Vorläufige Fassung
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
JEAN RICHARD DE LA TOUR
vom 20. April 2023(1)
Rechtssache C-770/21
„OGL-Food Trade Lebensmittelvertrieb“ GmbH
gegen
Direktor na Teritorialna direktsia „Mitnitsa Plovdiv“ pri Agentsia „Mitnitsi“
(Vorabentscheidungsersuchen des Administrativen sad Sofia-grad [Verwaltungsgericht der Stadt Sofia, Bulgarien])
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Zollkodex der Union – Zollwertbestimmung für Obst und Gemüse, für das die Einfuhrpreisregelung gilt – Über dem pauschalen Einfuhrwert liegender angemeldeter Transaktionswert – Absatz von Erzeugnissen zu den Bedingungen, die der Realität des Transaktionswerts entsprechen – Verkauf mit Verlust – Gerichtliche Überprüfung der Entscheidung, mit der die Zollschuld festgelegt wird – Fehlen eines Handelsvertrags über die Einfuhr – Begriff ‚Teilhaber oder Gesellschafter von Personengesellschaften‘“
I. Einleitung
1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung
– der Art. 22, 44, 70 und 74 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union(2) in der durch die Verordnung (EU) 2016/2339 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 geänderten Fassung(3);
– der Art. 127 und 142 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. November 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union(4) in der durch die Durchführungsverordnung (EU) 2018/604 der Kommission vom 18. April 2018 geänderten Fassung(5) sowie
– des Art. 75 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/891 der Kommission vom 13. März 2017 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Sektoren Obst und Gemüse sowie Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse und zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die in diesen Sektoren anzuwendenden Sanktionen und zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 543/2011 der Kommission(6) in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2018/1145 der Kommission vom 7. Juni 2018 geänderten Fassung(7).
2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der OGL-Food Trade Lebensmittelvertrieb GmbH (im Folgenden: OGL-Food) und dem Direktor na Teritorialna direktsia „Mitnitsa Plovdiv“ pri Agentsia „Mitnitsi“ (Direktor der Gebietsdirektion „Zoll/Plovdiv“ der Agentur „Zoll“, Bulgarien, im Folgenden: Zolldirektor) zum angemeldeten Transaktionswert für die Einfuhr von Zucchini mit Ursprung in der Türkei.
3. Diese Rechtssache gibt dem Gerichtshof die Gelegenheit, die Voraussetzungen zu klären, unter denen eine Entscheidung der Zollbehörden, mit der ein Transaktionswert abgelehnt wird, vor Gericht angefochten werden kann, und insbesondere, ob im Stadium der gerichtlichen Anfechtung dieser Entscheidung die Begründung dieser Entscheidung geändert werden kann.
4. In den vorliegenden Schlussanträgen, die auf Ersuchen des Gerichtshofs auf die Prüfung der ersten und zweiten Vorlagefrage beschränkt sind, werde ich vorschlagen, zu antworten, dass zum einen die Begründung der Zollentscheidung nicht im Stadium des gerichtlichen Anfechtungsverfahrens geändert werden kann, und zum anderen hilfsweise, dass die Beurteilung der Eigenschaft eines Teilhabers oder Gesellschafters von Personengesellschaften dem nationalen Recht unterliegt und folglich die vom vorlegenden Gericht vorgeschlagenen Beurteilungselemente nur relevant sind, wenn sie es im nationalen Recht ermöglichen, diese Eigenschaft eines Teilhabers oder Gesellschafters von Personengesellschaften zu begründen.
II. Rechtlicher Rahmen
A. Zollrecht
1. Zollkodex der Union
5. Art. 1 Abs. 1 des Zollkodex der Union lautet:
„Diese Verordnung enthält den Zollkodex der Europäischen Union …, in dem die allgemeinen Vorschriften und Verfahren festgelegt sind, die auf die in das und aus dem Zollgebiet der Europäischen Union verbrachten Waren Anwendung finden.
Unbeschadet des Völkerrechts und internationaler Übereinkünfte sowie der Unionsrechtsvorschriften in anderen Bereichen gilt der Zollkodex einheitlich im ganzen Zollgebiet der Union.“
6. Art. 5 Nr. 1 und 3 des Zollkodex der Union bestimmt:
„Für den [Zollkodex der Union] gelten folgende Begriffsbestimmungen:
1. ‚Zollbehörden‘ sind die für die Anwendung der zollrechtlichen Vorschriften zuständigen Zollverwaltungen der Mitgliedstaaten und sonstige nach einzelstaatlichem Recht zur Anwendung bestimmter zollrechtlicher Vorschriften ermächtigte Behörden.
…
3. ‚Zollkontrollen‘ sind spezifische Handlungen, die die Zollbehörden zur Gewährleistung der Einhaltung der zollrechtlichen und sonstigen Vorschriften über Eingang, Ausgang, Versand, Beförderung, Lagerung und Endverwendung von Waren, die zwischen dem Zollgebiet der Union und Ländern oder Gebieten außerhalb dieses Gebiets befördert werden, sowie über das Vorhandensein von Nicht-Unionswaren und Waren in der Endverwendung und deren Beförderung innerhalb des Zollgebiets der Union vornehmen.“
7. Art. 22 („Entscheidungen auf Antrag“) des Zollkodex bestimmt in seinen Abs. 6 und 7:
„(6) Vor Erlass einer den Antragsteller belastenden Entscheidung teilen die Zollbehörden die Gründe, auf die sie ihre Entscheidung stützen wollen, dem Antragsteller mit, der Gelegenheit erhält, innerhalb einer ab dem Tag, an dem er diese Mitteilung erhält oder an dem sie als diesem zugestellt gilt, laufenden Frist Stellung zu nehmen. Nach Ablauf dieser Frist wird dem Antragsteller die Entscheidung in geeigneter Form mitgeteilt.
…
(7) Eine den Antragsteller belastende Entscheidung muss mit Gründen versehen sein und eine Belehrung über das Recht auf Einlegung eines Rechtsbehelfs nach Artikel 44 enthalten.“
8. Art. 29 („Entscheidung ohne vorherigen Antrag“) dieses Kodex schreibt vor:
„Außer in dem Fall, in dem eine Zollbehörde als Gericht handelt, [gilt] Artikel 22 Absätze 4, 5, 6 und 7 … auch für die Entscheidungen, die die Zollbehörden ohne vorherigen Antrag des Beteiligten erlassen.“
9. Art. 44 („Recht auf Einlegung eines Rechtsbehelfs“) des Zollkodex sieht vor:
„(1) Jede Person hat das Recht, einen Rechtsbehelf gegen eine von den Zollbehörden im Zusammenhang mit der Anwendung der zollrechtlichen Vorschriften erlassene Entscheidung einzulegen, die sie unmittelbar und persönlich betrifft.
…
(2) Das Recht auf Einlegung eines Rechtsbehelfs kann in einem mindestens zweistufigen Verfahren ausgeübt werden:
a) auf der ersten Stufe bei einer Zollbehörde oder einem Gericht oder einer von den Mitgliedstaaten für diesen Zweck benannten anderen Stelle,
b) auf der zweiten Stufe bei einer höheren unabhängigen Stelle, bei der es sich nach Maßgabe der geltenden Vorschriften der Mitgliedstaaten um ein Gericht oder eine gleichwertige spezialisierte Stelle handeln kann.
…
(4) Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass das Rechtsbehelfsverfahren eine umgehende Bestätigung oder Berichtigung der von den Zollbehörden erlassenen Entscheidung ermöglicht.“
10. Art. 70 („Zollwertbestimmung auf der Grundlage des Transaktionswerts“) des Zollkodex der Union bestimmt:
„(1) Die vorrangige Grundlage für den Zollwert von Waren ist der Transaktionswert, das heißt der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, der erforderlichenfalls anzupassen ist.
(2) Der tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis ist die vollständige Zahlung, die der Käufer an den Verkäufer oder der Käufer an einen Dritten zugunsten des Verkäufers für die eingeführten Waren leistet oder zu leisten hat, und schließt alle Zahlungen ein, die als Voraussetzung für den Verkauf der eingeführten Waren tatsächlich geleistet werden oder zu leisten sind.
(3) Der Transaktionswert ist anwendbar, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
…
d) der Käufer und der Verkäufer sind nicht verbunden oder die Verbindung hat den Preis nicht beeinflusst.“
11. Art. 74 („Nachrangige Methoden der Zollwertbestimmung“) des Zollkodex bestimmt in seinen Abs. 1 und 2:
„(1) Kann der Zollwert von Waren nicht nach Artikel 70 bestimmt werden, so werden die Voraussetzungen des Absatzes 2 Buchstaben a bis d nacheinander geprüft, bis der erste Buchstabe erreicht ist, nach dem der Zollwert der Waren bestimmt werden kann.
…
(2) Der Zollwert nach Absatz 1 ist
…
c) der Wert auf der Grundlage des Preises je Einheit, zu dem die eingeführten Waren oder eingeführte gleiche oder gleichartige Waren in der größten Menge insgesamt im Zollgebiet der Union an Personen verkauft werden, die nicht mit den Verkäufern verbunden sind …
…“
2. Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union
12. In Kapitel 3 („Zollwert der Waren“) der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union, das in Titel II („Grundlagen für die Anwendung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben und sonstigen für den Warenverkehr vorgesehenen Maßnahmen“) enthalten ist, bestimmt Art. 127:
„(Artikel 70 Absatz 3 Buchstabe d des Zollkodex [der Union])
(1) Für die Zwecke dieses Kapitels gelten zwei Personen als verbunden, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
…
b) sie sind Teilhaber oder Gesellschafter von Personengesellschaften;
…
e) eine von ihnen kontrolliert unmittelbar oder mittelbar die andere;
f) beide von ihnen werden unmittelbar oder mittelbar von einer dritten Person kontrolliert;
g) sie beide zusammen kontrollieren unmittelbar oder mittelbar eine dritte Person;
…“
13. Art. 134 („Transaktionen zwischen verbundenen Personen“) dieser Durchführungsverordnung sieht vor:
„(Artikel 70 Absatz 3 Buchstabe d des Zollkodex [der Union])
(1) Sind Käufer und Verkäufer miteinander verbunden, so werden die Begleitumstände des Kaufgeschäfts sofern erforderlich geprüft um festzustellen, ob die Verbundenheit den Preis beeinflusst hat, und dem Anmelder wird Gelegenheit gegeben, erforderlichenfalls weitergehende Informationen über diese Umstände vorzulegen.
