJTN geleistete Arbeit.
63. Dem Rechtsmittelführer zufolge trägt die Rechtsprechung eine solche enge Auslegung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs VII des Statuts nicht. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Mitglieder der Judikative aufgrund des Prinzips der Gewaltenteilung nicht in eine ständige Vertretung eines Staates integriert sein könnten. Das Gericht habe durch die von ihm vorgenommene Auslegung ausgeschlossen, dass Mitglieder der Judikative von der Ausnahme des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich zweiter Satz des Anhangs VII des Statuts profitieren könnten. Der Begriff des „Dienstes für einen anderen Staat“ sei daher dahin auszulegen, dass er alle Umstände erfasse, die sich aus der Tätigkeit für einen anderen Staat ergäben, ohne dass dieser Dienst auf einen solchen im Zusammenhang mit einer offiziellen Vertretung dieses Staates beschränkt sei.
64. Indem das Gericht entschieden habe, dass der Dienst für das EJTN nicht unter den Begriff des „Dienstes für einen anderen Staat“ falle, habe das Gericht zudem die Tätigkeit des Rechtsmittelführers für den polnischen Staat sowie seinen Status als Richter unberücksichtigt gelassen. Durch die Wahrnehmung der Aufgaben und Verpflichtungen des Generalsekretärs des EJTN habe der Rechtsmittelführer zugleich die ihm von der KSSiP übertragenen Aufgaben erfüllt.
65. Im Folgenden werde ich wiederum zunächst darstellen, welche Anforderungen an das Kriterium des „Dienstes für einen anderen Staat“ zu stellen sind (1.). In diesem Zusammenhang werde ich insbesondere erläutern, dass hierfür eine Tätigkeit in einer Einrichtung dieses anderen Staates im Dienststaat erforderlich ist. Sodann werde ich ausführen, dass der Rechtsmittelführer in dem Bezugszeitraum keinen Dienst für einen anderen Staat erbracht hat (2.).
1. Anforderungen an das Kriterium des „Dienstes für einen anderen Staat“
a) Wortlaut und Sinn und Zweck der Regelung
66. Wie Generalanwalt Bot ausführlich dargelegt hat, kann der Begriff „Staat“ je nach dem Kontext, in dem er angewandt wird, weit oder eng gefasst sein.(15) Er kann daher nicht aus der Wendung, deren Bestandteil er ist, herausgelöst werden, um gesondert ausgelegt zu werden; vielmehr ist der Begriff des „Dienstes für einen anderen Staat“ in seiner Gesamtheit zu betrachten und nach Maßgabe der Systematik und der Ziele der Regelung auszulegen, deren Teil er ist.(16)
67. Wie oben in Nr. 48 dargelegt, ist es Zweck der Auslandszulage, die besonderen Belastungen und Nachteile auszugleichen, die der Dienstantritt bei den Organen der Union für die Bediensteten mit sich bringt, die hierdurch gezwungen sind, sich in eine neue Umgebung zu integrieren. Die Neutralisierungsregel des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich zweiter Satz des Anhangs VII des Statuts enthält die Wertung, „dass sich in einer solchen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Auslandszulage erfüllenden Situation auch ein [Bediensteter] befindet, der zwar während eines sechs Monate vor seinem Dienstantritt ablaufenden Zeitraums von fünf Jahren im europäischen Hoheitsgebiet des Staates, in dem sein Dienstort liegt, seinen Wohnsitz gehabt oder eine berufliche Tätigkeit ausgeübt, aber im Dienst für einen anderen Staat […] gestanden hat.“(17) Dahinter steht die Vermutung, dass infolge der Ausübung dieses Dienstes das spezifische Band des Betreffenden zu diesem anderen Staat bestehen bleibt. Dieses Band verhindert, dass ein dauerhaftes Band zum Dienststaat geknüpft wird und es zu einer hinreichenden Integration des Betreffenden in die Gesellschaft des Dienststaates kommt.(18) Mit anderen Worten wird in einer solchen Situation die fortwährende „Fremdheit“ des Bediensteten im Dienststaat vermutet, die es rechtfertigt, ihn mit neu ankommenden Bediensteten gleich zu behandeln und seinen Anspruch auf Zahlung der Auslandszulage zu erhalten.
68. Wie lässt sich diese Vermutung anhand der Ziele und der Systematik der einschlägigen Regeln begründen?
69. Als Begründung kommt erstens in Betracht, dass die Ausübung der Tätigkeit im Ausland für einen anderen Staat regelmäßig nur zeitlich begrenzt erfolgt und der Betroffene somit kein Interesse daran hat, ein dauerhaftes Band zu diesem Dienststaat zu knüpfen. Zweitens kann die besondere Arbeitsumgebung, in der sich der Betroffene, der Dienste für einen anderen Staat leistet, im Dienststaat befindet, die soziale Integration in diesen Staat erschweren. Drittens kommt die Neutralisierungsregel dem Bedürfnis nach, die Einstellungskapazität der Unionsorgane zu fördern und deren Attraktivität für Staatsbürger anderer Staaten als dem ihres Sitzes zu erhalten, auch wenn diese zeitlich begrenzt bereits Dienste in dem Dienststaat erbracht haben.(19)
70. Wie bereits Generalanwalt Mengozzi festgestellt hat, erscheinen diese Begründungsversuche aber für sich genommen als unzureichend, da sie die Besserstellung von Betroffenen, die Dienste im Ausland für andere Staaten oder internationale Organisationen leisten und damit von der Neutralisierungsregel profitieren, gegenüber der Stellung von Betroffenen, die Dienste für andere Stellen leisten und damit nicht in den Genuss der Neutralisierungsregel kommen, nicht erklären.(20)
71. Ein anderer Erklärungsansatz für diese Differenzierung wäre es, die Neutralisierungsregel als Privileg zugunsten anderer Staaten oder internationaler Organisationen zu sehen, das sich in einer Sonderregelung zugunsten derjenigen niederschlägt, die für ihre Einrichtungen tätig waren, und das die geografische Mobilität des Personals anderer Staaten und der internationalen Organisationen erleichtern soll.(21)
72. Gegen eine solche Deutung spricht jedoch Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Anhangs VII des Statuts, der einen anderen Anwendungsbereich als Buchst. a hat: Während Buchst. a voraussetzt, dass der Bedienstete die Staatsangehörigkeit des Dienststaats nicht besitzt, regelt Buchst. b die Gewährung der Auslandszulage in den Fällen, in denen der Bedienstete Staatsangehöriger des Dienststaates ist. Bedienstete erhalten danach nur ausnahmsweise die Auslandszulage, und zwar, wenn sie während eines bei ihrem Dienstantritt ablaufenden Zeitraums von zehn Jahren aus einem anderen Grund als der Ausübung einer Tätigkeit in einer Dienststelle eines Staates oder in einer internationalen Organisation ihren ständigen Wohnsitz nicht in dem Dienststaat hatten. Dieser andere Grund kann also nicht mit der Ausübung einer Tätigkeit in einer Dienststelle eines Staates oder in einer internationalen Organisation zusammenhängen.
73. Somit profitiert ein Bediensteter zwar im Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs VII des Statuts davon, im Dienst für einen anderen Staat oder einer internationalen Organisation gestanden zu haben, weil diese Vorschrift seinen Anspruch auf die Auslandszulage grundsätzlich aufrecht erhält; umgekehrt ist eine vorherige Tätigkeit in einer Dienststelle eines Staates oder in einer internationalen Organisation im Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Anhangs VII des Statuts für ihn aber von Nachteil, weil sie diesen Anspruch entfallen lässt.(22) Von einer generellen Privilegierung des Diensts für einen anderen Staat oder eine internationale Organisation kann also keine Rede sein.