(2) Der Zollwert wird gemäß Artikel 70 Absatz 1 des Zollkodex [der Union] ermittelt, wenn der Anmelder nachweist, dass der angemeldete Transaktionswert einem der folgenden, zu demselben oder annähernd demselben Zeitpunkt bestimmten Vergleichswert[e] sehr nahe kommt:
…
b) dem Zollwert gleicher oder ähnlicher Waren, der gemäß Artikel 74 Absatz 2 Buchstabe c des Zollkodex [der Union] ermittelt wurde;
…“
14. Art. 142 („Deduktive Methode“) dieser Durchführungsverordnung schreibt vor:
„(Artikel 74 Absatz 2 Buchstabe c des Zollkodex [der Union])
(1) Als Preis je Einheit wird zur Ermittlung des Zollwerts gemäß Artikel 74 Absatz 2 Buchstabe c des Zollkodex [der Union] der Preis angesetzt, zu dem die eingeführten Waren oder eingeführte gleiche oder ähnliche Waren in der Union im Zustand der Einfuhr zum gleichen oder annähernd gleichen Zeitpunkt der Einfuhr der zu bewertenden Waren verkauft werden.
…
(4) Folgende Kaufgeschäfte werden bei der Ermittlung des Zollwerts gemäß Artikel 74 Absatz 2 Buchstabe c des Zollkodex [der Union] nicht berücksichtigt:
…
b) Verkäufe an verbundene Personen;
…
(5) Zur Ermittlung des Zollwerts werden von dem gemäß den Absätzen 1 bis 4 bestimmten Preis je Einheit die folgenden Elemente abgezogen:
…
c) Einfuhrabgaben und andere Gebühren, die im Zollgebiet der Union aufgrund der Einfuhr oder des Verkaufs der Waren zu zahlen sind.
…“
B. Rechtsvorschriften über die Einfuhr von Obst und Gemüse, auf das ein Einfuhrpreis anwendbar ist
1. Verordnung (EU) Nr. 1308/2013
15. Der 147. Erwägungsgrund der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates(8) in der durch die Verordnung (EU) 2017/2393 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2017 geänderten Fassung(9) bestimmt:
„Die Einfuhrpreisregelung sollte für bestimmte Erzeugnisse beibehalten werden. Um die Wirksamkeit dieser Regelung sicherzustellen, sollte der [Europäischen] Kommission die Befugnis übertragen werden, delegierte Rechtsakte im Hinblick auf die Überprüfung der Richtigkeit des angegebenen Preises einer Sendung anhand eines pauschalen Einfuhrwerts und die Festlegung der Bedingungen, gemäß denen die Stellung einer Sicherheit erforderlich ist, zu erlassen.“
16. Art. 181 („Einfuhrpreisregelung für bestimmte Erzeugnisse der Sektoren Obst und Gemüse, Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse sowie Wein“) der Verordnung Nr. 1308/2013 bestimmt:
„(1) Für die Anwendung der Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für Erzeugnisse der Sektoren Obst und Gemüse und Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse sowie für Traubensäfte und -moste entspricht der Einfuhrpreis einer Lieferung ihrem Zollwert, der gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates[(10)] … und der Verordnung (EG) Nr. 2454/93 der Kommission[(11)] berechnet worden ist.
(2) Um die Wirksamkeit der Regelung sicherzustellen, wird die Kommission ermächtigt, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 227 zu erlassen, um vorzusehen, dass die Richtigkeit des angegebene[n] Einfuhrpreises anhand eines pauschalen Einfuhrwertes zu überprüfen ist, und die Bedingungen festzulegen, gemäß denen eine Sicherheitsleistung erforderlich ist.
(3) Die Kommission erlässt Durchführungsrechtsakte mit Vorschriften für die Berechnung des pauschalen Einfuhrwertes gemäß Absatz 2. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem Prüfverfahren gemäß Artikel 229 Absatz 2 erlassen.“
2. Delegierte Verordnung 2017/891
17. Titel III der Delegierten Verordnung 2017/891 („Handel mit Drittländern – Einfuhrpreissystem“) enthält die Art. 73 bis 75.
18. Art. 74 („Mitteilung der Notierungen und Einfuhrmengen“) sieht in seinem Art. 1 vor:
„Für die in Anhang VII Teil A genannten Erzeugnisse teilen die Mitgliedstaaten der Kommission in dem jeweiligen Zeitraum markttäglich bis 12.00 Uhr (Brüsseler Zeit) des nächsten Arbeitstages folgende Angaben je Ursprungsdrittland mit:
a) die Durchschnittsnotierung der aus Drittländern eingeführten und auf den Einfuhrmärkten der Mitgliedstaaten verkauften Erzeugnisse und
b) die den Notierungen nach Buchstabe a entsprechenden Gesamtmengen.
Für die Zwecke von Unterabsatz 1 Buchstabe a teilen die Mitgliedstaaten der Kommission die Einfuhrmärkte mit, die sie als repräsentativ ansehen, und die u. a. London, Mailand, Perpignan und Rungis umfassen.
Betragen die in Unterabsatz 1 Buchstabe b genannten Gesamtmengen weniger als zehn Tonnen, so werden die entsprechenden Notierungen nicht an die Kommission übermittelt.“
19. Art. 75 („Zugrunde gelegter Einfuhrpreis“) dieser Delegierten Verordnung bestimmt:
„(1) Für die Zwecke von Artikel 181 Absatz 1 der Verordnung [Nr. 1308/2013] sind die in dem Artikel genannten Erzeugnisse der Sektoren Obst und Gemüse und Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse die in Anhang VII der vorliegenden Verordnung aufgeführten Erzeugnisse.
(2) Wird der Zollwert der in Anhang VII Teil A aufgeführten Erzeugnisse im Einklang mit dem Transaktionswert gemäß Artikel 70 [des Zollkodex der Union] bestimmt und liegt dieser Zollwert um mehr als 8 % über der Pauschale, die von der Kommission zum Zeitpunkt der Anmeldung der Erzeugnisse zum freien Verkehr als pauschaler Einfuhrwert berechnet wurde, so muss der Einführer die Sicherheit gemäß Artikel 148 der Durchführungsverordnung [zum Zollkodex der Union] leisten. Zu diesem Zweck ist der Betrag des Einfuhrzolls, dem die in Anhang VII Teil A der vorliegenden Verordnung aufgeführten Erzeugnisse letztlich unterliegen können, der Zollabgabenbetrag, der zu entrichten wäre, wenn die Berechnung unter Zugrundelegung des betreffenden pauschalen Einfuhrwerts erfolgt wäre.
…
(3) Wird der Zollwert der in Anhang VII Teil A aufgeführten Erzeugnisse gemäß Artikel 74 Absatz 2 Buchstabe c [des Zollkodex der Union] berechnet, so wird der Zoll entsprechend Artikel 38 Absatz 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2017/892 abgezogen[(12)]. In diesem Fall leistet der Einführer eine Sicherheit in Höhe des Zolls, der bei Einreihung der Erzeugnisse auf der Grundlage des geltenden pauschalen Einfuhrwerts für die betreffende Partie fällig gewesen wäre.
(4) Der Zollwert von auf Konsignationsbasis eingeführten Erzeugnissen wird unmittelbar gemäß Artikel 74 Absatz 2 Buchstabe c [des Zollkodex der Union] ermittelt; zu diesem Zweck gilt während der geltenden Zeiträume der gemäß Artikel 38 der Durchführungsverordnung [2017/892] berechnete pauschale Einfuhrwert.
(5) Der Einführer verfügt über eine Frist von einem Monat ab Verkauf der betreffenden Erzeugnisse, jedoch höchstens vier Monaten ab Annahme der Anmeldung zum freien Verkehr, um entweder nachzuweisen, dass die Partie zu den Bedingungen abgesetzt wurde, die der Realität der Preise nach Artikel 70 der [des Zollkodex der Union] entsprechen, oder den Zollwert nach Artikel 74 Absatz 2 Buchstabe c [dieses Zollkodex] zu bestimmen.
Wird eine dieser Fristen nicht eingehalten, so verfällt die geleistete Sicherheit unbeschadet der Anwendung von Absatz 6.
Die geleistete Sicherheit wird freigegeben, soweit den Zollbehörden die Absatzbedingungen zufriedenstellend nachgewiesen wurden. Andernfalls wird die Sicherheit als Einfuhrzoll einbehalten.
Um nachzuweisen, dass die Partie zu den Bedingungen gemäß Unterabsatz 1 abgesetzt wurde, legt der Einführer neben der Rechnung alle Unterlagen vor, die zur Durchführung der einschlägigen Zollkontrollen im Zusammenhang mit dem Verkauf und dem Absatz jedes Erzeugnisses der betreffenden Partie erforderlich sind, einschließlich Unterlagen zu Transport, Versicherung, Handhabung und Lagerung der Partie.