74. Aus der Regelungssystematik der Buchst. a und b ergibt sich also, dass der Besitz oder Nichtbesitz der Staatsangehörigkeit des Dienststaats nur bestimmt, welcher Zeitraum für die Beurteilung des ständigen Wohnsitzes bzw. der ständigen hauptberuflichen Tätigkeit vor Dienstantritt und damit für das Kriterium der „Fremdheit“ im Dienststaat im Moment des Dienstantritts relevant ist.(23) Ebenso wie ein Nicht-Staatsangehöriger des Dienststaates zu diesem durch einen Wohnsitz oder die Ausübung einer ständigen hauptberuflichen Tätigkeit während des Bezugszeitraums eine besondere Verbindung aufbauen und daher das Kriterium der (anspruchsbegründenden) „Fremdheit“ entfallen lassen kann, kann ein Staatsangehöriger diese durch den Besitz der Staatsangehörigkeit begründete besondere Verbindung zu dem Staat durch eine zehnjährige durchgängige Abwesenheit verlieren und daher bei seiner Rückkehr in den Dienststaat das Kriterium der „Fremdheit“ erfüllen.(24) Diese Tätigkeit, die eine besondere Verbindung zu dem Dienststaat entweder begründet (Buchst. a) oder entfallen lässt (Buchst. b), kann aber gerade keine Tätigkeit im Dienst für einen anderen Staat bzw. in der Dienststelle eines anderen Staates sein. Der Normgeber ging also davon aus, dass eine Tätigkeit im Dienst für einen anderen Staat bzw. in einer Dienststelle eines anderen Staates nicht zu einer besonderen Verbindung mit dem Staat, in dem diese Tätigkeit ausgeübt wird, führen kann.
75. In der Gesamtschau mit der Regelung in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Anhangs VII des Statuts ergibt sich somit, dass der Normgeber die aus dem Dienst für einen anderen Staat oder eine internationale Organisation resultierende Situation in Buchst. a nur deswegen privilegiert hat, weil er in diesen Fällen typischerweise davon ausging, dass das spezifische Band des Betroffenen zu diesem anderen Staat oder dieser internationalen Organisation dessen hinreichende Integration in die Gesellschaft des Dienststaates verhindert, und er deshalb dort „fremd“ ist.
76. Diese Typisierung erfolgt aus Gründen der Rechtssicherheit und entspricht dem Bedürfnis, die Prüfung der Gewährung einer Auslandszulage anhand objektiver und leicht anzuwendender Kriterien vorzunehmen.(25) Dem steht nicht entgegen, dass diese Typisierung in Einzelfällen dazu führen kann, dass Bedienstete keine Auslandszulage erhalten, obwohl ihre Situation den von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs VII des Statuts erfassten Fällen nahekommt,(26) die Bediensteten aber gerade, vor ihrem Eintritt in den Dienst der Europäischen Union, für eine andere Stelle tätig waren als eine Dienststelle eines anderen Staates oder einer internationalen Organisation.(27)
b) Erfordernis der Tätigkeit in einer Einrichtung dieses anderen Staates
77. Was sind nun angesichts dieser verfolgten Zwecke die Anforderungen, die an den Dienst für einen anderen Staat zu stellen sind?
1) Bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs
78. In seinem Urteil in der Rechtssache Kommission/Hosman-Chevalier stellte der Gerichtshof fest, dass die anderen Staaten im Dienststaat des betreffenden Bediensteten „durch Botschaften oder diplomatische Missionen sowie durch Ständige Vertretungen bei den internationalen Organisationen vertreten“ sind.(28)
79. Er kam daher zu dem Ergebnis, dass eine Person, die zwar nicht von der Zentralverwaltung dieses Staates angestellt, aber Mitglied des Personals der Ständigen Vertretung dieses Staates war, als eine solche anzusehen ist, die Dienste für diesen Staat verrichtete.(29) Dabei hielt es der Gerichtshof für unbeachtlich, welche besonderen spezifischen Funktionen die Person in der Ständigen Vertretung ausübte.(30) Vielmehr stellte er maßgeblich auf den privilegierten Status der Person ab, der ihr den Genuss verschiedener Vorrechte und Befreiungen nach dem Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen ermöglichte und daher nach Ansicht des Gerichtshofs ihr spezifisches Band zu dem Staat begründete.(31) Der Gerichtshof entschied zudem, dass eine unmittelbare rechtliche Beziehung zwischen dieser Person und dem fraglichen Staat nicht erforderlich sei.(32)
80. Darauf aufbauend entschied der Gerichtshof in seinen Urteilen in den Rechtssachen Salvador García/Kommission, Herrero Romeu/Kommission, Salazar Brier/Kommission und De Bustamante Tello/Rat, dass für die Auslegung des Begriffs „Dienst für einen anderen Staat“ allein die Tatsache relevant ist, dass der Dienst bei der Ständigen Vertretung eines Staates ausgeübt wird.(33) Diese Aussage ist jedoch vor dem Hintergrund der Besonderheiten der entschiedenen Fälle zu lesen und darf meines Erachtens nicht zu eng verstanden werden. Erfasst sein müssen nach dem oben in Nr. 78 dargestellten Verständnis jedenfalls auch Dienste in Botschaften und diplomatischen Missionen.