…
(6) Auf begründeten Antrag des Einführers können die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats die in Absatz 5 Unterabsatz 1 genannte Frist von vier Monaten um höchstens drei Monate verlängern.
…“
20. Anhang VII Teil A der Delegierten Verordnung 2017/891 enthält u. a folgenden Eintrag:
KN-Code
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Warenbezeichnung
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Anwendungszeitraum
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0709 0709 70
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Zucchini
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1. Januar bis 31. Dezember
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3. Durchführungsverordnung 2017/892
21. Art. 38 („Pauschaler Einfuhrwert“) der Durchführungsverordnung 2017/892 bestimmt in seinen Abs. 1 und 2:
„(1) Für jedes in Anhang VII Teil A der Delegierten Verordnung [2017/891] genannte Erzeugnis bestimmt die Kommission in dem betreffenden Anwendungszeitraum an jedem Arbeitstag je Ursprungsland einen pauschalen Einfuhrwert in Höhe des gewichteten Durchschnitts der repräsentativen Notierungen nach Artikel 74 der genannten Verordnung, abzüglich einer Pauschale von 5 EUR/100 kg und der Wertzölle.
(2) Wurde ein pauschaler Einfuhrwert für die in Anhang VII Teil A der Delegierten Verordnung [2017/891] genannten Erzeugnisse und Anwendungszeiträume gemäß den Artikeln 74 und 75 der genannten Verordnung und dem vorliegenden Artikel festgesetzt, so findet der Preis je Einheit gemäß Artikel 142 der Durchführungsverordnung [zum Zollkodex der Union] keine Anwendung. Er wird durch den in Absatz 1 genannten pauschalen Einfuhrwert ersetzt.“
4. Verordnung (EWG) Nr. 2658/87
22. Die Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif(13) in der durch die Durchführungsverordnung (EU) 2018/1602 der Kommission vom 11. Oktober 2018 geänderten Fassung(14) enthält in ihrem Anhang I Teil 3 Abschnitt I Anhang 2 („Erzeugnisse, für die die Einfuhrpreisregelung gilt“) u. a. den folgenden Eintrag:
KN-Code
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Warenbezeichnung
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Vertragsmäßiger Zollsatz (%)
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0709 93 10
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Zucchini (Courgettes)
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…
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…
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…
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vom 1. April bis 31. Mai
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mit einem Einfuhrpreis für 100 kg Eigengewicht von
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69,2 € oder mehr
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12,8
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67,8 € oder mehr, jedoch weniger als 69,2 €
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12,8 + 1,4 €/100 kg/net
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666,4 € oder mehr, jedoch weniger als 67,8 €
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12,8 + 2,8 €/100 kg/net
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65 € oder mehr, jedoch weniger als 66,4 €
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12,8 + 4,2 €/100 kg/net
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63,7 € oder mehr, jedoch weniger als 65 €
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12,8 + 5,5 €/100 kg/net
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weniger als 63,7 €
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12,8 + 15,2 €/100 kg/net
|
…
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…
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…
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III. Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefragen
23. Am 23. April 2019 gab OGL-Food als Einführerin bei der Zollstelle Svilengrad (Bulgarien) eine Zollanmeldung ab, mit der sie „frische Zucchini“ der Unterposition 0709 93 10 der Nomenklatur der Waren mit einem Nettogewicht von 4 800 kg und Ursprung in der Türkei (im Folgenden: streitige Partie) zur Überführung in den freien Verkehr für den Endverbrauch mit einem Zollwert von umgerechnet 90,81 Euro pro 100 kg anmeldete. Die Einführerin war eine Gesellschaft mit Sitz in Antalya (Türkei).
24. Für den 23. April 2019 hatte die Kommission den pauschalen Einfuhrwert für Zucchini jeglicher Herkunft mit 53,80 Euro pro 100 kg festgesetzt. Da der für die streitige Partie angemeldete Transaktionswert um mehr als 8 % über diesem pauschalen Einfuhrwert lag, leistete OGL-Food gemäß Art. 75 Abs. 2 der Delegieren Verordnung 2017/891 eine Sicherheit in Höhe von 982,17 Leva (BGN) (ungefähr 502 Euro).
25. Mit Schreiben vom 24. April 2019 teilte die Zollbehörde, nachdem sie den für den Kauf der streitigen Partie bezahlten Gesamtpreis unter Berücksichtigung verschiedener bei OGL-Food entstandener Kosten mit 109,06 Euro pro 100 kg festgesetzt hatte, OGL-Food mit, dass sie gemäß Art. 75 Abs. 5 der Delegieren Verordnung 2017/891 verpflichtet sei, nachzuweisen, dass die streitige Partie auf dem Markt zu den Bedingungen abgesetzt worden sei, die der Realität des angemeldeten Zollwerts entsprächen.
26. Am 23. Mai 2019 legte OGL-Food der Zollbehörde eine Reihe von Dokumenten u. a. zu Kauf und Verkauf der streitigen Partie vor und beantragte auf der Grundlage der vorgelegten Beweise die Freigabe der geleisteten Sicherheit.
27. Gemäß der Abrechnung des Verkaufspreises verkaufte OGL-Food die streitige Partei um 106 Euro pro 100 kg. Da dieser Preis niedriger war als der Gesamtkaufpreis von 109,6 Euro pro 100 kg, den OGL-Food für die streitige Partie gezahlt hatte, vertrat die Zollbehörde die Ansicht, dass OGL-Food nicht nachgewiesen habe, dass die Partie zu den Bedingungen abgesetzt worden sei, die der Realität des angemeldeten Transaktionswerts entsprächen. Unter diesen Umständen müsse die Sicherheit nach Art. 75 Abs. 5 Unterabs. 3 der Delegierten Verordnung 2017/891 als Einfuhrzoll einbehalten werden.
28. Nach Art. 22 Abs. 6 des Zollkodex der Union wurden OGL-Food die Gründe mitgeteilt, auf die der Zolldirektor seine Entscheidung stützen wollte, und wurde sie aufgefordert, innerhalb einer Frist von 30 Tagen Stellung zu nehmen.
29. In ihrer Stellungnahme machte OGL-Food zunächst geltend, Art. 75 der Delegieren Verordnung 2017/891 schreibe keinen gewinnbringenden Weiterverkauf vor, um die Richtigkeit des als Zollwert angemeldeten Transaktionswerts nachzuweisen. Sodann wies sie darauf hin, dass dieser Verkauf Teil einer langjährigen Geschäftsbeziehung mit der internationalen Großmarktkette Lidl sei und dass es bei Prüfung eines längeren Zeitraums möglich gewesen wäre, die Erzielung von Gewinnen zu beobachten. Schließlich habe der Preis, zu dem sie die streitige Partie verkauft habe, deutlich über dem von der Kommission für diese Waren am 23. April 2019 berechneten pauschalen Einfuhrwert gelegen.
30. Mit Entscheidung vom 30. Oktober 2020(15) entschied der Zolldirektor u. a., dass die geleistete Sicherheit als Einfuhrzoll einbehalten werden müsse, den er mit 982,17 BGN festsetzte. Diese Entscheidung stützt sich erstens darauf, dass OGL-Food keine Angaben gemacht habe, die die beträchtliche Differenz zwischen dem angemeldeten Transaktionswert von 90,81 Euro pro 100 kg und dem pauschalen Einfuhrwert von 53,80 Euro pro 100 kg erklären könnten, wie beispielsweise die außergewöhnliche Qualität oder die biologische Herkunft der lediglich als „Klasse I“ bezeichneten streitigen Partie. Zweitens berücksichtigte der Zolldirektor den beim Verkauf der streitigen Partie erzielten Verlust, um festzustellen, dass OGL-Food nicht gemäß Art. 75 Abs. 5 der Delegieren Verordnung 2017/891 nachgewiesen habe, dass diese Partie zu den Bedingungen abgesetzt worden sei, die der Realität des angemeldeten Transaktionswerts entsprächen.
31. Zur Stützung ihrer beim Administrativen sad Sofia-grad (Verwaltungsgericht der Stadt Sofia, Bulgarien) eingereichten Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 30. Oktober 2020 macht OGL-Food geltend, die unstreitigen Beweise, die der Zollbehörde vorgelegt worden seien, bestätigten, dass der angemeldete Transaktionswert die Voraussetzungen des Art. 70 des Zollkodex der Union erfülle. In diesem Zusammenhang führt OGL-Food zum einen aus, das Vorliegen eines Gewinns aus dem Verkauf von vergleichbaren Erzeugnissen an einen konkreten Kunden sei auf monatlicher Basis und nicht auf der Ebene jedes einzelnen Geschäftsvorgangs zu berechnen. Zum anderen bestätige der nach Art. 74 Abs. 2 Buchst. c des Zollkodex der Union berechnete Verkaufspreis der streitigen Partie auf dem Unionsmarkt die Richtigkeit des angemeldeten Transaktionswerts. Im Übrigen seien OGL-Food und Lidl nicht Teilhaber oder Gesellschafter von Personengesellschaften im Sinne von Art. 127 Abs. 1 Buchst. b der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union.
32. Der Zolldirektor wiederum weist erstens darauf hin, dass OGL-Food keine Angaben gemacht habe, die die Höhe des angemeldeten Transaktionswerts im Verhältnis zum pauschalen Einfuhrwert rechtfertigen könnten, wie beispielsweise die außergewöhnliche Qualität der betreffenden Erzeugnisse oder ihre Herkunft aus ökologischem Landbau. Zweitens entspreche der Umstand, dass OGL-Food die streitige Partie mit Verlust verkauft habe, nicht der Marktlogik, wonach sie einen kommerziellen Gewinn anstrebe. Drittens gelte der Zollkodex der Union unbeschadet der Delegierten Verordnung 2017/891. Letztere schließe die Möglichkeit aus, andere Einfuhrgeschäfte zu berücksichtigen, um die Richtigkeit des für die Zwecke der Einfuhr der streitigen Partie angemeldeten Transaktionswerts zu beurteilen. Zudem sei viertens die in Art. 74 Abs. 2 Buchst. c des Zollkodex der Union vorgesehene sekundäre Methode zur Bestimmung des Zollwerts im vorliegenden Fall nicht anwendbar.