81. Ist es nun aber in jedem Fall erforderlich, dass der betreffende Dienst für einen anderen Staat in einer Einrichtung dieses anderen Staates im Dienststaat, wie insbesondere einer Botschaft, diplomatischen Mission oder Ständigen Vertretung, erbracht wird?
2) Wortlaut „Dienst für einen anderen Staat“
82. Der Wortlaut „Dienst für einen anderen Staat“ erfordert dies nicht zwingend. Insoweit besteht jedenfalls in der deutschen Sprachfassung ein Unterschied zu Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Anhangs VII des Statuts, der – enger – von der Tätigkeit „in einer Dienststelle eines Staates“ spricht. Ähnliche Nuancierungen finden sich auch in anderen Sprachfassungen. So heißt es in der französischen Fassung in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs VII des Statuts „services effectués pour un autre État“(34) und in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Anhangs VII des Statuts „l’exercice de fonctions dans un service d’un État.“(35)
83. Das Gericht folgerte daraus in seinem Urteil Vardakas/Kommission, dass der in Buchst. a gewählte Begriff weit, der in Buchst. b gewählte Begriff eng auszulegen sei.(36) Eine solche unterschiedliche Auslegung scheint mir jedoch nicht zwingend: Denn wie oben in Nrn. 72 bis 75 dargestellt, liegt sowohl Buchst. a als auch Buchst. b derselbe Gedanke zugrunde, dass im Fall der Tätigkeit für einen anderen Staat bzw. in einer Dienststelle eines (anderen) Staates ein spezifisches Band der Person zu diesem Staat bestehen bleibt, der seine hinreichende Integration in dem Staat der Ausübung dieser Tätigkeit verhindert. Dies spricht trotz des abweichenden Wortlauts dafür, den in Buchst. a und b verwendeten Begrifflichkeiten denselben Inhalt zuzuweisen.
84. Zudem sind die Unterschiede in anderen Sprachfassungen weniger eindeutig. So ist etwa in der englischen Fassung in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs VII des Statuts von „work done for another State“ und in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Anhangs VII des Statuts von „duties in the service of a State“ die Rede, in der niederländischen Fassung von „diensten, verricht voor een andere staat“ (Buchst. a) und „functie in dienst van een staat“ (Buchst. b).
3) Sinn und Zweck der Neutralisierungsregel
85. Die Ratio der Neutralisierungsregel spricht meines Erachtens für das Erfordernis, dass die Person im Dienststaat selbst unmittelbar in einer Einrichtung des anderen Staates beschäftigt ist. Wie oben in Nrn. 67 ff. dargestellt, beinhaltet die Neutralisierungsregel eine Vermutung anhand objektiver und einfacher Kriterien dafür, dass die Person ein spezifisches Band zu dem anderen Staat behält. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise erscheint diese Vermutung nur dann gerechtfertigt, wenn die Tätigkeit unmittelbar in einer Einrichtung des anderen Staates erbracht wird, auch wenn eine unmittelbare rechtliche Beziehung zwischen der Person und dem Staat nicht erforderlich ist.(37) Wird die Tätigkeit dagegen, wenn auch im Auftrag und für Rechnung des anderen Staates, in einer dritten Einrichtung oder in verschiedenen Einrichtungen ausgeübt, schwächt dies die zwischen der Person und dem Staat bestehende Verbindung.
86. Eine andere Sichtweise würde zu einer deutlich schwierigeren Rechtsanwendung führen und ließe befürchten, erhebliche Rechtsunsicherheit zu verursachen. Hielte man eine Tätigkeit in einer Einrichtung des anderen Staates im Dienststaat nicht für erforderlich, wäre es schwierig zu bestimmen, in welchen Fällen ein Dienst für einen anderen Staat tatsächlich vorliegt.