33. Das vorlegende Gericht scheint der Ansicht zu sein, dass die in der Entscheidung vom 30. Oktober 2020 enthaltene Analyse zu Ungunsten von OGL-Food nicht mit der Rechtsprechung der nationalen Instanzen zur Auslegung von Art. 75 Abs. 5 der Delegierten Verordnung 2017/891 in Einklang stehe. Gleichwohl hält das vorlegende Gericht auch das Vorbringen von OGL-Food für unbegründet. Insbesondere ist nach Ansicht dieses Gerichts zu prüfen, ob OGL-Food mit dem Ausführer und mit seinem Kunden in der Union, Lidl, Beziehungen unterhält, aufgrund deren sie als verbundene Personen im Sinne von Art. 70 Abs. 3 Buchst. d und Art. 74 Abs. 2 Buchst. c des Zollkodex der Union eingestuft werden könnten.
34. Zum einen sei zu beurteilen, ob bei Fehlen eines Handelsvertrags oder einer sonstigen Rechtsbeziehung zwischen den Parteien die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden dauerhaften, regelmäßigen und wiederkehrenden Lieferbeziehungen, wie sie in den Rechnungen und in den entsprechenden Einträgen in der Buchhaltung zum Ausdruck kämen, ausreichten, um den Ausführer und OGL-Food als Personen einzustufen, die „Teilhaber oder Gesellschafter von Personengesellschaften“ im Sinne von Art. 127 Abs. 1 Buchst. b der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union und damit verbundene Personen im Sinne von Art. 70 Abs. 3 Buchst. d des Zollkodex der Union seien, was es erforderlich mache, zu prüfen, ob diese Verbindung den angemeldeten Transaktionswert der Partie beeinflusst habe.
35. Zum anderen machte OGL-Food vor dem vorlegenden Gericht geltend, der angemeldete Transaktionswert hätte von der Zollbehörde akzeptiert werden müssen, da er dem nach Art. 74 Abs. 2 Buchst. c des Zollkodex der Union bestimmten Zollwert gleicher oder ähnlicher Waren nahe komme, wie er vom Gerichtssachverständigen auf ihren Antrag berechnet worden sei. Um die Erheblichkeit dieses auf Art. 134 Abs. 2 Buchst. b der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union gestützten Vorbringens beurteilen zu können, sei zu prüfen, ob OGL-Food und ihr Käufer auf der ersten Handelsstufe, Lidl, verbundene Personen im Sinne von Art. 74 Abs. 2 Buchst. c des Zollkodex der Union und von Art. 142 Abs. 4 Buchst. b der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union seien, worin die entsprechenden Durchführungsbestimmungen festlegt seien. Insoweit ist dieses Gericht der Ansicht, dass der Begriff „verbundene Personen“ in Art. 70 Abs. 3 Buchst. d und Art. 74 Abs. 2 Buchst. c des Zollkodex der Union die gleiche Bedeutung habe wie in Art. 127 Abs. 1 und Art. 142 Abs. 4 Buchst. b der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union.
36. Das vorlegende Gericht stellt sich jedoch die Frage, ob sich ein Einführer auf die deduktive Methode nach Art. 74 Abs. 2 Buchst. c des Zollkodex der Union(16) erstmals bei Erhebung eines Rechtsbehelfs gegen die Entscheidung zur Festsetzung der Zollschuld, nämlich nach Ablauf der in Art. 75 Abs. 5 und 6 der Delegierten Verordnung 2017/891 vorgesehenen Fristen, der zum Verfall der Sicherheit führt, berufen kann. Für den Fall, dass diese Frage verneint wird, ergeben sich für das vorlegende Gericht Zweifel, ob die Verteidigungsrechte des Einführers gewahrt werden, und ob es feststellen kann, dass der Einführer eine mit dem Ausführer oder seinem Kunden in der Union verbundene Person im Sinne der letztgenannten Vorschriften sei, obwohl der Transaktionswert in der Entscheidung zur Festsetzung der Zollschuld nicht aus diesem Grund zurückgewiesen wurde.
37. Das vorlegende Gericht möchte ferner wissen, ob Art. 75 Abs. 5 der Delegierten Verordnung 2017/891 dahin auszulegen ist, dass der Einführer einen Kaufvertrag oder ein anderes, gleichwertiges Dokument vorlegen muss, ob die Zollbehörde berücksichtigen kann, dass die streitige Partie auf dem Unionsmarkt mit Verlust verkauft wurde, und ob die Umstände im Zusammenhang mit diesem Verlustverkauf für die Anwendung dieser Vorschrift relevant sind.
38. Das vorlegende Gericht fragt sich schließlich, ob Art. 75 Abs. 5 der Delegierten Verordnung 2017/891 dahin auszulegen ist, das die Zollbehörde den Zollwert in Höhe des pauschalen Einfuhrwerts festsetzen kann, wenn der angemeldete Transaktionswert ungewöhnlich hoch ist, ohne die Echtheit der vom Ausführer ausgestellten Rechnung und den Nachweis der Zahlung an den Ausführer in Frage zu stellen, und wenn keine zusätzlichen Beweise vom Einführer vorgelegt werden, um die Richtigkeit des angemeldeten Transaktionswerts nachzuweisen.
39. Vor diesem Hintergrund hat das Administrativen sad Sofia-grad (Verwaltungsgericht der Stadt Sofia) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist davon auszugehen, dass in Anbetracht des Art. 70 Abs. 1 [des Zollkodex der Union] in Verbindung mit Art. 75 Abs. 5 Unterabs. 1 und Abs. 6 der Delegierten Verordnung [2017/891] für die Beurteilung der Voraussetzung in Art. 70 Abs. 3 Buchst. d des Zollkodex [der Union], dass „der Käufer und der Verkäufer … nicht verbunden [sind]“, im Hinblick auf die Anwendung des Transaktionswerts von Waren für Zollzwecke im Rahmen einer konkreten Zollanmeldung für die Einfuhr von Gemüse als relevant anzusehen sind:
– die Angaben über die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten der Wareneinfuhr und des Verkaufs derselben Waren auf der ersten Handelsstufe in der Union, und zwar über langfristige und wiederkehrende Lieferungen von Waren derselben Art, in erheblichen Mengen und zu einem erheblichen Wert, die die Schlussfolgerung ausschließen, dass die Beziehung bei der zu beurteilenden konkreten Einfuhr zufällig war;
– die Angaben über die für die Lieferungen ausgestellten Rechnungen, die Zahlung des Preises, die Erfassung der Rechnungen in der Buchhaltung und in den Mehrwertsteuer-Büchern des Einführers bzw. das für die konkrete Einfuhr ausgeübte Recht auf Vorsteuerabzug;
– dass der angegebene Transaktionswert der zu beurteilenden konkreten Einfuhr deutlich über dem von der Kommission zum Zweck der Anwendung von Einfuhrzöllen im Gemüsesektor bestimmten pauschalen Einfuhrwert für dieselbe Ware liegt, während dieselbe Ware in der Union mit Verlust verkauft wird;
– dass der Einführer weder einen von den Zollbehörden verlangten Handelsvertrag im Zusammenhang mit der konkreten Einfuhr noch ein Dokument über ein anderes Rechtsverhältnis zwischen den Vertragspartnern vorgelegt hat?
Wenn die genannten Umstände relevant sind, erlauben sie es dann, den einführenden und den ausführenden Händler bzw. den Einführer und den Käufer auf der ersten Handelsstufe in der Union als „Teilhaber oder Gesellschafter von Personengesellschaften“ bzw. als verbundene Personen im Sinne von Art. 127 Abs. 1 Buchst. b und Art. 142 Abs. 4 Buchst. b der Durchführungsverordnung [zum Zollkodex der Union] einzustufen?
Falls die genannten Umstände zwar relevant sind, aber nicht ausreichen, um die Händler als verbundene Personen anzusehen, ist dann für die Zwecke der Prüfung nach Art. 75 Abs. 6 der Delegierten Verordnung [2017/891] zu beurteilen, ob die Beziehung zwischen den Händlern [nicht] die Bestimmung des höheren Preises der konkreten Einfuhrwaren beeinflusst hat, damit der Vermeidung von Zöllen und dem Verlust von Steuereinnahmen für den Unionshaushalt, auch unter Berücksichtigung des anschließenden Verkaufs mit Verlust auf der ersten Handelsstufe in der Union, entgegengewirkt wird?