87. Das Status- oder Arbeitsverhältnis mit diesem anderen Staat wäre zu diesem Zweck nicht ausreichend, denn es erscheint nicht ausgeschlossen, dass in Einzelfällen ein Dienst für einen anderen Staat auch mittels einer selbständigen Tätigkeit(38) oder einer Anstellung bei einem Dritten erbracht werden kann. Eine solche Sichtweise würde sich im Übrigen in Widerspruch zu der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs setzen, wonach eine unmittelbare rechtliche Beziehung zwischen der betreffenden Person und dem fraglichen anderen Staat gerade nicht erforderlich ist.(39)
88. Ebenso wenig könnte die Bestimmung solcher Fälle verlässlich anhand der konkret ausgeübten Tätigkeiten erfolgen. Die dann erforderliche tatsächliche Beurteilung dieser Tätigkeiten würde dem Bedürfnis nach einfachen Kriterien für die Rechtsanwendung zuwiderlaufen. Zudem erscheint mir die ausgeübte Tätigkeit ein weitaus weniger bedeutsamer Umstand für die Integration im Dienststaat zu sein als andere Faktoren, wie beispielsweise das Arbeitsumfeld oder der Status und gegebenenfalls damit verbundene Vorrechte und Privilegien der Person. Mit anderen Worten erscheint mir die konkret ausgeübte Tätigkeit, gleich welchen Inhalts, für sich genommen nicht geeignet zu sein, die Vermutung für ein derart spezifisches Band zu dem anderen Staat zu begründen, das eine Integration in den Dienststaat verhindert würde. Insoweit hat der Gerichtshof auch bereits entschieden, dass es auf die spezifischen in der Einrichtung ausgeübten Funktionen nicht ankommt.(40)
4) Zwischenergebnis
89. Ich schließe daraus, dass die Anwendbarkeit der Neutralisierungsregel es erfordert, dass der im Dienststaat geleistete Dienst in einer Einrichtung dieses anderen Staates(41) erbracht worden ist. Ob diese Einrichtung des anderen Staates im Dienststaat zwingend eine Botschaft, diplomatische Mission oder Ständige Vertretung sein muss, was die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs zu implizieren scheint und auch das Gericht in Rn. 78 bis 83 des angefochtenen Urteils angenommen hat, oder ob auch andere staatliche Einrichtungen, wie beispielsweise Militärstützpunkte im Ausland oder Auslandsschulen unter der Trägerschaft eines anderen Staates erfasst sein können, ist hier nicht entscheidungserheblich.(42)
2. Anwendung dieses Kriteriums auf die Situation des Rechtsmittelführers
90. Handelt es sich, gemessen an diesen Maßstäben, bei der vom Rechtsmittelführer im Bezugszeitraum ausgeübten Tätigkeit nun um einen Dienst für den polnischen Staat?
91. Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Rechtsmittelführer während der Ausübung seiner Tätigkeit in Brüssel zwar weiterhin den Status als polnischer Richter innehatte. Wie sich aus meinen bisherigen Ausführungen ergibt, ist das entscheidende Kriterium für die Anwendung der Neutralisierungsregel aber weder die konkret von der Person ausgeübte Tätigkeit, noch deren spezifische Rechtsbeziehung zu diesem anderen Staat, sondern deren Eingliederung in eine Einrichtung dieses anderen Staates im Dienststaat.
92. Im Bezugszeitraum erbrachte der Rechtsmittelführer nach den Feststellungen in Rn. 64, 66 und 73 des angefochtenen Urteils seine Tätigkeit zu einem großen Teil in der Geschäftsstelle des EJTN in Brüssel. Zudem unterstand er der Kontrolle des Lenkungsausschusses des EJTN, der befugt war, sein Mandat zu suspendieren und der Hauptversammlung die Beendigung des Mandats vorzuschlagen. Diese Umstände zeigen, dass er in Belgien in eine Einrichtung des EJTN integriert war. Wie sich aus Rn. 3 und 82 des angefochtenen Urteils ergibt, ist das EJTN eine gemeinnützige internationale Vereinigung nach belgischem Recht, die die Entwicklung von Fortbildungsprogrammen mit europäischer Dimension für ihre Mitglieder und das Personal der Gerichtsbarkeiten bezweckt. Es ist daher keine Einrichtung des polnischen Staates.