2. Ist aus Art. 47 Abs. 1 und Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta der Grundrechte der Europäischen Union [im Folgenden: Charta], ausgelegt in Verbindung mit dem Recht des Einführers auf Einlegung eines Rechtsbehelfs nach Art. 44 Abs. 1 [des Zollkodex der Union], der Pflicht der Zollbehörden nach Art. 29 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 7 des Zollkodex, die Entscheidung mit Gründen zu versehen, sowie den Umständen des Falles und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das erstinstanzliche Gericht im Klageverfahren gegen die Entscheidung deren Rechtmäßigkeit von Amts wegen auch unter in der Klage nicht geltend gemachten Gesichtspunkten zu prüfen und von Amts wegen neue Beweise zu erheben und Sachverständige zu bestellen hat, abzuleiten, dass:
– die Voraussetzung nach Art. 70 Abs. 3 Buchst. d des Zollkodex der Union, dass „der Käufer und der Verkäufer … nicht verbunden [sind] oder die Verbindung … den Preis nicht beeinflusst [hat]“, erstmals im Verfahren vor Gericht festgestellt werden kann, oder muss die Zollbehörde diese Frage bereits im Rahmen der Begründung der angefochtenen Entscheidung beurteilen?wenn der Einführer die verfahrensrechtliche Möglichkeit hatte, aber nicht ausdrücklich erklärt hat, dass er den Wert der eingeführten Waren gemäß Art. 74 Abs. 2 Buchst. c des Zollkodex der Union bestimmen wird, es wegen der expliziten Ausschlussfrist für die genannte Feststellung gegen Art. 75 Abs. 5 und 6 der Delegierten Verordnung 2017/89 verstoßen würde, wenn dieser Wert erstmalig im Klageverfahren gegen die Entscheidung vor Gericht festgestellt werden würde, auch im Hinblick auf die Berücksichtigung der Einwände des Einführers, die sich darauf stützen, dass der Verkaufspreis der Ware in der Union nahe bei dem angegebenen Transaktionswert liege?
3. Folgt aus Art. 75 Abs. 5 Unterabs. 4 der Delegierten Verordnung [2017/891], wonach „der Einführer … alle Unterlagen vor[legt], die zur Durchführung der einschlägigen Zollkontrollen im Zusammenhang mit dem Verkauf und dem Absatz jedes Erzeugnisses der betreffenden Partie erforderlich sind“, im Licht der Auslegung in Nr. 1 des Tenors des Urteils des Gerichtshofs vom 11. März 2020, X BV (Erhebung von zusätzlichen Einfuhrzöllen) (С-160/18, EU:C:2020:190), für den Beweis des angegebenen Transaktionswerts nach Art. 70 Abs. 1 des Zollkodex der Union unter den Umständen des vorliegenden Falles, dass:
– die Zollbehörden und im Klageverfahren das Gericht verpflichtet sind, den Umstand, dass die eingeführte Ware, Gemüse, in der Union mit Verlust verkauft wird, als ernsthaftes Indiz dafür zu berücksichtigen, dass der angegebene Einfuhrpreis künstlich überhöht war, auch im Hinblick auf die Beurteilung der Verbundenheit der Personen, die Einfluss auf den angegebenen Transaktionswert hatte, und zwar u a., um Zollvermeidung und Steuerausfällen entgegenzuwirken?
– der Einführer verpflichtet ist, einen Vertrag oder ein anderes gleichwertiges Dokument zum Nachweis des für die Waren beim Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union zu zahlenden Preises vorzulegen, oder genügt der Nachweis der Zahlung des angegebenen Werts der Ware bei der Einfuhr? oder
– der Einführer nur die in Art. 75 Abs. 5 Unterabs. 4 der Delegierten Verordnung [2017/891] ausdrücklich genannten Unterlagen als Nachweis des angegebenen Transaktionswerts bei der Einfuhr von Gemüse vorzulegen hat, so dass die Umstände, die den mit Verlust erfolgenden Verkauf derselben Waren in der Union betreffen, für die Beurteilung nach Art. 75 Abs. 6 dieser Verordnung hinsichtlich der Nichtanerkennung des Transaktionswerts und der Festsetzung des Einfuhrzolls unerheblich sind?
4. Folgt aus Art. 75 Abs. 5 und 6 der Delegierten Verordnung [2017/891] sowie aus der Auslegung im Urteil vom 16. Juni 2016, EURO 2004. Hungary (С‑291/15, EU:C:2016:455), unter den Umständen des Ausgangsverfahrens, dass der Zollwert bei der Einfuhr von Gemüse aus Drittländern nicht nach dem angegebenen Transaktionswert zu bestimmen ist, wenn:
– der angegebene Transaktionswert deutlich über dem von der Kommission für dieselbe Ware zum Zweck der Anwendung von Einfuhrzöllen im Gemüsesektor bestimmten pauschalen Einfuhrwert liegt;
– die Zollbehörde die Echtheit der Rechnung und des Belegs über die Zahlung des Warenpreises, die als Beweis für den tatsächlich gezahlten Einfuhrpreis vorgelegt werden, weder bestreitet noch anderweitig in Frage stellt;
– der Einführer trotz Aufforderung der Zollbehörde Folgendes nicht vorgelegt hat: einen Vertrag oder ein anderes gleichwertiges Dokument zum Nachweis des für die Ware beim Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union zu zahlenden Preises, einschließlich zusätzlicher Beweise für die wirtschaftlichen Elemente der Ware, die den höheren Wert beim Kauf vom Ausführer rechtfertigen, [etwa] für ein Bioprodukt oder eine besondere Qualität der konkreten Gemüsepartie?
40. OGL-Food, der Zolldirektor, die bulgarische Regierung und die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Diese Beteiligten haben auch an der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2023 teilgenommen, in der sie die Fragen des Gerichtshofs zur mündlichen Beantwortung beantwortet haben.
IV. Würdigung
A. Vorbemerkungen zum Rechtsrahmen
41. Zur Erinnerung: Art. 1 Abs. 1 des Zollkodex der Union sieht vor, dass dieser Kodex die allgemeinen Vorschriften und Verfahren festlegt, die auf die in das und aus dem Zollgebiet der Union verbrachten Waren Anwendung finden. Dort heißt es ferner, dass dieser Kodex „[u]nbeschadet … internationaler Übereinkünfte sowie der Unionsrechtsvorschriften in anderen Bereichen“ einheitlich in diesem ganzen Gebiet gilt. Somit stellen die auf Obst und Gemüse anwendbaren Zollvorschriften, die sich aus der Verordnung Nr. 1308/2013 und der Delegierten Verordnung 2017/891 ergeben, Spezialvorschriften gegenüber dem Zollkodex der Union dar.
42. Art. 181 der Verordnung Nr. 1308/2013 sieht zum einen die Einführung eines Einfuhrpreises für bestimmte Erzeugnisse der Sektoren Obst und Gemüse vor, der dem Zollwert der Lieferung entspricht, der gemäß dem Zollkodex der Union und seiner Durchführungsverordnung berechnet worden ist. Zum anderen verleiht er der Kommission die Befugnis, delegierte Rechtsakte zu erlassen, um vorzusehen, dass die Richtigkeit des angegebenen Einfuhrpreises einer Lieferung anhand eines pauschalen Einfuhrwertes zu überprüfen ist, und die Bedingungen festzulegen, gemäß denen eine Sicherheitsleistung erforderlich ist.
43. Auf dieser Grundlage hat die Kommission in Art. 74 Abs. 1 der Delegierten Verordnung 2017/891 für bestimmte Obst- und Gemüsesorten, darunter Zucchini, vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten zum einen die Durchschnittsnotierung der aus Drittländern eingeführten und auf den Einfuhrmärkten der Mitgliedstaaten verkauften Erzeugnisse und zum anderen die diesen Durchschnittsnotierungen entsprechenden Gesamtmengen dieser Erzeugnisse, wenn sie mehr als zehn Tonnen betragen, täglich mitteilen.
44. Hinsichtlich des zugrunde gelegten Einfuhrpreises für diese Obst- und Gemüsesorten, darunter Zucchini, sieht Art. 75 dieser Delegierten Verordnung drei Methoden zur Berechnung des Zollwerts vor.
45. Bei der ersten Berechnungsmethode handelt es sich um den nach Art. 70 des Zollkodex der Union bestimmten Transaktionswert(17). Zur Erinnerung: Dieser Artikel bestimmt, dass die vorrangige Grundlage für den Zollwert von Waren der Transaktionswert ist, das heißt der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, der erforderlichenfalls anzupassen ist(18). Dieser Art. 70 sieht auch vor, dass dieser Transaktionswert anwendbar ist, wenn eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sind, insbesondere die Voraussetzung, dass der Käufer und der Verkäufer nicht verbunden sind oder diese Verbindung den Preis nicht beeinflusst hat(19). Nach Art. 127 Abs. 1 Buchst. b der Durchführungsverordnung zum Zollkodex sind zwei Personen verbunden, wenn sie Teilhaber oder Gesellschafter von Personengesellschaften sind.
46. In diesem ersten Fall muss der Einführer, wenn dieser vom Einführer angemeldete Transaktionswert um mehr als 8 % über dem von der Kommission zum Zeitpunkt der Überführung in den freien Verkehr berechneten pauschalen Einfuhrwert liegt, eine Sicherheit in Höhe des Zolls leisten, der zu entrichten wäre, wenn die Berechnung unter Zugrundelegung des betreffenden pauschalen Einfuhrwerts erfolgt wäre(20). Der Betrag der geschuldeten variablen Zölle ist gleich Null, wenn die Zucchini einen Einfuhrpreis haben, der 69,2 Euro oder mehr für 100 kg Eigengewicht haben, während unter dieser Schwelle der Betrag der geschuldeten variablen Zölle stufenweise ansteigt, je niedriger der Einfuhrpreis ist(21).
47. Bei der zweiten Berechnungsmethode kann die deduktive Methode verwendet werden(22). Zur Erinnerung: Art. 74 Abs. 2 Buchst. c des Zollkodex der Union sieht vor, dass dann, wenn der Transaktionswert nicht bestimmt werden kann, der Zollwert auf dem Preis je Einheit beruht, zu dem die eingeführten Waren oder eingeführte gleiche oder gleichartige Waren in der größten Menge insgesamt im Zollgebiet der Union an Personen verkauft werden, die nicht mit den Verkäufern verbunden sind. Art. 142 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union präzisiert mehrere Punkte: zunächst müssen die Referenzverkäufe zum gleichen oder annähernd gleichen Zeitpunkt der Einfuhr der zu bewertenden Ware durchgeführt werden(23); sodann dürfen Verkäufe an verbundene Personen nicht berücksichtigt werden(24); schließlich werden vom Preis je Einheit u. a. die Einfuhrabgaben abgezogen(25).
48. Wenn die deduktive Methode auf eine Lieferung Zucchini angewandt wird, sieht Art. 75 Abs. 3 der Delegierten Verordnung 2017/891 vor, dass der Zoll entsprechend Art. 38 Abs. 1 der Durchführungsverordnung 2017/892 abgezogen wird und dass in diesem Fall der Einführer eine Sicherheit in Höhe des Zolls leistet, der bei Einreihung der Erzeugnisse auf der Grundlage des geltenden pauschalen Einfuhrwerts für die betreffende Partie fällig gewesen wäre. Nach diesem Art. 38 Abs. 1 bestimmt die Kommission u. a. für Zucchini in dem betreffenden Anwendungszeitraum an jedem Arbeitstag je Ursprungsland einen pauschalen Einfuhrwert in Höhe des gewichteten Durchschnitts der repräsentativen Notierungen nach Art. 74 der Delegierten Verordnung 2017/891, abzüglich einer Pauschale von 5 EUR/100 kg und der Wertzölle.
49. Somit wird der Zoll, der vom Preis je Einheit abgezogen wird, um den Zollwert festzulegen, auf der Grundlage des pauschalen Einfuhrwerts des betreffenden Tages berechnet, bis der Beweis für die Richtigkeit des Preises je Einheit erbracht ist.
50. Die dritte Berechnungsmethode besteht in einer vereinfachten Modalität für auf Konsignationsbasis eingeführte Erzeugnisse. Für Letztere sieht Art. 75 Abs. 4 der Delegierten Verordnung 2017/891 die unmittelbare Anwendung der deduktiven Methode vor, jedoch mit folgender Besonderheit: Es gilt der gemäß Art. 38 der Durchführungsverordnung 2017/892 berechnete pauschale Einfuhrwert. Wie ich in Nr. 48 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, sieht Abs. 1 dieses Artikels die tägliche Berechnung eines pauschalen Einfuhrwerts vor. In Abs. 2 dieses Artikels heißt es, dass der Preis je Einheit gemäß Art. 142 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union keine Anwendung findet und durch den in Abs. 1 genannten pauschalen Einfuhrwert ersetzt wird, wenn ein pauschaler Einfuhrwert festgesetzt wurde.
51. Somit wird der Zollwert für eine auf Konsignationsbasis eingeführte Lieferung Zucchini anhand des pauschalen Einfuhrwerts des betreffenden Tages festgesetzt. Da dieser Wert sofort bekannt ist, ist es nicht erforderlich, eine Sicherheit für den Fall einer späteren Bestimmung des Zollwerts vorzusehen, wie bei den beiden ersten Berechnungsmethoden.
52. Die Frage der endgültigen Bestimmung des Zollwerts ist Gegenstand von Art. 75 Abs. 5 der Delegierten Verordnung 2017/891. Dieser Absatz sieht vor, dass der Einführer über eine Frist von einem Monat ab Verkauf der betreffenden Erzeugnisse, jedoch höchstens vier Monaten ab Annahme der Anmeldung zum freien Verkehr verfügt, um entweder nachzuweisen, dass die Partie zu den Bedingungen abgesetzt wurde, die der Realität der Preise nach Art. 70 des Zollkodex der Union entsprechen, oder den Zollwert nach der deduktiven Methode zu bestimmen. Dieser Abs. 5 bestimmt, dass die geleistete Sicherheit verfällt, wenn eine dieser Fristen nicht eingehalten wird, und dass die geleistete Sicherheit freigegeben wird, soweit den Zollbehörden die Absatzbedingungen zufriedenstellend nachgewiesen wurden. Andernfalls wird die Sicherheit als Einfuhrzoll einbehalten. Um nachzuweisen, dass die Partie zu den oben genannten Bedingungen abgesetzt wurde, legt der Einführer im Übrigen neben der Rechnung alle Unterlagen vor, die zur Durchführung der einschlägigen Zollkontrollen im Zusammenhang mit dem Verkauf und dem Absatz jedes Erzeugnisses der betreffenden Partie erforderlich sind, einschließlich Unterlagen zu Transport, Versicherung, Handhabung und Lagerung der Partie.
53. Die Auslegung von Art. 75 Abs. 5 der Delegierten Verordnung 2017/891 steht im Mittelpunkt der dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen. Ich werde zunächst die zweite Vorlagefrage prüfen, bei der es darum geht, ob es möglich ist, die Begründung der Zollentscheidung im Stadium des Gerichtsverfahrens zu ändern, und sodann die erste Vorlagefrage, bei der es um den Begriff Teilhaber oder Gesellschafter von Personengesellschaften bzw. verbundene Personen geht.
B. Zur zweiten Vorlagefrage
54. Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob auf Initiative des Richters oder des Einführers eine Änderung der Methode zur Bestimmung des Zollwerts von eingeführten Waren in der Phase des Gerichtsverfahrens und damit nach Ablauf der Fristen gemäß Art. 75 Abs. 5 und 6 der Delegierten Verordnung 2017/891 erfolgen kann, die dem Einführer zur Verfügung stehen, um den angemeldeten Zollwert zu rechtfertigen, dies in Anbetracht des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf und der Begründungspflicht, die jeweils durch Art. 47 und Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta sowie durch Art. 44 Abs. 1 und Art. 29 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 7 des Zollkodex der Union geschützt sind. Außerdem möchte dieses Gericht zum einen wissen, ob der Voraussetzung des Art. 70 Abs. 3 Buchst. d des Zollkodex der Union betreffend verbundene Personen erstmalig im Laufe des Gerichtsverfahrens geprüft werden kann, und zum anderen, ob die deduktive Methode erstmalig während dieses Verfahrens als Hauptantrag oder als Einwand mit der Begründung geltend gemacht werden kann, dass der angemeldete Transaktionswert sehr nahe bei dem nach dieser deduktiven Methode berechneten Wert liegt.
55. Meines Erachtens besteht die Frage somit aus zwei Abschnitten. Erstens stellt sich die Frage, ob eine Änderung der Begründung der Zollentscheidung im Stadium des Gerichtsverfahrens durch Ersetzung der Gründe durch den Richter oder auf Antrag des Klägers bzw. aufgrund seines Einwandes möglich ist. Zweitens stellt sich die Frage, ob sich diese neue Begründung der Zollentscheidung in einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden auf die Frage der Verbindung zwischen den Parteien und des Einflusses dieser Verbindung auf den Preis beziehen kann.
56. Was erstens die Änderung der Begründung der Zollentscheidung betrifft, so ist die Frage im Hinblick auf die in Art. 75 der Delegierten Verordnung 2017/891 vorgesehenen Fristen und die Sanktion für ihre Nichteinhaltung zu prüfen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass das vorlegende Gericht ausführt, dass es gemäß seiner nationalen Regelung verpflichtet sei, von Amts wegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung und der in der Klageschrift nicht genannten Gründe zu prüfen, neue Beweise zu erheben und von Amts wegen einen Sachverständigen zu bestellen.
57. Mangels einer einschlägigen Unionsregelung ist es nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, die Modalitäten für das Verwaltungsverfahren und das Gerichtsverfahren zu regeln, die ein hohes Schutzniveau der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Die im Unionsrecht vorgesehenen Modalitäten für die Durchführung der Rechtsbehelfe dürfen nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die für entsprechende innerstaatliche Rechtsbehelfe (Grundsatz der Äquivalenz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität)(26).
58. Im vorliegenden Fall gibt es eine Unionsregelung im Zollbereich, die spezielle Verfahrensregeln vorsieht.
59. Zum einen sieht der Zollkodex der Union vor, dass Zollkontrollen den Zollbehörden vorbehalten sind(27), bei denen es sich um Zollverwaltungen oder sonstige nach einzelstaatlichem Recht zur Anwendung bestimmter zollrechtlicher Vorschriften ermächtigte Behörden handeln kann(28). Dieser Zollkodex bestimmt, dass die Zollbehörden vor Erlass einer den Antragsteller belastenden Entscheidung dem Antragsteller die Gründe, auf die sie ihre Entscheidung stützen wollen, mitteilen, und dass er Gelegenheit erhält, innerhalb einer bestimmten Frist Stellung zu nehmen(29). Dieser Kodex bestimmt auch, dass eine den Antragsteller belastende Entscheidung mit Gründen versehen sein und eine Belehrung über das Recht auf Einlegung eines Rechtsbehelfs nach Art. 44 dieses Zollkodex enthalten muss(30). Im Übrigen bestimmt der Zollkodex der Union, dass das Rechtsbehelfsverfahren gegen die Zollentscheidung in zwei aufeinanderfolgende Abschnitte aufgeteilt ist, von denen der erste bei den Zollbehörden und der zweite bei einer höheren unabhängigen Stelle angesiedelt ist, bei der es sich um ein Gericht handeln kann(31). Zudem besagt dieser Zollkodex, dass die Zollbehörde als Gericht handeln kann(32), sieht aber den umgekehrten Fall nicht vor.
60. Der Zollkodex der Union sieht vor, dass der Einführer bereits in der zollbehördlichen Phase des Rechtsbehelfs über zwei Rechte verfügt: das Recht auf eine Begründung der belastenden Entscheidung, dem das Recht auf Mitteilung der in Betracht gezogenen Gründe vorausgeht. Folglich kann eine Ersetzung der Gründe von Amts wegen durch den Richter oder auf Antrag des Einführers in der gerichtlichen Phase gemäß den nationalen Verfahrensvorschriften als Zollkontrolle angesehen werden, die als solche gemäß dem Zollkodex der Union, der als Spezialregelung gegenüber diesen Verfahrensvorschriften Vorrang haben muss, den Zollbehörden des Mitgliedstaats vorbehalten ist. Insoweit gibt das vorlegende Gericht nicht an, ob es über eine Ermächtigung durch Gesetz oder Verordnung zur Anwendung bestimmter Zollvorschriften verfügt.
61. Somit sind diese Ausgestaltung des Rechtsbehelfs in zwei Phasen (bei den Zollbehörden und bei Gericht) und der verstärkte Schutz [aufgrund] der Pflicht zur vorherigen Mitteilung und der Begründungspflicht geeignet, das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und die [Beachtung der] Begründungspflicht zu gewährleisten, die jeweils durch Art. 47 und Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta geschützt sind.
62. Zum anderen sieht Art. 75 Abs. 5 der Delegierten Verordnung 2017/891 eine doppelte Frist vor, um entweder nachzuweisen, dass die Partie zu den Bedingungen abgesetzt wurde, die der Realität der Preise nach Art. 70 des Zollkodex der Union entsprechen, oder den Zollwert nach der deduktiven Methode zu bestimmen. Der Ablauf dieser Fristen (ein Monat ab Verkauf der betreffenden Erzeugnisse, höchstens vier Monate ab Annahme der Anmeldung zum freien Verkehr) sowie das Fehlen des Nachweises, dass die Erzeugnisse zu den vorgesehenen Bedingungen abgesetzt wurden, führen zum Verfall der Sicherheit(33). Somit zieht die Nichtbeachtung der in Art. 75 Abs. 5 der Delegierten Verordnung 2017/891 aufgestellten Bedingungen eine einzige Sanktion nach sich: den Verfall der anhand des pauschalen Einfuhrwerts berechneten Sicherheit.
63. Diese Besonderheit der für bestimmte Obst- und Gemüsesorten, darunter Zucchini, geltenden Zollregelung veranschaulicht sehr gut, dass die Wahl der Methode für die Berechnung des Zollwerts in der zollbehördlichen Phase des Rechtsbehelfsverfahrens zu treffen ist. Daher obliegt es dem Einführer, den Zollwert entsprechend der gewählten Grundlage nachzuweisen, andernfalls verfällt die Sicherheit.
64. Aus alledem ergibt sich, dass die Grundlage des zugrunde gelegten Zollwerts in der gerichtlichen Phase des Rechtsbehelfs gegen eine Zollentscheidung nicht geändert werden kann, da dies darauf hinausliefe, dem Einführer seine Rechte auf vorherige Mitteilung der Gründe einer möglicherweise belastenden Zollentscheidung und auf Begründung dieser belastenden Zollentscheidung zu nehmen.
65. Zweitens stellt sich im Hinblick auf die Art der vor dem Gericht geltend gemachten neuen Gründe die Frage, ob diese in einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden die Frage der Verbindung zwischen den Parteien und des Einflusses dieser Verbindung auf den Preis betreffen können.
66. OGL-Food hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass sie im Laufe des Gerichtsverfahrens keine Änderung der Methode für die Berechnung des Zollwerts zugunsten der deduktiven Methode beantragt habe(34), sondern dass sie im Rahmen der Rechtfertigung der Absatzmodalitäten der mit einem Transaktionswert angemeldeten Erzeugnisse gewünscht habe, dass die in Art. 134 Abs. 2 Buchst. b der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union vorgesehene Möglichkeit, nachzuweisen, dass der Transaktionswert dem nach der deduktiven Methode ermittelten Zollwert gleicher oder ähnlicher Waren sehr nahe komme, auf sie Anwendung finde.
67. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass dieser Art. 134 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union ein Artikel zur Durchführung von Art. 70 Abs. 3 Buchst. d des Zollkodex der Union ist und auf Transaktionen zwischen verbundenen Personen anwendbar ist.
68. Während der zollbehördlichen Phase hat sich der Einführer jedoch nicht auf seine Verbindungen mit dem Käufer auf der ersten Handelsstufe berufen oder, wie von der Zollbehörde verlangt, einen etwaigen Vertrag mit diesem vorgelegt, und erst recht nicht versucht, nachzuweisen, dass diese Verbindungen keinen Einfluss auf den Preis hatten. Während dieser Phase hätte er die Bedingungen für den Absatz der eingeführten Erzeugnisse unter Bezugnahme auf Art. 134 Abs. 2 Buchst. b der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union nachweisen können, was auch den Nachweis einer Verbindung zwischen ihm und dem Käufer auf der ersten Handelsstufe nach den in Art. 127 dieser Durchführungsverordnung festgelegten Modalitäten(35) und den fehlenden Einfluss dieser Verbindung auf den Preis vorausgesetzt hätte.
69. Außerdem beziehen sich die vom Zolldirektor angeführten Gründe nicht auf die Eigenschaft als verbundene Personen, sondern stützen sich auf zwei andere Gesichtspunkte: den hohen Ankaufpreis bei der Einfuhr (40,75 % über dem pauschalen Einfuhrwert) und den Weiterverkauf mit Verlust.
70. Folglich ist das Vorbringen zum Wert, der dem Transaktionswert nahe kommt, gegenüber den vom Zolldirektor herangezogenen Gründen völlig neu und läuft dessen Geltendmachung in der gerichtlichen Phase darauf hinaus, dass vom Richter verlangt wird, selbst die Zollkontrolle vorzunehmen, was über bloße Einwände hinausgeht, die sich auf die gewählten Gründe selbst beziehen können.
71. Im Ergebnis schlage ich vor, auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 75 Abs. 2, 5 und 6 der Delegierten Verordnung 2017/891 im Licht von Art. 5 Nrn. 1 und 3, Art. 22 Abs. 6, Art. 29 sowie Art. 44 Abs. 2 des Zollkodex der Union dahin auszulegen ist, dass die darin vorgesehenen Fristen und die darin vorgesehene Sanktion für ihre Nichteinhaltung dem entgegenstehen, dass die Begründung der Zollentscheidung in der gerichtlichen Phase der Anfechtung dieser Entscheidung geändert wird, auch was die gewählte Methode für die Berechnung des Zollwerts oder den Begriff „verbundene Personen“ im Sinne von Art. 70 Abs. 3 Buchst. d des Zollkodex der Union betrifft.
C. Erste Vorlagefrage
72. Mit seiner ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, welche Angaben für den Nachweis der Eigenschaft als Teilhaber oder Gesellschafter von Personengesellschaften bzw. als verbundene Personen im Sinne von Art. 127 Abs. 1 Buchst. b und Art. 142 Abs. 4 Buchst. b der Durchführungsverordnung zum Zollkodex relevant sind. Außerdem fragt es sich, ob für die Zwecke der Prüfung nach Art. 75 der Delegierten Verordnung 2017/891 zu beurteilen ist, ob die Beziehung zwischen den Händlern [nicht] die Bestimmung des höheren Preises der in der Folge mit Verlust weiterverkauften Waren beeinflusst hat.
73. Ich schlage vor, diese Frage aufgrund der Antwort auf die zweite Frage hilfsweise zu prüfen.
74. Der Gerichtshof hat kürzlich im Urteil vom 9. Juni 2022, Baltic Master(36), entschieden, dass es Art. 181a der Durchführungsverordnung, der infolge der Änderung dieser Verordnung durch die Verordnung (EG) Nr. 3254/94 der Kommission vom 19. Dezember 1994(37) eingefügt wurde, den Zollbehörden erlaubt, den Transaktionswert bei der Ermittlung des Zollwerts außer Betracht zu lassen, wenn nach Auffassung dieser Behörden der angemeldete Wert der eingeführten Waren nicht ihren tatsächlichen Wert widerspiegelt, und zwar unabhängig davon, ob eine Verbindung zwischen dem Einführer und dem Ausführer besteht(38). Die allgemeine Formulierung erlaubt es, sie entsprechend auf Art. 140 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union auszudehnen, der im Wesentlichen diesen Art. 181a über die Ablehnung des angemeldeten Transaktionswerts übernommen hat. Dieser Art. 140 sieht zum einen vor: „Haben die Zollbehörden begründete Zweifel daran, dass der angemeldete Transaktionswert dem gezahlten oder zu zahlenden Gesamtbetrag gemäß Artikel 70 Absatz 1 des Zollkodex [der Union] entspricht, können sie vom Anmelder zusätzliche Auskünfte verlangen.“ Zum anderen heißt es darin: „Werden ihre Zweifel nicht ausgeräumt, können die Zollbehörden entscheiden, dass der Zollwert der Waren nicht gemäß Artikel 70 Absatz 1 des Zollkodex ermittelt werden kann.“
75. In demselben Urteil hat der Gerichtshof auch entschieden, dass, „[w]as … die Verbindung zwischen Personen aufgrund ihrer Eigenschaft als Gesellschafter im Sinne von Art. 143 Abs. 1 Buchst. b der Durchführungsverordnung[(39)] betrifft, … hervorzuheben [ist], dass schon der Wortlaut dieser Bestimmung jede faktische Verbindung ausschließt“(40). Er hat hinzugefügt, dass „diese Bestimmung, die Personen betrifft, die im Rechtssinne ‚Gesellschafter‘ sind, für die Feststellung, dass eine Verbindung besteht, den Nachweis [verlangt], dass die in den nationalen Bestimmungen über die Gesellschaftereigenschaft vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind, womit jede nicht rechtliche Verbindung ausgeschlossen ist”(41).
76. Daraus folgt, dass die Beurteilung der Eigenschaft eines Teilhabers oder Gesellschafters von Personengesellschaften dem nationalen Recht unterliegt und dass die vom vorlegenden Gericht genannten Faktoren (nicht punktueller Charakter der Handelsbeziehungen, Angaben zu den für Lieferungen ausgestellten Rechnungen, zur Zahlung des Preises, zur Registrierung der Rechnungen in der Buchhaltung und in den Mehrwertsteuerregistern des Einführers und zum Recht auf Vorsteuerabzug, ein weit über dem pauschalen Einfuhrwert liegender angemeldeter Transaktionswert verbunden mit einem Weiterverkauf mit Verlust, Fehlen eines Handelsvertrags) nur relevant sein können wenn sie im nationalen Recht die Eigenschaft eines Teilhabers oder Gesellschafters von Personengesellschaften begründen.
77. Um eine Antwort auf diese Frage vorschlagen zu können, muss jedoch auf das Verhältnis zwischen den auf bestimmte Obst- und Gemüsesorten, darunter Zucchini, anwendbaren Spezialvorschriften und den allgemeinen Vorschriften des Zollkodex der Union und seiner Durchführungsverordnung eingegangen werden.
78. Wenn der Einführer einen Transaktionswert angemeldet hat, sieht Art. 75 Abs. 5 der Delegierten Verordnung 2017/891 vor, dass er innerhalb einer Frist von einem Monat ab Verkauf der betreffenden Erzeugnisse, jedoch höchstens vier Monaten ab Annahme der Anmeldung zum freien Verkehr nachweisen muss, dass die Partie zu den Bedingungen abgesetzt wurde, die der Realität der Preise nach Art. 70 des Zollkodex der Union entsprechen.
79. Genügt es daher, wenn der Einführer nachweist, dass die Voraussetzungen des Art. 70 des Zollkodex der Union und insbesondere diejenige in Bezug auf verbundene Personen beim Weiterverkauf der eingeführten Waren erfüllt sind, oder muss er einfach nachweisen, dass die Absatzbedingungen den angemeldeten Transaktionswert rechtfertigen?
80. Von dieser Antwort hängt die Zulässigkeit der Frage ab, da es nicht nötig wäre, sich die Frage zu den Bedingungen für den Absatz der Erzeugnisse zu stellen, wenn der bloße Nachweis des Vorliegens von Verbindungen zwischen dem Einführer und dem Käufer auf der ersten Handelsstufe und ihr Einfluss auf den Preis ausreichte.
81. Eine wörtliche Auslegung könnte den Schluss nahelegen, dass allein dieser Nachweis des Weiterverkaufs zu einem Preis, der den angemeldeten Transaktionswert rechtfertigt, ausreicht. Die vom Unionsgesetzgeber gewählte Formulierung beschränkt sich jedoch nicht darauf, den Nachweis der Richtigkeit des Transaktionswerts zu verlangen, sondern führt auch die Bedingungen für den Absatz der weiterverkauften Ware an. Art. 75 Abs. 5 Unterabs. 3 der Delegierten Verordnung 2017/891 stellt klar, dass die Sicherheit nur freigegeben wird, soweit den Zollbehörden die Absatzbedingungen zufriedenstellend nachgewiesen wurden.
82. Wenn man jedoch den Zweck dieser Vorschrift berücksichtigt, bei der Einfuhr eine Überfakturierung zwecks Vermeidung der Zahlung von Zöllen zu verhindern, scheint der Verweis auf die Voraussetzungen des Art. 70 des Zollkodex der Union umfassend sein zu müssen. Wenn eine Absprache zwischen verbundenen Parteien bei der Rechnungsstellung für das ausgeführte Erzeugnis möglich ist, ist sie auch bei deren Weiterverkauf im Gebiet der Union möglich, weshalb die Tatsache relevant ist, dass der Weiterverkauf der Erzeugnisse nicht an verbundene Personen erfolgen kann, um den Transaktionswert zu rechtfertigen, oder dass nachgewiesen wird, dass diese Verbindung keinen Einfluss auf den Preis hat. Mit der Zollwertregelung der Union soll ein gerechtes, einheitliches und neutrales System errichtet werden, das die Anwendung willkürlicher oder fiktiver Zollwerte ausschließt. Der Zollwert muss daher den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert einer eingeführten Ware widerspiegeln(42).
83. Somit kann der Transaktionswert nicht angewandt werden, wenn aufgrund der Verbindungen zwischen verbundenen Personen beim Kauf der Waren bei der Ausfuhr und bei ihrem Weiterverkauf im Zollgebiet der Union der Preis beeinflusst wurde. In diesem Fall sieht die Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union vor, dass der Rückgriff auf den Transaktionswert weiterhin möglich ist, auch wenn zwischen den Parteien eine Verbindung besteht, wenn dieser dem Zollwert gleicher oder ähnlicher Waren, der gemäß der deduktiven Methode ermittelt wurde, sehr nahe kommt(43), mit Ausnahme des Vergleichs mit dem Zollwert eingeführter Waren.
84. Dennoch kann dieses Ziel, sich von der wirtschaftlichen Realität des Kaufs und Weiterverkaufs und damit von der angemessenen Höhe der Zölle zu überzeugen, auch durch den Rückgriff auf den Nachweis der Absatzbedingungen erreicht werden, da anomale Absatzbedingungen Ausdruck einer Absprache zwischen verbundenen Personen sein können, die den Preis beeinflusst. Somit könnte diese Verpflichtung zum Nachweis der Absatzbedingungen als vereinfachter Beweis dafür gesehen werden, dass etwaige Verbindungen zwischen den Parteien keinen Einfluss auf den Preis haben. Diese Auslegung würde auch dem Ziel der speziellen Regelung für verderbliches Obst und Gemüse entsprechen, das darin besteht, die Bestimmung ihres Werts für die Berechnung des Einfuhrpreises zu erleichtern, da das verderbliche Obst und Gemüse überwiegend im Konsignationshandel geliefert wird, was die Bestimmung seines Werts erschwert(44). Diese Auslegung kann auch dadurch gerechtfertigt werden, dass die auf der Grundlage des pauschalen Einfuhrwerts berechnete Sicherheit von der Zollbehörde einbehalten wird, wenn die in Art. 75 Abs. 5 der Delegierten Verordnung 2017/891 erforderlichen Angaben nicht innerhalb der angegebenen Frist nachgewiesen werden.
85. Aus all diesen Erwägungen folgt, dass auch dann, wenn das vorlegende Gericht zu dem Ergebnis käme, dass die Wirtschaftsteilnehmer verbunden sind – was nicht der Fall ist –, diese Feststellung für den Nachweis unzureichend wäre, dass die Voraussetzungen des Art. 75 Abs. 5 der Delegierten Verordnung 2017/891 erfüllt sind, und insbesondere, dass die Erzeugnisse unter solchen Bedingungen abgesetzt wurden, die der Realität der Preise entsprechen. Daher scheint die Antwort auf diese Frage für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht sachdienlich und [die Frage] unzulässig zu sein.
86. Hilfsweise schlage ich vor, diese Frage wie folgt zu beantworten: Art. 70 Abs. 3 Buchst. d des Zollkodex der Union und Art. 127 Abs. 1 Buchst. b der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union sind dahin auszulegen, dass der Käufer und der Verkäufer nicht als Teilhaber oder Gesellschafter von Personengesellschaften angesehen werden können, wenn sie nicht nachweisen, dass die in den nationalen Bestimmungen über die Teilhaber- bzw. Gesellschaftereigenschaft vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind, was eine nicht rechtliche Verbindung ausschließt.
V. Ergebnis
87. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Administrativen sad Sofia-grad (Verwaltungsgericht der Stadt Sofia, Bulgarien) wie folgt zu beantworten:
1. Art. 75 Abs. 2, 5 und 6 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/891 der Kommission vom 13. März 2017 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Sektoren Obst und Gemüse sowie Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse und zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die in diesen Sektoren anzuwendenden Sanktionen und zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 543/2011 der Kommission in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2018/1145 der Kommission vom 7. Juni 2018 geänderten Fassung ist im Licht von Art. 5 Nrn. 1 und 3, von Art. 22 Abs. 6, von Art. 29 sowie von Art. 44 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union in der durch die Verordnung (EU) 2016/2339 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 geänderten Fassung
dahin auszulegen, dass
die darin vorgesehenen Fristen und die darin vorgesehene Sanktion für ihre Nichteinhaltung dem entgegenstehen, dass die Begründung der Zollentscheidung in der gerichtlichen Phase der Anfechtung geändert wird, auch was die gewählte Methode für die Berechnung des Zollwerts oder den Begriff „verbundene Personen“ im Sinne von Art. 70 Abs. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 952/2013 in der durch die Verordnung 2016/2339 geänderten Fassung betrifft.
2) Die erste Vorlagefrage ist unzulässig, hilfsweise aber wie folgt zu beantworten:
Art. 70 Abs. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 952/2013 in der durch die Verordnung 2016/2339 geänderten Fassung und Art. 127 Abs. 1 Buchst. b der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. November 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union in der durch die Durchführungsverordnung (EU) 2018/604 der Kommission vom 18. April 2018 geänderten Fassung
sind dahin auszulegen, dass
der Käufer und der Verkäufer nicht als Teilhaber oder Gesellschafter von Personengesellschaften angesehen werden können, wenn sie nicht nachweisen, dass die in den nationalen Bestimmungen über die Teilhaber- bzw. Gesellschaftereigenschaft vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind, was eine nicht rechtliche Verbindung ausschließt.