93. Das Argument des Rechtsmittelführers, dass die durch das Gericht vorgenommene Auslegung, wonach eine Eingliederung in eine Ständige Vertretung eines Mitgliedstaats erforderlich sei, sämtliche Mitglieder der Judikative von der Begünstigung durch die Neutralisierungsregel ausschließen würde, steht dem hier gefundenen Ergebnis nicht entgegen.
94. Erstens kann hier letztlich offenbleiben, ob eine Eingliederung in eine Botschaft, diplomatische Mission oder Ständige Vertretung überhaupt erforderlich ist oder ob auch eine Eingliederung in eine andere Einrichtung des Staates im Dienstland genügt.
95. Zweitens erscheint es nicht ausgeschlossen, dass auch Mitglieder der Judikative trotz ihrer richterlichen Unabhängigkeit, beispielsweise infolge einer Abordnung, in eine solche Einrichtung eingegliedert sein können. Dies zeigt das Beispiel des Rechtsmittelführers selbst, dessen richterliche Unabhängigkeit nicht dadurch beeinträchtigt wurde, dass er im Rahmen seiner – davon zu trennenden – Tätigkeit für das EJTN in dessen Einrichtung integriert war und der Kontrolle von dessen Lenkungsausschuss unterstand.
96. Und drittens würde es das Bedürfnis der Anwendung der Neutralisierungsregel anhand von objektiven und einfachen Kriterien erlauben, bestimmte Personengruppen auszuschließen, so wie etwa auch ein Dienst im rein privaten Sektor unbeachtlich ist. Wie oben in Nrn. 67 ff. dargestellt, ist die Neutralisierungsregel nämlich gerade nicht als Privilegierung zu verstehen, sondern legt lediglich typischerweise das spezifische Band des Antragstellers zu dem anderen Staat zugrunde. Befände sich der Rechtsmittelführer nicht im Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a des Anhangs VII des Statuts, sondern in demjenigen von Buchst. b, wäre eine weite Auslegung des – identisch auszulegenden – Begriffs der „Tätigkeit in einer Dienststelle eines Staates“ für ihn gerade nachteilig.(43)
97. Anders als der Rechtsmittelführer meint, hat das Gericht auch keinen Rechtsfehler begangen, indem es angenommen hat, dass die für das EJTN geleistete Arbeit der einzige relevante Faktor sei, ohne den Status des Rechtsmittelführers als Richter und die rechtliche Beziehung zwischen ihm und dem polnischen Staat zu berücksichtigen.
98. Denn wie soeben dargelegt, kommt es für die Anwendung des Kriteriums des „Dienstes für einen anderen Staat“ auf den Status der betroffenen Person und seine rechtliche Beziehung zu dem anderen Staat nicht entscheidend an. Daher ist es auch unbeachtlich, dass der Rechtsmittelführer während des Bezugszeitraums weiterhin als Bezirksrichter beim polnischen Staat angestellt war und sein Gehalt unmittelbar von dem Bezirksgericht bezog.
3. Zwischenergebnis
99. Das Gericht hat daher rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Ausnahme für den „Dienst für einen anderen Staat“ des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich zweiter Satz des Anhangs VII des Statuts für die vom Rechtsmittelführer für das EJTN erbrachte Arbeit nicht greift.
VI. Kosten
100. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass das Rechtsmittel zurückzuweisen ist. Folglich entscheidet der Gerichtshof gemäß Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung über die Kosten. Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, wird hierbei die unterlegene Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten verurteilt. Da die Kommission einen entsprechenden Antrag gestellt hat, ist der Rechtsmittelführer sowohl zur Tragung seiner eigenen Kosten als auch der Kosten der Kommission zu verurteilen.
VII. Ergebnis
101. Zusammenfassend schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Der Rechtsmittelführer trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens.